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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 174, 359--3~6 (1968) Die akute Ophthalmomalacie -- eine Folgeerscheinung der Arteriitis cranialis I-~. BETTELHEIIV[ II. Augenklinik der Universit~t Wien (Vors~and: Prof. Dr. J. B6cK) Eingegangen am 3. November 1967 1961 beriohtete HAIMB6CK fiber eine 73jahrige, an Arteriitis cra~fialis leidende Frau, bei der eine akute tfypotonie beider Bu]bi aufgetreten war. In klinisoher und &tiologisoher Hinsieht unterschied sioh dieser bemerkenswerte Fall yon den bisher besehriebenen Zustandsbildern der Ophthalmomalaeie bzw. der essentiellen Phthisis bulbi grundlegend. Wtthrend ngmlich die ]etzteren vorwiegend bei jfingeren Mensohen be- obaehtet worden und in den Anamnesen rech~ hgufig Traumen oder Operationen zu verzeiehnen gewesen waren, ergab sieh bei tIAIM~6CKs Patientin ein sieherer Zusammenhang zwisehen der dutch die Arteriitis hervorgerufenen sehweren St6rung des Kreislaufes und der Erweiehung der Auggpfel. Uber eine pl6~zliche Abnahme des intraocularen Druekes ohne Vorhandensein einer eigentlichen Augenkrankbei~ hat als erster v. G~aEF~ in seiner Arbeit ,,idber essentielle Phthisis bulbi" (1866) referiert. 1867 teilte NAGELreeht ghnliche Befunde mit, gebrauchte jedoch an Stelle des yon v. G~AEFEgewghlten Terminus die Bezeiehnung Hypotonia bulbi. Als Ursache der Druckverminderung nahm er eine ,,Sekretionsneurose" an: unter dem Einflul~ einer Sympathicuslgsion sei die Produktion des Kammerwassers eingesehrgnkt worden. SCmWlDT-I~IMeLEI~ lehnte die v. Graefesehe Nomenklatur ab, da sie den Verlust des Sehverm6gens impliziere; fiir die idiopathische tIypotonia bulbi schlug er vielmehr den N~men Ophthal- momalacie vor; er unterschied zwischen einer einfaehen (en~weder akut oder ehroniseh verlaufenden) und einer intermittierenden Form des Leidens. Ferner teilte er NAGE~s Auffassung, dub St6rungen der Funktion des Sympathicus ffir den Druekabfall verantwortlich seien und vermu~ete Zusammenhgnge mi~ dem Hornersehen Symptomenkomplex. 1921 beschrieb REIS eingehend histologische Befunde zweier ophthalmomMacischer Bulbi. Im Gegensatz zu v. G~EF~, der die bei der Phthisis bulbi bestehenden Hornhautrunzeln als Falten der Desoemetischen Membran betraehtet hatte, stellte t~EIS Vergnderungen der Bowmanschen Mere- bran als anatomisches Substrat der oornealen Faltenbildung fest. Er wies anf die engen Beziehungen zu der tt~abschen Buchstabenkeratitis, der linearen ober- flgohlichen Keratitis yon SPIo~a HOLMES und GRE~VESsowie der gitterf6rmigen ttornhautdegeneration CasPA~s him Weitere Arbeiten fiber Ophthalmomalaeie respektive Hypotonia bulbi stammen yon LANDESBBRG, SCttMIDT, MnGITOT, MaRO~g~AIr und GI~SSM~X~r Keine einzige dieser Mitteilungen e~rth/ilt Hinweise auf das Bestehen einer Arteriitis eranialis als Ursaehe einer Erweichung des Aug- apfels. ~a~C~rESa~r ist vor allem eine prgzise Abtrennung der symptomatisehen

Die akute Ophthalmomalacie — eine Folgeerscheinung der Arteriitis cranialis

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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 174, 359--3~6 (1968)

Die akute Ophthalmomalacie - - eine Folgeerscheinung der Arteriitis cranialis

I-~. BETTELHEIIV[

II. Augenklinik der Universit~t Wien (Vors~and: Prof. Dr. J. B6cK)

Eingegangen am 3. November 1967

1961 beriohtete HAIMB6CK fiber eine 73jahrige, an Arterii t is cra~fialis leidende Frau, bei der eine akute t fypotonie beider Bu]bi aufgetreten war. I n klinisoher und &tiologisoher Hins ieht unterschied sioh dieser bemerkenswerte Fall yon den bisher besehriebenen Zus tandsbi ldern der Ophthalmomalaeie bzw. der essentiellen Phthisis bulbi grundlegend. Wtthrend ngmlich die ]etzteren vorwiegend bei jfingeren Mensohen be- obaehtet worden und in den Anamnesen rech~ hgufig T r a ume n oder Operat ionen zu verzeiehnen gewesen waren, ergab sieh bei tIAIM~6CKs Pa t i en t in ein sieherer Zusammenhang zwisehen der dutch die Arteri i t is hervorgerufenen sehweren St6rung des Kreislaufes u n d der Erweiehung der Auggpfel.

Uber eine pl6~zliche Abnahme des intraocularen Druekes ohne Vorhandensein einer eigentlichen Augenkrankbei~ hat als erster v. G~aEF~ in seiner Arbeit ,,idber essentielle Phthisis bulbi" (1866) referiert. 1867 teilte NAGEL reeht ghnliche Befunde mit, gebrauchte jedoch an Stelle des yon v. G~AEFE gewghlten Terminus die Bezeiehnung Hypotonia bulbi. Als Ursache der Druckverminderung nahm er eine ,,Sekretionsneurose" an: unter dem Einflul~ einer Sympathicuslgsion sei die Produktion des Kammerwassers eingesehrgnkt worden. SCmWlDT-I~IMeLEI~ lehnte die v. Graefesehe Nomenklatur ab, da sie den Verlust des Sehverm6gens impliziere; fiir die idiopathische tIypotonia bulbi schlug er vielmehr den N~men Ophthal- momalacie vor; er unterschied zwischen einer einfaehen (en~weder akut oder ehroniseh verlaufenden) und einer intermittierenden Form des Leidens. Ferner teilte er NAGE~s Auffassung, dub St6rungen der Funktion des Sympathicus ffir den Druekabfall verantwortlich seien und vermu~ete Zusammenhgnge mi~ dem Hornersehen Symptomenkomplex. 1921 beschrieb REIS eingehend histologische Befunde zweier ophthalmomMacischer Bulbi. Im Gegensatz zu v. G~EF~, der die bei der Phthisis bulbi bestehenden Hornhautrunzeln als Falten der Desoemetischen Membran betraehtet hatte, stellte t~EIS Vergnderungen der Bowmanschen Mere- bran als anatomisches Substrat der oornealen Faltenbildung fest. Er wies anf die engen Beziehungen zu der tt~abschen Buchstabenkeratitis, der linearen ober- flgohlichen Keratitis yon SPIo~a HOLMES und GRE~VES sowie der gitterf6rmigen ttornhautdegeneration CasPA~s him Weitere Arbeiten fiber Ophthalmomalaeie respektive Hypotonia bulbi stammen yon LANDESBBRG, SCttMIDT, MnGITOT, MaRO~g~AIr und GI~SSM~X~r Keine einzige dieser Mitteilungen e~rth/ilt Hinweise auf das Bestehen einer Arteriitis eranialis als Ursaehe einer Erweichung des Aug- apfels. ~a~C~rESa~r ist vor allem eine prgzise Abtrennung der symptomatisehen

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(i. e. auf Traumen, Entziindungen oder Operationen beruhenden) yon den idio- pathisehen Formen der Ophthalmomalaeie zu danken. GIESS~A~ demonstrierte den Einfiu$ des osmotischen Druckes des Blutes auf die Tension des Auges.

Bei al ler Unte rsch ied l ichke i t des kl inisehen Bildes und der J~tiologie e rgaben sich doch hinsicht l ich der Pa thogenese gewisse Zusammen- hgnge zwischen dem yon HAIM~SCK besehr iebenen Fa l l und der Viel- zahl der fr i iheren, alle m6glichen h y p o t o n e n ZustSmde des Bulbus be- t re f fenden kasuis t i schen Beitri~ge. Alle Au to re n ane rkann ten ja als Ursache der s te ts nachweisbaren H o r n h a u t r u n z e l n das Abs inken des in t raocu la ren Druckes ohne Bestehen einer Augenkrankhe i t . Den un- mi t t e lba r en Grund fiir die zumeis t u n v e r m i t t e l t e insetzende t i y p o t o n i e e rb l iek ten sie nahezu i ibe re ins t immend in e inem vermut l i ch nerv6s- ref lektor isch bed ing ten Versagen der Kamme rw a sse rp roduk t i on .

Seit HAI~B6cI~s Ber ich t aus der hiesigen Kl in ik im Jah re 1961 wurde in der uns zug/~ngliehen L i t e r a tu r kein wei terer ahnl ieher oder ga r g le iehar t iger Befund publ iz ier t . I m folgenden seien daher zwei wei tere Fa l le yon Oph tha lmomalac i e bei Ar ter i i t i s cranial is besehrieben, die in den J a h r e n 1961 und 1967 in der I I . Universi t /~ts-Augenklinik un te r such t werden konn ten :

Fall 1: Patientin F. B., 71 Jahre, Krankengeschichte Nr. 7870/61 Anamnese. Vorgesehiehte unau~f~llig. Etwa 1 Woehe vor der Aufnahme in die

Klinik bemerkte die Patientin einen grauen Schleier vor dem linken Auge, auBer- dem traten Sehmerzen in der linken Stirn- und Sehl~fengegend auf. Wegen der SehstSrung konsultierte die Patientin einen Augenarzt, der sie in die Klinik einwies.

Ophthalmologischer Be]~nd. 12.8.61. Rechtes Auge: vorderer Abschnitt un- auff~llig; Fundus: Sklerose der Netzhautgef~ge, sonst o. B. Linkes Auge: Ptosis. Gemisehte Injektion des deutlich hypotonen Bulbus. Stellung und Beweglichkeit regelreeht. IIornhaut (Abb. 1) : EpithelSdem. Stroma gequollen und getriibt, eigen- artig gefeldert. Vorderkammer: seieht, klar; Iris unauffiillig; Pupilte: weit, licht- starr. Linse nieht sieher beurteilbar; Fundus: kein Einblick. Visus: reehtes Auge: + 4,0 s 6/6, ~ 7,0 s Jg I; linkes Auge: Fingerzahlen in 20 cm, Projektion positiv. Tension (Schi6tz): reehtes Auge: 16 mm Hg; linkes Auge: unmeSbar niedrig.

Interner Be/und. Extrasystolie, Emphyseln; I-Iepar 11/2 Querfinger unterhalb des Rippenbogens tastbar. EKG unauffgllig, Hypertonie bis 220 mm Hg.

Blutsenkungsreaktion. 110/120 mm (Methode naeh WESTEI~GI~EN). Carotisangiographie links (Abb. 3). Die Arteria carotis interns und ihre Ver-

zweigungen gut geliillt. Kaliber und Verlauf der Gefgl3e regular. Im Gebiet der Arteria earotis externa schwerste obliterierende Veriinderungen, die Gef~ge stellenweise nur fadendiinn.

Therapie. 4real 2 Tabletten Decadron t~glich, 2real 1 Ampulle Duvadilan intramuskul~r. Lokal Ultracortenolsalbe.

Verlau[. Unter der Therapie mit Steroiden Anstieg der Tension sowie Abnahme der I-Iornhauttriibungen des linken Anges. Wegen st~rkerer 0deme (Bein6deme, Organstauung) wird die Decadronkur nach knapp 4 Woehen unterbrochen. Nach lw6chiger Pause wird die Behandlung mit 3real tgl. 1 Tablette Urbason fortgesetzt.

Entlassungsbe/und. 20. 9.61. Rechtes Auge: unver~nderter Befund. Linkes Auge: Ptosis. Hornhaut: eben, gliinzend, durehsiehtig, einzelne Falten der Desce-

Ophthahnomalacie dutch Arteriitis cranialis 361

Abb. 1. I-Iornhautver~inderungen bei akuter Ophthalmomalgcie (Photographie): typisehe Felderung

Abb. 2. Hornhautver~tnderungen bei akuter Ophthalmomalacie. Photographie des optisehen Sehnittes naeh KE~Y~aES. Quellung der tieferen Stromasehichten.

Falten der Descemetisehen ~embran

metischen iVIembran, keine Stromaquellung mehr. Pigmentierte ]3eschlgge auf der Hinterflgehe. Vorderkammer: mi~teltief, korpuskulgrer Tyndall. Linse: Mar; Pupille: iibermittelwei~, liehtstarr; Fundus: Papille seharf begrenzt, gut gefgrbt, physiologiseh exkavierg. Zarte Aufhellungsherdehen im Maculabereieh. ttgrtere

362 H. BETTEL~I~:

Abb. 3. C~rotis~ngiogr~mm: Erklgrung s. Text. (Das C~rotisangiogramm verdunken wir Herrn Doz. Dr. B R ~ , Oberarzt der Neuroehirurgisehen Universit~tsklinik

in Wien)

arterielle Reflexe. Peripherie der Netzhaut unauff/illig. Visus: rechtes Auge: unver~ndert; linkes Auge: @ 2,5 s 6/12 p~rtim, ~- 6,5 s Jg 2 Zahlen. Applanations- tonometrie: reehts 14, links 8 mm Hg.

Kontrollen des weiteren Verlaules 10. 1.62: Tension des linken Auges auf 20 mm Hg angestiegen. Visus o. s. nur

noch 6/36, Jg 7, da Cataraetbildung. :Fundus o. s. unauff~illig. Ophthalmodyna- mometrie: BraehiMisbltltdruck 195/90 mm Hg; Ophthalmieablutdruek reehts 176/58 mm Hg (SIitteldruek 108 mm Hg), links 174/54 mm t tg (Mitteldruek

Ophthalmomalacie durch Arteriitis cranialis 363

104 mm Hg); Abweichung vom FormeIwert (Formel 2 nach WEIGELIN): rechts + 5, links + 1.

16.1.62: Probeexcision aus der linken Arteria temporalis superficialis: typi- sche Riessnzellarteriitis.

Am 8.2.62 wurde die Patientin wieder in die Klinik aufgenommen, da eine spontane Pulsation der linken Arteria eentralis retinae siehtbar war. Der Ophthal- micablutdruek war links dentlich diskordant erniedrigt, der intraoculare Druck seitengleieh 15 mm Hg. Nach insgesamt 3 Blockaden des linken Ganglion stellatum stieg der Blutdruck in der linken Arteria ophthalmiea wieder an. Die Patientin erkrankte interkurrent an einer Ceratoeonjunctivitis epidemica, weshalb sie am 3.3.62 in h~usliche Pflege entlassen wurde.

Bei der letzten Kontrolle am 8. 11.62 war die Tension des linken Auges normal (20 mm Hg), die ttornhaut bis auf einige zarte obeffl~chliche Maculae nach Cerato- conjunctivitis epidemica klar, mit pigmentbest~ubter tIinterfl~,che, die Iris stellen- weise atrophisch, die Pupille welt nnd lichtstarr. Durch eine Cataraeta corticalis anterior et posterior war das SehvermSgen auf 6/2r Jg 5 vermindert, im Fundus sah man keine grSberen pathologischen Ver~nderungen.

Epikrise, Bei einer 71j/~hrigen Pa t i en t in mi t Arteri i t is cranialis war

eine akute Ophtha lmomalac ie des l inken Bulbus (akute Hypotonie)

aufgetreten, die nach Decadronbehandlung innerha]b yon 6 Wochen

schwand, ohne eine nennenswerte Funktionseinbul~e hinterlassen zu

haben.

Fall 2: Patient B. B., 84 Jahre, Krankengeschichte Nr. 13815/67 Anamnese: Kinderkrankheiten nicht erinnerlich. 194l Schul~verletzung des

rechten Unterarms. Seit 10 Jahren Diabetes mellitus, zuletzt mit l0 Wei•hrot- einheiten und 2 Tabletten Nadisan t~glich eingestellt. 1966 Herzinfarkt. 1904 Lues, Gonorrhoe.

Seit Ende gull 1967 st~ndig starke Kopfschmerzen, ferner deutliche Seh- verschleehterung des linken Auges, nach Ansieht des behandelnden Augenarztes durch Katarakt hervorgerufen. Seit Anfang August 1967 Halsschmerzen, Prostra- tionsgefiihl, Mattigkeit, Inappetenz, Fieber bis 38 ~ Schluckbeschwerden, weitere Zunahme der Kopfschmerzen. Deshalb Einweisung in die I. Medizinische Ab- teilung des Kaiser Franz-Josef-Spitales der Gemeinde Wien (Vorstand: Doz. Dr. GEYER) unter der Diagnose pr~komatSses Zustandsbild.

Internistischer Au/nahmebe/und. (6.8.67). Pharyngitis, basale Bronchitis. K6rpertemperatur 37,8 ~ Allgemein- und Ern~hrungszustand reduziert. Blutzucker 310 nag-% ; Harnzucker 2,5 %, leiehte Spuren yon Aceton im Harn. Blutsenkungs- reaktion 85/90 ram.

Bei der ersten augen~rztlichen Untersuchung des Patienten dureh Frau Primaria SUBAL, der wir die Uberweisung des Patienten verdanken, wurde folgen- der Befund erhoben:

10. 8.67: Ptosis o. u., Cataracta senilis incipiens o. u., beide Pupillen welt und lichtstarr. Fundi: Sclerosis vasorum retinae; die linke Pupille unseharf begrenzt, temporal bl~sser. Der Visus konnte nicht geprtift werden, der Patient machte keine Angaben fiber eine Verminderung des SehvermSgens.

Am 21.8.67 erblindete Herr B. pl6tzlieh vollstKndig. Bei der augen~irztlichen Kontrolluntersuchung am 22.8.67 waren beide Corneae so stark getriibt, dal3 sie den Einblick in den Fundus verwehrten. :Die Bulbi waren blaB, die Bindehaut- gef~$e v511ig blutleer. Wegen des Verdachtes auf Arteriitis cranialis mit konseku- river Hypotonia bulbi wurde eine Probeexeision aus der reehten Arteria temporalis

364 H. BETTELKEIM:

superficialis veranlaSt und eine Therapie mit Steroiden empfohlen. Zwischen dem 22. und dem 29.8. 67 erhielt der Patient 2real tgl. je 50 mg Prednisolut i.v. in- jiziert. Der beiderseitige Amaurose blieb jedoch bestehen. Das Ergebnis der Biopsie war nicht eindeutig. Wohl konnte eine betr~chtliche entziindliehe Infiltration der W~nde des excidierten Gef~l]stiickchens nachgewiesen werden, Riesenzellen waren in den wenigen verfiigbarcn Sehnitten jedoeh nicht zu sehen.

Am 4. 9.67 wurde der Patient zur Untersuchung in die II. Universit~ts-Augen- klinik gebracht. Beide Bulbi waren stark hypoton, die Corneae wiesen Falten der Deseemetischen Membran und cine starke Quellung der tieferen Stromaschichten auf, wodurch eigenartige fleckf6rmige Trfibungszonen entstanden, die den Ein- druck einer Felderung der Hornhaut hervorriefen. Die rechte I-Iornhaut war wesent- lich starker gequollen als die linke und zeigte einen schr~g verlaufenden Knick.

Am 9.10. wurde der Patient in die II. Universit~ts-Augenklinik transferiert. Befund yore 9.10.67 : Rechtes Auge: Ptosis, Enophthalmus. Starke I-Iypotonie,

vermehrte Blutfiille der episkleralen, conjunctivalen und ciliaren Gef~$e. Die Hornhaut eigenartig gefeldert, dutch starke Quellung der tieferen Stromasehiehten etwa 1/3 dicker als die linke. Dcscemetifalten, Pigmentstreifen auf tier Hornhaut- hinterfl~che. Zartes Epithelbdem. Vorderkammer: aufgehoben. Iris: Atrophie des Pigmentblattes, Blutauflagerungen nasal oben. Pupille: weit, lichtstarr, einzelne hintere Synechien. Linse: diehte Triibung mit deutlichen Zeichen tier Intumescenz. Kein Einblick in den Fundus. Linkes Auge: Ptosis, Enophthahnus, Hyper~mie der Bindehaut- und der vorderen Ciliargef~l~e. Die Hornhaut ebenfalls gequollen und getrilbt, jedoch weniger als die rechte Cornea. Falten der Descemetischen Membran, Parenchymdehiscenzlinien in den tieferen Stromaschichten. Vorderkammer: mit- teltief, klar. Iris: stellenweise atrophisch. Pupille: welt, licbtstarr, einzelne hintere Synechien. Linse: beginnende Rindentriibung, bunt schillernde Einlagerungen in den Linsenkern. Fundus: kein Einblick, nur schwaehes Rotlieht. Visus: Amaurosis o.u. Tension: (Sehibtz) : rechts unmegbar niedrig, links 2 mm Hg.

Die Temporalarterien waren stark geschl~ngelt, eher welch and pulslos. Die neuerlich, diesmal aus der linken Arteria temporalis superficialis durchgefiihrte Probeexcision ergab eine Arteriitis temporalis (typische Riescnzellarteriitis).

Elektroretinogramm rechts: keine Potentiale ableitbar; links: bei hbchster Reizintensit~t negative Wclle kleiner als 0,05 Millivolt.

Ophthalmodynamogramm, 1%heoplethysmogramm: verzerrte Oscillationen mit minimalen Amplituden.

Epikrise . Ein 84jghriger Mann erb l indete an den Folgen einer Ar ter i i t i s cranial is vol ls tgndig. Beide Augen waren s t a rk hypoton , die H o r n h g u t e wiesen eine s ta rke Quellung der t ieferen S t romasch ieh ten und F a l t e n der Descemet isehen Membran auf. Zum Ze i tpunk t des Auf- t r e tens der aku t en H y p o t o n i e waren Harn- und Blutzuckerspiegel p rak t i seh no rma l gewesen, der H a r n acetonfrei , so dal3 sich keinerlei Hinweise auf ein Coma d i abe t i cum als Ursaehe der Ophtha lmomalac ie ergaben. Trotz der in tens iven Behand lung mi t S tero iden blieb die Amaurose bestehen.

Ffir die be iden oben mi tge te i l t en Fgl le ergeben sieh folgende gemein- same Merkmale :

I m t~ahmen der durch die Ar ter i i t i s eranial is hervorgerufenen, vor a l lem bei Fa l l 1, vorwiegend das Gebie t der Ar te r i a earot is ex te rna bet ref fenden Kre i s laufs t6 rung t r a t eine aku te H y p o t o n i e der Bulb i auf.

Ophthalmomalacie durch Arteriitis craniMis 365

Man daft annehmen, daf3 fiir das Absinken des intraocularen Druckes eine passagere Abnahme der Ciliark6rperdurchblutung verantwortlieh war, wofiir unter anderem auch die bei dem zweiten Kranken erhobenen rheoplethysmographischen Befunde sprechen k6nnten. W/ihrend bei der ersten Patientin eine nahezu vollst/~ndige Restitution erfolgte, war bei dem zweiten Kranken ein totaler und permanenter Verlust des Seh- verm6gens zu beklagen, der auf eine retinale Ischgmie zurfickgeffihrt werden mug.

Zusammenh~nge zwischen der Ophthalmomalacie und dem tIorner- schen Symptomenkomplex sind aueh bei den beiden oben beschriebenen F/illen zu vermuten: bei beiden Patienten bestand eine deutliche Ptosis, bei dem zweiten Kranken auch ein Enophthalmus. Da$ das Symptom der Miosis fehlte, ist bei dem zweiten Patienten verst/~ndlich [Amaurose !], bei der ersten Kranken wohl nut mit einer L/~sion des Ganglion ciliate zu erkl/~ren.

Die durch die Hypotonie hervorgerufenen Hornhautver/~nderungen waren durch Falten der Deseemetisehen Membran und dureh Quellung der tieferen Stromasehichten gekennzeiehnet (Abb. 2).

Somit repr/isentieren die drei in der II. Universiti~t-Augenklinik in Wien beobachteten F/~lle yon Ophthalmomalacie bei Arteriitis eranialis ein in klinischer,/~tiologischer und pathogenetischer Hinsicht charakteri- stisches Zustandsbild. Dieses unterscheidet sich in den meisten Belangen deutlich yon den frtiheren Autoren beschriebenen, bez/iglich der Ent- stehung und der Symptomatik recht uneinheitliehen Formen der idiopathischen I{ypotonia bulbi.

Zusammenfassung

Bei zwei Kranken mit histologisch verifizierter Arteriitis eranialis wurde eine akute tIypotonie der Bulbi beobachtet: w/ihrend die erste Patientin wieder ein nahezu normales SehvermSgen erlangte, erblindete der zweite Kranke infolge einer zus~tzlich aufgetretenen retinalen Ischgmie vollst/~ndig. Die klinischen,/itiologischen und pathogenetischen Gesichtspunkte der akuten 0phthalmomalacie werden er6rtert, die gemeinsamen Merkmale der eigenen kasuistischen Beitr~ge hervor- gehoben und mit den in der Literatur beschriebenen F/illen yon idio- pathischer Hypotonia bulbi verglichen.

Summary Acute hypotonia bulbi was observed in two patients with histo-

logically substantiated cranial arteritis. While vision was normalized in the first patient the second one became blind due to retinal ischemia.

366 H. BETTELI3:EIM: Ophthalmomalacie durch Arteriitis cranialis

The clinical, e t iological and pa thogene t ic aspects of the acute ophtha l - momal~cia are discussed; the common fea tures of the own cases are s t ressed and compared wi th those of the cases of id iopa th ic h y p o t o n i a bu lb i h i the r to r e p o r t e d in l i t e ra ture .

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Dr. H. BETTEL~E~Z~ II. Augenklinik der Universit~t Alserstral~e 4 A-1090 Wien/0sterreich