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Vorlesung an der Fachhochschule Landshut Wirtschaftsprivatrecht 4. Semester Wichtige Hinweise: 1. Dieses Skript wurde von Prof. Obermeier erstellt, wird aber auch von Dr. Sonnabend verwendet 2. Rechtsstand vom Sommersemester 2001. Es könnte sein, daß –wie auch im 2. Semester- aufgrund der Änderungen im BGB zum 1.1.2002 auch in der Vorlesung Änderungen eingetreten sind.

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Vorlesung

an der

Fachhochschule Landshut

Wirtschaftsprivatrecht

4. Semester

Wichtige Hinweise: 1. Dieses Skript wurde von Prof. Obermeier erstellt, wird aber auch von Dr. Sonnabend verwendet 2. Rechtsstand vom Sommersemester 2001. Es könnte sein, daß –wie auch im 2. Semester- aufgrund der Änderungen im BGB zum 1.1.2002 auch in der Vorlesung Änderungen eingetreten sind.

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Inhaltsverzeichnis Teil A : BGB I. Ungerechtfertigte Bereicherung 1. Leistungskondiktion

2. Nichtleistungskondiktion

II. Sicherungsrechte 1. Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, - ab- tretung

2. Bürgschaft 3. Pfandrecht 4. Hypothek

Teil B : Mahnverfahren Teil C : Handelsrecht I. BGB und HGB 1. HGB als Sonderrecht der Kaufleute 2. BGB subsidiär

II. Kaufmann und Nichtkaufmann 1. Selbständigkeit 2. Handelsvertreter 3. Freiberufliche Tätigkeit

III Die Einteilung der Kaufleute

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IV Die Geschäfte der Kaufleute 1. Vertreter, Mäkler, Kommissionär

2. Spediteur, Frachtführer, Lagerhalter 3. Schweigen auf einen Antrag

a) Geschäftsbesorgungsvertrag nach HGB ( § 362 HGB) b) Geschäftsbesorgungsvertrag nach BGB ( 663 BGB)

c) Handelsbrauch ( § 346 HGB)

V. Der Handelskauf ( §§ 373 HGB)

1. Kauf nach BGB und HBG a) Voraussetzungen für Handelskauf b) Annahmeverzug ( §§ 373 f HBG) c) Fixgeschäft

2. Die Mängelrüge 3. Gutgläubiger Erwerb 4. Kaufmännisches Pfandrecht

5. Zurückbehaltungsrecht

VI. Prokura und Handlungsvollmacht 1. Prokurist und Handlungsgehilfe 2. Handlungsvollmacht

VII. Firma und Handelsregister; Rechtsscheinshaftung 1. Firma

2. Handelsregister 3. Rechtsscheinhaftung Teil D : Grundzüge des Gesellschaftsrechts

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I. Rechtsquellen des Gesellschaftsrechts

II. Rechtsnatur der wichtigsten Gesellschaften III. BGB-Gesellschaft

1. Anwendungsbereicht - Abgrenzung zu OHG und KG

2. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht 3. Beendigung der Gesellschaft 4. Ausscheiden eines Gesellschafters

IV. OHG

1. Anwendungsbereich 2. Unterschiede zur BGB - Gesellschaft 3. Persönliche Haftung der Gesellschafter 4. Innenverhältnis (Geschäftsführung; § 109 f

HGB) 5. Außenverhältnis (Vertretung; §§ 123 ff. HGB)

V. KG VI. Stille Gesellschaft Teil A: BGB

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I. Ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) Im Zuge der Erörterungen zu den Leistungsstörungen haben wir schon viele Rechtsfolgen kennengelernt, die nicht unmittelbar auf einen rechtsgeschäftlichen Willen zurückführbar sind, sondern auf der Anordnung durch den Gesetzgeber beruhen. Wenn wir den Vertragsbereich insgesamt verlassen und danach fragen, unter welchen Umständen ein Aufeinandertreffen im normalen sozialen Kontakt zur Begründung von Rechten und Pflichten führen kann, sind wir vollends auf die gesetzliche Begründung von Rechten und Pflichten angewiesen. In der Regel geht es dabei um den Ausgleich von Vermögensverschiebungen. Je nach Augenmerk unterscheiden wir dabei zwei große Bereiche. Bei dem einen geht es darum, daß jemand möglicherweise mehr Güter hat, als ihm zustehen. Man richtet seinen Blick auf dieses Mehr und fragt sich, ob er das Mehr nicht möglicherweise he-rausgeben muß. Bei dem anderen geht es um Schäden und Verluste, die jemand im Aufeinandertreffen mit anderen erlitten hat. Hier richtet sich der Blick auf den Schaden und man fragt sich, ob der Schaden von einem anderen ausgeglichen werden muß. Die großen Rechtsbereiche, die entsprechend diesen Blickrichtungen zu differenzieren sind, sind das Bereicherungsrecht (§§ 812-822 BGB) und das Schadenshaftungsrecht (§§ 823-853 BGB und dazu vielfältige Haftungsanordnun-gen in Sondergesetzen außerhalb des BGB). Die ungerechtfertigte Bereicherung dient der Rückgängigmachung oder Rück-abwicklung eines Rechtserwerbes bzw. Geschäftes, der nach den maßgeblichen Vorschriften im Interesse der Rechtssicherheit, aus Gründen der rechtlichen Lo-gik, zum Schutz eines gutgläubigen Erwerbs oder aus sonstigen Gründen zwar gültig vollzogen ist, aber im Verhältnis zum Benachteiligten eines rechtfertigen-den Grundes entbehrt. Ziel ist es, einen gerechten und billigen Ausgleich durch Herausgabe des Erlangten bzw. Wertersatz zu schaffen, wo das Recht zunächst einen wirksamen Vermögenserwerb herbeigeführt hat, obwohl dieser mit den An-forderungen der materiellen Gerechtigkeit nicht übereinstimmt. Das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung ist die "Ausgleichsordnung für unrechtmäßiges Haben." Der Vermögensvorteil, der bei dem Schuldner entstan-den ist, soll abgeschöpft werden ( im Gegensatz zu dem Schadensersatzrecht, wo zur Bestimmung der Schadenshöhe auf den Gläubiger abgestellt wird ).

Die primäre Funktion des Bereicherungsrechts besteht so-mit in der Abschöpfung eines ungerechtfertigten Vor-teils

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Die Bereicherungsansprüche gehören daher dem Billigkeitsrecht an und ste-hen somit in besonderem Maße unter den Gesichtspunkten von Treu und

Glauben1 und dienen oft der Erzielung der Einzelfallgerechtigkeit. Es handelt sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Bereicherungs-gläubiger und Bereicherungsschuldner, d.h. es entsteht unabhängig vom Willen und Wollen der Beteiligten Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung (lateinisch: condictio - einge-deutscht: Kondiktion) entstehen also kraft Gesetzes und sollen ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen ausgleichen. Besteht dagegen eine vertragliche oder gesetzliche Rechtfertigung für eine Ver-mögensverschiebung, so sind die §§ 812 ff. BGB grundsätzlich schon deshalb nicht anwendbar, weil dann die Bereicherung gerade nicht rechtsgrundlos erfolgt ist.

Bereicherungsansprüche kommen daher regelmäßig nur in Betracht, wenn zuvor sämtliche denkbaren vertraglichen Rechtsbeziehungen und

gesetzlichen Erwerbstatbestände ausgeschlossen worden sind. Es gibt zwei Grundtypen der ungerechtfertigten Bereicherung : Ø Bereicherung " durch Leistung eines anderen"

Leistungskondiktion Ø Bereicherung "in sonstiger Weise"

Nichtleistungskondiktion ( Eingriffskondiktion ) Da die Nichtleistungskondiktion auf anderen Umständen als auf einer Leistung beruht, ist sie ein Auffangtatbestand und gegenüber der Leistungskondik-tion subsidiär; letztere muß also immer zuerst geprüft werden. Die Problematik basiert also in vielen Fällen auf der Problematik des Abstrakti-onsprinzips, d.h. dem Unterschied zwischen dem schuldrechtlichen Verpflich-tungsgeschäft und dem sachenrechtlichen Erfüllungsgeschäft (Leistungskondikti-on = Recht der Güterbewegung) oder auf einem ungerechtfertigten Vermögens-zuwachs, der nicht auf einer Leistung basiert, z. B. auf einer gesetzlichen Situation ( = Recht der Güterzuordnung ); klassischer Fall: Verbindung, Vermischung, Ver-arbeitung, § 951 BGB. 1. Leistungskondiktion

1 BGHZ 111, 312

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Zur Wiederholung:

Abstraktionsprinzip

§ 305 § 929, § 925

schuldrechtl. Vertrag Erfüllung dinglicher Vertrag ( unwirksam ) §362 BGB ( wirksam ) Leistungsverhältnis gestört Rückabwicklung über §§ 812 ff BGB Die Leistungskondiktion ist dadurch gekennzeichnet, daß jemand unter Bezug-nahme auf einen Leistungsgrund, normalerweise einen Vertrag, bewußt und zweckgerichtet ein fremdes Vermögen mehrt. Wird der Zweck verfehlt (oder auch mißbilligt - § 817 BGB), dann gilt die Bereicherung des fremden Vermögens grundsätzlich als ohne rechtlichen Grund erfolgt und der Leistende kann seine Leistung nach § 812 Abs. 1 BGB zurückverlangen. Die Leistungskondiktion dient u.a. der Korrektur des Abstraktionsgrundsatzes. Nach dem Abstraktionsgrundsatz berührt ein unwirksames Verpflichtungsgeschäft nicht die Wirksamkeit der dinglichen Verfügung (z.B. der Eigentumsübertragung nach § 929 BGB). Wer nun das Eigentum nach § 929 BGB auf einen anderen überträgt, weil er meint, damit eine Leistungsverpflichtung zu erfüllen, kann er Herausgabe der Sache und Rückübertragung des Eigentums nach § 812 Abs. 1 BGB verlangen, wenn sich herausstellt, daß eine Leistungsverpflichtung nicht bestanden hat. Der dingliche Herausgabeanspruch aus § 985 BGB scheitert dage-gen an dem Eigentumserfordernis. Fall 1: A möchte das Mountainbike des minderjährigen B, § 106 BGB, kaufen. Beide einigen sich auf einen Kaufpreis von 250 DM, die der A dem B sofort zahlt. Das Bike soll drei Tage später übergeben werden. Zur Übergabe kommt es jedoch nicht, da die Eltern des B ihre Zustimmung zu dem Kauf verweigern, §§ 107, 108,182 BGB ( d.h. kein Fall des Taschengeldparagraphen, § 110 BGB). Kann A seine 250 DM von B verlangen, auch wenn dieser das Geld in der Disko verpul-vert hat?

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Prüfungsschema für die Leistungskondiktion = Recht der Güterbewegung

• etwas erlangt • durch Leistung eines anderen • ohne rechtlichen Grund Ø § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. : der rechtliche Grund fehlt von Anfang an Ø § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. : der rechtliche Grund fällt später weg Ø § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. : Zweckverfehlung

• auf dessen Kosten • kein Ausschluß • Herausgabe des Erlangten nach §§ 812, 818 BGB (Sache oder Wert, bzw.

Wegfall der Bereicherung), also Ø der Sache (§ 812 BGB) oder Ø des Wertes (§ 818 Abs. 2 BGB oder aber keine Herausgabe wegen Ø Wegfalls der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB.

Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB: 1 ) Etwas erlangt: Dazu gehört insbesondere der Besitz und Eigentum an einer Sache, aber auch jeder andere vermögenswerte Vorteil (z.B. Flugreise, Forderung, Befreiung von Schulden und Lasten), also ein • Vermögensvorteil. Die Vermögenslage des Bereicherten muß sich verbessert

haben. Hier wurde Eigentum und Besitz an dem Geld verschafft, des weiteren: • Erwerb von Rechten • Erlangung einer vorteilhaften Rechtsstellung • Besitzerwerb • Unrichtiger Grundbucheintragung • Befreiung von Verbindlichkeiten • Ersparung von Aufwendungen Exkurs: Was ist "Bereicherung" im Sinne des Bereicherungsrechtes ?

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BGHZ 55,128: Es handelt sich hier um den berühmten "Minderjährigen-Fall" des BGH. Der Beklagte flog wenige Tage vor Vollendung seines 18. Lebensjahres nach Erwerb eines entsprechenden Flugscheins mit einer Linienmaschine der Klä-gerin von München nach Hamburg. Dort gelang es ihm, mit den Transitpassagie-ren das Flugzeug wieder zu besteigen und an dem Weiterflug nach New York teil-zunehmen, ohne daß er im Besitz eines Flugscheins für diese Strecke gewesen wäre. In New York wurde ihm die Einreise in die USA verweigert, weil er kein Visum hatte. Die Klägerin beförderte ihn daraufhin noch am selben Tag in einer halbvollen Maschine zurück nach München. Sie verlangt von ihm unter anderem die Zahlung des tariflichen Flugpreises für die Strecke Hamburg/New York. Hintergrund ist die frühere Auffassung der hM, wonach bei Dienstleistungen nur die Ersparnis eigener Ausgaben "erlangt" worden sein kann. Wenn sich der Emp-fänger nichts erspart hatte, konnte er demzufolge nicht bereichert sein, da die Be-reicherungshaftung nicht zu einer Vermögensminderung führen darf. Bei "Bös-gläubigen" (iSv § 819) mußte der BGH - wie in diesem Fall - deswegen einen Be-reicherung fingieren, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden. Danach müsse der Bösgläubige sich so behandeln lassen, als ob er sich etwas erspart habe. Die Ent-scheidung wurde deswegen heftig kritisiert. Heute stellt sich das Problem nicht mehr in dieser Schärfe, denn die hM betrachtet jeden Gebrauchs- oder Vermö-gensvorteil als "erlangtes Etwas", um die Vermischung zwischen "Erlang-tem" und "tatsächlicher Bereicherung" zu vermeiden. Leitsätze: 1. Wer ohne Rechtsgrund eine geldwerte Leistung in Anspruch nimmt (hier: eine Flugreise), die er sich anderweitig nicht verschafft hätte und durch die auch sonst sein Vermögen nicht vermehrt worden ist, muß sich gleichwohl so behandeln las-sen, als hätte er die dafür übliche bzw. angemessene Vergütung erspart, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes beim Empfang der Leistung kannte. 2. Handelt es sich um einen kurz vor der Vollendung seines 18. Lebensjahres ste-henden Minderjährigen, so kommt es auf dessen Kenntnis (und nicht die seines gesetzlichen Vertreters) jedenfalls dann an, wenn er sich in den Genuß der Leis-tung durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gebracht hat und die erforderli-che Einsicht in die Erkenntnis hatte, zur unentgeltlichen Inanspruchnahme der Leistung nicht berechtigt zu sein. Urt. v. 7. Januar 1971, VII ZR 9/70; 2) Vermehrung fremden Vermögens. Der Leistende muß also die Vermögens-verschiebung wissentlich und zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks herbeifüh-ren. "Leistung" im Sinne des Bereicherungsrechts ist eine bewußte, zweckgerich-tete und gewollte Vermögensvermehrung eines anderen.

Fraglich kann sein, wer der andere, d.h. der Leistungsempfänger ist, d.h. an wen - vor allem im Dreiecksverhältnis - geleistet werden sollte und ob auf das "Erkennenkönnen" des vermeintlichen Leistungsempfängers abgestellt

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werden darf. Muß also ausschließlich auf den ziel- und zweckgerichteten Leistungswunsch des Leistenden abgestellt werden oder spielt auch der Empfängerhorizont des Leistungsempfängers eine Rolle, d.h. muß dieser die Leistung des Leistenden an ihn als solche erkennen und akzeptieren müs-sen? Nach dem BHG1 darf nicht allein auf den inneren Willen des Leistenden ab-gestellt werden, sondern auf die Erkennbarkeit der Person des Leistenden "aus der Sicht des Zuwendungsempfängers" ( Bauherr - Generalunternehmer - Lieferant ). Einbau der Herde, § 631 BGB Bauherr Installateur neuer Eigentümer § 946, 94 BGB Beklagter Zahlungs - anspruch ?? Leistung? § 433 BGB Küchenherde Lieferant Kläger In diesem Fall hat der Lieferant an den Installateur geleistet und der Installa-teur an den Bauherrn, nicht aber der Lieferant an den Bauherrn: eine "indi-rekte" Leistung ist keine Leistung im Sinne der Leistungskondiktion. Der Lieferant hat also, falls der Installateur in Konkurs ginge, keinen Leistungs-bereicherungsanspruch gegen den Bauherren; da die Leistungskondiktion gegenüber der Nichtleistungskondiltion subsidiär ist und der Bereicherungs-gegenstand "geleistet" wurde, hat er auch keinen Anspruch aus Nicht-leistungskondiktion.

Hier hat der A dem B die 250 DM wissentlich und zu dem Zweck übergeben, die vermeintliche Kaufpreisschuld aus § 433 Abs. 2 BGB zu erfüllen. 3 ) Ohne Rechtsgrund: Der Grund für die Leistung • fehlt von Anfang an (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB), • ist nachträglich weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB) oder • der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg ist nicht eingetreten

(§ 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB) :

1 BGHZ 40, 272

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Zweckverfehlung ( oder Prinzip Hoffnung): Die Leistung darf nicht zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit worden sein, es sei denn mit ihr wurde zusätzlich ein darüber hinausge-hender Zweck verfolgt, d.h. ein Bereicherungsanspruch ist ausgeschlos-sen, wenn der bezweckte, aber nicht (voll) erreichte Erfolg Inhalt einer vertraglichen Bindung war; für die Abwicklung gelten dann die Grund-sätze des Vertragrechts. Es besteht zwar zwischen den Parteien eine tat-sächliche Einigung über den bezweckten Erfolg, diese Einigung hat aber nicht den Charakter einer vertraglichen Bindung. Zweck der wegen Zweckverfehlung zurückzufordernden Leistung ist al-so gerade nicht die Erfüllung einer Verbindlichkeit: durch die Leistung wird gerade ein anderer, darüberhinausgehender Zweck als die Erfül-lung einer Verbindlichkeit verfolgt. Die Leistung darf weder auf eigene, noch auf fremde Verpflichtung hin erbracht werden. Der Leistende hat also keinen erzwingbaren vertraglichen Anspruch ge-gen den Empfänger der Leistung auf Herbeiführung des bezweckten Er-folgs (z. B. die Begründung eines Rechtsverhältnisses oder die Vor-nahme einer Handlung durch den Empfänger). Beispiel: Unentgeltliche Dienstleistungen in Erwartung einer späteren Abfindung bzw. Erbeinsetzung. Leistungen, die den Empfänger zu einem bestimmten Verhalten veran-lassen sollen; z.B. Hingabe einer Quittung in der Hoffnung auf späteren Gelderhalt; Erfüllung eines formnichtigen Vertrages in der Hoffnung, die Form werde schon noch eingehalten.

Zum Fall:

Hier war der Kaufvertrag schwebend unwirksam (§ 108 BGB) und wurde auch mangels Genehmigung der Eltern nicht wirksam (182 BGB). Deshalb fehlte der Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung von Anfang an (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB). 4 ) Auf dessen Kosten: Notwendigkeit oder Voraussetzung der Einheitlichkeit oder Unmittelbarkeit des Bereicherungsvorganges ( in der neueren Lehre um-stritten ): die Bereicherung des einen ist die Entreicherung des anderen ( jeden-falls, soweit nur zwei Parteien beteiligt sind) 5 ) Kein Ausschluß: § 813 Abs. 2 BGB (z.B. Leistung auf gestundete Forderung), § 814 BGB, § 815 BGB, § 817 Satz 2 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben). Hier ist die Leistungskondiktion nicht ausgeschlossen. Insbesondere greift § 814 BGB nicht ein, weil eine rückwirkende Genehmigung der Eltern möglich gewesen wäre.

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6 ) Herausgabe des Erlangten: Der Empfänger ist grundsätzlich zur Herausgabe des Erlangten (§ 812 BGB) oder dessen Wertes (§ 818 Abs. 2 BGB) verpflichtet, außer, er ist nicht mehr bereichert nach § 818 Abs. 3 BGB. Das ist dann der Fall, wenn der Gegenstand oder dessen Wert nicht mehr vorhanden sind. Dies ist vor allem der Fall bei sog. „Luxusaufwendungen“. Da hier der B die 250 DM bereits ausgegeben hat und kein Gegenwert mehr vorhanden ist, ist er im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB entreichert, falls kein Fall der Bösgläubigkeit vorliegt, § 819 BGB. Der A hat keinen Anspruch gegen B auf Herausgabe des Geldes. Fall 2: B kauft bei dem Autohändler A einen Mercedes 600 SEL. Er zahlt dafür den doppelten Listenpreis, da A ihm wahrheitswidrig vorspiegelt, der Mercedes sei von Boris Becker. Nachdem B den Kaufvertrag erfolgreich wegen arglistiger Täuschung angefochten hat, verlangt er von A sein Geld zurück. Dieser weigert sich, da er alles auf der Reeperbahn ausgegeben hat. Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB: Hier lag zwar ur-sprünglich ein wirksamer Kaufvertrag vor. Dieser ist jedoch mit der wirksamen Anfechtung nachträglich wieder entfallen (§ 142 Abs. 1 BGB). Hierin liegt der Unterschied zu § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB, bei dem von vornherein der Rechtsgrund für die Leistung fehlte. Da weder das Geld noch ein entsprechender Gegenwert mehr vorhanden sind, ist A entreichert nach § 818 Abs. 3 BGB. Da A jedoch die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts kannte, kann er sich nicht auf die Entreicherung berufen (§§ 142, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB). Er muß das Geld zurückgeben. Fall 3: Abel hat sich unbefugt Daten aus dem Computer des Bebel angeeignet. Als Bebel den „Diebstahl“ merkt, versucht Abel die Strafanzeige abzuwenden, indem er dem Bebel 5.000 DM „für dessen Schweigen“ überweist. Der Bebel nimmt das Geld und zeigt den Abel trotzdem an. Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. oder § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB oder § 817 Satz 1 oder § 817 S. 2: Zwischen Abel und Bebel wurde (zumindest stillschweigend) ein Schenkungsver-trag oder "Schweigevertrag" geschlossen. Dieser stellte den Rechtsgrund für die Leistung (Übergabe und Übereignung des Geldes) dar. Eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. oder § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB scheidet somit aus - falls dieser Vertrag rechtswirksam sein sollte. § 817 BGB ? Das RG ging davon aus, daß die Annahme des Geldes gegen die guten Sitten ( das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ) verstieß, da

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ein solches Erkaufen des Schweigens, inbes. bei dieser hohen Summe, sittenwid-rig sei1. Dies insbesondere deswegen, weil der Annehmende sowieso nicht anzei-gen wollte. Auch die Hingabe des Geldes hat das RG als sittenwidrig angesehen, also ist ein Fall des § 817 S.2 BGB gegeben. Falls man zu der Auffassung gelangt, der Vertrag sei wirksam: Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB: Die Übergabe und Übereignung des Geldes diente zudem dem Zweck, daß Bebel den Diebstahl des Abel verschweigt. Dieser nach dem Inhalt der Leistung bezweckte weitere Erfolg ist nicht eingetreten. Der Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Geldes ist somit entfallen. Bebel muß das Geld an Abel zurückgeben. Falls gar kein Vertrag abgeschlossen wurde, der Abel dem Bebel das Geld also ohne gegenseitige Absprache gab in der Hoffnung, dieser werde ihn nicht anzei-gen, liegt ein Fall des § 812 I S. 2 2. Alt. ( Zweckverfehlung ) vor. Fall 4: Der einflußreiche Baulöwe Wild schenkt dem Finanzbeamten Feist eine VIP-Dauerkarte für die Heimspiele des FC Bayern München, weil F ihm bei der Abgabe einer ordnungsgemäßen Steuererklärung geholfen hat. Als F sich nicht entsprechend dankbar verhält, verlangt W sein Geschenk zurück. Geht das? Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 BGB: Der Schenkungsvertrag zwischen W und F ist wirksam und ist auch nicht nachträglich wieder entfallen. Ein Rechts-grund für die Übergabe und Übereignung des Geldes liegt also vor. Aus § 812 BGB kann W von F sein Geschenk nicht wieder herausverlangen. § 817 Satz 1 BGB als Sonderfall der Leistungskondiktion – Schema: • Etwas erlangt: Eigentum und Besitz an der VIP-Dauerkarte • Durch Leistung eines anderen: Hier hat W dem F bewußt und zweckgerichtet

die Karte übergeben und übereignet.

1 RGZ 58, 204

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• Auf Kosten eines anderen: die Bereicherung des F korreliert mit der Entrei-cherung des W.

• Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten durch

Annahme der Leistung: Hier verstößt der Beamte F durch die Annahme des Geschenkes gegen das gesetzliche Verbot der Vorteilsannahme

(§ 331 Abs. 1 StGB: Ein Amtsträger ...., der einen Vorteil als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. )

• Kein Ausschluß nach § 817 Satz 2 BGB: W hat durch das Geschenk gegen

kein Verbot verstoßen, da die Vorteilsannahme nur einseitig bestraft wird. Der Anspruch nach § 817 Satz 1 ist demnach nicht ausgeschlossen.

• Herausgabe des Erlangten: F hat dem W die Karte wieder herauszugeben. Fall 5: Wie oben, allerdings hat F dem W zum Zwecke der Steuerhinterziehung bei einer falschen Steuererklärung geholfen. Leistungskondiktion nach § 817 Satz 1 BGB: Die Voraussetzungen des § 817 Satz 1 BGB sind gegeben. Die Herausgabe ist jedoch nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da auch die Hingabe des Geschenks gegen ein Gesetz verstößt. (§ 332 Abs.1 StGB, Bestechlichkeit, lautet: "Ein Amtsträger oder ein für den öf-fentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." und § 334 Abs.1 StGB, Bestechung, heißt: "Wer einem Amtsträger, einem für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einem Soldaten der Bundes-wehr einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, daß er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künf-tig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe".) Da beide Seiten des "Rechtsgeschäfts" einen Gesetzesverstoß begangen haben, ist die Rückforderung trotz der Nichtigkeit des Grundvertrages ausgeschlossen, § 817 Satz 2 BGB .

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Ausschluß der Kondiktion nach § 817 S. 2 BGB Der eigentlich gegebene Anspruch aus § 812 I 1 BGB ist gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil beiden Parteien eine Gesetzes- resp. Sitten-widrigkeit zur Last fällt. In solchen Fällen übt die Rechtsordnung eine Selbstbeschränkung aus. Handeln beide Parteien gesetzes- oder sittenwidrig, so befaßt sich die Rechtsordnung nicht mit ihren Problemen, sondern überläßt sie sich selbst. Dies mag bisweilen zu Härten führen, wie auch dem Gesetzgeber bewußt war. Der Leistende hat dies jedoch sich selbst zuzuschreiben, er kann nicht damit rechnen, in gesetzes- oder sittenwidrigen Angelegenheiten, mit denen er sich von der Rechtslage entfernt, von dieser Hilfe zu erhal-ten. Daß die Versagung der Rückforderung der Leistung eine Härte darstellen kann, hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen. Bei der Anwen-dung des § 817 S. 2 BGB kann daher nur im Einzelfall zu prüfen sein, ob nicht aus besonderen Gründen die Rechtsordnung ihre Zurückhaltung aufgeben und regelnd in die Verhältnisse der Parteien eingreifen muß. Eine solche Situation ist nur gegeben, wenn Umstände vorliegen, welche über die einfache Sittenwidrigkeit hinausgehen, etwa ein Delikt eines Be-teiligten (vgl. RGZ 85, 293) 1. Der sich aus § 817 Satz 2 BGB ergebende Grundsatz lautet also, daß derjenige bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, der sich selbst durch gesetzes- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung gestellt hat (vgl. BGHZ 44, 1, 6).

Fall 6: A, B und C aus Tschechien arbeiten „schwarz“ auf der Baustelle des Bau-unternehmers Klotz. Als sie nach 4 Wochen Arbeit von K ihren vereinbarten Lohn verlangen, will dieser nichts zahlen mit der Begründung, daß der Schwarzarbeits-vertrag nichtig sei. Können A, B und C trotzdem ihr Geld verlangen?

1 siehe OLG Koblenz, Urt. v. 16.12.1998 -7U 124/98 in NJW 1999, 2904 für den Kauf akademi-scher Titel

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Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB: K hat die Arbeits-leistung von A, B und C als vermögenswerten Vorteil erlangt. Diese Leistung ist ihm bewußt und zum Zweck der Erfüllung einer vermeintlichen Verbindlichkeit aus dem abgeschlossenen Werkvertrag zugewandt worden. Es fehlte auch der Rechtsgrund für die Leistung, da der zwischen A, B, C und K abgeschlossene Werkvertrag nach § 134 BGB i.V.m. dem SchwArbG nichtig ist. Allerdings ist nach dem Wortlaut des § 817 Satz 2 BGB, der als Ausschlußtatbestand sowohl für § 812 als auch § 817 Satz 1 BGB gilt, die Herausgabe ausgeschlossen, da die Bau-arbeiter durch ihre Leistung „Schwarzarbeit“ gegen ein gesetzliches Verbot ver-stoßen. Leistungskondiktion nach § 817 Satz 1 BGB: Auch die Leistungskondiktion nach § 817 Satz 1 BGB ist wegen § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Korrektur dieses Ergebnisses: Nach dem Wortlaut des Gesetzes können die Schwarzarbeiter kein Geld für die erbrachte Arbeitsleistung verlangen. Sie würden also einseitig das Risiko der Nichtigkeit des Vertrages tragen müssen. Außerdem würde diese gesetzliche Regelung für die Auftraggeber einen besonderen Anreiz schaffen, Arbeiter „schwarz“ zu beschäftigen und ihnen dann hinterher den Lohn zu verweigern. Schwarzarbeit würde indirekt gefördert werden. Deshalb darf hier der § 817 Satz 2 BGB gem. § 242 BGB ausnahmsweise nicht angewendet werden. Die Folge ist, daß aus § 812 und § 817 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, nämlich der Arbeitsleistung folgt. Da diese Herausgabe unmöglich ist (Soll K für A, B und C Bauarbeiten ausführen?) hat K nach § 818 Abs. 2 BGB den Wert dieser Bauleistung zu ersetzen, also den vereinbarten Lohn. 2. Nichtleistungskondiktion = Recht der Güterzuordnung

Nichteingriffskondiktion ist gegenüber Leistungskondiktion subsidiär ( noch ? h. M. )1

1 Münchner Mommentar, Rz. 21 zu § 812 : Unterscheidung im Ansatz verfehlt

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Bei den Nichtleistungskondiktionen (Bereicherungen in sonstiger Weise) unter-scheiden wir zwei Grundtypen. Der eine ist die Eingriffskondiktion, der andere die Abschöpfungskondiktion. Die Eingriffskondiktion ist dadurch gekennzeichnet, daß der Bereicherte von sich aus in Rechtspositionen einer anderen Person ein-greift (unberechtigte Nutzung), während bei der Abschöpfungskondiktion der Be-reicherte einen Vermögenszuwachs erhält, zu dem er selbst nichts beigetragen hat. Die Unterscheidung zwischen den beiden Arten der Nichtleistungskondiktion kann im Hinblick auf den Umfang des Bereicherungsanspruchs relevant werden. Bereicherung "in sonstiger Weise" liegt dann vor, wenn keine Leistung, also keine bewußte und gewollte Vermögensverschiebung vorgenommen wurde, sondern wenn die Bereicherung gegen oder ohne den Willen des Entreicherten statt-findet, also quasi automatisch. Hier hat der Bereicherungsschuldner selbst das herauszugebende "etwas" in einer Weise in Anspruch genommen, die dem Zuwei-sungsgehalt der sachenrechtlichen Güterzuordnung widerspricht. Immer wenn die Zuwendung ("etwas") auf einer Leistung, d.h. einer bewußten und gewollten Vermögensvermehrung beruht, ist die Nichtleistungskondiktion ausgeschlossen: Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion.

Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise, vielfach als Eingriffskondiktion bezeichnet, kann vielmehr nach der neueren Lehre nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsge-genstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von nieman-dem geleistet worden ist1.

Hauptfälle sind • Handlungen des Bereicherten ( z.B. Besitzentziehung, Ver- oder Gebrauch

einer fremden Sache, Weiterbenutzung einer Wohnung nach Vertragsbeendi-gung )

• Handlungen eines Dritten ( z.B. Verbindung und Vermischung, soweit keine Leistungskondiktion durch den Entreicherten gegeben ist )

• Handlungen des Entreicherten ( soweit keine Leistung, also die irrtümliche Verwendung einer Sache zugunsten des Bereicherten )

• Tatsächliche Vorgänge ( z.B. Landanschwemmung ) Fall 7: Der Maurer M, der im Haus des A arbeitet, schickt seinen Lehrling zum Bierholen. Zufälligerweise stellt der Getränkeservice Gluck an diesem Tag einen Kasten Bier für A vor dessen Haus ab. M denkt, es sei das mitgebrachte Bier sei-

1 BGHZ 40, 272; http://www.jura.uni-passau.de/ifl/bgh8.htm

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nes Lehrlings und trinkt den halben Kasten leer. Kann A, der den Kasten bezahlt hat, von M das Geld für das Bier herausverlangen? Leistungskondiktion: Eine Leistungskondiktion scheidet aus, da der A dem M das Bier nicht bewußt und zweckgerichtet zugewendet hat. Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB: Die Nichtleistungskondiktion kommt in mehreren Arten vor: • Eingriffskondiktion: Es liegt eine Handlung des Bereicherten (Eingriff)

zugrunde, z.B. Wegnahme einer Sache, Benutzen eines Prominentenfotos zu Werbezwecken ohne Einwilligung des Betroffenen. Beachte: In diesen Fällen immer noch an § 823 BGB denken! Im Unterschied zur unerlaubten Handlung ist bei § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB weder Verschulden noch Rechtswidrig-keit erforderlich.

• Rückgriffskondiktion: Diese kommt in Betracht, wenn ein Dritter aus Verse-

hen fremde Schulden tilgt. • Verwendungskondiktion: Diese kommt in Betracht, wenn unbeabsichtigt

Verwendungen auf fremdes Gut vorgenommen werden. • Außerdem sind noch die Sondertatbestände des § 951 und des § 816 BGB zu

beachten. Schema für § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB: • Etwas erlangt: Hier hat M den halben Kasten Bier erlangt. • in sonstiger Weise: Hier hat M das Bier nicht durch Leistung, also in sonstiger

Weise erlangt. • ohne rechtlichen Grund: Hier fehlte der rechtliche Grund, insbesondere war

zwischen M und A kein Vertrag geschlossen worden. • auf dessen Kosten: Hier gebührte das Bier nicht dem M, sondern dem A. Das

Trinken geschah also auf dessen Kosten; die Bereicherung des M spiegelt sich in der Entreicherung des A..

• Herausgabe des Erlangten: Hier kann M dem A das getrunkene Bier nicht

wieder „übergeben“. Er hat deshalb nach § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu er-setzen.

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§ 823 Abs. 1 BGB: Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB liegen mögli-cherweise ebenfalls vor, da das Trinken des Bieres ggf. auch eine fahrlässige Ei-gentumsverletzung darstellt. Fall 8: Der Winzer W sprüht von seinem Flugzeug aus Schädlingsbekämpfungs-mittel auf die Weinberge. Aus Versehen besprüht er aber nicht seine eigenen, son-dern die Weinberge seines Nachbarn N. Kann er von N die Kosten der Schäd-lingsbekämpfung verlangen? Abwandlung: N ist Ökowinzer und besprüht seine Felder normalerweise nicht. Leistungskondiktion: Scheidet mangels Leistung des W aus. W hat nicht bewußt die Felder des N besprüht, sondern dachte, es seien seine eigenen. Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB: Es liegt ein Fall der Verwendungskondiktion vor. Die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB sind gegeben. N hat nach § 818 Abs. 2 BGB dem W die Kosten der Schädlingsbekämpfung zu ersetzen. Variante: Anders stellt sich der Fall in der Variante dar, da eine sog. aufgedräng-te Bereicherung vorliegt. N wollte seine Felder gar nicht sprühen. Für diesen Fall entfällt ein Bereicherungsanspruch des N. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 814 BGB. S muß sogar mit einem Schadensersatzanspruch des N aus § 823 Abs. 1 BGB rechnen, da die nächste Ernte nicht mehr als Ökowein verkauft werden kann. Fall 9: Der Schreiner S soll in die Neubauwohnung des W2 im 2. Stock einen Parkettboden verlegen. S irrt sich im Stockwerk und baut das Parkett im 1. Stock in der Wohnung des W1 ein. W1 gefällt das Parkett ganz gut und er möchte es auch behalten, zahlen möchte er allerdings nichts. § 631 Abs. 1 BGB: Ein Anspruch des S gegen W1 aus § 631 BGB scheidet aus, da zwischen beiden kein Werkvertrag geschlossen wurde. Leistungskondiktion: Ein Anspruch aus Leistungskondiktion scheidet mangels Leistung des S aus. Der Einbau bei W1 geschah unbewußt, also keine bewußte

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und gewollte, ziel- und zweckgerichtete Vermögensvermehrung des W1 durch den S.. Sonderfall der Nichtleistungskondiktion nach §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB: Im Fall des Eigentumserwerbs nach den §§ 946 bis 950 BGB ist der Sonderfall der Nichtleistungskondiktion nach §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB zu prüfen, der gegenüber dem allgemeinen Bereicherungsrecht als lex specialis vorrangig ist. Da das Parkett wesentlicher Bestandteil des Grundstücks geworden ist, hat W1 Eigentum am Parkett nach §§ 946, 94 BGB erlangt und "Alteigentümer" S hat sein Eigentum im selben Moment, automatisch, kraft Gesetzes, verloren. W1 ist also gegenüber S bereichert, S ist ebenso entreichert. S hat deshalb gegen W1 einen Anspruch nach § 951 Abs. 1 BGB. Da es sich bei § 951 Abs. 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung auf die §§ 812 ff BGB handelt ( und nicht um eine Rechtsfolgeverweisung, bei der es sich nur noch um den Umfang der Herausgabepflicht drehen würde ), sind noch die Voraussetzungen der Nichtleistungskondiktion zu prüfen, denn: wie heute fast allgemein anerkannt ist, läßt der Eigentumsverlust durch den Einbau allein noch keinen Anspruch aus § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB entstehen. Die Verweisung auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung bedeutet vielmehr, daß ein Bereicherungsanspruch nur unter den in § 812 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen entsteht . Die Besonderheit des § 951 Abs. 1 BGB liegt darin, daß der Anspruch immer auf Geld gerichtet ist. Fall 10: Anton leiht dem Bert seinen Motorroller. Da Bert knapp bei Kasse ist, verkauft er diesen an Conny, der Bert für den Eigentümer hält. Bert, der sehr ge-schäftstüchtig ist, bekommt für den Roller 1.200 DM, obwohl dieser nur 1.000 DM wert ist. Welche Rechte hat A gegen B? Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB: Da C gutgläubig nach den §§ 929, 932 BGB Eigentum erworben hat, stellt die rechtswirksame Übereignung zwischen B und C somit eine Eigentumsverletzung des A dar. Da der Roller lediglich 1.000 DM wert war, ist dem A durch den Verkauf auch nur ein Schaden in Höhe von 1.000 DM entstanden. Nur in dieser Höhe hat er einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB. § 816 Abs. 1 BGB als Sonderfall der Nichtleistungskondiktion: Schema: • Nichtberechtigter: B war Nichtberechtigter, da er selbst nicht Eigentümer des

Motorrollers war.

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• Verfügung über einen Gegenstand: Hier hat B den Roller an C übereignet. • dem Berechtigten gegenüber wirksam: Dem Eigentümer A als Berechtigten

gegenüber ist die Verfügung wirksam, da C gutgläubig Eigentum erworben hat. • Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten: Als Gegenleistung für die

Übereignung hat B von C 1.200 DM erlangt. Diese muß er an A herausgeben. § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt auf einen Ausgleich im Falle wirksamer entgeltli-cher Verfügungen eines Nichtberechtigten über ein fremdes Recht hin. Diese Vor-schrift ist vor allem in den Fällen des gutgläubigen Erwerbs bedeutsam, in denen ein Dritter kraft guten Glaubens rechtsgeschäftlich Eigentum von einem Nichtbe-rechtigten erwirbt und damit eine Enteignung des Altberechtigten erfolgt. Der Altberechtigte kann nach § 816 Abs. 1 Satz 1 gleichsam als Kompensation für die verlorene Rechtsposition vom nichtberechtigt Verfügenden dasjenige herausver-langen, was dieser durch die Verfügung erlangt hat Fall 11: Sachverhalt wie oben mit dem Unterschied, daß B den Roller nicht an C verkauft, sondern verschenkt. Was kann A von B bzw. C verlangen? Anspruch des A gegen B: A hat gegen B einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 1.000 DM. Ein Anspruch aus § 816 Abs.1 Satz 1 BGB ist nicht gegeben, da B keine Gegenleistung erlangt hat. Anspruch des A gegen C: A hat gegen C einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB, da die Voraussetzungen des § 816 Abs.1 Satz 1 BGB vorliegen (siehe Schema) und die Verfügung unentgeltlich war. In den Fällen des § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB geht es gleichfalls um Verfügungen über fremdes Recht durch einen Nichtberechtigten, doch erfolgt die Verfügung hierbei unentgeltlich. Weil nunmehr dem Altberechtigten nach seiner "Enteig-nung" kein Zugriff auf eine Gegenleistung beim nichtberechtigt Verfügenden zu-steht, kann der Altberechtigte vom unentgeltlich erwerbenden Dritten die Rechts-position selbst herausverlangen.

Zusammenfassung:

Wer ungerechtfertigt durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas erlangt, ist diesem gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zur Her-ausgabe verpflichtet. Der Gerechtigkeitsgehalt dieser Vorschrift erklärt sich von selbst. Bezahlt jemand versehentlich seine Schuld doppelt, so ist es eine Selbst-

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verständlichkeit, daß der Gläubiger die zweite Zahlung herausgeben muß. Genau-so selbstverständlich ist es, daß derjenige, der fremde Kohle verheizt und dadurch Geld für deren Kauf spart, dem Eigentümer auch dann ausgleichspflichtig ist, wenn er die Kohle schuldlos für seine eigene halten durfte und nicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig ist. Die primäre Funktion des Bereicherungsrechts besteht somit in der Abschöpfung eines ungerechtfertigten Vorteils. Darin liegt zugleich der Unterschied gegenüber dem Schadensrecht. Während es dort um den Ausgleich einer Einbuße im Vermö-gen des Gläubigers geht, besteht das Ziel des Bereicherungsrechts umgekehrt in der Rückgängigmachung einer Vermehrung im Vermögen des Schuldners. Der Vermögenszuwachs des Bereicherten wird zugunsten des Entreicherten abge-schöpft und rückgängig gemacht. In Konsequenz dieser Abschöpfungsfunktion ist jeder Bereicherungsanspruch grundsätzlich - vorbehaltlich einer verschärften Haf-tung gemäß §§ 818 Abs. 4, 819, 820 BGB - ausgeschlossen, wenn sich im Vermö-gen des Bereicherten kein Überschuß mehr findet, vgl. § 818 Abs. 3 BGB. Die Bereicherungsansprüche gehören dem Billigkeitsrecht an und stehen so-mit in besonderem Maße unter den Gesichtspunkten von Treu und Glauben und dienen hauptsächlich - unabhängig von Theorienstreitigkeiten - der Er-

zielung der Einzelfallgerechtigkeit.

Merkpunkte zu Tatbeständen und Ausschlußgründen

Leistungskondiktion = Recht der Güterbewegung

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Leistung =

bewußte, gewollte, zweck- und zielgerichtete Vermögensvermehrung a) Anspruchsgrundlagen - Fehlen des rechtlichen Grundes von Anfang an, 812 I 1 Alt. 1 - späterer Wegfall des ursprünglichen rechtlichen Grunde , 812 I 2 Alt. 1 - Verfehlen des Leistungszwecks, 812 I 2 Alt. 2 - Verwerflichkeit der Leistungsannahme, 817 S. 1 b) Ausschlußtatbestände - genereller Ausschluß bei Gesetzs- oder Sittenwidrigkeit, § 817 S.2 - Ausschluß bei Kenntnis der vertraglichen Nicht-Leistungspflicht, § 814, - betr. § 812 I S.2 Alt. 2: Ausschluß bei Kenntnis der Unmöglichkeit des Er- folgseintritts

Bereicherung in sonstiger Weise = Recht der Güterzuordnung ( Eingriffs- oder Abschöpfungskondiktion )

Vorsicht: Leistungskondiktion vorrangig !!

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a) Anspruchsgrundlagen - durch Eingriff in Rechtsposition, § 812 I 1 Alt. 2 - durch Zuführung eines Vermögenswerts, § 812 I 1 Alt. 2 b) Ausschlußtatbestände - aufgedrängte Bereicherung c) Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 - durch unberechtigte, aber wirksame entgeltliche Verfügung , § 816 I 1 - durch unberechtigte, aber wirksame unentgeltliche Verfügung , § 816 I 2 - durch wirksame Leistung an Nichtberechtigten, § 816 II

Rechtsfolgen einer Bereicherung = Herausgabe des Erlangten a) Umfang der Herausgabepflicht Grundsätzlich nur Herausgabe des Erlangten, ggf. Wertersatz, § 818 II, oder Be-rücksichtigung ersparter Aufwendungen,; daher - keine Haftung bei Unmöglichkeit der Herausgabe, auch wenn verschuldet,

allenfalls Herausgabe des Surrogats (§ 818 I) oder Ausgleich ersparter Auf-wendungen

- bei Verschenken Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten ,§ 822 - keine Herausgabe von Veräußerungsgewinn (außer bei § 816 I 1) - Herausgabe gezogener Nutzungen, soweit noch im Vermögen, § 818 I, III - Abzug von Aufwendungen, die mit der Bereicherung kausal zusammenhän-

gen. b) Ausschlußtatbestand, § 818 III - Grundsatz: keine Vermögensminderung bei dem gutgläubigen Bereicherten,

die über die Bereicherung hinaus geht, - Entreicherung durch Luxusauf wendungen !!!

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Ab Klageerhebung oder bei Bösgläubigkeit verschärfte Haftung

nach §§ 818 IV, 819, 291, 989 BGB: - statt der Begrenzung auf die fortbestehende Bereicherung (§ 818 III) gilt: - bei Geld- oder Gattungsschuld uneingeschränkte Haftung nach § 279 - im übrigen Haftung für verschuldete Verschlechterung oder Unmöglichkeit (§§ 292, 989) - bei Verzug auch Haftung für zufälligen Untergang (§ 287) - für Geldschuld müssen Zinsen gezahlt werden (§ 291) - schuldhaft nicht gezogene Nutzungen sind zu ersetzen (§§ 292, 987 II) - nur notwendige Ausgaben sind anrechnungsfähig (§§ 292, 994 II, 683, 670, 995) II. Sicherungsrechte

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1. Eigentumsvorbehalt, Sicherungsübereignung und Sicherungsabtre-

tung

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Fall 12: Aussteiger A möchte sein Grundstück, sein Haus und seinen Mercedes an B verkaufen. Der Kauf soll unter „Eigentumsvorbehalt bis zur vollständigen Be-zahlung des Kaufpreises“ erfolgen. Was bedeutet eigentlich „Eigentumsvorbehalt“ und ist dieser im konkreten Fall möglich? Eigentumsvorbehalt: Hier ist zwischen der schuldrechtlichen und der sachen-rechtlichen Seite zu unterscheiden (vgl. § 455 BGB). Schuldrechtlich wird ein normaler Kaufvertrag geschlossen, allerdings im Zweifel verbunden mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht, § 346 BGB. Sachenrechtlich stellt sich der Eigen-tumsvorbehalt als Übereignung dar, die unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung steht (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts beim Verkauf des Mercedes ist ohne weiteres möglich. Da der Eigentumsvorbehalt sachenrechtlich eine aufschiebend bedingte Übereignung darstellt, ist dieser nach § 925 Abs. 2 BGB bei Grundstü-cken nicht zulässig. Das gleiche gilt nach §§ 93, 94 Abs. 1 BGB auch für das Ge-bäude als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Der Eigentumsvorbehalt I. Begriff: Besondere Abrede beim Kaufvertrag über bewegliche Sachen, durch die sich der Verkäufer das Eigentum an der verkauften Sache bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vorbehält. E. bedeutet, daß das Eigentum unter der aufschieben-den Bedingung, § 158 BGB, der vollständigen Zahlung des Kaufpreises übertra-gen wird und daß der Verkäufer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt sein soll, wenn der Käufer mit der Zahlung in Verzug kommt (§ 455 BGB). II. Entstehung: Der Eigentumsvorbehalt setzt nicht notwendig einen Vertrag voraus; es genügt auch die bei der Übergabe der Ware abgegebene (sogar die vertragswidrige) ein-seitige Erklärung des Verkäufers, daß er sich das Eigentum vorbehalte; damit liegt keine Einigung über den Eigentumsübergang nach § 929 BGB vor; der Eigen-tumsvorbehalt kann daher auch noch wirksam durch einen Vermerk auf der Faktu-ra (Rechnung) erklärt werden, wenn diese gleichzeitig mit der Ware oder vor der Ware beim Käufer eingeht. Ein Besitzkonstitut ist zur Gültigkeit des Eigentums-vorbehaltes nicht erforderlich. III. Folgen: 1.Veräußert der Käufer die gekaufte Sache an einen gutgläubigen Dritten, so geht i. d. R. das Eigentum des Verkäufers unter (gutgläubiger Erwerb), ebenso wenn

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der Käufer die gekaufte Sache verarbeitet (Verarbeitung). Um sich in diesen Fäl-len zu sichern, ist die Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehalts üblich und zweckmäßig; vgl. auch erweiterter Eigentumsvorbehalt, weitergeleiteter Ei-gentumsvorbehalt. 2. Ist dem Käufer die Weiterveräußerung nicht gestattet, so kann er sich bei Zuwi-derhandlung einer Unterschlagung (§ 246 StGB) schuldig machen. IV. Anwartschaftsrecht: 1. Durch den Kauf unter E. erlangt der Käufer aufschiebend bedingtes Eigentum, das mit Bedingungseintritt voll auf ihn übergeht, ohne daß es weiterer Erklärungen des Verkäufers bedarf und ohne daß dieser noch den Willen zu haben braucht, das Eigentum auf den Käufer zu übertragen. Diese Anwartschaft auf den Erwerb des Volleigentums ist ein Recht des Käufers, über das er verfügen kann, insbes. durch Übertragung oder Verpfändung. Die Übertragung erfolgt nach den für die Über-tragung des Eigentums selbst geltenden Vorschriften (Übereignung), ein gutgläu-biger Erwerb ist möglich. 2. Der Verkäufer als auflösend bedingter Eigentümer braucht der Übertragung des Anwartschaftsrechts nicht zuzustimmen. Der Erwerber des Anwartschaftsrechts wird mit Bedingungseintritt unmittelbar Eigentümer der Sache, ohne daß das Ei-gentum erst in der Person des Vorbehaltskäufers entstünde und dann erst auf ihn überginge. Es findet also kein Durchgangserwerb statt, so daß z. B. Pfändungen des Anwartschaftsrechts, die nach seiner Übertragung ausgebracht wurden, bei Bedingungseintritt dem Erwerber gegenüber unwirksam sind. Das Anwartschafts-recht ist pfändbar und muß bei Ableistung der eidesstattlichen Versicherung ange-geben werden. Fall 13: Alfred verkauft an Bruno unter Eigentumsvorbehalt eine Betonmischma-schine und übergibt ihm die Maschine. Da Claus 2 Wochen später eine höhere Summe bietet, verkauft und übereignet Alfred die Maschine gegen Barzahlung an ihn; dabei wird die eigentlich nach § 929 BGB notwendige Übergabe (§ 854 BGB) ersetzt durch die Abtretung ( § 398 BGB) des Herausgabeanspruchs, den A als Eigentümer gegn B als Besitzer hat.. Daraufhin verlangt Claus die Maschine von Bruno heraus. Dieser überweist die letzte Kaufpreisrate an Alfred und verweigert die Herausgabe. Herausgabeanspruch nach § 985 BGB: C müßte Eigentümer der Betonmisch-maschine geworden sein. Hier haben sich A und C über den Eigentumsübergang geeinigt. Sie haben ein Übergabesurrogat nach § 931 BGB vereinbart, das anstelle der Übergabe nach "§ 854 BGB tritt.. Außerdem ist A als Eigentümer Verfü-gungsberechtigter. C ist demnach zunächst Eigentümer geworden. Mit Bezahlung

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der letzten Kaufpreisrate ist jedoch die aufschiebende Bedingung für den Eigen-tumserwerb des B mit Rückwirkung, § 159 BGB, erfüllt worden. Mit Eintritt der Bedingung wird der Eigentumserwerb des C wieder unwirksam nach § 161 Abs. 1 BGB. B ist deshalb anstelle des C Eigentümer geworden, dessen Eigentumsstel-lung entfällt. Ein Herausgabeanspruch des C gegen B scheidet aus. Das Recht des B auf Erwerb des Eigentums war demnach stärker als das Eigen-tumsrecht des C. Dieses Recht des B, das sich aus dem Eigentumsvorbehalt ergibt, nennt man Anwartschaftsrecht.

Definition Von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts sind schon so viele Erfordernisse erfüllt, daß von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann ("Das Anwartschaftsrecht als Vorstufe zum Vollrecht"). Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Vollei-gentum wesensähnliches Recht, eine selbständig verkehrsfähige Vorstu-fe des Grundeigentums, deren Entwicklung zum Vollrecht nur noch von dem Eintritt der Bedingung abhängt, die der Veräußerer grundsätzlich nicht mehr verhindern kann (BGHZ 83, 395, 399). Für die Haftung im deliktischen Bereich ist es nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofes als ein "sonstiges Recht" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt

Fall 14: Der Importeur I verkauft an den Großhändler G unter Eigentumsvorbehalt 50 Fernseher. G übergibt dem Einzelhändler E die Fernseher und einigt sich mit diesem, daß das Anwartschaftsrecht an den Fernsehern auf E übergehen soll. Wer wird nach Bezahlung der letzten Kaufpreisrate an I Eigentümer an den Fernse-hern? Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts: Wenn E das Anwartschaftsrecht an den Fernsehern erworben hätte, wäre er mit Bezahlung der letzten Kaufpreisrate Ei-gentümer geworden. Zunächst erwarb G als Eigentumsvorbehaltskäufer aufschie-bend bedingtes Eigentum an den Fernsehern und somit das Anwartschaftsrecht (Ersterwerb). Da dieses Anwartschaftsrecht die Vorstufe zum Eigentum darstellt, ist nach herrschender Meinung eine Übertragung des Anwartschaftsrechts nach §§ 929 ff. BGB analog und unter folgenden Voraussetzungen möglich (Zweiterwerb). Schema:

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• Einigung über den Übergang des Anwartschaftsrechts • Übergabe der Sache oder Übergabesurrogat • Verfügungsberechtigung, d.h. der Veräußerer muß Inhaber des Anwart-

schaftsrechts sein. Hier war G Inhaber des Anwartschaftsrechts, hat die Sache übergeben und sich mit E über den Übergang des Anwartschaftsrechts geeinigt. E ist also Inhaber des Anwartschaftsrechts und mit Bezahlung der letzten Kaufpreisrate Eigentümer ge-worden. Fall 15: wie oben, nur gibt sich G gegenüber E als Eigentümer der Fernseher aus und verkauft sie dem E unter Eigentumsvorbehalt. E bezahlt kurze Zeit später sei-ne letzte Kaufpreisrate an G. G, der mittlerweile in Konkurs geraten ist, hat aber noch Kaufpreisraten bei I ausstehen. Wer ist Eigentümer der Fernseher? 1. Ersterwerb des Anwartschaftsrechts nach §§ 929, 158 Abs. 1 BGB: E könn-te nach §§ 929, 158 Abs. 1 BGB ein Anwartschaftsrecht von G erworben haben, das mit Zahlung der letzten Kaufpreisrate an G zum Eigentum erstarkt. Hier haben sich E und G über den (aufschiebend bedingten) Eigentumsübergang geeinigt und auch die Fernseher übergeben. G war aber zum Zeitpunkt der Einigung nicht Ei-gentümer der Fernseher. Ein (aufschiebend bedingter) Eigentumserwerb nach § 929 BGB scheidet deshalb aus. 2. Gutgläubiger Ersterwerb des Anwartschaftsrechts nach §§ 932, 158 Abs. 1 BGB: E könnte allenfalls gutgläubig das Anwartschaftsrecht nach §§ 932, 158 Abs. 1 BGB erworben haben. Der gutgläubige Erwerb des Anwartschaftsrechts richtet wie der gutgläubige Erwerb des Eigentums nach § 932 ff. BGB. Hier fehlte aber der gute Glaube des E nach § 932 Abs. 2 BGB. Da beim Verkauf neuer Sa-chen in Geschäftskreisen ein Eigentumsvorbehalt üblich ist, durfte E nicht auto-matisch darauf vertrauen, daß G bereits Volleigentum erworben hat. E hätte sich deshalb Quittungen des G vorlegen lassen müssen. Da er seiner Nachforschungs-pflicht nicht nachgekommen ist, hat er grob fahrlässig im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB gehandelt. 3. Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts: G ist aber selbst als Eigentumsvorbe-haltskäufer Inhaber des Anwartschaftsrechts, das E erworben haben könnte (Zweiterwerb). In der Einigung über den Eigentumsübergang ist als rechtliches Minus auch die Einigung über den Übergang des Anwartschaftsrechts des G ent-halten. E hat demnach von G dessen Anwartschaftsrecht nach § 929 BGB erlangt.

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Dieses erstarkt aber erst zum Vollrecht, wenn die letzte Kaufpreisrate an I über-wiesen ist. I ist deshalb immer noch Eigentümer der Fernseher. Fall 16: Knapp möchte von der Bank B ein Darlehen. Für die Auszahlung des Darlehens verlangt die Bank allerdings zur Sicherheit eine Übereignung von Knapps Wagen. Knapp möchte seinen Wagen aber gerne weiter benutzen. Wie kann beiden Interessen Rechnung getragen werden? Hier kommt eine Sicherungsübereignung nach §§ 929, 930 BGB (Besitzkonsti-tut) in Betracht. B wird rechtlicher Voll - Eigentümer und mittelbarer Besitzer der Sache (§ 868 BGB), hat also eine ausreichende Sicherheit für die Darlehensforde-rung. Kapp dagegen bleibt unmittelbarer Besitzer der Sache, § 854 BGB, und kann diese weiter benutzen; das Besitzkonstitut ist also eine Leihe. K besitzt den Wagen auch für die Bank, wie ein Entleiher; er muß also pfleglich mit dem Wa-gen umgehen; da er aber nicht Eigentümer ist, darf er den Wagen nicht veräußern ( was ohne Papiere, die sich die Bank geben lassen wird, ohnehin schwer sein wird. )

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Die Sicherungsübereignung

Bank

(Gläubiger)

=

Sicherungs-nehmer

wird ( treuhänderisch, nur schuldrecht-lich im Innenver-

hältnis be-schränkt gem. §

137 BGB ) Eigen-tümer des Siche-

rungsgutes §§ 158, 929 BGB

Kreditnehmer

(Schuldner)

=

Sicherungs- geber

bleibt Besitzer ( und Nutzer ) des Sicherungsgutes

§ 854 BGB

Darlehensvertrag § 607 BGB

Sicherungs- übereignungs-

Vertrag §§ 137, 305 BGB

Kreditausreichung

Sicherungsübereignung, §§ 929, 930 BGB

des Sicherungsgutes durch Besitzkonstitut,

§ 868 BGB, ohne Besitzübergabe

und

und

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Zwei Fälle der Sicherungsübereignung: Die beiden Parteien können vereinba-ren, daß nach Erfüllung der zu sichernden Forderung (hier Zahlung der letzten Darlehensrate) der Sicherungsnehmer verpflichtet ist, das Eigentum wieder an den Sicherungsgeber rückzuübereignen. Beide Parteien können aber die Sicherungs-übereignung auch unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der voll-ständigen Bezahlung vereinbaren. Im letzteren Fall wird der Sicherungsgeber au-tomatisch wieder Eigentümer der Sachen, ohne daß eine Handlung des Siche-rungsnehmers erforderlich wäre. Fall 17: Der Unternehmer U bietet der Bank B an, zur Sicherheit für ein Darlehen sämtliche Produkte irgendeines Regals seines Warenlagers zu übereignen. Hier kommt eine Übereignung nach §§ 929, 930 BGB in Betracht. Für die Über-eignung gilt aber der sogenannte Bestimmtheitsgrundsatz. Danach müssen die Gegenstände der Übereignung so bestimmt bezeichnet sein, daß für die Vertrags-partner eindeutig erkennbar ist, welche Gegenstände von der Übereignung umfaßt sein sollen. Da es hier im Warenlager des U mehrere Regale gibt, ist die Übereig-nung zu unbestimmt und deshalb unwirksam. Fall 18: U vereinbart mit seiner Bank B eine Sicherungsübereignung aller Ge-genstände, die sich gegenwärtig in seinem Warenlager befinden und zukünftig noch dazukommen. Ist eine solche Sicherungsübereignung wirksam? Bestimmtheitsgrundsatz: Die Sicherungsübereignung ist bestimmt genug, da eindeutig zu erkennen ist, welche Gegenstände sich im Warenlager befinden und demzufolge von der Übereignung betroffen sind. Unschädlich ist, daß die Über-eignung sich auf Gegenstände bezieht, die zum Zeitpunkt der Einigung noch gar nicht Eigentum des U sind (sog. vorweggenommenes Besitzkonstitut). Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB: Bei der Sicherungsübereignung ist aber stets noch eine Sittenwidrigkeitsprüfung durchzuführen. Sittenwidrig im Sin-ne des § 138 Abs. 1 BGB ist, was gegen das Anstandsgefühl aller billig und ge-recht Denkenden verstößt. Eine Sicherungsübereignung ist insbesondere sitten-widrig in den Fällen der • Übersicherung: Der Wert der sicherungsübereigneten Gegenstände darf den

Wert der zu sichernden Forderung nicht übermäßig übersteigen. Insbesondere bei der Sicherungsübereigung von Warenlagern mit wechselndem Bestand ist

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deshalb eine ausdrückliche „Freigabeklausel“ im Vertrag für den Fall der Über-sicherung erforderlich.

• Schuldnerknebelung: Der Unternehmer darf seine wirtschaftliche Freiheit

nicht verlieren. Deshalb ist eine Vertragsklausel erforderlich, die es dem Un-ternehmer ausdrücklich gestattet, über die sicherungsübereigneten Waren im eigenen Namen zu verfügen, um seinen Geschäftsbetrieb aufrecht halten zu können.

Mangels entsprechender Klauseln ist die Sicherungsübereignung im vorliegenden Fall sittenwidrig. Fall 19: Der Schokoladenhersteller Schoki tritt seine Forderungen aus dem Ver-kauf von Schokolade zur Sicherheit am 1.2. an seinen Nußlieferanten N und am 1.3. an seinen Kakaolieferanten K ab. Die Sicherungsabtretung ist das typische Sicherungsmittel der Warenkreditgeber. Diese liefern normalerweise Waren unter Eigentumsvorbehalt. Da der Hersteller durch Verarbeitung nach § 950 BGB Eigentum erwirbt, geht dieser Eigentums-vorbehalt unter. Deshalb lassen sich die Warenkreditgeber zusätzlich noch die Forderungen aus dem Verkauf dieser Waren zur Sicherheit abtreten (verlängerter Eigentumsvorbehalt). Hier gilt grundsätzlich das sogenannte Prioritätsprinzip: Da S zuerst an N die Forderungen abgetreten hat, erwirbt dieser die Forderungen. Die Abtretung an K ist dagegen unwirksam, da S bereits die Verfügungsbefugnis über die Forderungen verloren hat.

2. Bürgschaft

Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande;

ihn schlugen die Häscher in Bande.

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"Was wolltest Du mit dem Dolche, sprich!" entgegnet ihm finster der Wüterich. "Die Stadt vom Tyrannen befreien!" "Das sollst Du am Kreuze bereuen."

"Ich bin", spricht jener, "zum Sterben bereit

und bitte nicht um mein Leben: Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit,

bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; Ich lasse den Freund dir als Bürgen,

ihn magst du, entrinn ich, erwürgen."

Da lächelt der König mit arger List und spricht nach kurzem Bedenken: "Drei Tage will ich Dir schenken;

doch wisse: wenn sie verstrichen die Frist, eh' du zurück mir gegeben bist, so muß er statt deiner erblassen, doch dir ist die Strafe erlassen."

Die Bürgschaft ist ein akzessorisches Sicherungsmittel, mit dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (= Hauptschuldner) verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit dieses Dritten einzustehen.

1. Entstehung der Bürgschaft

a. Bürgschaftsvertrag

Der Bürgschaftsvertrag ist die Sicherungsabrede, die die primäre Schuldverpflich-

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tung des Bürgen begründet. Neben der Hauptverbindlichkeit entsteht somit eine eigene Verbindlichkeit, die der Bürge gegenüber dem Schuldner zu erfüllen hat. Zu beachten ist, daß der Bürgschaftsvertrag alle essentialia negotii enthalten muß. Ist die Erklärung auslegungsbedürftig, so ist die Andeutungstheorie der Recht-sprechung zu beachten, die auch Tatsachen außerhalb der Erklärung mit heran-zieht, soweit sie in der Erklärung irgendeinen Niederschlag gefunden haben.

Bisher war es auch möglich, daß der Bürgschaftsvertrag noch nicht alle Angaben enthält (z.B. Person des Gläubigers oder Forderungshöhe), die der Schuldner dann abredegemäß ausfüllen sollte. Die frühere h.M. nahm zu diesem Zweck eine Aus-füllungsbefugnis an: Bürge wurde auch dann verpflichtet, wenn der Ausfüllungs-befugte seine Befugnis überschritt. Nach neuester Rechtsprechung wird aus einer Blankourkunde jedoch keine form-gültige Bürgschaft mehr, da die Warnfunktion umgangen würde. Eine Frau sollte eine Bürgschaft für ihren mit 150.000 DM verschuldeten Ehemann abgeben. Die Bankangestellte legte ihr ein Formular einer Bürgschaftserklärung vor. Die Frau unterschrieb das Schriftstück blanko. Die genauen Daten insbesondere die Bürg-schaftssumme sollte die Bankangestellte später eintragen, was diese auch tat. Als der Ehemann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkam, nahm die Bank die Ehefrau als Bürge in Anspruch. Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist eine schriftliche Bürgschaftserklärung erforderlich (§ 766 BGB). Die Schriftform hielt das Oberlandesgericht Nürnberg in diesem Fall nicht für gewahrt. Die wesentlichen Angaben über Gläubiger, Hauptschuldner, die zu sichernden Verbindlichkeiten und die Höhe des Betrages waren zum Zeitpunkt der Unterschrift nicht schriftlich niedergelegt. Die mündli-che Absprache hinsichtlich des nachträglichen Ausfüllens der Bürgschaftsurkunde reichte nicht aus. Das Gericht wies die Klage der Bank gegen die Ehefrau ab. Urteil des OLG Nürnberg, 5 U 992/96 Anders ist dann zu entscheiden, wenn die Ausfüllungsbefugnis schriftlich erteilt wurde. Der "Bürge" haftet aber nach § 172 II analog für das abredewidrig ausge-füllte Blankett, sofern der andere Teil gutgläubig ist.

b. Schriftform

Grundsätzlich ist für die Bürgschaftserklärung nach § 766 die Schriftform vorge-sehen. Das Schriftformerfordernis hat den Zweck, den Bürgen vor Übereilung zu schützen. Insofern gilt die Formvorschrift nur für die Erklärung, nicht aber für deren Annahme. Eine Ausnahme besteht nach §§ 350f. HGB bei Bürgschaftserklärungen von Kaufleuten, da diese weniger schutzbedürftig sind, jedenfalls, soweit sie die Bürg-schaft in Ausübung ihres Handelsgeschäfts ausüben, da sie solche Geschäfte wohl routinemäßig ausüben. Zu beachten ist, das die mangelnde Schriftform durch Zahlung des Bürgen bei Eintritt des Sicherungsfalls nach § 766 S.2 BGB geheilt wird.

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c. Gesicherte Forderung

Die Bürgschaft ist streng akzessorisch und damit in ihrem Bestand von der zu sichernden Forderung abhängig. Die Forderung kann dabei auch eine zukünftige sein, soweit sie zumindest bestimmbar ist. Ändert sich die Forderungshöhe im Laufe der Zeit, so wirken sich Änderungen nur zugunsten des Bürgen aus. Ausnahme davon sind nicht rechtsgeschäftliche Änderungen der Forderung (Verzug, Verschulden). Im Zweifel umfaßt die Bürg-schaft auch die Zinsen der gesicherten Forderung. Erlischt die gesicherte Forderung, so wird der Bürge automatisch frei (Zahlungen des Bürgen in Unkenntnis des Erlöschens sind ohne Rechtsgrund § 767 BGB).

2. Übertragung der Forderung/Bürgschaft auf Dritte

Wird die gesicherte Forderung auf einen Dritten übertragen, so erhält dieser gem. § 401 BGB auch die sichernde Bürgschaft. Ein gutgläubiger Erwerb der Bürg-schaft ist nicht möglich. Ebensowenig ist ein gutgläubiger einredefreier Erwerb möglich ( § 404 BGB).

3. Geltendmachung von Einwendungen des Schuldners durch den Bürgen

Nach § 768 BGB kann der Bürge die Einreden des Schuldners gegenüber dem Gläubiger geltend machen. § 770 BGB gibt dem Bürgen ein Leistungsverweige-rungsrecht, solange wie der Schuldner die Hauptverbindlichkeit anfechten könnte (- ein eigenständiges Anfechtungsrecht des Bürgen ist nicht möglich, da er gerade nicht Vertragspartner der Hauptverbindlichkeit ist). § 770 BGB wird analog auf die anderen Gestaltungsrechte des Schuldners angewendet (z.B. Wandlung, Min-derung).

4. Rückgriff

Befriedigt der Bürge den Gläubiger, so geht nach § 774 BGB die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner in der Höhe auf den Bürgen über, in der er den Gläubiger befriedigt hat. Die Forderung erlischt nicht, weil der Bürge nicht auf die Forderung leistet, sondern auf seine eigene Verpflichtung aus dem Bürgschafts-vertrag. Neben der Forderung kann der Bürge auch noch aus der Sicherungsabrede selbst Rückgriff nehmen meistens Auftrag: § 670 BGB. Grund dafür, daß zusätzlich zu dem Aufwendungsersatz aus der Sicherungsabrede noch die persönliche Forderung übergeht, ist, daß mit der Forderung auch die ak-zessorischen Sicherungsrechte mit übergehen (§ 774 I 1 BGB), damit zwischen den Sicherungsgebern ein Gesamtschuldverhältnis entsteht (§ 774 II BGB).

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Bei den nicht akzessorischen Sicherungsrechten (z.B. Eigentumsvorbehalt) nimmt man an, daß der Gläubiger aus dem Bürgschaftsvertrag die Pflicht hat, sie dem Bürgen zu übereignen (außer ausdrückliche gegenteilige Abrede).

In diesem Zusammenhang ist auch § 776 BGB zu sehen, der den Bürgen davor schützt, an den Gläubiger leisten zu müssen, obwohl dieser eine parallele Sicher-heit aufgegeben hat (nur vorsätzliches Handeln) analoge Anwendung bei nicht akzessorischen Sicherungsmitteln. § 766 BGB ist allerdings dispositiv (auch durch AGB).

Zahlt ein Sicherungsgeber so entsteht ein Gesamtschuldverhältnis unter den Siche-rungsgebern ( Wettlauf der Sicherungsgeber soll vermieden werden). Aus diesem Grund kann ein zahlender Bürge zuviel Gezahltes nach §§ 812ff. BGB vom Gläu-biger zurückfordern.

Ein zahlender Mitbürge kann die anderen auch schon dann in Anspruch nehmen, wenn er nur einen Teil der Bürgschaftsverpflichtung erfüllt hat Mitbürgen: wenn Sicherungsgeber unabhängig voneinander sichern.

Fall 20: Loosy verliert beim Schafkopfen 200 DM. Da er nicht zahlen kann, ver-bürgt sich sein Freund Charly. Kann der Gläubiger Zinker (Z) von L oder von C das Geld verlangen? Spielschuld als Ehrenschuld: Durch Spiel oder Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet (§ 762 Abs. 1 Satz 1 BGB). Von L kann Z daher die 200 DM nicht verlangen. Bürgschaft akzessorisch: Auch C muß nicht zahlen, da der Bürge nur für die Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen hat (§ 765 Abs. 1 BGB). Wenn – wie hier – keine Verbindlichkeit des Hauptschuldners besteht, muß der Bürge nicht zahlen, da die Bürgschaft akzessorisch ist. Sie ist also von dem Bestehen der Hauptschuld abhängig. Auch die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden (wie z.B. Stundung und Verjährung) kann der Bürge geltend machen (§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Bürge verliert seine Einrede nicht dadurch, daß der Haupt-schuldner auf sie verzichtet (§ 768 Abs. 2 BGB). Fall 21: Bürge B verbürgt sich selbstschuldnerisch. Was bedeutet das? Bei selbstschuldnerischer Bürgschaft direkter Zugriff auf den Bürgen: Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläu-

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biger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage), § 771 BGB. Die Einrede der Vorausklage ist je-doch ausgeschlossen, wenn der Bürge auf die Einrede verzichtet, insbesondere wenn er sich als Selbstschuldner verbürgt (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Gläubi-ger kann sich nach seiner Wahl entweder an den Schuldner oder an B halten. Fall 22: In vorstehendem Fall hat der Bürge den Gläubiger befriedigt. Kann er beim Schuldner Rückgriff nehmen? Gesetzlicher Forderungsübergang auf Bürgen: Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über (§ 774 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wenn sich der Bürge aufgrund eines Auftrags des Schuldners verbürgt hat, ergibt sich zusätzlich eine Ersatzpflicht aus § 670 BGB. 3. Pfandrecht

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Fall 23: Sepp schuldet Gustav 500 DM aus einem Kaufvertrag. Da S nicht zahlen kann, verpfändet Veronika für diese Schuld einen Ring im Wert von 2.000 DM,

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den ihr S geschenkt hat. Wann wird die Pfändung wirksam? Was kann G tun, wenn S nicht zahlt? Wie ist die Rechtslage, wenn V die Schuld begleicht? Wem gehört der Erlös aus dem Pfand, wenn V die Schuld nicht begleicht und bei der Pfandverwertung ein Erlös von 1.000 DM erzielt wird? Pfandrecht Ist ein zur Sicherung einer Forderung bestelltes dingliches Recht. Dem Pfandgläu-biger wird dabei die Befugnis eingeräumt, sich durch Verwertung des Pfandes aus dem Erlös zu befriedigen.

Das Pfandrecht begründet keine Schuld, sondern nur eine Haftung.

Neben den Grundpfandrechten unterscheidet man beim Pfandrecht an bewegli-chen Sachen und Rechten zwischen dem vertraglichen Pfandrecht und dem gesetz-lichen Pfandrecht. Das gesetzliche Pfandrecht ist z.B. das Vermieterpfandrecht( § 559 BGB ) oder das Unternehmerpfandrecht ( § 647 BGB ). Beim vertraglichen (oder auch rechtsgeschäftlichen) Pfandrecht wird eine bewegliche Sache (§ 1204 BGB) oder ein Recht (§ 1273 BGB) zur Sicherung einer Forderung derart belastet, daß der Gläubiger berechtigt sein soll, die Befriedigung aus der Sache zu suchen. Für die Bestellung eines Pfandrechts ist es erforderlich, daß der Eigentümer dem Gläubiger die Sache/das Recht übergibt und beide darüber einig sind, daß dem Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll (§§ 1205, 1274 BGB). Diese unmittelbare Übergabe des Pfandes (Faustpfandes) hat natürlich den Nachteil, daß der Schuld-ner nicht mehr über den Sicherungsgegenstand verfügen kann. In der Praxis hat sich deshalb weitgehend die Sicherungsübereignung durchgesetzt. Das Pfandrecht ist von der bestehenden Forderung abhängig, also akzessorisch, d.h. von der Hauptforderung abhängig bzw. an ihren Bestand angelehnt. Sobald die Forderung des Gläubigers fällig ist (sog. Pfandreife), ist der Gläubiger durch den Pfandverkauf zur Befriedigung berechtigt (§ 1228 BGB). Der Pfand-verkauf erfolgt durch eine öffentliche Versteigerung (§ 1235 BGB). Das Pfand-recht endet mit dem Erlöschen der gesicherten Forderung (§ 1252 BGB) oder durch die Rückgabe des Pfandes an den Eigentümer (§ 1253 BGB). Im einzelnen: Faustpfandrecht: Eine bewegliche Sache kann zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet werden, daß der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der Sache zu suchen (§ 1204 Abs. 1 BGB). Das Pfandrecht ist also ein akzessorisches Recht. Zur Bestellung sind Einigung und Übergabe der Sache erforderlich (§ 1205 Abs. 1 Satz 1 BGB). Pfandverwertung: Wenn G das Pfand verwerten will, muß er der V gegenüber den Verkauf vorher androhen und den Geldbetrag bezeichnen, den er haben will (§ 1234 Abs. 1 Satz 1 BGB). Hierbei ist die Monatsfrist des § 1234 Abs. 2 BGB zu beachten. Hat das Pfand einen Börsen- oder Marktpreis, so richtet sich die Verwertung nach § 1221 BGB (§ 1235 Abs. 2 BGB). In den anderen Fällen ist eine öffentliche Versteigerung durchzuführen (§§ 1235 Abs. 1, 383 Abs. 3, 1236 ff. BGB).

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Forderungsübergang bei Begleichung der Schuld durch V: Wenn V die Schuld bezahlt, geht die Forderung des G gegen S auf V über (§ 1225 BGB). So-mit gehen auch alle evtl. noch bestehenden Sicherungsrechte auf V über (§§ 412, 1250 Abs. 1 BGB), z.B. auch weitere Pfandrechte an anderen Gegenständen. Das Pfandrecht am Ring erlischt (Konsolidation; § 1256 Abs. 1 Satz 1 BGB). G muß den Ring zurückgeben (§ 1223 Abs. 1 BGB). Erlös aus dem Pfand: In Höhe der Forderung wird G Eigentümer des Geldes. Wenn der Erlös die Forderung übersteigt, tritt der Erlös an die Stelle des Pfandes (§ 1247 BGB). V wird also Eigentümerin des Mehrerlöses. Die Kaufpreisforde-rung gegen S und damit auch das Pfandrecht gehen auf V über (§ 1225 BGB ana-log, da es sich nicht um eine Zahlung der V, sondern um eine Pfandverwertung handelt). Das Pfandrecht erlischt (§ 1256 Abs. 1 Satz 1 BGB). Fall 24: Phil möchte seine Briefmarkensammlung verkaufen. Er übergibt sie sei-nem Freund F, der Kaufinteresse bekundet hat, zur Ansicht. F verpfändet die Sammlung aber der Gabi, der er 2.000 DM schuldet. Gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts: Der gutgläubige Erwerb richtet sich nach den §§ 1207; 932, 934, 935 BGB analog. Wenn G gutgläubig hinsichtlich des Eigentums des F ist, erwirbt sie das Pfandrecht, da die Sammlung dem P nicht abhanden gekommen ist. Fall 25: Michael verpfändet sein Kfz dem Gerd (G 1), dem er 20.000 DM schul-det. Da ihn noch ein weiterer Gläubiger (G 2), dem er 10.000 DM schuldet, be-drängt, nimmt er G 1 das Auto weg und verpfändet es dem G 2. Wer erhält den Versteigerungserlös, wenn nur 15.000 DM erzielt werden? Grundsätzlich Zeit der Bestellung maßgebend: Da dem M das Kfz gehört, stellt sich nicht die Frage nach dem gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts. Durch die Wegnahme erlischt das Pfandrecht nicht, da der Pfandgläubiger das Pfand nicht zurückgegeben hat (vgl. § 1253 Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit sind sowohl G 1 als auch G 2 Pfandgläubiger. Der Rang des Pfandrechts richtet sich grundsätzlich nach der Zeit der Bestellung (§ 1209 BGB), so daß das Pfandrecht des G 1 vor-rangig ist. Ausnahmsweise gutgläubiger Erwerb des Vorrangs: Der Vorrang des Pfand-rechts kann auch gutgläubig erworben werden. Da aber M dem G 1 das Kfz weg-genommen hat, scheitert der gutgläubige Erwerb des Vorrangs (§ 935 BGB). Fall 26: Simon verpfändet dem G 1 sein Kfz wegen einer Darlehensschuld. Nach-dem S dem G 1 mitgeteilt hatte, daß er diesen Betrag überwiesen hat, gibt G 1 das

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Pfand frei. Tatsächlich hat S den Betrag nicht überwiesen. S verpfändet das Kfz an G 2, der den Sachverhalt kennt. Erlöschen des Pfandrechts mit Rückgabe: Das Pfandrecht erlischt, wenn der Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigentümer zurückgibt (§ 1253 Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit kann der Eigentümer S frei über den Gegens-tand verfügen. Es besteht nur noch das Pfandrecht des G 2. 4. Hypothek Fall 27: Der Schuldner Stefan bittet seinen Freund Franz, zugunsten seiner Gläu-bigerin Gabi eine Hypothek auf dem Grundstück des F zu bestellen. Nach Bestel-len einer Buchhypothek zugunsten der G verzögert sich die Auszahlung des Dar-lehens an S. Ist G Hypothekengläubigerin geworden? Die Hypothek ist ein Grundpfandrecht und stellt die Belastung eines Grundstücks derart dar, daß im Zweifelsfall aus dem Grundstück an den Berechtigten eine Geldsumme zur Befriedigung seiner Forderung zu zahlen ist, § 1113 BGB. Die Hypothek ist akzessorisch. Der Bestand der Hypothek ist also vom Bestand der Forderung abhängig. Deshalb können auch der Hypothekengläubiger und der Gläubiger der Forderung niemals zwei verschiedene Personen sein. Der Hypothe-kengläubiger ist also stets identisch mit dem Forderungsgläubiger. Begründet wird die Hypothek durch Einigung und Eintragung im Grundbuch § 873 BGB. Die Übertragung einer Hypothek ist nur dann möglich, wenn auch die Forderung übertragen wird, § 1153 BGB: das folgt aus der Akzessorietät. Erlischt die Forderung (z.B. durch Erfüllung), so geht die Hypothek auf den Eigentümer des Grundstücks über, § 1163 BGB. Sie wird dann automatisch zu einer Eigentü-merhypothek. Man unterscheidet zwischen der Verkehrshypothek und der Gesamthypothek. Bei der Gesamthypothek können für eine Forderung mehrere Hypotheken an verschie-denen Grundstücken bestellt werden. Jedes Grundstück haftet dann für die gesam-te Forderung , § 1132 BGB. Bei der Verkehrshypothek unterscheidet man weiter zwischen der Briefhypothek und der Buchhypothek. Nach § 1116 BGB ist über die Hypothek ein Hypotheken-brief zu erteilen (Briefhypothek). Die Brieferteilung kann jedoch ausgeschlossen werden , § 1116 II BGB. Zur Ausschließung ist die Einigung des Gläubigers und des Eigentümers sowie die Eintragung in das Grundbuch erforderlich. Man spricht in diesen Fällen von einer Buchhypothek. Besondere Arten der Hypothek sind noch die Sicherungshypothek und die Höchstbetragshypothek. Bei der Sicherungshypothek bestimmt sich das Recht des Gläubigers nur nach der Forderung, § 1184 BGB. Um die Forderung geltend zu machen, muß der Gläubiger die Forderung nachweisen und kann sich nicht auf die Eintragung im Grundbuch berufen. Die Sicherungshypothek ist nur als Buchhypo-

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thek möglich. Der häufigste Anwendungsfall ist die Bauhandwerkerhypothek, § 648 BGB. Vier Voraussetzungen für Hypothek: Es müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • Wirksame Forderung (Akzessorietät) • Wirksame Einigung (§ 873 Abs. 1 BGB) • Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) • Übergabe des Hypothekenbriefs (§ 1117 BGB) bzw. Einigung und Eintragung,

daß der Hypothekenbrief ausgeschlossen sein soll (§ 1116 Abs. 2 BGB). Bei fehlender Forderung Eigentümerhypothek: Ist die Forderung, für welche die Hypothek bestellt ist, nicht zur Entstehung gelangt, so steht die Hypothek dem Eigentümer zu (§ 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Eigentümerhypothek wandelt sich in eine Eigentümergrundschuld um (§ 1177 Abs. 1 Satz 1 BGB; zur Grund-schuld vgl. §§ 1191 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB).

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Teil B: Mahnverfahren (§§ 688 - 703d ZPO) Einleitung: Erfüllt der Schuldner vertragliche oder gesetzliche Ansprüche nicht (freiwillig), muß der Gläubiger die Verbindlichkeit zwangsweise beitreiben. Der Staat verfügt allerdings über das Gewaltmonopol. Es umfaßt auch die Beitreibung von Forde-rungen. Der Gläubiger muß daher zunächst einen Vollstreckungstitel erwirken (insoweit läßt der Staat Alternativen zu: z.B. Notarielle Vollstreckungsunterwer-fung, Schiedsgerichtsentscheidung) und sodann diesen Vollstreckungstitel voll-strecken. Die Vollstreckung ist ausschließlich hoheitliche Aufgabe. Jede Form der Gewaltanwendung außerhalb des staatlichen Vollstreckungsverfahrens ist verbo-ten. Was ist das gerichtliche Mahnverfahren? Mit einem gerichtlichen Mahnbescheid kann einfach und schnell ein sogenannter Titel erwirkt werden, mit dem gegen den Schuldner im Rahmen der Zwangsvoll-streckung vorgegangen werden kann. Hiermit kann oft ein langwieriges und teures Gerichtsverfahren ( Erkenntnis- oder Klageverfahrenverfahren, §§ 253 ff ZPO ) vermieden werden. Anders als bei gerichtlichen Auseinandersetzungen wird im Mahnverfahren nicht geprüft, ob der geltend gemachte Anspruch tatsächlich be-steht. Wer sich also gegen einen Mahn- oder Vollstreckungsbescheid nicht wehrt und ihn unbeachtet läßt, geht ein hohes Risiko, nämlich die Zwangsvollstreckung, ein, auch, wenn der Anspruch nicht besteht! Der Schuldner wird vor Erlaß des Mahnbescheides auch nicht angehört. Er kann jedoch Einwände gegen den Mahnbescheid erheben. Dies geschieht mit dem so-genannten Widerspruch, § 694 ZPO. Wird Widerspruch erhoben, so folgt die ge-richtliche Klärung der Angelegenheit im Klage- oder Erkenntnisverfahren, in das das Mahnverfahren dann überrgeht, §§ 696, 697 ZPO. Bei Erfolg des Verfahrens erlangt der Gläubiger einen Rechtstitel, der 30 Jahre lang gültig ist, § 750 ZPO, § 794 I Nr. 4 ZPO, § 218 BGB. Schaubild : Gerichtsorganisation Schaubild : Mahnantrag / -bescheid / Widerspruch / Vollstreckungsbescheid Formale Voraussetzungen Ein Mahnverfahren muß die Forderung nach einer bestimmten Geldsumme, unab-

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hängig von der Höhe, dem Streitwert, in inländischer Währung zum Gegenstand haben, § 688 I ZPO. Andere Forderungen, wie beispielsweise ein Anspruch auf eine Warenlieferung, kann nicht mittels Mahnverfahren geltend gemacht werden. Weitere Voraussetzungen sind: Der Name und die Anschrift des Schuldners muß bekannt sein. Die Nennung einer bloßen Etablissementbezeichnung ( Beispiel “Sonnenstudio Sonnenschein”) reicht nicht aus, § 690 I Ziff. 1 ZPO. Der Antrag auf Erlaß des Mahnbescheids muß schriftlich eingereicht werden. Den entsprechende »Vordruck für den Mahn- und den Vollstreckungsbescheid« gibt es im Schreibwarenhandel oder bei Amtsgericht. Der Antrag muss auf den Erlass eines Mahnbescheides gerichtet sein und Folgendes enthalten gem. § 690 ZPO:

• die vollständige Bezeichnung der Parteien • die Bezeichnung des Mahn(Amts-)gerichts • die Bezeichnung des Anspruchs (z.B. aus Kaufvertrag vom...) • die genaue Bezeichnung der verlangten Leistung, unterteilt in Haupt- und

Nebenforderungen (z.B. Kaufpreis und Verzugszinsen) • die Erklärung, dass ein unbedingter, d.h. nicht von einer Gegenleistung

abhängiger und fälliger Anspruch besteht • die Bezeichnung des Gerichts, das für ein eventuelles streitiges Verfahren

zuständig wäre • die handschriftliche Unterzeichnung

Ist das Formular nicht vollständig und korrekt ausgefüllt, wird der Antrag zurück-gewiesen, § 691 ZPO. Zuständigkeiten Zuständig für das Mahnverfahren ist das Amtsgericht ( unabhängig vom Streitwert ), bei dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hat, § 689 ZPO; u.U. gibt es auch Son-derzuständigkeiten, die beachtet werden müssen ( z.B. dasArbeitsgericht oder zentrales Mahngericht gem. § 689 III ZPO ). Erlassen wird der Mahnbescheid aber nicht durch einen Richter am Amtsgericht, sondern durch den Rechtpfleger, § 20 Ziff. 1 RPflG. Weiterhin ist bei Einreichung ein Gerichtskostenvorschuß zu entrichten. Die Be-zahlung erfolgt in der Regel mit Kostenmarken, die beim Gericht erhältlich sind. Ist der Vordruck richtig ausgefüllt (siehe § 691 ZPO ), erläßt das Amtsgericht ei-nen Mahnbescheid, der dem Schuldner zugestellt wird. Darüber erhält der Gläubi-ger eine Mitteilung. Widerspruch, § 694 ZPO Innerhalb von 14 Tagen ( bzw. solange der VB nicht verfügt ist, § 694 ZPO ) kann der Schuldner gegen den Mahnbescheid Widerspruch einlegen, § 692 I Ziff. 2 ZPO. Erfolgt dieser, wird der Gläubiger vom Gericht darüber verständigt, § 695

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ZPO. Wird der Widerspruch rechtzeitig erhoben und beantragt eine Partei dann ein “streitiges Verfahren” (Prozeß), so geht der Rechtsstreit automatisch an das zuständige Gericht, §§ 696, 697 ZPO. Das Gerichts fordert den Gläubiger dann auf, binnen zwei Wochen eine An-spruchsbegründung einzureichen, die der Klageschrift entspricht, §§ 697 iVm 253 ZPO. Je nach Sachlage bestimmt das Gericht dann einen Verhandlungstermin oder ordnet ein schriftliches Vorverfahren an. Von diesem Zeitpunkt an befindet sich der Fall in einem echten Gerichtsprozeß in dem die Vorschriften der Zi-vilprozeßordnung gelten. Vollstreckungsbescheid, § 699 ZPO Legt der Antragsgegner nicht oder nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist Wider-spruch ein, kann bei Gericht innerhalb eines halben Jahres seit Zustellung des Mahnbescheides ein Vollstreckungsbescheid beantragt werden. Er wird in der Regel von Amts wegen zugestellt, wenn nicht die sogenannte Übergabe zur Par-teizustellung beantragt ist. Im letzteren Fall kann der Gläubiger den Vollstre-ckungsbescheid per Gerichtsvollzieher zustellen und die Zwangsvollstreckung betreiben lassen. Ist der Schuldner unbekannt verzogen, kann das Mahngericht den Vollstreckungsbescheid durch Aushang an der Gerichtstafel zustellen. Auch in dieser Phase kann der Schuldner sich gegen den Anspruch wehren und Einspruch einlegen, § 700 III ZPO. Bei einem Einspruch gegen den Vollstre-ckungsbescheid wird der Rechtsstreit wiederum von Amts wegen als streitiges Verfahren an das zuständige Prozeßgericht abgegeben, § 700 III ZPO Falls kein Einspruch eingelegt wird, erwächst der Vollstreckungsbescheid in Rechtskraft; er ist dann ein sog. "Titel", aus dem durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt werden kann, §§ 700 I, 704, 750, 794 I Nr. 4 ZPO. Teil C: Handelsrecht

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Bedeutung des Handelsrechts Die Bedeutung des Handelsrechts ergibt sich aus den besonderen Erfordernissen der Marktprozesse im kaufmännischen Geschäftsleben. Es handelt sich um rechts-geschäftlichen Massenverkehr von Marktteilnehmern mit höherer geschäftlicher Bildung bzw. größerer Sachkunde, die ein Handelsgewerbe betreiben. Für sie soll das Handelsrecht größtmögliche Freiheit, Beweglichkeit und Schnelligkeit ge-währleisten. Während im bürgerlichen Recht größtmögliche Einzelfallgerechtig-keit angestrebt wird, steht im Handelsrecht die Rechtssicherheit und Berechenbar-keit im Vordergrund. Die handelsrechtlichen Vorschriften führen also gleichzeitig zu einer Privilegierung von Kaufleuten und zu strengeren Anforderungen an ihre Aktivitäten. Rechtsnatur Das deutsche Handelsrecht als Sonderprivatrecht der Kaufleute basiert auf dem sogenannten subjektiven System. Für seine Anwendbarkeit kommt es auf eine bestimmte Eigenschaft der beteiligten Rechtssubjekte an: sie müssen Kaufleute sein. Der Unterschied wird bei einem Vergleich mit dem objektiven System ande-rer Länder erkennbar, in denen vom Handelsrecht nicht die Geschäfte bestimmter Rechtssubjekte, sondern bestimmte Arten von Geschäften erfaßt werden. Das Handelsrecht wird allgemein also als Sonderprivatrecht der Kaufleute be-zeichnet. Was ist nun mit der Beschreibung des Handelsrechts als Sonderprivat-recht des Kaufmanns gemeint? Es handelt sich um ergänzende Spezialvorschriften für Handelsgeschäfte von Kaufleuten, die aber kein geschlossenes System bilden, sondern nur BGB-Regelungen ergänzen. Die Vorschriften über die Bürgschaft in den §§ 765 ff. BGB werden durch § 350 HGB über die Bürgschaft von Kaufleuten, die sie im Rahmen ihres Handelsgewerbes übernehmen, ergänzt. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb in §§ 932 ff. BGB werden durch § 366 HGB für den gut-gläubigen Erwerb vom Kaufmann ergänzt. Sämtliche Regelungen bauen also auf den entsprechenden BGB-Regelungen auf. Im Einzelnen sind folgende Aspekte besonders hervorzuheben:

• Der Kaufmann kann eine Bürgschaft auch mündlich erteilen, § 350 HGB

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• Mängelrügen sind beim Handelsgeschäft durch den Kaufmann unverzüg-lich vorzunehmen, ansonsten verliert der Kaufmann seine Minderungsan-sprüche

• Zinssatz in Höhe von 5% ; § 352 HGB • Zinsen können schon ab Fälligkeit der Forderung verlangt werden und

nicht erst ab Verzug, § 353 HGB • § 354 I HGB: ein Kaufmann tut nichts "umsonst" • § 358 HGB ist eine Ergänzung zu § 271 BGB – Lieferung während der

gewöhnlichen Geschäftszeit • § 360 HGB: Präzisierung des § 243 BGB dahin, daß bei Gattungsschulden

(z.B. 100 Kg Äpfel) Handelsgut mittlerer Art und Güte zu leisten ist, was eine Erhöhung oder Minderung der Qualität ggü. § 243 BGB bedeuten kann

• § 348 HGB: keine Herabsetzung von Vertragsstrafen • § 362 HGB: Anwendbarkeit des kaufmännischen Bestätigungsschreibens

mit der Folge, daß auf Grundlage bereits geführter mündlicher Absprachen ein Vertragspartner den Inhalt schriftlich fixieren kann und der Inhalt ver-bindlich wird, wenn der andere hierauf schweigt.

• unverzügliche Rüge während der Anzeigepflicht (bei verderblichen Waren zum Teil nur Stunden), § 377 HGB

• § 24 AGBG: Übergabe und ausdrücklicher Verweis bei Kaufleuten nicht erforderlich

• Inhaltskontrolle nur unter Maßgabe von § 9 AGBG • § 24 a AGBG Besonderheiten bei Verbraucherverträgen • Besonderheiten beachten bei Lieferung ins Ausland (CISG; UN Conventi-

on on Contracts for the International Sale of Goods) • Firmierung und Verhalten im Wettbewerb • Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft • Rechtsformzusatz

Eigenständige Regelungsgegenstände:

• Kaufmannsbegriff, §§ 1-7 HGB, • Recht der Handelsbilanzen, §§ 238 - 342a HGB, • Firmenrecht, §§ 17 - 37 HGB sowie das • Handelsregisterrecht, §§ 8 - 16 HGB. Trotz der Bezüge zum sonstigen

Privatrecht überwiegt hier der eigenständige Charakter. • Besondere Verträge: zum Beispiel

Handelsvertretervertrag (§§ 84-92c HGB), Handelsmaklervertrag (§§ 93-104 HGB), Kommissionsvertrag (§§ 383-406 HGB), Frachtvertrag (§§ 407-452d HGB), Speditionsvertrag (§§ 453-466 HGB),

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Lagervertrag (§§ 467-475h HGB), Binnenschifffahrtsvertrag (BinSchiffG), Seehandelsrecht (§§ 476-905 HGB).

• Gesellschaftsrecht (§§ 105-177a HGB zu OHG und KG, §§ 230-237 zur Stillen Gesellschaft, ferner in Sondergesetzen zur AG, GmbH, Genossen-schaft). Gem. § 6 Abs. 1 HGB werden die Regeln des HGB auf die Han-delsgesellschaften angewandt.

"selbständige" Ergänzungen oder Abänderungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts:

• Handelsgeschäfte (§§ 343-382 HGB). • Prokura (§§ 48 - 53 HGB) und Handlungsvollmacht (§§ 54 - 58 HGB) sind

besondere Regeln über die Stellvertretung und ergänzen die §§ 164 ff. BGB.

• Handlungsgehilfenrecht (§§ 59 - 83 HGB) ist dagegen heute reines Ar-beitsrecht und ergänzt die §§ 611 ff. BGB (vor allem bezüglich des Wett-bewerbsverbots, §§ 74 ff. HGB).

• das Recht der kaufmännischen Orderpapiere, §§ 363 - 365 HGB, ergänzt das Wertpapierrecht.

Verwirrend und zugleich praktisch bedeutsam ist, daß nicht jeder Unternehmer zu den Kaufleuten im Sinne des Handelsrechts gehört. Andererseits ist Handelsrecht aber häufig auch für Rechtsgeschäfte einschlägig, die von Privatleuten und von nichtkaufmännischen Unternehmern geschlossen werden. Stehen Privatleute und nichtkaufmännische Unternehmer mit Kaufleuten in Geschäftsbeziehungen, so ergeben sich auch ihre Rechte und Pflichten aus den handelsrechtlichen Vorschrif-ten. Das zeigen die Fälle der Bürgschaftsübernahme eines Kaufmanns gegenüber einem Privaten und des gutgläubigen Erwerbs von einem Kaufmann. Struktur des Handelsrechts Die gängige Definition, nach der Handelsrecht das Sonderprivatrecht des Kauf-manns ist, ist etwas nichtssagend. Demgegenüber wird Handelsrecht von System-kritikern wesentlich plastischer beschrieben als Kodifikation des kapitalistischen Rechts über die Stellung und Betätigung von Kaufleuten. Diese abwertend ge-meinte Beschreibung ist sachlich durchaus zutreffend, denn Handelsrecht ist das systemgebundene Recht für eine Marktwirtschaft, d.h. für eine Tauschwirtschaft in der Form der Geldwirtschaft. Ökonomisches Grundmodell des Handelsrechts ist die sich selbst steuernde Marktwirtschaft, in der das Gesetz von Angebot und Nachfrage und damit Wettbewerb herrscht. Sie beruht auf Privateigentum und auf freien, rational getroffenen Entscheidungen aller Teilnehmer.

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Bedeutung des Handelsrechts Die Bedeutung des Handelsrechts ergibt sich aus den besonderen Erfordernissen der Marktprozesse im kaufmännischen Geschäftsleben. Es handelt sich um rechts-geschäftlichen Massenverkehr von Marktteilnehmern mit höherer geschäftlicher Bildung bzw. größerer Sachkunde, die ein Handelsgewerbe betreiben. Für sie soll das Handelsrecht größtmögliche Freiheit, Beweglichkeit und Schnelligkeit ge-währleisten. Während im bürgerlichen Recht größtmögliche Einzelfallgerechtig-keit angestrebt wird, steht im Handelsrecht die Rechtssicherheit und Berechenbar-keit im Vordergrund. Die handelsrechtlichen Vorschriften führen also gleichzeitig zu einer Privilegierung von Kaufleuten und zu strengeren Anforderungen an ihre Aktivitäten. Das deutsche Handelsrecht als Sonderprivatrecht der Kaufleute basiert auf dem sogenannten subjektiven System. Für seine Anwendbarkeit kommt es auf eine bestimmte Eigenschaft der beteiligten Rechtssubjekte an: sie müssen Kaufleute sein. Der Unterschied wird bei einem Vergleich mit dem objektiven System ande-rer Länder erkennbar, in denen vom Handelsrecht nicht die Geschäfte bestimmter Rechtssubjekte, sondern bestimmte Arten von Geschäften erfaßt werden. Teil des Handelsrechts im weiteren Sinne ist auch das Recht der Personenhandels-gesellschaften und der Kapitalgesellschaften. Das Recht der Personenhandelsge-sellschaften ist auch heute noch im Handelsgesetzbuch geregelt (§§ 105 - 177a HGB), während für die Kapitalgesellschaften AG und GmbH Spezialgesetze exis-tieren. Zum Handelsrecht gehört also auch das Recht der kaufmännisch tätigen privatrechtlichen Personenvereinigungen. Standort im Rechtssystem 1. Handelsrecht und Bürgerliches Recht Während das Bürgerliche Recht das für jedermann geltende Privatrecht ist, er-gänzt und modifiziert das Handelsrecht als Sonderprivatrecht des Kaufmanns die allgemeineren Grundsätze des BGB. Die Beispiele der kaufmännischen Bürg-schaft und des Handelskaufs verdeutlichen, daß die BGB-Vorschriften durch das Handelsrecht lediglich modifiziert werden. Rechtsgrundlage dafür ist Art. 2 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Handels-gesetzbuch: "In Handelssachen kommen die Vorschriften des Bürgerlichen Ge-setzbuchs nur insoweit zur Anwendung, als nicht im Handelsgesetzbuch oder in diesem Gesetz ein anderes bestimmt ist." Ohne Kenntnis der BGB-Vorschriften ist Handelsrecht also nicht verständlich. Das gilt insbesondere für den Allgemeinen Teil des BGB, das allgemeine und be-sondere Schuldrecht sowie für das Sachenrecht. Diese Bereiche sind die Grundla-ge, auf denen das Handelsrecht aufbaut. Im Verhältnis von HGB und BGB gilt der Spezialitätsgrundsatz. So ergänzen etwa die Vorschriften über die Prokura die

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allgemeinen BGB-Regelungen über die Vertretungsmacht, der Handelskauf er-gänzt die kaufrechtlichen Bestimmungen, und für die Bürgschaft gilt gleiches. 2. Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Handelsrecht und Wirtschaftsrecht sind zwei ganz unterschiedliche Rechtsgebiete, denn Wirtschaftsrecht ist nur nicht das Recht der Wirtschaft, sondern auch dasje-nige der Wirtschaftslenkung. Letzteres ist dem öffentlichen Recht zuzurechnen. Während Handelsrecht zum Privatrecht gehört und die Rechtsbeziehungen Gleichgeordneter regelt, betrifft das Wirtschaftsrecht im öffentlich-rechtlichen Sinn die staatliche Ordnung und Lenkung der Wirtschaft. (zum ersteren siehe Art. 74 I Ziff. 11 GG : Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Hand-werk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versiche-rungswesen); zum letzteren siehe z.B. das Stabilitätsgesetz1.) Wirtschaftsrecht ist also einmal viel weiter als des Handelsrecht, zum anderen etwas anderes. Von öffentlichem Recht ist im Handelsrecht nur ausnahmsweise die Rede, wenn es etwa um das Registerrecht, die Vereinsanmeldung oder um das Firmenrecht geht. Zum Wirtschaftsrecht gehören demgegenüber Bereiche wie das Kartellrecht und das Mitbestimmungsrecht. Rechtsgrundlagen Rechtsgrundlagen des Handelsrechts sind neben dem HGB zahlreiche andere Ge-setze und ungeschriebene Rechtssätze. Zum Handelsrecht gehört nicht nur das HGB, sondern auch zahlreiche Nebenge-setze. Das HGB selbst ist in fünf Bücher gegliedert und enthält Vorschriften über - Handelsstand - Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft - Handelsbücher - Handelsgeschäfte - Seehandel. 1 Stabilitätsgesetz Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft von 1967, kurz "Stabi-litätsgesetz", ist oft als "wirtschaftliches Grundgesetz" der BRD bezeichnet worden, hier werden die Ziele der Wirtschaftspolitik definiert. Alle wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen sind nach § 1 des Gesetzes so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleich-zeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsgrad und außenwirtschaftli-chem Gleichgewicht bei stetigem Wachstum beitragen. Bei einer Zielgefährdung sieht das Gesetz eine Reihe fiskalpolitischer Maßnahmen vor, mit denen die Geldpolitik der Bundesbank unterstützt werden soll. Diese vier Ziele werden auch das "Magische Viereck" bezeichnet, weil nicht unbe-dingt alle Ziele gleichzeitig erfüllt werden können. Am bekanntesten ist der Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Vollbeschäftigung.

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Handelsrechtliche Nebengesetze enthalten Spezialregelungen über Sondergebiete. Das gilt etwa für das Gesellschaftsrecht, das weitgehend im Aktiengesetz, im GmbH-Gesetz und im Genossenschaftsgesetz geregelt ist. Spezialgesetze des Wettbewerbsrechts sind das UWG, GWB und das Warenzeichengesetz. Weiter gehören zum Handelsrecht Bereichsgesetze für bestimmte Wirtschaftsbereiche. Beispiele dafür sind das VAG und das VVG für den Bereich der Versicherungen, das KWG, Börsengesetz und Investmentgesetz für den Bereich der Kreditinstitute, das Güterkraftverkehrsgesetz und Luftverkehrsgesetz für den Verkehrsbereich1. Das Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns und Firmenrechtes und zur Än-derung handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22.06.1998 (HRRefG; BGBl. I S. 1474) setzte die seit längeren Jahrzehnten diskutierten, aber erst vor einem Jahrzehnt konkret in Angriff genommene Modernisierung des HGB in geltendes Recht um. Zentrale Neuerungen sind die Modernisierung des überkommenen Kaufmannsbeg-riffes des HGB und das Recht der Personenhandelsgesellschaften, die Liberalisie-rung des Firmenrechtes – des Namensrechtes der Unternehmen – sowie die Ver-einfachung und Effizienzsteigerung des Handelsregisterverfahrens. Außerdem bietet das Gesetz für die am Markenrecht interessierten Unternehmen mit der jetzt vorgesehenen Veröffentlichung von Markenanmeldungen durch das Deutsche Patentamt eine weitere wichtige Recherchemöglichkeit zur Entwicklung ihrer ge-schäftlichen Kennzeichen. Im Zentrum des Gesetzes steht die Neukonzeption des für die Handelsrechtsord-nung zentralen Kaufmannsbegriffe des HGB. Danach sind alle Gewerbetreiben-den ohne Rücksicht auf die Branche Kaufleute, es sei denn, das Unternehmen er-fordert nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Ge-schäftsbetrieb. Die Unterscheidung zwischen Muß- und Sollkaufleuten wird zu-gunsten eines neuen einheitlichen Kaufmannstatbestandes aufgegeben. Auch die Rechtsfigur des Minderkaufmanns (§ 4 HGB alter Fassung) entfällt künftig. Kleinbetriebe, vor allem die bisherigen Minderkaufleute können allerdings freiwillig durch Eintragung in das Handelsregister zu Kaufleuten werden, dann aber mit allen Rechten und Pflichten. Insgesamt wird damit der Kaufmannsbegriff nicht nur moderner, sondern auch in seiner Handhabung wesentlich einfacher. Diese Neuregelungen traten am 01.07.1998 in Kraft. Zweiter wichtiger Gegenstand des Handelsrechtsreformgesetzes, der ebenfalls bereits zum 01.07.1998 in Kraft getreten ist, ist die Liberalisierung des Firmen-rechtes, d.h. des Namenrechtes der Unternehmen. Das Handelsrechtsreformgesetz führt hier zu einer weitgehenden Freigabe der Firmenbildung, trägt aber zugleich dem Verkehrsschutz ausreichend Rechnung. Allen Kapitalgesellschaften, Perso-nenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleuten ist künftig die freie Wahl einer aussagekräftigen und werbewirksamen Firma gestattet, wenn diese nur unterschei-dungskräftig ist, die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse offenlegt und selbst-verständlich nicht irreführend ist. Herkömmliche Beschränkungen, wie etwa die

1 siehe zum vorstehenden: Vorlesung von Stebut: http://www.tu-berlin.de/~ifr1/inhhr1.htm

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das der Einzelkaufmann nur seinen Vor- und Familiennamen als Firma wählen darf, oder das die Firma einer OHG oder KG aus Namen der persönlich haftenden Gesellschafter bestehen muß, die Firma einer AG aber dem Unternehmensgegens-tand zu entnehmen ist, gehört der Vergangenheit an. I. BGB und HGB 1. HGB als Sonderrecht der Kaufleute Fall 28: Ein Privatmann kauft bei einem Kaufmann ein. Gilt das HGB? Bei einem Kaufmann auch HGB: Das HGB ist das Sonderrecht der Kaufleute; d.h. immer wenn ein Kaufmann im Spiel ist, kommt HGB zur Anwendung. Nach § 345 HGB genügt es, wenn ein Vertragspartner Kaufmann ist; dann gilt das HGB für das ganze Geschäft, also auch für den anderen Teil, der nicht Kaufmann ist. Nur wenige §§ des HGB verlangen, daß beide Partner Kaufleute sind. Bei Vorschriften, die nur für beiderseitige Handelsgeschäfte gelten sollen, muß dies im Gesetz ausdrücklich geregelt sein (vgl. z.B. § 352 Abs. 1 Satz 1 HGB, gesetzl. Zinsfuß). Das HGB unterscheidet zwischen einseitigen Handelsgeschäften, bei denen nur eine Partei Kaufmann ist, und zweiseitigen Handelsgeschäften, bei denen beide Parteien Kaufmann sind und als solche ein betriebsbezogenes Geschäft vorneh-men (§§ 343, 345 HGB). Die Vorschriften über Handelsgeschäfte sind damit aber auch für Privatleute be-deutsam: Auf ein Rechtsgeschäft, das für eine Partei ein Handelsgeschäft ist, sind die Vorschriften über Handelsgeschäfte für beide Vertragspartner anzuwenden, soweit keine abweichende Regelung getroffen ist (§ 345 HGB). Das gilt etwa für die Höhe der geschuldeten Zinsen von 5% (§ 352 Abs. 2 HGB), für die Bestim-mungen über das Kontokorrent (§§ 355 - 357 HGB), für Zeit und Ort der Leistung (§§ 358 -361 HGB) und viele andere Regelungen mehr. Soweit damit auch Nichtkaufleuten die erhöhten Pflichten des Handelsrechts auf-erlegt werden, wird die Regelung des § 345 HGB zum Teil als verfehlt beurteilt und in bestimmten Fällen einschränkend ausgelegt (z.B. Lieferung von Handelsgut gem. § 360 HGB durch einen Privaten)1. 2. BGB subsidiär Fall 29: Ein Kaufmann will ein Handelsgeschäft anfechten. HGB keine abschließende Regelung: Das HGB regelt nur einige typische Fälle des Geschäftsverkehrs. Wenn sich die Lösung nicht aus dem HGB ergibt, muß 1 siehe Prof. v. Stebut http://www.tu-berlin.de/~ifr1/hrt12.htm

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man auf das BGB (hier: §§ 119 ff. BGB) zurückgreifen. Das BGB ist also subsidi-är gegenüber dem HGB. Wenn dagegen das HGB Vorschriften enthält wie z. T. beim Handelskauf, tritt das BGB als das allgemeinere Gesetz hinter dem spezielle-ren HGB zurück. Dieser Grundsatz ist in Art. 2 des Einführungsgesetzes zum HGB ausdrücklich niedergelegt. II. Kaufmann und Nichtkaufmann Hinweis zur Gesetzesänderung: Der überkommene Kaufmannsbegriff des HGB mit seiner branchenabhängigen Unterscheidung in „Muß-“ (bzw. „Ist-“) und „Sollkaufleute“ war veraltet und unnötig kompliziert; er wurde den Anforderun-gen des modernen Wirtschaftslebens nicht mehr gerecht. „Muß-“ und „Sollkauf-leute“ wurden zu einem einheitlichen Tatbestand zusammengefaßt, um künftig alle Gewerbetreibenden ohne Rücksicht auf die Branche zu erfassen. Kaufmann ist damit jeder Gewerbetreibende, es sei denn, das Unternehmen erfor-dere nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Ge-schäftsbetrieb. Zugleich entfällt die Rechtsfigur des „Minderkaufmanns“. Allen Kleingewerbetreibenden soll die Möglichkeit zum freiwilligen Erwerb der Kauf-mannseigenschaft durch Eintragung in das Handelsregister eingeräumt werden, und zwar sowohl als Einzelkaufleute als auch im Zusammenschluß zu einer offe-nen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft. Einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht erfor-dert: Es darf also keine kaufmännische Einrichtung erforderlich sein. Es kommt nicht darauf an, ob eine kaufmännische Einrichtung vorhanden ist. Kaufmännische Einrichtung ist vor allem kaufmännische Buch- und Kassenführung. Sie wird im allgemeinen erforderlich sein bei einer höheren Zahl von Beschäftigten und einem vielfältigen Angebot an Leistungen bzw. Waren. 1. Selbständigkeit Fall 30: Ein ehemaliger Kellner (K) hat eine Betriebskantine gepachtet, die er auf eigene Rechnung bewirtschaftet. Er fragt Sie, ob er sich jetzt ein HGB kaufen muß, da er unter Umständen Kaufmann geworden ist. Selbständigkeit: Gastwirte sind Kaufleute, da sie einen Gewerbebetrieb betrei-ben, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmän-nischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (§ 1 Abs. 1 und 2 HGB). Zum Begriff des „Gewerbetreibenden“ gehört notwendigerweise auch die Selbständigkeit. Würde K z.B. vom Betrieb ein Fixum beziehen und auf Rech-nung des Betriebs wirtschaften, so wäre er kein Kaufmann. Da er hier aber selb-ständiger Pächter ist, greift § 1 HGB ein. Beweislast: Im Interesse der Rechtssicherheit ist § 1 Abs. 2 HGB als gesetzliche Beweislastregel formuliert. Mit der „es sei denn“-Formulierung wird für den

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Rechtsverkehr die ausdrückliche Vermutung eingeführt, daß bei Vorliegen eines Gewerbes grundsätzlich auch von der Eigenschaft als Handelsgewerbe – und da-mit vom Kaufmannsstatus des Unternehmens – ausgegangen werden kann. Ein Gewerbetreibender, der sich im Geschäfts- und Rechtsverkehr darauf beruft, sein Gewerbebetrieb erfordere nach Art oder Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb und sei deshalb nicht kaufmännisch, trägt dann dafür auch die Darlegungs- und Beweislast.1 2. Handelsvertreter Fall 31: Der Handelsvertreter H arbeitet für drei Firmen auf Provisionsbasis. Er besitzt ein eigenes kleines Büro mit Sekretärin. Ist H Kaufmann? Handelsvertreter als Kaufmann: Handelsvertreter sind Kaufleute, wenn sie ei-nen Gewerbebetrieb betreiben ( Kaufmann kraft Gewerbebetrieb = Istkaufmann gem. § 1 II HGB ), es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert (§ 1 Abs. 1 und 2 HGB). Zum Begriff des „Gewerbetreibenden“ gehört notwendigerweise auch die Selbständigkeit. Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetrei-bender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Fehlt die Selbständigkeit, so gilt der Handelsver-treter als Angestellter (§ 84 Abs. 2 HGB). Gewerbegriff a) Gewerbe Die Kaufmannseigenschaft setzt grundsätzlich voraus, daß ein Handelsgewerbe betrieben wird. Der Gewerbebegriff wird vom Gesetzgeber häufig mit unter-schiedlicher Bedeutung verwendet. Beispiele dafür sind § 6 Gewerbeordnung mit der Aufzählung bestimmter Gewerbe sowie § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz, § 15 EStG. Die Kriterien des Gewerbebetriebes im handelsrechtlichen Sinne sind: aa) die Gewinnerzielungsabsicht. Es kommt nicht darauf an, ob konkret Verluste erwirtschaftet werden; bb) Dauertatbestand. Die Gewinnerzielungsabsicht darf keine einmalige oder nur vorübergehende sein. Notwendig ist also die Absicht dauernder Gewinnerzielung;

1 BT-Drucks. 13/8444, 48.

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cc) marktbezogene Tätigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet. Planmäßige, fortgesetzte, nach außen in Erscheinung tretende Tätigkeit. Die inne-re Absicht reicht nicht aus; dd) Selbständigkeit. Nur wer (selbständiger) Unternehmer ist, betreibt ein Gewerbe.

§ 18 I EStG ( Selbständige Arbeit )

Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit

Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wis-senschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder er-zieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärz-te, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingeni-eure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steu-erberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigten Bücherrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmet-scher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe. Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, daß er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortli-chen Tätigkeit nicht entgegen;

Unter Gewerbe im allgemeinen Sinne versteht die hM. dabei jede er-laubte, selbständige, planmäßig auf gewisse Dauer, mit Gewinnerzie-lungsabsicht ausgeübte Tätigkeit, die nach außen hin in Erscheinung tritt und nicht unter die freien Berufe fällt.

Handelt es sich um eine Neugründung, so kommt es darauf an, ob dabei ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nach der Anlage des Han-delsgeschäfts prognostizierbar ist. Es kommt also grundsätzlich auf die Erforderlichkeit an und nicht darauf, daß der in kaufmännischer Weise eingerichtete Geschäftsbetrieb bereits vorhanden ist oder auch tatsächlich geführt wird. Ist also das Unternehmen auf einen solchen Betrieb angelegt, so wird es schon mit den ersten Vorbereitungshandlungen als kaufmän-nisch angesehen.

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Eine Berufsausbildung des Inhabers, dessen Geschäftsfähigkeit oder das Vorhan-densein einer Gewerbeerlaubnis sind dagegen nicht Voraussetzung für die Exis-tenz eines Gewerbebetriebes im handelsrechtlichen Sinne. Nach der bislang überwiegenden Ansicht sind vom Gewerbebegriff zum einen Tätigkeiten ausgeschlossen, die gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen, zum anderen wird die Gewerbeeigenschaft bei nicht einklagbaren Ge-schäften verneint. Nicht als Gewerbe anerkannt werden können damit Geschäfte, wie gewerbsmäßiger Rauschgifthandel oder Prostitution ( letzteres fraglich !!!), die gegen gesetzliche Verbote gem. § 134 BGB verstoßen bzw. sittenwidrig sind gem. § 138 BGB. Im Vordringen ist hingegen eine Ansicht, die annimmt, daß der Gewerbebetrieb und –begriff nicht dazu da sei, um Gut von Böse zu trennen. Es sei daher – jedenfalls für den Gewerbebegriff - unerheblich, ob der Gegenstand des Unternehmens sich auf erlaubte oder verbotene Tätigkeiten erstreckt. Stehe insoweit fest, dass ein Geschäft insgesamt gesetz- oder sittenwidrig ist, so lasse sich dies einfach mit der Ablehnung der Eintragung im Handelsregister lö-sen. Zudem sei zu beachten, dass gem. § 7 HGB eine Tätigkeit auch nicht öffentlich-rechtlich erlaubt sein muß, damit sie als Handelsgewerbe anerkannt wird. Keine Gewerbeausübung ist eine Tätigkeit mit wissenschaftlicher, künstlerischer oder religiöser Zielsetzung. Es fehlt an der Gewinnerzielungsabsicht. Den gesetzlichen Regelungen, nach denen Ärzte, Rechtsanwälte ( § 1 BRAO: Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. § 2 I BRAO: Der RA übt einen freien Beruf aus. II: Seine Tätigkeit ist kein Gewerbe.), Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und die Angehörigen der sonstigen freien Berufe kein Gewerbe und damit auch kein Handelsgewerbe ausüben, liegt die Vorstellung zugrunde, daß sie nicht oder jedenfalls nicht vorrangig in Gewinnerzielungsabsicht tätig werden. Da diese Begründung nicht unbedingt überzeugend ist, wird ergänzend argumentiert, es handele sich jedenfalls nicht um Tätigkeiten auf wirtschaftlichem Gebiet. Ebenfalls kein Gewerbe üben Briefmarken- und Kunstsammler aus, weil es sich nicht um eine nach außen gerichtete Tätigkeit handelt. Das gilt selbst dann, wenn sie gelegentlich hohe Gewinne erzielen. Diese Gewinnerzielungsabsicht ist jeden-falls nicht auf Dauer angelegt. Maßgeblich ist letztlich das objektive Erschei-nungsbild für einen neutralen Dritten. b ) Handelsgewerbe Das Handelsgewerbe ist ein Unterfall des Gewerbes.

Der früher gültige § 1 Abs. 2 HGB geführte dazu die sogenannten Grund-handelsgewerbe auf; als Handelsgewerbe galt danach jeder Gewerbebe-trieb, der eine der nachstehend bezeichneten Arten von Geschäften zum Gegenstände hat:

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1. die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Wa-ren) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden; 2. die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für ande-re, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird; 3. die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie; 4. die Bankier- und Geldwechslergeschäfte; 5. die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer; 6. die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure oder der Lagerhalter; 7. die Geschäfte der Handelsvertreter oder der Handelsmakler; 8. die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels; 9. die Geschäfte der Druckereien, sofern das Gewerbe nicht handwerks - mäßig betrieben wird.

Nunmehr ist gem. § 1 II HGB jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe, es sei denn, ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb ( Buchführung, Inventarerrichtung, Bilanzerstellung, Aufbewahrung der Geschäftskorrespondenz, also alles, was notwendig ist, um einen Betrieb übersichtlich und zuverlässig füh-ren zu können ) ist nicht erforderlich ( Kleingewerbe). Darüber hinaus ist nach § 2 HGB jedes im Handelsregister eingetragene gewerbliche Unternehmen ein Han-delsgewerbe, auch wenn es ein Kleingewerbebetrieb ist.

Gewerbebetriebe

§ 1 II HGB:

kaufmännisch einge-richtetetes Gewerbe,

also Handelsgewerbe

§ 2 HGB:

nicht kaufmännisch einge-richtetes Gewerbe, aber eingetragen,

also Handelsgewerbe kraft Gesetzes,

( siehe auch § 5 HGB )

Gewerbe, nicht kaufmännisch,

nicht eingetragen, also kein Handelsgewerbe

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nach Art oder Umfang nach Art oder Umfang kaufmännischer Betrieb kaufmännischer Betrieb erforderlich nicht erforderlich Es liegt also kein Handelsgewerbe vor, wenn ein Kleingewerbe nicht eingetragen ist, aber

Vorsicht !!! Beweisregel !!! : aus der "Es sei, denn" Klausel des § 1 II HBG folgt, daß jedes Gewerbe Handelsgewerbe ist ( und damit jeder Gewerbetreibende Kaufmann; und damit das Handelsrecht Anwendung findet ), es sei denn, derjenige, der sich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Handelsgewerbes beruft ( und damit auf die Nichtanwendbarkeit des Handelsrechtes ), kann nachweisen, daß die Voraussetzungen für einen kaufmännischen Betrieb nicht gegeben sind.

Die Bedeutung des § 1 II HGB liegt also darin, dass hinsichtlich des Vorliegens eines Handelsgewerbes insoweit eine Vermutung besteht, die allerdings widerlegt werden kann, wenn der Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang keine kaufmänni-sche Einrichtung erfordert. Dabei muß der Nachweis im Zweifel von demjenigen geführt werden, der sich der Anwendung des Handelsrechts entziehen will. Liegt ein solches Ist-Handelsgewerbe gem. § 1 II HGB vor, so ist der Umstand, dass das Gewerbe nicht im Handelsregister eingetragen ist unschädlich – denn bei § 1 II HGB ist die Registereintragung nur deklaratorisch und stellt – im Gegensatz zum Kannkaufmann - keine Wirksamkeitsvoraussetzung dar. Kaufmann ist nach der Norm des § 1 I HGB also derjenige, der ein Handelsgewerbe betreibt – sog. Kaufmann kraft Gewerbebetrieb.

Kriterien für die ( Nicht - ) Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs

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Art • Vielfalt des Geschäftsgegenstandes • Schwierigkeit des Vorgänge • Inanspruchnahme von Krediten,

Finanzierungen u. Teilzahlungen • Wechsel und Scheckverkehr • Bilanzierung • Umfang der Korrespondenz • Verkehr mit Behörden ( Steuer, So-

zialversicherung etc. • Art u. Weise der betrieblichen

Organisation

Umfang • Umsatz • Höhe des Anlage-u. Kapitalvermö-

gens • Anzahl der Betriebsstätten und de-

ren -größe • Anzahl der Beschäftigten • Lohnsumme

Für die Ausübung eines Handelsgewerbes sind wie bereits gesagt eine bestimmte Berufsausbildung, die Geschäftsfähigkeit, ein bestimmter Familienstand oder eine öffentlich-rechtliche Gewerbeerlaubnis ( § 7 HGB ) nicht erforderlich. c) "Betreiben" des Handelsgewerbes Kaufmann ist nach § 1 I HGB derjenige, der das Handelsgewerbe betreibt. Darun-ter fallen jeweils diejenigen, unter deren Namen das betreffende Handelsgewerbe ausgeübt wird – d.h. diejenigen, welche aus den vorgenommenen Geschäften be-rechtigt und verpflichtet werden. Entscheidend ist damit in wessen Namen die Geschäfte abgeschlossen werden - ohne Einfluss hingegen ist, für wessen Rechnung die Geschäfte erfolgen oder wem die Betriebsmittel gehören. ( Umstritten ist die Frage nach der Kaufmanneigenschaft im Rahmen der Perso-nenhandelsgesellschaften. Denn aufgrund der rechtlichen Verselbständigung von OHG und KG, die diese juristischen Personen annähert, liegt die Annahme nahe, daß nur die Gesellschaft das Handelsgewerbe betreibt und daher nur die Gesell-schaft an sich Kaufmann ist. Teilweise angenommen wird, daß nur die Personenhandelsgesellschaft per se als Kaufmann gilt. Denn nur die Handelsgesellschaft – und nicht auch die einzelnen Gesellschafter – seien Träger des Unternehmens und damit Kaufmann. Nach der sog. Lehre vom Unternehmensrecht sind die Gesellschafter einer Han-delsgesellschaft nicht selbst Träger des Unternehmens – und zwar unabhängig davon, ob geschäftsführend oder nicht und gleich, ob unbeschränkt haftend oder nicht. Abweichend von obiger Ansicht aber könnten jedenfalls geschäftsführende und vertretungsberechtigte Gesellschafter einem Kaufmann gleichgestellt werden. Die hM. und die Rechtsprechung sehen hingegen die persönlich haftenden Gesell-schafter von Personenhandelsgesellschaften unter Bezugnahme auf das Gesamt-handprinzip als Kaufleute an, während die Kaufmannseigenschaft von Kommanditisten abgelehnt wird. Trotz der starken rechtlichen Verselbständigung der OHG und KG seien diese keine juristischen Personen. Die Träger der Rechte und Pflichten seien vielmehr die Gesellschafter selbst in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. – Ob diese

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Auffassung nach dem Urteil des BGH vom 29.1.2001; II ZR 331/00 (siehe weiter unten bei: Gesellschaftsrecht) Bestand haben wird, ist zweifelhaft. Daraus ergebe sich, daß die Gesellschafter einer OHG und die Komplementäre einer KG stets Kaufleute sind und ein Handelsgewerbe betreiben. Dafür spreche gerade auch die persönliche Haftung dieser gem. § 128 HGB bzw. aus §§ 161 II, 128 HGB.) Handelsvertreter kein Kaufmann: In folgenden Fällen sind Handelsvertreter keine Kaufleute • es fehlt die Selbständigkeit bzw. • das Unternehmen des Handelsvertreters erfordert nach Art oder Umfang keinen

in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (vgl. § 84 Abs. 4 HGB).

In diesem Fall wohl kein Kaufmann: Die Tatsache, daß H für drei Firmen arbei-tet, spricht für Selbständigkeit, das „kleine“ Büro nicht für das Erfordernis eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs. H dürfte also kein Kauf-mann sein. Zur Beweislast vgl. vorstehenden Fall. Fall 32: Die Münchner Spezialfirma Gamser (G) schickt ihren Reisenden Rudi (R) nach Berlin, um ihre Trachtenmoden bei den dortigen Bekleidungshäusern einzuführen. Der Vertrag zwischen R und G lautet: R arbeitet auf Provisionsbasis; er erhält auf Firmenkosten einen Büroraum mit Sekretärin, hat aber im übrigen freie Hand. Da das Geschäft nicht allzu ausbaufähig ist, wird ihm ein bestimmtes Mindesteinkommen garantiert. Ist R Kaufmann? „Ständig betraut“: Für diesen Begriff (§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB) genügt es, wenn der Vertreter für einen bestimmten Werbefeldzug oder für eine Saison beschäftigt ist. Problem Selbständigkeit: Zur Lösung vgl. zunächst vorstehenden Fall. Proble-matisch ist hier, ob der Handelsvertreter selbständig ist. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB definiert für die Handelsvertreter den Begriff der Selbständigkeit. Danach ist selb-ständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Da R hier keine festen Bürostunden hat und auch seine Ge-schäftsstrategie nach eigenem Gutdünken bestimmen kann, kommt es auf das Mindesteinkommen und die fremde Sekretärin nicht an. Auch R ist selbständig!

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Weisungsgebundenheit: Der selbständige Handelsvertreter ist an Weisungen gebunden; denn sein Vertrag mit dem Vertretenen ist stets ein Dienstvertrag in Form des Geschäftsbesorgungsvertrages (§§ 611, 665, 675 BGB). 3. Freiberufliche Tätigkeit Fall 33: Herr Meier hat gehört, daß Patentanwälte viel Geld verdienen. Er möchte sich daher mit seinen Ersparnissen in Form einer stillen Gesellschaft an einem solchen Anwaltsbüro beteiligen. Ist das möglich? Kein Handelsgewerbe: Voraussetzung für eine stille Gesellschaft ist das Vorlie-gen eines Handelsgewerbes. § 1 HGB definiert diesen Begriff. Ein Patentanwalt ist kein Gewerbetreibender. Seine Tätigkeit ist vielmehr freiberuflich. Meier kann keine stille Gesellschaft begründen, weil der Patentanwalt kein Handelsgewerbe betreibt. Er kann aber z.B. einen Darlehensvertrag mit Gewinnbeteiligungsklausel abschließen. Zur Rekapitulation:

§ 18 EStG definiert: Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wis-senschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder er-zieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärz-te, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingeni-eure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steu-erberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigten Bücherrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmet-scher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe. Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, daß er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortli-chen Tätigkeit nicht entgegen;

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Fall 34: Worin sehen Sie das Gemeinsame an folgenden freien Berufen: Arzt, Anwalt, Architekt, Steuerberater, Künstler? Künstlerische bzw. wissenschaftliche Tätigkeit: Bei diesen Berufen steht das Interesse an der Kunst oder Wissenschaft im Vordergrund, hinter dem der Er-werbszweck zurücktritt. Die persönliche Fähigkeit des Freiberuflers und nicht die unternehmerische Organisation ist entscheidend. Fall 35: Ein Maler hat sich auf die Produktion von Ölbildern für Großversandhäu-ser verlegt. Er liefert nur drei Motive: Röhrender Hirsch, Elfenreigen und Sonnen-untergang in der Heide. Die Bilder werden von drei Gruppen angestellter Künstler auf folgende Weise hergestellt: Der erste Maler grundiert, der zweite fertigt nach einem Schema die Skizze, der dritte führt den Hintergrund aus usw. Ist der Maler Freiberufler? Fließbandmäßige Herstellung keine Kunst: Hier wird man für „Gewerbe“ stimmen müssen. Die kitschigen Motive wären zwar noch zu verzeihen, aber die fließbandmäßige Herstellung spricht eindeutig gegen den künstlerischen Charak-ter. Der Maler ist daher Gewerbetreibender (§ 1 HGB). Fall 36: Der Kunsthändler A kauft den Malern B und C Bilder ab und veräußert sie an seine Kunden. Wer ist Kaufmann? A ist Kaufmann gemäß § 1 HGB. B und C sind Freiberufler. Hinweis: Nichtselbständig Tätige und Freiberufler können nie Kaufmann sind. III. Die Einteilung der Kaufleute Es gibt nun nur noch Muß- (Ist-) (§ 1 HGB) und Kannkaufleute (§§ 2 und 3 HGB), keine Soll- oder Minderkaufleute. Fall 37: Der Bauer B hat nur einige Felder, betreibt aber eine größere Hühnerin-tensivhaltung. Obwohl er seine gesamte Getreideernte an seine Hühner verfüttert, muß er 2/3 des Futters dazukaufen. Ist er Kaufmann?

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Kein Kaufmann wegen Ackerbau: Die Land- und Forstwirtschaft ist in § 3 HGB geregelt. Der Land- und Forstwirt ist Kannkaufmann. Der Unternehmer ist berech-tigt, aber nicht verpflichtet, unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 HGB die Eintragung in das Handelsregister herbeizuführen. Diese liegen jedoch hier wegen des bescheidenen Ackerbaus nicht vor. Keine Landwirtschaft wegen Hühnerintensivhaltung: Entscheidend ist hier der Begriff der Landwirtschaft nach § 3 HGB. Man definiert die Landwirtschaft im allgemeinen als die unter Ausnützung des Bodens auf Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Produkte gerichtete Tätigkeit. Sie gilt traditionsgemäß nicht als Gewer-be. Überwiegend, nämlich zu 2/3, arbeitet der Betrieb nicht unter Ausnützung des (eigenen) Bodens sondern aufgrund fremder Lieferungen. Obige Definition paßt also nicht; es liegt keine Landwirtschaft vor. Kaufmann nach § 1 HGB: Da keine Landwirtschaft vorliegt, sind die §§ 1 und 2 HGB zu prüfen. B ist, da es sich um eine größere Hühnerintensivhaltung handelt, Kaufmann. Fall 38: G ist Gärtner. Ist er Kaufmann? Gärtner nach h.M. kein Landwirt: Der Gärtner wird nach überwiegender Mei-nung unter Berufung auf die Verkehrsauffassung nicht als Landwirt behandelt. Da aber ein großer Teil der Literatur hier anderer Meinung ist, müßten Sie diese Frage in einer Klausur immer ausführlich erörtern. Unerheblich ist es im übrigen, wenn auf bloß gepachtetem Grund gewirtschaftet wird. M.E. kommt es darauf an, ob der Gärtner überwiegend eigene Produkte verkauft (dann Landwirtschaft) oder fremde Produkte anbietet (dann Kaufmann nach § 1 bzw. § 2 HGB). Fall 39: Der geschäftstüchtige Gutsbesitzer G betreibt auf seinen umfangreichen Ländereien u.a. eine große Molkerei und eine kleine Brauerei. Ist er Kaufmann, wenn wir unterstellen, daß die Molkerei überwiegend eigene, die Brauerei fremde Erzeugnisse verarbeitet? Landwirtschaft, Molkerei: Mit der großen Landwirtschaft wird G Kaufmann, wenn er sich in das Handelsregister eintragen läßt (§ 3 Abs. 2 HGB). Bis zur Ein-tragung ist er Nichtkaufmann. Gleiches gilt für die große Molkerei, da es sich um ein Nebengewerbe zum land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen handelt (§ 3 Abs. 3 HGB).

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Brauerei: Die Brauerei verarbeitet keine Eigenprodukte, ist also kein Nebenge-werbe nach § 3 Abs. 3 HGB. Als kleiner Brauer ist G nur Kaufmann, wenn er sich nach § 2 HGB ins Handelsregister eintragen läßt. IV. Die Geschäfte der Kaufleute

1. Vertreter, Mäkler, Kommissionär

Fall 40: Der Handelsvertreter H mietet ein Zimmer bei X. Sind auf dieses Ge-schäft die allgemeinen Vorschriften über Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB) an-zuwenden?

Allgemeine Grundsätze : §§ 343 - 372 HGB

Nach Art eines Allgemeinen Teils eines Gesetzbuches enthalten die §§ 343 - 372 HGB für sämtliche Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen des Kauf-manns allgemeine Grundsätze. Diese allgemeinen, für sämtliche Handels-geschäfte geltenden Regelungen sind zugleich gegenüber den BGB -Vorschriften Spezialregelungen, die den besonderen Erfordernissen des Handelsverkehrs angepaßt sind. Sie betreffen nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch geschäftsähnliche Handlungen des Kaufmanns, wie Mahnun-gen, Fristsetzungen. Sie gelten aber auch für seine Realakte, wie etwa Ver-arbeitung, Vermischung, Versenden. Zum besseren Verständnis der Syste-matik des 4. Buchs, das mit den für alle Handelsgeschäfte geltenden Spezi-alregelungen beginnt, ist ein Vergleich mit dem Allgemeinen Teil des BGB nützlich. Ebenso wie die Vorschriften über Rechtsgeschäfte im Allgemeinen Teil des BGB für sämtliche Rechtsgeschäfte, wie Kauf, Tausch, Miete, an-zuwenden sind, so finden auch die allgemeinen Regelungen der §§ 343 - 372 HGB auf sämtliche im HGB geregelten Handelsgeschäfte, wie etwa Spedition, Lagergeschäft, Frachtgeschäft, Anwendung.

Im Zweifel Kaufmann: Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören (§ 343 HGB). Entscheidend kommt es hierbei auf die §§ 1 und 2 HGB an. Fehlen nähere Angaben, so ist auf-grund der Formulierung in § 1 Abs. 2 HGB von der Kaufmannseigenschaft auszu-gehen. Im Zweifel Handelsgeschäft: Die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehö-rig (§ 344 Abs. 1 HGB). Wenn H sich z.B. vor Gericht darauf berufen will, daß

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die Miete ausschließlich seinem Privatleben dient und daß damit das HGB nicht anwendbar sei, muß er das beweisen. Die widerlegliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB, nach der Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns im Zweifel zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören, erleichtert die Entscheidung. Der Kaufmann muß den Gegenbeweis führen, daß kein Handelsgeschäft vorliegt. Dafür reicht nicht aus, daß er unter seinem Privatnamen und nicht unter seiner Firma gehandelt hat, denn das ist lediglich ein Indiz für ein Privatgeschäft. So muß sich etwa bei Schuldscheinen eines Kaufmanns aus der Urkunde selbst ergeben, daß es sich um eine Privatschuld handelt (§ 344 Abs. 2 HGB). Andernfalls gelten die von einem Kaufmann gezeichneten Schuldscheine als im Betrieb seines Handelsgewerbes gezeichnet. Nicht zu den Handelsgeschäften eines Kaufmanns gehören aber seine Rechtsbe-ziehungen zu seinen Mitgesellschaftern und seine reinen Privatgeschäfte. Die Ein-ordnung von Rechtsgeschäften wie etwa einer Testamentserrichtung oder der Ehe-schließung eines Kaufmanns als Privatgeschäfte ist damit unproblematisch. Schwieriger ist die Einordnung von Geschäften wie etwa der Kauf eines PKW, eines Teppichs oder einer Segeljacht. Das können sowohl Handelsgeschäfte als auch Privatgeschäfte sein. Dann finden im Zweifel die Vorschriften über Handels-geschäfte Anwendung (§ 344 HGB). Gelingt ihm das nicht, so bleibt es bei der Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB1. Nach dem vorliegenden Sachverhalt sind die Vorschriften über die Handelsgeschäfte anwendbar. Der Begriff des Handelsgeschäfts wird vom Gesetzgeber mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet. In den §§ 22 - 28, 48 HGB ist damit der kaufmännische Gewerbebetrieb gemeint. Demgegenüber sind Handelsgeschäfte i.S. von § 343 HGB alle Aktivitäten eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Handelsgeschäfte im Sinne von § 343 HGB sind also die einzelnen geschäftlichen Tätigkeiten und Vorgänge in einem Unternehmen (Rechtsge-schäfte, geschäftsähnliche Handlungen und Realakte eines Kaufmanns). Auch die Grund-, Neben- und Hilfsgeschäfte eines Kaufmanns sind Handelsgeschäfte, wenn sie von ihm im Betrieb seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Han-delsgewerbes geschlossen werden. Fall 41: Der Reisende R ist von seiner Firma beauftragt, neue Kunden für ihre Produkte (Maschinen) zu werben. R ist zunächst für ein Jahr auf Provisionsbasis angestellt. Er hat keine Vollmacht zum Abschluß der Lieferungsverträge. Seine Tätigkeit beschränkt sich darauf, die Kunden zum Unterschreiben eines Auftrags-formulars zu bewegen. An einen festen Arbeitsplan ist er nicht gebunden. Ist er Handelsvertreter oder Handelsmäkler?

1 Siehe Prof. v. Stebut http://www.tu-berlin.de/~ifr1/hrt12.htm

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Unterschied Vermittlungs- und Abschlußvertreter: Der Unterschied zwischen § 84 Abs. 1 und § 93 Abs. 1 HGB ist, daß der Handelsvertreter ständig mit einer Aufgabe betraut ist, der Handelsmäkler nur von Fall zu Fall tätig wird. Der Mäkler hat meist bei jedem Geschäft andere Parteien zu betreuen, der Vertreter hat immer den gleichen Auftraggeber; nur selten arbeitet er für mehrere Firmen zugleich. R ist demnach Handelsvertreter in Form des Vermittlungsvertreters (im Gegensatz zum Abschlußvertreter). Letzterer schließt im Namen des Vertretenen (§ 164 BGB) den Vertrag komplett ab, ersterer bringt die Parteien zusammen; diese schließen dann persönlich den Vertrag. Wenn ein bloßer Vermittlungsvertreter schon selbst den Vertrag im Namen seiner Firma schließen wollte, so wäre dieser nach § 177 BGB schwebend unwirksam (vgl. auch § 91a HGB). Fall 42: Der Handelsmäkler M vermittelt ein Geschäft. Dabei wird der Vertrag nicht wirksam, weil eine vertraglich vereinbarte Bedingung nicht eintritt. Hat M Anspruch auf Vergütung? Erfolgshonorar: Über die nicht eingetretene Bedingung ist in den §§ 93 ff. HGB nichts gesagt. Daher müssen wir auf das subsidiär geltende BGB zurückgreifen. Aus § 652 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, daß M keine Ansprüche hat. Fall 43: E hat von seiner Tante Frieda diverse Einrichtungsgegenstände geerbt. Da er niemand kennt, der ihm die Sachen abnehmen will, bittet er seinen Freund, den Möbelhändler M, die Gegenstände an sich zu nehmen und in seinem, M's Namen, zu verkaufen. Was für einen Vertrag haben E und M geschlossen? Kommissionsvertrag: Sie haben gem. § 383 HGB einen Kommissionsvertrag geschlossen, denn M soll im eigenen Namen handeln. Daß M die Kommission nur nebenbei ausführt, ist gem. § 406 Abs. 1 Satz 2 HGB unschädlich. M ist insoweit sog. Gelegenheitskommissionär. Da er verkaufen soll, ist er Verkaufskommissio-när. E heißt laut § 383 HGB Kommittent. Fall 44: Nach welchen Vorschriften geht das Eigentum an den Möbeln auf den späteren Käufer K über bzw. erwirbt E den Erlös? Vertragspartner sind Käufer und Kommissionär: Der Käufer erwirbt das Ei-gentum nach § 185 Abs. 1 BGB. Der Kaufvertrag gem. § 433 BGB besteht und schafft rechtliche Bindungen zwischen Käufer und Kommissionär. Nur dieser ist Gläubiger der Kaufpreisforderung. Dies sagt auch § 392 HGB. Besonders § 392 Abs. 2 HGB ist wichtig: Wenn der Kommissionär von seinen Gläubigern bedrängt wird oder in Konkurs fällt, gelten die noch nicht beglichenen Forderungen aus

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Kommissionsgeschäften als Ansprüche des Auftraggebers. E wird erst Gläubiger des Kaufpreisanspruchs bzw. Eigentümer des Geldes, wenn M an ihn die Forde-rung abtritt (§ 398 BGB) bzw. das Geld einzieht und an ihn übergibt (§ 929 BGB). Weitere wichtige Vorschriften: §§ 384, 385, 390, 396, 400 HGB. 2. Spediteur, Frachtführer, Lagerhalter Fall 45: X besitzt drei Lastwagen, mit denen er je nach Bedarf Güter auf der Stre-cke München-Nürnberg befördert. Ist er Spediteur? Spediteur ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Güterversendung durch Fracht-führer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung des Versenders im eigenen Namen zu besorgen (§ 407 HGB). Der Spediteur schließt mit dem Versender ei-nen Speditionsvertrag, d.h. einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Auf die so begrün-deten Rechtsbeziehungen finden neben den §§ 407 - 415 HGB durch die Verwei-sung in § 407 Abs. 2 HGB die Vorschriften über die Kommission und außerdem die allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften Anwendung. Das sind vor allem die Regelungen über Handelsgeschäfte (§§ 342 ff. HGB). Ergänzend ist schließ-lich auch noch auf die BGB-Vorschriften über die Geschäftsbesorgung (§ 675) und auf das Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB) zurückzugreifen. Ein Spediteur transportiert also nicht selbst, sondern betraut einen Frachtführer mit der Güterversendung. Der Spediteur veranlaßt und vermittelt lediglich die Güterversendungen, die von Frachtführern oder Verfrachtern ausgeführt werden. Die Rechtsbeziehungen von Spediteur und Versender aus dem Speditionsvertrag dürfen nicht verwechselt werden mit denen des Spediteurs zum Frachtführer oder Verfrachter. Letztere ergeben sich aus dem Frachtvertrag, den der Spediteur im eigenen Namen und für Rechnung des Versenders mit dem Frachtführer oder Ver-frachter abschließt) In der Umgangssprache wird allerdings regelmäßig der Beför-dernde selbst als Spediteur bezeichnet. Das ist schon deshalb erklärlich, weil Spe-diteure tatsächlich häufig die Güterversendung selbst übernehmen und dazu nach § 412 Abs. 1 HGB auch berechtigt sind. Zwischen dem Versender und dem Spediteur wird ein Speditionsvertrag geschlos-sen, der nur Rechte und Pflichten zwischen diesen beiden Parteien begründet. So-weit die §§ 409 ff. HGB keine Sonderregelungen für den Speditionsvertrag enthal-ten, hat der Spediteur die Rechte eines Kommissionärs (§ 407 Abs. 2 HGB). Ihm steht für seine Tätigkeit eine Provision zu, die mit der Übergabe des Gutes an den Frachtführer fällig wird (§ 409 HGB). Er kann außerdem Ersatz seiner Aufwen-dungen verlangen (§ 407 Abs. 2, § 396 Abs. 2 HGB). Unterschied Spediteur-Frachtführer: Wenn man die §§ 407 und 425 HGB ver-gleicht, sieht man, daß X Frachtführer ist, weil er selbst befördert. Der Spediteur dagegen ist nur der Manager, der die Beförderung durch Frachtführer organisiert.

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Fall 46: Sie lassen Ihren Koffer vom Gepäckträger G zum Gepäckwagen bringen. Was für einen Vertrag haben Sie geschlossen? Frachtführer: Einen Werkvertrag (§ 631 BGB) in Form des Frachtvertrages; denn G ist selbständiger Frachtführer. Er befördert nämlich Güter zu Lande auf eigene Rechnung. Daß diese Güter nicht sehr umfangreich sind, spielt keine Rolle. Frachtführer ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, die Beförderung von Gütern zu Lande oder auf Flüssen oder auf sonstigen Binnengewässern auszuführen (§ 425 HGB). Der Frachtführer ist also ein Kaufmann, der den unmittelbaren Transport übernimmt und ausführt. Er schließt damit einen spezialgesetzlich geregelten und gegenüber den allgemeinen Vorschriften der §§ 631 ff. BGB modifizierten Werk-vertrag. Da es sich beim Frachtvertrag um einen Vertrag mit Geschäftsbesor-gungscharakter handelt, sind auch die Vorschriften über die Geschäftsbesorgung (§ 675) und über den Auftrag (§§ 665 ff. BGB) ergänzend heranzuziehen. Der Frachtvertrag ist ein Vertrag des Frachtführers mit dem Absender zugunsten des Empfängers des Gutes i. S. von § 328 BGB. Absender im Sinne des Frachtrechts kann nicht nur ein Spediteur, sondern auch jeder andere sein, der Waren versenden will. Regelmäßig wird auch für Transportverträge die Geltung der ADSp mit ihren Haftungsbeschränkungen vereinbart. Lagergeschäft: §§ 416, 417 HGB. Lagerhalter übernehmen gewerbsmäßig die Lagerung und Aufbewahrung von Gü-tern (§ 416 HGB). Vertragspartner des Lagerhalters ist der Einlagerer. Die Rege-lungen über die Lagerhaltung sind vor allem bedeutsam beim Massengeschäft sowie im Im- und Export. Der Lagerhalter ist ein spezialisierter Fachmann, der damit effektiver arbeitet, als es dem Einlagerer selbst bei Eigenlagerung möglich wäre. Häufig unterhält der Lagerhalter ein Zollager, so daß auf importierte Waren bis zur Entnahme noch kein Zoll zu zahlen ist. Der Lagerhalter ist Kaufmann. Er schließt einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag i. S. von § 688 BGB über lagerfähige Güter. Die Rechte und Pflichten des Lager-halters bei Übernahme, Aufbewahrung und Versicherung des Lagergutes ergeben sich aufgrund der Verweisung in § 417 Abs. 1 HGB aus den für Kommissionäre geltenden Vorschriften der §§ 388 - 390 HGB. Soweit die §§ 417 - 424 sowie §§ 388 - 390 HGB keine Sondervorschriften für das Lagergeschäft enthalten, ist auf die §§ 688 - 700 BGB über die Verwahrung zurückzugreifen. Das Lagergeschäft ist ein spezialgesetzlich geregelter Fall der Verwahrung, auf das die §§ 688 ff. BGB über die Verwahrung ergänzend anzuwenden sind. Ver-tragsinhalt des Lagergeschäfts ist nicht nur die Lagerung selbst, sondern auch die Aufbewahrung. Der Lagerhalter schuldet also neben der ordnungsmäßigen Lage-rung auch die Beobachtung des Guts. Zu Erhaltungsmaßnahmen sowie zur spe-ziellen Behandlung des Lagergutes (z.B. Ungezieferbekämpfung) ist er nur auf-grund einer besonderen Vereinbarung verpflichtet. Er muß aber drohende Verän-derungen am Gut nach § 417 Abs. 2 HGB dem Einlagerer unverzüglich mitteilen.

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Neben den §§ 416 ff. HGB findet die Verordnung über Orderlagerscheine vom 16. Dezember 1931 (RGBl. I S. 763) Anwendung. Werden Orderlagerscheine ausge-stellt, so verdrängen die Regelungen der Orderlagerscheinverordnung weitgehend die Regelungen in §§ 416 - 423 HGB. 3. Schweigen auf einen Antrag a) Geschäftsbesorgungsvertrag nach HGB (§ 362 HGB) Fall 47: Der Landshuter Drucker Meier hinterlegt eines Abends nach Ge-schäftsschluß auf dem Gelände seines Stamm-Frachtführers Schreiber eine Sen-dung mit Druckerzeugnissen. In einem beigelegten Begleitschreiben bittet er um Beförderung nach München. Schreiber ist Sozialdemokrat. Als er sieht, daß es sich bei der Sendung um einer CSU-Wahlkampfbroschüre handelt, bringt er es nicht über sich, die Sendung zu befördern. Zwei Tage später ruft Meier bei ihm an und verlangt die Erledigung des Auftrags. Schreiber weigert sich. Zu Recht? Schweigen des Kaufmanns als Annahme des Antrags ( consentire (non) vide-tur qui tacit ): Normalerweise kommen Verträge zustande durch Angebot und Annahme, §§ 130, 145 ff BGB; siehe aber auch § 151 BGB! Geht einem Kauf-mann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für andere mit sich bringt, ein Antrag über die Besorgung solcher Geschäfte von jemand zu, mit dem er in Geschäftsverbindung steht (also nicht bei branchenfremden Geschäften), so ist er verpflichtet, unverzüglich zu antworten. Danach ist eine ausdrückliche An-nahme überflüssig. Schweigen gilt hier ausnahmsweise als Ausnahme des Ver-tragsangebots (§ 362 Abs. 1 Satz 1 HGB). So verständlich auch die Motive des Schweigens sein mögen; wer im Rahmen des § 362 HGB den Auftrag ablehnen will, muß dies ausdrücklich tun. Das Schweigen gilt auch als Annahme des Antrags, wenn einem Kaufmann ein Antrag über die Besorgung von Geschäften von jemand zugeht, dem gegenüber er sich zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat (§ 362 Abs. 1 Satz 2 HGB). Ein Zeitungsinserat allein genügt für § 362 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht. b) Geschäftsbesorgungsvertrag nach BGB (§ 663 BGB) Fall 48: Wie im Fall vorher, bloß bestanden zwischen Meier und Schreiber bisher keine Geschäftsbeziehungen. Kommt auch in diesem Fall der Auftrag zustande? Anzeigepflicht bei Ablehnung: Die Voraussetzungen des § 362 HGB sind nicht erfüllt. Ergänzend zu § 362 HGB kommt § 663 BGB zur Anwendung. Wer danach zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich bestellt ist oder sich öffentlich erbo-

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ten hat, ist, wenn er einen auf solche Geschäfte gerichteten Auftrag nicht an-nimmt, verpflichtet, die Ablehnung dem Auftraggeber unverzüglich anzuzeigen. Beispiele für „öffentlich erboten“: Schild am Haus, öffentliches Geschäftslokal, Zeitungsanzeige. Personengruppen: Makler des BGB, Rechtsberater, Rechtsanwälte (hierfür § 44 BRAO), Patentanwälte, Taxatoren, Versteigerer, Banken; nicht: Ärzte, Hebammen, da sie i.S. von § 675 BGB nicht „Geschäfte besorgen“. ... aber keine Annahme des Antrags: Es ist jedoch - anders als bei § 362 BGH - kein Vertrag zustande gekommen; denn vom Zustandekommen eines Vertrages spricht § 663 BGB nicht. Schreiber hat durch das Schweigen lediglich seine Pflichten aus § 663 BGB verletzt und haftet dem Meier deswegen für alle Schä-den, die dem Auftraggeber dadurch entstehen, daß er im Vertrauen auf die An-nahme des Auftrags davon absieht, das vorgesehene Geschäfte anderweitig zu erledigen (BGH NJW 1984, 866). § 663 BGB ist einer der gesetzlich geregelten Fälle der culpa in contrahendo (c.i.c.). Beispiel: Witterungsschaden an den Waren. c) Handelsbrauch (§ 346 HGB) Fall 49: Die Kaufleute A und B verhandeln seit einiger Zeit über ein bestimmtes Geschäft, ohne daß eine Einigung erzielt wird. Schließlich schickt A dem B ein Bestätigungsschreiben: Er nehme B's letztes Angebot in Höhe von DM 11.000 DM an. B hatte in Wirklichkeit aber DM 12.000 DM gefordert. B schweigt auf den Brief des A. Ist der Vertrag zustandegekommen? Kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Unter Kaufleuten herrschen gem. § 347 HGB besonders strenge Sorgfaltspflichten. Danach hat der Kaufmann für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns einzustehen. Da A und B lange ver-handelt haben, ist es ein Gebot der Fairneß, den Partner über einen etwaigen Irr-tum aufzuklären. Wer das nicht tut, muß das Bestätigungsschreiben gegen sich gelten lassen. Aufgrund dieser Erwägungen hat sich im Rahmen von § 346 HGB der Handelsbrauch entwickelt, daß das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben als Annahme gilt. Anders wäre es nur, wenn das Schreiben von den Verhandlun-gen so abweicht, daß mit einer Annahme nicht gerechnet werden konnte. Gleich-gültig ist dagegen, ob bei den mündlichen Verhandlungen schon eine Einigung erzielt war (die dann durch das Bestätigungsschreiben modifiziert wird) oder nicht (wie im gegebenen Fall). Definition des Handelsbrauchs, -sitte, -usance: Nach § 346 HGB ist unter Kauf-leuten auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rück-sicht zu nehmen. Diese Gewohnheiten und Gebräuche werden als Handelsbrauch bezeichnet. Handelsbräuche stellen keine Rechtsnormen dar, bilden aber Regeln, die in der kaufmännischen Praxis befolgt werden müssen und auf die in der Recht-sprechung Rücksicht zu nehmen ist. Ein Handelsbrauch entsteht dadurch, dass er unter Zustimmung der beteiligten

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Handelskreise (Branche) über einen gewissen Zeitraum tatsächlich geübt wird. Ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen der Vertragspartner gehen den Handelsbräuchen jedoch vor. Soweit aber nichts anderes vereinbart ist, gelten die Handelsbräuche auch dann, wenn die Beteiligten sie nicht gekannt oder das rechtliche Ergebnis nicht gewollt haben. Handelsbräuche sind die Verkehrssitte des Handels, spielen also für die Ausle-gung von Willenserklärungen und Rechts-, d.h. Handelsgeschäften eine zentrale Rolle. Ein Handelsbrauch liegt dann vor, wenn eine verpflichtende Regel gegeben ist, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen Übung der beteilig-ten Kreise für vergleichbare Geschäftsvorfälle über einen angemessenen Zeitraum hinweg beruht und der eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt. Aber nicht nur für die Auslegung von Willenserklärung und Handelsgeschäften, sondern auch für die Würdigung eines Verhaltens als Willenserklärung und für die Rechtsfolgen von Willenserklärungen und anderen Handlungen und Unterlassun-gen gelten Handelsbräuche. Im Gegensatz zu Handelsgesetzen gelten Handelsbräuche meist nicht allgemein, sondern beschränkt auf einzelne Geschäftszweige, Gruppen in einem Geschäfts-zweig, Gebiete, Orte oder Börsen. Handelsbräuche gelten normativ, also auch oh-ne Kenntnis oder Unterwerfungswillen der Parteien. Der Brauch gilt auch gegen den Kaufmann, der erstmals tätig wird. Eine Irrtumsanfechtung wegen Unkenntnis ist nicht möglich (streitig). Gegenüber zwingendem Recht gelten Handelsbräuche nicht. Die Industrie- und Handelskammern stellen auf Anforderung eines Gerichts durch Befragung entsprechender Unternehmen fest, ob ein im Prozeß behaupteter Han-delsbrauch besteht. Ist hierfür eine bundesweite Befragung erforderlich, erfolgt sie durch den Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT). Jede Industrie- und Han-delskammer verfügt über ein Register der festgestellten Handelsbräuche. Wer wissen will, ob in einer bestimmten Branche ein Handelsbrauch festgestellt ist, kann dies derzeit im wesentlichen nur durch eine Anfrage bei Industrie- und Handelskammern in Erfahrung bringen. Wichtigstes Beispiel für einen Handelsbrauch ist das sogenannte Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Ferner haben sich auch zahlreiche Handelsklauseln wie etwa "ab Werk", "freibleibend, ohne Obligo" oder "netto (rein netto)" eingebürgert. Sonstige Beispiele: Schweigen auf Mitteilung des Saldos im Rahmen eines Kon-tokorrent-Vertrags (vgl. § 355 HGB); Schweigen auf eine Bestellung laut Kata-log.1

1 Fälle und Lösungen abgewandelt aus Schwind/Hassenpflug/Nawratil, HGB.

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V. Der Handelskauf (§§ 373 ff. HGB) 1. Kauf nach BGB und HGB a) Voraussetzungen für Handelskauf Fall 50: Die achtjährige Susi kauft bei einem Kiosk mit ihrem ersten Taschengeld ein Eis um 1 DM. Liegt ein Handelskauf vor? Im Gesetz ist nicht definiert, was unter dem Begriff Handelskauf zu verstehen ist. Es ist ein Kaufvertrag i.S. der §§ 433 ff. BGB, der zu den in §§ 343, 344 HGB genannten Handelsgeschäften gehört. Es kann sich dabei sowohl um einen Sach-kauf als auch um bestimmte Arten von Rechtskäufen handeln. Das ergibt sich aus § 373 Abs. 1 HGB (Kauf von Ware) und aus § 381 Abs. 1 HGB: Die für den Kauf von Waren getroffenen Vorschriften gelten auch für den Kauf von Wertpapieren. Kein Handelskauf sind demnach Kaufverträge über unbewegliche Sachen (Grundstücke) und über nicht verbriefte Forderungen. Auf derartige Kaufverträge finden nicht die handelsrechtlichen Spezialvorschriften über den Handelskauf, sondern neben den allgemeinen Regelungen für Handelsgeschäfte in den §§ 343 - 372 HGB die für alle Kaufverträge geltenden Grundsätze des BGB Anwendung. Die §§ 373 - 382 HGB über den Handelskauf modifizieren nur einzelne Vorschrif-ten des bürgerlichen Rechts, sie enthalten keine vollständige Regelung. Sie basie-ren im Prinzip darauf, daß der Verkäufer begünstigt wird. In seinem Interesse hat der Gesetzgeber die Pflichten des Käufers verschärft, um so die für den Handel erwünschte rasche Klärung und Abwicklung der Rechtsverhältnisse zu erreichen. Eine Ausnahme bildet § 376 HGB über den Fixhandelskauf, durch den vor allem der Käufer begünstigt wird. Die Spezialregelungen für den Handelskauf gelten auch für Tausch- und Werklie-ferungsverträge über vertretbare und über nicht vertretbare Sachen. Das ergibt sich für Tausch- und Werklieferungsverträge über vertretbare Sachen bereits aus den Verweisungen auf das Kaufrecht in § 515, § 651 Abs. 1 Satz 2 BGB; für den Werklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen aus § 381 Abs. 2 HGB. Am Vertragsschluß muß mindestens ein Kaufmann beteiligt sein, für den der Vertrag zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehört. Die Spezialregelungen über den Handelskauf wirken sich dann auch für den anderen Vertragspartner aus, der nicht Kaufmann ist1. Handelskauf bei einseitigem Handelsgeschäft: Das HGB ist immer anzuwen-den, wenn ein Kaufmann im Spiel ist. Da in den §§ 373 ff. HGB - mit Ausnahme von §§ 377, 378, 379 HGB - ein beiderseitiges Handelsgeschäft nicht verlangt wird, liegt ein Handelskauf vor (vgl. auch §§ 343, 344 HGB). Unschädlich ist auch die Minderjährigkeit von Susi (§§ 2, 106, 107, 110 BGB). 1 Nach Stebut a.a.O.

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Fall 51: Herr Röderstein verkauft ein Fabrikgelände an Herrn Krenkel. Liegt ein Handelskauf vor? Handelskauf nur bei Waren (beweglichen Sachen): Waren (§§ 373 ff. HGB) sind bewegliche Sachen. Die §§ 381, 382 HGB treffen einige Sonderregelungen, die hier nicht einschlägig sind. Dieses Rechtsgeschäft ist kein Handelskauf gem. §§ 373 ff. BGB, weil ein Grundstück keine bewegliche Sache (Ware) ist. Da das Geschäft aber gem. § 343 HGB ein sonstiges Handelsgeschäft ist, gelten die all-gemeinen Regeln der §§ 343-372 HGB. b) Annahmeverzug (§§ 373 f. HGB) Fall 52: Konrad (K) kauft bei dem Elektrohändler Volz (V) ein Fernsehgerät. Als V am nächsten Tag vereinbarungsgemäß den Apparat zu K bringt, verweigert die-ser die Annahme. Er habe es sich anders überlegt und wolle das Geld lieber für einen Besuch in einem Schlemmerlokal verwenden. Was kann V tun? HGB-Ansprüche: Da V Kaufmann ist und eine Ware verkauft wurde, liegt gem. §§ 343, 344, 373 ff. HGB ein Handelskauf vor. Da K im Annahmeverzug (= Gläubigerverzug) ist (§§ 293, 294, 300 BGB), kann V wahlweise die Ware hinter-legen (§ 373 Abs. 1 HGB), sie versteigern (§ 373 Abs. 2 Satz 1 HGB) oder u.U. freihändig verkaufen (§ 373 Abs. 2 Satz 1 HGB). BGB-Ansprüche: Nach § 374 HGB hat V neben den Rechten aus § 373 HGB noch Ansprüche nach dem BGB. In Betracht kommt § 304 BGB; wenn der Fern-seher zufällig beschädigt wird, zusätzlich § 324 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BGB. Die Rechte aus den §§ 383, 372 BGB sind für V weniger interessant, da die HGB-Regelung großzügiger ist. § 326 BGB gilt nicht, weil die Abnahme der gekauften Sache gem. § 433 BGB nur sog. Nebenpflicht und nicht die Gegenleistung ist. Gegenleistung ist nur die Zahlung. §§ 320 ff. BGB beschäftigen sich aber nur mit dem Verhältnis Leistung - Gegenleistung. Allerdings kommen Rechte des V aus den §§ 286 Abs. 1, 284 BGB (Schuldnerverzug des K) in Frage. c) Fixgeschäft aa) Fixhandelskauf (§ 376 HGB)

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Fall 53: Die Schönheitstänzerin Coco (C) läßt sich bei dem Maß- und Konfekti-onsgeschäft Langsam (L) aus einem dort ausgesuchten Stoff für ihre Tournee raf-finierte Kostüme schneidern. Sie schärft dabei dem L ein, daß sie die Kostüme spätestens in vierzehn Tagen für ihren nächsten Auftritt brauche. L garantiert ihr die rechtzeitige Lieferung, kommt aber dann doch in Verzug. Welche Ansprüche hat C? Fixgeschäft bei Werklieferungsvertrag: Die §§ 373 ff. HGB finden auch bei einem Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB) Anwendung (§ 381 Abs. 2 HGB). L ist Kaufmann. Die Vertragsparteien waren sich einig, daß der Vertrag stehen und fallen sollte mit der rechtzeitigen Lieferung; denn ohne diese war die Leistung für C ohne Interesse. Es liegt also ein sog. Fixgeschäft gem. § 376 HGB vor. C hat nach § 376 Abs. 1 HGB wahlweise folgende Rechte: • Rücktritt; • Schadensersatz wegen Nichterfüllung (die Voraussetzung, nämlich Verzug, ist

gem. §§ 284, 285 BGB hier erfüllt); • Erfüllung (Voraussetzung: sofortige Geltendmachung des Erfüllungsan-

spruchs). bb) Fixgeschäft nach BGB Fall 54: Wie vorhergehender Fall mit der Abwandlung, daß L ein kleiner Schnei-der ist, der die Kleider ausschließlich aus mitgebrachten Stoffen der Kunden her-stellt. Welche Ansprüche aus dem Fixgeschäft hat C diesmal? Fixgeschäft bei Werkvertrag: L ist diesmal kein Kaufmann (vgl. § 1 Abs. 2, § 2 HGB), das HGB kommt also nicht in Anwendung. Einschlägig ist jetzt § 361 BGB. C hat folgende Rechte: • Rücktritt gem. § 361 BGB; • der Erfüllungsanspruch bleibt mangels abweichender Regelung erhalten, und

zwar auch ohne sofortige Anzeige; • Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur nach Setzen einer Nachfrist gem.

§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB (bei § 376 HGB ist keine Nachfrist notwendig).

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2. Die Mängelrüge Fall 55: Der Wirt (W) bestellt bei dem Gutsbesitzer B, welcher eine Brauerei als nichteingetragenes Nebengewerbe betreibt, ein Faß Bier. Das gelieferte Bier ist sauer und damit unverkäuflich (jedenfalls bei nüchternen Gästen). W schickt B acht Tage nach Lieferung eine Mängelanzeige. Welche Rechte hat W? § 377 HGB nur bei beiderseitigem Handelsgeschäft: Einschlägig könnte hier § 377 HGB sein. Diese Vorschrift setzt aber ein beiderseitiges Handelsgeschäft vor-aus. Zwar ist W gem. § 1 HGB Kaufmann, B dagegen mangels Eintragung gem. § 3 HGB nicht Kaufmann. § 377 HGB greift daher nicht ein. Auch sonstige Vor-schriften über Handelskauf oder Handelsgeschäfte, die hier interessieren, sind nicht vorhanden. Ergänzend BGB-Vorschriften: Demnach kann die gestellte Frage nur nach BGB beantwortet werden. Die Gewährleistungsansprüche (vgl. §§ 462, 465 BGB) we-gen des vorliegenden Fehlers (§ 459 Abs. 1 BGB) verjähren erst nach sechs Monaten (§ 477 BGB). Fall 56: Wieder kauft W von B ein Faß Bier, welches sich nachträglich als unge-nießbar erweist. Wieder rügt W nach acht Tagen den Mangel. Im Unterschied zu vorhergehendem Fall ist B diesmal als Kaufmann im Handelsregister eingetragen (§ 3 Abs. 2 HGB). Welche Rechte hat W? Unverzügliche Untersuchungs- und Rügepflicht bei beiderseitigem Handels-geschäft: Jetzt ist der Kauf für beide Seiten ein Handelsgeschäft. § 377 HGB greift ein mit der Folge, daß W alle Gewährleistungsansprüche (§§ 459, 462, 465 BGB) verliert, weil er nicht unverzüglich (Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) reklamiert hat. Der Handelsverkehr stellt also hohe Anforderungen an den Kaufmann; denn hier ist man ganz besonders auf die rasche Klärung der gegensei-tigen Ansprüche angewiesen. Fall 57: Könnten W und B vereinbaren, daß die Untersuchungspflicht und Rüge-frist des § 377 HGB auf vier Wochen verlängert wird? Wegen Vertragsfreiheit Modifizierung möglich: Nach dem Grundsatz, daß ü-berall das BGB subsidiär gilt, ist auch § 305 BGB („Vertragsfreiheit“) anwendbar.

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Da die Vorschriften über die Mängelrüge schuldrechtlichen Charakter haben, steht der Anwendung des § 305 BGB nichts im Wege; zu beachten wäre höchstens § 476 BGB. Die Frist kann also verlängert werden. Fall 58: Abermals kauft der Wirt W bei dem Brauer B (eingetragener Kaufmann) ein Faß Bockbier. B liefert aber Pilsner. W rügt erst nach acht Tagen. Welche Rechte hat W? Abwandlung: Wie wäre es übrigens, wenn in obigem Fall die Vertragspartner keine Kaufleute wären? Falschlieferung (Aliud-Lieferung): Jetzt greift § 378 HGB ein. Danach finden die Vorschriften des § 377 HGB auch dann Anwendung, wenn eine andere als die bedungene Ware oder eine andere als die bedungene Menge von Waren geliefert ist, sofern die gelieferte Ware nicht offensichtlich von der Bestellung so erheblich abweicht, daß der Verkäufer die Genehmigung des Käufers als ausgeschlossen betrachten mußte. W muß das Faß behalten. Es handelt sich hier um einen sog. Art-Mangel (aliud-Lieferung). Ähnlich wäre es, wenn nicht Gattungs- (§ 243 BGB), sondern Stückschuld vorläge. Beispiel: Kaufmann A sucht sich bei Kauf-mann B einen gebrauchten Lkw aus. B liefert aber einen anderen gebrauchten Lkw. Auch diese Lieferung eines falschen Stücks ist gem. den §§ 378, 377 HGB heilbar. ... bei nicht beiderseitigem Handelsgeschäft (Abwandlung): In diesem Fall liegt nach dem BGB kein Sachmangel vor, vielmehr wäre der Vertrag überhaupt nicht erfüllt. Es wäre so, als ob der Verkäufer nicht geliefert hätte. Eine besondere Rügefrist besteht nicht. Fall 59: W bestellt von dem Brauer B (beide Kaufleute) ein Faß Bier. B liefert diesmal aber ein Faß Wein. W rügt erst nach acht Tagen. Welche Rechte hat W? Erhebliche Abweichung: Hier gilt der Nachsatz von § 378 HGB. B konnte mit einer Genehmigung des W nicht rechnen. Die Lieferung ist wie eine unbestellte Zusendung zu behandeln. W ist an keine Rüge- und Untersuchungsfrist gebunden. Beispiele: Die Grenze zwischen genehmigungsfähig und nicht genehmigungsfähig ist in der Praxis allerdings oft sehr verschwommen, z.B. sind genehmigungsfähig: Sommer- statt Winterweizen, Wein von einer anderen Marke; nicht genehmi-gungsfähig: Kunststein statt Naturstein, Ziegenfell statt Kalbfell, Holz statt Kohle.

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Fall 60: W bestellt bei dem Brauer B (beide Kaufleute) ein Hundert-Liter-Faß Bier. Es ist aber nur ein 75 l-Faß, was W erst nach drei Tagen merkt. Muß er den vollen Preis zahlen? Mengenmäßige Abweichung (fehlende Menge): Da § 378 HGB alle Nachteile einer nicht sofortigen Rüge dem Käufer aufbürdet, kann sich B nicht auf die feh-lende Menge berufen und muß voll zahlen. Anders wäre es nur, wenn B bewußt nur 75 l geliefert und berechnet hätte. Hier kann W zwar nicht nachfordern, zahlt aber natürlich nur den Betrag, der auf der Rechnung steht. Fall 61: W bestellt bei dem Brauer B (beide Kaufleute) 20 Fässer und erhält aber 25 Fässer. Muß er alle Fässer zahlen? Zuviel-Lieferung: Da gem. § 378 HGB jeder Mengenfehler durch Unterlassen der Rüge geheilt wird, ist auch die Zuviel-Lieferung genehmigt. Da andererseits § 378 HGB eine reine Verkäufer-Schutzvorschrift ist, dürfen B aus diesem Umstand keine Nachteile erwachsen. W muß 25 Fässer zahlen. Der Mengenfehler wirkt immer zuungunsten des Käufers: Bei einem Zuwenig voller Kaufpreis, bei einem Zuviel Nachzahlung. Da diese Frage aber in der Wissenschaft und Praxis noch sehr umstritten ist und praktisch alle denkbaren Meinungen vertreten werden, müssen Sie in der Klausur Ihre Meinung in diesem Punkt immer mit einer Be-gründung versehen. Fall 62: Welche Rechte hat der Käufer, wenn er eine Falschlieferung gem. § 378 HGB rechtzeitig rügt? Nach h.M. Sachmangelhaftung: Hierzu werden zwei Meinungen vertreten: • Die Lieferung eines falschen Stücks oder der falschen Gattung ist im Grunde

keine Erfüllung, so daß also - je nachdem - Verzug oder Unmöglichkeit anzu-nehmen wäre.

• Andererseits verweist § 378 HGB ausdrücklich auf § 377 HGB, so daß man

folgern könnte: Die rechtzeitig gerügte Falschlieferung ist nicht als Nichtliefe-rung (so beim normalen Kauf), sondern genauso zu behandeln wie ein rechtzei-tig gerügter Sachmangel, also gem. §§ 459 ff. BGB. Diese Meinung ist die herrschende. Bei rechtzeitig gerügter Falscherfüllung (Mengenfehler oder ali-ud) hat der Verkäufer nur die Rechte aus §§ 459 ff. BGB wie beim Sachmangel (Wandelung, Minderung), nicht dagegen die Rechte aus Nichterfüllung (z.B. § 326 BGB).

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3. Gutgläubiger Erwerb Fall 63: A verkauft und übergibt dem B ein Fahrrad. B erkennt zwar, daß es dem C gehört, glaubt aber, A sei von C ermächtigt, das Fahrrad in eigenem Namen zu veräußern. In Wirklichkeit hatte A das Rad nur geliehen. Wird B Eigentümer? Abwandlung 1: A ist Fahrradhändler. Abwandlung 2: B ist grob fahrlässig hinsichtlich der Verfügungsmacht des A. Abwandlung 3: Der Fahrradhändler A hat das Fahrrad gestohlen. Abwandlung 4: A hat ausdrücklich im Namen des C gehandelt. Tatsächlich war A nicht bevollmächtigt. Schutz des guten Glaubens an Eigentum: Gem. § 932 BGB ist nur der gute Glaube an das Eigentum, nicht aber an die Verfügungsmacht geschützt. B wird daher nicht Eigentümer. A als Fahrradhändler (Abwandlungen 1-3): Gem. §§ 1, 343, 344, 366 Abs. 1 HGB ist B's guter Glaube an die Verfügungsbefugnis des Kaufmanns geschützt. Er wird gem. §§ 932 Abs. 1 BGB, 366 HGB Eigentümer. Wenn der Glaube des B an die Verfügungsmacht des A auf grober Fahrlässigkeit beruhen würde, wäre der gutgläubige Erwerb ausgeschlossen (§ 932 Abs. 2 BGB). Wenn der Fahrradhänd-ler das Rad gestohlen hätte, würde B nicht Eigentümer. § 366 HGB erweitert zwar den Anwendungsbereich des § 932 BGB, schafft aber den § 935 BGB nicht ab; denn § 366 HGB verweist auf §§ 932 ff. BGB insgesamt. ... handelt ausdrücklich in fremdem Namen (Abwandlung 4): In diesem Fall schützt § 366 HGB zwar den Glauben an die Verfügungsmacht („verfügen“), nicht aber an die Vertretungsmacht („verpflichten“). Zwar ist gem. §§ 932 Abs. 1 BGB, 366 Abs. 1 HGB das dingliche Geschäft gültig und B ist gutgläubig Eigentümer geworden. Das schuldrechtliche Geschäft (Kaufvertrag, § 433 BGB) ist gem. § 177 BGB schwebend unwirksam. C kann das Fahrrad von B zurückverlangen, da dieser - wenn C nicht genehmigt - ohne gültiges Kausalgeschäft, also ohne Rechtsgrund im Sinne von § 812 BGB erworben hat. § 366 Abs. 1 HGB hat also nur praktische Bedeutung, wenn der Kaufmann fremde Sachen unbefugt im eige-nen Namen verkauft und der Kunde die wahre Eigentumslage kennt (wenn er sie nicht kennt, erwirbt er schon über § 932 BGB) und an die Verfügungsmacht des Kaufmanns glaubt.

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4. Kaufmännisches Pfandrecht Lesen Sie jetzt noch die §§ 397, 404, 410, 411, 421, 440 HGB und notieren Sie überall: § 366 Abs. 3 HGB. 5. Zurückbehaltungsrecht Fall 64: Der Autohändler A hat von dem Frachtführer F noch 5.000 DM aus ei-nem Geschäft aus dem letzten Jahr zu fordern. Er ist daher sehr erfreut, als ihm F einen Lkw zu einer kleinen Reparatur bringt. Kaum steht F's Lkw in der Werkhal-le, so erklärt A, er werde den Wagen so lange zurückhalten, bis F seine Schulden bezahlt habe. Ist dieses Verhalten zulässig? Abwandlung: F ist nur Entleiher, nicht Eigentümer des Lkw.

Zurückbehaltungsrecht nach BGB: Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Ver-pflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht). Wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zu-steht, es sei denn, daß er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene uner-laubte Handlung erlangt hat (§ 273 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Der Herausgabean-spruch des F und der Zahlungsanspruch des A beruhen nicht auf „demselben rechtlichen Verhältnis“ im Sinne von § 273 BGB (keine Konnexität), so daß kein Zurückbehaltungsrecht nach BGB gegeben ist.

Zurückbehaltungsrecht nach HGB I. Funktion Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht sichert die Ansprüche eines Kauf-manns gegen einen anderen Kaufmann, indem es ihm erlaubt, bestimmte Gegens-tände dieses anderen Kaufmanns, die sich in seinem Besitz befinden, zurückzube-halten. Es dient dem Kaufmann damit zugleich als Kreditsicherheit, weil es ihm eine Befriedigungsmöglichkeit bietet, wenn einer seiner Schuldner, der auch Kaufmann sein muß, seinen Verpflichtungen aus einem beiderseitigen Handelsge-schäft nicht nachkommt. Neben dem Leistungsverweigerungsrecht bis zur Erfül-lung der Forderung besteht auch ein Recht zur Befriedigung an der zurückbehalte-nen Sache. II. Ausgestaltung

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Die §§ 369 ff. HGB geben dem Kaufmann ein besonderes, dem Pfandrecht ange-nähertes Sicherungsrecht. Es ergänzt die Regelungen über die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) und über das Zurückbehaltungsrecht des BGB (§ 273 Abs. 1 und Abs. 2 BGB). Der Gläubiger kann aufgrund seines Zurückbehal-tungsrechts die Herausgabe der seinem Schuldner gehörenden beweglichen Sa-chen und Wertpapiere verweigern. Er kann auch einem Dritten gegenüber das Zu-rückbehaltungsrecht geltend machen. Denn anders als bei § 273 BGB ist Konnexi-tät für die Geltendmachung des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts nicht erforderlich. Es reicht aus, wenn die Ansprüche einem innerlich zusammenhän-genden einheitlichen Lebensverhältnis entstammen. Das ist allerdings nicht der Fall, wenn der Kaufmann Ansprüche aus einer ihm abgetretenen Forderung gel-tend machen will. In diesem Fall besteht nur die Möglichkeit der Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) bei Fälligkeit und Gleichartigkeit. Während das Zurückbehaltungs-recht gem. § 273 BGB nur bei einem fälligen Anspruch geltend gemacht werden kann, hat der Kaufmann nach § 370 HGB auch wegen seiner noch nicht fälligen Forderungen dann ein Zurückbehaltungsrecht, wenn eine Vermögensgefährdung des Schuldners zu besorgen ist. III. Befriedigungsrecht Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht erlaubt dem Kaufmann nicht nur, die Herausgabe der zurückbehaltenen Sache zu verweigern; es gewährt ihm auch ein pfandähnliches Befriedigungsrecht. Nach § 371 HGB darf der Inhaber eines kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts die zurückbehaltenen Sachen mit Vor-rang gegenüber anderen Gläubigern verwerten, wenn er hierzu einen vollstreckba-ren Titel erlangt hat. Unabhängig davon kann der Kaufmann nach allgemeinen Regeln durch einen für die gesicherte Forderung erlangten Vollstreckungstitel in die zurückbehaltenen Sachen vollstrecken, auch wenn sie in seinem Eigentum stehen. Das kann insbesondere dann bedeutsam sein, wenn er zur Rückübertra-gung verpflichtet ist. Will er sich nicht im Wege der Zwangsvollstreckung wegen der Forderung, sondern nur durch die Verwertung der einbehaltenen Sachen und Wertpapiere befriedigen, so ist ihm das nach § 371 Abs. 1 ebenfalls möglich. Er muß sich dann durch eine Klage gegen den Eigentümer ein Recht zur Verwertung verschaffen. Hat er dieses Recht, so kann er die einbehaltenen Sachen wie ein Pfandgläubiger verkaufen1. In Frage kommt im Fall 64 allenfalls § 369 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Vorausset-zungen hierfür sind erfüllt, und zwar nicht nur wegen seines Anspruchs aus der kleinen Reparatur, sondern auch wegen seiner alten Forderung über 5.000 DM. F nicht Eigentümer: Wenn F nur der Entleiher, nicht aber der Eigentümer des Lkw ist, kann A diesen nicht zurückbehalten; denn jetzt ist der Wagen keine Sa-che „des Schuldners“.

1 vgl. Stebut a.a.O.

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Hinweis: Vgl. auch § 369 Abs. 2 HGB. Diese Bestimmung versteht man, wenn man die §§ 931, 986 Abs. 2 BGB liest. - Das kaufmännische Zurückbehaltungs-recht ist im Gegensatz zum bürgerlich-rechtlichen mit einem pfandartigen Befrie-digungsrecht versehen (vgl. § 371 Abs. 1-3 HGB).1 VI. Prokura und Handlungsvollmacht 1. Prokurist und Handlungsgehilfe Fall 65: Der Kaufmann K ruft auf dem Heimweg von einer Sylvesterfeier dem angeheiterten B zu: Ab heute sind Sie mein Prokurist. B lehnt dankend ab. Ist B Prokurist? Die Prokura ist dem Grunde nach eine gewöhnliche Vollmacht, die jedoch in vielerlei Punkten von den allgemeinen Regeln abweicht: a) Person des Erteilenden Die Prokura kann nur vom Inhaber eines Handelsgeschäftes, mithin von einem Kaufmann oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilt werden, § 48 I HGB. Andere rechtsgeschäftliche Vertreter sind dazu nicht befugt: meinte § 48 HGB nicht eine Erteilung durch eigene Willenserklärung des Kaufmannes, wäre er insoweit sinn-los. Als gesetzliche Vertreter kommen hier insbesondere die Organe von Perso-nenhandels- oder Kapitalgesellschaften in Betracht: Die persönlich haftenden Ge-sellschafter einer oHG oder KG, §§ 125, 161 II, 170 HGB; der Vorstand einer AG, § 78 AktG; der Geschäftsführer einer GmbH, § 35 GmbHG. b) Person des Prokuristen Die Prokura kann nur einer natürlichen Person erteilt werden. Das ergibt sich aus § 52 II HGB, der besagt, daß ein Wechsel des Entscheidungsträgers ohne den Wil-len des Kaufmannes nicht erfolgen soll. Rechtsgeschäftlich handeln kann aber nur eine natürliche Person. Würde eine juristische Person oder eine rechtsfähige Per-sonenhandelsgesellschaft mit Prokura ausgestattet werden, so ließe sich der Ent-scheidungsträger über die Veränderung der Zusammensetzung des Vertre tungsor-gans auswechseln. ( Neben der allgemeinen Vorschrift des § 165 BGB ist weiter zu beachten, daß die Erteilung einer Prokura möglicherweise deshalb unzulässig ist, weil die zu be-vollmächtigende Person bereits eine organschaftliche Stellung innerhalb der Ge-

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sellschaft innehat. Gesetzlich geregelt ist dies in den §§ 105 I AktG, 52 I GmbHG, 6 II 1 MitbestG für Aufsichtsratsmitglieder.) Die Erteilung einer Prokura an einen organschaftlichen Vertreter ist unzulässig, da die Vertretungsmacht kraft Organstellung unbeschränkbar ist und eine ähnlich weitgehende Prokura zu einer doppelten Kompetenz führte, die funktionswidrig ist, weil dadurch organschaftliche Pflichten unterlaufen werden können (Staub/Joost, § 48 Rn. 49, MK-HGB/Lieb/Krebs, § 48 Rn. 30 ff. mit weiteren Einzelheiten). Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen: Die organschaftli-che Vertretungsmacht ist ein Teil der Geschäftsführungsbefugnis des Organs, die mit entsprechender Haftung gegenüber der Gesellschaft verbunden ist. Beispiele hierfür sind die §§ 27 III BGB, 43 GmbHG, 92 f. AktG, 34, 41, 99 GenG. Ebenso haben die Organe öffentliche Pflichten zu erfüllen, insbesondere Anmeldungen zum Handelsregister und die Insolvenzantragspflicht (die natürlich auch eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft ist), §§ 130a I HGB, 64 GmbHG, 92 II AktG, 99 I GenG. Macht und Verantwortlichkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter, dem zugleich die gesamte Geschäfts-führung übertragen wurde hat solche Organpflichten nicht. c) Art und Weise der Erteilung Die Prokura muß ausdrücklich erteilt werden, § 48 I HGB. Der Begriff "ausdrück-lich" ist wie in § 2 I Nr. 1 AGBG zu verstehen und meint eine Erklärung in Wor-ten, nicht hingegen eine bestimmte Form. Konkludente, stillschweigende Wil-lenserklärungen scheiden damit aus. Die Anmeldung einer nicht bestehenden Pro-kura zum Handelsregister ist keine Erteilung: Schon das objektive Verhalten er-gibt, daß sich der Antrag auf eine bestehende Prokura bezieht, ganz ähnlich der Vollmachtskundgabe nach § 171 BGB. Zudem würde die Erteilung durch Eintra-gungsantrag ohnehin an der fehlenden Ausdrücklichkeit scheitern. d) Eintragung in das Handelsregister Die Erteilung und das Erlöschen einer Prokura muß zur Eintragung in das Han-delsregister angemeldet werden, § 53 I, III HGB. Die Eintragung ist nicht konstitu-tiv, sondern nur deklaratorisch. e) Umfang derVollmacht Die Prokura hat einen gesetzlich zwingend festgelegten Umfang, §§ 49, 50 I, III HGB. Gedeckt sind alle rechtsgeschäftlichen und prozessualen Handlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Es ist zu beachten, daß von irgendeinem Handelsgewerbe die Rede ist, nicht von dem Gewerbe, das der ertei-lende Kaufmann konkret betreibt. Ein Beschränkung auf gewöhnliche oder bran-chentypische Geschäfte gibt es nicht. Die Prokura ermächtigt damit auch zu Ge-schäften, die mit dem betriebenen Handelsgewerbe nichts zu tun haben. Daher stellt sich gerade hier das Problem des Mißbrauchs der Vertretungsmacht beson-ders deutlich.

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aa) Handelsgeschäft: Mit dem Betrieb eines Handelsgewerbes sind Handelsge-schäfte gemeint, §§ 343 ff. HGB. Nicht von der Prokura gedeckt sind damit zum einen Privatgeschäfte im Namen des Kaufmannes, zum anderen die sogenannten Grundlagengeschäfte. Dies ist ein Begriff aus dem Gesellschaftsrecht und meint Geschäfte, die nicht den Betrieb, sondern den Bestand des Unternehmens betref-fen, wie z.B. die Änderung des Unternehmensgegenstandes, Veräußerung des Un-ternehmens oder die Beendigung des Handelsgewerbes. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß gewisse Handlungen kraft Gesetzes nur vom Rechtsträger des Unternehmens oder von dessen Organen, also nicht vom Prokuristen vorgenom-men werden können. Dies gilt beispielsweise für den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 15 InsO. Wichtig ist weiterhin, daß dem Prokuristen nur die Entscheidung über bestimmte Grundlagengeschäfte verwehrt ist. Durchgeführt werden können sie indes von diesem sehr wohl (zutr. Staub/Joost § 49 Rn. 22 für die "Stillegung" des Unternehmens). bb) Ausnahme Grundstücksgeschäfte: Ausgenommen sind nach § 49 II HGB die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Dies meint den gesamten Vorgang, also schuldrechtliche wie dingliche Geschäfte. Nach dem Ansinnen der Gesetzesverfasser sollten dadurch eine Vermischung von Grundbesitz und Ge-schäftsbetrieb und die damit verbundenen Meinungsverscheidenheiten zwischen Prokurist und Kaufmann über die Zweckmäßigkeit von Grundstücksverfügungen vermieden werden. Da nach der Änderung des Kaufmannsbegriffes durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.06.1998 auch gewerbsmäßige Grundstücksge-schäfte ohne weiteres zur Kaufmannseigenschaft nach § 1 II HGB führen, ist diese Beschränkung der Prokura rechtspolitisch fragwürdig geworden (ähnl. Staub/Joost, § 49 Rn. 28). Entsprechende Geschäfte können nur vom Einzelkauf-mann selbst, anderweitig Bevollmächtigten - deren Vollmacht dann nicht den Um-fangs- und Registerschutz genießt - oder Vertretungsorganen der Gesellschaft vor-genommen werden, sofern nicht dem Prokuristen eine "Ergänzungsvollmacht" erteilt wird, s. § 49 II HGB. Diese Erweiterung der Prokura ist eintragungspflich-tig und muß ausdrücklich erteilt werden. Sehr wohl kann der Prokurist Grundstü-cke ankaufen und sie dabei mit einer Kaufpreishypothek belasten, weil dies im Ergebnis dem Erwerb eines belasteten Grundstückes gleichkommt, der von der Prokura unproblematisch gedeckt ist. cc) Beschränkbarkeit auf die Niederlassung: Die einzig mögliche rechtsge-schäftliche Beschränkung der Prokura ist die auf eine Niederlassung des Inhabers des Handelsgeschäftes, § 50 III HGB. Wirksamkeitsvoraussetzungen sind hier jedoch zum einen - anders als bei der Prokura im allgemeinen! - die Eintragung in das Handelsregister, zum anderen die Verschiedenheit der Firmen der (zwei oder mehr) Niederlassungen. Dies macht deutlich, daß eine solche Beschränkung nur unter erheblichen Publizitätsanforderungen wirksam vorgenommen werden kann. dd) Weiter Umfang: Im übrigen ist die Prokura unbeschränkbar, § 50 I HGB. Die etwas unglückliche Formulierung des § 50 I HGB - "eine Beschränkung der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam" - besagt entgegen dem Wortlaut nicht,

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daß die Vollmacht im Innenverhältnis beschränkt werden kann. Denn eine Voll-macht hat immer nur Außenwirkung; die in § 50 I HGB mittelbar genannte Be-schränkung erfolgt stets in dem Rechtsverhältnis, das der Prokura zugrundeliegt. In der Regel wird dies ein Arbeitsvertrag sein. Die Unwirksamkeit bezieht sich - entgegen der herrschenden Meinung - nicht nur auf sachliche Beschränkungen, sondern auch auf personale Beschränkungen. Letztere sind von der Wendung "un-ter gewissen Umständen" in § 50 II HGB erfaßt ( Beuthien/Müller, DB 1995, 461 ). Gemeint sind allerdings nur rechtsgeschäftliche Einschränkungen, die nicht an anderer Stelle vom Gesetz zugelassen sind. So kann § 50 I HGB nichts an der Zu-lässigkeit einer Gesamtprokura nach § 48 II HGB ändern. f) Folgen der unwirksamen Erteilung Zunächst ist zu unterscheiden: Liegen Mängel im Erteilungsvorgang vor, die all-gemeiner Natur sind und damit zur Unwirksamkeit jedweder Vollmachtserteilung führen würden, so ergeben sich - bis auf die Folgen einer Eintragung in das Han-delsregister - für die Prokura keine Besonderheiten. Dem sind Mängel in den spe-ziellen Voraussetzungen der Prokura gegenüberzustellen, insbesondere:

• Erteilung in einem engeren Umfang als dem nach § 49 HGB • Erteilung nicht durch den Inhaber des Handelsgeschäftes oder seinen ge-

setzlichen Vertreter • Keine ausdrückliche Erteilung

Dazu ist zu sagen: • Eine "beschränkte" Erteilung führt zu einer wirksamen Prokura im gesetz-

lichen Umfang, weil nur die Beschränkung unwirksam ist, § 50 I HGB. Etwas anderes widerspräche dem mit § 50 I HGB bezweckten Verkehrs-schutz.

• Die beiden anderen Mängel führen zu einer Unwirksamkeit der Prokura insgesamt. Dann stellt sich die Frage einer Umdeutung nach § 140 BGB in eine Vollmacht mit dem "nächstkleinsten" Umfang. Dies wird in der Regel eine Handlungsvollmacht nach § 54 HGB sein .

• Daneben ist zu prüfen, ob eine Rechtsscheinhaftung im Umfang einer Pro-kura vorliegt. Dies wird allerdings nur dann relevant, wenn keine Eintra-gung der unwirksamen Prokura in das Handelsregister erfolgt ist. Bei Ein-tragung besteht nach § 15 III HGB bzw. den registerrechtlichen Ergän-zungssätzen nämlich schon ein Rechtsschein einer Prokura kraft Eintra-gung. Einer Rechtsscheinshaftung außerhalb des Handelsregisters bedarf es in diesen Fällen nicht. Bitte beachten Sie, daß sich rechtsgeschäftliche und Rechtsscheinsvollmacht nur bezüglich desselben Umfanges ausschlie-ßen: Eine "Anscheins"- oder "Duldungsprokura" kann sehr wohl den Um-fang einer durch Umdeutung gewonnenen Handlungsvollmacht ergänzen.

Zum Fall Prokurabestellung durch einseitige Willenserklärung: Wenn wir einmal von dem Problem des § 118 BGB absehen, so ergibt sich folgendes: Die ausdrückliche Erklärung gem. § 48 Abs. 1 HGB liegt vor. K ist Kaufmann. Die Alkoholisierung

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des B schadet nicht, da der Schwips nur ein „vorübergehender Zustand“ im Sinne von §§ 104 Nr. 2, 131 BGB ist. § 105 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, da B nur Emp-fänger einer Willenserklärung ist. B wird also Prokurist durch einseitige Willens-erklärung des K. Als Prokurist hat B nur Rechte, aber keine Pflichten (§ 49 Abs. 1 HGB). Der Prokurist hat in der Weise zu zeichnen, daß er der Firma seinen Na-men mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt (§ 51 HGB); Beispiel: Firma Kurt Kramer, ppa. Franz Schreiber. Arbeitspflicht erst durch Handlungsgehilfenvertrag: Der Prokurist ist nur dann zur Arbeit und zum Tätigwerden verpflichtet, wenn er zusätzlich (z.B.) einen Handlungsgehilfenvertrag gem. § 59 HGB geschlossen hat. Dieser ist eine beson-dere Form des Dienstvertrags gem. §§ 611 ff. BGB und regelt nur das sog. Innen-verhältnis, d.h. die Beziehungen zwischen Prinzipal (Chef) und Angestelltem. Nur das Verhältnis des Prokuristen bzw. Handlungsgehilfen zu Dritten (sog. Außen-verhältnis), insbesondere die Vertretungsmacht, ergibt sich demnach aus der Pro-kura. Der Prokurist muß im Innenverhältnis nicht unbedingt Angestellter sein; es kann z.B. ein bloßer Auftrag (§ 662 ff. BGB) oder etwas Ähnliches vorliegen. Fall 66: Der siebzehnjährige X hat einen Großhandel geerbt und ist gem. § 112 BGB zur selbständigen Leitung der Firma ermächtigt. Er bestellt einen Prokuris-ten. Ist die Bestellung wirksam? Für Bestellung Genehmigung des Vormundschaftsgerichts: Der minderjährige X ist für solche Rechtsgeschäfte unbeschränkt geschäftsfähig, welche der Ge-schäftsbetrieb mit sich bringt. Ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, zu denen der Vertreter der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf (§§ 1821 f. BGB). Dazu zählt auch die Erteilung einer Prokura (§ 1822 Nr. 11 BGB). Die ohne Ge-nehmigung des Vormundschaftsgerichts erteilte Prokura ist also unwirksam (§ 1831 BGB). Fall 67: Der Prokurist akzeptiert einen Wechsel für seinen Chef in Höhe von einer Million. Gültig? Wechselgeschäfte durch Prokuristen möglich: Ja, da weder §§ 49 ff. HGB noch das Wechselgesetz Einschränkungen der Vertretungsmacht enthalten. Der Proku-rist ist das „zweite Ich" des Kaufmanns. Fall 68: Der Prokurist kauft ein Grundstück für die Fa. Zur Sicherung des Rest-kaufpreises bestellt er auf diesem eine Hypothek. Gültig?

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Kauf und Belastung von Grundstücken durch Prokuristen möglich: Der Kauf von Grundstücken ist, anders als der Verkauf, erlaubt. Die Hypothek stellt streng genommen eine verbotene Belastung gem. § 49 Abs. 2 HGB dar. Hier aber hat die Rechtsprechung aus praktisch-wirtschaftlichen Gründen entschieden, man müsse den Fall so ansehen, als werde das Grundstück schon in belastetem Zustand ge-kauft. Die Restkaufpreishypothek ist demnach nur eine bloße Erwerbsmodalität; ihre Bestellung ist gültig. Fall 69: Der Inhaber einer Privatbank ist auf Reisen. Sein Prokurist erfährt zufäl-lig von einer Gelegenheit, 10.000 Flaschen Schnaps günstig einzusteigern. Er er-wirbt den Schnaps für die Firma, um ihn später mit Gewinn zu verkaufen. Gültig? Branchenfremde Geschäfte möglich: Ja, denn in § 49 Abs. 1 HGB ist vom Be-trieb „eines“, also irgendeines Handelsgewerbes die Rede. Das Geschäft kann auch branchenfremd sein. Merke: Durch seinen Prokuristen kann ein Banker zum Schnapshändler werden. Fall 70: Der Prokurist ist der Meinung, sein Chef müsse endlich etwas gegen sei-nen Haarausfall tun. Er erwirbt daher namens der Firma eine Flasche Haarwasser. Gültig? Keine privaten Geschäfte: Nein, da die Haarpflege zweifellos zum privaten und nicht zum geschäftlichen Bereich gehört. Der Kauf ist daher gem. §§ 49 Abs. 1 HGB, 177 BGB schwebend unwirksam. Fall 71: Der Prokurist eines Devotionalienhändlers kommt zu der Überzeugung, daß die Herstellung von Spielkarten mehr Zukunft habe als die von Rosenkränzen. Um seinem Chef, der gerade im Urlaub ist, bei seiner Rückkehr eine Freude zu machen, stellt er die Firma auf Spielkartenproduktion um. Gültig? Umstellung des Unternehmensgegenstands möglich: Ja, denn in § 49 Abs. 1 HGB ist vom Betrieb „eines“, also irgendeines Handelsgewerbes die Rede. Das Geschäft kann auch branchenfremd sein. Der Prokurist kann sogar den Gegens-tand des Unternehmens verändern. Fall 72: Der Prokurist meldet den Konkurs seiner Firma an. Gültig?

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Konkursanmeldung nicht möglich: § 49 Abs. 1 HGB spricht vom Betrieb, nicht von der Einstellung eines Handelsgewerbes. Der Konkursantrag ist daher ebenso unwirksam wie es z.B. die Veräußerung der Firma wäre. Daher gilt: Durch seinen Prokuristen kann ein Banker zum Schnapshändler, nicht aber zum Rentner wer-den. Fall 73: Der Prokurist erteilt seinem Spezi „Unterprokura“. Gültig? Keine „Unterprokura“ möglich: Gem. § 48 Abs. 1 HGB kann nur der Chef selbst bzw. sein gesetzlicher Vertreter, (z.B. Vormund) Prokura erteilen. Auch nach § 52 Abs. 2 HGB ist die Prokura nicht übertragbar, Fall 74: Dem Prokuristen P ist vom Kaufmann K Prokura mit der Auflage erteilt worden, keine Geschäfte über 5.000 DM abzuschließen. Trotzdem verkauft er eines Tages eine Maschine zu dem angemessenen Preis von 10.000 DM an seinen Freund F, der die Beschränkung der Prokura kennt. Gültig? Keine Beschränkung der Prokura im Außenverhältnis: Nach § 50 Abs. 1 HGB ist eine Beschränkung des Umfangs der Prokura Dritten gegenüber unwirksam. Dies gilt auch dann, wenn der Dritte (hier F) die Beschränkung der Prokura kennt. Ob sich P im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig gemacht hat, ist unbedeu-tend. Allenfalls Sittenwidrigkeit: Der Vertrag des P mit F wäre jedoch sittenwidrig, wenn P die Maschine im Einverständnis mit F diesem zu einem Schleuderpreis überlassen hätte. Sittenwidrige Verträge sind nichtig (§ 138 BGB). 2. Handlungsvollmacht Fall 75: Wer kann Handlungsvollmacht erteilen? Handlungsvollmacht kann erteilen • der Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. • jeder Prokurist, • nicht aber der Handlungsbevollmächtigte selbst; denn der Handlungsbevoll-

mächtigte darf nur die Rechtshandlungen vornehmen, die der Betrieb eines der-artigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt (§ 54 Abs. 1 HGB; vgl. auch § 58 HGB).

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Wird mit einer Generalhandlungsvollmacht zum Betrieb eines Handelsgewerbes bevollmächtigt , so wird die Vertretungsmacht für alle Geschäfte vermutet, die zum Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich gehören. Kriterium ist mithin die Branchenüblichkeit der getätigten Geschäfte. Dies ist stets eine - bis-weilen durchaus schwierige - Frage des Einzelfalles. Zweites Kriterium ist die Art und Größe des Unternehmens, jedoch wiederum nicht in einer individuellen, son-dern typisierten Betrachtung: Ist solch ein Geschäft für ein Unternehmen mit einer Größe wie das vorliegende in der jeweiligen Branche üblich? Weiterhin zeigt sich hier der Unterschied zur Prokura: Diese ermächtigt zu jedweden, also auch unge-wöhnlichen Geschäften, sofern sie überhaupt zu einem Handelsgewerbe gehören können. Eine Arthandlungsvollmacht liegt vor, wenn zu einer bestimmten Art von Ge-schäften, die gewissermaßen ein Ausschnitt aus dem Spektrum aller betriebenen Geschäfte des Unternehmens darstellen, Vollmacht erteilt wird. Die Vermutung des § 54 I HGB zielt dann auf alle gewöhnlichen Geschäfte und Rechtshandlun-gen, die zu der Art von Geschäften gehören. Auch hier bestimmt die Branchenüb-lichkeit, was gewöhnlich ist. Die Arthandlungsvollmacht ist die häufigste der drei Erscheinungsformen. Klassische Beispiele für Arthandlungsbevollmächtigte sind z.B. Wareneinkäufer bzw. -verkäufer, Kassierer oder Schalterangestellte. Die Spezialhandlungsvollmacht ist die Bevollmächtigung zu bestimmten einzel-nen Geschäften, auch zu einem einzigen. Die Vermutung bezieht sich auch hier auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die das jeweilige konkrete Geschäft gewöhnlich, also branchenüblicherweise mit sich bringt. Wichtig ist die Einschränkung der Vermutungswirkung durch den Ausschluß der in § 54 II HGB genannten Geschäfte. Die genannten Geschäfte sind nie branchen-üblich im Sinne des § 54 I HGB, obwohl dies tatsächlich sehr wohl der Fall sein kann - man denke nur an den Handel mit Grundstücken! Die Regelung des § 54 II HGB ist mit § 49 II HGB bei der Prokura vergleichbar. Hier ist die Aufzählung allerdings weiter und nahezu willkürlich geraten - der Handlungsbevollmächtigte kann etwa eine Bürgschaftsverbindlichkeit für den Prinzipal eingehen, die in § 54 II HGB nicht genannt, aber vergleichbar "gefährlich" ist. Gerade wegen der Will-kürlichkeit der Aufzählung scheidet indes eine analoge Anwendung auf vergleich-bare Geschäfte aus (Canaris, Handelsrecht, § 15 III 3). Die Abgrenzung der drei Typen der Handlungsvollmacht zueinander erfolgt ob-jektiv. Die erteilte Vollmacht muß - gegebenenfalls nach Auslegung, §§ 133, 157 BGB - dem Inhalt nach einer der drei Formen zugeordnet werden. Fall 76: Die Kundin K hat zwei Lederkostüme mitgenommen, um die Wirkung auf ihren Freund zu testen. Da er auf das erste gut anspricht, kauft sie es, das zwei-te gibt sie zurück. Den Kaufpreis zahlt sie der Buchhalterin, die sich mit dem Geld aus dem Staub macht. Muß K nochmals zahlen?

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Ermächtigung nur bei Anstellung zu Verkaufszwecken: Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen (§ 56 HGB). Diese Vorschrift ist aber nur dann einschlägig, wenn der bzw. die Angestellte zu Verkaufszwecken angestellt ist. Darunter fallen z.B. nicht Buchhalter und Verpacker. Fall 77: Jonathan ist Inhaber eines Gummiladens. Da er bei der heißen Jahreszeit großes Geschäft wittert, andererseits aber zwei Verkäuferinnen Urlaub haben, teilt er seine Ehefrau für zwei Wochen zum Verkauf der Gummiboote ein. Die steuer-liche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses scheitert am sog. Fremdvergleich. Gilt § 56 HGB? Arbeitsverhältnis nicht erforderlich: Das Wort „angestellt“ i.S. von § 56 HGB ist nicht im arbeitsrechtlichen Sinn gemeint. Es reicht aus, wenn die Person mit Wissen und Wollen des Inhabers im Verkauf tätig ist.1 VII. Firma und Handelsregister; Rechtsscheinshaftung 1. Firma Fall 78: Was versteht man im Handelsrecht unter einer Firma? Handelsname des Vollkaufmanns: Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Der Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden (§ 17 Abs. 2 HGB). Im Prozeß ist also nicht die Firma, sondern der Kaufmann Partei. Zweck der Firma ist es, kaufmännische und private Sphäre im Hinblick auf §§ 343, 344 HGB scharf zu trennen, Verwechslungen mit namensgleichen Firmen am selben Ort zu vermeiden (§ 30 Abs. 1 und 2 HGB) und schließlich das angesam-melte Vertrauenskapital, den sog. Goodwill, durch Beibehaltung der alten Firma zu erhalten (§ 22 HGB). Die Firma und das kaufmännische Unternehmen Für das Handelsrecht ist die Firma nur der Name, unter dem der Kaufmann seine Geschäfte betreibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Der Begriff hat hier also einen anderen Inhalt als in der Umgangssprache, in der man unter Firma häufig das Unternehmen

1 Fälle und Lösungen abgewandelt aus Schwind/Hassenpflug/Nawratil, HGB.

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eines Kaufmanns versteht. Im handelsrechtlichen Sinne ist die Firma demgegen-über lediglich die Bezeichnung (der Name), unter der der Vollkaufmann seine Geschäfte betreibt. Dieser Handelsname kann sich von seinem bürgerlichen Na-men unterscheiden. I. Der Schutz des Handelsnamens Das Firmenrecht des HGB ist in erster Linie Namensrecht. Durch den Schutz der Firma und damit des Handelsnamens wird also nicht das Unternehmen insgesamt geschützt, sondern nur die Namensführung seines Inhabers im Handelsverkehr. Dieser Schutz des Handelsnamens ist eine Ergänzung bekannter Namensschutz-normen: § 12 BGB schützt i.V.m. §§ 1004, § 823 Abs. 1 BGB das Namensrecht einer jeden Person. Daneben finden für den Handelsverkehr § 16 UWG und § 24 WZG sowie § 37 HGB Anwendung. Der Schutz des Handelsnamens wird aber nicht nur durch privatrechtliche, sondern auch durch öffentlich-rechtliche Rege-lungen gewährleistet. Wegen des öffentlichen Interesses an einer richtigen Firmen-führung sieht § 37 Abs. 1 HGB vor, daß das Registergericht von Amts wegen tätig werden muß, wenn es von einer unrichtigen Firmenführung Kenntnis erlangt. Es greift dann zum öffentlich-rechtlichen Mittel der Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld und führt ein Firmenmißbrauchsverfahren durch, im Rahmen des-sen Allgemeininteressen wahrgenommen werden.(Zitat) Die Firma ist nach § 17 Abs. 1 HGB der Name einer Person. Dabei kann es sich um eine natürliche oder um eine juristische Person handeln. Die Firma als Han-delsname eines Vollkaufmanns ist vergleichbar mit einem Künstlernamen. Sie bedeutet aber keine rechtliche Verselbständigung des Unternehmens zu einem eigenständigen Rechtssubjekt. Aus dem Verständnis der Firma als Handelsname des Kaufmanns ergibt sich, daß man eine natürliche Person unter zwei verschie-denen Namen verklagen kann. § 17 Abs. 2 HGB zeigt, daß man den Kaufmann nicht nur unter seinem Privatnamen, sondern auch unter seinem im Geschäftsver-kehr verwendeten Namen, d.h. seiner Firma verklagen kann. Die Firma eines Kaufmanns gehört als Persönlichkeitsrecht und Immaterialgüter-recht zu den absoluten Rechten i.S. von § 823 Abs. 1 BGB. Der Firmeninhaber genießt also Schutz gegenüber widerrechtlichen Eingriffen Dritter in seine ge-schützte Rechtsstellung. Bei Verletzung seines (absolut geschützten) Firmenrechts kann der Berechtigte nicht nur gegen den Verletzer klagen, sondern nach § 37 Abs. 2 HGB auch das Registergericht einschalten: Wer eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht, ist von dem Registergericht zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma durch Festsetzung von Ordnungsgeld anzuhalten. Abgrenzung zum Geschäftsnamen: Mit der Firmenbezeichnung gem. § 18 HGB ist nicht zu verwechseln der (besonders bei Hotels, Apotheken, Kinos usw. auftre-tende) traditionelle Geschäftsname, z.B. Hotel Post, Löwen-Apotheke. Er hat mit der Firma und überhaupt mit dem HGB nichts zu tun; sein Mißbrauch ist nur nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu ahnden. Im Gegensatz zum Geschäftsnamen, den sich jeder Gewerbetreibende zulegen kann, wenn er will, ist die Firmenführung der Vollkaufleute obligatorisch (§ 29 HGB) und ge-wissen Regeln unterworfen, die durch die Gesetzesänderung aufgelockert worden sind (vgl. § 18 HGB).

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Grundsätze der Firmenbildung • Kennzeichnungsfähigkeit (§ 18 I HGB) • Unterscheidungskraft (§ 18 I HGB) • Keine Irreführung (§ 18 II HGB) • Rechtsformzusatz bei allen Unternehmensträgern

(§ 19 HGB) Fall 79: In dem Ort X ist die Filmfirma „Der rosarote Panther“ im Handelsregister eingetragen. Eine andere Filmfirma zieht in X zu und verschickt Werbeschreiben mit dem Briefkopf „Der rote Panther“. Ist dies zulässig? Wenn nein, was ge-schieht? Was kann die alte Firma tun? Unterlassungsaufforderung durch Registergericht: Der Neue hat es unterlas-sen, eine Firma mit einem gem. § 30 Abs. 2 HGB erforderlichen Zusatz z.B. „A-Straße“ oder „Import/Export“) zu seinem Namen zu wählen. Diese unzulässige Firma hat er auch im Sinn von § 37 Abs. 1 HGB „gebraucht“. Daher wird das Re-gistergericht von Amts wegen einschreiten. Klage des Kaufmanns: Der „alte“ Firmeninhaber kann unter seiner Firma (vgl. § 17 Abs. 2 HGB) klagen, und zwar • gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 HGB auf Unterlassung; • über § 12 BGB auf Unterlassung, da die Firma nur eine besondere Form des

Namens ist, • nach den §§ 823 ff. BGB auf Unterlassung und Schadensersatz, da die Firma

als absolutes Recht ein „sonstiges Recht“ im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB ist. • nach den §§ 1, 13 UWG auf Unterlassung und Schadensersatz. Diese Vor-

schriften bieten den umfassendsten Schutz, da hier der Namens- und Firmen-schutz nicht auf Unternehmen am gleichen Ort beschränkt ist.

Fall 80: Der kleine Friseur F 1 veräußert sein Geschäft mit allen Aktiven und Pas-siven mündlich an den Friseur F 2. Wie ist die rechtliche Abwicklung? Wer haftet für die Schulden des F 1?

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Kaufvertrag: Das Grundgeschäft ist Kauf (§ 433 BGB). Nur wenn ein Grund-stück übertragen wird, ist eine besondere Form für den Vertrag vorgeschrieben (§ 313 BGB). Übergang der Aktiven: Die Friseure sind keine Kaufleute, da ein in kaufmänni-scher Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, so daß die Son-derregelung des § 25 HGB entfällt. Es gilt also allein das BGB: Die Übertragung der Sachen geschieht nach den §§ 929 ff. BGB, die der Forderungen nach § 398 BGB. Übergang der Verbindlichkeiten: Auch für die Schulden kann § 25 HGB nicht herangezogen werden. Wenn F 2 die Schulden als nunmehriger Alleinschuldner übernehmen will, ist er auf die Zustimmung der Gläubiger angewiesen (vgl. §§ 414 ff. BGB). Falls der Laden die Hauptvermögensmasse des F 1 darstellte und F 2 das wußte, haftet F 2 kraft Gesetz des nach § 419 BGB für alle alten Schulden des F 1 - private und geschäftliche - mit dem übernommenen Vermögen. Fall 81: Der Kaufmann K 1 veräußert seinen Betrieb mit Aktiven und Passiven an den Kaufmann K 2. Dieser führt die alte Firma fort. Rechtslage? Übergang der Verbindlichkeiten und der Forderungen: Der Erwerber haftet für alle im Betriebs des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma eingewilligt haben (§ 25 Abs. 1 HGB). Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwer-ber oder Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist (§ 25 Abs. 2 HGB). Daneben kommt noch § 419 BGB in Betracht, wenn die entsprechenden Voraus-setzungen vorliegen. Fall 82: Der Kaufmann K l veräußert am 1.1. sein Geschäft samt Firma an K 2. Es wird vereinbart, daß die Forderung gegen X nicht übergehen soll. Am 8.1. zahlt X, der von dem Verkauf, aber nicht von der Vereinbarung über die Forderung wußte, an K 2. Im Register war noch nichts eingetragen. Kann K 1 die Zahlung von X noch verlangen? Befreiende Zahlung: X hat rechtswirksam an K 2 gezahlt (§ 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB; § 362 BGB). K 1 kann von X keine Zahlung mehr verlangen. 2. Handelsregister

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I. Allgemein Das Handelsregister ist ein öffentliches, von den Amtsgerichten geführtes Ver-zeichnis, aus dem die rechtlichen Verhältnisse der Handelsgewerbe ersichtlich sind. Mit Ausnahme des nicht eingetragenen Kleingewerbebetriebes und der BGB-Gesellschaft (GbR) müssen Unternehmen aller Rechtsformen in das Han-delsregister eingetragen werden. Es dient der Rechtssicherheit im Handelsverkehr, da alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vollständig und zuverlässig hier nachgewiesen werden. Das Handelsregister wird in zwei Abteilungen geführt: Abteilung A für eingetragene Kaufleute (e.K. oder e.Kfm. bzw. e.Kfr.) und Per-sonengesellschaften (OHG, KG) und Abteilung B für Kapitalgesellschaften (GmbH, AG). Über einen Notar werden zur Eintragung in das Handelsregister alle Rechtsver-hältnisse einer Firma angemeldet, vom Registergericht geprüft, in das Handelsre-gister übernommen und in der Tagespresse veröffentlicht. Schaubild : Handelsregister Schaubild : Veröffentlichung FAZ II. Bedeutung des Handelsregisters Das Handelsregister gibt Auskunft über alle rechtserheblichen Tatsachen, die für einen Geschäftspartner des Kaufmanns wichtig sein können. Hierzu gehören z.B.: die Firma, der Name des Inhabers bzw. der persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft, die Haftung des Kommanditisten, das Stammkapital der GmbH, die Erteilung und Entziehung der Prokura, die Eröffnung des Konkur-ses bzw. die Löschung der Firma. Wichtige Änderungen müssen eingetragen wer-den, so z.B. • Wechsel in der Unterschriftsbefugnis • Verlegung des Unternehmenssitzes • Errichtung einer Zweigniederlassung • Erteilung oder Widerruf einer Prokura • Änderung der Firma des Unternehmens • Änderungen der Gesellschafter von offenen Handelsgesellschaften • Änderungen des Gesellschaftsvertrages von Kapitalgesellschaften. Wenn eine Eintragung in das Handelsregister notwendig ist, kann das Amtsgericht sie auch erzwingen. Das Handelsregister ist öffentlich und bietet deshalb allen Interessierten die Mög-lichkeit, die eingereichten Schriftstücke gebührenfrei einzusehen. Es können auch Abschriften - gegen entsprechende Gebühr - angefordert werden. Das Handelsre-gister genießt - ähnlich wie das Grundbuch - öffentlichen Glauben -, d.h., es

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schützt in bestimmtem Umfang den gutgläubigen Rechtsverkehr in seinem Ver-trauen auf die Richtigkeit der Eintragungen und Bekanntmachungen. Schließt z.B. ein Prokurist nach seiner Entlassung, aber noch vor der Löschung im Handelsregister, namens des Geschäftsinhabers mit einem Kunden einen Vertrag, dem die Entlassung des Prokuristen unbekannt ist, so ist der Vertrag dennoch voll wirksam. Wie bereits gesagt, sind selbstverständlich Änderungen eingetragener Tatsachen ebenfalls eintragungspflichtig, etwa die Änderung der Anschrift der Niederlassung eines Kaufmanns oder die Verlegung des Sitzes der Gesellschaft. Die Abberufung eines Prokuristen oder eines Geschäftsführers sollte umgehend zur Eintragung angemeldet werden, denn dies liegt -wie bereits ausgeführt - im eigenen Interesse der Firma. Verlegt z.B. der Kaufmann den Geschäftssitz, so kann er so lange unter der alten Adresse verklagt werden, bis die Änderung im Handelsregister eingetragen ist. Ihm können also erhebliche Nachteile entstehen, wenn das Handelsregister nicht dem tatsächlichen Stand entspricht. Auch die Auflösung und Liquidation einer Gesellschaft muß zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden eben-so wie die Löschung der Firma. Eröffnete Vergleichsverfahren oder Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Firma werden vom Amtsgericht von Amts wegen ebenfalls eingetragen. III. Handelsregistereintragung Wer ist zur Eintragung berechtigt oder verpflichtet? Mit Ausnahme der Kommandit- und Kapitalgesellschaften, die erst durch die Handelsregistereintragung entstehen, legen Einzelkaufleute und BGB-Gesellschaften häufig auf den Eintrag keinen Wert. Der "Kaufmann" ist aber ge-setzlich zur Eintragung in das Handelsregister verpflichtet. Das Handelsgesetzbuch bezeichnet grundsätzlich jedes ein Gewerbe betreibende Unternehmen als "Handelsgewerbe" oder "Kaufmann", es sei denn, das Unter-nehmen erfordert keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise einge-richteten Geschäftsbetrieb. Diese Bestimmung erfolgt unabhängig davon, welche gewerbliche Tätigkeit das Unternehmen im besonderen ausübt. Auch Unterneh-men, die im wörtlichen Sinne nicht Güter oder Waren an- oder verkaufen, sind Kaufleute, also auch Industrie, Handwerker (der Einzelhandelskaufmann muß seinen Betrieb aber so auszuüben, daß die Schwelle zum erlaubnispflichtigen Handwerk nicht überschritten wird1 ) oder sonstige "Dienstleister".

1 BverfG vom 31.3.2000, 1 BvR 608/99, in NVwZ 01, 187

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Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung, ob ein in kaufmännischer Weise einge-richteter Gewerbebetrieb erforderlich ist, sind -wie bereits bekannt- vor allem: • Jahresumsatz • Höhe des eingesetzten Kapitals • Art und Anzahl der Geschäftsvorgänge • Inanspruchnahme und Gewährung von Kredit • Größe und Beschaffenheit der Geschäftsräume • Anzahl der Beschäftigten • Art der Buchführung. Sofern der Geschäftsbetrieb eines Einzelkaufmanns oder einer Personengesell-schaft (oHG / KG) nach Art und Umfang als kaufmännisch anzusehen ist, besteht die gesetzliche Verpflichtung, die Firma zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, braucht das Unternehmen nicht dort eingetragen zu werden, für dieses ist nur die Gewerbeanmeldung erfor-derlich. Unterläßt ein Unternehmen die Eintragung in das Handelsregister, obwohl es aufgrund seines Geschäftsumfanges eintragungspflichtig ist, kann das Amtsge-richt die Anmeldung - gegebenenfalls durch Verhängung von Zwangsgeldern - durchsetzen. Erfordert ein Unternehmen keinen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb, so besteht keine Verpflichtung, wohl aber die Berechtigung, die Handelsregistereintragung zu beantragen. Sofern sich ein sol-ches Unternehmen freiwillig in das Handelsregister eintragen läßt, wird mit der Eintragung die Kaufmannseigenschaft erworben. Aus einer Gesellschaft bürgerli-chen Rechts (GbR) wird eine oHG. Welche Vorteile und Pflichten entstehen durch die Eintragung? Der Sinn einer Handelsregistereintragung erschöpft sich nicht in den bereits be-schriebenen Auskunfts- und Ordnungsfunktionen. Die Eintragung erweist sich in vielen Fällen für den Kaufmann auch von Vorteil, er erhält einen Vertrauensvorschuß. Die Eintragung vermittelt Vertragspartnern und Behörden einen ersten Eindruck vom Unternehmen. Durch die Eintragung in das Handelsregister wird nach außen erkennbar, daß sich der Betrieb der Anwen-dung kaufmännischer Regelungen und Gebräuche (insb. dem Handelsgesetzbuch ) unterwirft. Da inzwischen jeder Gewerbetreibende berechtigt ist, sich freiwillig in das Han-delsregister eintragen zu lassen, läßt die Eintragung keine Schlüsse auf die Grö-ßenverhältnisse des Unternehmens zu. Natürlich stellt sie auch keine Aussage über Bonität und Seriosität eines Unternehmens dar. Viele Banken und Handelsunternehmen machen die Aufnahme einer Geschäfts-verbindung von der Eintragung in das Handelsregister abhängig. Auch die Mit-gliedschaft in Fachverbänden hat oft die Handelsregistereintragung zur Vorausset-zung. Nur das in das Handelsregister eingetragene Unternehmen kann Prokuristen bestellen (§ 48 HGB); nur dieses ist berechtigt, eine oder mehrere selbständige Zweigniederlassungen zu gründen. Nur derjenige, der als Kaufmann, als Vorstand

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einer Aktiengesellschaft, als Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder als Vorstand einer sonstigen juristischen Person im Handelsregister eingetragen ist oder eingetragen war und das 30. Lebensjahr vollendet hat, kann das Ehrenamt eines Handelsrichters bei einer an einem Landgericht gebildeten Kammer für Handelssachen ausüben. Durch die Handelsregistereintragung wird der Firmenname gegenüber gleich- oder ähnlich lautenden Firmierungen geschützt, denn jede Firma muß sich von allen bereits im Handelsregister derselben Gemeinde eingetragenen Firmennamen deut-lich unterscheiden (§ 30 HGB). Auch hinsichtlich der Angaben auf dem Geschäftsbriefen gibt es besondere Rege-lungen. Grundsätzlich gilt, daß die im Handelsregister eingetragene Firma (Firmenbe-zeichnung) einschließlich des Rechtsformzusatzes vollständig und korrekt ange-geben sein muß. Der Ort der Niederlassung oder des Sitzes, sowie das Registergericht und die Handelsregisternummer müssen genannt werden. Die GmbH muß außerdem noch zusätzlich den vollen Familiennamen mit mindestens einem Vornamen aller Ge-schäftsführer angeben. Ähnliches gilt für die AG und die GmbH & Co. KG, welche zusätzlich zu den eigenen Angaben noch die entsprechenden Angaben der persönlich haftenden GmbH auf den Geschäftsbriefen zu machen hat. Aufgaben der Industrie- und Handelskammer Die Kammern sind verpflichtet, die Registergerichte bei der Verhütung unrichtiger Eintragungen, bei der Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters sowie beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch zu unterstützen (§ 126 FGG). In zweifelhaften Fällen hat das Registergericht eine gutachtliche Stel-lungnahme der Kammer einzuholen (§ 23 HRV). Um eine Zurückweisung der Anmeldung durch das Registergericht zu vermeiden, ist es ratsam, sich schon vor Antragstellung durch die örtlich zuständige Industrie- und Handelskammer bera-ten zu lassen. Die Kammer prüft insbesondere, ob bereits in der gleichen Gemeinde ansässige und eingetragene Unternehmen eine Firma führen, die zu Verwechslungen führen könnten. Um auszuschließen, daß überregional Firmen existieren, die nach wettbewerbs-rechtlichen Vorschriften wegen Verwechslungsgefahr eventuell Unterlassungsan-sprüche geltend machen könnten, kann eine zusätzliche überregionale Überprü-fung der Verwechslungsgefahr sinnvoll sein. Dies kann auch durch Einschaltung eines gewerblichen Informationsdienstes geschehen. Bei reinen Handelsbetrieben werden nur die Industrie- und Handelskammern von den Amtsgerichten zur Stellungnahme aufgefordert. Bei Handwerksbetrieben, die einen Antrag auf Eintragung in das Handelsregister stellen, werden auch die ört-lich zuständigen Handwerkskammern gutachterlich beteiligt. Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

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Beim Amtsgericht entstehen für die Eintragung in das Handelsregister Gebühren. Da die Anträge zur Eintragung der öffentlichen, d.h. der notariellen Beglaubigung bedürfen, ist die Einschaltung eines Notars erforderlich. Auch dieser erhebt für die Beurkundung Gebühren. Die Höhe der Gebühren für das Gericht und für den No-tar hängen ab vom sog. Geschäftswert, der sich wiederum nach dem Wert des Be-triebsvermögens richtet. Bei größeren Betriebsvermögen steigt naturgemäß auch der Geschäftswert. Die Gebührentabellen sind veröffentlicht im Gesetz über die Kosten in Angele-genheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung (KostO)). Fall 83: Welchen Zweck hat das Handelsregister? Offenkundigkeitsprinzip: Es dient der Offenlegung von wichtigen Rechtsver-hältnissen, die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr zwischen dem Kaufmann und Dritten von Interesse sind, z.B. Firma und Prokura (§§ 29, 53 HGB). Es nützt al-len Beteiligten. Der Außenstehende erfährt, wer haftet, wer vertritt usw.; der Kaufmann selbst schützt sich vor unbefugter Vertretung, Mißbrauch seiner Firma usw. Wichtige Vorschriften sind die §§ 8, 9 Abs. 1, 10, 12 und 14 HGB. Bei § 9 HGB fällt der Unterschied zum Grundbuch auf: Einsicht auch ohne Nachweis des Interesses. Fall 84: Am 1.1. wird dem X Prokura erteilt, am 2.1. schließt er als Prokurist ein Geschäft ab, am 3.1 wird die Prokura im Handelsregister eingetragen. Ist das Ge-schäft gültig? Eintragung deklaratorisch: Die Prokura wird durch einseitige Erklärung erteilt (§ 48 Abs. 1 HGB). Die gem. § 53 vorgeschriebene Eintragung ist rein deklarato-risch. Eine konstitutive Registereintragung enthalten z.B. die §§ 2 und 3 HGB. Die Vertretung war also wirksam. Fall 85: Am 1.1. wird bei einer Firma der Prokurist P gefeuert. Dies wird am 4.1. im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht. Am 8.l. kassiert P bei dem gutgläubigen Kunden K einen Außenstand von 1.000 DM. Hat X befreiend ge-zahlt? Publizität des Handelsregisters: Gem. § 15 Abs. 2 HGB hat X nicht befreiend gezahlt, wenn ihm nicht der Beweis gelingt, daß seine Unkenntnis des Handelsre-gisters nicht auf Fahrlässigkeit beruhte. Dieser Beweis wird nur selten zu führen sein, da man im allgemeinen die einschlägigen Veröffentlichungen lesen muß, wenn man in Kaufmannskreisen verkehrt.

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Fall 86: Am 1.2. entläßt die Firma wieder einen Prokuristen (P). Am 8.2. wird das Erlöschen der Prokura im Handelsregister eingetragen. Noch am 4.2. nimmt P bei gutgläubigen Kunden im Namen der Firma Kredite auf und setzt sich mit dem Geld nach Amerika ab. Können sich die Kunden an die Firma halten? Eintragung der Prokura und deren Erlöschen erforderlich: Nach § 53 Abs. 3 HGB ist auch das Erlöschen der Prokura eine im Register einzutragende Tatsache. Gem. § 15 Abs. 1 HGB muß der Prinzipal das Geschäft gegen sich gelten lassen. Für § 15 Abs. 1 HGB gilt der Satz: Dem Schweigen des Registers ist zu trauen. Fall 87: Wie wäre es, wenn P erst am 15.1. Prokura erhalten hätte und weder die Erteilung noch der Widerruf im Register eingetragen waren? Das Erlöschen muß auch eingetragen werden, selbst wenn die Erteilung bisher noch nicht im Register stand (§ 53 Abs. 3 HGB). Die Firma haftet also wieder über § 15 Abs. 1 HGB. Fall 88: Infolge einer Verwechslung wird nicht A, sondern der unbeteiligte B als Prokurist der Firma X eingetragen und bekanntgemacht. B erfährt zufällig davon und schließt gleich namens des X ein größeres Geschäft mit einem gutgläubigen Dritten ab. Ist der nichtsahnende X dadurch verpflichtet? Haftung auch bei unrichtiger Eintragung: Ist eine einzutragende Tatsache un-richtig bekanntgemacht, so kann sich ein Dritter demjenigen gegenüber, in dessen Angelegenheiten die Tatsache eingetragen war, auf die bekanntgemachte Tatsache berufen, es sei denn, daß er die Unrichtigkeit kannte (§ 15 Abs. 3 HGB). X haftet auch ohne Verschulden. Für § 15 Abs. 3 HGB gilt der Satz: Dem Reden des Re-gisters ist zu trauen. Fall 89: Der Dorf-Figaro F wird gem. § 2 HGB im Handelsregister eingetragen. F bestellt seinen einzigen Lehrling L zum Prokuristen. L geht gegenüber X, der den Sachverhalt kennt, eine Wechselverbindlichkeit über 100 000 DM zu Lasten des F ein. Nun beruft sich F darauf, daß für ihn das HGB mangels kaufmännischer Ein-richtung gem. § 2 HGB nicht anwendbar sei und daß eine Prokura nicht vorliege. Hat er recht?

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Haftung des Kaufmanns i.S. von § 2 HGB: Ist eine Firma im Handelsregister eingetragen, so kann gegenüber demjenigen, welcher sich auf die Eintragung be-ruft, nicht geltend gemacht werden, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe sei (§ 5 HGB). Da in § 5 HGB vom guten Glauben nicht die Rede ist, haftet F als sog. Scheinkaufmann über die §§ 5 und 49 HGB. Fall 90: Der im Handelsregister eingetragene S verlangt von einem säumigen Ge-schäftsfreund, dem Kaufmann A, gem. § 352 HGB 5% Verzugszinsen statt den gem. § 288 BGB üblichen 4%. Zulässig? Kaufmann in vollem Umfang: S gilt gem. § 5 HGB in jeder Beziehung als Kaufmann. Irgendeine Einschränkung, etwa, daß die Kaufmannsfiktion nur zuun-gunsten des S gelte, ist im Gesetz nicht enthalten. S kann also 5 % Zinsen verlan-gen.

Die positive Publizität (§ 15 III HGB) Voraussetzungen:

• eintragungspflichtige Tatsache

• Bekanntmachung

• Unrichtigkeit der Bekanntmachung, str. a.A.: nur Bekanntmachungsfehler h.M.: Unrichtigkeit = keine Übereinstimmung mit den

Tatsachen

• h.M.: Veranlassung der Eintragung und Bekanntmachung (nicht der Fehlerhaftigkeit) a.A.: Steckhahn: „in dessen Angelegenheiten“ Frage: hat die betroffene Person solche Angelegenheiten?

• Guter Glaube des Dritten (–), wenn Kenntnis der Unrichtigkeit

Die negative Publizität (§ 15 I HGB)

Voraussetzungen: • Eintragungspflichtige Tatsache

deklaratorische, nicht konstitutive

• Schweigen des Registers Positive Unwahrheit nicht entscheidend Keine Voreintragung erforderlich

• „in dessen Angelegenheiten“ Grund der fehlenden Eintragung unerheblich

• Gutgläubigkeit des Dritten Abstrakter Vertrauensschutz

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Fall 91: Der Minderjährige X ist zum selbständigen Betrieb einer Handelsfirma ermächtigt (§ 112 BGB). Ohne die erforderliche Genehmigung gem. §§ 112 Abs. 1 Satz 2, 1822 Nr. 11 BGB bestellt er einen Prokuristen. Versehentlich wird die ungültige Prokura auch noch im Register eingetragen. Wird X durch die Handlun-gen des Prokuristen verpflichtet?

Vorrang des Minderjährigenschutzes: Die Rechtsprechung räumt dem Minder-jährigenschutz absoluten Vorrang ein. Daher kommt hier § 15 Abs. 3 HGB nicht zur Anwendung. X wird nicht verpflichtet. 3. Rechtsscheinshaftung Fall 92: Der kleine Landfriseur F möchte in der Großstadt einmal als Mann von Welt auftreten - besonders, weil ihn seine neue Freundin begleitet. In einem Münchner Lokal trifft er eine Gruppe von Kaufleuten. Ihnen erzählt er von seiner Firma und seinen großen Umsätzen. Unter anderem kauft er bei einem aus der Gruppe seinen Rasierseifenbedarf für die nächsten fünf Jahre, bei einem anderen gibt er eine mündliche Bürgschaftserklärung ab. Ist sie gültig? Scheinkaufmann kraft Auftretens: An sich ist die mündliche Bürgschaftserklä-rung gem. §§ 766 BGB, 350 HGB nichtig, da F gem. §§ 1, 2 HGB gar kein Kauf-mann ist. Auch § 5 HGB ist nicht einschlägig, da von einer Registereintragung nicht die Rede ist. Hier hat die Rechtsprechung als Sonderform der allgemeinen Lehre vom Rechtsschein die Figur des Scheinkaufmanns kraft Auftretens aner-kannt. D.h., wer als Kaufmann auftritt, muß sich vom gutgläubigen Dritten als solcher behandeln lassen. F haftet daher als Bürge.

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Unterschied zum Kaufmann kraft Eintragung: Die Lehre vom Kaufmann kraft Auftretens gilt nur bei Gutgläubigkeit und nur zugunsten des Gutgläubigen, wäh-rend § 5 HGB (Kaufmann kraft Eintragung) Gutgläubigkeit nicht voraussetzt und für und gegen jedermann gilt. Diese Grundsätze gelten aber nicht, wenn der Geschäftsinhaber nicht voll geschäftsfähig ist. Teil D: Grundzüge des Gesellschaftsrechts Gesellschaft ist jede privatrechtsgeschäftlich begründete Vereinigung von Perso-nen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. I. Rechtsquellen des Gesellschaftsrechts • BGB: Rechtsfähiger Verein (§§ 21-53, 55-79 BGB) Nichtrechtsfähiger Verein (§ 54 BGB) BGB-Gesellschaft (§§ 705-740 BGB) • HGB: Offene Handelsgesellschaft - OHG (§§ 105-160 HGB) Kommanditgesellschaft - KG (§§ 161-177a HGB) Stille Gesellschaft - StG (§§ 230-237 HGB) Reederei (§§ 489-509 HGB) • GmbHG: Gesellschaft mit beschränkter Haftung - GmbH (§§ 1 ff. GmbHG) • AktG: Aktiengesellschaft - AG (§§ 1 ff. AktG) Kommanditgesellschaft auf Aktien - KGaA (§§ 278-290 AktG) • GenG: Eingetragene Genossenschaft - eG (§§ 1 ff. GenG) • VAG: Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit - VVaG (§§ 7, 15-53 VAG) Die wichtigsten Gesellschaften sind BGB-Gesellschaft, OHG, KG, GmbH und AG. II. Rechtsnatur der wichtigsten Gesellschaften • Keine juristischen Personen: BGB-Gesellschaft

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( aber Rechtssubjekte ) OHG KG • Juristische Personen: GmbH, AG

Juristische Person

Voraussetzung um am Rechtsverkehr teilnehmen zu können ist die Rechtsfähig-keit. Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit von natürlichen und juristischen Per-sonen ( sowie nach der neuesten Rspr. des BGB auch die GbR ) Träger von

Rechten und Pflichten zu sein.

Sie ist die Zusammenfassung von Personen oder Sachen zu einer rechtlich selb-ständigen und von den Personen getrennten Einheit. Nach der Rechtsordnung ist die juristische Person rechtsfähig und somit Träger von Rechten und Pflichten; die Rechtsfähigkeit und damit die Qualität einer juristischen Person geschieht durch einen staatlich sanktionierten Akt. Die Rechtsordnung behandelt sie soweit mög-lich wie natürliche Personen (Menschen). Das bedeutet z.B., dass sie einen eige-nen rechtlich geschützten Namen tragen, mit dem eigenen Vermögen haften und Grundrechte geltend machen können. Juristische Personen sind vom Bestand ihrer Mitglieder unabhängig, d.h. selbst wenn alle Gesellschafter sterben, "stirbt" die juristische Person nicht. Juristische Personen handeln durch Ihre Organe, z.B. den Vorstand. Dieser besteht aus natürlichen Personen.

Deshalb sind Gesamthandsgemeinschaften und Gemeinschaften zu Bruchteilen keine juristischen Personen, weil in diesen Fällen nur die Mitglieder der Gemein-schaft Träger von Rechten und Pflichten sind.

Man unterscheidet zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffent-lichen Rechts. Zu den juristischen Personen des Privatrechts gehören insbesondere die

• Vereine (§ 21 BGB: Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftli-chen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintra-gung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts), die

• Stiftungen ( § 88 BGB: Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung ist außer dem Stiftungsgeschäfte die Genehmigung des Bundesstaats erforder-lich, in dessen Gebiete die Stiftung ihren Sitz haben soll. Soll die Stiftung ihren Sitz nicht in einem Bundesstaate haben, so ist die Genehmigung des Bundesrats erforderlich.), die

• Aktiengesellschaften (§ 1 Aktiengesetz : (1) Die Aktiengesellschaft ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Für die Verbindlich-

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keiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermö-gen.), die

• Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 13 GmbHG: Die GmbH ist juristische Person: (1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen),. die

• Genossenschaften sowie die

• Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA).

Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind Rechtssubjekte, die sowohl auf privatrechtlichem als auch auf öffentlich-rechtlichem Gebiet Rechtsfähigkeit besitzen. Das BGB setzt gewissermaßen voraus, daß sie auf Grund öffentlich-rechtlicher Anerkennung (z.B. die Kirchen) bestehen und nur durch Gesetz oder Hoheitsakt errichtet werden können. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts teilt man ein in:

• Körperschaften des öffentlichen Rechts (= mitgliedschaftlich organisierte Verbände, wie z.B. Gemeinden, Industrie- und Handelskammer, Ärzte-kammer usw.),

• Anstalten des öffentlichen Rechts (= Einrichtungen, die zur Erfüllung öf-fentlicher Aufgaben mit personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet sind, wie z.B. die Deutsche Bundesbank, öffentliche Sparkassen, Schulen usw.),

• Stiftungen des öffentlichen Rechts (= Organisationen mit dem Zweck der Verwaltung eines Bestandes an Vermögenswerten, wie z.B. Stiftung Wa-rentest, Stiftung preußischer Kulturbesitz usw.).

Strukturunterschiede Personengesellschaften Kapitalgesellschaften Bei den Personengesellschaften ent-steht kein voll selbständiges Rechts-subjekt. Die OHG und die KG sind gem. §124 HOB (i.V.m. § 161 II HGB) teilrechtsfähig. Eine entsprechend §124 HGB bestehende Teilrechtsfähigkeit

Die Kapitalgesellschaft ist als juristi-sche Person rechtlich voll verselbstän-digt. Sie ist selbst Trägerin von Rech-ten und Pflichten

(§ 111 AktG, § 13 I GmbHG).

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der GbR ist umstritten (Stichwort: We-sen der Gesamthand).

Eine GbR ist vom Bestand ihrer jewei-ligen Mitglieder abhängig, vgl. § 727 I BGB. Von diesem dispositiven Recht kann aber abgewichen werden (Stich-wort: Fortsetzungsklausel). Anders bei OHG/ KG, vgl. §§ 131 II, III, 177 HGB.

Ein Mitgliederwechsel berührt den Bestand einer Kapitalgesellschaft nicht.

Aus der persönlichen Bindung der Ge-sellschafter einer Personengesellschaft folgt im Grundsatz das Einstimmig-keitsprinzip (§ 709 I BGB, § 119 I HGB). Abweichungen hiervon sind üblich und zulässig (Stichwort: Be-stimmtheitsgrundsatz).

Geltung des Mehrheitsprinzips (§ 133 I AktG, § 47 I GmbHG).

Haftung der Gesellschafter mit per-sönlichem Vermögen unmittelbar und gesamtschuldnerisch für die Verbind-lichkeiten der Gesellschaft (Ausnahme bei der KG: Kommanditisten, §§ 171 ff. HGB).

Keine persönliche Haftung der Mit-glieder, vgl. § 1 I 2 AktG, § 13 11 GmbHG (Ausnahme: Komplementär der KGaA, § 278 I AktG).

Eine Personengesellschaft handelt durch ihre Gesellschafter (Prinzip der Selbstorganschaft).

Kapitalgesellschaften handeln durch ihre Organe (Prinzip der Fremdorgan-schaft).

Bei den Personengesellschaften haben die Gesellschafter vollen Einfluß auf die Geschäftsführung, vgl. §§ 114-116 HGB (Ausnahme: § 164 HGB).

Bei der AG ist ein Einfluß der Aktio-näre auf die Geschäftsführung weitge-hend ausgeschlossen (vgl. § 119 n AktG). Dahingegen hat die Gesell-schafterversammlung der GmbH vollen Einfluß auf die Geschäftsführung (vgl. § 37 I GmbHG).

Im Personengesellschaftsrecht gilt weitgehend dispositives Recht (Aus-nahmen z.B. §§ 128, 170 HGB).

Das Recht der AG ist weitgehend zwingend, vgl. § 23 V AktG; bei der GmbH findet sich zwingendes und dispositives Recht.

Die Einlagepflicht jedes Gesellschaf-ters kann beliebigen Inhalt haben, auch z.B. Arbeitsleistung (modifiziert für Hafteinlage des Kommanditisten einer KG).

Die Einlagepflicht jedes Gesellschaf-ters muß ihrem Inhalt nach der Gesell-schaft liquidierbare Vermögenswerte zuführen, die mindestens dem über-nommenen Nennbetrag entsprechen.

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Kein Verbot der Grenzverschiebung zwischen Gesellschafts- und Gesell-schaftervermögen (beliebige Entnahme zulässig auch bei KG, umstritten bei GmbH & Co. KG).

Vermögensbindung: bei AG ist Aus-schüttung nur des Bilanzgewinns er-laubt (§ 57 III AktG), bei GmbH sind Entnahmen nur bis zur Grenze des Stammkapitals gestattet (§ 30 I GmbHG).

Übertragbarkeit der Gesellschafter-stellung grds. nur mit Zustimmung aller Gesellschafter möglich.

Grundsätzlich freie Übertragbarkeit der Mitgliedschaft (Ausnahmen: § 68 II AktG für Namensaktien, § 15 V GmbHG für GmbH-Anteile).

Eintragung ins Handelsregister: wo sie überhaupt stattfindet (OHG, KG), hat sie nur deklaratorischen Charakter (Ausnahme: § 123 n i.V.m. §§ 2, 3. 105 n HGB); daher findet auch keine ge-nauere Kontrolle durch Rechtspfleger statt.

Eintragungen im Handelsregister sind konstitutiv; daher bestehen um-fangreiche Kontrollrechte und -pflichten des Registerrichters.

Besteuerung nur der Einkünfte der Gesellschafter (bei der ESt der Gesell-schafter).

Besteuerung nur der Einkünfte der Ge-sellschafter (bei der ESt der Gesell-schafter).1

Fall 93: Die Arbeiter A und B erwerben gemeinschaftlich einen Pkw, um damit gemeinsam zur Arbeit zu fahren. Wer wird Eigentümer des Pkw? Lösung: A und B haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusam-mengeschlossen (§§ 705 ff. BGB). Die BGB-Gesellschaft ist keine juristische Person, aber nach neuester Auffassung des BGH ( siehe unten ) (teil-)rechtsfähig, soweit sie eigene Rechte und Pflichten begründen kann. Dies sind z. B. die Fähigkeit der GbR, sich als Gründerin und Gesellschafterin an einer Genossenschaft, HGB oder GbR zu beteiligen sowie die Scheck- und Wechselfähigkeit. Unter Rechtsfähigkeit in diesem Sinn versteht der

1 Nach Timm, Handels- und Wirtschaftsrecht, Band 1, 2.Aufl. 1999, S.73 – 75 (§ 4 Rz.22)

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BGH die Möglichkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Der BGH hält die BGB-Gesellschaft prinzipiell für rechtsfähig, es sei denn, besondere gesetzli-che Bestimmungen würden dies verbieten. Es muß nach der Ansicht des BGH also eine Norm geben, deren Zweck es ausschließt anzunehmen, daß die BGB-Gesellschaft auf den Anwendungsbereich dieser Norm bezogen Trägerin von Rechten sein kann. Jedenfalls das Scheckgesetz verbiete die Annahme der Rechts-fähigkeit der BGB-Gesellschaft nicht. Daher ist die BGB-Gesellschaft scheckfä-hig, aber nicht fähig, Eigentum zu erwerben. Aus Geschäften, die im Rahmen der Gesellschaft vorgenommen werden, ergeben sich stets nur Rechte und Pflichten für die Gesamtheit der Gesellschafter. Das Gesellschaftsvermögen wird gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter. Es ist Gesamthandsvermögen (§§ 718, 719 BGB).

Excurs: Der BGH hat mit einem bahnbrechenden Urteil vom 29.1.20011 seine frühere Rechtsmeinung aufgegeben und damit eine Annäherung der GbR an eine jur. Person fortgeschrieben.

Leitsätze

1. Die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten be- gründet. 2. In diesem Rahmen ist sie zugleich im Zivilprozeß aktiv- und passiv parteifä- hig. 3. Soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bürgerli- chen Rechts persönlich haftet, entspricht das Verhältnis zwischen der Verbind- lichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen bei der OHG (Akzessorietät) - Fortführung von BGHZ 142, 315. Aus den Gründen ( Auszüge ) : Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Gesellschaft bür-gerlichen Rechts als Gesamthandsgemeinschaft ihrer Gesellschafter im Rechts-verkehr grundsätzlich, das heißt soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegen-stehen, jede Rechtsposition einnehmen (BGHZ 116, 86, 88; 136, 254, 257; im Ansatz auch bereits BGHZ 79, 374, 378 f.). Soweit sie in diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, ist sie (ohne juristische Person zu sein) rechtsfä-hig (vgl. § 14 Abs. 2 BGB). Über die Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts finden sich im Gesetz keine umfassenden und abschließenden Regeln. Die Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung und das erkennbare Bestreben des historischen Gesetzgebers, eine konkrete Festlegung zu vermeiden, lassen Raum für eine an den praktischen Bedürfnissen der Verwirklichung des Ge- 1 BGH, II ZR 331/01, in NJW 2001, 1056

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samthandsprinzips orientierte Beurteilung der Rechtsnatur der Gesellschaft bür-gerlichen Rechts. Danach verdient die Auffassung von der nach außen bestehen-den beschränkten Rechtssubjektivität der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft den Vorzug. Diese Auffassung geht auf die deutsch-rechtliche Gesamthandslehre des 19. Jahrhunderts zurück Dieses Verständnis der Rechtsnatur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthandsge-meinschaft bietet ein praktikables und weitgehend widerspruchsfreies Modell für die vom Gesetz (§§ 718-720 BGB) gewollte rechtliche Absonderung des Gesell-schaftsvermögens vom Privatvermögen der Gesellschafter. Die sogenannte traditi-onelle Auffassung, die ausschließlich die einzelnen Gesellschafter als Zuord-nungssubjekte der die Gesellschaft betreffenden Rechte und Pflichten ansieht Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjek-tivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im oben beschriebenen Sinne besteht darin, daß danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluß auf den Fort-bestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat (vgl. Senat, BGHZ 79, 374, 378 f.). Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müßten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt wer-den. Die hier vertretene Auffassung ist zudem eher in der Lage, identitätswahrende Umwandlungen von Gesellschaften bürgerlichen Rechts in andere Rechtsformen und aus anderen Rechtsformen zu erklären. Betreibt eine Gesellschaft bürgerli-chen Rechts ein Gewerbe, dann wird sie von Gesetzes wegen ohne jeden Publizi-tätsakt zu einer personen- und strukturgleichen OHG, sobald das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbe-trieb erfordert (§ 105 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 HGB). Da der OHG jedenfalls Rechtssubjektivität im oben beschriebenen Sinne zukommt (vgl. § 124 Abs. 1 HGB), würden sich bei konsequenter Anwendung der traditionellen Auffassung die Eigentumsverhältnisse an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Ge-genständen mit der Umwandlung zur OHG ändern. Dies würde für die Praxis ins-besondere deshalb schwierige Probleme bereiten (vgl. Reiff, ZIP 1999, 517, 518 f.), weil für den Übergang von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur OHG in-folge des wertungsabhängigen Kriteriums des Erfordernisses eines kaufmänni-schen Geschäftsbetriebs ein genauer Zeitpunkt der Umwandlung kaum ausge-macht werden kann. Schließlich unterstützt die Tatsache, daß der Gesetzgeber mittlerweile die Insol-venzfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO wie auch schon § 1 Abs. 1 GesO), die Gesellschaft mithin als Träger der Insolvenzmasse ansieht, ebenfalls die Annahme der Rechtssubjektivität. Erkennt man die Fähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts an, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, kann ihr die Parteifähigkeit im Zivilprozeß, die gemäß § 50 ZPO mit der Rechtsfähigkeit korrespondiert, nicht abgesprochen wer-den.

Die Gesamthandsgemeinschaft: Sie kann unter ihrem Namen gewisse Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Aus Geschäften, die im Rahmen der Gemein-

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schaft vorgenommen werden, ergeben sich stets nun Rechte und Pflichten für die Gesellschaft. Das Gesellschaftsvermögen wird gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter. Es ist Gesamthandsvermögen (§§ 718, 719 BGB). Im Gegensatz zur Bruchteilsgemeinschaft stehen bei einer Gesamthandsgemeinschaft die Ver-mögensteile als Ganzes den Mitgliedern gemeinschaftlich zu. Die Mitglieder der Gemeinschaft können also auch nur gemeinsam über den Vermögensgegenstand verfügen. Eine Gesamthandsgemeinschaft entsteht bei einer Gesellschaft bürgerli-chen Rechts, einer Erbengemeinschaft und bei einer Gütergemeinschaft.

Fall 94: Die X-GmbH erwirbt einen Pkw. Wer wird Eigentümer des Pkw? Lösung: Die GmbH, da sie eine juristische Person ist. Die GmbH ist eine Körperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Per-son), die ein in Stammeinlagen zerlegtes Stammkapital hat und ihren Gläubigern mit ihrem gesamten Vermögen (unbeschränkt) haftet. Ihre Geschäftsanteile kön-nen von einem oder mehreren Gesellschaftern gehalten werden, die den Gesell-schaftsgläubigern nicht persönlich haften. Aus ökonomischer Sicht hat der Ge-setzgeber also auch mit den Vorschriften über die GmbH eine gewisse Externali-sierung von Risiken ermöglicht, die von den Gesellschaftern auf Dritte verlagert werden können. Die Rechtsform der GmbH wurde im 19. Jahrhundert geschaffen. Seither ist das GmbH-Recht trotz zahlreicher Novellierungen im Kern nicht ver-ändert worden. Die GmbH ist die bei weitem häufigste Form der Kapitalgesell-schaft. Ende 1992 existierten in Deutschland insgesamt 549.659 Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegenüber nur 3.219 Aktiengesellschaften. Als Körperschaft ist die GmbH von ihrem Mitgliederbestand unabhängig. Als juristische Person ist sie Trägerin von allen Rechten und Pflichten (rechtsfähig) und kann wie eine natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen. Sie kann also Verträge schließen, als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen, klagen oder ver-klagt werden. Geschäftsführung und Vertretung können durch Nichtgesellschafter wahrgenommen werden (Fremdorganschaft). Mit Eintragung in das Handelsregis-ter wird die GmbH Handelsgesellschaft (§ 13 Abs. 3 GmbHG). Sie unterliegt da-mit den für Kaufleute geltenden Vorschriften auch dann, wenn sie kein Grundhan-delsgewerbe oder überhaupt kein Gewerbe betreibt. Als Kapitalgesellschaft muß die GmbH ein gesetzlich vorgegebenes (Mindest-) Stammkapital haben, zu dessen Aufbringung sich die Gesellschafter bei ihrer Gründung verpflichten müssen und das während ihres Bestehens geschützt und erhalten wird. Sie haftet ihren Gläubi-gern mit ihrem gesamten Vermögen. Die Bezeichnung "Gesellschaft mit be-schränkter Haftung" ist also irreführend und mißverständlich. Eine Haftungsbe-schränkung besteht nicht für die GmbH, sondern lediglich für die GmbH-Gesellschafter. Sie haften den Gesellschaftsgläubigern nicht persönlich, wenn sie ihre Einlage erbracht haben. Sie müssen also nicht mit ihrem Privatvermögen für die Gesellschaftsschulden einstehen.

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III. BGB-Gesellschaft 1. Anwendungsbereich - Abgrenzung zu OHG und KG Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Grundform der Personengesellschaft. Sie liegt vor, wenn mehrere Personen sich in Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen, ohne ein Handelsgewerbe zu betreiben und ohne eine andere, spezielle Rechtsform für die Kooperation zu vereinbaren. Im Wirt-schaftsleben kommt diese Gesellschaftsform häufig im kleingewerblichen Be-reich, bei Sozietäten von Ärzten, Rechtsanwälten und anderen Freiberuflern und bei Kooperationen mehrerer Unternehmen anläßlich eines gemeinsamen Projekts, wie beispielsweise der bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft (ARGE), vor. Fall 95: Die Studenten der Betriebswirtschaft A und B wollen im Sommersemes-ter gemeinsam einen Coca-Cola-Stand vor der Fachhochschule Landshut betrei-ben, um ihr Stipendium aufzubessern. A, der gerade die erste Stunde seiner HGB-Vorlesung hinter sich gebracht hat, meint, als Kaufleute müßten sie wohl eine offene Handelsgesellschaft (OHG) gründen. Stimmt das?1 Keine OHG bei geringem Geschäftsbetrieb: Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine OHG, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist. Auch für die OHG gilt die Begriffsbe-stimmung des § 1 HGB. Wenn die OHG nicht in das Handelsregister eingetragen ist, handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft; §§ 705 ff. BGB). Bei einer BGB-Gesellschaft verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, auf einem bestimmten Gebiet alles gemeinsam zu tun. Die Gesell-schaft ist also eine auf Vertrag beruhende Personenvereinigung zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Beispiele für BGB-Gesellschaft: Gemeinsame Anwaltskanzlei; selbständige Mu-sikergruppe; auch vorübergehende Zweckgemeinschaften, z.B. Hausfrauen, die gemeinsame Sammelbestellungen aufgeben; Studenten, die gemeinsam ein Auto zur Fahrt an die Universität kaufen. 2. Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht

1 Ein Teil der Fälle und Lösungen abgewandelt aus Schwind/Hassenpflug/Nawratil, HGB.

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Fall 96: Die Bauunternehmer Stein und Erdmann schließen sich zusammen, um im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft eine Straße zu bauen. Wer kann bestim-men, was in der Gesellschaft passiert? Lösung: Hier ist Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht zu unter-scheiden. Unter Geschäftsführungsbefugnis ist die Befugnis zu verstehen, den anderen Gesellschaftern gegenüber zur Besorgung der Geschäfte der Gesellschaft berech-tigt zu sein. Die Geschäftsführungsbefugnis beinhaltet ein besonderes Recht zur Verwaltung des Gesellschaftsvermögens, das den Gesellschaftern aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft zusteht. Die Berechtigung zur Geschäftsführung und ihr Umfang ergeben sich aus dem Verhältnis der Gesellschafter untereinan-der (Innenverhältnis). Nach der gesetzlichen Regelung steht die Geschäftsfüh-rungsbefugnis den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 709 BGB; zur Ausnahme § 710 BGB). Die Vertretungsmacht stellt das Recht eines Gesellschafters dar, die Gesell-schaft in ihrer Gesamtheit Dritten gegenüber zu berechtigen und zu verpflichten (Außenverhältnis). Die Rechtsgeschäfte, die ein vertretungsberechtigter Gesell-schafter innerhalb seiner Vertretungsmacht mit Dritten abschließt, wirken unmit-telbar für und gegen alle Gesellschafter, nicht nur für und gegen die geschäftsfüh-renden und vertretungsberechtigten Gesellschafter. Zur Vertretung sind grund-sätzlich die geschäftsführenden Gesellschafter befugt (§ 714 BGB). Die Gesell-schafter sind Gesamtschuldner (§§ 714, 709, 164, 420, 427, 421 BGB). Die gesetzlichen Regelungen können abbedungen werden. Die aktive und passive Parteifähigkeit wird neuerdings vom BGH1 anerkannt, d.h. eine GdB kann, vertreten durch einen Geschäftsführer, im eigene Namen vor Gericht klagen und verklagt werden. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft, neuerdings auch GbR abgekürzt) rechts-fähig und parteifähig ist, soweit sie als Teilnehmer am Rechtsverkehr eigene (ver-tragliche) Rechte und Pflichten begründet. Das Reichsgericht und später der Bundesgerichtshof standen zunächst auf dem Standpunkt, daß die Gesellschaft selbst nicht rechtsfähig sei, sondern daß aus den von der Gesellschaft geschlossenen Geschäften ausschließlich die Gesellschafter selbst berechtigt und verpflichtet würden. Im Laufe der Zeit ging der Bundesge-richtshof aber zunehmend dazu über, die Gesellschaft als Gruppe der in ihr zu-sammengeschlossenen Gesellschafter selbst als Träger der in ihrem Namen be-gründeten Rechte und Pflichten anzusehen. So hat er die Gesellschaft beispiels-

1 BGH vom 29.1.2001; II ZR 331/00

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weise für fähig erachtet, Mitglied in anderen Gesellschaften zu werden oder Scheckverbindlichkeiten einzugehen. Gleichwohl hat es auch der Bundesgerichts-hof bisher abgelehnt, die Gesellschaft selbst im Zivilprozeß als klagende oder be-klagte Partei zuzulassen. Infolgedessen mußten im Zivilprozeß bisher immer sämtliche Gesellschafter selbst (als sog. Streitgenossen) verklagt werden, wenn anschließend in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden sollte. Dies hatte im Klage- und Vollstreckungsverfahren, wenn die genaue Zusammensetzung des Gesellschafterkreises nicht bekannt oder umstritten war, immer wieder zu erhebli-chen praktischen Problemen bei der Rechtsverfolgung geführt, so beispielsweise bei Publikumsgesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die über eine Vielzahl von Mitgliedern verfügen und deren Mitglieder-bestand sich kontinuierlich verändert. Mit der jetzt verkündeten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese prakti-schen Probleme für die Rechtssuchenden beseitigt. Wenn die Gesellschaft selber und nicht ihre einzelnen Gesellschafter als Träger der in ihrem Namen begründe-ten Rechte und Pflichten anzusehen ist, so kann ihr insoweit eigene Rechtsfähig-keit nicht abgesprochen werden. Konsequenterweise muß sie diese Rechte auch selber (vertreten durch den oder die jeweils geschäftsführenden Gesellschafter) vor Gericht als Klägerin geltend machen (sog. aktive Parteifähigkeit) oder vor Gericht als Beklagte auf die Erfüllung ihrer Pflichten verklagt werden können (sog. passive Parteifähigkeit). Infolgedessen ist zur Vollstreckung in das Gesell-schaftsvermögen künftig nicht mehr die Erwirkung eines Urteils gegen sämtliche, möglicherweise gar nicht bekannten Gesellschafter erforderlich. Es genügt ein Urteil (oder ein sonstiger Vollstreckungstitel) gegen die Gesellschaft selber. Der Erwirkung eines Urteils gegen einen Gesellschafter persönlich bedarf es nur, wenn auch in dessen Privatvermögen vollstreckt werden soll. Dazu stellt das jetzt verkündete Urteil in Fortführung einer früheren Entscheidung klar, daß die Gesell-schafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vorbehaltlich einer anderweitigen Absprache mit dem Gläubiger) für die während ihrer Zugehörigkeit zu der Gesell-schaft begründeten vertraglichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in ihrem je-weiligen Bestand, z.B. auch bei Erhöhung durch Verzugszinsen, auch persönlich mit ihrem privaten Vermögen haften (sog. Prinzip der Akzessorietät der Gesell-schafterhaftung). Die Haftung der Mitglieder jedenfalls einer wirtschaftlich tätigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts gestaltet sich insoweit ähnlich derjenigen einer offenen Handelsgesellschaft. Konkret ging es in dem entschiedenen Fall darum, daß die Klägerin eine ARGE in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts neben ihren Gesellschaftern auf Zahlung einer in ihrem Namen begründeten Wechselverbindlichkeit in An-spruch genommen hat. Das Oberlandesgericht Nürnberg als Vorinstanz hat die gegen die Gesellschaft gerichtete Klage auf der Grundlage der bisherigen Auffas-sung als unzulässig abgewiesen, weil die ARGE als Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Zivilprozeß nicht parteifähig sei. Diese Entscheidung konnte nach An-erkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft durch den Bundesgerichtshof kei-nen Bestand haben. Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00

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3. Beendigung der Gesellschaft Fall 97: Wie lange besteht die Gesellschaft? Lösung: Das Gesetz sieht mehrere Beendigungsgründe vor: • Kündigung durch Gesellschafter (§§ 723, 724 BGB) • Kündigung durch Pfändungspfandgläubiger (§ 725 BGB) • Auflösung wegen Erreichens oder Unmöglichwerden des Zwecks (§ 726

BGB) • Auflösung durch Tod eines Gesellschafters (§ 727 BGB) • Auflösung durch Konkurs eines Gesellschafters (§ 728 BGB) Zur Auseinandersetzung vgl. §§ 730 ff. BGB. 4. Ausscheiden eines Gesellschafters Fall 98: Eine Gesellschaft besteht aus A, B und C. Jeder ist zu 1/3 beteiligt. A möchte aus der Gesellschaft ausscheiden. Lösung: Hinweis auf die §§ 736 ff. BGB. Der Anteil des A wächst B und C zu. Sie sind dann zu ½ beteiligt. Zur Ausgleichspflicht vgl. §§ 738-740 BGB. IV. OHG 1. Anwendungsbereich Fall 99: Frau Holz und Frau Wurm wollen gemeinsam eine große Möbelhand-lung betreiben. Um welchen Personenzusammenschluß handelt es sich hierbei? OHG bei Mußkaufmann: Wenn sie sich zu einer Gesellschaft unter gemeinsa-mer Firma zusammenschließen, bilden sie eine OHG, denn sie betreibt das Han-delsgewerbe eines Mußkaufmanns (§ 1 Abs. 2 HGB).

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2. Unterschiede zur BGB-Gesellschaft Fall 100: Eines Tages entdecken Sie, daß im Grundbuch eine Fa. Meier und Co. OHG als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen ist. Handelt es sich um einen Irrtum des Grundbuchbeamten? Eigentumserwerb durch OHG möglich: Eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) kann im Gegensatz zu den juristischen Personen nicht selbst Träger von Rechten sein; denn bei ihr steht das Eigentum den Gesellschaf-tern in ihrer gesamthänderischen Verbindung zu. § 124 HGB verankert für die OHG eine wichtige Abweichung hiervon; die OHG tritt nach außen wie eine juris-tische Person auf. Nach herrschender Meinung kann sie sogar Erbe werden. Aus der Titelüberschrift vor § 123 HGB („Rechtsverhältnisse der Gesellschafter zu Dritten“) folgt aber, daß dies nur im Außenverhältnis gilt. Für das Innenverhältnis ist in §§ 109 ff. HGB nichts geregelt, also bleibt es hier beim Gesamthandseigen-tum. Die OHG nimmt also eine seltsame Zwitterstellung zwischen juristischer Person und BGB-Gesellschaft ein. Fall 101: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen BGB-Gesellschaft und OHG? Lösung: Es bestehen folgende Gemeinsamkeiten: Auch die OHG ist • keine juristische Person und • eine Gesamthandsgemeinschaft. • Die gesetzlichen Vorschriften können weitgehend abbedungen werden. Es bestehen jedoch folgende Unterschiede zur BGB-Gesellschaft: • Die OHG wird weitgehend wie eine juristische Person behandelt (§ 124 HGB)

und haftet daher neben den Gesellschaftern (§ 128 HGB). • Sie wird im Handelsregister eingetragen (§§ 106 ff. HGB). • Die Gesellschafter sind allein geschäftsführungsbefugt (§§ 114 ff., insbeson-

dere § 115 Abs. 1 HGB). • Sie sind auch allein vertretungsbefugt (§ 125 Abs. 1 HGB).

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3. Persönliche Haftung der Gesellschafter (§ 128 HGB) Fall 102: Die Vollkaufleute A und B haben sich zum Betrieb eines Fleischhandels zusammengeschlossen. A hat Kapital, B Verkaufstalent. B verkauft ohne Wissen des A leichtfertig nicht ganz einwandfreie Fleischwaren an X. Dieser erleidet ei-nen Gesundheitsschaden. Durfte B überhaupt handeln? Kann der geschädigte X den gutsituierten A auf Schadensersatz verklagen? Vertretung der Gesellschaft (Außenverhältnis): Zur Vertretung der Gesell-schaft ist jeder Gesellschafter ermächtigt, wenn er nicht durch den Gesellschafts-vertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist (§ 125 Abs. 1 HGB). Im Gesell-schaftsvertrag kann bestimmt werden, daß alle oder mehrere Gesellschafter nur in Gemeinschaft zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt sein sollen (Gesamtver-tretung). Die zur Gesamtvertretung berechtigten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Ge-schäften ermächtigen. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung ab-zugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem der zur Mitwirkung bei der Ver-tretung befugten Gesellschafter (§ 125 Abs. 2 HGB). Bei OHG also grundsätzlich Einzelvertretung: Da keine Einschränkung der Vertretungsmacht ersichtlich ist, durfte B - anders als der Gesellschafter im BGB - die Gesellschaft nach außen allein vertreten. Umfang der Vertretungsmacht: Die Vertretungsmacht der Gesellschafter er-streckt sich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechts-handlungen einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken so-wie der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura (§ 126 Abs. 1 HGB). Eine Be-schränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam; dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß sich die Vertretung nur auf ge-wisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder daß sie nur unter ge-wissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll /(§ 126 Abs. 2 HGB). Geschäftsführung (Innenverhältnis): Zur Führung der Geschäfte der Gesell-schaft sind alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet (§ 114 Abs. 1 HGB). Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der ge-wöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Zur Vornahme von Handlungen, die darüber hinausgehen, ist ein Beschluß sämtlicher Gesellschafter erforderlich (§ 116 Abs. 1 und 2 HGB; zur Beschlußfassung vgl. § 119 HGB). B ist im Rahmen geblieben, da der Verkauf kein außergewöhnliches Geschäft war. Er durfte also allein handeln. Ansprüche des X gegen A aus positiver Forderungsverletzung (pFV) und un-erlaubter Handlung: Da die Gesellschaft den Kaufvertrag schlecht erfüllt hat, ist - neben der Sachmängelhaftung (§§ 459 ff. BGB) für den Mangelschaden - für den

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Mangelfolgeschaden ein Anspruch aus pFV gegeben (§ 242; §§ 280, 286; 325, 326 BGB) gegeben. Daneben kann sich X auf die §§ 823 Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB stützen. die Gesellschafterhaftung ergibt sich aus § 128 HGB. Danach haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten ge-genüber unwirksam. § 128 HGB gilt für alle Verbindlichkeiten einer OHG, gleich aus welchem Rechtsgrund, z.B. aus Vertrag, ungerechtfertigter Bereicherung, De-likt, Gefährdungshaftung, arbeitsrechtlichen Pensionszusagen, sonstigem privaten oder öffentlichem Rechts, auch Steuerschulden Baumbach/Hopt, § 127 Rz. 2). 4. Innenverhältnis (Geschäftsführung; §§ 109 ff. HGB) Fall 103: Seit Jahren besteht zwischen A, B und C eine OHG. A veräußert an die OHG eines seiner Grundstücke, das diese zu einer Geschäftserweiterung braucht, um 30.000 DM. Was kann A tun, um zu seinem Geld zu kommen? Anspruch gegen Gesellschaft, subsidiär gegen Gesellschafter: Da A hier der OHG wie ein Fremder gegenübertritt und nicht in seiner Eigenschaft als Gesell-schafter, kann er entweder gegen die Gesellschaft selbst vorgehen (§ 124 HGB) oder seine Mitgesellschafter verklagen (§ 128 HGB). Aus der gegenseitigen Treuepflicht der Gesellschafter ergibt sich aber, daß A seine Mitgesellschafter nur in Anspruch nehmen darf, wenn bei der Gesellschaft nichts mehr zu holen ist oder das Vorgehen gegen das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft unverhältnismä-ßigen Schaden zufügen würde. Wenn die Gesellschaft den Betrag nicht zahlen kann, muß aber A, entsprechend dem Gedanken des § 120 HGB, seinen Verlustanteil, im Zweifel ein Drittel, selbst tragen. A kann daher seine Gesellschafter nur in Höhe von je 10.000 DM in Anspruch nehmen. Fall 104: Der OHG-Gesellschafter A macht eine Geschäftsreise von Stuttgart nach Landshut. Von wem erhält er die Reisekosten? Ersatz für Sozialverpflichtungen durch Gesellschaft: Gem. § 110 HGB wird er sich wegen des Ersatzes von Aufwendungen oder Verlusten an die Gesellschaft halten. Die Mitgesellschafter haften nicht für die Erstattung, denn das wäre ein Verstoß gegen §§ 105 Abs. 2 HGB, 707 BGB („keine Beitragserhöhung“). Man spricht bei den Ansprüchen auf Aufwendungsersatz, Gewinnanteil und den ande-ren im Gesellschaftsverhältnis wurzelnden Ansprüchen von Sozialverpflichtungen der Gesellschaft im Gegensatz zu den außergesellschaftlichen Verpflichtungen, wie sie im Fall vorher abgehandelt wurden.

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Fall 105: Bei einer OHG wird der Gesellschafter A von Herrn X, einem Gläubiger der OHG, gem. § 128 HGB haftbar gemacht. Von wem kann A Erstattung verlan-gen? Regreß gegen Gesellschaft: Hier handelt es sich zwar nicht direkt um einen Ver-lust im Sinne des § 110 HGB, doch werden §§ 110 HGB, 670 BGB analog als Grundlage des Erstattungsanspruchs des A gegen die OHG herangezogen. Regreß gegen Mitgesellschafter: Von seinen Mitgesellschaftern kann A wegen der Befriedigung des Gesellschaftsgläubigers ähnlich wie bei den außersozialen Schuldverhältnissen anteilige Erstattung nach dem Grundsatz der Verlustbeteili-gung gem. § 120 HGB verlangen, wenn bei der Gesellschaft nichts zu holen ist. Das Nachzahlungsverbot des § 707 BGB steht hier nach herrschender Meinung nicht im Wege. Diese Lösung ist nur recht und billig; denn die Klage des X hätte jeden der Gesellschafter treffen können, und die Mitgesellschafter sollen nicht von dem Pech des A profitieren. Fall 106: In der OHG ABC ist C von der Vertretung und Geschäftsführung ausge-schlossen. Am 1.1. bestellt A eigenmächtig seinen geschäftlich völlig ungewand-ten Freund, den Studienrat und Altphilologen D, zum Prokuristen. Als B das am 8.1. hört, widerruft er sofort D's Prokura. D hatte aber schon am 4.1. ein Geschäft für die OHG abgeschlossen, das - wie vorherzusehen - mit einem größeren Verlust endet. Waren Erteilung und Widerruf der Prokura wirksam? Hat sich A gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig gemacht und wer kann gegebenenfalls den Schaden einklagen? Erteilung und Widerruf der Prokura: Gem. §§ 125 Abs. 1, 126; 48, 52 HGB sind Bestellung und Widerruf wirksam. Im Innenverhältnis stellte die eigenmäch-tige Bestellung einen groben Verstoß gegen die Gesellschafterpflichten dar (§ 116 HGB). Der Widerruf war zulässig (§ 116 Abs. 3 Satz 2 HGB). Haftung des A: A hat durch sein gesellschaftswidriges Handeln einen Schaden verursacht. Da A seine Befugnisse überschritten und dem mutmaßlichen Willen der Mitgesellschafter zuwider gehandelt hat, haftet er aus den §§ 105 Abs. 2 HGB, 678 BGB auch ohne Verschulden. Geltendmachung des Schadens durch B: Den Schadensersatzanspruch der Ge-sellschaft gegen A kann jedenfalls der vertretungsberechtigte B geltend machen. Ein Widerspruchsrecht (§ 115 HGB) gegen diese Geltendmachung steht dem A nach herrschender Meinung in eigener Sache nicht zu.

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Geltendmachung des Schadens durch C: Auch der von der Vertretung und Ge-schäftsführung ausgeschlossene C kann in eigenem Namen auf Leistung an die Gesellschaft klagen; denn die Verpflichtung des A beruht auf einer Verletzung des Gesellschaftsvertrages, und die Einhaltung des Vertrages kann auch der nichtver-tretungsberechtigte Gesellschafter, der ja auch Vertragspartner ist, überwachen. Diese Klage eines einzelnen Gesellschafters auf Leistung an die Gesellschaft nennt man traditionsgemäß actio pro socio. 5. Außenverhältnis (Vertretung; §§ 123 ff. HGB) Fall 107: Ein Gläubiger der ABC-OHG hat ein rechtskräftiges Urteil gegen die OHG erstritten. Da die Gesellschaftskassen leer sind, erhebt er jetzt neue Klage gegen A. Ist das überhaupt nötig? Kann A einwenden, die Forderung sei der OHG auf ein Jahr gestundet worden? Zusätzliche Klage gegen Gesellschafter: Aus einem gegen die Gesellschaft ge-richteten vollstreckbaren Schuldtitel findet die Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter nicht statt (§ 129 Abs. 4 HGB). Durch das rechtskräftige Urteil hat die OHG die Einrede der Stundung verloren. A könnte sich nur dann auf Stundung berufen, wenn der Gläubiger ihm versprochen hätte, ihn persönlich im nächsten Jahr nicht in Anspruch zu nehmen. Fall 108: Der Vollkaufmann V nimmt seinen erwachsenen Sohn in seine bisherige Einzelfirma als gleichberechtigten Gesellschafter auf. Der alte Firmenname wird beibehalten. Haftet S für alte Schulden des V? Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns: Tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzel-kaufmanns ein, so haftet die Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. Die in dem Betrieb begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen (§ 28 Abs. 1 HGB). Nicht einschlägig ist § 130 HGB, da er eine schon bestehende Gesellschaft voraussetzt. V. KG

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Fall 109: Welche Unterschiede bestehen zwischen der OHG und der KG? Beschränkte Haftung der Kommanditisten: Einzelne Gesellschafter haften den Gläubigern der Gesellschaft in der Regel nur beschränkt. Diese Gesellschaf-ter heißen Kommanditisten (§ 161 Abs. 1 HGB), die anderen Gesellschafter hei-ßen Komplementäre. Die KG kommt oft in der Form der GmbH & Co. KG vor. Hierbei haften alle beteiligten Personen nur beschränkt, da die GmbH die Funk-tion des Komplementärs übernimmt. Geschäftsführung, Vertretungsmacht: Bei der OHG besteht Alleingeschäfts-führung und Alleinvertretungsmacht. Der Kommanditist hat keine Geschäftsfüh-rungsbefugnis und keine Vertretungsmacht. Fall 110: Der kapitalgewaltige A und der wortgewaltige B haben eine Großhan-dels-KG gegründet. A ist Kommanditist. B beginnt die Geschäfte mit A's Zustim-mung noch vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister. B entlockt dem Bankier X mit dem Hinweis auf die Beteiligung des A einen großen Kredit. Als die KG in Zahlungsschwierigkeiten kommt, will sich X an A halten. Kann A sich auf seine beschränkte Haftung berufen, wenn X geglaubt hatte, A hafte unbe-schränkt? Haftung des Kommanditisten in Höhe der Einlage: Auf die KG finden die §§ 162 ff. HGB, ergänzend die Vorschriften über die OHG (§§ 106 ff. HGB), ergän-zend die §§ 705 ff. BGB (§ 105 Abs. 2 HGB) Anwendung (§ 161 Abs. 2 HGB). Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. So-weit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubi-gern als nicht geleistet (§ 172 Abs. 4 Satz 1 HGB). Haftung vor Eintragung: Bei einer Geschäftsaufnahme vor Registereintragung haftet jeder Kommanditist, der dem Geschäftsbeginn zugestimmt hat, für die bis zur Eintragung begründeten Verbindlichkeiten unbeschränkt. Er haftet nicht unbe-schränkt, wenn seine Beteiligung als Kommanditist dem Gläubiger bekannt war (§ 176 Abs. 1 Satz 1 HGB). VI. Stille Gesellschaft Fall 111: Der Rentner R gibt dem Inhaber eines kleineren, nicht im Handelsregis-ter eingetragenen Schuhgeschäfts ein Darlehen von 20.000 DM. R erhält dafür

Page 121: Wirtschaftsprivatrecht 4. Semesterbwllandshut.tripod.com/Dateien/wpr4.pdf · Die ungerechtfertigte Bereicherung dient derRückgängigmachung oder Rüc k-abwicklung eines Rechtserwerbes

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einen gewissen Prozentsatz des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Reingewinns; R darf die Bilanz samt den ihr zugrunde liegenden Büchern usw. einsehen. Um welche Art der Beteiligung handelt es sich? Wie wäre es, wenn es sich um ein größeres Schuhgeschäft handeln würde? Stille Gesellschaft nur bei Handelsgewerbe: In Betracht kommt eine stille Ge-sellschaft oder ein Darlehen mit Gewinnbeteiligung (sog. partiarisches Darlehen). Für eine stille Beteiligung ist nach § 230 HGB ein Handelsgewerbe erforderlich. Eine stille Gesellschaft mit einem, der kein Kaufmann ist, ist nicht möglich. Beim Inhaber eines kleineren Schuhgeschäfts dürfte kein Kaufmann vorliegen. Die fol-genden Ausführungen gelten daher nur für die Abwandlung, daß es sich um ein größeres Schuhgeschäft handelt. Unterschiede zwischen stiller Gesellschaft und Darlehen: Die Abgrenzung von stiller Gesellschaft und Darlehen ist oft nicht leicht. Weniger ausschlaggebend ist die Bezeichnung des Verhältnisses durch die Parteien. Wie die Prüfung der §§ 230 ff. HGB ergibt, ist feste Verzinsung ein sicheres Indiz für das Darlehen. Verlustbe-teiligung dagegen spricht eindeutig für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft. Keines von beiden Kriterien liegt aber hier vor. Im gegebenen Fall ist abzustellen auf das Kontrollrecht des R, welches charakteristisch für die stille Gesellschaft ist. R ist also stiller Gesellschafter. Unterschied zwischen stiller Gesellschaft und KG: Typisch für die KG sind gemeinsame Firma und gemeinsames Vermögen. Die stille Gesellschaft ist dage-gen reine Innengesellschaft, d.h. sie tritt nach außen nicht hervor.