Upload
tranxuyen
View
235
Download
0
Embed Size (px)
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Prof. Dr. med. Gerd Mikus
Abteilung Klinische Pharmakologie und PharmakoepidemiologieUniversitätsklinikum Heidelberg
Wirkungen und NebenwirkungenVon Analgetika
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Was ist Schmerz?Der Schmerz ist eine unangenehme Sinnesempfindung, die mit einem
unangenehmen Gefühlserlebnis verbunden ist und mit einer Gewebeschädigung verbunden
sein kann.
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Was ist Schmerz?
Unterscheidung zwischen emotionalen und sensorischen Aspekten
Schmerzen sind auch dann Schmerzen, wenn keine organischen Ursachen vorliegen.
• Schmerz trägt im Vergleich zu den anderen Sinnen wenig zum Erkennen der Umwelt bei.
• Schmerzsinn gibt nur Information über den Zustand des Körpers, über Bedrohung von innen und außen.
• Zum Erkennen der Schmerzursache werden die anderen Wahrnehmungsapparate benötigt.
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Schmerzdifferenzierung: Dauer
Akuter Schmerz
• Warn- und Schutzfunktion
• bewirkt schmerzmeidendes bzw. heilungsförderndesVerhalten (Bettruhe, Humpeln)
• endet, wenn Körper wieder hergestellt (Sekunden bis max. Wochen)
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Schmerzdifferenzierung: Dauer
Chronischer Schmerz• per Definition länger als 6 Monate oder periodisch• Dauerschmerz (Tumor), periodischer Schmerz (Migräne)• Ausdruck bleibender pathophysiologischer Veränderung,
d.h Dauerschaden (Arthrose)• vegetative Begleitreaktionen: Herzfrequenz, Blutdruck,
Pupillenerweiterung, Reflexe, Muskelspannungen, Gänsehaut, Schweißausbrüche
• affektive Begleiterscheinungen: Angst, emotionaler Streß, Depressionen
• psychologische Ursachen möglich• Umbau von Nervenzellstrukturen, Überempfindlichkeit
(Schmerzgedächtnis)
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Schmerztherapie
Stufe-I:Periphere Analgetika: Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Metamizol, NSAR.Bei einer dauerhaften Anwendung über Monate oder Jahre können allerdings durch manche dieser Medikamente Schäden an der Magen- und Darmschleimhaut entstehen.
Stufe-II:Schwache Opioide: Tilidin, DHC, Tramadol.Die Kombination von zentralwirksamen schwachen Opioiden mit Medikamenten der Stufe-I verbessert die Schmerzlinderung.Die Substanzen der Stufen I+II greifen jeweils an unterschiedlichen Stellen im Körper an.
Stufe-III:Opiate: Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, FentanylErsatz der Opiode der Stufe-II.Die Substanzen der Stufen I+II greifen wie Stufe-II jeweils an unterschiedlichen Stellen im Körper an.
Ko-Medikation:Unterstützung der Wirkung durch verstärkende Stoffe, die alleine nicht analgetisch wirksam sind.
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
3 Grundsätze
1. Nach Stufenschema2. Oral3. Festes Zeitschema
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Wirkungen der Opioide
Zentrale Wirkungen
analgetisch
sedativ
tranquillisierend
euphorisierend
atemdepressiv
antitussiv
emetisch/antiemetisch
antidiuretisch (AVP)
Miosis
Sucht – nicht bei Schmerz!
Periphere Wirkungen
Pyloruskonstriktion
spastische Obstipation
erhöhter Tonus- der Gallenwege
- der Blasenmuskulatur
Dilatation der Blutgefässe (Hypotonie)
HistaminfreisetzungHautrötung
UrtikariaJuckreiz
Bronchospasmus
MorphinTrias
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Individuelle Opioid-Rezeptor-Bindung
Wirkstoff Opioid-Rezeptorμ κ
Pethidin + + +
Pentazocin #++ ++ +
Codein + +
Morphin +++ + ++
Oxycodon +++ +
Methadon +++ + ++
Buprenorphin ++/# #/++ +++
Fentanyl +++ + +
#-antagonistisch
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Individualisierung der Opioid-Therapie
Verschiedene Opiatrezeptoren
Genetische Varianten der Rezeptoren
Dynamik der Rezeptoren
Unterschiedliches Bindungsverhalten der
verschiedenen Opioide an die Rezeptoren
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
WHO-Stufenschema
Paracetamol, Ibuprofen,Acetylsalicylsäure
+ unterstützende Maßnahmen
Stufe 1
Nicht-Opioidanalgetika
Stufe 2
Schwache Opioide
Codein, TramadolDihydrocodein, Tilidin
+ Nicht-Opioidanalgetika
+ unterstützende Maßnahmen
Stufe 3
Starke Opioide
Morphin, Buprenorphin,Pethidin, Fentanyl, Oxycodon, Hydromorphon
+ Nicht-Opioidanalgetika
+ unterstützende Maßnahmen
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Stufe 1 WHO-Schema
• saure, antipyretisch-antiphlogistischeAnalgetika– Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac
• nicht saure, antipyretische Analgetika– Paracetamol, Metamizol, Phenazon,
Propyphenazon• Analgetika ohne antiphlogistische und
antipyretische Eigenschaften– Flupirtin, Nefopam
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Codein (Stufe 2 WHO-Schema)
Wie wirkt Codein?
NH
CH3
HO
H3CO
O
H
H
O
H3CO
CH3HN
O
COOH
OH
OH
OH
O
Codein-6-glukuronidMorphin
CH3NH
HO
O
H
HO
H3CO
NHH
HO
O
H
Norcodein
Codein
Norcodein-6-GlukuronidNormorphinNormorphin-3-GlukuronidNormorphin-6-GlukuronidMorphin-3-GlukuronidMorphin-6-Glukuronid
CYP2D6
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Nortilidin
Tilidin
CYP3A4CYP2C19
Bisnortilidin
?
Bioverfügbarkeit 8 %Renale Ausscheidung 90 %Nortilidin ist die Wirksubstanz
Tilidin (Stufe 2 WHO-Schema)
Weiss et al., Naunyn-Schmiedebergs Arch Pharmacol,2008
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Nortilidin
Tilidin
CYP3A4CYP2C19
Bisnortilidin
?
20
0.75
3
Voriconazol
Tilidin Interaktion
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Morphin
PHARMAKOKINETIK Darreichungsformen Oral, instant release, retard, Suppositorien, Tropfen,
Injektion, Infusion Wirkdauer – 24 h First-pass Metabolismus führt zu geringer
Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe (~30%). 30% Plasma Protein Bindung
VORTEILE: Applikationsformen für fast jeden Bedarf vorhanden Gute analgetische und anxiolytische Wirkung
NACHTEILE: Kein Einsatz bei Durchbruchschmerzen
(Retardierung)
MorphinMorphin
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Morphin
N
O
HO
HO
HO
HO
CH3
O
N
H
H
H O
COOH
OH
OH
HO OH
H
H
HO
O
CH3
O
N
COOH
OH
OH
HO
Morphin
Normorphin
Morphin-3-glucuronid
Morphin-6-glucuronid
55-60%
4%5-10%
N
O
CH3
HO
HO
N
O
HO
HO
HO
HO
CH3
O
N
H
H
H O
COOH
OH
OH
HO OH
H
H
HO
O
CH3
O
N
COOH
OH
OH
HO
Morphin
Normorphin
Morphin-3-glucuronid
Morphin-6-glucuronid
55-60%
4%5-10%
N
O
CH3
HO
HO
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Morphin
M Holthe et al., Pharmacogenomics Journal 2003.
METABOLISMUS ÜBER GLUCURONYL-TRANSFERASEN UGT B > UGT 1A1, UGT 1A3
ENTEROHEPATISCHE RECIRCULATION
AUSSCHEIDUNG DER GLUCURONIDE ÜBER DIE NIERE
!! KUMULATION !!
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Hydromorphon
PHARMAKOKINETIK Darreichungsformen Oral, retardiert und nicht retardiert
Wirkdauer – 24 h First-pass Metabolismus, Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe ~30-40% 8% Plasma Protein Bindung
VORTEILE: Keine aktiven Metabolite Geringes Interaktionspotential Geringes Kumulationsgefahr
NACHTEILE: Eher ungeeignete Substanz zur Einstiegsmedikation der Stufe 3 Kein Einsatz bei Durchbruchschmerzen (Retardierung) Retardgalenik: Kapsel ist zu öffnen
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Hydromorphon
HO
O
O
HH N
CH3H
HO
O
O
HH NH
H
HO
HO
O
HH N
CH3H
hydromorphone
norhydromorphone
hydromorphol (6a +6b)
-3-conjugates
CYP3A4
• Kaum Interaktionen bekannt, wird aber mit bekannten CYP3A4 Hemmstoffen verabreicht (z.B. Erythromycin, Itraconazol)
• Keine systematischen Untersuchungen zu Interaktionen
• Einzelne alte Fallberichte
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Analgetika der WHO-Stufe 3: Oxycodon
PHARMAKOKINETIK Darreichungsformen Oral retardiert, inject
Wirkdauer – 12 h First-pass Metabolismus nicht so stark
ausgeprägt, Bioverfügbarkeit nach oralerGabe (~60%).
30% Plasma Protein Bindung
OxycodonOxycodon
VORTEILE: Große therapeutische Breite Gute geeignete Substanz zur Einstiegsmedikation der Stufe 3 Wenig Interaktionsstudien
NACHTEILE: Kein Einsatz bei Durchbruchschmerzen (Retardierung) Retardgalenik geht beim Zermörsern verloren
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Oxycodon
oxymorphol (6a +6b)
O
HO
O
HOH N
CH3H
H3C
O
O
O
HOH N
CH3H
H3C
HO
O
O
HOH N
CH3H
O
O
O
HOH NH
H
H3C
HO
O
O
HOH NH
H
HO
HO
O
HOH N
CH3H
oxycodone
oxycodol (6a +6b)
oxymorphone
noroxymorphone
noroxycodone
CYP2D6
conjugates
CYP3A4
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Unerwünschte Wirkungen von Opioiden
Toleranzentwicklung in Bezug auf Nebenwirkungen ist möglich.Aber: Gerade die Obstipation verschlimmert sich im Lauf der Zeit!
Toleranzentwicklung in Bezug auf Nebenwirkungen ist möglich.Aber: Gerade die Obstipation verschlimmert sich im Lauf der Zeit!
Mutschler et al.: Arzneimittelwirkungen kompakt, Stuttgart 2006
Häufige Opioid-bedingte Nebenwirkungen
Übelkeit
Erbrechen
Müdigkeit
Obstipation
initial unter Langzeittherapie
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Primär Antagonist an den µ-Rezeptoren (κ, δ)
Keine Agonisten Aktivität
Initialdosis 0.4 - 2 mg i.v., i.m., s.c.
Wirkdauer des Antagonismus nur 30-45 min
NaloxonNaloxon
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
GEHIRNGEHIRN
LEBERLEBER KÖRPERKÖRPER
HERZHERZ
DARMDARM
Zentraler Antagonismus
Naloxon – intravenös
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
GEHIRNGEHIRN
LEBERLEBER KÖRPERKÖRPER
HERZHERZ
DARMDARM
Hoher
first-p
ass
Metabol
ismus
Naloxon – oralBioverfügbarkeit 2 %
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
OxycodonOxycodon NaloxonNaloxon
Oxycodon/Naloxon2:1
Retardierung
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
GEHIRNGEHIRN
LEBERLEBER KÖRPERKÖRPER
HERZHERZ
DARMDARM
Lokaler AntagonismusLokaler Antagonismus
Keinzentraler
Antagonismus
KeinKeinzentraler zentraler
AntagonismusAntagonismus
RetardierungRetardierung
OxycodonOxycodon Naloxon – oral
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Oxycodon + Naloxon
Änderung der Darmfunktion (Bowel Function Index) in Abhängigkeit von der Naloxon-Dosis
Hopp et al. Schmerz 19 (2005) Suppl. p. 103
Mit
tler
e B
FI-Ä
nde
run
gse
it S
tudi
enbe
gin
n
(ITT
)
-22
-20
-18
-16
-14
-12
-10
-8
-6
-4
-2
0
2nach 1 Woche nach 4 Wochen nach 2 Wochen ohne Naloxon (follow up)
Naloxon PlaceboNaloxon 10 mgNaloxon 20 mgNaloxon 40 mg
NA
S (0
-10
0)
Erhaltungsphase
+ 40-80 mg Oxycodon
Wirkungen und Nebenwirkungen von Analgetika
Zusammenfassung• Schmerzen lassen sich nicht objektiv beschreiben
• Variabilität in der Pharmakokinetik und der Rezeptorausstattung
• WHO Stufenschema zur Schmerztherapie
• Stufe 2: Pro-Drugs mit Interaktionsmöglichkeiten
• Stufe 3: Morphin Goldstandard?
• Lange Wirkdauer der stark wirksamen Opioide durch Retardierung bzw Pflasterapplikation
• Neue Möglichkeiten zur Reduktion der Nebenwirkungen