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KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE #00 JUNI 2011 FREIEXEMPLAR

#00 Sommer 2011

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null22eins. Kölner Kulturen Magazin.

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KÖLNER KULTUREN MAGAZIN | WWW.NULL22EINS-MAGAZIN.DE

#00JUNI 2011

FREIEXEMPLAR

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02 EDITORIAL >

Editorial

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03EDITORIAL

Gemalt, vertont, mitten im Überall, von Menschen mit Visionen, von Menschen mit eigenem Kopf – Kultur ist so vielfältig wie das Leben in Köln. null22eins ist die Vorwahl einer Großstadt, die eine Fülle an kulturellen Möglichkeiten vorzuwei-sen hat. Und es ist der Name eines neuen Magazins, das die zahlreichen Facetten kultureller Räume widerspiegelt – die Spannbreite reicht vom Antiquariat von nebenan über den kreativen Visionär von morgen bis hin zum Partyleben dieser Stadt.

Der Installationskünstler Allan Gretzki hat null22eins zum Spaziergang auf die rechte Rheinseite eingeladen und dabei an Details über seine Arbeit und seine An-sichten zu (Kölner) Räumen teilhaben las-sen. Ab Seite 16 werden Weg und Erkennt-nisse dieser Begegnung nachgezeichnet.

Einen anderen Blick auf Räume haben auch Peter Schreck und Anu-Cathrin Beck. Die beiden stehen für die Umsetzung des Coworking in Köln. Diese neue Form des Arbeitens lässt Grenzen verschwinden, so-wohl räumlich als auch ideell. Wie ‚Cowor-king Cologne‘ wächst und was genau da-hinter steht, ist ab Seite 44 zu lesen.

null22eins verkörpert eine einfache

Idee: Köln ist ein kultureller Ameisen-haufen. Soll heißen, hier wuselt unwahr-scheinlich viel, quer durcheinander, mit – eigentlich – einem gemeinsamen Ziel. Die ganzen Arbeiterameisen zu bündeln, ihnen eine Stimme und damit wieder einen sicheren Platz im öffentlichen Be-wusstsein dieser Stadt zu geben, ist im Interesse aller Beteiligten – ob nun selbst Kunst Schaffender, engagierter Bürger oder professioneller Medien- und Öffent-lichkeitsarbeiter. Durch die Veröffentli-chungen in diesem Magazin soll eines ge-wahrt bleiben: ein realitätsnaher Blick auf Kölner Themen. Dass dieser nicht allum-fassend oder abschließend sein kann, ist wohl verständlich. Die Macher dieses Ma-gazins sind sich im Klaren, dass ihre Bei-träge auch kritisch angenommen werden können. Das ist auch gut so. Journalismus braucht Reaktionen. Wir laden hierzu be-reits jetzt sehr neugierig ein.

Hinter null22eins steht der noch kleine Verein artishocke e.V., der sich als Netz-werk versteht und mit bislang sehr weni-gen Mitteln ein unabhängiges Magazin für Köln anbieten will. Die Mitwirkenden dieser Ausgabe sind Studenten, Journa-listen, Kunstschaffende, engagierte Men-schen und Medienmacher, die alle durch diese Stadt verbunden sind. null22eins versucht auf Werbung zu verzichten. Un-sere „Null-Ausgabe“ erhält lediglich Un-terstützung von einer Druckerei. Damit das so bleibt, müssen auch der Verein und das Netzwerk dahinter wachsen. Die Re-alisierung dieser ersten Ausgabe war nur durch ehrenamtliches Engagement mög-lich, für das wir uns bei allen Beteiligten bedanken.

Und für alle, die null22eins nun in der Hand haben: Viel Spaß beim Lesen!

null22eins

RAUMKULTUR

PERSPEKTIVE KÖLN

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04 INHALT >

ALT / NEU /// IN GEDENKEN AN DIE PAPIERFABRIK

KÖLN-SZENE /// LOW BUGDETWer es nicht gesehen hat, kann sich keine Meinung machen: eine Kölner Kneipe, die keine Veedelskneipe ist

KONSUM /// DINGE VON ANDERENWas sich hinter dem Lifestylegefühl von Flohmarkt- und Antiquitätenkäufern verbirgt

ZWISCHENRAUM /// LIMELIGHTEin Laden von Weltformat muss sich zwei Anwohnern beugen – ein Problem mitten im Kölner Raum

FOTOSTRECKE /// EIGELSTEINBunter als gedacht präsentiert sich ein altes Schmuddel-viertel. Überzeugungsarbeit per Fotografie

ILLUSTRATION /// EINE DER GUTENAnsehnliches aus vielen Bildern: Collagen, Illustrationen, Animationen – kurz: schöne Kunst

SPORT /// MOVE ARTISTICNeue Bewegungsformen auf dem sprunghaften Weg nach oben

KULTURGUT /// SCOPITONESSperrige Holzkisten als Vorfahren heutiger Musikvideoclips

PORTRAIT /// RAUMOLOGISCHES Installationskünstler Allan Gretzki im Gespräch: von Menschen und Mauern

UNI /// LE DEBUTWohin nach der Mensa? Eine Kultparty auf Locationsuche

FOTOGRAFIE /// INSZENIERUNGENEin ganz eigener Blick der Fotografin und Diplom- designerin Vera Drebusch auf das Objekt Mensch

BÜHNE /// SCIENCE SLAMVon der Kunst, Wissenschaft künstlerisch und unterhaltend darzustellen – ein Erfolgsprogramm

MUSIKER /// X-RAY HARPOONSErfolg auch ohne Debutalbum

TONTRÄGERThe Sounds, Ken Guru & The Highjumpers, The Delegators

KONZERTELiebe auf den zweiten Blick: 10 Jahre Egotronic Trash Deluxe: The Monsters

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Nr Null

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05INHALT

MUSEUM /// FREMD IN KULTUREN Ein Rundgang durch das neue Rautenstrauch-Joest- Museum im Kölner Kulturquartier

NETZWERKEN /// COWORKING COLOGNEEine neue Form des Arbeitens erobert die Stadt. Coworking lässt dabei Grenzen verschwinden

HOEHEPUNKTE /// CITYLEAKS FESTIVAL

AUSBLICK /// ERIC UND DIE BOARDS

WISSENSCHAFT /// KAFFEESACHSENKaffeekonsum ist Kultur: Eine Untersuchung von „Kaffee-trinken im Sozialismus“

MODE /// KLEINE SCHWESTERHandgemachtes, das verbindet: eine Design-Geschichte mit viel Herz

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Impressum

Herausgeber

Redaktion u. redaktionelle

Mitarbeit

V.i.s.d.P

Layout

Fotos

Coverfoto

Redaktions-schluss

http://

Druck

Anzeigen

artishocke e.V.Genovevastr. 65, 51063 Köln

E-Mail: [email protected]

Jens Alvermann, Christina Andras, Daniel Deininger, Robert Filgner, Katarina Fritz-sche, Karol Herrmann, Şehnaz Müldür, Adam Polczyk, Stephan Strache.

Robert Filgner, Şehnaz Müldür

Christian Beauvisage, Helena Kasemir, Leo Pellegrino, Julia Ziolkowski

Christian Beauvisage, Vera Drebusch, Sabine Große-Wortmann, Antje Lepper-hoff, Judith Uhlig

Christian Beauvisage

Ausgabe #00: 24. Mai 2011

null22eins-magazin.de

Druckhaus-KölnRobert-Bosch-Str. 650181 BedburgE-Mail: www.druckhaus-köln.de

artishocke e.V., Genovevastr. 65, 51063 Köln

Telefon: 0221. 94 68 604E-Mail: [email protected]

Gedruckt auf FSC Papier.Bitte recyceln!

Urheberrechte für Beiträge, Fotos und Il-lustrationen sowie der gesamten Gestal-tung bleiben beim Herausgeber oder den Autoren. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers! Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr.

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text: robert FilgnerFotos: christian beauvisage, Judith uhlig

studentisch

günstiges restaurant auf der aachener strasse

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Man Kann alles zuM low budget sagen, nur

nicht restaurant.

Warum das geht, weiß eigentlich auch keiner“ reduziert wird, muss man sich nur einmal länger in den Kneipenraum oder den hinteren Spiele- und Bühnebereich setzen. Hier greift Lothar nochmal ein: „Es gibt bei uns drei Kategorien an Gäs-ten: die, die nur hinten sind. Die, die nur vorne sind. Und die, die hin und her swit-chen.“ So erklärt sich auch, wie Menschen, die meinen Stammgäste zu sein, andere Stammgäste nie zu Gesicht bekommen.

Dass sich das Low Budget so lange und so gut behauptet, liegt vor allem an der Atmosphäre. Selbst an Wochenenden, wenn der Laden aus allen Nähten platzt und Sauerstoff zur Mangelware wird, gerade im hinteren Bereich – einer frü-heren Bowlingbahn mit entsprechendem Schlauch-Charakter –, findet jeder seinen Platz. Bier gibt’s eh nur an der Theke. Ab-gerechnet wird zum Schluss vom Deckel. An Kicker und Billard wechselt man sich durch. Und das Wichtigste: Für das musi-kalische Wohl ist stets gesorgt. Die Musik passt einfach in den Laden: „Das Low Bud-get ist als Rock‘n‘Roll-Kneipe gestartet. Gi-tarren müssen einfach sein“, findet nicht nur Lothar. Das Gesamtprogramm kann man Selbstläufer nennen. Und das freut auch die beiden Gründer. Immerhin sind sie an Wochenenden mittlerweile auch lieber Gast.

Der einzige Beitrag in der Bild-Zeitung über sie macht die Besitzer schon ein biss-chen stolz. Oder besser formuliert: trotz-dem. Ein Restaurant war das Low Budget nie. „Wir sind einmal auf ihrer ‚In-Liste‘ gelandet, mit diesem knallhart recher-chierten Satz. Damals gab es an Samsta-gen zum Fußball schauen ‚Toast Hawaii‘ und ein paar Schnittchen“, erklärt Lothar, einer der beiden stets gut gelaunten Köp-fe hinter der Theke des nun schon 15 Jahre alten Lokals. Das Low Budget auf der Aa-chener Straße ist eine Kneipe, in der die Kneipenwelt noch in Ordnung ist. Ein ech-ter Low Budget-Gänger schaut darüber hinweg, wenn der Billardtisch mal wie-der schief steht, nörgelt nicht, wenn der nächste Euro im Kicker kleben bleibt. Ge-nauso gemütlich kümmern sich die Chefs darum, dass schnell alles wieder funktio-niert – einen freundlich dummen Spruch immer oben drauf.

erfrischend uncool

Das „erfrischend uncoole“ Lokal, wie so manch ein Gast zu sagen pflegt, liegt in-mitten von Szenekneipen und Cocktail-Ei-nerlei-Läden, zwischen Studentenviertel und Schaulauf-Passagen, zwischen Ring und (naja grob) Aachener Weiher. Eigent-lich könnte man das Low Budget selbst zu einer Szenekneipe erklären, doch wird man damit den seit Jahren hier einkehren-den echten Fans nicht gerecht. Und erst recht nicht den beiden Machern dahinter: Lothar und Albert, zwei Namen, die zu kei-nem der beiden Gesichter passen und sich dennoch sofort einprägen.

Vor mittlerweile 15 Jahren übernah-men die Beiden ein echtes Kneipen-Loch. Alles, was ab fünf Uhr morgens noch laufen konnte und/oder im Hellen nicht durch die Stadt laufen wollte, traf sich hier – in der damaligen Wunderbar – zum Feierausklang. Die Aachener Straße war geprägt von den Langzeit-Klassikern Roxy und Six Pack sowie damals noch dem EWG – dem Urtreff aller Kunstschaffenden im Veedel. Das Image, das den Laden heute noch prägt, wurde also bereits früh ge-schaffen: etwas anrüchig und polarisie-rend. „Am Anfang war es gar nicht einfach hier. Die ersten zwei Jahre mussten wir erst mal damit verbringen, dem doch sehr eigenwilligen Publikum, dem Grobvolk, klar zu machen, dass wir ein eigener und vor allem neuer Laden sind“, erzählt Lo-thar in seiner gewohnt ironischen Art. Die Erfolgsgeschichte Low Budget ging da-nach richtig los. Mit der ‚Offenen Wunde‘ ging 1999 hier die erste ständige Open-Microphone-Veranstaltung an den Start. Aus den Anfangsjahren dieser offenen Bühne ging auch Johann König hervor, der beste Kumpel des damaligen Moderators Rupert Schieche. Und auch heute noch ist der zweite Samstag in den dunkleren Monaten von September bis Mai diesem „dilettantischen“ Spektakel reserviert.

Kein schickimicki

Aber was ist jetzt das typische Publikum in diesem Laden? „Wir wollten damals keinen Schickimicki-Laden und sind es bis heute nicht. Daher drehen die ganz jungen Dinger, die sich hierher verlau-fen, auch schnell wieder ab“, so Lothar. Also kein Schickimicki. Gut. Doch einfach Kölsch- oder Veedelskneipe ist es auch nicht. Im Low Budget findet man viele Stammgäste, aber eben auch stets neue. „Alle sechs Monate kommt ja Frischfleisch in die Stadt und für Studenten sind wir schon immer interessant.“ Und außerdem hat der Laden ja doch auch einiges zu bie-ten. Während das Low Budget oft nur auf „Tequila vom Fass, Name ist Programm,

09Köln-szene

weitere inFos

Mehr zum Laden und dem kompletten Programm unter www.lowbud.de

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TEXT: ROBERT FILGNERFOTOS: CHRISTIAN BEAUVISAGE, JUDITH UHLIG

STUDENTISCH

GÜNSTIGES RESTAURANT AUF DER AACHENER STRASSE

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text: robert FilgnerFotos: christian beauvisage, Judith uhlig

studentisch

günstiges restaurant auf der aachener strasse

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Man Kann alles zuM low budget sagen, nur

nicht restaurant.

Warum das geht, weiß eigentlich auch keiner“ reduziert wird, muss man sich nur einmal länger in den Kneipenraum oder den hinteren Spiele- und Bühnebereich setzen. Hier greift Lothar nochmal ein: „Es gibt bei uns drei Kategorien an Gäs-ten: die, die nur hinten sind. Die, die nur vorne sind. Und die, die hin und her swit-chen.“ So erklärt sich auch, wie Menschen, die meinen Stammgäste zu sein, andere Stammgäste nie zu Gesicht bekommen.

Dass sich das Low Budget so lange und so gut behauptet, liegt vor allem an der Atmosphäre. Selbst an Wochenenden, wenn der Laden aus allen Nähten platzt und Sauerstoff zur Mangelware wird, gerade im hinteren Bereich – einer frü-heren Bowlingbahn mit entsprechendem Schlauch-Charakter –, findet jeder seinen Platz. Bier gibt’s eh nur an der Theke. Ab-gerechnet wird zum Schluss vom Deckel. An Kicker und Billard wechselt man sich durch. Und das Wichtigste: Für das musi-kalische Wohl ist stets gesorgt. Die Musik passt einfach in den Laden: „Das Low Bud-get ist als Rock‘n‘Roll-Kneipe gestartet. Gi-tarren müssen einfach sein“, findet nicht nur Lothar. Das Gesamtprogramm kann man Selbstläufer nennen. Und das freut auch die beiden Gründer. Immerhin sind sie an Wochenenden mittlerweile auch lieber Gast.

Der einzige Beitrag in der Bild-Zeitung über sie macht die Besitzer schon ein biss-chen stolz. Oder besser formuliert: trotz-dem. Ein Restaurant war das Low Budget nie. „Wir sind einmal auf ihrer ‚In-Liste‘ gelandet, mit diesem knallhart recher-chierten Satz. Damals gab es an Samsta-gen zum Fußball schauen ‚Toast Hawaii‘ und ein paar Schnittchen“, erklärt Lothar, einer der beiden stets gut gelaunten Köp-fe hinter der Theke des nun schon 15 Jahre alten Lokals. Das Low Budget auf der Aa-chener Straße ist eine Kneipe, in der die Kneipenwelt noch in Ordnung ist. Ein ech-ter Low Budget-Gänger schaut darüber hinweg, wenn der Billardtisch mal wie-der schief steht, nörgelt nicht, wenn der nächste Euro im Kicker kleben bleibt. Ge-nauso gemütlich kümmern sich die Chefs darum, dass schnell alles wieder funktio-niert – einen freundlich dummen Spruch immer oben drauf.

erfrischend uncool

Das „erfrischend uncoole“ Lokal, wie so manch ein Gast zu sagen pflegt, liegt in-mitten von Szenekneipen und Cocktail-Ei-nerlei-Läden, zwischen Studentenviertel und Schaulauf-Passagen, zwischen Ring und (naja grob) Aachener Weiher. Eigent-lich könnte man das Low Budget selbst zu einer Szenekneipe erklären, doch wird man damit den seit Jahren hier einkehren-den echten Fans nicht gerecht. Und erst recht nicht den beiden Machern dahinter: Lothar und Albert, zwei Namen, die zu kei-nem der beiden Gesichter passen und sich dennoch sofort einprägen.

Vor mittlerweile 15 Jahren übernah-men die Beiden ein echtes Kneipen-Loch. Alles, was ab fünf Uhr morgens noch laufen konnte und/oder im Hellen nicht durch die Stadt laufen wollte, traf sich hier – in der damaligen Wunderbar – zum Feierausklang. Die Aachener Straße war geprägt von den Langzeit-Klassikern Roxy und Six Pack sowie damals noch dem EWG – dem Urtreff aller Kunstschaffenden im Veedel. Das Image, das den Laden heute noch prägt, wurde also bereits früh ge-schaffen: etwas anrüchig und polarisie-rend. „Am Anfang war es gar nicht einfach hier. Die ersten zwei Jahre mussten wir erst mal damit verbringen, dem doch sehr eigenwilligen Publikum, dem Grobvolk, klar zu machen, dass wir ein eigener und vor allem neuer Laden sind“, erzählt Lo-thar in seiner gewohnt ironischen Art. Die Erfolgsgeschichte Low Budget ging da-nach richtig los. Mit der ‚Offenen Wunde‘ ging 1999 hier die erste ständige Open-Microphone-Veranstaltung an den Start. Aus den Anfangsjahren dieser offenen Bühne ging auch Johann König hervor, der beste Kumpel des damaligen Moderators Rupert Schieche. Und auch heute noch ist der zweite Samstag in den dunkleren Monaten von September bis Mai diesem „dilettantischen“ Spektakel reserviert.

Kein schickimicki

Aber was ist jetzt das typische Publikum in diesem Laden? „Wir wollten damals keinen Schickimicki-Laden und sind es bis heute nicht. Daher drehen die ganz jungen Dinger, die sich hierher verlau-fen, auch schnell wieder ab“, so Lothar. Also kein Schickimicki. Gut. Doch einfach Kölsch- oder Veedelskneipe ist es auch nicht. Im Low Budget findet man viele Stammgäste, aber eben auch stets neue. „Alle sechs Monate kommt ja Frischfleisch in die Stadt und für Studenten sind wir schon immer interessant.“ Und außerdem hat der Laden ja doch auch einiges zu bie-ten. Während das Low Budget oft nur auf „Tequila vom Fass, Name ist Programm,

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weitere inFos

Mehr zum Laden und dem kompletten Programm unter www.lowbud.de

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MAN KANN ALLES ZUM LOW BUDGET SAGEN, NUR

NICHT RESTAURANT.

Warum das geht, weiß eigentlich auch keiner“ reduziert wird, muss man sich nur einmal länger in den Kneipenraum oder den hinteren Spiele- und Bühnebereich setzen. Hier greift Lothar nochmal ein: „Es gibt bei uns drei Kategorien an Gäs-ten: die, die nur hinten sind. Die, die nur vorne sind. Und die, die hin und her swit-chen.“ So erklärt sich auch, wie Menschen, die meinen Stammgäste zu sein, andere Stammgäste nie zu Gesicht bekommen.

Dass sich das Low Budget so lange und so gut behauptet, liegt vor allem an der Atmosphäre. Selbst an Wochenenden, wenn der Laden aus allen Nähten platzt und Sauerstoff zur Mangelware wird, gerade im hinteren Bereich – einer frü-heren Bowlingbahn mit entsprechendem Schlauch-Charakter –, findet jeder seinen Platz. Bier gibt’s eh nur an der Theke. Ab-gerechnet wird zum Schluss vom Deckel. An Kicker und Billard wechselt man sich durch. Und das Wichtigste: Für das musi-kalische Wohl ist stets gesorgt. Die Musik passt einfach in den Laden: „Das Low Bud-get ist als Rock‘n‘Roll-Kneipe gestartet. Gi-tarren müssen einfach sein“, findet nicht nur Lothar. Das Gesamtprogramm kann man Selbstläufer nennen. Und das freut auch die beiden Gründer. Immerhin sind sie an Wochenenden mittlerweile auch lieber Gast.

Der einzige Beitrag in der Bild-Zeitung über sie macht die Besitzer schon ein biss-chen stolz. Oder besser formuliert: trotz-dem. Ein Restaurant war das Low Budget nie. „Wir sind einmal auf ihrer ‚In-Liste‘ gelandet, mit diesem knallhart recher-chierten Satz. Damals gab es an Samsta-gen zum Fußball schauen ‚Toast Hawaii‘ und ein paar Schnittchen“, erklärt Lothar, einer der beiden stets gut gelaunten Köp-fe hinter der Theke des nun schon 15 Jahre alten Lokals. Das Low Budget auf der Aa-chener Straße ist eine Kneipe, in der die Kneipenwelt noch in Ordnung ist. Ein ech-ter Low Budget-Gänger schaut darüber hinweg, wenn der Billardtisch mal wie-der schief steht, nörgelt nicht, wenn der nächste Euro im Kicker kleben bleibt. Ge-nauso gemütlich kümmern sich die Chefs darum, dass schnell alles wieder funktio-niert – einen freundlich dummen Spruch immer oben drauf.

Erfrischend uncool

Das „erfrischend uncoole“ Lokal, wie so manch ein Gast zu sagen pflegt, liegt in-mitten von Szenekneipen und Cocktail-Ei-nerlei-Läden, zwischen Studentenviertel und Schaulauf-Passagen, zwischen Ring und (naja grob) Aachener Weiher. Eigent-lich könnte man das Low Budget selbst zu einer Szenekneipe erklären, doch wird man damit den seit Jahren hier einkehren-den echten Fans nicht gerecht. Und erst recht nicht den beiden Machern dahinter: Lothar und Albert, zwei Namen, die zu kei-nem der beiden Gesichter passen und sich dennoch sofort einprägen.

Vor mittlerweile 15 Jahren übernah-men die Beiden ein echtes Kneipen-Loch. Alles, was ab fünf Uhr morgens noch laufen konnte und/oder im Hellen nicht durch die Stadt laufen wollte, traf sich hier – in der damaligen Wunderbar – zum Feierausklang. Die Aachener Straße war geprägt von den Langzeit-Klassikern Roxy und Six Pack sowie damals noch dem EWG – dem Urtreff aller Kunstschaffenden im Veedel. Das Image, das den Laden heute noch prägt, wurde also bereits früh ge-schaffen: etwas anrüchig und polarisie-rend. „Am Anfang war es gar nicht einfach hier. Die ersten zwei Jahre mussten wir erst mal damit verbringen, dem doch sehr eigenwilligen Publikum, dem Grobvolk, klar zu machen, dass wir ein eigener und vor allem neuer Laden sind“, erzählt Lo-thar in seiner gewohnt ironischen Art. Die Erfolgsgeschichte Low Budget ging da-nach richtig los. Mit der ‚Offenen Wunde‘ ging 1999 hier die erste ständige Open-Microphone-Veranstaltung an den Start. Aus den Anfangsjahren dieser offenen Bühne ging auch Johann König hervor, der beste Kumpel des damaligen Moderators Rupert Schieche. Und auch heute noch ist der zweite Samstag in den dunkleren Monaten von September bis Mai diesem „dilettantischen“ Spektakel reserviert.

Kein Schickimicki

Aber was ist jetzt das typische Publikum in diesem Laden? „Wir wollten damals keinen Schickimicki-Laden und sind es bis heute nicht. Daher drehen die ganz jungen Dinger, die sich hierher verlau-fen, auch schnell wieder ab“, so Lothar. Also kein Schickimicki. Gut. Doch einfach Kölsch- oder Veedelskneipe ist es auch nicht. Im Low Budget findet man viele Stammgäste, aber eben auch stets neue. „Alle sechs Monate kommt ja Frischfleisch in die Stadt und für Studenten sind wir schon immer interessant.“ Und außerdem hat der Laden ja doch auch einiges zu bie-ten. Während das Low Budget oft nur auf „Tequila vom Fass, Name ist Programm,

09KÖLN-SZENE

WEITERE INFOS

Mehr zum Laden und dem kompletten Programm unter www.lowbud.de

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und niemals gehst du ganz ...

DIE PAPIERFABRIK WAR EIN ERFOLG INMITTEN VON INDUST-RIEKULTUR. BRACHEN HAT KÖLN

JA NOCH GENUG. EINE DAVON KANN DIE GESCHICHTE WEITER-

SCHREIBEN. NUR WELCHE?

IN GEDENKEN

07ALT / NEU

FOTOS: ANTJE LEPPERHOFF, JUDITH UHLIG

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10 KONSUM >

Fotos: Copyright

1968

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11KONSUM

zu finden, steckt nicht fehlende Eloquenz, sondern der unbe-wusste, allzu menschliche Mechanismus der Verdrängung: Man kauft etwas, es befriedigt einen nicht, man geht los und kauft das Nächste und auch das befriedigt nicht. Der Mangel ist nicht nur ein Mangel an Worten, sondern vor allem ein Mangel an der Fähigkeit, die Dinge mit einer persönlichen Bedeutung für einen selbst aufzuladen.

Die Wertigkeit der Dinge

Vielleicht lässt sich aus dieser Beobachtung heraus auch erklären, warum eben nicht immer alles „so schön neu“ sein muss, wie es beispielsweise von Peter Fox besungen wird, sondern auch mal alt und abgenutzt sein darf. Denn Dinge, die schon mal jemand anderem gehört haben, erzählen ja bereits eine Geschichte. Wie lässt sich sonst erklären, dass jeden Sonntag unzählige Perso-nen dies- und vermutlich auch jenseits des Mondes sich zu un-christlichen Zeiten aus dem Bett quälen, um über Flohmärkte zu streifen? Was sonst steckt hinter der Entwicklung vom leicht schambesetzten Second Hand-Schnäppchenjäger zum Second Hand-Trendsetter mit ausgeprägtem Sinn für Vintage-Chic? Woher sonst stammt das Phänomen der Antiquitätensammler? Insbesondere im Verhalten letzterer offenbart sich der Wunsch

Marginalspalte opultorum nostis pula derce imissernum nonsi contem fex mo us facesso licaperes senduci onosus

DINGE VON ANDEREN

DER ERWERB GEBRAUCHTER GEGENSTÄNDE IST MEHR ALS NUR DER

WUNSCH, GÜNSTIG EINZUKAUFEN. DAHINTER STECKT DIE GESCHICHTE EINER KONSUMFORM, DIE FÜR SICH

SELBST BEDEUTUNG SCHAFFEN WILL.

1968 stellte der Philosoph und Soziologe Jean Baudrillard fest: „Die Gegenstände des täglichen Gebrauchs … zeigen eine sprunghafte Zunahme, die Bedürfnisse werden immer vielfältiger, die Produkti-on beschleunigt ihr Kommen und Gehen, und schließlich ermangeln wir der Wörter, um alle mit Namen zu benennen.“ Was hat sich heute, über 40 Jahre nach dieser Aussage, die den Grundstein für Baudril-lards Abhandlung ‚Das System der Din-ge‘ legte, geändert? Eigentlich gar nichts. Mehr denn je konsumieren wir, als gäbe es kein Morgen. Und fast scheint es, als täten wir dies gar nicht freiwillig, sondern als würden wir dazu genötigt – durch uns verschlingende gesellschaftliche Struk-turen, die Politik, die Medien, das zu-rückschlagende Imperium, durch Pippi Langstrumpfs Truhe voller Golddukaten. Oder noch schlimmer: durch unsere eige-ne Psyche. Denn hinter dem Unvermögen, Namen für unsere Konsumgegenstände

TEXT: ŞEHNAZ MÜLDÜR

FOTOS:

SABINE GROSSE-WORTMANN

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12 KONSUM >

fer ungern etwas in die Hand: „Es gibt Kunden, für die empfinde ich auf Grund ihres Auftretens nicht so viel Sympathie. Da ist es mir auch egal, ob ich verkaufe. Und es gibt Kunden, die kennen eben den Wert der Dinge, beispielsweise weil sie sammeln. An die verkaufe ich natürlich lieber.“ Da ist er also wieder, der viel beschworene Wert. Den gibt es aber eben auch, wenn ihn außer dem Besitzer kein Mensch erkennen kann.

Peter van den Hoogen hat schon sehr lange, bevor er sein Geschäft vor mehr als 17 Jahren eröffnete, im Belgischen Viertel gewohnt. Die Menschen hier kennen ihn; und wenn jemand umzieht oder verstirbt, wird er angerufen, um sich die Gegenstände in der Wohnung anzusehen und mitzunehmen. Klar, dass nicht alles davon in seinem La-den landen kann. Doch mitgenommen wird es trotzdem – um den Kunden nicht das Gefühl zu geben, dass ihre für sie unermesslich wertvollen Sachen eben doch nicht so kostbar sind. Deshalb verkauft der erfahrene Händler auch auf Flohmärkten – bei-spielsweise Porzellan, Kaffeemaschinen oder „langweilige Taschenbücher.“ Und woher weiß man, was für den Flohmarkt und was für den Laden taugt? Die schlichte, aber

nach Bedeutung. So erklärt Peter van den Hoogen, Besitzer des Antiquitä-tengeschäfts auf der Venloer Straße 28: „Der Wert der verkauften Gegenstände ist sehr oft nichts Erlesenes oder Teures, sondern teilweise handelt es sich ein-fach nur um ein ausgefallenes Stück. Der Wert ist somit ein ideeller.“ Die Motive für das Sammeln sind unterschiedlich. So kommt seit nunmehr zwei Jahren je-den Monat ein sehr junger, nämlich ge-rade einmal 11-jähriger Käufer in seinen Laden und sieht sich nach alten Büchern um. Der Inhalt der Werke interessiert ihn dabei herzlich wenig, er mag einfach die schönen Einbände. Dann wiederum kriegt Peter van den Hoogen regelmä-ßig Besuch von einer Kundin, die einen klassischen Krimi nach dem anderen ver-schlingt. Auch das ist Sammeln.

Der Sympathiefaktor

Das Kaufen alter Sachen ist mitunter per-sönlicher, vertrauter, heimeliger. Am Floh-marktstand unterhält man sich mit dem Verkäufer darüber, wie die angepriesene überdimensionale Kuckucksuhr in den Fa-milienbesitz gelangt ist. Im Second Hand-Shop gerät man mit der Dame an der Kasse in verbale Schwärmereien über das Revival von Peeptoe-Schuhen. Und im Fal-le des Antiquitätenladens in unmittelba-rer Nähe zum Stadtgarten kann man bei einer gemeinsamen Zigarette mit dem Ladenbesitzer über den Preis eines Dreh-scheibentelefons feilschen. Man kennt sich eben. Daher würde Peter van den Hoogen sich auch nie in seinem Geschäft vertreten lassen. Seine Kunden wollten schließlich mit ihm sprechen, erklärt er, da er ihr Umfeld kenne und umgekehrt. Wenn er ein neues Stück im Laden hat, von dem er denkt, dass es einen bestimm-ten Kunden interessieren könnte, ruft er einfach an und gibt Bescheid. Die Be-deutung von Dingen, ihre Geschichte ist letztlich immer auch an Menschen und so auch stärker an das Käufer-Verkäufer-Verhältnis gebunden, als es bei neuen Sachen der Fall ist. Da kauft man dann vielleicht nicht ganz so gerne von einem weniger freundlichen Verkäufer oder gibt umgekehrt einem unsympathischen Käu-

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13KONSUM

eigentlich gar nicht einfache Antwort: „Erfahrungssache. Nach Jahren weiß ich, was direkt in den Container kann, was auf den Flohmarkt, und was in den Laden. Der Kunde selbst kann es nicht wegwerfen, aber ich habe da keine Hemmungen.“

Individualität durch Konsum?

Während der Eine sich nicht von einem inkontinenten Samowar trennen kann, weil der noch von der verstorbenen Oma stammt, errichtet und pflegt der Andere im Erwerb gebrauchter Dinge vor allem einen bestimmten Lifestyle. Den Couch-tisch von einem Sperrmüllhaufen zu haben, scheint interessanter, als ihn im Möbelgeschäft erworben zu haben – und

Ein Blick in Peter van den Hoogens Antiquitätengeschäft auf der Venloer Straße

zwar nicht nur, weil das die günstigere Variante ist. Die Motive sind unterschied-lich: Manche Kunden wollen einfach nur für möglichst wenig Geld einkaufen. Andere sind auf der Suche nach einem bestimmten Buchtitel, nach vier zusam-menpassenden altmodischen Stühlen, nach einem Hirschgeweih oder was auch immer. Und dann gibt es noch diejenigen, die „sich selbst einfach mit alten Sachen befassen und wohl fühlen“, wie Peter van den Hoogen sagt. Inzwischen allerdings, ergänzt er, gebe es nur noch sehr weni-ge spezialisierte Kunden. Man gibt heute eben nicht mehr so viel Geld für Antiqui-täten und Sammlerstücke aus. Doch auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. Denn was seinen Kundenstamm angeht,

„gibt es natürlich auch die Leute, die Zeit-schriften wie diese lesen“ – Peter van den Hoogen hält eine Ausgabe der Deco hoch – und einen bestimmten, darin vorgestell-ten Einrichtungsstil für sich entdecken. „Kunden werden stark beeinflusst durch Trends, die auch von diesen Zeitschriften gemacht werden“, erläutert er. Hier über-schneiden sich offenbar die Skalen für den ideellen Wert. Einerseits sehnen wir uns als Konsumenten nach möglichst viel Individualität, die wir durch das Aufladen von Bedeutung erzeugen wollen. Anderer-seits geht mit diesem Vorgang einher, dass die Geschichte der Gegenstände nicht nur die Geschichte ist, die wir ihnen selbst geben, sondern immer auch eine, die sie (selbst als neue, noch verpackte, frisch aus China importierte Konsumgüter, aber das ist wieder eine andere Geschichte) schon mitbringen. Der Kontext, in den wir sie einordnen wollen, ist dabei entschei-dend. Wer sich für ungewöhnlich desi-gnte Lampen aus den 80ern interessiert, kann daher in Peter van den Hoogens La-den schon auch mal bei einem alten Stück aus dem gerade von vielen Individualis-ten verpönten Ikea landen. So stellt er, im Grunde genommen Bezug nehmend auf mehrere Jahrzehnte des Konsumierens, fest: „Sicher gibt es auch viel Schrott bei Ikea, aber es gibt überall Schrott.“

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Kaum einer hat heutzutage von den so ge-nannten Scopitones gehört. Dabei handelt es sich um eine Art Jukebox für Musik -videos. Die großen Kästen entstanden wohl aus militärischen Restbeständen des Zweiten Weltkrieges und hatten nur eine sehr kurze Blütezeit. In Frankreich waren sie am beliebtesten, von dort aus verbreiteten sie sich zunächst vor allem nach West deutschland und England und schließlich auch in die USA.

Auf ähnlichen Prinzipien beruhten auch die Cineboxen, die Color-Sonics und die schwarzweißen Vorreiter aus den USA von 1939, die Panorams, die auch liebevoll Soundies genannt wurden.

Charme

in sperrigen Holzkisten

IM FRANKREICH DER 60ER JAHRE ENTSTANDEN WUCHTIGE VIDEO-JUKEBOXEN, AUF DENEN

MAN NACH GELDEINWURF DIE VORFAHREN UNSERER

HEUTIGEN MUSIKVIDEOCLIPS SEHEN KONNTE. AUSSER DEM BUDGET HAT SICH BIS HEUTE

NICHT SO VIEL VERÄNDERT.

DIE KURZE PHASE DER SCOPITONES

14 KULTURGUT >

TEXT: CHRISTINA ANDRASFOTOS: SCOPITONEARCHIVE.COM

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mal eben mit einem Flic Flac schlagen-den Akrobaten auf, weil dieser vielleicht gerade zufällig anwesend war. Gerade diese Improvisation und Planlosigkeit machen die Filme so sympathisch und begründen sicherlich einen großen Teil der Anziehungskraft, die heute noch für die Sammler der Scopitones und der dazugehörigen Clips ganz groß ist. Der Seltenheitswert der Geräte, die nur eine kurze Blütezeit von drei Jahren zwischen 1962 und 1965 erlebten, dürfte den Sco-pitone-Kult noch steigern. Kaum jemand erinnert sich an sie – alleine das dürfte den Kultfaktor für den kleinen Kreis an Sammlern und Nerds ins Unermessliche wachsen lassen.

Faszination mit jähem Ende

Die gut einen Meter breiten und 1,80 m hohen, 180 kg schweren Holzkisten mit Bildschirm standen nicht nur in Knei-pen und Lokalen, sondern versüßten den Reisenden auch an Bahnhöfen und Flug-häfen die Wartezeit mit ihren schrillen Videoclips. Da das Fernsehprogramm noch nicht farbig war, übten die Scopitones, die irgendwie aussahen wie die armlose, hölzerne, verunglückte Version eines Roboters, auf die Leute eine große Faszi-nation aus. Doch diese währte nicht lange. Gegen Ende der 60er Jahre verschwanden

die Scopitones wieder aus der Öffentlich-keit. Viele sind heute nicht mehr erhalten. Die meisten gingen irgendwie verloren oder kaputt.

Doch wieso der rasche Abgang? Die Anschaffung war teuer, die Wartung auf-wendig, sie nahmen nicht gerade wenig Platz weg und dann kam auch noch das Farbfernsehen, was das endgültige Aus für die urigen Kisten mit ihren skurrilen Filmchen bedeutete. Nach dem Ende ihrer Hochzeiten fristeten sie ihr Dasein als In-formationsstände für die NASA, in Berg-werken oder als Werbefilmabspielgeräte bei Autohändlern. Heute sind nur noch sehr wenige Scopitones in der Öffentlich-keit zu sehen. Vielleicht hat man Glück und sieht in einem Technikmuseum mal eins in der Ecke stehen. Und wer sich mal in Nashville, Tennessee aufhält, könn-te im Belcourt Theatre eines der letzten verbliebenen Scopitones in Aktion sehen. Heute bietet das Internet einige Archive, in denen die Filme von damals gesammelt werden. Echte Scopitoneliebhaber sind nostalgische Bastler und Sammler, die sich in eine Zeit zurückversetzen, die nur ganz kurz existierte. Sie halten die sperri-ge Holzkisten mit ganz eigenem Charme in Ehren und sichern so ein kurzes Stück Musikgeschichte für die Nachwelt.

15KULTURGUT

Lustige Filmchen auf Knopfdruck

Auf zumeist 16mm-Rollen wurden kurze bunte Filme zu Musikstücken nach Geld-einwurf abgespielt. Nachdem sich in den 1940er Jahren die Jukebox verbreitet hat-te, kam in den 60er Jahren die „Film-Juke-box“ in Form von Scopitones und ähnli-chen Modellen auf.

Da sie vor allem zur Unterhaltung in Kneipen eingesetzt wurden, kristallisierte sich schnell ein bestimmter Stil der Filme heraus: Sie waren bunt, schrill und sexu-ell ziemlich freizügig. Je mehr Go-Go-Girls in den Filmen leicht bekleidet zur Musik herumhüpften, desto besser. So kam es auch oft zu grotesken Kontrasten der Inhalte von Musik und Film. Traurige Bal-laden wurden oftmals genauso überdreht filmisch in Szene gesetzt wie lustige Tanz-lieder.

Inszenierung mit wenig Budget

Für die Clips gab es oftmals keine Dreh-bücher oder sonstige Pläne. Durch das auf etwa 1.000 Euro pro Film beschränk-te Budget, in das auch die Kopien schon mit einberechnet werden mussten, wur-de improvisiert, was das Zeug hielt. Man machte zum Beispiel verrückte Dinge auf einem Rummelplatz, tanzte mit Staub-wedeln und Kochgeschirr und lockerte den zusammenhanglosen Wahnsinn

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VERÄNDERUNGEN IM ÖFFENTLICHEN UND PRIVATEN

RAUM SIND BESTANDTEILE VON ALLAN GRETZKIS ARBEIT. DER KÖLNER INSTALLATIONS-

KÜNSTLER ÜBER SEINE PROJEKTE, GRAFFITI UND

ROSENVERKÄUFER.

Das Institut für Raumologie hat keinen Empfang, keine Seminarräume, keine Fenster. Die einzige Möglichkeit es zu besuchen, ist auf die Website zu gehen. Allan Gretzki, Installationskünstler und Mitbegründer der Institution, die sich mit Räumen beschäftigt, ohne selbst mit einem materiellen Raum vertreten zu sein, steht inmitten wild fotografieren-der Kölnbesucher vor dem Dom und war-tet – mit einer Idee im Kopf. Er hat sich für unser Gespräch einen bestimmten Platz überlegt: „Das schön kitschige Postkar-

tenmotiv direkt am Rheinufer.“ Ob das be-reits der erste verschiedener „Unorte“ ist, von deren besonderer Anziehungskraft auf sich selbst er in seinem Buch ‚Life and Work’ spricht?

Kahler Boden , bemalte Wände

In Deutz angekommen – über die Dau-erbaustelle mit dem leer geräumten Obdachlosentreffpunkt, vorbei an dem ein oder anderen mit „I ♥ Köln“-Taschen und Schwarzwaldfigürchen voll gestopf-

EIN RAUMOLOGISCHES GESPRÄCH MIT ALLAN GRETZKI

VON MENSCHEN UND MAUERN

16 PORTRAIT >

TEXT: ŞEHNAZ MÜLDÜR

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ten Touristenshop, an der raumtechnisch höchst spleenigen Philharmonie und den unzähligen Schlössern liebeskranker Brü-ckenpassanten –, suchen wir uns einen sonnigen Platz auf der Mauer am Ufer. Direkt neben ein paar inzwischen recht traurig den Kopf hängen lassenden Rosen. In der Tat ganz schön kitschig hier. Aber auch im Kitsch gibt es Unstimmigkeiten. Ein Blick nach links, eine abgesperrte Flä-che. Allan erzählt mir, dass dort früher Bäume standen, die im vergangenen Jahr alle für ein Bauvorhaben der Stadt gefällt

wurden. Die Fläche ist nun kahl, die Ab-sperrung sieht ein wenig nach polizeilich abgeriegeltem Tatort aus. Eine Verände-rung im Stadtbild Kölns, die für einen wenig charmanten Umgang mit der Natur spricht – und meinem Gesprächs-partner, dem Raumologen, ebenso auf-fällt wie die schwadronierenden Pfand-flaschensammler oder die Herren, die die traurigen Exemplare neben uns und unzählige weitere, hoffentlich frischere Rosen unters Volk mischen.

„Erinnerst du dich an den Michael Jackson-Schrein, den es hier gab? Der Hintergrund ist der, dass Jackson hier im Hyatt kampiert hat, wenn er in Köln war, um einen Blick auf den Dom zu haben. Deswegen haben sie den Schrein hier aufgebaut.“ Zeitweise war der improvi-sierte Andachtsort für den verstorbenen Sänger verschwunden, tauchte dann wieder auf und brachte Kritzeleien auf den umliegenden Wänden mit sich, in denen die Fans ihre Trauer zum Ausdruck brachten. Da die Wände aber sauber ge-halten werden sollten, lebte eine Initia-tive auf, deren Ergebnis das Anbringen von Papierpostern an den Wänden war, auf denen künftige Trauerbekundungen Platz finden sollten. „Da frage ich mich: Was hat jetzt Michael Jackson mehr als andere Menschen geleistet, um einen Schrein zu kriegen, wie berühmt muss man wie lange sein, damit jemand einen Schrein für einen errichtet, wann hört man auf, so einen Schrein zu pflegen?“ Fragen, die Allan sich stellt, wenngleich er selbst auch schon mal einen Schrein errichtet hat: die Installation ‚Graffiti is Dead – Hall of Fame‘. Ein Kunstwerk, an dem sich die Besucher aktiv beteiligen konnten, indem sie Gegenstände zur An-dacht hinterließen und so selbst Teil der Kunst wurden.

Privat-öffentliche Kunst

Pärchen, die via Sicherheitsschlössern der halben Welt ihre Jahrestage mitteilen, Musikfans, die die Trauer um ihr Idol an einem öffentlichen Platz loswerden wol-len, Rosenverkäufer, die in persönliche Gespräche hinein ihre Ware darbieten und eine aus privaten Habseligkeiten verschiedener, einander auch fremder Menschen zusammengesetzte Gedenk-stätte zu Ehren einer Subkultur und ihrer Vertreter. Was ist in den heutigen Raum-konzepten ein öffentlicher Ort, was ein privater? „Privater Raum sind ja eigent-lich nur noch die vier Wände der eigenen Wohnung“, meint Allan dazu. Er gehe bei seinen Projekten nicht unbedingt strate-gisch vor, erzählt er, „aber ich arbeite halt im öffentlichen Raum und dadurch, dass ich in Institutionen ausstelle, verändere ich eben auch den privaten Raum.“ Als Beispiel bringt er das Helios-Gelände in Ehrenfeld: Einem Bauherr gehört alles, obwohl die Räume öffentlich begehbar sind – „es ist pseudo-öffentlich.“

Vielleicht spielt diese Überlegung auch in seine ‚InstALLANtions‘ mit ein. Hin-ter diesem verbalen Ungetüm stehen Kunstwerke, die der 31-Jährige mithilfe unterschiedlichster Materialien an ver-schiedenen Orten aufbaut, ablichtet und wieder abbaut – und die alle die Buchsta-ben A L L A N darstellen. Somit macht er nicht nur seinen gleichermaßen pseudo-öffentlichen wie pseudo-privaten Namen publik, sondern liefert auch ein Statement zu den Vervielfältigungsmechanismen der Gegenwart: Informationen tauchen auf, sind binnen weniger Sekunden unge-achtet jeder räumlichen Distanz für eine Vielzahl von Menschen abrufbar und kön-nen ebenso schnell wieder von der Bildflä-che verschwinden – eine Form der Medi-ennutzung, die mit „Status“-Meldungen

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Foto: Allan Gretzki

Foto: Yoko Dupuis

auf Facebook, Twitter und Konsorten dem Schwarmverhalten gleicht. „Broken Windows-Theorie“, ergänzt Allan und lie-fert damit ein entscheidendes Stichwort. Dieser ursprüngliche Erklärungsversuch der Soziologie, wie es zu Verwahrlosung und Kriminalität kommen kann – in ei-nem leer stehenden Haus schlägt jemand eine Fensterscheibe ein, der nächste Vor-beikommende tut es ihm gleich und so weiter –, lässt sich in mehrere Richtungen denken, die anscheinend alle Einfluss auf den öffentlichen und so auch privaten Raum haben. Ein Beispiel: Flaschensamm-ler. „Früher hast du hin und wieder mal jemanden gesehen, der das gemacht hat, jetzt läuft dir an jeder Ecke einer über den Weg, der Flaschen sammelt. Also werden jetzt auf einmal alle ärmer oder macht’s einfach einer vor und alle anderen nach?“ Ersetzt man „ärmer“ durch „verliebter“, kann man die gleiche Frage in Bezug auf

die Schlösser entlang der Hohenzollern-brücke stellen. „Einer fängt an, immer mehr ziehen nach und irgendwann ver-sucht jeder die, die schon vorher da waren, zu übertrumpfen und hängt ein noch grö-ßeres, noch fetteres Schloss auf. Mit Graf-fiti ist es genau das Gleiche.“ Meine Irrita-tion über diese Aussage – übrigens noch verstärkt durch einen Rosenverkäufer, der auf uns zukommt – weicht mit der Erklä-rung, die Allan, der selbst schon weit mehr als ein Mal die Sprühdose in der Hand hat-te, gleich hinterher schiebt: Hat sich ein Sprayer irgendwo verewigt, kommt ein anderer und will mit einem noch größeren Bild und einem noch aggressiveren Style sein Revier markieren.

Das Stichwort Reviermarkierung spiele, so Allan, tatsächlich eine große Rolle bei Graffiti, das ja vor allem ein Sich-Mittei-len ist – oder zumindest ursprünglich war. Durch das Aufgreifen von Urban Art als

Lifestyle in der Werbung findet eine viel stärkere Kommerzialisierung als früher statt, Sprayer-Ausrüstungen sind leichter erhältlich und werden von immer Jünge-ren gekauft, die oft noch nicht über die nötige Fingerfertigkeit verfügen und da-durch mehr schmieren denn sprühen, ge-schweige denn über den Zusammenhang reflektieren, an dem sie sich beteiligen.

„Früher fand eine stärkere Auseinander-setzung zwischen einem selbst persönlich und der ganzen Subkultur statt. Man ist einfach viel gewissenhafter damit umge-gangen.“

Nichtsdestotrotz bleibt der privat-öffentliche Faktor bei Graffiti erhalten. Privat, denn „es handelt sich eigentlich um etwas Individuelles, um die Inschrift eines Individuums, das durch einen be-stimmten Style geprägt ist.“ Öffentlich, weil jeder, der schon mal in einen Bahn-hof eingefahren ist oder überhaupt auch

18 PORTRAIT >

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Foto: Yoko Dupuis

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kiDie Installationen

‚Warten auf Wladimir‘ und ‚Graffiti is Dead‘

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nur das Haus verlassen hat, diese Selbst-darstellung, oft verknüpft mit einer Mes-sage, sehen und – ob nun positiv oder negativ – darauf reagieren und die eige-ne (Raum-)wahrnehmung davon prägen lassen kann.

Raum und Mensch

So greift Graffiti-Kunst auch in das Wir-kungsfeld der Schönen Künste ein. „Kunst persifliert die Strategien der Graffiti-Künstler“, setzt Allan an. Oft gehe es nicht darum, Fragen aufzuwerfen, die vorher noch niemand gestellt hat: „Das macht Kunst ja leider immer weniger.“ Stattdes-sen besinnt man sich darauf, den eigenen Namen offen zu legen – die ewige Verviel-fältigung von sich selbst, die in den ‚InstAL-LANtions‘ mitschwingt. Aber ist das denn so schlimm? Irgendwann sei doch schon alles gesagt worden, da könne man doch

nichts Neues mehr erfinden, behaupte ich. Allans Reaktion: „Doch! Doch, es geht immer. Kunst muss im Idealfall immer et-was Neues aufwerfen. Dabei geht es nicht darum, ob die Menschen sich jetzt fragen: ‚Ist das Kunst oder nicht?’“ Ziel seiner ei-genen Arbeit ist daher nicht zuletzt die Einbindung Dritter, die er neben der ‚Hall of Fame‘ beispielsweise auch in der Raum-installation ‚Warten auf Wladimir‘ für die Mockba-Ausstellung 2010 in Dortmund erreicht hat: Er veranstaltete in den Aus-stellungsräumen, einem Wohnhaus, eine Willkommensfeier für einen der früheren Bewohner. Allerdings wusste keiner der Gäste, dass Wladimir eines Tages plötzlich verschwand und seitdem nicht wieder aufgetaucht ist. Entsprechend warteten nicht nur alle gemeinsam auf den Ehren-gast, sondern sie waren auch gemeinsam enttäuscht, als er – logischerweise – nicht zu seiner Fete erschien. Vermutlich wäre dieser Effekt nicht ganz so stark gewesen, wenn der Künstler die Installation nicht in Wladimirs Wohnräumen, sondern an einem anderen, beliebigen Platz durchge-führt hätte. So wird zwar auch der letzte private Ort, die eigene Wohnung, öffent-lich – aber was nutzt schon ein Raum ohne andere Menschen, mit denen man ihn teilen kann? Die Leute rechts und links von uns auf der Mauer, die Verliebten, die Sprayer und die Flaschensammler sehen das sicher nicht anders. Und Allan, der Raumologe, wohl auch nicht.

WEITERE INFOS

Mehr von und über Allan Gretzki gibt es unter und allangretzki.com und ­raumologie.de.

Fotos: Allan Gretzki

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DIE GRÖSSTE MENSA-PARTY EUROPAS STEHT VOR DEM AUS. DIE EINMALIGE ATMOSPHÄRE AUF

VIER EBENEN IN DER MENSA STEHT VORERST NICHT ZUR VERFÜGUNG. DOCH DIE MOTIVIERTEN

MACHER SUCHEN EINE NEUE LOCATION.

Zu jedem Semesterbeginn ein Pflichtter-min für Neu-Studenten: Die ‚Le Debut‘ hat seit elf Jahren Erstsemester und alte Hasen, aber auch einfach nur Musikbe-geisterte vereint und sich zu einer der größten Studentenpartys in Europa ge-mausert. Die 24. Ausgabe der Partyreihe sollte eigentlich im April dieses Jahres zum Sommersemesterbeginn ausgerich-tet werden, wurde jedoch kurzfristig ab-gesagt. Ob sie im Oktober wieder stattfin-det, steht noch in den Sternen. Die 23. und vorerst letzte ‚Le Debut‘-Party fand am 22. Oktober 2010 in der Uni-Mensa statt. Die Semesterparty des Asta (Allgemeiner Stu-dierendenausschuss) der Universität zu Köln, hat sich zu einem festen Bestandteil des Kölner Studentenkalenders manifes-tiert. Partywütige Erstsemester trafen auf alteingesessene Studenten aller Fa-kultäten, um sich auf den drei Areas und den insgesamt 3.000 qm großen Partybe-reich zum Semesterbeginn musikalisch einzustimmen. Über 3.500 Studenten feierten im Erdgeschoss zu Indie / Brit-pop Hymnen oder House /Electrohouse, im Obergeschoss zu Minimal / Techhouse oder 90er Jahre Trash Pop oder suchten kurzzeitige Entspannung in den beiden kuscheligen Lounges.

Von Studenten für Studenten

Das Hauptorganisationsteam für die-se Non-Profit-Party, von Studenten für Studenten, besteht momentan aus fünf Personen und bis zu 200 weiteren Hel-fern, die extra für die Partys eingestellt

werden. Thilo Heyer (23 Jahre) und Marc Lehmann (26 Jahre), beide BWL-Studen-ten und Angehörige der Hochschulgrup-pe ‚Die Unabhängigen‘ sind derzeit die Hauptverantwortlichen, die voller Elan und Einsatz versuchen, die ‚Le Debut‘-Tra-dition nicht aussterben zu lassen.

„Das Besondere an den ‚Le Debut‘-Partys ist, dass für alle Studenten etwas dabei ist. Alleine die angebotenen fünf, sechs Areas sorgen für eine große musi-kalische Vielfalt. Es ist ein Treffpunkt für Studenten aller Hochschulen, Fakultäten sowie jungen Menschen aus sämtlichen Veedeln Kölns. Selbst Reisegruppen par-tywilliger Menschen aus München sind schon zu diesem einzigartigen Partyevent gekommen, das dazu noch für jedermann erschwinglich ist. Für viele ist es somit ein fester Termin in ihrem Partykalender ge-worden, an dem man mit alten Freunden und Kommilitonen gemeinsam feiern und tanzen kann“, berichtet Thilo Heyer mit ein wenig Wehmut in seiner Stimme.

Interesse von allen Seiten

Studenten, Hochschulen, die Stadt Köln und viele externe Partner, wie die Dom Brauerei, haben elf Jahre Hand in Hand gearbeitet, um eine reibungslose und

20 UNI >

Das Organisati-onsteam sucht neue Räumlichkeiten, um die ‚Le Debut‘ zu retten

April 2011: Erstmals seit elf Jahren findet

keine ‚Le Debut‘ statt

DEBUTWOHIN NACH DER MENSA?

LE DEBUTNÄCHSTE PARTY AM ?.?.2011

KONTAKT: [email protected]

LETEXT: ADAM POLCZYKFOTOS: SASCHA GROSS

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einzigartige Veranstaltung auf die Beine zu stellen. 23 Mal wurde bislang in der Uni-Mensa an der Zülpicher Straße, in unmittelbarer Nähe zur Universität und dem Partyviertel Kwartier Latäng, gefei-ert. Die 24. ‚Le Debut‘ steht jedoch auf der Kippe. Auf Grund der Umstrukturierung des Asta, der dadurch nicht mehr der eigentliche Ausrichter der Veranstaltung ist und das benötigte Kapital zur Verfü-gung stellt, ist die Uni-Mensa als beson-dere Partylocation erstmals in der ‚Le Debut‘-Geschichte weggefallen. Aus die-sem Grund sucht das Organisationsteam um Thilo und Marc derzeit nach einer adäquaten Ersatzlösung im Kölner Raum. Zwischenzeitlich stand sogar ein Park-haus im Mediapark als Ausweichort zur Diskussion, aber aufgrund der schwieri-gen Sicherheitsbestimmungen und der Zurückhaltung des Besitzers ist leider nichts daraus geworden. „Da die Uni-Mensa ein ganz besonderer Ort für die ‚Le Debut‘ war, würden wir uns sehr freuen, wenn wir eine genauso ausgefallene Par-tyräumlichkeit in Köln finden könnten, die für 3.500 Gäste Platz bietet. Das Parkhaus

hätte so einen originellen Rahmen bieten können“, so Marc Lehmann.

Sicherheit hat Vorrang

Seit dem tragischen Vorfall bei der Love-parade in Duisburg am 24. Juli des ver-gangenen Jahres, bei dem 21 Menschen starben und zahlreiche weitere verletzt wurden, gehören die Sicherheitsbedenken zum größten Problem bei der Locationsu-che, obwohl das Team bereits jahrelan-ge Erfahrung mit Großevents sammeln konnte und ein 40 seitiges Sicherheits-konzept erstellt hat.

Damit Europas größte Mensa-Party im Oktober zum 24. Mal die Tore öffnen kann, startet das Organisationteam an alle damaligen und hoffentlich zukünfti-gen ‚Le Debut‘-Besucher den Aufruf: Falls ihr wisst, wo es in Köln eine passende Location gibt, die ausgefallen und groß genug ist, um bis zu 3.000 Menschen zu fassen, dann meldet euch bei Thilo und Marc. Denn sonst fällt in Zukunft ein wichtiger Termin im Kölner Studentenka-lender für alle Zeiten weg.

Aus und vorbei? Die Mensa-Party ‚Le Debut‘ bot Musik und Spaß für jeden Geschmack. Jetzt wird eine neue Location gebraucht

21UNI

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22 FOTOGARFIE >

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„MITTELS DER FOTOGRAFIE VERSUCHE ICH MEINE UMWELT

ZU REFLEKTIEREN.“

inszenierungen von menschen

WEITERE INFOS

www.veradrebusch.dewww.mockba-ausstellung.de

Alle Fotos: Copyright Vera Drebusch

Den Schwerpunkt ihrer fotografischen Arbeit setzt Vera Drebusch in Bilder von Menschen aus ihrem direkten Umfeld. „Dann sind die Bilder für mich meist stärker, als wenn ich Fremde fotografie-re“, erläutert die Fotografin und Medi-enkünstlerin. Ihre Arbeit zeichnen sich darüber hinaus durch ein hohes Maß an Experimentierfreude aus. So reicht die Bandbreite ihrer Werke von klassisch an-

mutender Fotografie über bewegte Bil-der in Form von Experimentalfilmen bis hin zu Ton- und Textarbeiten oder auch Objekten. Das Medium Fotografie bleibt allerdings ein Schwerpunkt, zu dem sie immer wieder zurückkehrt.

23FOTOGRAFIE

BILDERKUNST

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SL AM‚SCIENCE SLAMMER SIND DIE NEUEN UNTER-HALTUNGSKÜNSTLER. LIEBESGEDICHTE WAREN GESTERN, HEUTE IST HERZMUSKEL IN.

Alltäglich suchen wir nach Antworten. Wir stellen Fragen, die uns immerzu beschäftigen. Wir forschen. Wissenschaftler tun dies hauptberuflich und meist auf sehr speziellen Gebieten. Da-raus entsteht das ihnen zugesprochene Fachchinesisch, weshalb sie außerhalb von Wissenschaftskongressen selten Raum finden, ihre Antworten offen darzulegen. Beim ‚Science Slam‘ haben jetzt junge Gelehrte eine Möglichkeit, die oft trocken klingenden Themen lebhaft und artistisch der Welt zu präsentieren. In zehn Minuten versuchen junge Forscher das meist aus Studenten be-stehende Publikum auf eine Reise in ihr komplexes Wissensuni-versum mitzunehmen. Themen aus Physik, Geschichte und Che-mie werden so für jedermann begreifbar. Der beste Effekt: Es ist unterhaltsam und nicht selten Comedy pur. Bereits in zehn Städ-ten Deutschlands funktioniert die kneipentaugliche Darbietung wissenschaftlicher Sachverhalte. In Köln fand bereits der vierte ‚Science Slam‘ am 25. Mai im Bogen 2, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, statt.

Genügend Mut, auf die Bühne zu gehen

Die Idee zum ‚Science Slam‘ kam der Hamburgerin Julia Offe, promovierte Molekularbiologin und Wissenschaftsjournalis-tin, als sie von der Veranstaltung im Haus der Wissenschaft in Braunschweig hörte. Am gleichen Abend entstanden die ers-ten Entwürfe für das Projekt ‚Science Slam‘. Julia Offe besuch-te die damals bereits etablierten Poetry Slams in Hamburg und sprach eine Moderatorin an, ob diese bei einem ‚Science Slam‘ die Zuschauer durch das Programm führen könnte. Als schwie-rig erwies sich die Suche nach geeigneten Wissenschaftlern, die genügend Mut hatten, auf der Bühne aufzutreten. Monatelang machte sie ihren Freundeskreis damit verrückt, verteilte Flyer in den Mensen und suchte den Kontakt zu Pressestellen. Im Mai 2009 fand dann endgültig der erste ‚Science Slam‘ in Hamburg statt. Das Event war auf Anhieb so gefragt, dass über hundert Leute bei der Erstveranstaltung nach Hause geschickt werden mussten, weil die ausgesuchte Location aus allen Nähten zu platzen drohte.

Nach und nach entstanden ‚Science Slams‘ in Berlin, Kiel, Münster, Freiburg und Köln. Die Universitäten in Hamburg und

in Köln waren sehr angetan von Julia Of-fes Idee und unterstützten sie durch Wer-bung auf ihren jeweiligen Homepages. „Leider finden nicht alle Hochschulen dieses Konzept gelungen und reden von einer Trivialisierung der Wissenschaft“, so die Organisatorin.

Anfang letzten Jahres fragte der lokale Ra-diosender Kölncampus bei Julia Offe an, ob man die Veranstaltung nicht auch in Köln anbieten könnte. Als besonders ge-eignet erschien da der Bogen 2 am Haupt-bahnhof. Beim dritten Kölner ‚Science Slam‘ im Januar kamen mehr als 350 Gäs-te. Das war nun auch für diese Location zu viel, so dass etliche weitere Besucher keinen Einlass fanden. Falls sich dieser Andrang weiterhin so entwickeln sollte, dann würde man für die fünfte Veran-staltung in Köln nach einer neuen Loca-tion suchen müssen. Diese sollte in dem Fall ähnlich wie der Bogen 2 außerhalb des akademischen Kontextes liegen und über die so wichtige Kneipenatmosphäre verfügen, um das besondere Liveerlebnis beizubehalten.

SL AMSLAM

Science

Science

Ein komplexes Wissensuniversum

lebhaft, teils artistisch erklärt

Nach langer Suche nach „geeigneten

Wissenschaftlern“ gelang der Durch-

bruch

SL AMTEXT:

ADAM POLCZYKFOTOS:

SCIENCESLAM.DE

24 BÜHNE >

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SL AMVon Windkraft und Hormonen

Beim ‚Science Slam‘ im Januar ging es thematisch sehr technisch zu. Der Kölner Heinz Oliver Adria erklärte sehr anschaulich, wie Windkraftwerke besonders effektiv genutzt werden können. Die Physikerin Karin Everschor referierte über stromreduzierte Mag-netisierungsdynamik. Im Mai stand eine Kölner Psychologin auf der Bühne und brachte dem Publikum Oxytocin näher, ein Hor-mon, das im Körper für Empathie sorgt und maßgeblich für das Sozialverhalten ist. Außerdem betrat ein Bielefelder Biotechno-loge die Wissensbühne und brachte dem Publikum spezifische Aufreinigungsverfahren von Proteinen näher. Die Bandbreite der Themen ist unermesslich – genauso wie die Präsentations-methode: von echter Standup-Comedy über Powerpoint-Präsen-tation bis hin zu Live-Experimenten. Der Wissenschaftler nutzt das, was er für richtig und meistens ausgefallen genug hält, um das Publikum zu begeistern. Schließlich stimmen die Besucher darüber ab, wer am Ende des Abends zum Sieger gekürt wird.

Wissenschaftler treffen interessiertes Publikum

Für Julia Offe ist neben der Unterhaltung und Kneipen-Atmo-sphäre beim ‚Science Slam‘ noch der persönliche Bezug zwi-schen Wissenschaftlern und interessiertem Publikum wichtig. „Die jungen Wissenschaftler sind wie du und ich und versuchen dir gewisse Thematiken, die sie selber erforscht haben, in ein-fachen Worten näher zu bringen. Es handelt sich oftmals um Sachverhalte von denen man nicht nur spannende Antworten

erwartet, sondern hin wieder auch die Fragen dazu gar nicht versteht.“ Daraus entsteht letztlich weiteres Interesse. Der aufmerksame Zuschauer hat noch richtig viel gelernt. Ihr eigenes Promotionsthema möchte die Gründerin der ‚Science Slams‘ in Deutschland sehr ungern auf der Büh-ne aufführen: „Ich habe fünf Jahre an meiner Doktorarbeit geschrieben und bin danach ein Jahr lang jeden Tag mit dem Gedanken aufgewacht: Gott sei Dank – fertig. Ich habe mit dem Thema abge-schlossen und kann es mir gar nicht mehr anschauen. Von daher wäre ich nicht in der Lage, mein Promotionsthema auf der Bühne vorzustellen. Das soll nicht heißen, dass ich nicht nachvollziehen kann, was es heißt, auf der Bühne zu stehen. Ich habe schon beim Poetry Slam meine eigenen wissenschaftlichen Texte vorgetragen.“

Die ‚Science Slam‘-Gemeinde wächst unterdessen stets weiter. Anfang April fand der erste ‚Science Slam‘ in Göttingen statt. Außerdem wird es in diesem Jahr auch eine erste Veranstaltung in Magde-burg geben.

25BÜHNE

SL AMAnmerkung der

Redaktion: Amitabh Banerji,

Chemiker an der Uni Wuppertal, gewann am 25. Mai den vier-

ten Kölner Science Slam. Sein Thema: „Fantastic Plastic“

über Elektrolumines-zenz in organischen

Leuchtdioden (OLEDs)

‚Science Slam‘ – Wissenschaft auf der

großen Bühne: www.scienceslam.de

SL AM

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OHNE ABSTURZ AB IN DEN GARAGE-OLYMP:

X-RAY HARPOONS. BEKENNTNISSE EINES FANS.

Auf Geheiß von mit tadellosem Musikge-schmack gesegneten Freunden begab ich mich im Mai 2009 zur Buttshakers-Show in den Sonic Ballroom. Bei Astra und Ket-tenfett bekam ich von diesen leider weni-ger als erwartet mit, fesselte mich doch ihr Support, die X-Ray Harpoons, derart, dass ich augenblicklich vergaß, eigentlich wegen der Franzosen anwesend zu sein. Und das trotz meiner fehlenden Affinität zu Trashfilmen der 60er Jahre. Mit dem Release ihrer Debütsingle im April 2010 war es endgültig um mich geschehen…

Kaum verwunderlich also, dass sich un-sere Wege alsbald wieder kreuzten. Bei strahlendem Sonnenschein treffe ich

in Bonn Patrick und Calle. Patrick bleibt bei Cola – weniger zur Schonung seiner Stimme für kommende Gigs, als vielmehr seiner Arbeit sowie dem Heimweg von selbiger Tribut zollend. Bei invertierter Rollenverteilung halte ich mich an Pils, während der vermeintliche Bandleader an seinem koffeinhaltigen Erfrischungs-getränk nippt. Als einzig verbleibendes Gründungsmitglied wirkt er auch im Bonner Biergarten ähnlich präsent wie auf der Bühne. Sympathisch, bescheiden und vor allem sich selbst weitaus weniger wichtig nehmend, als er für die Band zu sein scheint, weiß er unaufgeregt aber umso unterhaltsamer aus fünf Jahren Bandgeschichte zu berichten. Wenig spä-

x-ray harpoonsTEXTE: DANIEL DEININGER, STEPHAN STRACHEFOTOS: PROMO

26 MUSIK >

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27MUSIK

ter stößt Calle, der Gitarrist, zu uns und bedient erfreulicherwei-se das Klischee, ebenfalls Bier zu ordern. Calle lebt Musik. Um Musik und seine Tochter hat er sein „Restleben“ arrangiert.

Jeglicher Sensationslust des geneigten Lesers zum Trotz wer-den keinerlei Gründungsmythen, legendäre Abstürze, orgieske Deflorationen williger Groupies oder ähnliches aufgetischt – nein, die beiden üben sich gentleman-like in vornehmer Zurück-haltung.

Klinkenputzen zwecks potentieller Engagements haben sie längst nicht mehr nötig: Spätestens seit ihrem viel beachteten Debütrelease sowie dem Beisteuern von ‚Charlotte’s Remains‘ auf dem Tribut-Sampler ‚Fuzztones Illegitimate Spawn Vol. II‘ ge-nießen sie nun den Luxus, dass Booker und Veranstalter sie ho-fieren. Neben diversen Auftritten im deutschsprachigen Raum führte sie ihr Weg auch nach Moskau und auf eine 14-tägige Frühlingstour quer durch Frankreich. Ein- bis zweimal im Jahr be-ehren sie überdies ihr Wohnzimmer, den Kölner Sonic Ballroom.

Auf die Frage, mit wem sie gerne noch die Bühne teilen wür-den, reagieren die beiden mit einem Lächeln. Potentielle Idole ha-ben entweder bereits das Zeitliche gesegnet oder teilten schon mit ihnen die Bühne. Aller Bescheidenheit der Band zum Trotz sind die X-Ray Harpoons längst im Garage-Olymp angelangt. Mittlerweile hoffen andere Bands, mit ihnen die Bühne teilen zu dürfen. Dabei verkommen sie nicht zu einer „Garage-Cover-Band“, sondern kreieren ihren eigenen, latent trashig-originären Sound. Durch die individuellen Einflüsse der einzelnen Bandmit-glieder wirken die einzelnen Lieder wenig homogen – die X-Ray-Handschrift tragen sie jedoch alle.

Zu unsterblichem Ruhm fehlt lediglich die Fertigstellung ihres Debütalbums und / oder der Suizid eines Bandmitglieds. Letzte-res wäre jedoch weniger wünschenswert. Neben der Arbeit am Album wartet bereits eine Split-Single mit den Fortune Tellers auf ihren Release. Zwecks möglichst authentischer Konservie-rung ihres Sounds üben sie sich konsequenterweise in analoger Aufnahmetechnik. Um dabei das Fehlen jeglicher Nachbearbei-tung zu kompensieren, ist eine Aufwärm-Tour durch Spanien und Portugal in Planung. Band müsste man sein …

Vom Vorprogramm auf die große Bühne: X-Ray Harpoons Aufstieg in den Garage-Olymp ist ge-glückt – ohne Eskapaden und ohne Debutalbum

TONTRÄGER RezensionenTHE SOUNDS – SOMETHING TO DIE FOR

KEN GURU & THE HIGHJUMPERS: THE SOUND OF KEN GURU & THE HIGHJUMPERS

THE DELEGATORS: MOVIN‘ ON

Ausgezeichnetes Album der schwedischen Indie-Rocker, die es einmal mehr schaffen, einen gekonnten Spagat zwischen Electro-Pop und rockigen Gitarren-Riffs zu schla-gen. Dabei überzeugen vor allem die Stim-me der charismatischen Frontfrau Maja Ivarsson und die flächigen Soundcollagen, die dem nunmehr vierten Longplayer des nordisch-kühlen Quintetts eine unglaub-liche Tiefe verleihen. Zehn Songs und kein einziger, bei dem Langeweile auch nur in Spuren aufkommt. Sehr zu empfehlen ne-ben dem titelgebenden Track ‚Something To Die For‘ sind ‚Better Off Dead‘ sowie der großartige ‚No No Song‘.

Ihrem, leider lediglich elf Lieder zählen-den Debüt, der sieben Dresdnern merkt man weder Alter (gerade der Pubertät entflohen) noch Herkunft (häufig klingen deutschsprachige Offbeatcombos nach Blaskappelle) an. Musikalisch erstaunlich frühreif, zimmern sie fast schon spielend aus den besten Zutaten der Musikge-schichte (Ska, Reggae, Soul, Funk und eine wenig Beat) ihr eigenes Ding.

Als musikalisches Ausrufezeichen, welches nicht nur den eigenen Sound de-finiert, sondern vielmehr auch verdeut-licht, wie moderner Early Reggae klingen muss, trägt diese Platte ihren Titel ‚The Sound of Ken Guru & The Highjumpers‘ völlig zu Recht.

Wenn es überhaupt eine Legitimation für Liebeskummer gibt, dann die, dass die Delegators den perfekten Soundtrack für selbigen liefern. Warmer, herzergreifen-der Rock Steady gewürzt mit einer Prise Northern Soul zwischen Herzschmerz, Aufbruchstimmung und Augenzwin-kern. Eine tighte Rhythmusgruppe trifft auf Janets zuckersüßen Gesang. Einziger Wehmutstropfen bleibt, dass die sechs durchweg famosen Lieder ihrer Debüt-EP lediglich als MP3-Download erhältlich sind.

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Lange mussten die Fans gellender Unter-haltung ausharren – am 01. April war es dann endlich wieder soweit: Stampfend und schnaubend luden Beat-Man Zeller und seine lautstarke Kombo ‚The Mons-ters‘ zum infernalen Freudentanz.

Als diesjährigen Schauplatz hatte sich die Band das Gebäude 9 ausgesucht. Ein-gebettet in ein Rahmenprogramm aus 60‘s Trash spielenden DJ‘s und Menschen mit Schmalztolle und/oder Petticoat waren die Eidgenossen im roten Orches-teranzug als krönender Abschluss einer Veranstaltung namens Monster Maniac Soul Time eingeplant. Bereits am frühen Abend waren die Hallen des Gebäude 9 gut gefüllt, und so ließ der Beat-Man sich

Auch wenn zu ihren Anfängen ihr tetris-ar-tige 8bit-Gedudel mehr nervte als erfreute, passten ihre Attitüde und ihr Habitus doch wunderbar zur Adorno-Lektüre. Egotronic brach mit den gängigen linksalternativen Mu-sikkonventionen, ohne gleichzeitig ihre ganz bestimmte Ablehnung und Abscheu zu ver-nachlässigen. Und zwar gegenüber dem geo-politische Interessen vertretenden, deutsche Tugenden wieder bejubelnden Deutschland um die Jahrtausendwende. Ihr, den Voyeuris-mus der digitalen Medien bedienende, Sänger Torsun verkörpert die Band mit seiner Mixtur aus demotauglichen, sloganhaften Aussagen und seiner sympathischen, selbstzerstöreri-schen Lebensweise durch berauschende Sub-stanzen jeglicher Couleur, sodass sich diese im Laufe ihrer zehnjährigen Bandgeschichte zur antideutschen Vorzeigeband entwickelte. Wenngleich sie mittlerweile in den popkultu-

rellen Mainstream der Indie-Szene integriert scheinen, vermitteln sie immer noch spie-lend, wenngleich plakativ und wenig differenziert, den euphorisierten, mitravenden Kids politische Inhalte. Auf Grund ihres Einflusses auf die Jugend kann man die agitato-rischen Verdienste Egotronics gar nicht genug würdigen und erfreulicherweise haben sie sich zudem auch noch musikalisch weiterentwickelt.

TRASH DELUXETHE MONSTERS IM GEBÄUDE 9

LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK10 JAHRE EGOTRONIC

KONZERTREVIEWS

Foto: egotronic 2010

Foto: DESBOROUGH

Zu ihren Jubiläumsfeierlichkeiten Anfang Mai in Hamburg und Berlin ließen Ego-tronic es entsprechend gemeinsam mit ehemaligen Bandmitgliedern und Weg-gefährten groß krachen. Auf die nächsten zehn Jahre!

die Gelegenheit nicht entgehen, im feinen Zwirn ein Bad in der Menge zu nehmen.

Gegen 0.30 Uhr nahm das Spektakel dann seinen Lauf: Innerhalb weniger Mi-nuten schaffte es die Band, selbst „bra-ve“ Mädels in Ballerinas zum körperkon-taktbetonten Mittanzen zu bewegen. Als dann zu dem Titel ‚Black‘ auch noch alle Lichter ausgingen, war die Menge nicht mehr zu stoppen. Nach gut eineinhalb Stunden und insgesamt zwei Zugaben à zwei Titeln verabschiedeten sich die Ber-ner Krawallmacher und hinterließen ein hochzufriedenes, euphorisiertes Publi-kum.

28 MUSIK >

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29ZWISCHENRAUM

Es war einmal eine Kaserne in Köln-Jun-kersdorf, bewohnt von Belgiern. Diese hatten einen schönen Kino- und Ver-anstaltungssaal. Nach dem Abzug der Streitkräfte wandelte sich das Gebiet in unmittelbarer Nähe zum Stadtwald in ein schickes Viertel – im wahrsten Sinne. Und auch der schöne Saal blühte wieder richtig schön auf. Den horrenden Preisen für Land und Haus geschuldet, haben sich dort vorwiegend zahlungskräftige Städ-ter angesiedelt. Das gefiel dem Saal ganz gut, konnte er sich doch so noch weiter entfalten. Unten den Neuankömmlingen befanden sich allerdings auch Nörgler, wie der Saal schnell merkte. Ein Hin und Her begann – mal geschlossen, mal ganz vital, mal hoffnungsvoll und dann …

Das Schicksal des Saals ist nun besie-gelt. Viele, sehr viele Menschen vor Ort erfreut das nicht – wohl nur ein paar, die ihr Ruheidyll in direkter Nachbarschaft zum FC-Domizil endgültig durchgesetzt

WEITERE INFOS

Das Limelight gilt als Bühne von Weltfor-mat und ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Noch 2010 traten hier Robbie Williams und Bon Jovi auf. Die Diskussi-onen und Reaktionen zum endgültigen Aus sind nachlesbar unter www.limelight-cologne.de.

LIMELIGHT: EINE ERFOLGS-GESCHICHTE MUSS SCHLIESSEN,

WEIL ZWEI NACHBARN ETWAS DAGEGEN HABEN. IN

DER HAUPTROLLE: EIN DENK-MALGESCHÜTZTES GEBÄUDE IN

JUNKERSDORF.

haben. Doch ganz das Ende von der Ge-schichte ist das wohl noch nicht. Ein paar tapfere Menschen machen weiter. Der Glanz, das Interieur des Saals, soll wei-terziehen, an einen neuen, einen siche-ren Ort. Mal sehen wohin die Reise führt. Doch manches wird bleiben: ein fader Beigeschmack von wahrem „Volkswillen“ in so mancher Gegend und ein leeres, gro-ßes Gebäude, einsam inmitten von „rei-nem“ Wohnen stehend.

Limelight Theater - Köln: Norah Jones-Konzert

Platz für Ideen, Orte für Kreativität oder einfach nur Stätten des Lebens – eine Stadt wie Köln bietet an und für sich Räume ohne Ende. Doch gibt es dabei oft Probleme. Zwischennutzungs-konzepte, Umnutzung, städtisches Interesse vs. Kreative vs. Alternative vs. Anwohner. Der erste Teil unserer „Raumschau“ greift ein „privates“ Problem auf.

TEXTE: ROBERT FILGNERFOTO: WOLFGANG WEIMERRUHESTÖRUNG

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30 FOTOSTRECKE >

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BUNTER ALS GEDACHTDER EIGELSTEIN GEHÖRT ZU DEN VERSCHRIENEN ECKEN KÖLNS – EIN DUNKLES PFLASTER IM WAHRSTEN SINNE DES WORTES SEI ER. DIE FOTOGRAFIN SABINE GROSSE-WORTMANN STRAFT DIE BÖSEN ZUNGEN LÜGEN.

31FOTOSTRECKE

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32 FOTOSTRECKE >

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33FOTOSTRECKE

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Als Marc Dressen und Alex Pach 2003 an der Deutschen Sporthochschule die Be-wegung ‚Move Artistic‘ ins Leben riefen, konnten die damaligen Studenten noch nicht ahnen, dass sie wenige Jahre später eine 1.000 qm2 große Trainingshalle betrei-ben würden. Im Vogelsanger Industrie-gebiet, nahe am Technologiepark, finden jeden Nachmittag mehr als 30 Jugendli-che den Weg in den so genannten Move Artistic Dome. Sie üben sich in Saltos und Schrauben, es wird sich durch Stangen an einem selbstgebauten Gerüst gehangelt und von meterhohen Kisten gesprun-gen. Ein ausgedienter Mercedes dient als natürliches Hindernis. Die einzige Regel: Es gibt keine.

‚MOVE ARTISTIC‘ ERFREUT SICH IN KÖLN IMMER GRÖSSERER

BELIEBTHEIT. DIE BEIDEN GRÜNDER WOLLEN MEHR:

DIE AUFMERKSAMKEIT DER SHOWINDUSTRIE.

PLATTFORM FÜR NEUE BEWEGUNGSFORMEN

SPRUNG AUF DIE GROSSE BÜHNE

TEXT: KAROL HERRMANNFOTOS: MOVE PRODUCTIONS

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„‚Move Artistic‘ ist eine Plattform für neuartige Sportarten wie Parkour, Free - running und Tricking“, klärt Pach auf. Parkour und Freerunning, einst aus Frank-reich herübergeschwappt, werden seit einigen Jahren immer beliebter. Dabei geht es um die möglichst effiziente (Park-our) und kreative (Freerunning) Überwin-dung von Hindernissen auf einem vor-gegebenen Weg. Unter Tricking können sich hierzulande dagegen nur die wenigs-ten was vorstellen. „Tricking verbindet Elemente von Breakdance, Bodenturnen und Kampfsportarten, wie Karate oder Capoeira“, sagt Dressen. Nicht zuletzt, weil er seine Kindheit in Asien verbrachte und von den dortigen Kampfkünsten ge-prägt wurde, gilt er als deutscher Pionier dieser noch so jungen Bewegungsform.

Mitgliedschaft ab 20 Euro

Dressen, ein Europameister im Free-style Karate und Pach, ein ehemaliger Bundesligaturner der ersten Garde: Zu-sammen mit 13 weiteren Trainern geben sie im Move Artistic Dome ihr Können an die Jugendlichen weiter. Über 250

Mitglieder haben sich bereits angemeldet. Eine monatliche Mitgliedschaft für freies Training gibt es ab 20 Euro zu erwerben. Workshops und Spezialkurse für Tricking, Breakdance, Capoeira oder Parkour wer-den regelmäßig angeboten, müssen aber extra bezahlt werden.

Perfekt für die Werbeindustrie

Das kommerzielle Potenzial erkennend, entschieden sich die beiden 2007 zur Gründung der eigenen Agentur. Seitdem bieten sie Firmen Showpakete für Events, Messen, Werbekampagnen, TV-Shows und Filme an. Das erklärte Ziel: „Weg vom Underground – hin zu den Großver-anstaltungen“, wie Pach offen zugibt. „Warum nicht mal mit einer neuen Show den Kölner Karneval aufmischen?“ Durch die spektakulären wie ästhetischen Be-wegungsabläufe wurde bald auch die Werbeindustrie auf die Kölner aufmerk-sam. So nutzten bereits renommierte Autohersteller wie VW oder Porsche die dynamischen Showeinlagen für Produkt-präsentationen. Heute finanzieren die Jungunternehmer mit ihrer Agentur und

der Halle längst ihren Lebensunterhalt. Weil sich nicht alle hauseigenen Akro-baten für die große Showbühne eignen, haben sie sich ein Netzwerk mit den Bes-ten der internationalen Szene aufgebaut. Jüngst vermittelten sie Artisten für die TV-Serie ‚Niedrig und Kuhnt‘ und den Kinderfilm die ‚Teufelskicker‘. Durch die Thematisierung in den Medien erhofft man sich langfristig eine Etablierung als Trendsportart.

Grosses Event in Köln

Das nächste große Event steht derweil schon ganz oben auf der Agenda: ‚The Big Trick‘ heißt die selbst kreierte Veranstal-tung, die am 6. und 7. August im Move Artistic Dome stattfinden wird. Dabei wird sich die Crème de la Crème der internationalen Tricking-Szene messen. „In den letzten Jahren kamen zwischen 500 und 600 Zuschauer. Das wollen wir diesen Sommer übertreffen“, sagt Pach, bevor er seinen Trainingsanzug über-streift, das Agenturbüro verlässt und in der Halle verschwindet.

35SPORT

WEITERE INFOS

Move Artistic DomeTeichrohrsängerweg, 50829 Kölnwww.move-artistic.com

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SABRINA TIBOURTINE IST „EINE DER GUTEN“. DIE FREIBERUFLICHE ILLUS-

TRATORIN UND ANIMATORIN BEEINDRUCKT MIT IHREM PORTFOLIO: VON COLLAGEN FÜR DIVERSE MAGAZINE BUNDESWEIT

ÜBER KUNSTDRUCKE BIS HIN ZU SELBST GESTALTETEN BÜCHLEIN UND KALENDERN.

SABRINA WURDE 1979 IN PARIS GEBOREN UND WUCHS GUT BEHÜTET IM SAUERLAND

AUF. NACH MEHREREN EUROPAESKAPA-DEN, EINEM GESCHEITERTEN KUNST-

GESCHICHTS- UND EINEM GEGLÜCKTEN DESIGNSTUDIUM IN KREFELD UND LONDON

ARBEITET SIE SEIT 2005 IN KÖLN.

Eine Der GutenILLUSTRATION & ANIMATION

36 ILLUSTRATION >

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WEITERE INFOS

[email protected]

37ILLUSTRATION

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Den Anfang macht eine Geschichtsarbeit von Anne Hallbauer, Studentin aus Dresden, die mehrere Jahre in Köln lebte. 2010 un-tersuchte sie in ihrer Bachelorarbeit die Kaffeekultur in der ehe-maligen DDR. Ein nicht zu unterschätzendes Thema: Oder wer kennt schon die „Kaffeesachsen“, die bereits vor langer Zeit mit ihrem Kaffeekonsum auffielen und – etwas zugespitzt – sogar Einfluss auf die Geschehnisse Ende der 1980er Jahre hatten?

Auszüge aus „Kaffeetrinken im Sozialismus“

„In einer Ausgabe der Mitteilungen des Instituts für Marktfor-schung Leipzig aus dem Jahr 1974 findet man den Hinweis, dass eine kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Bohnen-kaffee von großer Bedeutung ist. Dass Kaffee auch in der ehema-ligen DDR getrunken und geschätzt wurde, überrascht dabei si-cherlich wenig. Auch die weiteren Ausführungen und Statistiken spiegeln die Beliebtheit des ehemals exotischen Genussmittels wieder. Diesem Bild entsprechen auch andere Quellen: Ob in pri-vatem oder dienstlichem Umfeld – Kaffee war allgegenwärtig, nicht wegzudenken, ein Attribut des Alltags.“

STUDIEN- UND EXAMENSARBEITEN ALLER FACHRICHTUNGEN, KREIERT IN STICKIGEN

UNIBIBLIOTHEKEN, VERDIENEN EINEN RAUM, SICH UND VOR ALLEM IHREN FACETTENREICHTUM

ZU PRÄSENTIEREN.

KaffeesachsenZUM KULTURGUT KAFFEETRINKEN

38 WISSENSCHAFT >

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39WISSENSCHAFT

„Immerhin widmen sich die vorliegenden Gedanken nicht ausschließlich dem DDR-Kaffee selbst, sondern vielmehr der Idee, die mit dem Genuss von Kaffee bei den Verbrauchern in der ehemaligen Repub-lik einherging. Diese Idee steht in engem Zusammenhang mit dem sogenannten Mangelbegriff, der für viele Bereiche der Konsumlandschaft der DDR zutreffend erscheint. Die Mangelsituation ergab sich jedoch nicht aus einem Defizit in der Grundversorgung, sondern vielmehr aus dem wachsenden Anspruch der Bevölke-rung nach Mode und ebensolche Güter erwerben zu können, wie sie außerhalb der westlichen Republikgrenzen zugäng-lich waren, bzw. Qualitätsdifferenzierung boten. Und Kaffee ist für diesen Anspruch das wohl prominenteste Beispiel.“

Was sind denn Kaffeesachsen?

„Zu Zeiten der DDR war der Kaffeekonsum in Sachsen am höchsten, was wiederum parallel zur Tradition der so genannten Kaffeesachsen15 läuft.“

Achtung: eine korrekte Fußnote (andere Fußnoten wurden als Platzgründen ent-fernt):

„15: Der Begriff des „Kaffeesachsen“ ent-spricht mutmaßlich zweierlei Quellen. Zum einen wird der Region, dem Erzgebir-ge insbesondere, ein immenser Verbrauch an Ersatzkaffeegetränken im 19. Jhd. zuge-schrieben. Zum anderen wird den Kursach-sen eine wichtige Rolle für das Entstehen des Kaffeebewusstseins der deutschen Na-tion nachgewiesen. (Vgl. Heise, Ulla: Süße muss der Coffee sein!, Begleitbuch zur Aus-stellung 28.4.-12.6.1994, Leipzig 1994, S. 8.)“

Zurück zum Thema

„Die wohl prägnanteste Schilderung zum Stellenwert der braunen Bohne im Leben der DDR-Bürger bietet Paul Gratzik in sei-nem Roman „Transportpaule“:

„Der Lebensrhythmus der Menschen zwi-schen ihren alten und neuen Mauern richtet sich nach ihren Kaffeepausen. Sie trinken ihn süß, heiß und in ziemlichen Mengen. Man könnte, wäre man Anar-

chist, die Menschen allesamt demoralisie-ren, würde man die Zufuhr des geliebten Kaffees sperren. Die Arbeitermacht bei uns darf sich Fehler erlauben, nur den nie, das Herbeischaffen des Kaffees auch nur einen Moment lang zu vergessen.“

Dieser Buchauszug aus dem Jahr 1977 be-schreibt mit wenigen Worten, was Kaffee den Menschen in der DDR bedeutete und dass seine Wegnahme gewissermaßen einen Zustand der Gesetzeslosigkeit aus-lösen würde. Der tägliche Kaffeegenuss kann als moralisierende Instanz, als Halt, der den Menschen Struktur und Kraft für den Alltag verleiht, verstanden werden. Sicher entspricht diese Interpretation der Realität nicht in gleichem Maße, doch ist sie auch nicht weit davon entfernt.“

Und?

„Auf der Bühne des Sozialimus der DDR spielte Kaffee also eine wichtige Rolle, die an eine Zweitbesetzung nicht zufrieden-stellend hätte vergeben werden können. Dabei war nicht das fehlende Talent der Ersatzkaffees ausschlaggebend, sondern vielmehr das Prinzip „Bohnenkaffee“, der seinen festen Platz in den Herzen der DDR-Kaffeetrinker hatte und höchst-wahrscheinlich auch immer haben wird. Denn obwohl die deutsch-deutsche Ge-genwart sich nicht mit materiellem Man-gel konfrontiert sehen muss, würde der Entzug von Kaffee wohl auch heute dazu führen, dass Fassungslosigkeit und Empö-rung das Publikum aufstehen lassen.“

Hier ist der Autorin wohl recht zu geben.

WEITERE INFOS

Die komplette Arbeit „Kaffeetrinken im Sozialismus - Die Rolle von Kaffee in der DDR“ ist zu finden unter www.examicus.de (Rubrik: Sprach- und Kulturwissen-schaften / Geschichtswissenschaften / Zeitgeschichte)

TEXT: ANNE HALLBAUER, ROBERT FILGNERFOTO: KA DI / PHOTOCASE.COM

Kaffeetrinken gehört fest zur deutschen Kultur. Das galt in

Ost wie West. Anne Hallbauer belegt in

ihrer Bachelorarbeit, wie ein Mangel bei

der Kaffeeversorgung auch das heutige

System ins Wanken bringen würde

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HANDGEMACHT

40 MODE >

Kleine Schwestergroße Kunst

Das macht gute Laune. Aus einem Hobby wird etwas richtig großes: Eine neue Mo-tivation zurück ins Leben. Die Geschichte von Linda und Sabrina Vossbruch könnte herzerfrischender kaum sein. Sabrina und ihre kleine Schwester verbindet sehr viel. In so ziemlich jeder freien Minute nähen sie zusammen. Im vergangenen halben Jahr haben sie zwei große Kisten gefüllt. Angefangen mit Handytaschen und „Ta-schentücher-Taschen“ sind die Produkte von Monat zu Monat anspruchsvoller ge-worden. Heute zählen Kindermützen und kleine Tierchen wie der Nasenbär, aber auch Schlüsselanhänger, unter anderem

das Dom-Kissen, zu ihren „Lieblingen“. „Wir machen alles zusammen, schon im-mer. Und das wird auch immer so bleiben“, sagt Sabrina, die nur an den Wochen-enden in Köln sein kann. Die 22-jährige Grundschullehramt-Studentin verbindet aber viel mehr mit ihrer Schwester.

Linda bekam vor sieben Jahren Stamm-zellen von Sabrina. Die heute 19-Jährige war an Leukämie erkrankt. Doch damit leider nicht genug: Eine komplizierte Virusinfektion hat die vergangenen Le-bensjahre von Linda geprägt und ihr fast das Leben gekostet. Die Familie schenkte ihr stets Kraft.

„KUNST KOMMT VON KÖNNEN“, SAGEN VIELE MENSCHEN EINFACH SO DAHER. KUNST BEDARF VOR ALLEM HINGABE, KREATIVITÄT UND EINES FESTEN WILLENS. EIN GANZ BESONDERES BEISPIEL.

TEXT: ROBERT FILGNER

FOTOS: ANTJE LEPPERHOFF

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41

So begann Linda 2009 eine Ausbildung zur Raumausstatterin, bevor ein weiterer lebensbedrohlicher Rückschlag ihr erneut Kräfte raubte. Gut gelaunt und voller Motivation schaut sie heute dennoch nur auf die positiven Seiten zurück: „Der an-gefangenen Ausbildung habe ich meine Nähleidenschaft zu verdanken. Anfangs musste ich einfach nur nähen, nähen, nä-hen. Ein Praktikum beim WDR hat meine Fertigkeiten dann nahezu perfektioniert: Ich nähte Stoffe aneinander, bekam aber auch ‚Extraaufgaben‘, wie zum Beispiel den Duschvorhang meines Chefs.“

Nachdem sie ihren ersten Reißverschluss nähen konnte, kam Sabrina ins Spiel. „Ich habe ihr kleine Mäppchen genäht, mit Reißverschluss. Das konnte ich ja nun“, erzählt Linda sichtlich stolz. Auf die Hand-werkskunst von Linda setzte Sabrina dann noch kleine Gimmicks, verspielte Verschö-nerungen und gemeinsam entwickelten sie neue Motive. Daraus hat sich nun die beeindruckende Sammlung an kleinen Schätzen entwickelt, die ab jetzt auch einen eigenen Namen trägt. Ihr Vater hat für die beiden eine Internetadresse gesichert: www.kleineschwester.com. Hier zeigen sie nun ihre Unikate und vielleicht

wächst daraus ja noch viel mehr. „Spä-ter, nach der Ausbildung, hätte ich gerne einen eigenen kleinen Laden. Natürlich mit Sabrina zusammen“, schwärmt Linda. Und was, wenn ihr schon vorher richtig Erfolg habt? „Unser Vorrat ist ja noch ganz ordentlich. Neue Ideen gehen uns auch nicht aus. Spätestens in den nächsten Semesterferien von Sabrina legen wir uns weiter richtig ins Zeug.“ Darauf freuen sich beide tierisch. Die gemeinsame Frei-zeit der Schwestern ist ein großer Spaß und ein wichtiger Anker für Linda – auf dem Weg zurück ins ganz normale Leben.

MODE

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FREMD IST DER FREMDE NUR IN DER FREMDE

MUSEUMSBESUCH IM RAUTENSTRAUCH-JOEST MUSEUM KÖLN

42 MUSEUM >

DAS RAUTENSTRAUCH-JOEST-MUSEUM ERSTRAHLT SEIT HERBST VERGANGENEN JAHRES IN NEUEM GLANZ – EIN RUNDGANG IM KÖLNER KULTURQUARTIER.

Der Gedanke an den Besuch eines völker-kundlichen Museums löst sicherlich nicht bei jedermann Begeisterung aus: Vor dem geistigen Auge erscheinen zufällig wirken-de Ansammlungen von Artefakten in zahl-losen Vitrinen mit allerlei Getöpfertem, diversen Werkzeugen und Holzmasken inklusive Wurmbefall. Natürlich das stets freundlich gestimmte Wachpersonal nicht zu vergessen, das mit einem har-schen „Nicht anfassen!“ jegliche Begeiste-rung für die leicht angestaubten Expona-te im Keim erstickt.

Glücklicherweise haben sich viele Mu-seen mittlerweile dieses Images entledigt: Mit zeitgemäßen Vermittlungsstrategien, modernen Medien und durchdachten In-szenierungen werden den Besuchern heute neue Bedeutungszusammenhänge und Betrachtungsweisen der ausgestell-ten Objekte erlebnisorientiert vermittelt. Das Rautenstrauch-Joest-Museum, wel-

ches im Herbst letzten Jahres mit dem Zusatz ‚Kulturen der Welt‘ neu im Kölner Kulturquartier eröffnete, reiht sich in die-ses Bild in besonderer Weise ein. Neu ist hier nicht nur der zusätzliche Name des Museums, sondern auch die Ausstellung selbst. Während das seit 1906 bestehende Museum im Vorgängerbau am Ubierring eine nach Regionen strukturierte Ausstel-lung präsentierte, wird die Sammlung nun entlang verschiedener Themen insze-niert, die Menschen auf der ganzen Welt betreffen – vom Wohnen bis hin zu For-men der Bestattung. Der Weg durch die Ausstellung lässt die Besucher mithilfe eines Kultur vergleichenden Ansatzes in ganz unterschiedliche Bereiche menschli-cher Lebensgestaltung eintauchen. Jeder Ausstellungsraum vermittelt dies durch seine ganz eigene Atmosphäre.

Bereits im Foyer des Museums erwar-tet die Besucher ein imposant wirkender indonesischer Reisspeicher aus Sulawesi. Das kunstvoll verzierte Wahrzeichen des neuen Museums lässt die Fülle von faszi-nierenden Exponaten in der Ausstellung erahnen.

Ehe man es sich versieht, ist man Teil des Ausstellungsparcours: Fremde Welten ziehen vorbei, Tod und Jenseits und dann

TEXT: JENS ALVERMANN, KATARINA FRITZSCHE

Foto: Rheinisches Bildarchiv

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eine riesige, prächtig verzierter Stier aus Bali. Man sieht magische Objekte, nimmt Platz an einem Forschertisch und erlebt meditative Momente auf der ‚Om-Couch‘. Der Kultur vergleichende Ansatz der Dau-erausstellung regt dazu an, die eigene kulturelle Prägung aus einer erweiterten Perspektive neu zu betrachten.

„Man ist ein Esel in Europa zu leben, theuer und hat absolut nichts.“

Wilhelm Joest, 1882

Durch eine Projektion verschiedener Be-grüßungsformen aus aller Welt betreten die Besucher die Ausstellung des Rauten-strauch-Joest-Museums. Nach einer Ein-stimmung durch ein Musikinstrumente-nensemble aus Java widmet sich der erste der beiden großen Ausstellungsbereiche unter dem Leitthema „Die Welt erfas-sen“ verschiedenen Begegnungsebenen mit fremden Kulturen aus europäischer Sicht. Unter dem Titel ‚Begegnung und Aneignung: Grenzüberschreitungen‘ wird die in Europa herrschende Sehnsucht des 19. Jahrhunderts nach Exotik, fernen Län-dern und einer Erweiterung des Horizonts durch die Begegnung mit dem Fremden am Beispiel von Forschungsreisenden wie Wilhelm Joest und Max von Oppenheim skizziert. „Man ist ein Esel in Europa zu le-ben, theuer und hat absolut nichts“, stell-te Joest 1882 im Zuge seiner Reisen fest. Seiner Schwester Adele Rautenstrauch hinterließ er eine über 3.500 Objekte um-fassende Privatsammlung, welche heute den Grundstock der Museumssammlung bildet. Mit der Zeit ist die Sammlung be-trächtlich gewachsen, sodass sie gegen-wärtig etwa 60.000 Artefakte aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien und etwa 100.000 ethnographische Fotografien umfasst.

Ein Teil der Abteilung ist als überdi-mensionierte Bücherwand inszeniert und lädt die Besucher dazu ein, in herauszieh-baren Schubladen und Büchern intuitiv zu stöbern und in einem virtuellen Buch interaktiv zum Thema „Begegnungen“ zu blättern. Auch die folgenden Abteilungen dieses ersten Ausstellungsbereichs zeich-nen sich durch einen abwechslungsrei-chen und anregenden Aufbau aus.

Die Abteilung ‚Der verstellte Blick‘ fo-kussiert bestehende Vorurteile gegen-über afrikanisch-stämmigen Menschen in einem begehbaren Vorurteils-Con-tainer. Die sich anschließende ‚Die Welt in der Vitrine‘ präsentiert das Museum bewusst auch als Ort des Sammelns, Be-

trachtens und Interpretierens von eth-nographischen Objekten. Den ersten Teil des Themenparcours abrundend lädt die Abteilung ‚Ansichtssachen?!: Kunst‘ zur Diskussion der Frage nach dem künstle-rischen beziehungsweise ästhetischen Wert eines Artefakts sowie nach seiner ethnografischen Bedeutung ein.

Der zweite Teil der Ausstellung gibt unter dem Titel ‚Die Welt gestalten‘ ei-nen vielseitigen Einblick in Formen der Lebensgestaltung. Auch hier fallen die ge-lungen Darstellungsformen auf: Installa-tionen wie die ‚DuftBar‘ oder die ‚Erfahr-Bar‘ machen die Erkundung zum Erlebnis. Die in diesem Kontext aufbereiteten The-menbereiche wie ‚Der Körper als Bühne: Kleidung und Schmuck‘, ‚Der Inszenierte Abschied: Tod und Jenseits‘ und ‚Vielfalt des Glaubens: Religionen‘ und ‚Zwischen Welten: Rituale‘ ergänzen den Einblick in die vielfältigen Formen menschlichen Da-seins auf wirkungsvolle Weise.

Der Weg durch die Ausstellung en-det, als Pendant zu seinem Beginn, mit unterschiedlichsten Formen der Verab-schiedung aus aller Welt. Die Ausstellung des Rautenstrauch-Joest-Museums lässt sich gut auf eigene Faust oder mithilfe der Audioguides erkunden. Hier stehen eine Highlight-, eine Themen- und eine Juniorführung zur Auswahl. Mit seiner zeitgemäßen Präsentation gehört das Rautenstrauch-Joest-Museum unbestrit-ten zu den modernsten Museen seiner Art. Die hier vermittelten Inhalte bieten neue Einblicke, regen das Interesse an und lassen den Besucher auch über die eigene kulturelle Prägung nachdenken. Karl Va-lentin ist mit seinem in der Ausstellung zu lesenden Zitat „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ sicherlich Recht zu geben, das Museum ‚Kulturen der Welt‘ trägt aber gerade zu einem besseren Ver-ständnis anderer Kulturen bei und hebt insbesondere Verbindungen hervor. Ein Besuch im Rautenstrauch-Joest-Museum bietet sich daher ganz sicher nicht nur an verregneten Sonntagnachmittagen an.

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FREMD IST DER FREMDE NUR IN DER FREMDE

Fotos: Martin Claßen und Arno Jansen

WEITERE INFOS

Rautenstrauch-Joest-Museum Kulturen der Welt, Cäcilienstraße 29-33, 50676 Kölnwww.museenkoeln.de/rjm­Telefon: 0221-221-23620Öffnungszeiten:Di bis So 10.00 – 18.00 Uhr Do 10.00 – 20.00 Uhr

MUSEUM

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Helle Räume, Schreibtische, Steckdose, In-ternet, Getränke und Papier: Das sind fast alle Mittel, die Coworking braucht. Das „Zusammenarbeiten“ bietet einen Büro-platz für alle, die ihn brauchen. Das Ganze ist aber nicht einfach nur eine Plattform für Selbstständige und Freischaffende, Computer-Nerds, die Frischluft brauchen, Journalisten oder Meconomy-Anhänger, um dem einsamen eigenen Schreibtisch oder dem Café zu entfliehen: Cowor-king ist kein kurzlebiger Trend, sondern eine neue Form des Arbeitens. Gerade in Berufen, die kein nine-to-five kennen oder die von Kreativität unter Zeitdruck geprägt sind, sind die Angebote um den Mitinitiator der Bewegung in Köln, Peter Schreck, eine moderne Alternative mit viel Perspektive.

Die Idee dahinter geht noch viel weiter: In Zeiten von sozialem Netzwerken un-

terliegt auch – mehr oder minder logisch folglich – die Arbeitswelt immer stärker dem Netzwerk-Gedanken. In der Kreati-venwelt, die heute alle Bereiche des Arbei-tens berührt, da Innovationen und somit Kreativität überall gefragt sind, kann der Austausch aber nicht nur im virtuellen Raum stattfinden. „Es sind oft Zufälle, spontane Begegnungen, die zu neuen, gemeinsamen Projekten führen“, sagt auch Peter Schreck, der in Mülheim den ersten Coworking Space mit aufgebaut hat. „Bei Coworking trifft man immer wieder auf neue Leute mit neuen Ideen.“ Der Coworking Space Gasmotorenfab-rik in direkter Nachbarschaft zum Deut-zer Messegelände ist durch Peter und seine Mitstreiter der beste Beweis, wie aus gemeinsamen Ideen etwas Neues entstehen kann. Seit Mai 2010 werden die Räumlichkeiten zum Arbeiten und

COWORKING COLOGNE

Revolutionares Arbeiten

DAS „ÖKOSYSTEM DER KREATI-VEN WISSENSARBEIT“ NIMMT

FORMEN AN. MIT DEM COWOR-KING SPACE GASMOTOREN-

FABRIK UND DEM BETAHAUS KÖLN STEHEN DIE ERSTEN

BEIDEN ECKPFEILER FÜR EINE NEUE ART VON ARBEITEN UND

NETZWERKEN.

44 NETZWERKEN >

TEXT: ROBERT FILGNERFOTOS: SABINE GROSSE-WORTMANN

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zum Austausch genutzt. Die Idee wird weiter umgesetzt und nun durch das im Mai eröffnete betahaus in Ehrenfeld noch

verstärkter ins „kreative Mileu“ getragen.

Kreative Revolution

Das Ziel von Coworking Cologne, der übergeordneten Plattform, ist ein „Ökosystem für kreative Wissensarbeit“. Diese Formulie-rung nutzt Peter schon seit er vor zwei Jahren begann, die aus den USA stammende Idee, die mit dem Berliner betahaus nach Deutschland kam, auch in Köln umzusetzen.

Das Prinzip Coworking setzt die „kreative Revolution“ um, die Wolf Lotter, Mitgründer des Magazins brandeins, in seinem gleichnamigen Buch erklärt: „Be-dürfnisse exakt, genau und prä-zise erfüllen“, gilt dabei als ein Schwerpunkt zukünftiger Arbeit und nicht nur als Schlüssel für den Wandel in der Industrie. Für Ideengeber, Kreative und letzt-lich Macher bedarf es eben eines ganzheitlichen Ansatzes: „Die Menschen, die wir ansprechen, sehen in einem flexiblen Arbeits-ort und in der Möglichkeit, die für ihre Arbeit notwendigen Res-sourcen zu teilen, ihre eigenen konkreten Bedürfnisse, um neue

Ideen umzusetzen“, so Peter. „Wir möch-ten dazu beitragen, dass Coworker alles wissen, was wo und wie erreichbar ist, da-mit eigene Ideen umsetzbar sind. Cowor-king selbst ist dabei wie ein Werkzeug zu verstehen.“

Netzwerk auf allen Ebenen

Dazu gehört neben dem Arbeiten auch das Netzwerken. Fähigkeiten und Kontak-te vor Ort zu teilen oder voneinander zu lernen, ist dabei ebenso fester Bestand-teil, wie einfach nur Menschen zu finden, die helfen können, etwas Neues zu pro-duzieren. So entstand in Mülheim neben dem Coworking Space auch die DingFa-brik, ein FabLab, wo aus Ideen konkrete Produkte werden. Und nicht nur so ent-steht schließlich echte Wertschöpfung. Daher hört für Peter Coworking auch

nicht mit ein oder zwei zur Verfügung ge-stellten Räumlichkeiten auf: „Ganz Köln, ganz NRW, Deutschland und darüber hi-naus sollen ein einziger Coworking Space werden und so ein komplettes Ökosystem bilden.“

Neben den 35 flexiblen Arbeitsplät-zen und beiden Besprechungsräumen in Mülheim, die jeder Interessierte in der Spanne von zwölf Euro für einen Tag bis 120 Euro für einen ganzen Monat nutzen kann, wurde Anfang Mai eine weitere Arbeits- und Begegnungsmöglichkeit in Köln eröffnet. Das betahaus Köln direkt an der Venloer Straße/Ecke Innere Ka-nalstraße hat Anu-Cathrin Beck mitbe-gründet. Sie hat sich im April 2010, ins-piriert vom betahaus Berlin, in eine Idee verliebt und „einfach losgelegt“. Schnell lernte sie Peter kennen und schnell hat-te sie vor allem ein Problem zu lösen: die richtige Immobilie zu finden. „Ich wollte entweder ins Belgische Viertel oder nach Ehrenfeld. Klar, dass das eine lange und anstrengende Suche mit sich brachte.“ Aus der dahinter stehenden Community kam aber viel Motivation und Tatkraft, so dass die 25-Jährige zusammen mit ih-ren drei weiteren Geschäftspartnern in nur knapp einem Jahr ihr Ziel erreichte. Das betahaus Köln belebt zudem durch das angeschlossene Café das gesamte Ge-bäude, den Patrizia Tower, der bisher eher trostlos wirkte. „Nun sind wir genau auf der Grenze zwischen beiden Stadtteilen – eine 1-A-Lage“, erzählt Anu mit etwas Stolz und Erleichterung. Mit dem betahaus in Ehrenfeld nimmt Coworking in Köln wei-tere Konturen an. Das Netzwerk wächst und die Plattform Coworking Cologne ist auf dem besten Wege, das Ökosystem der kreativen Wissensarbeit zu etablieren.

WEITERE INFOS

www.coworkingcologne.de

www.koeln.betahaus.de

www.coworking.de(Übersicht über alle Coworking Spacesin Deutschland)

Stichworte zum Weitergoogeln: Citizen Space, FabLab, Meconomy,Kreative Revolution

45NETZWERKEN

Die Revolution für kreatives Arbeiten ist in vollem Gange. null22eins bleibt dran und wird die Projekte weiter begleiten.

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AUSSTELLUNGEN THEATER/TANZ FESTIVALS

hoehepunkte

UNPOLISHED | 16. JULI – 28. AUGUST

Junges Design aus Polen zwischen tradi-tioneller Volkskunst und aktuellen Kon-sumgewohnheit: Dabei kommen unge-wöhnliche Kombinationen heraus. 100 Designobjekte von 20 jungen Gestaltern aus Polen zeigt diese Ausstellung im Mu-seum für Angewandte Kunst.

MADE IN KÖLN. KÖLNER MARKEN FÜR DIE WELT | 11. JUNI – 11. SEPTEMBER

Das Kölner Stadtmuseum zeigt typische Kölner Produkte und ihren Werbeweg durch die Welt. Doch keine Angst: Das ist keine reine 4711-Ausstellung.

KÖLNER SCHLARAFFENTAG | 09. JULI

Das Odonien lädt zum Open Air der be-sonderen Art: Der 5. Kölner Schlaraffentag verzaubert mit Genuss für Ohr und Gau-men. Zum Konzept gehören selbst mitge-brachte Leckereien und ein kunterbuntes Programm.

AMPHI FESTIVAL | 16. – 17. JULI

Elektro, Future Pop, Rock, ‚Neue Deutsche Härte‘ oder Mittelalterrock: Im Tanzbrun-nen versammeln sich seit fünf Jahren aber vor allem Anhänger düsterer Musik-sparten.

RAUM 13 | 18. JUNI

raum 13 – „das Deutzer Zentralwerk der schönen Künste“ ist ein neues Forum und Arbeitszentrum für junge, zeitgenössi-sche Kunst im Großraum Köln. Am 18. Juni feiert dieses Zwischennutzungskonzept Eröffnung! Mit dem Tanz-Theater-Stück ‚TRETET EIN, DENN AUCH HIER SIND GÖT-TER!‘ wird die ehemalige Hauptverwal-tung der KHD-Werke (Deutz-Mülheimer-straße 147-149) wieder mit Leben gefüllt.

„DANCERS“ | 01. – 02. JULI

Renommierte Balletttänzer aus der gan-zen Welt gewähren einen Einblick in ihr Leben: ein interaktives Tanz-, Video- und Ton-Erlebnis im Rautenstrauch-Joest-Mu-seum.

An sich geht das CityLeaks Festival erst im September über die Bühne. Doch die Veranstalter sind bereits im Juni mit einer Pre-view im Rahmen des PopDesignFestivals am Start. Gleichzeitig wird auch schon gemalt, und zwar vom 22. bis 26. Juni im Design Quartier Ehrenfeld.

Was genau hat es aber nun mit dem ersten ‚Cologne Urban Art Festival‘ auf sich? Mitorganisator Georg Barringhaus erklärt: „Der Name des Festivals ist schon der erste Hinweis: Es werden Informationen in der Stadt geleakt, die andere Inhalte tragen, als die, die uns in der Werbung täglich begegnen.“

Wichtig ist den Veranstaltern in diesem Zusammenhang auch, dass die hier produzierte Kunst politische, soziale und öko-logische Themen im öffentlichen Raum ansprechen soll. „Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn es sollen Bilder entstehen, die eine realere Welt zeigen als irgendwelche Hochglanzbilder, die uns Freiheit suggerieren, wenn wir eine bestimmte Zigaretten-marke rauchen.“ Daher werden auch rund 25 lokale wie interna-tionale Künstler an die Farbtöpfe gebeten, die sich kritisch mit Themen der Gesellschaft auseinandersetzen. Mit dabei ist bei-spielsweise Faces on Book, der Skizzen verschiedener Facebook-Profile macht und so die Bewegungen in sozialen Netzwerken und den Umgang damit aufzeigt. Der Künstler, der selbst lieber anonym bleiben will, wird bereits im Juni in Köln sein.

CITYLEAKS PREVIEW24. JUNI - 02. JULI | RHEINLANDHALLEN

Foto: CityLeaks

Der geographische Schwerpunkt dieses ersten CityLeaks Fes-tivals liegt auf Südamerika. Spannend daran ist neben den poli-tischen Bewegungen der Region, dass Straßenkunst dort anders wahrgenommen wird als in Deutschland. „Während wir uns hier um Genehmigungen kümmern müssen, können in Brasilien die Wände einfach bemalt werden, ohne dass sich jemand daran stört.“

Im September wird das Festival mit einer Aktions- und einer sich anschließenden Ausstellungswoche mit dem vollen Line-Up, Workshops und Partys in der vollen Bandbreite wiederkehren.

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47AUSBLICK

im september

„Nur wer selbst erlebt hat, was es bedeutet, am hauseigenen Sicherheitsdienst vorbei erfolgreich die Treppenstufen im Hinterhof zu springen, um sich anschließend in letzter Sekunde vor Mann und Hund über den Zaun zu retten, kann die Magie wirklich nachvollziehen.“ So wird das Phänomen, die Lebens-einstellung Skateboarding in Eric Mirbachs Bildband

‚Incidentals‘ beschrieben. Der Kölner Fotodesigner lichtet seit über zehn Jahren Skateboarder über den gesamten Globus ab. Dabei fängt er nicht nur ihre Bewegungen, sondern auch ihre Stimmungen ein. Im Gespräch mit null22eins liefert er Einblicke in die Subkultur.

Fritz Kahn: Dieser Name ist nur wenigen ein Begriff. Sein ‚Mensch als Industriepalast‘ ist da schon bekannter. Damit veranschau-lichte er in der Weimarer Republik die Funktionen des mensch-lichen Körpers als eine Art Fabrik. Kleine Männchen bedienen metaphorische Organ-Maschinen, die in einem Querschnitt das innere des Körpers zeigen. Noch heute im 21. Jahrhundert wird dieses Bild immer wieder in Kultur und Kunst aller Art sowie in der Werbung zitiert. Doch Kahn hatte noch viele andere Meta-phern und Visualisierungen auf Lager. Er veröffentlichte sie in Büchern, die zu Verkaufsschlagern wurden. Was dahinter steckt,

ERIC UND DIE BOARDS

DER MENSCH ALS INDUSTRIEPALAST

FOTOGRAFIE

POPULÄRWISSENSCHAFTLICHES

wie populärwissenschaftlich-naive Wis-sensvermittlung zum Produkt wurde und welche Ideen Kahn selbst damals aufgriff, wird in der nächsten Ausgabe ans Licht kommen.

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