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 Klassifikation von Musikinstrumenten im Nahen Osten des Mittelalters Proseminararbeit  Jakob Wimmler, jakob.wimm[email protected] Matrikelnummer: 08107 23 4. Semester PS Musikinstrumente der Welt, Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Alois Mauerhofer, Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Institut für Ethnomu sikologie, WS 2010/11  Jakob Wimmler (081072 3) PS Mus ikinstru mente der Welt WS10/ 11

Klassifikation Von Musikinstrumenten Im Nahen Osten Des Mittelalters

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Klassifikation von Musikinstrumenten im

Nahen Osten des Mittelalters

Proseminararbeit

 Jakob Wimmler, [email protected]

Matrikelnummer: 0810723

4. Semester

PS Musikinstrumente der Welt, Ao.Univ.Prof. Dr.phil. Alois Mauerhofer,

Universität für Musik und darstellende Kunst Graz, Institut für

Ethnomusikologie, WS 2010/11

 Jakob Wimmler (0810723) PS Musikinstrumente der Welt WS10/11

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Index

Einleitung…………………………………………………........ 2

1 Kurze Einführung in frühe

Klassifikationssysteme und ihre Entwicklung.................. 3

2 Klassifikationsdenken im Nahen Osten des Mittelalters…..... 4

2.1 Abu Nasr al-Farabis Klassifikation………………………... 5

2.2 Ibn Sinas Klassifikation…………………………………… 10

2.3 Ibn Zaylas Klassifikation………………………………….. 11

2.4 Klassifikation im Kanz al-Tuhaf…………………………... 12

2.5 Ibn Ghaybis Klassifikation………………………………… 12

3. Zusammenfassung/Bilanz…………………………………... 13

Bibliographie…………………………………………………... 15

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Einleitung:

Klassifikationssysteme für Musikinstrumente gibt es seit langer Zeit. Seit dem ersten uns

 bekannten Klassifikationssystem für Musikinstrumente, dem chinesischen „Pa Yin“ (vgl.

Kartomi 1990, S. 33) tauchen die unterschiedlichsten Sichtweisen in Bezug auf die Ordnung

und Einteilung von Musikinstrumenten auf. Einige dieser Systeme folgen stark einem lokalen

religiösen oder soziokulturellen Weg, andere wiederum berufen sich auf die physischen

Eigenschaften der Instrumente. In jedem Fall aber geht es um die Eigenschaften des

Instrumentes, seien diese kultureller oder physikalischer Art.

In dieser Arbeit geht es vornehmlich um die Klassifikation von Musikinstrumenten im Nahen

Osten des Mittelalters, angefangen im 10. Jahrhundert nach Christus bei Abu Nasr al-Farabi,einem Musiktheoretiker und Philosophen, der den Grundstein für weitere Überlegungen

 bezüglich der Klassifikationsprinzipien legte und dessen Denkweise teilweise von späteren

Gelehrten aufgegriffen und erweitert oder präzisiert wurde. Den zeitlichen Rahmen beschließt

die Klassifikation Ibn Ghaybis, einem Gelehrten aus dem 15. Jahrhundert.

So werden in dieser Arbeit die verschiedenen Prinzipien der Klassifikationen gegenübergestellt,

ihre Urheber kurz vorgestellt und auf jedes System, was die einzelnen Kategorien und deren

Ursprung betrifft, etwas näher eingegangen, vor allem in Systemen mit soziokulturellemFundament.

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1. Kurze Einführung in frühe Klassifikationssysteme und ihre Entwicklung

Das älteste und am längsten bestehende bekannte Klassifikationssystem für Musikinstrumente

ist das chinesische „Pa Yin“-System, welches wahrscheinlich bis ins dritte Jahrtausend vor 

Christus zurückreicht. Alle großen antiken Religionen Südasiens haben ihre eigenen

Klassifikationssysteme für Musikinstrumente, wenngleich das Hindu-System das dominante ist.

Frühe arabische sowie klösterlich-tibetische Systeme reichen bis ins erste Jahrtausend nach

Christus zurück. (vgl. Kartomi 1990, S. 33)

In Europa gibt es am meisten überlebende Informationen über dieses Thema. Die Ursprünge der 

dominanten dreigeteilten Klassifikation von Musikinstrumenten in Europa und im Westen

liegen im Griechenland des dritten Jahrhunderts vor Christus, wenngleich die erste umfassendeDarstellung des Systems erst im dritten Jahrhundert nach Christus gefestigt wurde. (vgl.

Kartomi 1990, S.33)

Unabhängig davon entwickelten viele Kulturen, die ihre Traditionen und ihr Wissen bereits

schriftlich überlieferten, viele Abhandlungen und andere Quellen über die Jahrhunderte.

Zusammen geben sie Zeugnis über die konstanten Veränderungen und manchmal auch über 

schwerwiegendere Wandlungen im Klassifikationsdenken, hier z.B. Wandlungen von auf der 

Musiktheorie basierenden Systemen zu Systemen, die eher auf der musikalischen Praxis einer  bestimmten Periode basieren, oder Verschiebungen bevorzugter Instrumente. In vielen Fällen

zeigen die Informationen eine Koexistenz verschiedener Systeme innerhalb einer Gesellschaft

zur gleichen Zeit. (vgl. Kartomi 1990, S. 33)

Manche Klassifikationen demonstrieren die breite Annäherung von sozialen, religiösen oder 

anderen außermusikalischen Ideen mit den strikt musikalischen, während andere von einzelnen

Gelehrten erdacht wurden, die einen weniger wissenschaftlichen, musikalischen oder anderen

theoretischen Zweck im Sinn hatten. Beispiele von Systemen, die teilweise von religiösen oder 

sozialen Ideen beeinflusst wurden, sind das hellenistische System von Aristides, die

chinesischen Hofensembleklassifikationen der Sung-Dynastie und zu geringerem Anteil auch

das tibetisch-klösterliche System. So gehen vielen geschriebenen Systemen religiöse oder 

soziale Konstruktionen voraus, so auch den Systemen der Insel Java, der arabischen Welt,

Europa und sogar Indien (wo jede der großen Religionen mit ihrem eigenen

Klassifikationssystem für Musikinstrumente assoziiert wird, wobei in jedem Fall die Systeme

auf musikalisch-akustischen oder morphologischen Eigenschaften beruht). (vgl. Kartomi 1990,

S.33)

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Teilweise wurden in Neufassungen antiker Systeme die alten Konstrukte mit moderneren

westlichen Klassifikationsideen kombiniert, um die nationale oder regionale Prägung in

Respekt vor alten Traditionen zu bewahren. (vgl. Kartomi 1990, S.34)

2. Klassifikationsdenken im Nahen Osten des Mittelalters

Seit dem 7. Jahrhundert werden Musikinstrumente immer wieder in den Quellen zur Musik des

mittelalterlichen Nahen Ostens erwähnt. Darunter befinden sich nicht nur Abhandlungen über 

Musik und Musikinstrumente, sondern auch Erzählungen, Gedichte, Liedsammlungen, Bücher 

über Unterhaltung, über Liebe und Leidenschaft, Biographien von Dichtern und Musikern,

geografische Schriften, sowie soziokulturelle Chroniken. (vgl. Sawa 2001, S. 395)

Die am weitesten verbreitete Einteilungseigenschaft in an schriftlicher Überlieferung

orientierten Kulturen ist die Art der Schallerzeugung. (vgl. Kartomi 1990, S.34) In der 

arabischen Welt verwenden die meisten modernen sowie auch antiken Schriften ein in 3 große

Gruppen geteiltes Klassifikationssystem, welches ebenfalls auf der Art der Schallerzeugung

 basiert. (vgl. Hassan 2001, S. 402) Zeitgenössische Musiker und Musikwissenschaftler der 

arabischen Welt verwenden folgende 3 Kategorien: (vgl. Hassan 2001, S. 402)

1.: Al-alat al-watariyya (Instrumente mit Saiten)

2.: Al-alat al-hawa’iyya (Blasinstrumente)

3.: Al-alat al-iqa’iyya (Rhythmusinstrumente, sowohl Idiophone als auch Membranophone)

Die alten Bezeichnungen lauten Alat dhat al-awtar (Instrumente, die Saiten besitzen), Alat dhat 

al-nafkh (Instrumente, die Atem besitzen) und Alat al-naqr (Perkussionsinstrumente, bezeichnet

allerdings nur die Idiophone). Mit  Al-alat a-jildiyya werden die  Membranophone bezeichnet,

auch Alat dhat al-jild  bezeichnet Instrumente mit Membranen. (vgl. Hassan 2001, S. 402)

Das gebräuchlichste Instrument war die ud (auch oud ), eine gezupfte Laute mit Bünden. Dieses

Instrument bevorzugten die Sänger, um sich damit selbst zu begleiten. Zudem gab es einen

großen Fundus anderer Instrumente aller Klassen. (vgl. Sawa 2001, S. 395)

Obwohl Musikinstrumente in frühen Quellen mitunter sehr detailgetreu beschrieben werden,

finden sich keine Klassifikationssysteme. Das erste solche System wurde von  Abu Nasr al-

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 Farabi im 10. Jahrhundert n. Chr. aufgestellt. Im 11. Jahrhundert entwickelte  Ibn Sina ein

System, das völlig verschieden zu dem von al-Farabi war. Später wurden diese beiden

unterschiedlichen Systeme von Ibn Zayla zusammengefasst. (vgl. Sawa 2001, S. 395)

 Nachfolgende Theoretiker, die ihre Schriften in Arabisch verfassten ignorierten das Thema der 

Klassifikation von Musikinstrumenten. Klassifikationssysteme wurden erst wieder im 15. Und

16. Jahrhundert in einer anonymen persischen Abhandlung erwähnt, die den Namen  Kanz al-

tuhaf  ( Raritätenschatz) trägt. Außerdem widmete sich ein Theoretiker namens  Ibn Ghaybi

wieder diesem Thema. Von all diesen wichtigsten Systemen und Abhandlungen wird in der 

Folge hier berichtet. (vgl. Sawa 2001, S. 395)

2.1 Abu Nasr al-Farabis Klassifikation

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 Abu Nasr al-Farabi war nicht nur Musiktheoretiker, sondern auch ein politischer Philosoph,

Musiker auf der ud -Laute (nahm also aktiv an der ihn umgebenden Musikkultur teil) und ein

Logiker, der oft als der „zweite Lehrer“ bezeichnet wurde, in Bezug auf den griechischen

Philosophen Aristoteles, der in diesem Sinn als der „erste Lehrer“ gesehen wurde. (vgl. Wright2011, Farabi, al-) Sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod um 950 nach Christus war er 

einer der bedeutendsten islamischen Theoretiker. (vgl. Wright 2011, Farabi, al-)

 

Abbildung 1, Abu Nasr al-Farabi auf einer 200 Tenge Banknote des Staates

Kasachstan, 1999 1

Als Musiktheoretiker bezog er in seine Studien sowohl die Ansichten der antiken griechischen

Theoretiker als auch die Kultur der mittelalterlichen arabischen Gesellschaft ein, welche den

Sängern einen höheren Status zusprach als den Instrumentalisten. (vgl. Wright 2011,  Farabi,

al-) Auch heute noch besteht zu großen Teilen der sekundäre Status der Musikinstrumente

gegenüber der menschlichen Stimme. So spielt auch in der arabischen Welt unserer Zeit ein

Musikinstrument in „klassischer“ Musik selten außerhalb eines gesanglichen Rahmens,

wogegen es in der Volksmusik einige rein instrumentale Formen gibt, die aber immer zu

 bestimmten Anlässen gespielt werden, wo Musik nur ein Element von vielen darstellt. Bis ins

20. Jahrhundert hinein gab es keine Diskussionen über die Überlegenheit der menschlichen

Stimme gegenüber Musikinstrumenten. (vgl. Hassan 2001, S. 401) In seinem Werk  Kitab al-

musiqi al-kabir  (Das große Buch der Musik), einem umfassenden Werk über Musik und

Musikinstrumente, bestehend aus einer Einleitung und 3 Büchern, befasst er sich mit der 

Entwicklung der Musik, ihren physikalischen und musiktheoretischen Merkmalen, weiters mit

den Eigenschaften und Merkmalen der verschiedenen gebräuchlichen Musikinstrumente seines

1 Trigometric Group: Kazakhstan (1999) 200 Tenge, in: www.3833.com: know the world

through stamps and banknotes [URL: http://www.3833.com/taxonomy/term/108]

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kulturellen Umfeldes und damit verbunden ihrer Kategorisierung. (vgl. Wright 2011,  Farabi,

al-)

Abbildung 2: Ud -Laute, populärstes Instrument der arabischen Welt, al-Farabispielte ebenfalls eine ud 

2

 Al-Farabi’s hierarchische Einstufung:

Als Ausgangspunkt für die Klassifizierung von Instrumenten diente Al-Farabi die

Überzeugung, dass die menschliche Stimme das perfekteste aller Instrumente sei. So teilte er 

die Musikinstrumente entsprechend ihrer Fähigkeit die menschliche Stimme nachzuahmen ein.

Jene, die die menschliche Stimme besser nachahmen konnten, wurden höher eingestuft und

solche, die sie weniger gut nachahmen konnten, wurden niedriger eingestuft. (vgl. Sawa 2001,

S. 396)

Von unten nach oben hier eine Aufzählung der Klassen:

Am unteren Ende der Hierarchie befinden sich jene Instrumente, die einen unnatürlichen,

 beängstigenden und daher für Al-Farabi unerträglichen und den Körper vergiftenden Klang

2 Bildmaterial aus dem Institut für Ethnomusikologie der Universität für Musik und

darstellende Kunst Graz

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erzeugen und deren Zweck rein militärisch sei, um den Feind durch ihre Lautstärke und

unangenehmen Klang zu verängstigen. Dazu gehören die Glocken, die von antiken Ägyptischen

Königen verwendet wurden oder nicht näher erklärte Instrumente, die von byzantinischen

Königen verwendet wurden. (vgl. Sawa 2001, S. 396)

Auf der nächsthöheren Stufe stehen jene Instrumente, welche einen sichtbaren Rhythmus

erzeugen aber keinen Klang, zu denen z.B. der menschliche Körper gehört, der einen sichtbaren

aber kaum hörbaren Rhythmus erzeugen kann wenn er den „zafn“ ausführt, einen bestimmten

Tanz. (vgl. Sawa 2001, S. 396)

Über den klanglosen Instrumenten stehen die Perkussionsinstrumente, also Klatschen,

Tamburin, Trommeln oder Becken. Sie produzieren einen Klang und sind daher höher gestellt

als die klanglosen Instrumente, jedoch produzieren sie keine musikalischen Töne. (vgl. Sawa

2001, S. 396)

Über den Perkussionsinstrumenten stehen die Melodieinstrumente wie die ud-Laute und andere

Saiteninstrumente, sowie Blasinstrumente. Diese produzieren nun schon musikalische Töne und

sind daher den Perkussionsinstrumenten überlegen. (vgl. Sawa 2001, S. 396)

An der Spitze der Hierarchie steht wie erwähnt die menschliche Stimme, das perfekteste

Instrument aus der Sicht al-Farabi’s, da sie alle Eigenschaften aller niedereren Instrumente

 besitzt, also sowohl Rhythmus als auch musikalische Töne erzeugen kann. Darüber hinaus kann

die menschliche Stimme Emotionen ausdrücken und Worte in die Musik einbringen, die die

Vorstellungskraft anregen können. (vgl. Sawa 2001, S. 396-397)

Die Melodieinstrumente teilte al-Farabi weiter ein, je nachdem wie nahe ihre Klänge der 

menschlichen Stimme kamen. An der Spitze der Melodieinstrumente standen hier die rabab und

die Blasinstrumente, darunter die ud, und die tunbur, darunter standen noch die offen gespielten

gezupften Medlodieinstrumente wie die mi’zafa Leier oder die sanj Harfe. Die höher gestellten

Instrumente waren am ehesten fähig, die menschliche Stimme zu imitieren, da sie gehaltene

Töne produzieren konnten und weil sie bis zu einem gewissen Grad die Emotionalität der 

menschlichen Stimme imitieren konnten. (vgl. Sawa 2001, S. 397)

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Abbildung 3: Rabab –Spießfiedel, eines der ranghöchsten Instrumente in al-

Farabis Klassifikation3

Al-Farabi war davon überzeugt, dass Musikinstrumente nur dazu da seien, um eine

Gesangslinie zu imitieren und dadurch zu verstärken, sie auch durch Verzierungen angenehmer 

und schöner zu gestalten. Musikinstrumente sollen außerdem als Unterstützung für den Sänger 

in Bezug auf Intonation und Tonlängen dienen, sowie als Erinnerung für den Sänger an den

melodischen Verlauf des Stückes. Sie sind auch zuständig für Vor-, Zwischen- und Nachspiele,

um den Sänger in das Stück zu geleiten, ihm die Möglichkeit von Pausen zu geben und um das

Ende eines Stückes zu markieren. (vgl. Sawa 2001, S. 397)

2.2 Ibn Sinas Klassifikation:

3 Bildmaterial aus dem Institut für Ethnomusikologie der Universität für Musik und

darstellende Kunst Graz

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 Ibn Sina, in der westlichen Welt besser bekannt unter dem Namen Avicenna war ein persischer 

Philosoph, Mediziner, Logiker und Metaphysiker, der wie al-Farabi zu den großen Gelehrten

des Islam gehörte. Er lebte von 980 bis 1037 n. Chr. und verfasste diverse Schriften wie das

Qanun fi al- ibbṭ ( Regeln der Medizin) oder das Kitab al-Shifa ( Buch der Heilung ), welche auchdie Entwicklung der westlichen Wissenschaften beeinflussten. (vgl. Wright 2011, Ibn Sina)

Doch war Ibn Sina in musikalischen Dingen nur Theoretiker und kein praktizierender Musiker.

In seinem System werden Musikinstrumente als physikalische Einheiten ohne Bezug zu

kulturellen oder ästhetischen Werten gesehen. Sein Hauptkriterium ist, ob ein Instrument

 besaitet ist oder nicht. (vgl. Sawa 2001, S. 397)

Die besaiteten Instrumente teilte Ibn Sina in 3 Gruppen ein: Gezupfte Instrumente mit Bünden

(wie die barbat Laute oder die tunbur Langhalslaute), gezupfte oder geschlagene Instrumente

ohne Bünde (also offen gespielte Instrumente) und in gestrichene Instrumente mit Bünden (wie

die rabab Spießfiedel). (vgl. Sawa 2001, S. 397)

Seine zweite Kategorie (gezupfte oder geschlagene Instrumente ohne Bünde) teilte er in zwei

Unterklassen: Instrumente mit über ihre Oberfläche gespannten Saiten (wie die  shahrud Zither 

oder die anqa Dulcimer) und Instrumente, deren Saiten über einen leeren Raum zwischen

Saitenhalter und Resonator gespannt sind (wie die sanj Harfe oder die sulyaq Leier). (vgl. Sawa2001, S. 397)

In die Kategorie der nicht besaiteten Instrumente fielen bei Ibn Sina sowohl die Aerophone als

auch die Idiophone. Die Aerophone teilte er in 4 Klassen: (vgl. Sawa 2001, S. 397)

1.: Instrumente, die von einer Seite mit einem im Mund platzierten Mundstück geblasen werden

(mizmar Einzel- oder Doppelrohrflöte)

2.: Instrumente, bei denen die Luft quer über ein Loch geblasen wird ( surnay Flöte)

3.: Instrumente, welche durch eine mechanische Vorrichtung geblasen werden (mizmar al-jarab

Dudelsack)

4.: Instrumente, bei denen die Luft in mehrere Pfeifen geblasen wird (z.B. die byzantinische

urghanin Orgel)

Von den Idiophonen führte er nur das chinesische  sanj an (wahrscheinlich ein chinesischer 

Gong), welches mit Holzhämmern geschlagen wurde. (vgl. Sawa 2001, S. 397)

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 Nach der Erklärung seines Klassifikationsprinzips erwähnte Ibn Sina außerdem noch, dass

 jemand sehr wohl auch andere Instrumente erfinden könnte als seine hier beschriebenen. (vgl.

Sawa 2001, S. 398)

2.3 Ibn Zaylas Klassifikation:

 Ibn Zayla, (Geburtsjahr unbekannt, gestorben 1048), war ein arabischer Philosoph,

Mathematiker, Musiktheoretiker und Schüler von Ibn Sina. Sein einziges sich mit Musik 

 befassendes Werk ist das  Kitab al-kafi fi l-musiqi (sinngemäß übersetzt:  Buch der 

hinreichenden Bearbeitung des Themas Musik , also ein Buch, welches den Anspruch einer 

möglichst vollständigen Bearbeitung des Gegenstandes Musik zu erfüllen versucht), welches alsdas letzte wichtige musikalische Traktat vor dem Aufstieg der systematischen Musiktheorie

Mitte des 13. Jahrhunderts gesehen wird. Hier behandelt er die physikalischen Eigenschaften

von Klängen, befasst sich mit Intervallen, Arten von Tetrachorden, melodischen

Fortschreitungen, Rhythmus, Komposition und anderen Themen, darunter für uns vor allem von

Relevanz die Klassifikation von Musikinstrumenten. (vgl. Wright 2011, Ibn Zayla)

Im Grunde fasste er die Systeme von al-Farabi und Ibn Sina zusammen und fügte nützliche

Informationen über die Eigenschaften einiger Instrumente hinzu, die in den Originalwerken

nicht erklärt wurden. Er ergänzte auch einige Idiophone und fügte Ibn Sina’s System die

Gruppe der Membranophone hinzu. Hier führte er das duff Tamburin und die tabl Trommel an.

(vgl. Sawa 2001, S. 398)

2.4 Klassifikation im Kanz al-Tuhaf:

Das  Kanz al-Tuhaf ( Raritätenschatz ) ist eine anonyme Abhandlung aus dem Persien des 14.

Jahrhunderts, aus der Stadt Isfahan. Es ist besonders wertvoll, weil es sich mit dem Aufbau von

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Musikinstrumenten beschäftigt und zusätzlich ein Klassifikationssystem enthält. (vgl. Sawa

2001, S. 398)

Das Werk enthält Beschreibungen von lediglich 9 Instrumenten, welche allerdings besonders

detailreich behandelt wurden in Bezug auf Material, Proportionen und Konstruktion. (vgl.

Wright, Poché, Shiloah 2011)

Instrumente werde hier in zwei große Kategorien eingeteilt: Vollkommen und unvollkommen.

Zu den vollkommenen Instrumenten werden die ud Laute, die persische  ghichek Spießfiedel,

die rubab Laute, die mizmar Oboe und die pisheh Flöte gezählt. (vgl. Sawa 2001, S. 398)

Zu den unvollkommenen Instrumenten werden nur offen gespielte Saiteninstrumente gezählt.

Hier wird weiter unterteilt in unterschiedliche Grade von Vollkommenheit. Die chang  Harfewird hier als fast vollkommen bezeichnet. Es wird nicht erklärt, wieso zwischen vollkommenen

und unvollkommenen unterschieden wird, auch die Unterkategorien der unvollkommenen

Instrumente werden nicht näher erklärt. Was die Unterscheidung zwischen vollkommenen und

unvollkommenen Instrumenten betrifft, könnte man Al-Farabi’s System als Anhaltspunkt

nehmen, wo offen gespielte Saiteninstrumente als nicht in der Lage dargestellt werden, die

menschliche Stimme zu imitieren. Diesen Gedanken könnte/n der anonyme Autor / die

anonymen Autoren des Kanz al-Tuhaf hier verfolgt haben. (vgl. Sawa 2001, S. 398)

2.5 Ibn Ghaybis Klassifikation:

 Ibn Ghaybi ( Abd al-Qadir ibn Ghaybi al-Maraghi) war ein Komponist, Lautenspieler, Sänger,

Dichter, Maler und Musiktheoretiker. Auch hier ist das Geburtsjahr nicht bekannt, das

Todesjahr war 1435. Er war Schüler der damals jungen systematischen Schule. Sein wichtigstes

musikbezogenes Werk ist das  Jami al-alhan ( Melodiesammler ), welches er 1405 fertigstellte

und 1413 überarbeitete. Dieses Werk hatte einen starken Einfluss auf spätere Theoretiker des

15. Jahrhunderts. (vgl. Wright 2011, Abd al-Qadir )

Im Jami al-alhan führt er über 40 Musikinstrumente an, die er in 3 große Kategorien unterteilt:

 Besaitete Instrumente (Chordophone), Blasinstrumente (Aerophone) und Schalen, Becken und 

 Platten aus Metall (Idiophone). (vgl. Sawa 2001, S. 398)

Seine Chordophone enthielten offen gespielte Instrumente und die verschiedenen Lautenartenmit oder ohne Bünde, gezupft oder gestrichen. Blasinstrumente wurden in solche mit Löchern

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(Flöten und Pfeifen) und solche ohne Löcher (Horn, Trompete, Panflöte, Orgel) eingeteilt. Zu

den Idiophonen zählte er mit Wasser gefüllte Schalen, Becken und Platten. Ibn Ghaybi bezog

auch Instrumente aus Zentralasien, Ostasien und Europa mit ein. Auch er führte keine

Membranophone an. (vgl. Sawa 2001, S. 398)

3. Zusammenfassung/Bilanz

Im Nahen Osten des Mittelalters wurden verschiedene Klassifikationsprinzipien entwickelt. Das

wahrscheinlich interessanteste ist das von al-Farabi, welches seine persönlichen

Bildungshintergrund und seine Interessen als Forscher aufzeigt und somit kulturspezifisch ist.

Seine Idee der Überlegenheit der menschlichen Stimme geht sowohl auf die alten Griechenzurück als auch auf die kulturellen und ästhetischen Werte des Nahen Ostens des Mittelalters.

Er gliedert die Instrumente hierarchisch nach ihrer Fähigkeit, die menschliche Stimme

nachzuahmen. Er bezieht auch den menschlichen Körper ein, der in der Lage ist, durch

Klatschen und Tanzen hörbare und nicht hörbare Rhythmen zu erzeugen. Ibn Sina hingegen

klassifiziert die Instrumente je nachdem ob sie besaitet sind oder nicht, und lässt dabei die

Gruppe der Membranophone aus, wobei für ihn die physikalischen Eigenschaften eines

Instrumentes und die Art der Klangerzeugung ausschlaggebend sind. Ibn Zayla vereint die beiden Systeme von al-Farabi und Ibn Sina, wobei er das ein oder andere Detail hinzufügt. Das

Kanz Al-Tuhaf legt eine Klassifikation vor, die teilweise auf al-Farabi’s System beruht. Ibn

Ghaybi reflektiert schlussendlich Ibn Sina’s Ansatz. (vgl. Sawa 2001, S. 398)

Klassifikationen erfüllen immer einen bestimmten Zweck, wenn auch die Intentionen bei der 

Aufstellung dieser Ordnungsprinzipien nicht immer die gleichen sind. So ist es manchen

wichtig, den soziokulturellen Kontext mit einzubeziehen, andere wiederum wollen Kategorien

erstellen, die gänzlich ohne diesen Kontext ihre Gültigkeit haben und funktionieren können. Die

Frage, welcher dieser beiden Ansätze nun „richtig“ ist, stellt sich meiner Meinung nach nicht,

denn beide Herangehensweisen sind nur verschiedene Sichtweisen, die nicht als miteinander 

konkurrierend gesehen werden sollten, sondern teilweise problemlos nebeneinander existieren

können. Einige Systeme zeigen klar einen starken Bezug zur kulturellen Umgebung des

Verfassers/der Verfasser, andere verfolgen einen strikt wissenschaftlichen Ansatz, der auf 

naturwissenschaftlichen Überlegungen fußt. Es ist erstaunlich, dass schon damals grundsätzlich

die gleichen Probleme bei der Klassifikation von Musikinstrumenten aufgetreten sind, die auchdie Systematiker und Typologen der heutigen Zeit noch beschäftigen.

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 Jakob Wimmler (0810723) PS Musikinstrumente der Welt WS10/11