56
Alexander Koerdt Wissensmanagement und Wissenstransfer Alles, was Sie immer schon über Wissen wissen wollten SPEKTRAmedia und jobindex media ag

HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

  • Upload
    tvr500

  • View
    757

  • Download
    1

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Knowledegemanagement

Citation preview

Page 1: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Alexander Koerdt

Wissensmanagement und Wissenstransfer

Alles, was Sie immer schon über Wissen wissen wollten

SPEKTRAmedia und jobindex media ag

Page 2: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alexander KoerdtWissensmanagement und WissenstransferAlles, was Sie immer schon immer schon über Wissen wissen wollten

SPEKTRAmedia, Zürich, 2009:ISBN 978-3-908244-74-5

Ó 2009 by SPEKTRAmedia, Albisriederstr. 252, CH-8047 Zürich, Tel. 043 311 01 80, Fax 043 311 01 81, [email protected], www.SPEKTRAmedia.chjobindex media ag, Samariterstr. 7, CH-8032 Zürich, Tel. 044 269 50 10, Fax 044 269 50 11, [email protected], www.jobindex.ch

Gedruckt und hergestellt in der Schweiz.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jedes Kopieren, insbesondere Vervielfältigen, Übersetzen, Mikroverfilmen und Einspeichern sowie Verbreiten in elektronischen Systemen ist ohne Zustimmung des Verlags verboten.

Dieses Buch basiert auf Erfahrungen des Autors, auf Interviews mit Personalberaterinnen und -beratern und Human Resources Managern sowie auf Recherchen in der Fachliteratur. Das Buch wurde mit grosser Sorgfalt erstellt, trotzdem können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Verlag und Autor können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise sind der Verlag beziehungsweise der Autor dankbar.

2

Page 3: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Alexander Koerdt

//Bild//

xxx

3

Page 4: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 5Wissensbilanzierung des Wissensmanagements 6Welche Bedeutung hat Wissensmanagement für Unternehmen? 6Verschiedene Arten von Wissen 9Was gehört zum Wissensmanagement? 1011Bedeutung von Mitarbeiterwissen 13Identifikation von Wissensträgern 13Erschwerung des Wissenstransfers durch Fluktuation14Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wissensmanagement 17Integration von Wissensmanagement in Organisationen (Quelle: ProWis) 19Methoden des Wissensmanagements 22Ziele/Nutzen von Wissensbilanzierungen 25Der Wissenstransfers bei Mitarbeiterwechsel 27Vorbereitung der Wissensbilanzierung 27Debriefing 28Fragen und Interviewtechnik 3031Wissensbilanzierung 3435Wissenstransfer zum neuen Mitarbeiter 3435Der Transition-Workshop 3738Die lernende Organisation 3940Das zyklische Systemmodell 3940Das Phasenmodell 3940Das Spiralmodell 4041Wege zur Lernenden Organisation 4142Behindernde Lernfaktoren 4142Fördernde Lernfaktoren 4143Ausblick 4344Literaturverzeichnis Fehler! Textmarke nicht definiert.46

4

Page 5: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Einleitung

Um den Ansprüchen an dieses Dossier über Wissensmanagement gerecht zu werden, muss die Thematik eingegrenzt und auch abgrenzt werden. Wissensmanagement ist ein weites Feld. Es gibt keine „Wissen“-schafft, die sich nicht mit Wissensmanagement auf irgendeine Weise beschäftigt. Unsere menschliche Art wird nicht ohne Grund „homo sapiens“ der „kluge Mensch“- genannt.

Wenn im Human Resources Management (HRM) von „Wissensmanagement“ gesprochen wird, dann muss allen Beteiligten immer klar sein, dass biologische Systeme – ein solches System ist der Mensch – fundamental anders Informationen aufnehmen, verarbeiten, speichern und reproduzieren als Maschinen. Der Human Resources Verantwortliche beschäftigt sich mit Menschen und ist nicht Techniker. Diese Aussage ist insofern von Bedeutung, wenn es um den Transfer von Wissen geht. Ein Wissenstransfer von Person zu Person, und nicht von PC zu PC, nennt man „Lehren“ und „Lernen“. Das Abrufen von gespeicherten Daten sind „Erinnerungen“ und die Anwendung von Wissen sind „Kompetenzen“. Wenn wir also im HRM von Wissensmanagement sprechen, dann reden wir von Lernvorgängen, die zu Bildung und Erkenntnissen führen. Wissensmanagement ist so näher beim Kommunikationsmanagement anzusiedeln als beim Informationsmanagement.

Ein erweiterter Wissensbegriff findet sich bei Davenport (1998). Er definiert Wissen als personengebundenen Prozess, der „im Kopf“ stattfindet.

Wissen bildet aus Erfahrungen, Wertvorstellungen, Kontextinformationen und Fachwissen einen Rahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen. Es ist in Dokumenten, Routinen, Prozessen, Praktiken und Normen enthalten. Entstehung und Anwendung von Wissen finden im Kopf statt. Wissen ist zugleich Prozess und Bestand. Zu einem Drittel wird Wissen aus Dokumenten bezogen und zu zwei Drittel durch persönlichen Kontakt vermittelt.

Davenports Definition von Wissen ist für den HR-Bereich besonders wichtig. Geht es doch in erster Linie um personengebundenes Wissen und nicht um dokumentengebundene Informationen. Die Abgrenzung des Wissensmanagements vom Informationsmanagement ist nicht ganz einfach, hat aber für den Praktiker insofern Relevanz, dass erst durch diese Abgrenzungen Rollen und Funktionen eindeutig werden. In Abgrenzung zum Wissensmanagement beschäftigt sich das Informationsmanagement mit den operativen Techniken des Daten- und Informationsaustausches und kann als Ingenieurwissenschaft verstanden werden.

Der HR-Bereich befasst sich im Wissensmanagement sowohl mit Wissen als auch mit Bildung. Wissensträger in Form von Informationen sind nicht Themen des HR-Bereichs.

5

Page 6: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wissensbilanzierung des Wissensmanagements

Besondere technische und gesellschaftliche Entwicklungen kennzeichnen in der Regel Jahrzehnte und Jahrhunderte. Beginnend mit der Steinzeit über das Industrielle Zeitalter, dem Atomzeitalter bis zum jetzigen Zeitalter des Wissens. Woher kommt es, dass eine bestimmte zeitliche Periode durch das Merkmal „Wissen“ gekennzeichnet wird? Im Jahre 2000 veröffentlichte Wood folgende Zahlen:

In den nächsten 2 Jahren wird die gleiche Menge Informationen generiert werden wie in den letzten 300 000 Jahren der Menschheitsgeschichte.

Das Volumen der weltweit verfügbaren Informationen ist auf fünf Exabytes (1 Exabyte = 260 Bytes) angewachsen. Das entspricht dem 37 000-fachen der Library of Congress in Washington mit immerhin 17 Millionen Büchern. Auf jeden Erdbewohner fällt, rein rechnerisch, ein Gigabyte an Informationen.

Man nimmt an, dass der Umfang an neuen Informationen zwischen 1999 und 2002 um ca. 30% gewachsen ist. Das Word Wide Web umfasste 2003 ungefähr 170 Terabytes an Daten. Instant Messaging generierteen ungefähr 5 Milliarden Nachrichten und E-Mails täglich.

Diese Zahlen lassen sich noch erweitern und würden in ihrer Fülle eher verwirren als zur Klärung beitragen. Ein Grund für dieses exponentielle Ansteigen der Informationsmenge liegt darin, dass die Kosten für die Erzeugung und Verteilung durch die elektronische Datenverarbeitung und den elektronischen Datentransfer stetig abnehmen. Neben E-Mail, Telefonie und virtueller Kollaboration besteht der Austausch von Informationen zwischen Unternehmen und Kunden zum grössten Teil nach wie vor über Dokumente. Gemäss einer Studie (Lymen und Varian 2003) wurden im Jahre 2003 weltweit 1634 Terabytes Dokumente erzeugt. Zusätzlich zu dieser Zahl kommen noch 400 Terabytes an E-Mail dazu, wobei Office Dokumente mit einem Anteilspielen mit 85% die wichtigste Rolle im Datenaustausch von 85.5% die wichtigste Rolle in der Kommunikation spielen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in den Managementmodellen und Theorien das Wissensmanagement seit den 80er Jahren an Bedeutung gewonnen hat und an Bedeutung zunehmen wird. Das Wissensmanagement setzt sich zum Ziel, anhand systematischer Methodik, die Komplexität des „Wissens“ handhabbar zu machen.

Welche Bedeutung hat Wissensmanagement für Unternehmen?

Eine typische Definition der Informationsgesellschaft liefert Karl Deutsch. Er sieht derartige Gesellschaften "als nationale Ökonomie, in denen mehr als die Hälfte der Berufstätigen in überwiegend informationsorientierten Berufen tätig ist und in denen Wertschöpfung aus diesen Beschäftigungen mehr als die Hälfte des Bruttosozialprodukts beträgt." (zitiert in Bühl 1996).Eine auf einer umfassenden Befragung in europäischen Unternehmen basierende Studie über Wissensmanagement von Murray und Myers (1999 in Abschlussarbeit Ulm) besagt, dass die Erfassung und Bereitstellung von Wissen in den nächsten drei bis fünf Jahren mit höchster Priorität in zahlreichen Firmen angegangen wird (83 % der befragten Firmen). 85% der 100 wichtigsten befragten Unternehmen stimmten folgender Aussage zu „Wenn wir wüssten, was wir wissen, wären wir wesentlich effektiver“.

6

Wohnheim, 10.07.09,
Änderung durch Löschen
Wohnheim, 10.07.09,
Ab hier neu: Fliesstext
Page 7: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Die meisten Menschen, die im Wissensmanagement arbeiten, mögen den Begriff nicht. Die, die behaupten, im Wissensmanagement zu arbeiten und den Begriff mögen, beschäftigen sich oft nicht mit Wissensmanagement, sondern etwas anderem. Wissen ist etwas, was beim derzeitigen Stand nichts mit Computern und IT zu tun hat, sondern mit Gehirnen und mehr noch mit Verstand und Vernunft. Wissen ist etwas, was seinen Ort, salopp formuliert, zwischen zwei Ohren hat und nicht zwischen zwei Modems (Malik 2004).

Wissensmanagement sollte die Aufmerksamkeit auf die wachsende Bedeutung des Wissens als Produktionsfaktor und gesellschaftlicher Impuls lenken, langfristig aber als selbstverständlicher Bestandteil in das Denken von Geschäfts- und Mitarbeiterführung einfliessen (Reinmann 2005).Für viele Anforderungen des Wissensmanagements braucht es keine komplexeWissensmanagementsoftware. Social Software bietet eine einfache Möglichkeit, den Ansatz des Wissensmanagements mit konkreten Inhalten zu füllen. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass der Einsatz von Social Software auf absehbare Zeit so selbstverständlich sein wird, wie es heute E-Mail ist (Bächle 2006). Wissensmanagement scheint also mehr als nur ein Modebegriff der letzten Jahre zu sein. Für Unternehmen ist Wissensmanagement eine Notwendigkeit, um ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Entstehung und der zunehmende Einsatz von Wissensmanagement in der Wirtschaft ist Teil der Entwicklung zur Wissensgesellschaft, welche ich im Folgenden näher darstellen werde (Maisch 2006). Wenn man für einmal den Lärm, abstellt und der Sache auf den Grund geht, dann stellt sich heraus, dass das, was als Wissensmanagement bezeichnet wird, in Wahrheit etwas ganz anderes ist, nämlich Daten-, Informations- und Dokumentenmanagement. Fortschritte auf diesen Gebieten sind klarerweise nützlich und willkommen. Es ist hilfreich, wenn Dokumente, wie auch immer sie heissen mögen, besser und übersichtlicher verwaltet werden können; wenn man sie leichter und in mehr Situationen einer grösseren Zahl von Personen und vor allem den richtigen Personen verfügbar machen kann. Das sind neue und bessere Formen der Archivierung und des Wiederfindens, aber längst kein Wissensmanagement (Malik 2004). Wissensmanagement hat von Anfang an mit dem Buzz-Word-Problem gekämpft: Sehr früh und schnell haben findige Softwarehersteller und Trainer zu Beginn der Wissensmanagement-Ära ihre Kompetenzen vom Informations- auf das Wissensmanagement nach oben geschraubt und dabei häufig nur Bezeichnungen, selten aber Inhalte und Ziele ausgetauscht. Der Buchmarkt wartet heute mit unzähligen Titeln zum Wissensmanagement auf, die keiner mehr liest, und wer sich im Internet nach Portalen zum Thema Wissensmanagement umsieht, der verliert sich in einem grossen Karussell von Wissensmanagement-Anbietern. Viele haben die Nase bereits voll und es mehren sich die Unternehmen, in denen man das Wort «Wissensmanagement» meidet oder verbietet (Reinmann 2005). In der Fachwelt hat sich die Definition von Probst (1997) durchgesetzt:„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst theoretische Kenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen und ist immer an Personen gebunden. Es wird über Individuen konstruiert und repräsentiert Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.“Für den betrieblichen Alltag macht es Sinn, zwischen Fähigkeiten und Kenntnissen zu unterscheiden. Fähigkeiten sind Kompetenzen, deren Ursachen in Wissen und Erfahrungen beruhen. Erst durch Kompetenz werden Wissensträger zu Mitarbeitenden, die zur Wertschöpfung im Unternehmen beitragen. Wissen ohne

7

Page 8: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Anwendung ist unproduktives Kapital. Dieser Utilitarismus wird besonders beim Wissenstransfer wichtig. Eine Analogie soll den Unterschied zwischen Informations- und Wissensmanager verbildlichen: Informationsmanager sind wie Klavierbauer. Wissensmanager sind Klavierspieler und im besten Fall sogar Komponisten. Es reicht in Organisationen nicht aus, eine gute informationstechnische Infrastruktur zu haben (Informationsmanagement), sondern es braucht auch die betriebliche Kompetenz diese Strukturen optimal zu nutzen.

Eine Übersicht zu wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema Wissensmanagement liefert Dragusanu (2007).

Studie/Jahr BeschreibungStudie zum Wissensmanagement des Ernst & Young Center of Business Innovation and Business Intelligence

Analysiert wurden die Aktivitäten des Wissensmanagements von 431 Unternehmen aus den USA und Europa

Europäische Benchmarking-Studie zum Wissensmanagement, durchgeführt von der European Foundation for Quality Management (EFQM)

141 Unternehmen wurden Zielsetzungen von Wissensmanagementinitiativen befragt

Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (FAO)

311 Unternehmen wurden zu Potential und Barrieren des Wissensmanagements und Wissensverteilung befragt

Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK)

144 Unternehmen wurden nach dem Wissensmanagementverständnis in der Praxis befragt.

Studie „ Knowledge meets motivation“ vom Fraunhofer-Institut

Analyse von Anreizsystemen in der Praxis

Studie vom Institut für e-Management e.V.

20 Unternehmen wurden zu Motivation und Anreizsystemen befragt

Studie des Internationalen Instituts für Lernende Organisation und Innovation (ILOI)

44 Unternehmen wurden zur Zielsetzung sowie Potential des Wissensmanagements und Wissensidentifikation befragt

Studie von Davenport et al. (1998) Titel der Studie noch angeben

31 Wissensmanagementprojekte in 24 Unternehmen wurden nach Zielen und Erfolgen befragt.

Zusammenfassung Dagurasu

Zusammenfassung der Studienergebnisse: 54% sehen Wissensmanagement als Teil der Unternehmenskultur, 45% als

unternehmensbezogene Vorgehensweise und 13% als technologischen Begriff Die Unternehmen sehen Wissensmanagement zwischen 60-100%

verantwortlich für die Wertschöpfung im eigenen Unternehmen an. 80% bestätigen eine Zunahme der Bedeutung von Wissen in Unternehmen. 70% der befragen Unternehmen konnten ihre Performance durch Wissensmanagement verbessern.

Wissensmanagement ist erfolgreich, wenn ein Bezug zur Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit vorhanden ist. Eine moderne technische Infrastruktur ist unabdingbar.

8

Page 9: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

66% der befragten Unternehmen „wissen nicht, was sie wissen“. Wissensbewahrung und das Auffinden von Wissen ist in diesen Unternehmen zu wenig thematisiert.

Nur 23% der Unternehmen sind mit dem internen Wissenstransfer zufrieden. Grösste Barrieren zur Umsetzung interner Wissenskollaboration sind:

Zeitknappheit der wichtigsten Wissensarbeiter. Fehlendes Bewusstsein für die Weitergabe eigenen Wissens. Betrachtung von Wissen als „Eigentum“. Die Einstellung von „Wissen ist Macht“, was zu Priorisierung von Wissen führt.

80% der Unternehmen finden klare Anreizsysteme zur Wissensverteilung wichtig. 43% haben Anreizsysteme. Als wichtigste Erfolgsfaktoren zur Wissensweitergabe sind: Der direkte sprachliche Kontakt mit Personen, die anerkennen und schätzen, was man weiss. Der Kontakt zu Personen, die mehr wissen, als man selber weiss.

Verschiedene Arten von Wissen

Entscheidend für die Definition „Wissen“ im betrieblichen Alltag ist seine Kontextualisierung. Wissen als Funktion in Organisationen ist eingebettet in Technologie, Organisation und dem Menschen.

Dreiecksbeziehung des Wissensmanagements

Folgende Arten von Wissen können unterschieden: Implizites Wissen ist personengebundenes Wissen. Wissen, das in der

Person gespeichert ist. Seine Erfahrungen, sein persönliches Wissen usw.

Arten impliziten Wissens. Anwendung.Wissen über sich Selbst. Selbstmotivation.Wissen über den Umgang mit anderen Personen.

Kenntnisse und Erfahrungen über den optimalen Umgang mit Menschen (soziale Kompetenz), um gemeinsam Aufgaben zu erfüllen.

Wissen über die erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben.

Kenntnisse über die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten und Faktoren, die bestimmen, wie und wo eine bestimmte Handlungsalternative

9

Page 10: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

angebracht ist.

Implizites Wissen und seine Anwendung

Explizites Wissen ist all das Wissen, das medial gebunden und so explizit zugänglich ist.

Organisationswissen ist die Summe alles Wissens, das sowohl explizit als auch implizit in Organisationen nutzbar ist.

Der Wissenswürfel

Sowohl das implizite als auch das explizite Wissen kann intern wie auch extern generiert werden:

Wissen von Organisationen

Internes Wissen Externes Wissen

Implizites Wissen UnternehmenskulturExperten und MitarbeitendeSoftwaresysteme

GeschäftspartnerBildungseinrichtungenBeratungen

Explizites Wissen DokumentationenDatenbankenBerichte

PublikationenBibliothekenExterne DatenbankenWWW

Generierung von Wissen

Die Erweiterung und Nutzung von Mitarbeiterwissen und somit von Organisationswissen ist nach Davenport (1998) als ein formaler Prozess zur Wandlung des Wissens einer Unternehmung in Unternehmenswerte zu verstehen.

Was gehört zum Wissensmanagement?

Wissensmanagement als Handlungsanleitung befasst sich mit: Wissensidentifikation Wissensbewahrung

10

Page 11: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wissensnutzung Wissenserwerb Wissensentwicklung Wissensverteilung

Von Daten zum Wissen

Die vollständige Hierarchie der Elemente, die im Wissensmanagement zu beachten sind am Beispiel eines Volkswagens (VW):

Signale, Codes Das Logo VWDaten Ein, zwei, dreiInformationen Ein VW, zwei VW, drei VWWissen Ein VW ist ein AutomobilErkenntnisse Ein VW ist ein Automobil mit BoxermotorBildung Ein VW, als Auto mit Boxermotor, wurde von F. Porsche

entwickeltWeisheit VW? Who cares?

Wissenscodierung

Im Wissensmanagement wird kaum von „Bildung“ und erst gar nicht von „Weisheit“ geschrieben. Dies ist umso erstaunlicher, weil ja die Begriffe „Weiterbildung“ und „Fortbildung“ zur Wissensentwicklung erheblich beitragen. Da sich die Literatur über Wissensmanagement in erster Linie mit der technischen Organisation von explizitem Wissen beschäftigt, könnte darin der Grund liegen, Bildung als intrapsychischen und somit personalen Lernprozess zu vernachlässigen.

Eine nützliche Unterscheidung von Informationen und Wissen bietet Krivet (1997, in Dragusanu 2007):

Informationen WissenIsoliert, fragmentiert Verbindung von Informationen.

SinnstiftendErmöglicht nicht zu entscheiden /handeln

Ermöglicht zu entscheiden/handeln

Eindeutig Mehrdeutig, enthält UnsicherheitenLöst keine weiteren Fragen aus Führt zu weiteren FragenBeschreibend Normativ, explorativ, emotional

11

Page 12: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Explizit Explizit und implizit

Unterscheidung von Informationen und Wissen

12

Page 13: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Bedeutung von Mitarbeiterwissen

Materielle Produktionsfaktoren verlieren in unserer Wissensgesellschaft zunehmend an Bedeutung. Wettbewerbsvorteile sind häufig gleichbedeutend mit Know-how-Vorteilen. Da Innovationen immer auf Wissen aufbauen, ist Innovationsmanagement auch Wissensmanagement. Weil Wissen an Personen d.h. Mitarbeitende gebunden ist, ist Wissensmanagement eine zentrale Führungsaufgabe, die unterstützt bzw. ausgeführt wird durch die HR-Abteilung. Der Weggang zentraler Wissensträger ist gleichzusetzen mit dem Verlust von Wissen und damit folgerichtig ein Wettbewerbsnachteil. In einer Untersuchung von insgesamt 112 der 500 grössten deutschen Unternehmen schenken lediglich 26% ihrer Fluktuationsrate Beachtung. Nur gerade 16% der Unternehmen kennen überhaupt ihre zentralen Wissensträger (Knaes und Probst 2001). Diesem „Brain-Drain“ kann systematisch entgegengewirkt werden, indem folgende Aspekte umgesetzt werden:

Wissensidentifikation: Träger relevanten Wissens identifizieren. Risikoanalyse: Beurteilung des Fluktuationsrisikos der Wissensträger. Massnahmen: Explikation des impliziten Wissens der Wissensträger, Bindung

an das Unternehmen. Sicherstellung des Konkurrenzverbotes.

Identifikation von Wissensträgern

Bei neuen Mitarbeitenden können verschiedene „Reifegarde“ unterscheiden werden (Quelle COGEON). Diese Reifegrade können als Massstab zur Kompetenzbewertung genutzt werden.

„Rookie“: Neue Mitarbeitende besitzen Wissen aus ihrer Vorgeschichte (z. B. Ausbildung). Kenntnisse über unternehmensspezifische Zusammenhänge und tätigkeitsrelevantes Wissen haben sie noch nicht.

„Semi-Experte“: Mit der Zeit entstehen aus Gesprächen mit Kollegen, verfügbaren Dokumenten, Projekterfahrungen, Schulungen, usw. die Wissensstrukturen, die benötigt werden um dieses verfügbare Wissen in den bestehenden Kontext einzubauen. Das Wissen wächst.

„Experte“: Nach langer Betriebszugehörigkeit (5-10 Jahre) kennen die Mitarbeitenden die gesamte Wissensstruktur und ist Wissensträger des Unternehmens.

Um das relevante Wissen zu identifizieren, müssen die Wissensträger in Bezug auf ihre spezifischen Kompetenzen befragt werden. Diese Befragungen fokussieren folgende Wissensarten:

Tätigkeitsbezogenes Wissen (Kompetenzen) Expertenwissen (Spezialitäten) Erfahrungswissen Kundenbezogenes Wissen Sozialkompetenz Methodenkompetenz

Die Identifikation des persönlichen Wissens sollte sowohl als Selbsteinschätzung als auch Fremdeinschätzung durch Vorgesetzte geschehen. Die Übereinstimmung von Selbst- und Fremdeinschätzung erhöht die Validität der Einschätzung erheblich. Durch die Auswertung dieser Einschätzung werden die Wissensträger identifizieren,

13

Page 14: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

die für den Betrieb die grösste wissensbasierte Wertschöpfung bringen. Eine der wichtigsten Folgen aus dieser Beurteilung ist das Erarbeiten von Massnahmen zur Verminderung der Fluktuation und der Bewahrung des personengebundenen Wissens.

Erschwerung des Wissenstransfers durch Fluktuation

Über die meisten Qualitätsmanagement-Systeme werden differenziert personenunabhängige Prozesse beschrieben. Diese stehen neuen Mitarbeitenden zur Anwendung zur Verfügung. Über Qualitätsmanagement-Systeme werden allerdings keinerlei personengebundene Informationen festgehalten. So steht undokumentiertes Wissen wie personengebundene Prozessschritte, persönliche Erfahrungen, Bewertungen von Beziehungen und spezielle Kompetenzen dem Betrieb nicht mehr zur Verfügung. Oft macht aber dieses implizite Wissen die Kompetenz eines scheidenden Mitarbeitenden aus. So verlässt nicht nur eine Person einen Betrieb, sondern auch wichtiges und vielschichtiges Know-how.Ein weiteres Problem hinsichtlich des Wissenstransfers ist organisatorisch bedingt und besteht darin, dass häufig „alte“ Mitarbeitende einen Betrieb verlassen, bevor die nachfolgenden Mitarbeitenden ihren ersten Arbeitstag haben.

Einarbeitungen, bei der beide Mitarbeitende gleichzeitig beschäftigt sind und ein unmittelbarer und persönlicher Wissenstransfer stattfinden kann, sind teurer und zeitaufwändig. Meist muss der direkte Vorgesetzte, neben seiner eigenen Arbeit, neue Mitarbeitende in den Arbeitsbereich einführen. Oder Kollegen und Kolleginnen übernehmen diese Aufgabe. Wegen der geringen Systematisierung der Einarbeitung neuer Mitarbeitende entstehen Kosten und es leidet die Qualität der Leistungserbringung während der Einarbeitungszeit. Möglicherweise kommt es sogar zu einem Unterbruch der Leistungsfähigkeit einer Abteilung, weil der neue Mitarbeitende nicht auf das Wissen seines Vorgängers zurückgreifen kann. Die Prozessqualität wird durch diese Unterbrüche reduziert.

Da viele Innovationen auf bestehendem Wissen aufbauen, leidet auch die Innovationsfähigkeit eines Betriebes. Den neuen Mitarbeitenden fehlen die Erfahrungen der „alten“ Mitarbeitenden, auf denen sie aufbauen können. Nur selten versuchen neue Mitarbeitende Kontakt zum ehemaligen Kollegen oder Kolleginnen herzustellen, um auf wichtige Fragen, Antworten zu erhalten.

Innerbetrieblicher Wissensverlust kann durch eine Vielzahl von Faktoren entstehen und durch verschiedene Ansatzmöglichkeiten vermindert werden.

Trojan (2003) zeigt die folgenden Wissensverlustsituationen in 266 Unternehmen auf:

76.3 % Kündigung von Mitarbeitenden64.5 % Temporäre Abwesenheit von Mitarbeitenden51.9 % Auflösung von Projektteams33.9 % Pensionierung von Mitarbeitenden24.0 % Interner Stellenwechsel23.6 % Langfristige Abwesenheit von Mitarbeitenden (Krankheit)22.9 % Technikausfall (Hardware)

14

Page 15: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Von diesen Unternehmen werden folgende Massnahmen zur Wissensbewahrung umgesetzt:

83.5 % IT-Tools zur Speicherung expliziten Wissens62.5 % Gezielte Verbesserung der Mitarbeiterkommunikation47.3 % Schaffung der Transparenz für explizites Wissen46.5 % Verbesserung der Netzwerkbildung unter Mitarbeitenden45.4 % Gezielte Kodifizierung von Wissen43.5 % Problemsensibilisierung der Mitarbeitenden24.4 % Identifikation der „wertvollen“ Mitarbeitenden21.7 % Gezielte Reduktion der Mitarbeiterfluktuation 17.9% Prüfung der Aktualität expliziten Wissens09.9 % Massnahmen von Löschen (gezieltes Vergessen) von Wissen08.0 % Aufrechterhaltung des Kontaktes zu pensionierten Mitarbeitenden

Drucker wies bereits 1974 daraufhin, dass die Fluktuationsrate von Experten eine wichtigere Information zur Beurteilung des zukünftigen Wachstum- und Gewinnpotentials von Organisationen darstellt als der Jahresabschluss (Trojan 2006).

Seit Beginn der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts hat sich der Anteil der immateriellen Unternehmenswerte von durchschnittlich 40% des Marktwertes eines Unternehmens auf teilweise 80-90% Ende der 90er-Jahre erhöht. Diese so genannten „immateriellen“ Vermögenswerte sind die Kompetenzen der Mitarbeitenden, die explizites, implizites und organisationales Wissen nutzen.

Das implizite Wissen der Mitarbeitenden ist besonders in Dienstleistungsunternehmen der entscheidende Erfolgsfaktor für die Wertschöpfung. Wie bereits beschrieben, sind Kompetenzen Ausdruck von Wissen und Erfahrung. Kompetenzen zeigen sich im Können. Es ist durchaus legitim in der praktischen HR-Arbeit von Kompetenzenmanagement zu reden, wenn es um die Nutzung impliziten Mitarbeiterwissens geht.

Kompetenzen sind skalierbar als (Dragusanu 2007): Ausführungskompetenz: Der Mitarbeitende hat das Recht zur

Aufgabenerfüllung mit Wahlmöglichkeiten bezüglich Arbeitsrhythmus und der Arbeitsmethodik

Verfügungskompetenz: Bei der Verfügungskompetenz kann der Mitarbeitende über Objekte, Hilfsmittel und Informationen verfügen.

Antragskompetenz: Eine Stelle mit Antragskompetenz besitzt das Recht, Anträge an höhere Instanzen zu stellen.

Entscheidungskompetenz: Der Stelleninhaber hat die Wahlmöglichkeit zwischen Handlungsalternativen.

Mitsprachekompetenz: Die Stelle mit Mitsprachekompetenz muss von anderen Stellen konsultiert werden.

Anordnungskompetenz: Der Mitarbeitende hat das Recht anderen Stellen Anordnungen zu geben.

Stellvertreterkompetenz: Mitarbeitende haben das Recht, die Organisation nach aussen zu vertreten oder das Recht für andere Mitarbeitende bei Verhinderungen zu handeln

Beim Wissenstransfer vom scheidenden zum neuen Mitarbeitenden, können selbstverständlich nicht Kompetenzen transferiert werden, sondern es werden die

15

Page 16: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Ausdrucksformen der Kompetenzen (Verhalten) explizit formuliert und dem neuen Mitarbeitenden kommuniziert. Obwohl ich mich in den zukünftigen Ausführungen mehr auf das Erfassen und den Transfer impliziten Wissens beziehe, möchte ich dennoch kurz die technischen Möglichkeiten der Informatik in Beziehung zum Nutzen für das Wissensmanagement aufführen:

Dienste Nutzen für das WissensmanagementE-Mail Ermöglicht die einfache und schnelle

KommunikationNewsgroup Als elektronisches „schwarzes Brett“ um z. B.

das betriebliche Vorschlagswesen zu fördernVideokonferenz Ermöglicht den Austausch von reichhaltigen

und subtilen BedeutungselementenChat Diskussionsforum für aktuelle ThemenHomepages Basis für Wissenslandkarten. Suchmaschinen Ermöglicht Auffinden von WissensinhaltenDatenbanken Speicherung expliziten WissensComputer Based Training, e-Learning

Weiterbildungen auch on-the-job

Web 2.0 Ermöglichung variabler, asynchroner weltweiter Kommunikation

Dienste und Nutzen

Auf dem Gebiet der Interaktionen zwischen Mensch und Computer haben sich semantische Suchmaschinen, Wikis, Podcasts, Blogs und Social Networks etabliert. Sie eigenen sich im Wesentlichen für das informelle „on demand“ 2.0-Lernen am Arbeitsplatz. Diese Medien zielen auf selbststeuerndes Lernen ab und stellen eine Form der Demokratisierung von Lerninhalten dar. Die Entwicklung von Individualwissen zu Kollektivwissen befindet sich im konstanten Fluss. Wissen ist so nicht mehr statisches Dokumentenverwaltungssystem, sondern ein permanenter Austausch von Informationen und Wissen. Der lernende Wissensarbeiter wird damit zur Drehscheibe der lernenden Organisation (Löwenthal 2009).

16

Page 17: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Voraussetzungen für ein erfolgreiches Wissensmanagement

Bevor sich eine Organisation entschliesst Wissensmanagement einzuführen, entsprechende Verantwortliche benennt, Pflichtenhefte anlegt und Prozesse definiert, ist es sinnvoll sich die Frage zu beantworten: Welche Probleme sollen mit Wissensmanagement gelöst werden? Dabei ist die Beantwortung folgender Fragen hilfreich:

Welches Wissen wird unser Unternehmen in Zukunft benötigen, um im verschärften globalen Wettbewerb zu bestehen?

Wie viel vom derzeitigen Wissen/Qualifikationsstand unserer Mitarbeitenden wird in 3 (5, 10) Jahren noch aktuell sein?

Weiss im Unternehmen jeder Mitarbeitende alles, was er zur optimalen Erledigung seiner Aufgaben jeweils wissen muss?

Steht uns für wichtige Entscheidungen das jeweils entscheidungsrelevante Wissen aktuell, umfassend, kompetent aufbereitet und abrufbereit zur Verfügung?

Haben wir den Überblick über alle wichtigen Projekte, die im Betrieb gegenwärtig verfolgt werden? Kennen wir den jeweils aktuellen Zwischenstand?

Welche Wissensquellen stehen uns innerhalb und ausserhalb des Unternehmens zur Verfügung?

Welche externen Wissensquellen nutzen wir? Wie konsequent werden sie genutzt? Von wem? Wem wird das "auswärtige" Wissen zur Verfügung gestellt? Wie?

Wer sind die Wissensträger in unserem Unternehmen? Wer bzw. welche Gruppe, welcher Bereich, welche Abteilung verfügt über Erfahrungen und Routinen, von denen andere Mitarbeitende, Teams, Abteilungen profitieren können?

An welchen Stellen der Wertschöpfungskette fällt welches Wissen an? Wie wird es genutzt? Wie konsequent?

Welche Wege für die Weitergabe von Wissen – in der Gruppe, innerhalb der Abteilung, innerhalb des Bereichs, im Betrieb – existieren, und vom wem werden sie genutzt? Wie? Wie intensiv?

Wie werden Informationen über Kundenkontakte, Beschwerden, Neuentwicklungen u.a. im Unternehmen zugänglich gemacht? Wem? Was liesse sich verbessern? Wie?

Wie liessen sich die Anbieter und die Nachfrager von Wissen im Unternehmen besser zusammenbringen?

Welche Barrieren und Hindernisse, welche potentiellen Blockierer stehen einem verbesserten Wissensmanagement entgegen?

Wie ist die Unternehmenskultur in unserem Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit Wissen? Offen? Flexibel? Oder eher hierarchisch?

Warum verlaufen die Wege des Wissens so und nicht anders? Welche Alternativen wären denkbar?

17

Page 18: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wo sehen wir Ansatzpunkte für ein Wissensmanagement in unserem Unternehmen?

In welchen Bereichen könnten bzw. müssten die Schwerpunkte liegen?

Wie schnell können wir uns einen Überblick über geschlossene, laufende und geplante (Arbeits-)Prozesse oder Projekte im Unternehmen verschaffen?

Warum werden wir über bestimmte Vorgänge, Entscheidungen oder neue Organisationsstrukturen nicht informiert?

Fragebogen

Ebenso hilft auch die Beantwortung der Fragen aus dem „1x1 des effektiven Wissensmanagements“.

Machen Sie zunächst eine Bestandsaufnahme: Wie wird heute Wissen in Ihrem Unternehmen organisiert und erfasst? Gibt es Informationspools, in denen Mitarbeiter- und Unternehmenswissen

erfasst wird? Welche Informationsmittel stehen Ihren Mitarbeitenden zur Verfügung? Allen

die gleichen oder gibt es hier Unterschiede? Stehen Ihren Mitarbeitenden PCs mit Internetanschluss zur Verfügung? Existieren Listen von Ansprechpartnern (Experten) zu bestimmten Themen-

oder Fachbereichen, die man um Rat fragen kann? Wissen alle Mitarbeitende über die bestehenden Informationsmöglichkeiten?

Und fragen Sie sich selbst: Unterstützt die Atmosphäre in meinem Unternehmen/meiner Abteilung einen

offenen Austausch? Inwieweit habe ich es bisher anerkannt und honoriert, wenn Wissen im

Unternehmen weitergegeben wurde? Gibt es vielleicht Mitarbeitende, die ihr Wissen geheim halten, um sich

unersetzlich zu machen? Warum ist das so und was könnte ich als Vorgesetzte/r tun, um hier mehr

Vertrauen zu schaffen? Worin bestehen meine Ängste in Bezug auf die Tatsache, dass in Zukunft alle

im Unternehmen untereinander Wissen und Informationen austauschen werden?

Wie viel Einsatz bin ich bereit zu bringen, um ein gutes Wissensmanagement aufzubauen und zu unterstützen – und zwar als Person, aber auch mit finanziellem und anderem Einsatz?

Es ist in der Regel nicht Aufgabe der HR-Abteilung Wissensmanagement als strategisches Instrument in einer Organisation zu implementieren. Es ist aber Aufgabe der HR-Verantwortlichen, den Wissenserhalt und Wissenstransfer sicherzustellen bzw. zu thematisieren. Wie erwähnt geht es bei diesen Ausführungen um personales Wissen. Und das ist ein Aufgabenbereich für die HR-Abteilung. Es ist nicht die Informatik, die für den Wissenserhalt bzw. Wissenstransfer zuständig ist, sondern die HR-Verantwortlichen. Die Informatik kann durch technische Mittel hilfreich sein. Für das „Wie“ ist sie aber nicht verantwortlich.

18

Page 19: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Integration von Wissensmanagement in Organisationen (Quelle: ProWis)

InitialisierungDie Initialisierung zur Einführung von Wissensmanagement in Organisationen kann informell (Flurgespräche) oder bereits im Rahmen formaler Besprechungen zum Thema gemacht werden. Erste Diskussionen über Aufwand und Nutzen finden mehr oder weniger formal statt. Das Anliegen wird über Besprechungen eskaliert bis zur Entscheidung der Geschäftsleitung über Dinglichkeit und Wichtigkeit des Themas. Optimal ist es, wenn die Initialisierung in der Linie erfolgt. Dieses informelle Vorgehen dient zur Klärung und bereitet den Boden für die Implementierung vor. Erste Barrieren und Bedenken werden erkannt. Wissensmanagement wird zu einem betrieblichen Thema. In einer Kick-off-Veranstaltung werden allgemeine Ziele, Vorgehen, Zeitrahmen und Nutzen verdeutlicht. Verantwortlichkeiten werden geklärt und alle Mitarbeitenden erhalten die gleichen Informationen an einem Ort. Diese Veranstaltung soll klar den Nutzen des Wissensmanagements herausstreichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann sich ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit einstellen. Ein „Wir-Gefühl“, das motivierend wirken kann. Die Geschäftsleitung muss in dieser Veranstaltung unmissverständlich, knapp und pointiert das Vorhaben unterstützen. Dies unterstützt die Motivation erheblich. Die Vorstellung eines Kommunikationsplans, der während der Implementierung gilt, vermittelt Sicherheit und Klarheit. Dieser Kommunikationsplan ist Teil des Projektplanes.

AnalyseZu dieser Phase gehört die Entscheidung über die operativen Zuständigkeiten. Die Fragen: Wer nimmt teil? Wer nicht? Warum nicht? Zeitliche Planung? Welche Gruppe sprechen wir an? Während der Erhebung muss klar kommuniziert werden, wann, wie lang und mit wem die Analyse durchgeführt wird. Die Analysegründe müssen eindeutig formuliert sein. So kann z. B. ein Wissensmanagement-Audit eine Möglichkeit der Erhebung sein. Das Audit geschieht über standardisierte Fragebögen zum Wissensmanagement. Diese Fragebögen sollten an alle Mitarbeitende verschickt werden, weil Wissensmanagement immer alle Mitarbeitenden betrifft. Ergänzend zu Fragebögen können qualitative Daten über Interviews generiert werden. Dabei werden allerdings nur ausgewählte Mitarbeitende berücksichtigt. Diese Interviews ermöglichen, Erfolgsstorys und Best practise sowie kulturelle Informationen zu erfassen. Aushänge am Schwarzen Brett, Flyer und Poster können kontinuierlich das Vorgehen und den Stand im Projekt präsent halten. Solche Visualisierungen erhöhen die Aufmerksamkeit für das Projekt. In grösseren Organisationen können auch Betriebsversammlungen, Betriebszeitschriften und natürlich Newsletter bzw. das Intranet als Informationstransporter genutzt werden. Entscheidend ist, dass fortlaufend über die Einführung berichtet wird.

ZieleAus der Analyse des „Ist-Status“ in Bezug zum Wissensmanagement, gilt es Ziele zu formulieren. Es hat sich bewährt, dass diese Zieldefinitionen nicht mit allen Mitarbeitenden geschehen, sondern mit den operativ verantwortlichen Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen. In einem Workshop werden die Analyseergebnisse rückgemeldet, die als Basis zur Zielvereinbarung identifiziert werden. So entstehen Handlungsfelder, die zu Massnahmen führen. Ziele sollten nach der SMART-Regel

19

Page 20: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

formuliert sein, d. h. steuerbar, messbar, attraktiv, realisierbar und terminierbar. Sind die Ziele festgelegt, werden sie allen Mitarbeitenden kommuniziert. Auch dabei sollten verschiedene Medien geleichzeitig genutzt werden. Die Veröffentlichung der Ziele geben den Mitarbeitenden Orientierung und Verbindlichkeit.

KonzeptionsphaseAuf der Basis der Zielsetzungen werden im Anschluss genaue Lösungskonzepte ausgearbeitet, die untereinander hinsichtlich ihrer Machbarkeit geprüft und bewertet werden. Dies geschieht in unternehmensinternen Workshops, in denen die Ergebnisse aus der Analysephase reflektiert sowie Anforderungen an einen gewünschten Soll-Zustand formuliert werden. Anschliessend werden Lösungen zur Erreichung dieses Soll-Zustandes erarbeitet. Zuletzt werden alle gesammelten Lösungen hinsichtlich ihrer Priorität geordnet und die für das Unternehmen geeigneten festgelegt.

EinführungsphaseAufbauend auf den ausgewählten Lösungen wird ein Einführungsplan erstellt. Dieser beinhaltet u.a. die Festlegung von Verantwortlichkeiten und Meilensteine. Darüber hinaus wird im Rahmen der Einführungsplanung gezielt versucht, die verschiedenen Wissensmanagement-Massnahmen miteinander zu vernetzen, um so ein Wissens- und Erfahrungstransfer zwischen den Teilprojekten zu ermöglichen. Hierdurch können auftretende Synergiepotenziale zwischen den Teilprojekten genutzt und eine gezielte Ressourcenplanung ermöglicht werden.

BewertungsphaseDie Bewertungsphase kann für die einzelnen Massnahmen zeitlich unterschiedlich liegen. Nach einer gewissen Zeit der Konsolidierung der Aktivitäten werden nun die Erfolgsfaktoren für die einzelnen Zielsetzungen überprüft und ausgewertet. Durch diese Bewertung wird zum einen der Beitrag des Wissensmanagements zum Unternehmenserfolg aufgezeigt und zum anderen kann auf Grundlage dessen über neue Massnahmen oder Anpassungen vorhandener Strategien entschieden werden. Aufbauend auf der Auswertung werden im Rahmen eines Arbeitstreffens mit der Projektleitung und dem Management die weiteren Schritte festgelegt.

UmsetzungIn mehr oder weniger regelmässigen Abständen geht die Führungsperson durch einige Büros oder Bereiche und sucht das persönliche Gespräch mit einzelnen Mitarbeitenden. Das erhöht die Glaubwürdigkeit und steigert die Motivation der Beteiligten. Zudem wird so die Wichtigkeit des Wissensmanagements unterstrichen. Beim Zuhören werden Bedenken, Schwierigkeiten aber auch Lösungen erkannt. In Mitarbeitergesprächen, die als Qualifikationsgespräch gelten, wird das Thema Wissensmanagement traktandiert. Der Mitarbeitende muss wissen, dass explizit der Umgang mit Wissensmanagement-Tools und das Engagement bei der Wissensmanagement-Implementierung qualifiziert werden. Selbstredend muss der Mitarbeitende dies bereits zu Beginn der Qualifikationsperiode wissen. Über den Verlauf und den Stand der Massnahmenumsetzung sollte regelmässig in Arbeitsbesprechungen berichtet werden. In Kombination mit den Berichten kann mit

20

Page 21: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

zusätzlichen Visualisierungen die Umsetzung präsent gehalten werden. Auch in diesem Punkt ist die Regelmässigkeit von grosser Bedeutung.

VerbesserungsmanagementDer Fokus dieser Phase liegt auf der fortlaufenden Verbesserung der eingeführten Lösungen sowie auf dem Wissenstransfer. Durch die kontinuierliche Aufnahme der Nutzerfeedbacks und deren Verbesserungsideen werden die Lösungen an die konkreten Anforderungen der Mitarbeitenden angepasst. Der Erfahrungstransfer wird im Rahmen des Projektes hinsichtlich zweier Perspektiven genutzt. Zum einen wird durch die Aufbereitung und Kommunikation von Erfolgsgeschichten die Akzeptanz von Wissensmanagement gefördert. Hierbei sollten die Erfahrungsgeschichten sowohl den individuellen Nutzen als auch den für das Gesamtunternehmen herausstellen. Zum anderen wird durch den Transfer von Erfahrungen versucht, Lösungen, die in einem Kontext erfolgreich waren, auch für andere Unternehmensbereiche zu nutzen.

21

Page 22: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Methoden des Wissensmanagements

Der Team-Syntegrity-AnsatzNeben der beschriebenen Wissensbilanzierung und Explikation von implizitem Wissens hat Beer 1999 (in Dragusanu 2007) den Team-Syntegrity-Ansatz entwickelt. Dies ist ein Konzept, welches mit Hilfe einer Serie von Workshops versucht, implizites Wissen der Mitarbeitenden zu explizieren und zu kombinieren. In Teambesprechungen entscheiden die Mitarbeitenden selbst, welches Wissen für sie wichtig ist und wie dieses Wissen vertieft werden kann. Somit werden nicht nur Ideen zu wichtigen Themen ausgetauscht, sondern auch gleich Massnahmen beschlossen, das entsprechende Wissen weiter zu vertiefen und in der Gruppe zu verteilen. Der Erfolg dieses Ansatzes beruht darauf, dass die Mitarbeitenden durch die eigenständige Wahl besonders motiviert sind und danach auch bereit sind, persönliches Wissen zu teilen.

Litfass-SäulenübungDie Litfass-Säulenübung (Detring und Gilbert 1999, in Dragusanu 2007) ermittelt Wissensdefizite im Team und schafft Transparenz über vorhandenes Wissen. Dabei handelt es sich um einen Workshop, in dem Mitarbeitende sich über das im Team vorhandene und vermutete Wissen austauschen. Jedes Teammitglied schreibt auf eine Karte sein Wissen auf und die anderen formulieren Wünsche und Fragen, die sie an den Wissensträger haben. Abschliessend werden die Karten analysiert und in einen Aktionsplan übernommen. Die Wünsche, die dabei nicht erfüllt werden können, gehen an das Team zurück, um so die Wissensdefizite zu beseitigen.

Die WissensstafetteDie Wissensstafette ist geeignet, wenn der Kontakt zwischen dem scheidenden und dem neuen Mitarbeitenden sichergestellt werden kann. In der Regel kommt das selten vor. Die Volkswagen AG nutzt diese Methode besonders bei internem Stellenwechsel.

Den Nutzen beschreibt der Betrieb so: Sicherung des individuellen Wissens erfahrener Mitarbeitenden Reibungslose Übergabe von Aufgaben Bewahrung von Best Practice Fehler und Doppelarbeiten werden vermieden Entdecken von Synergien Optimierung des Wechsels im interkulturellen Kontext

VW definiert folgende Zielgruppen: Experten mit Alleinstellungsmerkmalen Management (Vorgesetzte)

Themenschwerpunkte der Wissensstafette sind: Wissen über Prozesse, Schnittstellen und Netzwerke Vorgehen zur Priorisierung, Entscheidungsfindung und Problemlösung Bewertung von Informationen

22

Page 23: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Die eigentliche „Stafette“ besteht in einem moderierten Übergabegespräch zwischen Vorgänger und Nachfolger und einem eintägigen Transition-Workshop mit den Mitarbeitenden und dem neuen Vorgesetzten.

MikroartikelBeim Mikroartikel geht es darum, eine normalerweise individuelle Lernerfahrung zu dokumentieren und diese dann im Unternehmen zu publizieren. Als Charakteristikum eines Mikroartikels gilt sein Umfang von maximal einer Seite wie auch seine Problemzentrierung. Vor- und Nachteile sowie Chancen und Risiken dieser Methode sind in der folgenden Tabelle ersichtlich.

Vorteile/Chancen Nachteile/Risiken kurze Zusammenfassung eines

Themas einfache Art der Dokumentation leichte Einordnung eines Themas schnelles Auffinden durch Indexierung Verständlichkeit und

Nachvollziehbarkeit auch für Aussenstehende

Erleichterung des Transports von Erfahrungen

Einengung auf explizite, schriftliche Kommunikation

starre äussere Form nicht zur Beschreibung aller Klassen von Ideen und Erfahrungen geeignet

sprachliche Anschlussfähigkeit aufgrund individueller Form

Zeit- und Motivationsprobleme für die Speicherung nicht-

problemorientierten Wissens ungeeignet

Vorteile/Chancen sowie Nachteile/Risiken von Mikroartikeln

Communities of PracticeEine Community ist eine Gruppe von Personen, die auf Basis eines gemeinsamen Interesses zu einem geschäftsrelevanten Themengebiet Wissen austauscht und entwickelt. Dies geschieht meist über die Grenzen von Organisationseinheiten hinweg. Durch die Zusammenarbeit, die virtuellen oder Face-to-Face-Charakter haben kann, verfolgen die Beteiligten sowohl individuelle als auch geschäftliche Ziele.

Enterprise Information PortalIn einem Portal werden den Mitarbeitenden eines Unternehmens relevante Inhalte bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt. Beim Aufbau und der Pflege solcher Informationsportale werden meist Content Management Systeme eingesetzt. Sie erleichtern die Erfassung, Verwaltung und Bereitstellung von Dokumenten und Informationen zur Unterstützung der Abläufe des Unternehmens.

QualitätszirkelEine Lernwerkstatt oder Qualitätszirkel sind freiwillige, formale Arbeitsgruppen, die langfristig, in regelmässigen Abständen zusammenkommen, um durch Erfahrungsaustausch und Ideenproduktion die technische, soziale oder Verfahrensqualität der Gütererstellung an ihren Arbeitsplätzen zu verbessern. Die

23

Page 24: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Verbesserungsvorschläge werden innerhalb der Gruppe ausgearbeitet und den Entscheidungsträgern präsentiert.

WissenslandkarteEine Wissenslandkarte liefert in Form einer strukturierten Darstellung (virtuell oder real) einen Überblick über zentrale Wissensobjekte oder Experten eines Unternehmens. Wissenslandkarten können somit Mitarbeitende unterstützen, die richtige Anlaufstelle für ihre Fragen zu finden. Durch den Erstellungsprozess einer Wissenslandkarte können ferner Wissenslücken im Unternehmen identifiziert werden.

Wissensbilanz-ToolDas Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Deutschland (2009) hat eine Software für klein- und mittelständische Unternehmen inkl. einer E-Learning-Komponente zur Wissensbilanzierung entwickelt. Diese Wissensbilanzierungs-Toolbox unterstützt KMU bei der Erstellung einer Wissensbilanz nach der Methode des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Pilotprojekts „Wissensbilanzierung-Made in Germany“. Ziel dieser Toolbox ist es bei der Wertebilanzierung eines Unternehmens auch das intellektuelle Kapital zu erfassen und zu bewerten. Es gilt neben dem Strukturkapital auch Beziehungs- und Humankapital zu messen. So kann ein Unternehmen eigenständig einen vollumfänglichen Wissensbilanzierungsbericht erstellen.

24

Page 25: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Ziele/Nutzen von Wissensbilanzierungen

Ziele sind die Schaffung von Transparenz in Bezug auf einen Prozess/ein Thema/Personen mit bestimmten Kenntnissen und Erfahrungen und dadurch schneller Zugriff, einfaches Finden relevanter Informationen und die Visualisierung von immateriellen Zusammenhängen. Auch das Erstellen eines systematischen Kontexts für Referenzinformationen, Explizierung impliziten Wissens, Beschleunigung von Lernprozessen sind Ziele der Wissensbilanzierung.

Für die Verwendung einer Wissenslandkarte empfiehlt es sich, dass alle Mitarbeitenden via Computer Zugang zu einer Intranetplattform finden oder die Wissenslandkarte über den Zentralrechner auf den Computern der Nutzer abrufbar ist und fortlaufend aktualisiert wird. Die Strukturierung der Inhalte sowie deren übersichtliche, nachvollziehbare Aufbereitung und Abbildung ist zentral für die Akzeptanz der Nutzer.Um den erfolgreichen Einsatz der Wissenslandkarte zu gewährleisten, sollte die erstellte Karte folgenden Ansprüchen genügen:

Partizipativ: interaktive Gestaltung und Einbindung möglichst vieler Mitarbeitenden.

Synergetisch: Alle Experten tragen mit ihrem Fachwissen zur Erstellung bei und schaffen damit ein logisches und zusammenhängendes Bild.

Simpel: Die Karte kann mit einem Blick erfasst werden. Informativ: Die Karte aggregiert viele beachtenswerte Daten, die zur

Problemlösung beitragen.

Identifikation wissensintensiver Bereiche und Abläufe Zur Erstellung einer Wissenslandkarte ist es zunächst nötig, die jeweiligen Probleme, Prozesse oder Themenbereiche aufzudecken, die durch den Einsatz der Wissenslandkarte gelöst bzw. verbessert werden sollen. In dieser Phase erfolgen in der Regel die Analyse der Wertschöpfungsschritte, zentrale Prozesse und/oder von Schlüsselpersonen. Beispielsweise könnte der Prozess „Projektmanagement“ Gegenstand der Analyse sein.

Ermittlung der WissensträgerAus dem vorhergehenden Schritt müssen die relevanten Wissensdomänen und -quellen benannt werden, für die ermittelt wird, wo und wie welche Expertise und Erfahrungen eingesetzt werden müssen, um ein Problem zu lösen oder den Prozess zu optimieren. Beispielsweise spielt das Kundenwissen während der Akquisition eine grössere Rolle als das konkrete Fachwissen, während sich diese Wertung im Zuge der Durchführung umkehrt. 

Benennung der Wissensträger Die identifizierten Wissensträger und Domänen müssen in einer Art und Weise dargestellt werden, die für die gesamte Organisation verständlich ist. Mittels Zuordnung zu den untersuchten Bereichen oder Prozessen wird die Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Zum Beispiel könnten alle Wissensträger in die Kategorien Akquisition, Planung, Controlling, Dokumentation und IT-Unterstützung eingeordnet werden.

25

Page 26: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

VisualisierungDie Wissensträger und -domänen oder Kategorien werden graphisch dargestellt und anschliessend über eine passende Schnittstelle in den Arbeitsablauf der Mitarbeitenden integriert. In diesem Schritt erfolgen somit das eigentliche Design der Wissenslandkarte und deren Implementierung. Je nach Zielsetzung wird eine adäquate Visualisierungstechnik gewählt, z. B. Entscheidungsbäume, Flussdiagramme oder Matrizen. 

AktualisierungDie Inhalte der Wissenslandkarte müssen kontinuierlich erneuert werden um den Nutzen dieses Instruments aufrecht zu erhalten. Dies kann entweder durch die Ersteller der Wissenslandkarte oder die in dem Tool repräsentierten Wissensträger selbst geschehen.

26

Page 27: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Der Wissenstransfers bei Mitarbeiterwechsel

Wurden bisher allgemeine Aussagen zum Wissensmanagement gemacht, so kommen wir nun auf ein wichtiges Teilgebiet zu sprechen: Dem Wissenstransfer bei Personalwechsel.

Die erste Phase beginnt bei der Kündigung beispielsweise eines Mitarbeiters und der Auftragserteilung an die HR-Abteilung. Der Auftraggeber, die Geschäftsleitung (GL), setzt die Schwerpunkte und grenzt das Arbeitsfeld für den Wissenstransfer ein. In dieser ersten Phase wird das implizite Wissen des scheidenden Mitarbeiters systematisch erfasst (Debriefing, Erstellen einer Wissensbilanz) unter Zuhilfenahme vorhandener Wissensdokumente. In der zweiten Phase wird das erfasste Wissen aufbereitet (Dokumentation) und in der dritten Phase dem neuen Mitarbeiter transferiert.

Vorbereitung der Wissensbilanzierung

Zur Aufnahme einer Wissensbilanz ist die freiwillige Teilnahme des scheidenden Mitarbeiters unabdingbar. Die Aufnahme einer Wissensbilanz nach einer Kündigung durch den Betrieb ist nicht möglich. Es muss nochmals betont werden, dass es sich bei der Wissensbilanzierung um die Aufnahme impliziten d. h. persönlichen Wissens und Erfahrungen handelt. Dazu ist eine Vertrauensbeziehung notwendig. Die Wissensbilanzierung sollte deshalb auch nicht von Vorgesetzten durchgeführt werden. Die Durchführung ist bei der HR-Abteilung oder im Outsourcing am besten angesiedelt.Ideal ist es, wenn bereits bei der Einstellung von Mitarbeitenden darauf hingewiesen wird, dass bei einem etwaigen Stellenwechsel eine Wissensbilanzierung durchgeführt wird. Diese Vorbereitung kommt in der Praxis in den seltensten Fällen vor. In der Regel wird vor einer Trennung die Wissensbilanzierung kurz nach der Kündigung angesprochen. In diesem Ankündigungsgespräch wird dem scheidenden Mitarbeiter der Sinn und Zweck der Bilanzierung eröffnet. Erfahrungsgemäss wird diese Ankündigung als grosse Wertschätzung erfahren, zeigt diese doch, dass die Organisation das Wissen der Person als wichtigen Produktionsfaktor ansieht und erhalten möchte.

Die Wissensbilanzierung kann demnach so dargestellt werden:

27

Wohnheim, 10.07.09,
Löschung
Page 28: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Prozesse der Wissensbilanzierung

Debriefing

Unter „Debriefing“ wird der Akt der Wissensaufnahme verstanden, der zur Wissensbilanz führt. Die Wissensbilanz kann als „Wissenslandkarte“ oder Dokument verfasst werden.

In der Literatur zum Wissensmanagement wird das Debriefing impliziten Wissens kaum beschrieben bzw. erforscht. Hingegen gibt es viele Autoren, die sich mit dem Management expliziten Wissens befassen. Es ist wichtig zu betonen, dass das Debriefing eines scheidenden Mitarbeiters in erster Linie ein psychologischer, kommunikativ anspruchsvoller und auch intimer Prozess ist. Zwar ist dieses Debriefing systematisch und leitlinienorientiert, es ist aber nichtsdestotrotz ein kreativer, gemeinsamer Prozess, der sich zwischen zwei Menschen entwickelt. Debriefing ist kein Abfragen von Informationen, sondern eine „Kunst“ durch offene Fragen, den Mitarbeitenden so zu stimulieren, dass er in die Lage versetzt wird, durch Erinnern, wichtiges Wissen sprachlich formulieren zu können. Menschliches „Erinnern“ ist nicht identisch mit dem „Suchen“ in Google oder dem Auffinden von eigenen Dokumenten. Menschliches Erinnern – und das ist das Debriefing – ist das aktive, mentale Rekonstruieren von Wissen durch Assoziationen. Es gilt im Debriefing dieses Assoziieren zu begleiten, den Erinnerungskontext herzustellen und so den Redefluss zu fördern.

HR-Experten, die das Debriefing durchführen, müssen über folgende Kompetenzen verfügen:

Empathie (Einfühlungsvermögen) Aktiv-Zuhören-können Herstellen einer angstfreien und vertrauensvollen Beziehung Systemisches Denken. Erkennen von Redundanzen

Der HR-Experte, der das Debriefing durchführt, muss selbst kein Fachexperte für den Fachbereich des scheidenden Mitarbeiters sein. Es kann sogar vorteilhaft sein, möglichst unbedarft das Debriefing durchzuführen. Diese „Neutralität“ kann zu Fragen führen, die eher vertiefen als das Gefühl vermitteln „Wir wissen ja beide um was es geht“. Entscheidend ist die Fachkompetenz in der Gesprächsführung und der Interviewtechnik. Bewährt hat sich, die gesamte Wissensbilanzierung als externen Auftrag zu vergeben.

Das Wissen wird erfasst, indem im Debriefing dem scheidenden Mitarbeitenden „die richtigen Fragen“ gestellt werden. Diese Befragung beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen und erfolgt sehr systematisch mit einer lösungs- und ressourcenorientierten Fragetechnik. Im Debriefing werden zur Erstellung der individuellen Wissensbilanz folgende Arbeitsfelder erfasst:

Softfacts (z. B. Wertungen, persönliche Analysen, Feedbacks?) Strukturinformationen (z. B. wie läuft was ab?) Beziehungsinformationen (z. B. wer war wie involviert?) Innercircle Relationships (z. B. wer hat welche Beziehung mit welcher

Wirkung?)

28

Page 29: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Outercircle Relationships (z. B. welcher Kunde muss wie beurteilt werden?) Beziehungsmuster (z. B. immer wenn Person X…., dann) Beziehungsbewertungen (z. B. Kunde X hat folgende spezielle Wünsche…) Spezielle Kompetenzen (z. B. unter diesen Umständen, muss besonders...) Spezielle Erfahrungen (z. B. damals... unter folgenden Bedingungen…) Pendenzen (z. B. personenbezogen. „ Was alles noch hätte gemacht werden

müssen?“)

Für jeden der genannten Punkte wird im Debriefing dem Mitarbeitenden die Möglichkeit gegeben so genannte „Mikroartikel“ zu diktieren. Mikroartikel sind kurze Geschichten, die zu einem Thema oder Person assoziiert werden. (vgl. Kapitel zu den Methoden; welches genau?).

Das Debriefing, das zur Wissensbilanz führt, ist prozesshaft und deduktiv. Die Fragen im Interview folgen einem nachfolgenden „roten Faden“:

Von Gestern zum Heute Von innen nach aussen Von der Sache zur Person Von Fakten zu Bewertungen Vom Ziel zum Mittel

Struktur der Wissensbilanzierung

Dieses Vorgehen ermöglicht es dem Interviewer eine Struktur in die Wissensbilanzierung bzw. den Interviewablauf zu bekommen. So ist es hilfreich bei der Interviewphase in der es um die Reflexion der gesamten Anstellungszeit geht (Vom Gestern zum Heute) die Agenda des scheidenden Mitarbeiters beizuziehen. Anhand der Agendaeinträge, kann sich der Interviewte erinnern und über Wissen und Erfahrungen zu bestimmten Ereignissen berichten. Agendaeinträge fungieren als sogenannte Erinnerungsanker. So können sogar mehrere Jahre reflektiert werden.

von Innen

nach aussenvon Fakten

Bewertungen

vom Ziel

zum Mittel

von der Sache zur Person

Wissensbilanz

von Gestern

zum Heute

29

Page 30: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Ähnlich ist es bei der Phase vom Innen zum Aussen. Am „Innen“ wird Wissen und Erfahrungen festgemacht, die im Betrieb als erwähnenswert gelten. Unter „Aussen“ werden Wissen und Erfahrungen verstanden, die mit betriebsexternen Ereignissen zusammenhängen. Hilfreich ist es auch zu genannten Fakten deren Bewertungen zu befragen und nicht von Bewertungen ausgehend Fakten zu reflektieren. Das gleiche gilt bei der Befragung von Zielen während der Anstellung und den Mitteln, die zur Erreichung der Ziele genutzt wurden.

Folgende strukturellen Mittel unterstützen das Debriefing und können als „Leitplanken“ verstanden werden:

Agenda des scheidenden Mitarbeitenden Adresskartei des Mitarbeitenden Stellenbeschreibung bzw. Pflichtenheft Funktionendiagramm Organisationshandbuch des Betriebes Prozessbeschreibung der Tätigkeit des Mitarbeitenden Qualifikationsblätter Liste der Fort- und Weiterbildungen

Beim Debriefing ist es entscheidend das „Wichtige“ vom „Unwichtigen“ zu unterscheiden. Gerade wenn Mitarbeitende nach langjähriger Tätigkeit einen Betrieb verlassen, ist die Reduktion auf das Wesentlich wichtig. „Wesentlich“ ist das, was für den neuen Mitarbeitenden wichtig werden könnte. Diese Reduktion auf das Wesentliche wird einerseits durch die Fragen und das Nachfragen erreicht, andererseits aber auch erst bei der Dokumentation der Antworten in der Wissensbilanz. Es ist dann der Interviewer, der reduziert. Selbstredend ist, dass die Wissensbilanz vor ihrem Abschluss vom scheidenden Mitarbeiter gegengelesen wird. Der Mitarbeiter kann so ergänzen und auch Streichungen vornehmen.

Ein Meister der Reduktion ist Picasso

Reduktion nach Pablo Picasso

Fragen und Interviewtechnik

Folgende Fragen führen zu den Antworten, die zur Wissensbilanz beitragen:

Zielorientrierte Fragen Was waren ihre geschäftlichen Ziele?

30

Page 31: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Woran haben Sie bemerkt, dass ein Ziel erreicht wurde? Wer ist in aller Form am Problem beteiligt? Wie müssen sich diese Personen verhalten damit das Problem verschwinden

konnte? Woran haben Sie bemerkt, dass Sie das Ziel erreicht hatten? Wer müsste sich wie verhalten, damit das Ziel wieder erreicht wurde? Wie könnte man sich anders verhalten, damit das Ziel erreicht würde?

Situationsfragen Was tat jeder Einzelne, damit die Massnahmen zur Lösung beitrugen? Welche Verhaltensweisen dieser Personen trugen zur Zielerreichung bei? Welche Umstände können die Situation verbessern, damit das Ziel erreicht

wird?

Fragen nach Unterschieden Welche Verhaltensweisen empfehlen Sie zur Problemlösung? Welche Verhaltensweisen würden eher ein Problem schaffen? Wann fühlen sie sich einem Ziel näher und wann weniger? Welche Personen sind an der Lösung beteiligt? Wie können Sie das Zustandekommen einer Lösung beschreiben? Welche Lösungswege sehen Sie sonst noch? Nach welchen Kriterien bewerten Sie eine Lösung? Nach welchen Kriterien bewerten andere Personen die Lösung? Was unterlassen Sie, wenn das Ziel erreicht ist? Nehmen Sie an, das Ziel wäre erreicht, wer verhält sich dann wie anders? Welche Eigenschaften sind für die Lösungserreichung unabdingbar?

Allgemeine Fragen Was möchten Sie Ihrem Nachfolger empfehlen? Auf was muss er speziell achten? Welche Beziehungen waren wichtig? Wie wurden die Beziehungen gestaltet? Was empfehlen Sie dem neuen Mitarbeiter im Umgang mit

Kollegen/Untergebene/Vorgesetzte? Welche informellen Informationskanäle gibt es? Wie beurteilen Sie diese Kanäle? Was muss man bei der Nutzung beachten? Welche Medien werden am besten genutzt? Wem mailen, wem telefonieren, wen direkt ansprechen? Welche Kunden sind besonders zu pflegen? Wie sieht diese „Pflege“ aus? Welche Tagungen sollten besucht werden und warum? Wie ist die beste Sitzungsorganisation? Was empfehle ich als Führungsinstrumente? Welche Personen sollten gefördert werden? Was fördert das Arbeitsklima? Was ist von einzelnen Mitarbeitern privat bekannt? Welche Fähigkeiten haben bestimmte Mitarbeiter?

Interviewtechnik

31

Page 32: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Entscheidend bei der Befragung ist die Prozessorientierung des Interviewers. Optimal ist es, wenn es dem Interviewer gelingt, die Reihenfolge der Fragen so zu organisieren, dass ein Redefluss beim Interviewten entsteht. Dieser Prozess führt zu immer weiterführenden Assoziationen und Aussagen, die grosse Relevanz haben können. Oftmals erinnern sich die interviewten Mitarbeitenden erst während des Redeflusses an persönliche, wichtige Ereignisse in ihrer Berufsbiographie, die für die nachfolgenden Mitarbeitenden wichtig sind.

Wichtig ist, dass beim Debriefing immer das Ziel im Auge behalten wird, nämlich das Erstellen einer Wissensbilanz des impliziten Wissens. Diese Zielorientierung wird gewährleistet, indem beide Personen im Dialog den Bezug von Struktur zur Person und umgekehrt nicht vernachlässigen. Wissensbilanzierung ist Wissenserfassung der „Person“ in Beziehung zu ihrer Aufgabe. Das nachfolgende Schema verdeutlich das..

Zusammenführung Erfahrung und Wissen

Um den Interviewten beim Assoziieren bzw. Erinnern seines impliziten Wissens zu fördern, stellt der Interviewer nach jeder Antwort im Erzählfluss einen Bezug zwischen den Antworten her. Diese Bezugnahme erleichtert es dem „ Erzähler“, den Faden nicht zu verlieren. Es ist beim Debriefing durch offene Fragen zu beobachten, dass man sich verzettelt und das Unwichtige vom Wichtigen zu wenig unterscheiden kannvom „Hölzchen zum Stöckchen“ (was heisst das?). Die Herstellung des Bezugs von Wissen und persönlicher Erfahrung ist entscheidend, um das Debriefing effizient zu handhaben. kommt und der Dialog vom Ziel (die gesuchte Antwort) wegführt. Auch dann gilt die Reduktion auf das Wesentliche.

Dieser Bezug kann beispielsweise durch folgende Bemerkungen des Interviewers wieder hergestellt werden:„wie sie vorher erwähnt hatten...“„Sie hatten bemerkt, dass.....“„ich möchte gerne darauf zurückkommen...“„ich hatte den Eindruck, dass Sie vorher...“„welchen Bezug sehen Sie zwischen...“„soweit ich mich erinnere, sagten Sie...“usw...

32

Page 33: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Im Unterschied zu einer reinen Wissensabfragung durch Fragebögen wird bei der Interviewform der scheidende Mitarbeiter angeregt Antworten zu erzählen. Die Erzählform ist deshalb eine geeignete Form der Wissensabfragung, weil sie die Erinnerungen am besten reaktivieren kann. Sie kann deshalb bei der Wissensbilanzierung gut eingesetzt werden, weil der Informant selbst handelnder des Vorgangs war, den er repetiert (Küsters 2009). Es werden die kognitiven Repräsentationen im Interview aktualisiert, die durch die Fragen angesprochen werden. Des Weiteren hat die Erzählform den Vorteil, dass Prozesse und Arbeitsabläufe rekonstruierbar werden. Diese Prozesshaftigkeit der Erzählform ist deckungsgleich mit der Prozessform der tatsächlichen Handlung, die erlebt wurde. So können sowohl Fakten als auch Prozesse erinnert und dokumentiert werden. Beispielsweise unterstützt die Anregung des Interviewers für besonders wissenswerte Handlungen die Erinnerungen und die Reproduktion sehr. Ebenso sollte der Interviewer die befragte Person zu Stegreiferzählungen animieren. Dazu helfen anregende Äusserungen wie:„Haben Sie ein Beispiel dafür?“„Erzählen Sie doch mal den Ablauf.“„Wie ging das denn weiter?“

Die Protokollierung der Antworten in den Interviews erfolgt per Tonband. Hilfreich ist zudem die Nutzung einer MindMap als Strukturierungsmittel. Der zeitliche Gesamtaufwand für diese Form der Wissensbilanzierung kann bei Kadermitarbeitenden 8-10 Stunden betragen von maximal 2 Stunden Einzelsitzung. Längere Sitzungen haben sich nicht bewährt, weil die Beantwortung der Fragen sehr ermüdend ist.

Zwischen den einzelnen Sitzungen werden dem Interviewten „Hausaufgaben“mitgegeben. Diese Hausaufgaben sind Fragen, die in der Sitzung nicht beantwortet wurden, aber eine hohe Relevanz haben. Oftmals können sich die Interviewten in anderer Umgebung als im Setting der Befragung gut erinnern. Eine Hausaufgabe, wäre die Dokumentation der Antworten zuhause.

Eine weitere Möglichkeit ist es dem scheidenden Mitarbeiter die Aufgabe zu geben, seine eigenen Kolleginnen und Kollegen zu bitten, folgende Frage zu beantworten:„Wir haben jetzt ... Jahre zusammengearbeitet. Bitte nenne mir stichwortartig die Kompetenzen und Wissensbereiche, von denen du annimmst, dass sich mich ausgezeichnet haben?“

Natürlich kann diese Aufgabe nur gestellt werden, wenn ein Betriebsklima herrscht, dass vertrauensvoll und offen ist. Die Antworten der Kollegen werden in der nächsten Sitzung auf Plausibilität, Überraschungseffekt und die Übereinstimmung von Selbst- und Fremdbild geprüft. Die Antworten führen zu neuen Assoziationen und dem Erinnern von ansonsten vergessenem Wissen.

Eine Wissensbilanz, die das implizite Wissen erfasst, wird durch die Exploration folgender Strukturelemente vollständig:

33

Page 34: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wissensbilanzbaum

In der praktischen Anwendung im Interview des Debriefings werden zu jedem, der im MindMap definierten Elemente, die erwähnten offenen Fragen gestellt und zum Erzählen animiert. Alle Antworten werden in der Wissensbilanz dokumentiert.

Das gesamte Interview bis zur Wissensbilanzierung wird in vier Phasen eingeteilt (Ludwig et al. 2008):

Erklärungsphase: Informationen für den Befragten über die Besonderheiten, Gegenstand der Interviews, Sinn und Zweck. Herstellen von Vertrauen. Schaffen einer offenen Atmosphäre.

Einleitungsphase: Klärung, unter welchen Aspekten Ereignisse erklärt werden sollen. Hilfestellungen geben, damit das Gespräch nicht ausufert.

Erzählphase: Darf erst unterbrochen werden, wenn der Befragte es nonverbal signalisiert. Interviewrolle beschränkt sich, nach der Fragestellung, auf die Rolle des interessierten Zuhörers und unterstützt mit aufmunternden Worten und Gesten den Informationsfluss.

Nachfragephase: Nachfragen bei Unklarheiten am Ende der Interviewstunden.

Wissensbilanzierung

34

Page 35: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Die Wissensbilanz ist die Transkription des Debriefings. Das Debriefing führt zur Wissensbilanz, die entweder als schriftliches Dokument oder als Wissenslandkarte erstellt wird.

Ist das Interview in der beschriebenen Form erfolgreich durchgeführt worden, dann ist die Wissensbilanzierung keine Beschreibung der Aufgaben, die bereits grob in der Stellenbeschreibung formuliert sind, sondern das Wissen zu den Aufgaben. Die Dokumentation beschreibt das „Wie“ der bisherigen Arbeit und somit das Wissen und weniger das „Was“, das Können.

Die Wissensbilanz sollte so aufgebaut werden, dass der neue Mitarbeiter sie in der Einarbeitungszeit täglich nutzen kann. Die Dokumentation kann als ein „Handbuch für den neuen Job“ verstanden werden. In elektronischer Form ist sie mit Suchfunktion und Hyperlinks gestaltet. Es ist aber nicht ausreichend die Wissensbilanz des Vorgängers dem Nachfolger einfach auszuhändigen. Die effektive Nutzung des nun expliziten Wissens des Vorgängers wird erst durch einen systematischen Wissenstransfer erreicht.

Für die Geschäftsleitung kann die Wissensbilanz eines scheidenden Mitarbeiters wichtige Informationen über die Vollständigkeit der für die Funktion geltende Stellenbeschreibung bzw. des Pflichtenhefts liefern. Durch die Wissensbilanzierung kann sich die Notwendigkeit ergeben, die Stellenbeschreibung anzupassen, weil sich gezeigt hat, dass der scheidende Mitarbeiter Tätigkeiten ausgeübte, die für den Betrieb eine hohe Wertschöpfung ergaben, aber in der Stellenbeschreibung nicht explizit formuliert wurden.

Wissenstransfer zum neuen Mitarbeiter

Der Wissenstransfer zu einem neuen Mitarbeiter ist ein Lehrvorgang, der beim neuen Mitarbeitenden einen Lernvorgang auslösen soll. Es reicht in der Regel nicht aus dem neuen Mitarbeiter die Wissensbilanz des Vorgängers auszuhändigen. Die Wissensbilanz ersetzt nicht die praxisnahe Einführung, sondern soll sie ergänzen und effizienter machen.

Wissen verdoppelt sich durch Teilen. Dieser Satz kann sogar erweitert werden, wenn Wissen so aufbewahrt wird, dass seine Zugänglichkeit einfach und zum richtigen Zeitpunkt gewährleistet werden kann. Dann verdoppelt sich Wissen nicht nur, sondern es vervielfacht sich. Mit moderner Informatik bestehen nicht nur hervorragende Speichermöglichkeiten von Wissen, sondern auch effiziente Zugriffsoptionen darauf. In Bezug auf die Wissensbewahrung bei Mitarbeiterwechsel sollte die Wissensbewahrung aus dem Blickwinkel des neuen Mitarbeiters organisiert werden. Es muss die Frage beantwortet werden: Wie kann der neue Mitarbeiter effizient auf das bewahrte Wissen zugreifen und wie kann dieses Wissen für den Zugriff aufbereitet werden? Sollte es organisatorisch möglich sein, dass der „alte“ Mitarbeiter den „neuen“ Mitarbeiter kennenlernen kann und eine Übergabe stattfindet, dann sollten im Voraus die Wissensinhalte bestimmt werden.

Folgende Wissensinhalte sollten in diese Überlegungen bei der Einführung neuer Mitarbeitenden einbezogen werden:

35

Page 36: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Tätigkeitsprofile und Inhalte: Auf Basis der existierenden Stellen und Arbeitsplatzbeschreibungen kommentiert der Experte für die Nachfolge dem Nachfolger die Tätigkeiten, z. B. Prioritäten, Best Practise, Ansprechpartner.

Stand der Fälle und Projekte: Der Experte bespricht mit dem Nachfolger alle aktuellen Fälle und Projekte, die dieser weiterführen soll und zwar anhand des Status, der weiteren Aktivitäten usw. Dabei weist er jeweils auf Besonderheiten wie Lesson Learned oder Best Practise hin.

Lesson Learned: Anhand von wichtigen Ereignissen, Tätigkeiten und Projekten berichtet der Experte u.a. anhand von Stories über seine positiven, negativen und typischen Erfahrungen der Vergangenheit. Diese werden in Form kompakten Lesson Learned dokumentiert. „lesson learned“ hat eine sehr ähnliche Struktur wie die erwähnten Mikroartikel.

Best Practise: Anhand wichtiger Abläufe werden die bewähren Vorgehensweisen erhoben, dokumentiert und visualisiert. Die grösste Herausforderung ist hier, keine „unerlaubten“, informellen Prozesse zu dokumentieren.

Dokumentenbestände: Die Verzeichnisstruktur der Dokumentenbestände des Experten wird mit dem Nachfolger besprochen, bereinigt und partiell übernommen. Dabei werden gemeinsam wichtige Meta-Informationen vergeben. Auch das Zugangswissen zu Archiven spielt eine wichtige Rolle.

Ansprechpartnernetzwerk: Der Experte legt dem Nachfolger sein informelles Ansprechpartnernetzwerk offen, indem die Kontakte in elektronischer Form übernommen und mit Meta-Informationen versehen werden. Hier ist die subjektive Einschätzung wichtig.

Diese generellen Kategorien von Wissensinhalten müssen abhängig von der Position des Wissensträgers und weiteren Randbedingungen, wie der zur Verfügung stehenden Zeit, weiter fokussiert und verfeinert werden. So kann die Wissensbewahrung in bestimmten Fällen ausschliesslich auf die Erstellung eines Zugangssystems für Dokumente des Experten beziehen. Auch sind Fach- und Führungswechsel zu unterscheiden.

Neben diesen technischen Möglichkeiten, das Wissen eines scheidenden Mitarbeiters dem neuen und auch anderen Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen, ist Wissenstransfer doch immer ein Lernprozess. Als Lernprozess ist ein Vorgang zu verstehen, in dem Informationen zu Wissen konvertiert werden. Wissen entsteht im Lernenden erst durch die Aufnahme von Informationen in einem bestehenden Kontext. Kontexte sind bereits gespeicherte Wissensinhalte. Neues Wissen wird erst durch den Vergleich mit altem Wissen als „neu“ erkannt. Dies ist besonders wichtig bei Experten, die ihren Arbeitsplatz wechseln. Experten, also Personen mit viel „altem“ Wissen, haben oft die grösste Mühe sich an einem neuen Arbeitsplatz effizient einzuarbeiten. Sie unterliegen den Versuchen, Neues permanent mit Altem zu vergleichen und können sich so weniger rasch der neuen Umgebung öffnen. Die Haltung „ja, das kenne ich doch irgendwie“ blockiert sie, sich zu öffnen. Diese Gefahr darf bei der Einarbeitung anhand einer Wissensbilanz des Vorgängers nicht unterschätzt werden. Dieses Problem lässt sich entschärfen, indem dem neuen Mitarbeiter nicht einfach die Wissensbilanz des Vorgängers ausgehändigt wird, sondern Punkt für Punkt durchgegangen und gemeinsam reflektiert wird. In dieser gemeinsamen Bearbeitung hat der neue Mitarbeitende die Möglichkeit nachzufragen bzw. aktives Interesse an bestimmten Themen zu bekunden. Wichtig ist, dass der HR-Verantwortliche, der das Interview mit dem scheidenden Mitarbeiter geführt hat, darauf achtet, ob die Informationen des „alten“ Mitarbeiters für den Nachfolger neu

36

Page 37: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

sind oder bereits vorhandenes Wissen ergänzen. Diese Unterscheidung zeigt den Personalverantwortlichen sehr früh, ob ein neuer Mitarbeiter eine Bereicherung oder nur ein Ersatz für den Vorgänger ist. Ziel der meisten Betriebe ist es verständlicherweise, dass neue Mitarbeiter mehr Wissen haben als die Vorgänger.

Grundsätzlich muss bei jedem Stellenwechsel ein Einarbeitungsplan vorliegen. Dieser Einarbeitungsplan hat verbindliche Punkte:

Vor Eintritt Arbeitsplatz überprüfen: Raum und Einrichtung Arbeitsplatz überprüfen: PC, Werkzeug, Büromaschinen

Zugangsberechtigungen, Passwörter Evtl. Aus-, Fort- und/oder Weiterbildung einleiten Arbeitsunterlagen bereitstellen Kontaktperson, Ansprechperson bestimmen Mitarbeitende und Vorgesetzte über den Eintritt orientieren (Eintritt, Person,

Funktion, Aufgabe)

Am ersten Arbeitstag Kontakt herstellen: Empfang durch Vorgesetzten Kontakt herstellen: Vorstellen des der Ansprechperson Orientieren über: Unternehmung, Geschichte, Produkte Orientieren über: Organisation, Strukturen, Abläufe Orientieren über: Schutz- und Sicherheitsbestimmungen, Verhalten im Notfall Erste Einführung in Arbeitsgebiet und übergeben einer einfachen Aufgabe, die

am gleichen Tag erledigt werden kann à Erfolgserlebnis Gespräch im Laufe des Tages: Besprechen des Einarbeitungsprogramms Evtl. gemeinsames erstes Mittagessen Gespräch am Ende des ersten Arbeitstags: erste Eindrücke

Im Verlauf der ersten Woche Einarbeitung gemäss Einarbeitungsprogramm Einführen in Kultur und Werte der Unternehmung, auch „ungeschriebene

Gesetze“ Vorstellen bei einem erweitertem Personenkreis Informieren über: Abwesenheitsmeldungen (Krankheit, Militär, Unfall, Ferien) Informieren über: Spesenregelung, Unterschriftenregelung Informieren über: Freizeitmöglichkeiten, interne Einkaufsmöglichkeiten

Während der Einarbeitungszeit Feedback zu: Bedeutung der Arbeit aufzeigen Feedback zu: einzelnen Leistungsetappen Regelmässig beobachten: Fortschritte in der Einarbeitung Regelmässig beobachten: Kontakt zu Arbeitskollegen, allgemeines Einleben in

der neuen Umgebung

Vor Ablauf der Einarbeitungszeit Überprüfen der Stellenbeschreibung Durchführen einer Leistungsbeurteilung, erstes Mitarbeitergespräch mit den

folgenden Themen: Erfüllung der gegenseitigen Erwartungen, Kontakt zu Kollegen, Einleben in neue Umgebung, Ziele, Förderungsmassnahmen

37

Page 38: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Tabu sollte es sein, dass Mitarbeitende ihre Vorgesetzten in die neue Stelle einführen

Der Transition-Workshop

Ist eine Organisation in einem Veränderungsprozess und besteht mit einem Wechsel von Führungspersonen der Anspruch, dass Veränderungen realisiert werden, dann ist ein eintägiger Transitions-Workshop das Mittel der Wahl zum Wissenstransfer. Mit einem Transition-Workshop wird effizient die Einführung von neuen Vorgesetzten organisiert.

Auch beim Wechsel von Vorgesetzten in konsolidierten Organisationen reagieren Mitarbeitende grundsätzlich mit Befürchtungen und auch Ängsten. Diese Ängste vor Veränderungen sind verständlich und müssen immer ernst genommen werden. Es sind aber nicht nur die Mitarbeitenden, die Befürchtungen haben, sondern auch der neue Chef hat seine ganz persönlichen „Ängste“ oder zumindest Lampenfieber bei Stellenantritt. Mit einem Transition-Workshop wird dem neuen Vorgesetzten der Einstand erheblich erleichtert und die Ängste der Mitarbeitenden werden nicht nur ernst genommen, sondern können systematisch abgebaut werden. Besonders bei Teams, die schon längere Zeit zusammenarbeiten, können heftige Widerstände gegen Veränderungen auftreten und sich destruktiv im Arbeitsalltag zeigen. Das kann bis zum Mobbing gegen einen neuen Vorgesetzten gehen.

Der Transition-Workshop sollte möglichst am ersten Arbeitstag des neuen Vorgesetzten mit seinem direkt unterstellten Team organisiert werden. Es sollten keine Mitglieder der Geschäftsleitung dabei sein. Wichtig ist das alle direkt unterstellten Mitarbeitenden teilnehmen. Der Workshop sollte nicht innerhalb der Organisation stattfinden, sondern an einem neutralen Ort. Die Durchführung erfolgt durch die HR-Abteilung oder durch einen externen Coach. Bereits in der Einladung werden die Ziele des Workshops beschrieben.

Diese Ziele sind: Kennenlernen von Herrn/Frau ... (persönlicher/fachlicher Hintergrund) der

neuen Person Kennenlernen der einzelnen Mitarbeitenden (persönlicher/fachlicher

Hintergrund) Formulierungen der Erwartungen der Mitarbeitenden (die Methodik richtet sich

nach der „Stimmung“ und der Gruppendynamik) Formulierung der Erwartungen des neuen Vorgesetzten Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten durch den Coach Gemeinsame Ziele und deren Evaluation bestimmen

Dem Workshop geht eine ausführliche Vorbesprechung mit der neuen Führungskraft voran. Die neue Person darf keineswegs irgendwie überrascht werden. Transparenz seitens des Coachs ist sehr wichtig. Im Workshop werden die Differenzen der gegenseitigen Erwartungen nicht diskutiert, sondern ausschliesslich thematisiert. Nach dem Workshop findet mit dem Coach und der neuen Führungskraft eine bilaterale Nachbesprechung statt. In dieser Nachbesprechung wird der Workshop analysiert und besonders die Unterschiede der Erwartungen der Mitarbeitenden und des neuen Vorgesetzten herausgearbeitet. Diese Unterschiede bergen in der Regel Konfliktpotential aber auch Chancen.

38

Page 39: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Zentral im Transition-Workshop sind weniger die formalen Inhalte, sondern vielmehr das Herstellen von Vertrauen zwischen Mitarbeitenden und ihrem neuen Vorgesetzten. Dem Coach sollte es anhand der richtigen Methodenwahl gelingen eine Atmosphäre zu schaffen, die einerseits Nähe und auch eine gewisse Intimität zulässt, andererseits aber auch professionelle Distanz der Teilnehmer untereinander.

39

Page 40: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Die lernende Organisation

Schreyögg und Poeschl benennen in ihrem Standwerk zur Betriebsführung drei Arten von Lernprozessen in Organisationen:

Das zyklische Systemmodell Das Phasenmodell Die Spirale der Wissensgenerierung.

Diese drei Modelle ergänzen sich, da sie jeweils unterschiedliche Aspekte hervorheben.

Das zyklische Systemmodell

Das zyklische Systemmodell stellt den Lernprozess einer Organisation als Ergebnis der Auswirkungen von individuellem Verhalten auf Organisationsverhalten dar, das wiederum eine Reaktion im Umfeld der Organisation hervorruft. Individuelles Handeln wird von Denkweisen geleitet, die durch Umwelteinflüsse geprägt sind. Die Reaktion der Umwelt auf das Organisationsverhalten wird vom Individuum wahrgenommen und interpretiert. Wenn das Handeln nicht zum erwarteten Ergebnis führt, müssen die Individuen erst ihre Zielvorstellungen und die damit verbundenen neuen Denk- und Verhaltensweisen entwickeln und umsetzen.

Das Phasenmodell

Das zweite Grundmodell des Organisationslernens stellt einen Phasenverlauf vor, beginnend mit der Identifikation und Definition eines Problems bzw. einer Frage als Auslöser und Ausrichtung eines Lernprozesses. Es folgt die Akquisition von Wissen aus unterschiedlichen Quellen ausserhalb und innerhalb der Organisation, um das Problem bzw. die Fragestellung zu verstehen und mögliche Lösungsansätze zu finden. Dann muss das gewonnene Wissen interpretiert und in der Organisation verteilt werden. Lernprozesse sind erst dann abgeschlossen, wenn das Wissen umgesetzt und im Gedächtnis der Organisation gespeichert worden ist. Einzelne Phasen müssen oft mehrmals durchlaufen werden, bspw. um zusätzliches Wissen einzuholen bzw. andere Akteure in Interpretationsprozesse einzubeziehen.

Das Phasenmodell ist aufschlussreich für die Identifizierung von Schwächen in Organisationslernprozessen. Oft werden einzelne Phasen übersprungen oder unzureichend ausgeleuchtet. Zum Beispiel wird die Wissensverteilung oft zu restriktiv gehandhabt und mit einseitigen Kommunikationsmethoden wie Memos oder Verkündigungen betrieben, was dazu führt, dass wenige Menschen Nutzen daraus ziehen können. Die Speicherung von Wissen ist auch eine potentielle Lernfalle: Es wird sowohl zu wenig als auch zu viel Wissen gespeichert. Die Mitglieder einer Organisation wissen in der Regel mehr als die Organisation selbst, weil das individuelle Wissen nicht von anderen Mitarbeitenden abgerufen werden kann. Handbücher und Datenbanken können nur leicht kodifizierbares Wissen speichern. Erfahrungswissen lässt sich nur begrenzt speichern. Das Wissen einer Organisation wird auch in formellen und informellen Routinen gespeichert und in ihrer Kultur festgehalten. Dieses Wissen sorgt für ein gewisse Berechenbarkeit und Stabilität. Es erhöht auch die Schnelligkeit in Entscheidungsprozessen. In Zeiten des

40

Page 41: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

schnellen Wandelns kann solches Wissen jedoch auch unproduktiv und kontraproduktiv wirken. Das in Kultur und Routinen eingebettete Wissen kann schwer entlernt werden. Hier ist Entlernen als Löschvorgang zu verstehen. Schriftliches, explizites Wissen ist leichter veränderbar als implizites, unsichtbares Wissen in der Organisationskultur.

Das Spiralmodell

Das dritte Modell des Organisationslernens, das spiralförmige Modell der Wissensgenerierung, betont die zwischenmenschliche Dimension der Wissensgewinnung und hebt die Unterschiede zwischen explizitem und implizitem Wissen hervor. Das Modell besteht aus vier Konversionsprozessen:

1. Das implizite Wissen wird durch die Sozialisation von anderen Menschen zu eigenem impliziten Wissen transformiert.

2. Das implizite Wissen wird externalisiert und zu explizitem Wissen artikuliert.3. Das explizite Wissen wird mit anderen Quellen von explizitem Wissen

kombiniert4. Das explizite Wissen wird internalisiert und zu implizitem Wissen konvertiert.

Dieses Modell wird vom Autoren dieses Dossiers bevorzugt. ((Lieber keine persönlichen Aussagen, sondern eher in der Art: Dieses Modell hat viele Vorteile wie ….; dann aufzählen, warum es besser ist))

41

Page 42: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wege zur Lernenden Organisation

Anfang der 90er Jahre hat Peter Senge mit seinem Buch „Die fünfte Disziplin“ den Begriff der „lernenden Organisation“ trendy gemacht (Senge 1997). Kaum eine Beratungsfirma hat in ihren Angeboten nicht Bezug darauf genommen, um einen Beitrag zum Lernen von Organisation zu leisten. Das Neue an Senges Ansatz war nicht das Lernen in Organisationen, sondern das Lernen von Organisationen. Senge hat das individuelle Lernen auf das systemische Lernen von Organisationen übertragen. Er hat Organisationen als mehr oder weniger geschlossene Systeme betrachtet und ihnen Lernen als notwendigen internen Prozess verordnet, um auf dem Markt bestehen zu können. Besonders das Lernen durch Fehler hat er schwerpunktmässig analysiert und Feedbackschlaufen, Loops und den Begriff der Rückkopplung in der Fehleranalyse eingeführt. Es ist auffällig, dass sich Senge überhaupt nicht mit Wissensmanagement beschäftigt hat und dieser Begriff in seinem Register nicht erscheint. Nach Senge (1997) ist eine lernende Organisation ein System, das durch personales und organisationales Wissen, in die Lage versetzt wird, fortlaufend den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden und durch Innovationen Kundenbedürfnisse zu wecken. Lernen ist ein Anpassungsprozess an eine sich wirtschaftlich und sozial extrem schnell ändernde Umwelt. Kreativität in Verbindung mit Wissen generiert Innovation und ist der Schlüssel um in der Zukunft wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Zur Beurteilung, ob eine Organisation grundsätzlich bereit ist sich als „lernend“ neu zu positionieren, kann es hilfreich sein, strukturelle und personelle Bedingungen zu nennen, die Veränderungen eher behindern.

Behindernde Lernfaktoren

Wissen wird proprietär betrachtet. Es gilt als Eigentum und dieses gilt es zu schützen. Diese Haltung ist besonders im mittleren Kader zu beobachten. Das mittlere Kader ist häufig in einer Sandwichposition zwischen Entscheidungsträgern und auszuführenden Personen. In dieser Position kann Wissen z. B. über Entscheidungen dann Macht bedeuten, wenn diese Kadermitarbeitenden Informationen über Entscheidungsgründe zurückhalten können.

Wissen bedeutet Macht. Diese Haltung kommt besonders zum Ausdruck, wenn bewusst Informationen nicht kommuniziert werden und sich diese Informationen im Nachhinein als relevant für Entscheidungen herausstellen. Das eigene Wissen transparent zu machen, bedeutet automatisch auch offen zu legen, „was man nicht weiss“. Um dieses Nichtwissen zu verbergen, wird Wissen nicht geteilt.

Ein klarer Indikator für Organisationen, die Angst vor Wissensteilung haben, ist die Anzahl der verschiedenen Berechtigungen und Passwörter für den internen Datenaustausch. Oft werden unter dem Deckmantel der Datensicherung Lese- und Schreibberechtigungen besonders in der Linie installiert. Es ist jedoch nicht die Datensicherung, die im Vordergrund steht, sondern das Eigentum über Wissen. Über den Entzug bzw. Ausgabe von Berechtigungen im Informatik-System werden Wissensschranken eingerichtet. Oder wenn das durch Zertifikate ausgewiesene Wissen höher bewertet wird als die durch Erfahrungen erworbenen Kompetenzen.

42

Page 43: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Fördernde Lernfaktoren

Eine lernende Organisation muss folgende notwendige Bedingungen erfüllen. Wissensmanagement muss einen Platz in der strategischen Planung einer

Organisation haben. Wissensmanagement braucht eine moderne Informatik Es müssen Verantwortlichkeiten festgelegt, Ziele formuliert und Mittel

bereitgestellt werden. Die Wirksamkeit des Wissensmanagements muss überprüft werden können

Es muss in der Organisation eine Kultur gepflegt werden, die es ermöglicht, Wissen nicht als persönliches Eigentum zu betrachten, sondern zu teilen

Wissensteilung muss anerkannt und qualifiziert werden Fehler sind Hinweise aus der Zukunft. Fehler müssen als willkommener Anlass

für Optimierungen angesehen werden Dem impliziten Wissen der Mitarbeitenden muss genauso viel Beachtung

geschenkt werden, wie dem expliziten und organisationalen Wissen Mitarbeitende lernen und steigern ihr Wissen und damit ihre Kompetenzen

durch intrinsische Motivation. Intrinsische Motivation wird im Gegensatz zur extrinsischen Motivation mit Lohnanreizen, durch Selbstbestimmung, Entscheidungsmöglichkeiten und Verantwortlichkeiten am Arbeitsplatz nachhaltig gefördert

Erfahrungen sind dem Wissen gleichrangig zu bewerten

43

Page 44: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Ausblick

„Das Management als eigene Funktion innerhalb einer Organisation entstand erst im 18. Jahrhundert, als man erkannte, dass eine arbeitsteilige Differenzierung von Abläufen innerhalb der Organisation möglich und wünschenswert ist. Es war dann Aufgabe des Managements, genau dies zu leisten, nämlich die Arbeit der anderen zu trennen, neu zu ordnen und wieder aufeinander zu beziehen, also die Arbeit zu planen. Erst durch die Entdeckung der Arbeitsteilung war so etwas wie eine vom konkreten Gegenstand abstrahierende Planung überhaupt möglich“ (Vollmar 2007).

Management ist damit zu aller erst ein Prozess, bei dem durch zielgerichtetes Handeln unter Nutzung von Ressourcen geplante Ergebnisse erzielt werden sollen. Zum Prozess des Managements gehören folgende Aktivitäten:

Zielsetzung Planung Entscheidung Umsetzung Kontrolle

Der Manager entscheidet über eine angemessene Vorgehensweise und begleitet deren Umsetzung, indem er die notwendige Infrastruktur sowie notwendige Ressourcen zur Verfügung stellt und den Fortschritt der Arbeit kontrolliert. Abschliessend bewertet er das Ergebnis. Der Managementprozess ist in erster Linie ergebnisorientiert und dabei auf das Wesentliche konzentriert- oder sollte es sein. Management ist im Grunde, auf seine eigentliche Bedeutung zurückgeführt, das kreative Lösen von Problemen, das Optimieren des bereits Vorhandenen. Es wird deutlich, dass das traditionelle Konzept von Management vor dem Hintergrund der tayloristisch konzipierten Organisation entstanden ist unter der Prämisse, dass Arbeitsprozesse zerlegbar und planbar, Ergebnisse vorhersehbar und mit dieser Arbeit betraute Menschen steuer- und kontrollierbar sind. Genau diese Prämissen sind in einer intelligenten, organischen Organisation in der Wissensarbeit stattfindet, nicht mehr erfüllt. Es ist also an der Zeit, nicht nur den Begriff der Arbeit und den der Organisation, sondern auch den des Managements neu zu definieren.

Organische Organisationen sind charakterisiert durch: Komplexität Nichtlinearität Selektivität Anpassungsfähigkeit Autopoiese (Selbststeuerung/-organisation lernender Systeme) Negentropie (Zunahme von Komplexität)

All diese Kennzeichen gruppieren sich um eine Grundeigenschaft: Die Wandelbarkeit der organischen Organisation, d. h. der Fähigkeit, auf Stimuli von aussen durch spontane Veränderungen zu reagieren. Diese Fähigkeit ist verbunden mit Durchlässigkeit und Unbestimmtheit der Organisation, letztendlich resultierend in Ungewissheit und Unsicherheit. Einem traditionellen Management sind so die Grundlagen entzogen: Eindeutigkeit, Vorhersagbarkeit, Mess- und Steuerbarkeit und die Möglichkeit der Planung und Kontrolle.

44

Page 45: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Das Schlüsselwort für das neue Management ist „ Selbstorganisation“. Organisationen sind komplexe Systeme, die Selbstorganisation in Form von Anpassung an die Marktbedürfnisse dann optimal erreichen, wenn es den Teilen des Systems (Mitarbeitenden) ermöglicht wird, unter strukturellen Systembedingungen (Organisationsstruktur) selbst die Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, die dem System als Ganzem, also dem Auftrag, nützlich sind. Um diese Entscheidungen als Mitarbeiter möglichst autonom treffen zu können, ist Wissen unabdingbar. Management bedeutet das Zurverfügungstellen von Wissen unter den Bedingungen optimaler Anpassung an Markt- und/oder Kundenbedürfnisse. Werden Organisationen systemisch betrachtet, dann spricht man von Kontrollparametern, die dem Management als Steuerungsinstrumente zur Verfügung stehen müssen. Haken und Schiepeck (2006) nennen zur optimalen Systemsteuerung von Organisationen die folgenden Kontrollparameter:

Motivation Ressourcen Wissen Produktivkräfte

Veränderungen können nur bewirkt werden, wenn die Verfügbarkeit über die Kontrollparameter gegeben ist. Dies ist besonders beim Kontrollparameter „Wissen“ ganz entscheidend. Denn die Verfügbarkeit von Wissen steigert die Motivation der Mitarbeitenden. Wissen ist eine teilbare Ressource und gilt in unserer Wissensgesellschaft als wichtige Produktionskraft. Die Wichtigkeit von Wissen zeigt sich auch darin, dass die Kommunikationsdichte in einem Unternehmen, ein Indiz für seine Produktivität ist. Es ist demnach Aufgabe des Managements, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Wissen als Produktionsfaktor einen hohen Stellenwert einräumt. Es muss auch betont werden, dass eine Neubewertung von Wissen, wie ich sie hier vorschlage, sehr geringe Investitionskosten verursacht. Einzig eine moderne Informatik ist notwendig. Hingegen ist die Implementierung einer Wissenskultur eine Führungsaufgabe, die nicht mit Geld zu bewerkstelligen ist, sondern erfordert eine hohe Sozialkompetenz des Managements.

45

Page 46: HRMD 46 Wissensmanagement (Koerdt Alexander)

Wissensmanagement und WissenstransferAlles, was Sie immer schon über Wissen wissen wolltenUntertitel

„Wenn wir wüssten, was wir wissen, wären wir wesentlich effektiver.“

Die technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben zu einer wahren Informationsflut geführt. Immer mehr Unternehmen sind sich heute bewusst, dass nicht nur die durchdachte Organisation dokumentgebundener Informationen, sondern auch des personengebundenen Wissens einen bedeutenden Beitrag zur Effizienzsteigerung leistet.

Wie kann man nun das Wissen der einzelnen Mitarbeitenden sammeln und dem gesamten Unternehmen zur Verfügung stellen? Anhand von Fragebögen, verschiedenen praktischen Methoden und Vorgehensweisen zeigt das vorliegende HRM-Dossier Wege auf, die zu diesem Ziel führen können. Ein besonderes Augenmerk wird zudem auf die Mitarbeiterfluktuation geworfen, die ein grosses Risiko des Wissensverlusts mit sich bringt. Ein geschicktes Wissensmanagement kann dieses jedoch abschwächen und die Qualität des Organisationswissens verbessern.

Dieses HRM-Dossier führt den Leser von unterschiedlichen Studien, welche die Bedeutung des Wissensmanagement anschaulich darstellen, über Modelle und Theorien hin zu praxiserprobten Strategien des Wissensmanagements in Organisationen.

Das HRM-Dossier ist ein Konzentrat von Fachinformationen für Personal- und Ausbildungsfachleute. Jede Ausgabe behandelt ein ausgewähltes Thema ausführlich.

Das HRM-Dossier erscheint quartalsweise und ist bei SPEKTRAmedia bzw. jobindex media ag im Abonnement mit dem HRM-Journal "HR-TODAY“ oder als Einzelexemplar erhältlich.

SPEKTRAmedia, Albisriederstr. 252, CH-8047 Zürich; jobindex media ag, Samariterstr. 7, CH-8032 Zürich

46