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Haiti - Jahresbericht 2019 - Teil 1 Emmauskurse in der Dominikanischen Republik (von Mark Schibli) Wie schon in den vergangenen Jahren hieß auch Ende November 2018 die erste Etappe meiner Reise Cabarete bei Puerto Plata, im Norden der Dominikanischen Republik. Ich verbrachte ein verlängertes Wochenende (29.11.-2.12.2018) bei Wilnick und Herline Antenor und freute mich über die Gemeinschaft mit ihnen und den Geschwistern der örtlichen Gemeinde. Zu einer kleinen Emmaus Mitarbeiter-Konferenz waren am Samstag außerdem etwa 30 Geschwister aus einem Umkreis von 100 km angereist. „Haitiano!“ - ein spanisches Schimpfwort Nachdem im Jahr 1804 die siegreichen Sklaven Haitis ihren Triumph über die französische Kolonialmacht mit der Niederschrift ihrer Verfassung besiegelt hatten, wollten sie auch den östlichen Teil der Insel, die heutige Dominikani- sche Republik, erobern. Nach anfäng- lichen Erfolgen und dem Versuch, die ganze Insel Hispaniola zu einem ver- einten freien Königreich zu machen, kam es zwischen den Nachbarvölkern zu Streit. Der Ostteil kam wieder unter spanische Herrschaft und erlangte erst 1865 die staatliche Unabhängigkeit. Seither leben die beiden Inselnachbarn in ständiger latenter Spannung nebeneinander. Während die Ent- wicklung des Tourismus in der DomRep zu einem gewissen allgemeinen Wohlstand geführt hat, ging es in Haiti besonders seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts nur noch bergab. Jedes der beiden Länder zählt heute etwas mehr als 10 Millionen Einwohner. Doch das Bruttosozialprodukt in der DomRep ist neun- mal höher als in Haiti, und in der UNO-Entwicklungsstatistik liegt die DomRep auf Rang 80, Haiti auf Rang 173. Dieses wirtschaftliche Gefälle führt zu vielen haitianischen Arbeitsmigranten, die - wenn nötig illegal über die 300 km lange grüne Grenze - ins Nachbarland auswandern, um dort zu überleben. Schlechte Bildung, keine Spanischkenntnisse sowie die dunklere Hautfarbe der Haitianer bilden den Nährboden für ein Über- legenheitsgefühl seitens vieler Dominikaner, das sich nicht selten in offenem Rassismus entlädt. „Haitiano“ ist in ihrem Sprachgebrauch ein verächtliches Schimpfwort für einen wertlosen Taugenichts. Die Edelsteine auf Brust und Schulter des Hohepriesters Als Wilnick Antenor vor einigen Jahren durch die Emmaus-Kurse den Reichtum von Gottes Wort entdeckte, entschied er sich, seine Kraft und Zeit dafür einzu- setzen, diesen Schatz mit seinen Lands- leuten zu teilen. Fast alle der ca. 1 Million Haitianer in der DomRep sind irgendwie christlich aber gleichzeitig durch den Voo- doo auch animistisch geprägt. Die aller- wenigsten besitzen eine Bibel, auch wenn sie Kreolisch lesen können. In ihren Ge- meinden geht es bei lauter Musik in der Regel um Heilung, Befreiung von Dämo- nen und um das Erbitten von Wohlstand. Wilnick fing an, diese Gemeinden zu besuchen und den Anwesenden in seiner offenen aber nicht aufdringlichen Art über die kreolischen Emmauskurse ein ko- stenloses Bibelstudium anzubieten. Das Echo war unerwartet groß und das Interesse hält an, nun schon über vier Jahre. Die Arbeit wächst. Zu einer eintägigen Mitarbeiter-Konferenz kamen 30 Teilnehmer, alles Korrekteure und Bibelcenter-Leiter aus einem Umkreis von rund 100 km. Ich war überwältigt, ihr Interesse und ihre Freude mitzuerleben. Niemand war verbittert oder beklagte sich, weil er in der DomRep nur als „Haitiano“ gilt. Niemand beschwerte sich über ungerechte Behandlung, schlechte Arbeitsbedingungen, oder Verachtung von Seiten der Bürger seines Gastlandes. Ich bin überzeugt, dass viele von ihnen verstanden haben, dass die ewigen Verheißun- gen und die geistlichen Segnungen, die der Glaubende in Christus findet, ein „über die Maßen über- Emmaus Mitarbeiter-Konferenz in Cabarete. Die Arbeit wächst.

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Haiti - Jahresbericht 2019 - Teil 1

Emmauskurse in der Dominikanischen Republik (von Mark Schibli)

Wie schon in den vergangenen Jahren hieß auch Ende November 2018 die erste Etappe meiner Reise Cabarete bei Puerto Plata, im Norden der Dominikanischen Republik. Ich verbrachte ein verlängertes Wochenende (29.11.-2.12.2018) bei Wilnick und Herline Antenor und freute mich über die Gemeinschaft mit ihnen und den Geschwistern der örtlichen Gemeinde. Zu einer kleinen Emmaus Mitarbeiter-Konferenz waren am Samstag außerdem etwa 30 Geschwister aus einem Umkreis von 100 km angereist.

„Haitiano!“ - ein spanisches SchimpfwortNachdem im Jahr 1804 die siegreichenSklaven Haitis ihren Triumph über diefranzösische Kolonialmacht mit derNiederschrift ihrer Verfassung besiegelthatten, wollten sie auch den östlichenTeil der Insel, die heutige Dominikani-sche Republik, erobern. Nach anfäng-lichen Erfolgen und dem Versuch, dieganze Insel Hispaniola zu einem ver-einten freien Königreich zu machen,kam es zwischen den Nachbarvölkernzu Streit. Der Ostteil kam wieder unterspanische Herrschaft und erlangte erst1865 die staatliche Unabhängigkeit.Seither leben die beiden Inselnachbarn in ständiger latenter Spannung nebeneinander. Während die Ent-wicklung des Tourismus in der DomRep zu einem gewissen allgemeinen Wohlstand geführt hat, ging es in Haiti besonders seit den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts nur noch bergab. Jedes der beiden Länder zählt heute etwas mehr als 10 Millionen Einwohner. Doch das Bruttosozialprodukt in der DomRep ist neun-mal höher als in Haiti, und in der UNO-Entwicklungsstatistik liegt die DomRep auf Rang 80, Haiti auf Rang 173.Dieses wirtschaftliche Gefälle führt zu vielen haitianischen Arbeitsmigranten, die - wenn nötig illegal überdie 300 km lange grüne Grenze - ins Nachbarland auswandern, um dort zu überleben. Schlechte Bildung, keine Spanischkenntnisse sowie die dunklere Hautfarbe der Haitianer bilden den Nährboden für ein Über-legenheitsgefühl seitens vieler Dominikaner, das sich nicht selten in offenem Rassismus entlädt. „Haitiano“ ist in ihrem Sprachgebrauch ein verächtliches Schimpfwort für einen wertlosen Taugenichts.

Die Edelsteine auf Brust und Schulter des Hohepriesters Als Wilnick Antenor vor einigen Jahrendurch die Emmaus-Kurse den Reichtumvon Gottes Wort entdeckte, entschied ersich, seine Kraft und Zeit dafür einzu-setzen, diesen Schatz mit seinen Lands-leuten zu teilen. Fast alle der ca. 1 MillionHaitianer in der DomRep sind irgendwiechristlich aber gleichzeitig durch den Voo-doo auch animistisch geprägt. Die aller-wenigsten besitzen eine Bibel, auch wennsie Kreolisch lesen können. In ihren Ge-meinden geht es bei lauter Musik in derRegel um Heilung, Befreiung von Dämo-nen und um das Erbitten von Wohlstand.

Wilnick fing an, diese Gemeinden zubesuchen und den Anwesenden in seineroffenen aber nicht aufdringlichen Art überdie kreolischen Emmauskurse ein ko-stenloses Bibelstudium anzubieten. DasEcho war unerwartet groß und das Interesse hält an, nun schon über vier Jahre. Die Arbeit wächst. Zu einer eintägigen Mitarbeiter-Konferenz kamen 30 Teilnehmer, alles Korrekteure und Bibelcenter-Leiter aus einem Umkreis von rund 100 km. Ich war überwältigt, ihr Interesse und ihre Freude mitzuerleben. Niemandwar verbittert oder beklagte sich, weil er in der DomRep nur als „Haitiano“ gilt. Niemand beschwerte sich über ungerechte Behandlung, schlechte Arbeitsbedingungen, oder Verachtung von Seiten der Bürger seines Gastlandes. Ich bin überzeugt, dass viele von ihnen verstanden haben, dass die ewigen Verheißun-gen und die geistlichen Segnungen, die der Glaubende in Christus findet, ein „über die Maßen über-

Emmaus Mitarbeiter-Konferenz in Cabarete. Die Arbeit wächst.

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schwengliches, ewiges Gewicht von Herr-lichkeit“ (2Kor 4,17) bedeutet, und dass„die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind,damit verglichen zu werden“ (Röm 8,18).Im Jahr 2019 werden wir aller Voraussichtnach endlich eine vollständige Serie von12 kreolischen Kursen und damit das klei-ne Diplom anbieten können. Das wird derArbeit zusätzlichen Auftrieb geben und dieEmmaus-Studenten noch mehr motivie-ren.

In der örtlichen Gemeinde in Cabarete,die durch den Dienst von Wilnick entstan-den ist, liegt alles Gewicht bewusst aufder Verkündigung des Wortes Gottes.Gesang und Anbetung beim wöchentli-chen Abendmahl werden absichtlichschlicht gehalten, ohne laute Musik undunnötige elektrische Verstärkung. Es istWilnick und den Geschwistern der Ge-meinde ein Anliegen, zu zeigen, dassgeistliches Wachstum und die Freude im Herrn im Glauben verstanden und erfasst werden müssen.

Beim Brotbrechen am Sonntagmorgen las ein Bruder aus 2. Mose 28,9-21. Es ging um die Namen der zwölf Söhne Israels, die auf den zwei Onyxsteinen auf den Schultern des Hohepriesters und auf den zwölf Edelsteinen des Brustschilds standen. Wir erinnerten uns daran, dass der Herr Jesus, unser Hohepriester, die Seinen mit der Kraft seiner Schultern trägt und sie mit der Liebe seines Herzens liebt. Vielen deutschenChristen ist diese herrliche Wahrheit bekannt und vielleicht auch ein Grund zu tiefer Freude und Dankbar-keit. Wie viel tröstlicher noch muss sie für einen Haitianer sein, dessen Volk in der UNO-Entwicklungssta-tistik auf Platz 173 liegt und der außerdem in einem fremden Land lebt, wo er zur untersten Gesellschafts-schicht gehört. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Besuch bei meinen Geschwistern in Cabarete, um diesen Kontrast mit ihnen zu genießen.

Helene Fischer oder Voodoo-Trommeln - unddie Frage nach dem kleineren ÜbelIn Cabarete reiht sich ein Hotel an das andere. Oft siehtman nicht mehr ganz so junge Männer aus Deutschland,Holland oder anderen westlichen Nationen. Sie kommenalleine, um mit jungen Dominikanerinnen ihren Urlaub zuverbringen. Der Tourismus hat auch seine Schattenseiten.Als ich in meiner Unterkunft im Bett liege, dringt aus einernahen Diskothek Musik an meine Ohren. Es ist der übli-che nächtliche Lärmpegel, den ich auch aus Afrika undHaiti gewohnt bin. Ich schlafe trotzdem gut. Doch um dreiUhr morgens wird es unerträglich. Aus den Boxen dröhntHelene Fischer mit „Atemlos durch die Nacht“, und der DJdreht zu Ehren der vielen deutschen Männer besonderslaut auf. Es erinnert mich an die Voodoo-Trommeln inHaiti, die mir auch schon oft den Schlaf geraubt haben.Und ich frage mich, ob der materielle Segen in derDomRep wirklich als solcher bezeichnet werden kann.Was ist schlimmer: Sex-Tourismus oder Okkultismus? Einakuter Bedarf für das Evangelium besteht offensichtlich inbeiden Ländern.

Brüdergemeinde in Cabarete. Kleine Herde mit großer Wirkung.

Wilnick mit Herline und Sohn Nickerby