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For internal use only Praktische Dermatologie derm (15) 2009 1 G. Tchernev, Maria Susana Dagatti, Margaritha Apostolova, D. Trebing, H. D. Göring, C. Zouboulis Zusammenfassung Die pathogenetischen Ketten, die sich an der Induktion von Lichen ruber pla- nus und seinen Unterformen beteili- gen, sind Gegenstand lebhafter Dis- kussionen, und bis heute ist keine defi- nitive Lösung gefunden worden. Die immunologische pathogenetische Kas- kade, die die typischen lichenoiden Infiltrate bedingt, schließt sowohl die Aktivierung von CD4 + - und CD8 + -T- Zellen als auch die Sekretion von Gam- ma-Interferon und die Expression von interzellulärem Adhäsionsmolekül (ICAM)-1 und Fas Ligand (FAS-L) durch die Keratinozyten in der epider- malen Hautschicht ein. Die danach ausgelöste T-Zellen-mediierte Apopto- sereaktion induziert die typische klini- sche Morphologie des Lichen ruber planus mit den charakteristischen polygonalen, violetten, zum Teil auch konfluierenden Papeln. Das unterschiedliche klinisch-morpho- logische Korrelat bei Patienten mit histologisch nachgewiesenem Lichen ruber planus dürfte wahrscheinlich als mögliches alarmierendes Signal für eventuelle Störungen in der Gewebe- homöostase der Patienten gedeutet werden. In dieser Übersichtsarbeit wird die Hy- pothese in den Raum gestellt, dass die Entwicklung der unterschiedlichen Formen von Lichen ruber planus das Endergebnis der Erscheinung »Mole- cular Mimicry« sein könnte, die im Rahmen der gestörten inneren Ho- möostase oder einer nicht adäquat durchgeführten systemischen/lokalen Therapie entsteht. Die rezidivierenden Infektionen und die Multimedikation bei bestimmten Patienten könnten eventuell als mögliche Ursachen für die Initiierung einer Immunantwort auf hautlokalisierte Antigene dienen, die morphologisch bestimmte bakterielle, pilzähnliche, virale oder medikamen- töse Strukturelemente imitieren kön- nen. Im Rahmen der primären destruktiven Entzündungsreaktion tritt eine Demas- kierung von Proteinen im Bereich der betroffenen Hautareale auf und indirekt werden Voraussetzungen zur Erweite- rung der Immunantwort im Sinne der Epitopen-Erweiterung (»Epitope Sprea- ding«) hervorgerufen. Dies könnte ebenfalls zur Entwicklung eines hetero- genen klinischen Bilds bei den Patien- ten beitragen. Lichen ruber planus scheint eine Erkrankung mit vielen Gesichtern zu sein. Einleitung Die Literaturangaben, die sowohl eine genaue Erklärung für die Pathogenese des Lichen ruber planus als auch für sei- nen Übergang in seltenere Formen wie zum Beispiel das Graham-Lassueur-Pic- cardi-Little-Syndrom (GLPLS) geben, sind dürftig bis fehlend (13, 14). Die Erkrankungsevolution variiert erheb- lich, wobei die Gründe dafür bis jetzt unerkannt blieben. Es ist nicht obligat, dass die Symptome unterschiedlicher lichenoider Formen gleichzeitig entste- hen (12). Bestimmte Patienten entwi- ckeln einen Lichen ruber planus (Abb. 1), andere zum Beispiel einen Lichen nitidus (Abb. 2), ohne dass es dafür »Molecular Mimicry«, Lichen ruber planus und die »Dermatologic Masquerade« Abb. 1: Typisches Aussehen eines Patienten mit Lichen ruber planus – violette, teilweise konfluierende, untereinander liegende Papeln im medialen Bereich der distalen Unter- armregion. Es kann ein Drogenkonsum oder Medikamentenmissbrauch begleitend vor- liegen (bei genetischer Prädisposition), der zu einer Verletzung der Integrität der inneren Homöostase führen kann (»Molecular Mimicry«)

„Molecular Mimicry“, Lichen ruber planus und die „ Dermatologic Masquerade“

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Praktische Dermatologie

derm (15) 2009 1

G. Tchernev, Maria Susana Dagatti,Margaritha Apostolova, D. Trebing,H. D. Göring, C. Zouboulis

ZusammenfassungDie pathogenetischen Ketten, die sichan der Induktion von Lichen ruber pla-nus und seinen Unterformen beteili-gen, sind Gegenstand lebhafter Dis-kussionen, und bis heute ist keine defi-nitive Lösung gefunden worden. Dieimmunologische pathogenetische Kas-kade, die die typischen lichenoidenInfiltrate bedingt, schließt sowohl dieAktivierung von CD4+- und CD8+-T-Zellen als auch die Sekretion von Gam-ma-Interferon und die Expressionvon interzellulärem Adhäsionsmolekül(ICAM)-1 und Fas Ligand (FAS-L)durch die Keratinozyten in der epider-malen Hautschicht ein. Die danachausgelöste T-Zellen-mediierte Apopto-sereaktion induziert die typische klini-sche Morphologie des Lichen ruberplanus mit den charakteristischenpolygonalen, violetten, zum Teil auchkonfluierenden Papeln.

Das unterschiedliche klinisch-morpho-logische Korrelat bei Patienten mithistologisch nachgewiesenem Lichenruber planus dürfte wahrscheinlich alsmögliches alarmierendes Signal füreventuelle Störungen in der Gewebe-homöostase der Patienten gedeutetwerden.

In dieser Übersichtsarbeit wird die Hy-pothese in den Raum gestellt, dass dieEntwicklung der unterschiedlichenFormen von Lichen ruber planus dasEndergebnis der Erscheinung »Mole-cular Mimicry« sein könnte, die imRahmen der gestörten inneren Ho-möostase oder einer nicht adäquatdurchgeführten systemischen/lokalen

Therapie entsteht. Die rezidivierendenInfektionen und die Multimedikationbei bestimmten Patienten könnteneventuell als mögliche Ursachen für dieInitiierung einer Immunantwort aufhautlokalisierte Antigene dienen, diemorphologisch bestimmte bakterielle,pilzähnliche, virale oder medikamen-töse Strukturelemente imitieren kön-nen.

Im Rahmen der primären destruktivenEntzündungsreaktion tritt eine Demas-kierung von Proteinen im Bereich derbetroffenen Hautareale auf und indirektwerden Voraussetzungen zur Erweite-rung der Immunantwort im Sinne derEpitopen-Erweiterung (»Epitope Sprea-ding«) hervorgerufen. Dies könnteebenfalls zur Entwicklung eines hetero-genen klinischen Bilds bei den Patien-ten beitragen. Lichen ruber planus

scheint eine Erkrankung mit vielenGesichtern zu sein.

EinleitungDie Literaturangaben, die sowohl einegenaue Erklärung für die Pathogenesedes Lichen ruber planus als auch für sei-nen Übergang in seltenere Formen wiezum Beispiel das Graham-Lassueur-Pic-cardi-Little-Syndrom (GLPLS) geben,sind dürftig bis fehlend (13, 14). DieErkrankungsevolution variiert erheb-lich, wobei die Gründe dafür bis jetztunerkannt blieben. Es ist nicht obligat,dass die Symptome unterschiedlicherlichenoider Formen gleichzeitig entste-hen (12). Bestimmte Patienten entwi-ckeln einen Lichen ruber planus (Abb.1), andere zum Beispiel einen Lichennitidus (Abb. 2), ohne dass es dafür

»Molecular Mimicry«, Lichen ruber planusund die »Dermatologic Masquerade«

Abb. 1: Typisches Aussehen eines Patienten mit Lichen ruber planus – violette, teilweisekonfluierende, untereinander liegende Papeln im medialen Bereich der distalen Unter-armregion. Es kann ein Drogenkonsum oder Medikamentenmissbrauch begleitend vor-liegen (bei genetischer Prädisposition), der zu einer Verletzung der Integrität der innerenHomöostase führen kann (»Molecular Mimicry«)

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eine logische beziehungsweise plausibleErklärung gibt (12).

Es scheint der Fall zu sein, dass die Mor-phologie von Lichen ruber planus weit-gehend von der Störungen der innerenHomöostase abhängig sei (12). Bei eini-gen Patienten sind die typischen poly-gonalen Papeln zu beobachten, wobeisie bei anderen eine Rarität darstellen(Abb. 1 u. 2) (3, 12). Unklar ist eben-

falls, aus welchem Grund einzelne Pa-tienten initial ulzerative Läsionen imSchleimhautbereich entwickeln, wobeisich nur bei einem kleinen Teil auchHautläsionen entwickeln (Abb. 3a u. b).Inwieweit der genetische Hintergrunddafür veranwortlich sei, ist unklar.

»Molecular Mimicry« könnte wahr-scheinlich als möglicher pathogeneti-scher Induktor bei den lichenoiden

Dermatosen dienen (12–14). Ebensokann sie auch als Hauptgrund bei derEvolution der Erkrankung (bei einzel-nen Patienten) zu den ulzerativen,exanthematischen und follikulärenFormen, wie zum Beispiel GLPLS(Abb. 4a–e) betrachtet werden (13).

Inwieweit Änderungen im psychischenZustand der Patienten mit einer Ände-rung des hormonalen und auch desZytokinprofils begleitet werden, ist un-klar. In der Literatur fehlen die An-gaben, die der erwähnten Abhängig-keit beziehungsweise Hypothese undihrer Signifikanz auf die Spur kommen(3, 4). Die Evolution der Erkrankung ineinigen ihrer Unterformen ist wahr-scheinlich multifaktoriell bedingt.Die phänotypische Manifestation isthöchstwahrscheinlich – zumindestdurch die Störungen der innerenHomöostase – mitgetriggert.

Bekannte pathogenetischeAspekte – immer noch aktuell?Die familiäre Genese des Lichen ruberplanus ist gut bekannt, aber auch eini-germaßen umstritten. Vermutet wirdein Zusammenhang mit bestimmtenhumanen Leukozyten Antigen (HLA)-Phänotypen, die bei einem hohemProzentsatz der erkrankten Personenaber nicht nachzuweisen sind (3, 4,12). Die Assoziation der lichenoidenDermatosen mit Autoimmunerkran-kungen wie Dermatomyositis, Lupuserythematodes, Vitiligo, chronisch ul-zeröser Kolitis, Alopezia areata, primä-rer biliärer Zirrhose und Diabetes mel-litus sind in der Literatur beschriebenworden. Dies ist sicherlich ein Beweisdafür, dass Kreuzreaktionen im Körpereine nicht unwichtige Rolle für die phä-notypische Manifestation der Erkran-kung spielen (3, 7). Ihr Zusammen-hang mit der molekularen Pathogenesedes Lichen ruber ist aber noch nichtgut begründet und erforscht (12, 16).

Laut einiger Autoren scheinen alle dreiKomponenten des Immunsystems beiPatienten mit Lichen ruber planus(LRP) (humorale, T-Zell-vermittelte Im-

Abb. 2: Ein Patient mit lichenoiden Papeln, symmetrisch angeordnet im Gesichts- undKinnbereich. Ein Teil der Papeln zeigt die Tendenz zum endophytischen Wachstum undwird nicht selten mit einem Lupus disseminatus miliaris et faciei oder mit einer granulo-matösen Form von Rosazea/lupoiden Rosazea verwechselt. Die histologische Untersu-chung ist in diesen Fällen obligat. In differenzialdiagnostischer Hinsicht sollte auch an einepapulöse Syphilis gedacht werden

Abb. 3a und b: Typische Wickham’sche Streifen (Streifen im Bereich der bukalen Schleim-haut) eines Patienten mit Lichen ruber planus. Multimedikation, Multimorbidität als mög-liche Trigger der »Molecular Mimicry«

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munität und Phagozytose) dysreguliertworden zu sein. Die Änderung in derfunktionellen Aktivität der Phagozytenmanifestiert sich in einer herabgesetzenPhagozytoseaktivität der peripherenMonozyten gegenüber Staphylococcusaureus sowie in einer erhöhten Produk-tion beziehungsweise Freisetzung akti-ver Sauerstoff-Formen im Rahmen derPhagozytose (14). Das scheint die Per-sistenz der Foci zu fördern und dieImmunantwort noch zu erweitern.

Unterschiede in der humoralen Immu-nität können bei manchen Patientenauch zu einer Erhöhung im Serum-IgGund -IgA führen. Gleichzeitig wurdeeine verstärkte T-Zell-mediierte Reak-tion eruiert, bedingt durch CD4+- undCD8+-positive T-Lymphozyten. Interes-sant ist die Tatsache, dass die funktio-

nelle Aktivität von den T-Lymphozytengegenüber Phytohämagglutinin eben-so herabgesetzt sein kann (14).

Sinnvoll wäre es, in diesen Fällen dieImmunität bei allen Patienten mitLichen ruber planus (Lymphozyten-Subpopulationen, Transformations-test, B-Zell-Immunität, Neutrophilen-Stimulationstest etc.) zu überprüfen.Das würde wertvolle Informationen lie-fern, inwieweit und durch welcheMikroorganismen der menschlicheKörper gefährdet wird. Prophylakti-sche Impfungen können vorbeugendwirken und die »Molecular Mimicry«zumindest begrenzen.

Die primären T-Zell-Infiltrate in dendurch Lichen ruber planus betroffenenHautarealen bestehen initial aus CD4+-

und später auch aus CD8+-T-Lympho-zyten (Abb. 8) (3). Die Reihenfolge derInfiltrate ist unklar und spricht für eineÄnderung der Immunantwort im Rah-men der Evolution der Krankheit (4). Esfolgt eine Aktivierung der Keratino-zyten sowie die Sekretion von proin-flammatorischen Zytokinen. Im An-schluss daran ist eine Aktivierung derLangerhans-Zellen der Haut zu eru-ieren. Durch verschiedene Methodenkonnte auch die Beteiligung der autore-aktiven T-Lymphozyten Th-1, die Inter-feron-Gamma absondern, festgestelltwerden. Interferon-Gamma induziertsowohl die Expression des HLA-DR, alsauch des ICAM-1 und FAS-L-Rezeptorsin den Keratinozyten (12). HLA- DR istimstande, zusätzlich die T-Zell- medi-ierte Antwort zu potenzieren. ICAM-1ist für die Verbindung mit dem »lym-

Abb. 4a–e: a) Ein Patient mit sekundär entstandener Form von GLPLS. Zikatrisierende Alopezie mit parietookzipitaler Lokalisation.Sowohl die Multimedikation der Patienten mit dieser schweren Form des Lichen ruber planus als auch die häufigen Infektionen sind ver-mutlich als mögliche Ursache für die Erweiterung der Immunantwort (Epitopen-Erweiterung?) anzunehmen. b) Follikuläre Form desLichen ruber (Lichen ruber follicularis), entstanden Jahre nach dem typischen Bild mit den polygonalen violetten Papeln. Keratosis pilla-ris und follikuläres Ekzem sind klinisch nicht immer leicht abzugrenzen. c) Lichen ruber erosivus auf dem Bereich der Übergangs-schleimhäute, der eine klinisch erosive Form eines Spinalioms auf den Lippen nachahmt. Multimedikation und Systemerkrankungen beidem Patienten waren ebenfalls zu eruieren. d) Lichen ruber exanthematicus bei einer Patientin, die zu einem späteren Zeitpunkt die sel-tene Form eines GLPLS entwickelte. e) Ulzerative schwere Form eines Patienten mit Lichen ruber planus

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phocyte function-associated« (LFA)-1-Protein verantwortlich (3, 12). DasEndergebnis der beschriebenen Inter-aktionen führt zur Aktivierung derApoptose mittels autoreaktiver T-Zellenund die Expression des FAS-Ligandenauf deren Oberfläche (12).

Die membranschädigenden Perforinespielen im weiteren Verlauf der Erkran-kung ebenso eine wichtige Rolle, näm-lich in der Schlussetappe der immuno-logischen Kaskade (12).

Bis jetzt blieb es für eine große Zahlvon Dermatologen unklar, ob die Stö-rungen der inneren Homöostase alseventueller pathogenetischen Induktorinterpretiert werden sollen oder obihre gleichzeitige beziehungsweise pa-rallele Diagnostizierung eine rein zufäl-lige Assoziation ist (16).

Die bereits erwähnten Molekular-In-teraktionen – die gut bekannt sind –gelten als führendes Glied in der Pa-thogenese der Krankheit, klären aberden pathogenetischen Hintergrundnicht (12). Deshalb sind diese Prozessefür den praktischen Dermatologeneher von zweitrangiger Bedeutung.

Obwohl apoptotische Vorgänge an derPathogenese der Erkrankungen beteiligtzu sein scheinen, ist diese Tatsache fürden klinisch orientierten Dermatologeneher unbedeutend. Ziel des Dermato-logen ist und soll sein, dass es zu die-ser Endkaskade (von aktivierten T-Zel-len, B-Zellen, Mediatoren, pro- undanti-apoptotischen Proteinen mit demEndergebnis der Apoptose) gar nichtkommt. Die frühzeitige Prävention imRahmen der Berufsdermatologie unddes »klinisch orientierten Denkens«kann durch Schulung und Aufklärungwahrscheinlich mehr für die Patientenvollbringen als die »hochrangige For-schung« in spezialisierten Laboratorienund Arbeitsgruppen (12). Viele Kolle-gen legten in den letzten Jahren großenWert auf die Bestimmung solcher Mole-kular-Parameter.

Die Anamnese der Patienten mit Li-chen ruber planus oder Unterformen

enthält nicht selten Auskunft überschwere, in der nahen Vergangenheiterlebte psychische Traumata undStresszustände. Wahrscheinlich sinddiese Zustände von Änderungen so-wohl in dem hormonalen als auch indem immunologischen Status der Pa-tienten begleitet. Für diesen Umstandspricht die Tatsache, dass die Vermei-dung der Stresssituationen und derWechsel der Ortslage des Patienten inbestimmten Fällen zur vollständigenRemission der Erkrankung führenkann (3).

»Molecular Mimicry«als Schlüsselfaktorin der Pathogenesedes Lichen ruber planusUnter dem Begriff »Molecular Mi-micry« ist das Aktivieren der T- oder B-Zell-Immunität gegenüber bestimmtenhautlokalisierten Antigenen zu verste-hen, die ähnlich oder analog der exogeneingeführten oder der sekundär endo-gen entstandenen angesehen werdenkönnen (15). Die unterschiedlichenbakteriellen, viralen und parasitärenInfektionen, wie auch die neu eingesetz-te Medikation, führen zu Störungen inder inneren Homöostase der betroffe-nen Individuen und dies kann eine im-munologische Antwort auslösen (15,16). Vermutet wird allgemein, dass dieoben erwähnten Faktoren auch alsHauptgeneratoren der nachfolgendenImmunantwort anzusehen sind. Inte-ressant ist die Tatsache, dass medika-mentöse und bakterielle sowie viraleAgenten eine »Molecular Mimicry«direkt oder indirekt hervorrufen kön-nen (12).

Im Rahmen einer viralen Hepatitis trittzum Beispiel eine primäre Metaplasieder Hepatozyten ein, die zu einer se-kundären T-Zell-mediierten Immunant-wort führt. Die Kreuzreaktion, die ini-tial durch die T-Lymphozyten vertretenwird, greift die Haut an und ist imstan-de, eine lichenoide Reaktion mit unter-schiedlicher Morphologie zu bewirken(13, 14). Die letzte ist ein lehrreiches

Beispiel für sekundäre »Molecular Mi-micry« mit primärem exogenen be-ziehungsweise viralem Charakter.

Es ist interessant, dass die Impfunggegen Hepatitis B ebenfalls eine Im-munantwort initiieren kann, ohne dasseine Hepatozytenmetaplasie auftretenmuss (1, 3, 5). Das Letztere spricht füreine »Molecular Mimicry« mit pri-märem exogenen Charakter und istleichter therapeutisch zu beeinflussen(12).

Wahrscheinlich bestimmen die Unter-schiede in der Virulenz der Hepatitisvi-ren, inwieweit eine direkte oder indirek-te, sekundär-induzierte »Molecular Mi-micry« auftreten kann (12). Wenn eszum Beispiel Hepatitis-Viren mit abge-schwächter Immunogenität oder mitverminderter Virulenz sind, sollte dieHautreaktion schwächer sein. In diesemFall ist auch die Behandlung leichterund die klinischen Ergebnisse sindbereits nach kurzer Zeit zu eruieren.

Aus dem dargestellten Beispiel wird dieRolle des klinisch-orientiert denkendenDermatologen immer deutlicher. Esscheint der Fall zu sein, dass durch einegenaue Anamnese und orientierendeBlutentnahme diese wichtigen Punkteschnell zu klären sind. Dementspre-chend kann auch – je nach Bedarf –eine weniger belastende Therapie ein-geleitet werden. Von dem beschriebe-nen Vorgehen profitieren vor allem diePatienten.

Die Bestimmung der Immunkaskadenim Gewebe und im Körper bei Patien-ten mit Lichen ruber planus und ande-ren Immunopathien mit Hautbeteili-gung hat sich als nicht sehr Erfolg ver-sprechend erwiesen. Die Anwendungvon Biologics (z.B. bei bullösen Derma-tosen und Lichen ruber pemphigoides),die die Immunkaskade unterbrechen,nicht aber die Erkrankung selbst, wurdedurch viele Kollegen als eine »neueÄra« in der Dermatologie beschrieben.Anderen Angaben nach ist diese Thera-pieart aber eher als kritisch zu be-zeichnen und darf nicht das praktischeDenken des Dermatologen ersetzen.

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Die Elimination der entsprechenden Fo-ci, sei es mit bakteriellem, viralem, para-sitärem oder medikamentösem Cha-rakter, ist in den meisten Fällen möglichund – hypothetisch gesehen – könntedies zu einer Remission oder dauerhaf-ten Heilung der Krankheit beitragen (9,11, 12). Dann würde die Immunkaska-de gar nicht erst entstehen.

Ein wichtiger Beitrag im Rahmen dieserÜberlegung wäre selbstverständlich au-ßer der Beseitigung des pathogenen In-duktors auch die Einführung einer »ag-gressiven« initialen Therapie. Somitwird die Proteinsynthese von T-Zell-Klonen und Autoantikörpern aus demGedächtnis der Immunität dauerhaft»weggewischt« und gleichzeitig werdenVoraussetzungen zur Stabilisierung derinneren Homöostase geschaffen. Beilängerem Persistieren der Induktorender »Molecular Mimicry« sinkt auchdie Wahrscheinlichkeit einer vollständi-gen Remission – selbst bei intensiverlokaler und systemischer Therapie (11,12). Grund dafür sind die irreversiblenmorphologischen Veränderungen imKörper, die durch die längere Persistenzder Foci entstehen. Der Selbstzerstö-rungsmechanismus läuft weiter. Dem-entsprechend wird die Aktivierung undPersistenz bestimmter T-Zellen schwerkontrollierbar und unweigerlich wächstder Bedarf an höheren Dosen von Kor-tikosteroiden (11, 12). Damit wächst dieGefahr von Selektion maligner Tumor-zellen jeglicher Genese und der Infekt-anfälligkeit selbst. Somit wird durchdiese zwei Schienen erneut die »Mole-cular Mimicry« potenziert.

Sollten die Induktoren einer »Molecu-lar Mimicry« bei Lichen ruber planusnicht frühzeitig identifiziert werdenund sei es der Fall, dass diese Indukto-ren bakteriellen, viralen oder parasitä-ren Charakters sind, würde die Durch-führung einer immunsuppressiven The-rapie nur kurzfristige Vorteile für diePatienten bringen. Diese Überlegungendürfen vom praktischen Dermatologennicht vergessen werden.

Der Wechsel der Medikation kann die»Molecular Mimicry« und den Selbst-

zerstörungsmechanismus hinauszö-gern.

Epitopen-Erweiterung – eineErscheinung mit zweitrangigerBedeutung für die Pathogene-se des Lichen ruber planus?Die Epitopen-Erweiterung darf als»Nebeneffekt« oder »Kollateralscha-den« der »Molecular Mimicry« be-trachtet werden. Die Epitopen-Erweite-rung manifestiert sich klinisch meist,wenn die Trigger der »Molecular Mi-micry« über einen längeren Zeitraumnicht erkannt und eliminiert werden(11, 14). Aus diesem Grund stellt dieEpitopen-Erweiterung keinen führen-den pathogenetischen Faktor bei derErkrankung Lichen ruber planus dar,sondern ist eine Erscheinung, diesekundär eintritt und von zweitrangi-ger Bedeutung ist (14).

Die bullösen Formen des Lichen ruberplanus sind wahrscheinlich durch dieseErscheinung zumindest mitbedingt(16). Dasselbe gilt auch für das Over-lap-Syndrom mit bullösem Pemphigo-id – Lichen ruber pemphigoides. ImRahmen der destruierenden Entzün-dungsreaktionen bei Lichen ruber pla-nus werden immer neuere Antigene imGewebe freigesetzt, die zusätzlich eineB-Zell-mediierte Immunantwort auslö-sen (12).

Die Antigen-spezifischen Autoimmun-antworten können im Rahmen desdestruktiven inflammatorischen Pro-zesses entstehen und können durchunterschiedliche Epitopen eines Pro-teins oder Epitopen anderer Struktur-proteine (intramolekulare Epitopen-Erweiterung) bedingt sein (15). Aller-dings spielt dies für den praktischenDermatologen eher eine untergeordne-te Rolle. Die sekundären Epitopen sindversteckte Epitopen (Krypten) oderEpitopen, bei denen die immunologi-sche Reaktion später eintritt (15). Die»starken beziehungsweise stark immu-nogenen Induktoren« einer »Molecu-lar Mimicry« sind theoretisch gesehen

imstande, in kurzen Zeiträumen aucheine Epitopen-Erweiterung zu induzie-ren (12). Das Letztere führt zu derzügigen klinischen Manifestation desLichen ruber planus und von dort ausebenfalls zu der klinischen Manifesta-tion eines Overlap-Syndroms wie zumBeispiel Lichen ruber pemphigoidesoder bullösem Lichen ruber planus(12). Grund dafür ist die Tatsache, dassdie Gewebezerstörung und Epitopen-Erweiterung sehr schnell auftreten,nämlich bevor die Therapie überhaupteingeleitet wird. Leider ist es nicht klar,welche Induktoren von »MolecularMimicry« eine starke beziehungsweiseeine leichte Kreuzreaktion auslösen.

Inwieweit Infektionsagenten wie Can-dida albicans, Proteus mirabilis, Kleb-siella, Hepatitis-Viren und sonstige(Medikamente) als Initiatoren der»Molecular Mimicry«, gefolgt in selte-nen Fällen durch Epitopen-Erweite-rung, betrachtet werden können,bleibt offen (14).

Die Identifizierung neuerer antigenerDeterminanten und die Charakterisie-rung ihrer immunogenen Potenz wirddem klinischen Dermatologen erhebli-che Vorteile liefern, um das heterogeneklinische Bild bei Patienten mit Lichenruber planus klären zu können (12–14) (Abb. 5–7).

Die Deutung und die Analyse derdurch uns beschriebenen medizini-schen Hypothese wird zusätzlich durchdie Tatsache kompliziert, dass diemeisten Patienten mit Lichen ruberplanus, die wir beobachtet haben (42Personen), polymorbid waren. Ihresystemische Medikation wurde oft ge-wechselt und enthielt mindestens dreibis fünf Medikamente. Diese Medika-mente waren als Induktoren einer»Molecular Mimicry« nicht gut er-forscht (Abb. 4a–e, 6, 7).

Bei anderen dermatologischen Erkran-kungen, zum Beispiel bei bullösen Der-matosen, wird das Vorhandensein vonT-Zell-Infiltraten im betroffenen Arealfestgestellt und es wird angenommen,dass sie von sekundärer Bedeutung

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sind. Andere Literaturangaben könnendies aber nicht bestätigen (15).

Obwohl der passive Transfer von Anti-körpern bei Patienten mit bullösenDermatosen auf gesunde Personen ei-ne Blasenbildung induzieren könnte,ist das Letztere kein sicherer Beweisdafür, dass diese Autoantikörper mitdem ursprünglichen pathogenetischenInduktor gleichzusetzen sind (15).

Anhand dieser Beispiele sollte aufge-zeigt werden, dass es für den prakti-schen Dermatologen immer schwererwird, »den Faden zu finden und zuführen«. Die Interpretation der vorlie-genden Befunde und die Klärung derpathogenetischen Kette ist nichtimmer leicht.

Das ärztliche Teamund die »Molecular Mimicry«Das Persistieren der exogenen reversi-blen Induktoren einer »Molecular-Mimicry« und das Nichtvorhanden-

sein einer adäquaten symptombezoge-ne Therapie sind imstande, den Über-gang der reversiblen Form einer»Molecular Mimicry« in eine unrever-sible zu induzieren beziehungsweise zupotenzieren (12). Gelegentlich wird indermatologischen Kliniken mit hohemQualitätsanspruch in der medizini-schen Versorgung durch einzelne Mit-arbeiter eine adäquate Therapie ohnedas Eliminieren des pathogenetischenInduktors eingeführt. Dann bleibt na-türlich die Verwunderung darüber,warum der Fall therapieresistent istund häufig Rezidive auftreten. In derambulanten dermatologischen Praxiswird ebenso immer seltener an denWechsel der Medikation des Patientengedacht, da die entsprechende Interak-tion in der Literatur nicht »genügendhäufig« beschrieben worden ist. DiesesVorgehen führt zu Therapieresistenzund Rezidiven bei Reduktion der im-munsuppressiven Therapie oder derBestrahlungsdosis (12).

Bei der interdisziplinären Abklärungdes Patientenstatus werden sowohl

asymptomatische Infektionen (wievaginale Kandidose, urogenitale Infek-tionen mit E. coli, Klebsiella, Entero-bacter etc.) als auch chronisch persis-tierende Bronchitiden und ihre Rolleals eventuelle Ursache für die Entwick-lung eines heterogenen klinischenBilds bei Lichen ruber planus oft miss-achtet. Die Empfehlungen an die Pa-tienten sind ungenau. Die Bedeutsam-keit dieser Assoziationen wird nichtselten von vielen praktischen Dermato-logen abgelehnt.

Interessant ist die Tatsache, dass trotzder unterschiedlichen klinischen Mor-phologie bei den beschriebenen For-men von Lichen ruber planus dashistologische Bild ähnlich bis gleichaussah (Abb. 4–7). Bei den Patientenwerden nicht selten auch unspezifi-sche, junktional lokalisierte (in denAnschlusspunkten) Ablagerungen vonFibrinogen (Abb. 9) detektiert.

Bei Patienten mit Psoriasis vulgaris,und besonders mit Psoriasis guttata,stellt die klinische Form ein alarmie-

Abb. 5: Lichenoide Beläge (histologischbestätigt) im Zungenbereich, die klinischeiner Schleimhautkandidose ähneln. Mul-timedikation, Multimorbidität anamnes-tisch

Abb. 6: Lichenoide Läsionen (histologisch bestätigt) im Zungenbereich eines Patienten mitder seltenen Erkrankung einer Keratosis lichenoides chronica, die nach der Meinung ver-schiedener Autoren als Variante des Lichen ruber planus wahrgenommen wird. Bei dembeschriebenen Patienten waren fünf unterschiedliche Erkrankungen sowie eine Multimedi-kation zu eruieren. Bis jetzt scheint es unklar, ob es sich um einen medikamentös bedingtenLichen ruber planus oder um einen verrukösen Lupus erythematodes handelte. Die Reihen-folge der eingeleiteten Medikation und der klinischen Beschwerden waren nicht exakt zueruieren

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rendes Merkmal oder Signal für dasVorhandensein eines bestimmtenFokus, zum Beispiel einer chronischenSinusitis, einer Tonsillitis oder einesZahnabszesses, dar. Die Durchführungvon explorativen Programmen würdein einem hohen Prozentsatz dieserFälle zu einer frühzeitigen Fokuselimi-nation und dauerhaften Heilung desLichen ruber planus führen. Bei Wech-sel der entsprechenden Medikamen-te kann immer wieder eine ähnlicheSymptomatik beobachtet werden,trotzdem ist dieses zu empfehlen,damit eine natürliche Immunmodula-tion einkehren kann. Leider fehlen beiden lichenoiden Dermatosen und spe-ziell bei Lichen ruber planus solcheProgramme oder ihre Durchführunggehört nicht zu den Standardmaßnah-men in der dermatologischen Klinik.

Aus allgemeinen Beobachtungen überPatientenkollektive aus vier dermatolo-gischen Abteilungen in Deutschland(Charité, Campus Benjamin Franklin;SKD Hautklinik und ImmunologischesZentrum; Ostseeklinik Kühlungsborn –Klinik für Dermatologie, Venerologie,Allergologie und Pulmologie; MVZKirchheim, Abteilung Dermatologie)könnte die Schlussfolgerung gezogen

werden, dass die schweren, generalisier-ten lichenoiden Formen oder der Über-gang einer »ordnungsgemäßen« (poly-gonalen) zu einer ulzerativen, exanthe-matischen oder zikatrisierenden Li-chen-ruber-planus-Form wie zum Bei-spiel das Graham-Lassuer-Piccardi-Litt-le-Syndrom (GLPLS), von einer Zunah-me der Anzahl der entzündlichen Focioder der Anzahl der systemisch einge-nommenen Medikamenten begleitetwurde (Abb. 4–7) (12, 14). Die statisti-sche Signifikanz dieser Hypothese wirdbereits in einer neuen wissenschaftli-chen Doktorarbeit bei einer deutlichgrößeren Anzahl von Patienten unter-

sucht. Auch andere Literaturangabenbestätigen die hier vorgestellte Hypo-these, die in letzter Zeit immer mehrAnhänger in der Literatur findet (10,12, 13, 14).

Die von uns beschriebenen Formeneines Lichen ruber planus sind schwie-rig zu therapieren. Nicht selten sinddiese Formen resistent gegenüber einerTherapie mit Retinoiden, Kortikostero-iden und systemischer psoraler UVA-Lichttherapie (PUVA). Bestimmte Pa-tienten (mit der typischen klinischenForm des Lichen ruber und polygona-len violetten Papeln im Bereich der

Abb. 7: Seltene Form eines Lichen ruberplanus beziehungsweise hypertrophicus,der differenzialdiagnostisch schwierig voneiner Keratosis lichenoides chronica zuunterscheiden ist

Abb. 8: Histologischer Befund bei einem Patienten mit Lichen ruber planus. Lymphohis-tiozytäre Infiltration mit T-Zell-Infiltraten des retikulären und des papillaren Teils der Der-mis. Akantose und Hypergranulose (HE-Färbung, 40-fache Vergrößerung)

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oberen und unteren Extremitäten)können im Rahmen der Evolution vonLichen ruber planus die seltene Formdes GLPLS entwickeln.

Der Grund für die Therapieresistenz inden beschriebenen Fällen liegt vermut-lich in der Multi-Medikation, die auf-grund der Polymorbidität der Be-troffenen nicht abgebrochen werdenkann und darf (lebensnotwendigeMedikation ). Irreversible morphologi-sche Veränderungen der inneren Ho-möostase, die zum Beispiel tumorbe-dingt sind, sind noch schwieriger the-rapeutisch zu beeinflussen (12, 15).

Wenn eine Unterbrechung der syste-mischen Medikation der Patienten mitdem Ziel einer Unterbrechung der Ket-te von »Molecular Mimicry« ansteht,zum Beispiel im Rahmen einer chroni-schen Herzinsuffizienz oder Bronchitis,kommt es nicht selten zu stauungsbe-dingten Bronchitiden, Gastritiden oderDermatitiden, die öfter durch bakte-rielle oder mykotische Infektionenkompliziert werden und das Auftreteneiner Kreuzreaktivität gegenüber kör-pereigenen Strukturen initiieren kön-nen. Gut bekannt sind die Kreuzreak-tions-bedingten Autoimmunreaktio-nen gegenüber Streptokokken, die zuirreparablen Schäden an den Herz-

klappen, Nieren und Gelenken führenkönnen. Praktisch gesehen entsteht einTeufelskreis, der nicht zu unterbrechenist. Der Kliniker scheint häufig vor demDilemma zu stehen, eine andere Medi-kation veranlassen zu müssen, um dieVerträglichkeit eines neuen Medika-ments im Körper zu verbessern unddie »Molecular Mimicry« möglichst zuverzögern. Wenn es funktioniert,scheint dies bis zu einem gewissenGrade von den Patienten gut tolerier-bar zu sein.

»Molecular Mimicry« scheint einSelbstzerstörungsmechanismus desKörpers im Rahmen der Alterungbeziehungsweise der gestörten innerenHomöostase zu sein – und dies nichtnur bei Patienten mit Lichen ruber pla-nus – welcher nicht bremsbar ist. Erkann aber verzögert werden, umpro-grammiert werden.

Zukunftsaufgaben für denpraktischen DermatologenDas Persistieren eines bestimmtenInduktors von »Molecular Mimicry«ist imstande, irreversible morphologi-sche Veränderungen in der Gewebe-homöostase zu initiieren und von dortaus zu der Entwicklung einer unrever-

siblen »Molecular Mimicry« beizutra-gen (14).

Aus diesem Grund wächst die Notwen-digkeit nicht nur der Ermittlung derversteckten Foci im menschlichen Kör-per, sondern auch der konkreten Ver-folgung der Signifikanz zwischen deneinzelnen Foci und den unterschiedli-chen morphologischen Formen vonlichenoiden Dermatosen (14).

Nicht bedeutungslos ist ebenfalls dieRegistrierung der Anzahl der Foci, derAktivität der Entzündungsparameter(laborchemisch) und des klinischenBilds bei den einzelnen Patienten. Inder Literatur fehlen solche Studien.Das Testen der Immunogenität derBakterien, der Viren und der Parasitenunter In-vitro-Bedingungen könnteeine bestimmte, leider begrenzte Aus-kunft liefern, inwieweit und welcheImmunkaskaden genau aktiviert wer-den. Dies ist zum Teil auch bereitsbekannt.

Neuere Generationen von Medika-menten haben das Ziel, diese Kaskadenzu unterbrechen, nicht aber die eigent-lichen Induktoren zu eliminieren, wasnatürlich viele Fragen und Gedankenbei dem Kliniker initiiert. Inwieweit istes möglich, dass wir, die praktisch-ori-entierten Dermatologen, diese »pa-thologische Kette« unterbrechen oderden menschlichen Faktor vor den wirt-schaftlichen Faktor setzen? Ist diePrävention und die Berufsdermatolo-gie eigentlich nicht der entscheidendeFaktor, der diese Fragen beantwortet?

Eine klinisch-orientierte Arbeit vonähnlicher Struktur fehlt bis jetzt in derLiteratur. Ihre Durchführung wirdsicherlich sehr viele Fragen beantwor-ten und einen Durchbruch im »Clini-cal Management« von Lichen ruberplanus schaffen.

Schlussfolgerung– Berücksichtigt man, dass die klini-sche Manifestation eines Diabetes mel-litus als direkte Folge einer viral-be-

Abb. 9: Fibrinogenablagerungen im Bereich der dermoepidermalen Zone bei einem Pa-tienten mit Lichen ruber planus. Die Erscheinung ist mit einem unspezifischem Charaktervergesellschaftet, da sie auch bei anderen Dermatosen beobachtet wurde

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dingten immunologischen Kreuzreak-tion (im Rahmen der allgemeinen In-fektion) beschrieben worden ist undauch die Dermatomyositis – als para-neoplastische Erkrankung (die Inzi-denz von Tumorleiden bei Patientenmit Dermatomyositis beträgt etwa15–30%) (7, 14) – sollte dies den klini-schen Dermatologen auf den Gedan-ken bringen, dass die pathogeneti-schen Trigger-Faktoren bei Lichenruber planus und Lichen-ruber-planus-ähnlichen-Dermatosen neu definiertwerden sollten (12, 14).

Das würde aller Wahrscheinlichkeitnach auch zu Veränderungen im dia-gnostischen Algorithmus und im the-rapeutischen Herangehen führen.

– Das Zögern bei der Therapieeinlei-tung und und/oder Reduzierung derDosis bei einer Verbesserung der klini-schen Symptomatik bei Patienten mitLichen ruber planus ist wahrscheinlichimstande, eine Verstärkung der Akti-vität der Immunkaskaden zu induzie-ren (falls Foci und Medikation vor The-rapieeinleitung nicht berücksichtigtwerden) und auf diese Weise indirektdie »Molecular Mimicry« zu potenzie-ren (12, 14).

– Eine der Hauptaufgaben des klinischund praktisch orientierten Dermato-logen ist die Feststellung und die Eli-minierung der exogenen Induktorender »Molecular Mimicry« jeglicherGenese, bevor dauerhafte Schäden inder Gewebehomöostase entstandensind.

Nicht selten werden in der dermatolo-gischen Ambulanz diese Dogmenmissachtet. Die genaue Erkennung undCharakterisierung der oben erwähntenKetten könnte zur Einführung von ent-sprechenden Vorbeugungsmaßnah-men und damit zur drastischen Sen-kung der Inzidenz der lichenoiden For-men führen, die auf der Basis einer»Molecular Mimicry« beruhen (14).

– Die frühzeitige Prävention im Rah-men der sogenannten Berufsdermato-logie und klinisch orientiertem Denken

kann durch Schulung und Aufklärungwahrscheinlich mehr für die Patientenerreichen als die »hochrangige For-schung« in spezialisierten Laboratori-en und Arbeitsgruppen.

– Neuere Medikamente wie Biolo-gics unterbrechen die Immunkaskadeselbst – nicht aber die Erkrankung (giltz.B. für Lichen ruber pemphigoides).Aus diesem Grund ist diese Therapie-art eher als kritisch zu bezeichnen unddarf nicht das praktische Denken desDermatologen »ersetzen«.

– Beachtend, dass die Elimination ent-sprechender Foci und Medikamentezu einer vollständigen Remission füh-ren können, muss das Letztere dieerstrangige Aufgabe des klinischen undpraktisch handelnden Dermatologensein. Die aufmerksame Karteiführungund die Verfolgung der Evolution desLichen ruber planus und seiner Unter-formen bei einer größeren Anzahl vonPatienten über eine längere Zeitspannekönnte eine genauere Erklärung für diehier vorgestellte Hypothese abgeben.

– »Molecular Mimicry« kann alsSelbstzerstörungsmechanismus desKörpers betrachtet werden, der imRahmen der normalen Alterung auf-tritt. Das Stoppen des Prozesses wäreundenkbar und unmöglich. Das Hin-auszögern der »Molecular Mimicry«durch bewusste Maßnahmen scheintbis zu einem gewissen Grad möglich zusein.

Lichen ruber planus – der nichtenträtselte Weg von Infektionzur Autoimmunität?

Nicht selten steht der klinische Derma-tologe vor komplizierten Problemen,sowohl im Rahmen der Diagnostik undder Behandlung des Lichen ruber pla-nus als auch bei der Klärung der patho-genetischen Ketten, die zur Manifesta-tion seiner seltenen Formen geführthaben. Das ausführliche Studieren die-ser Aspekte wird in nächster Zukunftwahrscheinlich zur Deutung des Rätselsführen, das in der Dermatologie alsLichen ruber planus bekannt ist.

Danksagung

Das gesamte Bildmaterial für die Publi-kation stammt aus der Fotosammlungvon Prof. Dr. med. H. D. Göring –langjähriger Chefarzt der AbteilungDermatologie, Venerologie, Allergolo-gie und Immunologie des StädtischenKlinikums Dessau.

Allen Kollegen von der SKD Dessau,Abteilung Dermatologie, Venerologie,Allergologie und Immunologie, einDankeschön für die Zusendung derFotodokumentation, die für die Ver-wirklichung dieser Publikation not-wendig war.

LLiitteerraattuurr

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Anschrift für die Verfasser:Dr. med. GeorgiKonstantinov Tchernev DermatologieMVZ KirchheimSteingaustraße 1373230 KirchheimE-Mail [email protected] Praktische Dermatologie