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(Aus der orthop/iAischea Klinik der StSdt. Krankenanstulten zu Dortmund. [Leitender :krzt: Professor M. :Brandes.]) Zur Behandlung der Coxa vara. Voll Prof. 5f. Brandes. Auf dem Orthop~.denkongre$ zu Breslau 1922 babe ich einen Vorschlag zu einer Behandlung der Coxa wra gemacht, auf welchen ich noch einmal zuriickkommen m6chte, und zwar in dieser Zeitschrift, weil ich hier in Band 22 (1924) schon einmal tiber diesen Behandlungsvorschb~g kurz berichget habe. Meine erste Mitteilung in Breslau ist meines Erinnerns nicht uawidersprochen geblieben -- (was aus den Verhandlungen allerdings nicht voll hervorgehg) --, obwohl therapeutische Versuehe yon anderen in dieser Richtung damals noch nicht vorlagen und sich eine Kritik nicht auf Erfahrung stiitzen konnte. Ich habe bisher nicht gelesen, dal~ man an anderen Kliniken meinen Behandhmgs- vorschlag durchgefiihrt hat (abgesehen von ether gelegentlichen gespriichsweise gemachten Mitteilung !). Dic inzwisehen erschienene Operationslehre v'on Er 1a c her (,,Die Tcehnik des orthopadischen Eingriffes", 1928) beschreibt unter den Operationen bet Coxa vara auch die you mir vorgeschlagene Trochanterresektion. Der Schilde- rung der Technik schickt Erlaeher noch eine Kritik voraus und bemerkt, dab ihn bisher weder (tie gcgebene Begriindung dcr Methode yon ihrem vollen Wet~ iiberzeugen komlte, noch dab aus den von mir (1922 und 1924) ver6ffent- lichten [r ein objektiver Erfolg klar hervorgehe, zumal spi~ter Abduetionsstelhmg und Extensiou in der Nachbehandlung in einem abgebiIdeten _~'alle angewandt worden set. Erlacher schlief~t: ,,Wenn ieh also diesen Ope- rationsvorsehbsg der Vollsti~ndigkeit halber anftihre, so mfissen wit eindeutige Erfolge erst abwarten, bevor wit ihn allgemein empfehlcn dfirfen." Ich mdchte hier nicht wiederholen, was ich in dieser Zeitschrift (Bd..'22) frfiher geschr[eben habe, wo ieh auch eine Begrfindung meines Operations- vorschlages der Trochanterresektion bet Coxa vara er6rterte. Da offenbar auf Fen~erstehende die BegrLindung rneiner Methode aber nieht fiberzeugend genug gewirkt hat, so werde ich noeh einmal aa anderem Oi'te hi extenso die Idee und Be~indung dieser Methode darzusteilen suchen. Es kommt mir hier zun5chst nur darauf an, auszusprechen, dab ieh seit 1922 wiederholt Gelegenheit genommell habe, die Trochanterresektion auszuf~ihren, und dab ich heute ia der Lage bin, an R6n~genbildern den Wert der Methode tiberzeugender ~ls friiher vielleieht darzustellen. J Selbstverst~ndlieh habe icl~ bet diesem Operationsverfahren, das sich immer noch, aueh bet mir, im Stadium des Versuches befindet, weitere Erfahrungen .~rchiv file orthop~dische und Unfall-Chirurgte. :B~I. XXVIII. 13

Zur Behandlung der Coxa vara

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Page 1: Zur Behandlung der Coxa vara

(Aus der orthop/iAischea Klinik der StSdt. Krankenanstulten zu Dortmund. [Leitender :krzt: Professor M. :Brandes.])

Zur Behandlung der Coxa vara.

Vol l

Prof. 5f. B r a n d e s .

Auf dem Orthop~.denkongre$ zu Breslau 1922 babe ich einen Vorschlag zu einer Behandlung der Coxa w r a gemacht, auf welchen ich noch einmal zuriickkommen m6chte, und zwar in dieser Zeitschrift, weil ich hier in Band 22 (1924) schon einmal tiber diesen Behandlungsvorschb~g kurz berichget habe. Meine erste Mitteilung in Breslau ist meines Erinnerns nicht uawidersprochen geblieben -- (was aus den Verhandlungen allerdings nicht voll hervorgehg) - - , obwohl therapeutische Versuehe yon anderen in dieser Richtung damals noch nicht vorlagen und sich eine Kritik nicht auf Erfahrung stiitzen konnte. Ich habe bisher nicht gelesen, dal~ man an anderen Kliniken meinen Behandhmgs- vorschlag durchgefiihrt hat (abgesehen von ether gelegentlichen gespriichsweise gemachten Mitteilung !).

Dic inzwisehen erschienene Operationslehre v'on E r 1 a c he r (,,Die Tcehnik des orthopadischen Eingriffes", 1928) beschreibt unter den Operationen bet Coxa vara auch die you mir vorgeschlagene Trochanterresektion. Der Schilde- rung der Technik schickt E r l a e h e r noch eine Kritik voraus und bemerkt, dab ihn bisher weder (tie gcgebene Begriindung dcr Methode yon ihrem vollen Wet~ iiberzeugen komlte, noch dab aus den von mir (1922 und 1924) ver6ffent- lichten [r ein objektiver Erfolg klar hervorgehe, zumal spi~ter Abduetionsstelhmg und Extensiou in der Nachbehandlung in einem abgebiIdeten _~'alle angewandt worden set. E r l a c h e r schlief~t: ,,Wenn ieh also diesen Ope- rationsvorsehbsg der Vollsti~ndigkeit halber anftihre, so mfissen wit eindeutige Erfolge erst abwarten, bevor wit ihn allgemein empfehlcn dfirfen."

Ich mdchte hier nicht wiederholen, was ich in dieser Zeitschrift (Bd..'22) frfiher geschr[eben habe, wo ieh auch eine Begrfindung meines Operations- vorschlages der Trochanterresektion bet Coxa vara er6rterte. Da offenbar auf Fen~erstehende die BegrLindung rneiner Methode aber nieht fiberzeugend genug gewirkt hat, so werde ich noeh einmal aa anderem Oi'te hi extenso die Idee und B e ~ i n d u n g dieser Methode darzusteilen suchen. Es kommt mir hier zun5chst nur darauf an, auszusprechen, d a b ieh s e i t 1922 w i e d e r h o l t G e l e g e n h e i t g e n o m m e l l h a b e , d ie T r o c h a n t e r r e s e k t i o n a u s z u f ~ i h r e n , u n d d a b ich h e u t e i a de r L a g e b in , an R 6 n ~ g e n b i l d e r n d e n W e r t de r M e t h o d e t i b e r z e u g e n d e r ~ls f r i i h e r v i e l l e i e h t d a r z u s t e l l e n . J

Selbstverst~ndlieh habe icl~ bet diesem Operationsverfahren, das sich immer noch, aueh bet mir, im Stadium des Versuches befindet, weitere Erfahrungen

.~rchiv file o r thop~dische u n d Unfa l l -Chi ru rg te . :B~I. X X V I I I . 13

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gemacht, die reich auch veranlassen, in verschiedenen Einzelheiten friiher gegufterte Anschauungen abzu'gndern.

An der Be~findung meiner Methode halte ich nach wie vor test. Sic basiert, kurz gesag-t, auf der Beobachtung, dab naeh l,'ortnahme des Trochanter maior femoris z. ]3. bei isolierter Tuberkulose oder nach Osteomyelitis der Schenkelhals sieh zur Coxa valga alffrichtet. Als Grund der Schenkelhalsaufrichtung sehe ich naeh wie vor im wesentlichen die Ausschaltung des Zl~ges tier pelvitrochan- teren Muskelgmppe an. Auch bei der Dystrophia muse. progr, und Paresen oder Lghmungen im Bereich der Becken- und Oberschenkelmuskulatm" (spinale Kinderl/~hmung usw.) bildet sich eine Coxa valga aus. Den Grund dieser Coxa valga-Bildung erblicke ich ebenfalls in den St6rungen des Mnskeltonus und tier Muskelspannung zwischen Beeken und ~'emur. Aueh naeh der Amputatio femoris finder eine solehe Aussehaltung der langen Beekenbeinmuskeln start mit dem gleichen Erfolge der Aufrichtung des Femurhalses zur Coxa valg~.

Ich babe frfiher yon ,,Muskelringen" gesproehen, die zwischen Becken und ],'emur ausgespannt sind, und in welche das coxMe ]~'emurende mit seinem mittleren Winkel von 128 Grad des Sehenkelhalses eingespannt ist. Lassen ,tie Kraf~wirkmlgen in diesen Muskelringen nach, so vergr6gert sich der Schenkel- halswinkel, well alas Gewicht des Beines nun nieht mehr durch die pelvi~ro- chantere und pelvifemorale 5'[nskel~uppe mitgetragen und yore Hiiftgelenk abgefangen wird. Dieses mug vielmehr jetzt eine Zugwirkung auf den ira Kapsel- sehlauch des H~iftgelenkes h~ingenden Fenmrabsehnir a/,slSsen (Entlastungs- Coxa valga = Zugbelastungs-Coxa valga) und den Sehenkelhalswinkel ver- gr6Bern. Es mug also mSglich sein, durch AusschMtung tier Zugwirkungen des pelvifemoralen oder des pelvitrochanteren Zuges oder dutch Sch~idigung beider Ziige den Schenkelhals zu einer Aufriehtung zlt zwingen. Einen solchen Versuch zu machen, habe ich eben empfohlen bei tier Cox~ yarn; allerdings liegen hier die Verh~tltnisse ja etwas anders. Es handelt, sich um (tie Wieder- a,ffrichtung eines herabgesunkenen und nicht um die Aufriehtung eines nor- malen ScheI~kelhalses..Die Erfahrung muBte eben lehren, ob auch nach Eint, ritt einer Coxa vara-Bihhmg noeh die Aufriehtung in der yon mir gesehihlerten Weise m6glieh ist. Es ist selbstverst-gndlieh, (.tab man nicht erwarten dart, d~B eine solehe Wiederaufrichtung in kurzer Zeit erfolgt. Es kann sieh nur um la.ngsam wirkende Kriifte handeln und man wird vornehmlich dort etwas yon dieser Therapie erwarten dtirfen, wo noeh das Wachstum diesen ganzen Prozel3 der Umformung mit unters~tfitzt.

Aus diesen 17berlegungen heraus mSehte ich aueh sagen, d~B mh' fiir diese Therapie nicht (tie Fi~lle yon Coxa w r a a d o l e s c e n t i u m als the geeig- netsten erschehmn, wie ich das friiher hier mitgeteilt h,~tte. Ich habe auch an Adoleseenten bei Coxa yarn die Troehanterresektion gemaeht, zum Tell mit, zum Tail ohne voraufgegangenes Redressement der Kopfkalotte bei Coxa vara epiphysaria. Es ist zweifellos in diesen ~'iillen nieht zu einem Neigen des ganzen Sehenkelhalses im Sinne der Coxa yarn gekommen, vielmehr zu einer naehweLsliehen Aufriehtung; aber den Zweifler werden vielleieht solche ]~'~tlle nicht iiberzeugen.

Den Beweis der Leistungsfghigkeit der yon mir vorgesehlagenen Operation bei Coxa vara mug man besser entnehmen den F/illen sehwerer raehitiseher Coxa

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vara und den sehwersten Fallen wm Coxa vara-Formen, die wir als kongenitale bezeiehnen. ]3el diesen kindlichen ]~'Mlen erlebt man naeh Resektion des Tro- chanter major femoris, (lal~ der knrze naeh unten abgesunkene Sehenkelhals aIlmShlieh sieh aufriehtet, w'hchst und einen Neigungswinkel annimmt, der durehaus dem des normalen entsprieht, oder nahekommt. Die sela6nste Auf- r iehtung einer sehweren Coxa wm~ congenita habe ieh tiber 6 Jab_re verfolgen kSnnen, wo eben naeh 6 Jahren geradezu normale Verhhltnisse eingetreten waren, wfihrend uns allen doeh sonst die sehleehte Prognose tier Cox~ vara eongenita bekannt ist (was aueh in dun VortrSgerl auf dem letzten Orthopaden- kongreB [~Ianchen 1929] wieder zum Ausdruek kam).

ida wir gerade bei diesen sellwersten Formen kindlieher raehitiseher Coxa vara wie kongenitaler Coxa var~ iiber keine (tankbaren Operationen verffigen (in Form v(m Os~eotomien oder 1,:eilosteotomien usw.), die an diesem kurzen, verkiimmerten, abgesunkenen Schenkelhals als wirklictl erfolgreieh gelten kSmlt, en, wenn man (lie Wiederhersgellung ann~ihernd normaler VerhSltnisse im Auge hat, so ist naeh meineu jetzigen J~:rfahrungen gerade bei diesen kind- lichen Formen die ~[ethode der Troehanterresektion mit entspreehender Naeh- behandlung angeze i~ nnd yon Erfolg begleitet. Bei diesen kindliehen Formen haben wir Zeit jahrelang auf den l~rfolg zu warren und die GewiBheit, dal] aueh das Waehs tum nach dieser Operation uns bei der Deformit i i tenkorrektur unterst/itzt. Viele .Fi21te yon Coxa w~ra adoleseentium sind vielleieht sehon zu all und k6nnen deshalb wohl nut noeh eine uavol lkommene Wiederauf- r iehtung des Sehenkelhalses erfahren. Ielt zweifele abet nieht., dal~ naeh einer geniigenden Reihe yon J ahren aueh beim iErwaehsenen noeh (tie Wirknng der Aussehaltung der genannten 31uskelgruppe im Sinne einer Aufr iehtung des Sehenkelhalses naehweisbar sein nmB, denn aueh bei der Obersehenkela.mpu- ration des Erwaehsenen sehen wir die CoxCL valga-Bildung eintreten.

Ieh habe auf dem Orthoph(lenkongreg in Miinehen eine Serie yon RSntgen- bildern gezeigt, aus denen vor allenl einige sehwere t?~lle yon Coxa var,~ raela. und Coxa vara eongenita (lie Erfolge der Operation braehten. ---

(legeniiber den geSuBerten Zweifeln auf dem Orthopiidenkongret3 zu Breslau wie in der ()perationslehre yon E r l a e h e r , darf ieh also heute darauf hinweisen, dab (tie inzwisehen gemaehten Erfahrungen gerade bei kindliehen F~illen dafiir spreehen, dab die Idee, auf der meine Methode der Troehanter- resektion aufbaut, riehtig ist, und dab auelt in der Tat, worm man nur Zeit ha t einige Jahre auf den Erfolg zu warten, praktiseh wertvolle l lestdtate zu erzielen sind, gerade bei den sehwersten kindlicheu F~iilen, wo uns bisher eine rationelle Therapie fehlte.

Beziiglieh weiterer Eilmelheiten verweise ieh auf die erste Ver6ffentliehnng in dieser ZeitschI'ift, wie auf eine sp';itere :Publikation, in der ieh auetl Abbil- dungen behandelter Falle zur Kri t ik vorlegen werde.

Liter;~t ur. B r a n d e s : Verb. d..XVII, l,~ongr, d. dtseh, orthop. Ges. zu :Bresl:ul 1922. Z. orghop.

Chir. 44. - - Br~ndes: Vorschlag zu einer physiologischen Behandhmg der Cox~ rata. Arch. orthop. Chit. 2 ~ , (1924).

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