149
Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen :> "rr, "1 *% ,hL4r I- + *+

ZUMA Nachrichten Nr34 - gesis.org · System völlig abweicht und die BRD zusätzlich ein hochentwickeltes und zunehmend differenziertes Mediensystem von Funk- und Printmedien …

Embed Size (px)

Citation preview

Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen

:> "rr, "1

*% ,hL4r

I-

+ *+

Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen

ZUMA-NACHRICHTEN

34

Mai 1994

2 Impressum

Herausgeber: Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) ZUMA ist Mitglied der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastniktureinrichtungen e.V. (GESIS)

Vorsitzender des Trägewereins ZUMA e.V.: Prof. Dr. Max Kaase Direktor: Prof. Dr. Peter Ph. Mohler

Hausanschrift: B 2 , 1 68 159 Mannheim

Postanschrift: Postfach 12 21 55 68 072 Mannheim

Telefon: Zentrale 062111246 - 0 Telefax 062 111 246 - 100 Redaktion 062 111 246 - 268

NSD-HOTLINE 062 1 11 246 - 1 1 1

email: [email protected]

Redaktion: Dr. Paul Lüttinger

ISSN 0721-8516 18. Jahrgang 0 ZUMA

Die ZUMA-Nachrichten erscheinen im Mai und November eines Jahres. Sie werden Interessenten auf Anforderung kostenlos zugesandt.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autoren wieder. Der Nachdruck von Beiträgen ist nach Absprache möglich.

Druck: Verlag Pfälzische Post GmbH, NeustadtIWeinstraße. Die ZUMA-Nachrichten werden auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

4 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Workshop: Stichprobenverfahren, 18. und 19. Oktober 1994 .......... ........................... . . . 14 1 Workshop:: Sozialberichterstattung: Berichtssysteme für einzelne Lebensbereiche

und Teilpopulationen, 10. und 11. November 1994 .................................... 142 Workshop: Einführung in die computerunterstützte Inhaltsanalyse

(cui) mit TEXTPACK PC, 22. und 23: November 1994 ................................. 142 Workshop: Equivalence in International Survey Research: Next Steps

7. Dezember 1994 ........................................................................................... 144

Durchwahl-Rufnummern

Editorial 5

IN EIGENER SACHE

Das Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen feiert in diesem Jahr sein 20jähriges Bestehen; es wurde am 1. Januar 1974 gegründet. Zunächst 13 Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschafi finanziert, wird es seit 1987 im Rahmen der Gesellschaft So- zialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. (GESIS) gemeinsam von Bund und Ländern als Institut der "Blauen Liste" gefordert. Aus Anlaß des Jubiläums veranstaltet ZUMA am 6. Oktober ein Symposium zum aktuellen Stand der Empirischen Sozialfor- schung, zu dem ZUMA Sie, die Leser der ZUMA-Nachrichten, herzlich einladen möchte. Das Tagungsprogramm sowie Informationen über die Modalitäten der Anmeldung finden Sie auf den Seiten 136-140.

In dieser Ausgabe untersuchen zunächst Steven E. Finkel und Peter Schrott ein Thema, das im "Megawahljahr" 1994 sicherlich auf Interesse stoßen wird: Am Beispiel der Bun- destagswahl 1990 gehen sie der Frage nach, inwieweit im Wahlkampf Stimmen gewon- nen und verloren werden können. Jürgen H.P. Hoffmeyer-Zlotnik berichtet über die Möglichkeiten der Regionalisierung von Umfragen und stellt verschiedene Regionalindi- zes vor. Bärbel Knäuper, Tom Trübestein und Hildegard Pfister schreiben über ihre Er- fahrungen mit einer Befragungstechnik, die noch wenig erprobt ist: Standardisierte In- terviewfragen werden über einen PC akustisch dargeboten und die Antworten von den Befragten über einen berühningsempfindlichen Bildschirm eingegeben. Die beiden fol- genden Aufsätze beschäftigen sich bei gleicher Fragestellung mit zwei verschiedenen Analyseverfahren. Am Beispiel einer Untersuchung von Arbeitswerten in Ost- und West- deutschland zeigen Karl-Erich Wolff, Siegfiied Gabler und Ingwer Borg Möglichkeiten der formalen Begriffsanalyse auf, während Siegfiied Gabler und Birgit Rimmelspacher dieselbe Problemstellung mit der Methodik der Korrespondenzanalyse bearbeiten. Die Forschungsbeiträge werden durch einen Bericht von Thomas Blank und Stefan Schwarzer über die Ergebnisse der Reformulierung von ALLBUS-Items abgeschlossen: In vier dem ALLBUS entnommenen Fragen zur Einstellung gegenüber Gastarbeitern wurde der Be- griff "Gastarbeiter" durch "in der Bundesrepublik lebende Ausländer" ersetzt und diese Fragen in verschiedenen Stichproben getestet.

Last, but not least der personelle Bereich. Der Direktor von ZUMA, Peter Ph. Mohler, wurde zum Honorarprofessor an der Universität Mannheim ernannt und PD Dr. Dr. U1- rich Mueller ist zum 1. Januar 1994 einem Ruf an die Universität Marburg gefolgt; beiden

6 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

gratulieren wir sehr herzlich. Aus der Verwaltung sind Jutta Flachs und Martina Schnei- der auf eigenen Wunsch ausgeschieden. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. An ihre Stelle getreten sind Silvia Sigmundczyk und Maite Fernandez.

Max Kaase Vorsitzender des ZUMA e.V.

Liebe Leser der ZUMA-Nachrichten,

seit 1977, als die ZUMA-Nachrichten erstmalig erschienen, bemühen wir uns, Ih- nen eine interessante und informative Zeitschrift zu bieten. Von der ersten Aus- gabe bis heute hat sich manches geändert; das Themenspektrum wurde im Lauf der Jahre beträchtlich erweitert, der Umfang hat sich nahezu verdoppelt, Layout und Erscheinungsbild sind moderner geworden. Die große Zahl der Empfänger der ZUMA-Nachrichten im In- und Ausland scheint zwar darauf hinzuweisen, daß unser Angebot den Lesern zusagt. Da die Auflage hierfür jedoch nur einer un- ter vielen Indikatoren ist, möchten wir Sie um Ihre explizite Meinung bitten: Schreiben Sie uns doch einfach, wie Ihnen die ZUMA-Nachrichten gefallen, bzw. was man besser oder anders machen könnte. Darüber hinaus interessiert uns auch, wie Sie die Mischung von Elementen einer Fach- und einer Hauszeitschrift beurteilen. Sollten sich die ZUMA-Nachrichten 2.B. durch ein Fach-Review-Ver- fahren mehr in Richtung einer "normalen Fachzeitschrift" entwickeln und sollten sie allgemein für die Profession als Publikationsorgan offen sein? Jede Kritik und Anregung ist uns willkommen.

Paul Lüttinger

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 7

WÄHLERSTIMMEN DURCH WAHLKÄMPFE?

EINE ANALYSE DER BUNDESTAGSWAHL 19901)

Steven E. ~ i n k e l ~ ) und Peter Schrott

M it Paneldaten zur Bundestagswahl 1990 testen wir ein Modell, das entwickelt wurde, um Wahikampfeffekte auf das individuelle Wahlverhalten und den Wahlausgang zu messen.

Die dominanten Effekte im deutschen Wahlkampf sind einerseits die "Verstärkung" von vorhandenen Präferenzen und andererseits die "Aktivierung" latenter Wahldispositionen, die auf solch fundamentalen individuellen Eigenschaften wie Parteineigung und Links-Rechts-Ein- schätzung basieren. Diese Befunde bestätigen die Lazarsfeld et. al. Studien der frühen vierziger Jahre und auch neuere Wahlstudien in den USA. Gleichzeitig zeigen die Analysen, daß im- merhin 13 Prozent der Wähler im Laufe des Wahlkampfes "konvertierten", d.h. anders als bei ihren ursprünglichen politischen Einstellungen und Wahiabsichten stimmten. Diese Verschie- bung war mgunsten der Regierung und wohl dafür verantwortlich, daß ein anf&gliches Kopf- an-Kopf-Rennen in einen soliden Sieg der Regierungskoalition mündete.

U sing national survey panel data collected in Germany during the 1990 federal election campaign, we develop a model to assess the effect of the campaign on individual votes

and the election outcome. We find that the dominant effects of the campaign on German voters were the "reinforcement" of earlier preferences and the "activation" of latent vote dispositions based on fundamental individual attitudes such as party affiliation and left-right ideology. At the Same time, the analysis shows that the number of campaign converts, those who vote against their dispositions and prior preferences, was approximately 13 per cent of the electorate. The vote division among these individuals was ovenvhelmingly pro-govern- ment, suggesting that the 1990 German campaign altered a sufficient number of votes to turn what was an even contest, based on the electorate's initial political dispositions, into a solid government coalition victory. The results are discussed in terms of their theoretical as well as normative implications.

8 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

1. Einführung

Die Frage nach Wirkungen von Wahlkämpfen nimmt in der Wahlforschung eine zentrale Stellung ein (Graber 1993). Die Analyse von Wahlkampfeffekten gibt uns einen theoretischen Einblick in unterschiedliche Aspekte des Wahlverhaltens: wir lernen über den Entscheidungs- prozeß beim Wähler; über die Art und Weise, wie die Medien politische Einstellungen prägen und verändern; über Informationsverarbeitungsstrategien beim Wähler; und schließlich erfahren wir etwas darüber, ob der Wahlausgang von Langzeiteinstellungen und -werten oder aber von kontextbedingten Kurzzeiteffekten abhängt (Converse 1962, 1966; Falter/Rattinger 1982; Zaller 1992). Die Analyse von Wahlkampfeffekten hat auch eine Bedeutung fur die normative Einschätzung des politischen Prozesses, da etliche Forscher die These vertreten, daß die In- formationen, die während des Wahlkampfes von den Medien vertrieben werden, verzerrt sind, täuschen und nur zu erfolgreich den Wähler manipulieren (Alger 1989; Patterson 1989). Und schließlich hat das Wissen um die Wahlkampfeffekte auch Implikationen fur die angewandten Strategien von Parteien und Politikern: Welche Ressourcen werden wie und wo eingesetzt, um die fur den Wahlsieg wichtigen Zielgtuppen effektiv erreichen zu können (Popkin 1992; McCubbins 1992).

Und doch gibt es trotz der zentralen Bedeutung des Themas nur sehr wenige Analysen, die explizit die Art und den Umfang von Wahlkampfeffekten untersuchen. Seit den bahnbrechen- den Studien der Columbia-Gruppe in den vierziger und Wziger Jahren (LazarsfeldIBerel- son/Gaudet 1944; Berelson/Lazarsfeld/McPhee 1954) dauerte es über zwanzig Jahre bis es wiederum eine Studie gab, die Wahlkampfeffekte über den gesamten Wahlkampfzeitraum analysierte (MendelsonIO'Keefe 1976; Patterson/McClure 1976; und etwas später Patterson 1980). Seit dieser Zeit wurden etliche Studien durchgern, die sich zumeist auf einzelne Fa- cetten von Wahlkampfeffekten konzentrierten. Dabei wurden direkte Indikatoren wie 'Zeitpunkt der Wahlentscheidung' oder 'Nutzung von Wahlkampfkornmunikation' untersucht (fur einen Überblick siehe Graber 199 1 und 1993). Forschungsschwerpunkte waren auch die (Aggregat-) Verändemgen im öffentlichen Meinungsbild (Farah/Klein 1989; Frankovic 1993; fur die Bundesrepublik siehe auch die Arbeiten von Noelle-Neumann 1983, 1990), oder die Kutzzeitveränderungen von Wahlabsichten und Politikerpräferenzen einer gegebenen Wahl (Bartels 1993; Markus/Converse 1979; Granberg/Holmberg 1988; Markus 1982; Schrott 1990a). Diese Studien weisen zwar alle auf vereinzelte Wahlkampfeffekte hin, aber keiner dieser Studien gelingt es, den gesamten Wahlkampfeffekt über den Verlauf einer Kampagne hinweg zu erfassen.

Finkel (1993) versuchte das Forschungsinteresse wieder auf die Gesamteffekte eines Wahl- kampfes zu fokussieren und entwickelte ein Modell, das auf dem "Aktivierungsprozeß" der Columbia-Gruppe (La2arsfeld/Berelson/Gaudet 1944; Berelson/LazarsfeldlMcPhee 1954) be- ruht. Nach diesem Modell liegt der Haupteffekt von Wahlkämpfen auf der "Aktiviemg" von

FinkeVSchrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe .? 9

bereits vorhandenen fundamentalen Einstellungen und Werten. Lazarsfeld et al. (1944, S. 83- 84) argumentierten: "Campaigning for votes is not writing on a public tabula rasa; it is showing men and women that their votes are a normal and logical and more or less inevitable expression of tendencies with which each has already aligned himself'. Für die amerikanische Präsidentschaftswahl 1980 zeigt Finkel, daß ein einfaches Wahlkampfaktivierungsmodell (auf die Merkmale Rasse, Parteiidentifikation und Akzeptanz der Leistung des Präsidenten basie- rend) über 80 Prozent der Wahlentscheidung korrekt vorhersagte. Einstellungen veränderten sich während des Wahlkampfes, aber diese tendierten in Richtung Übereinstimmung mit den ursprünglichen Dispositionen. Darüber hinaus glichen sich "echte" Wahlenvechsel im Aggregat aus, so daß Finkel (1993) mit diesem Modell den Wahlausgang der 1984er und 1988er Präsidentenwahl bis auf drei Prozentpunkte genau vorhersagen konnte. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß Wahlkampagnen die Wähler und ihre Wahlentscheidung auf eine Linie mit ihren Dispositionen bringen und weniger manipulieren oder oberflächliche Wahlentscheidungen bewirken. Vielmehr geben Präsidentschaftskampagnen dem Wähler die Möglichkeit zu einer wohlüberlegten und begründbaren Wahlentscheidung, was Gelman und King (1992) als "enlightened preferences" beschreiben.

In diesem Artikel formulieren und testen wir auf dem Aktivierungsprozeß basierende Wahl- kampfmodelle im Kontext der Bundestagswahl 1990. Wir wählten die Bundesrepublik und speziell diese Wahl aus methodischen und theoretischen Gründen. Wenn der Aktivierungspro- zeß, wie z. B. das Konzept des "normal vote" in der Wahlforschung (siehe Converse 1966 für die USA und Falter/Rattinger 1982 für die BRD) für den Wahlprozeß generell wichtig ist, darf dieser Prozeß nicht nur für ein präsidentielles Wahlsystem Gültigkeit haben. Im Gegenteil, der Aktivierungsprozeß sollte in einer Vielzahl von Wahlsystemen operieren, auch wenn einzelne Faktoren variieren können. Gleichzeitig kann die Wirkungsweise des Modells auch von gut entwickelten Wahlkampf- und Medienorganisationen und natürlich von Verbreitungsgrad und Zugang der WLihler zur Wahlkampfkomrnunikation abhängen. Von daher ist die Bundesre- publiic ein idealer Ausgangspunkt für die Studie, da das politische System vom amerikanischem System völlig abweicht und die BRD zusätzlich ein hochentwickeltes und zunehmend differenziertes Mediensystem von Funk- und Printmedien hat. So erreichen die Medien täglich über 80 Prozent der Bevölkerung (Schönbach 1991).

Weiterhin sollte das Aktivierungsmodell, das vorhersagbare (wenn auch 'minimale') Effekte postuliert, in einem Kontext möglicher starker Wahlkampfeffekte und medial vermittelter Be- obachtungen von Veränderungen in der Bevölkerung getestet werden. Beides trifft für die Wahl 1990 zu. Während des schwierigen und emotional aufgeladenen Prozesses der Wieder- vereinigung von West- und Ostdeutschland gab es ein großes Potential für Meinungsänderun- gen aufgrund ständig neuer gesellschaftlicher Ereignisse, die politische Prioritäten, Ängste und Hoffnungen schürten (Kaase 1992). Dazu kam, daß die SPD mit Kanzlerkandidat Lafontaine zu Beginn des Wahljahres 1990 in den Umfragen fuhrte und dann doch eine deutliche Wahl-

I 0 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

niederlage hinnehmen mußte. Es ist klar, daß im Aggregat ein Wechsel der Wahlabsicht ge- wöhnlich als ein (oftmals falschlicherweise) Indikator eines Wahlkampf-"Effektes" gehandelt wird, so scheint die 1990er Bundestagswahl ein idealer Testgrund unseres Aktivierungsmodells zu sein.

Schließlich haben die Daten der Bundestagswahl 1990 zwei Eigenschaften, die es uns ermög- lichen, die gesamte Palette möglicher Wahlkampfeffekte zu testen. Die "heiße" Wahlkampf- phase mit Wahlwerbung im Fernsehen, Medienberichterstattung, Diskussionen etc. beginnt je nach Übereinstimmung der großen Parteien drei bis sechs Wochen vor den eigentlichen Wahlen (Schönbach 1991). Die Daten enthalten nun mehrere Befi-agungswellen, wobei eine Welle im Juni 1990, also lange vor und eine Welle während der heißen Wahlkamp@hase zwischen Oktober und November durchgeführt wurde. Das heißt, daß etwaige Verschiebungen in der öf- fentlichen Meinung den vollen durch den Wahlkampf produzierten Effekt darstellen und meß- bar sind. Weiterhin wurde die Frage nach der Wahlabsicht in jeder Welle abgehgt und er- möglicht dadurch einen präzisen Test unseres Aktivierungsmodells.

In unserer Analyse versuchen wir zunächst, die Art und den Umfang der 1990er Wahlkampf- effekte festzuhalten und die Ergebnisse (wenn möglich) mit den amerikanischen Befunden (Finkel 1993) zu vergleichen. Dann wollen wir verschiedene Aspekte von Wahlkampfeffekten genauer beleuchten. So hoffen wir aufieigen zu können, daß die Beziehungen zwischen den politischen Dispositionen der Wähler, den Wahlabsichten und den Veränderungen während der Wahlkampfieit den Schlüssel zum Verständnis von Art und Ausmaß von Wahlkampfeffekten in gegenwärtigen Wahlen halten. Zusätzlich müssen wir die Wähler herausfiltern, die ihre Wahlabsicht im Laufe des Wahlkampfes tatsächlich geändert haben. Nicht um die Anzahl der Wechselwähler festzuhalten, sondern um ihr Interesse am Wahlkampf sowie ihre politischen Merkmale auhdecken. Die Resultate sollen zur Klärung der seit langem bestehenden Kontroverse beitragen, ob Wechselwähler über eine politische Kompetenz verfUgen und ob die Medien und andere Faktoren zur Stabilität oder Instabilität von Wahlentscheidungen beitragen (Converse 1962; NorpotWBaker 1980; Zaller 1992).

2. Wahlkampfeffekte in der BRD: Modelle, Hypothesen, Daten

Obwohl die Tradition von Panelstudien in der deutschen Wahlforschung weit zurückreicht, gibt es praktisch keine Untersuchungen, die explizit auf den Effekt von Wahlkampfkommunikation auf die Wahlentscheidung fokussieren (Kaase 1986; Schönbach 199 1). Wie Schönbach (1 99 1) ausfbhrt, konzentriert sich die meiste wahlkarnpfi-elevante Forschung auf solch indirekte Effekte wie die Entwicklung von Kandidatenimages (Kepplinger/Dahlern/Brosius 1993; Schrott 1990b; Schulz/Kindelmann 1993), Änderungen von Wichtigkeiten politischer Themen oder der Themenagenda (KepplingerBrosius 1990), oder Änderungen im sogenannten Meinungsklima (Noelle-Neumann 1983). Und obwohl die Anzahl von Wahlkampfanalysen rapide zunimmt,

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 11

gibt es in der Literatur keine aussagekräftigen Befunde, die eine Veränderung von Wahlabsichten auf dem Individualniveau von Anfang bis Ende eines Wahlkampfes nachzeich- nen.3)

Trotz der geringen Zahl von Wahlkampfstudien gibt es eine umfangreiche Literatur zum deut- schen Wahlverhaiten, auf die wir uns bei der Formulierung unseres Aktivierungsmodells im folgenden stützen können. Während die "Prädispositionen" der Columbia-Studien durch die politischen Einstellungen der demographischen Gruppen, denen die Behgten sich zurechneten, definiert wurden, zeigen neuere deutsche und amenkanische Studien, daß diese Gruppen- zugehörigkeiten deutlich an Bedeutung verlieren (GibowskiKaase 199 1 ; Abramson/Aldrichl Rhode 1990)~). Nichtsdestotrotz können grundlegende Merkmale zur Aktivierung von politi- schen Dispositionen in der deutschen Literatur gefunden werden.

Wie in den USA, ist in der Bundesrepublik vor dem Wahlkampf eine starke Parteiidentifikation vorhanden, die im Wahlkampf aktiviert werden kann. Parteiidentifikation ist ein Faktor, der theoretisch langfistige politische Prädispositionen des Wählers mißt (Campbell et al. 1960). Während Forscher in der Bundesrepublik zunächst bezweifelten, daß dieses Konzept problemlos auf das deutsche Wahlsystem anzuwenden sei, zeigte sich doch seit den frühen achtziger Jahren, daß das Konzept der Parteiidentifikation auch fur die Bundesrepublik funk- tional anwendbar ist (Faiterkttinger 1982; Baker et al. 1981; Norpoth 1978). Obwohl neu- erdings ein Rückgang der Parteiidentifikation in der Bundesrepublik feststellbar ist (Dalton 1989), bleiben die Identifikation mit einer Partei und deren Wahl entscheidende Faktoren und sind im Vergleich zu den USA auch stärker ausgeprägt (KlingemandWattenberg 1993; Ri- chardson 1991). Eine weitere Prädisposition eines Wählers, die im Laufe eines Wahlkampfes aktiviert werden kann, ist die Links-Rechts-Selbstidentifikation. Von dieser Links-Rechts-Ein- schätzung wird vermutet, daß sie lang£iistige, von der Partei unabhängige ideologische Einstel- lungen des Wählers mißt (FuchsIKühnel 1990).

Variablen, die zum einen politische Themen messen und zum anderen in Bezug zum "retrospektiven" Wahlmodell (Fiorina 1981) gesetzt werden können, tauchen ebenfalls in der deutschen Wahlforschungsliteratur auf (Kirchgässner 1 989; NorpoWYantek 1 983). Diese Va- riablen wurden in unser Aktivierungsmodell mit aufgenommen, da gerade diese Variablen, die oft lange vor der heißen Wahlkampfphase gemessen werden, erfolgreich zur Prognose von Wahlausgängen herangezogen wurden (Lewis-Beck 1989) und die These bestätigen, daß Wahlkämpfe eben diese Effekte auf dem Individualniveau aktivieren können (Finkel 1993; Markus 1988).

Schließlich nehmen wir in unser Modell auch die Beurteilung der Kandidaten auf. Zwar deuten Untersuchungen darauf hin, daß Kandidateneinschätzungen im deutschen Wahlkontext nicht so wichtig sind wie in den USA (Klingemandwattenberg 1993; Falter/Rattinger 1982), es ist jedoch nicht auszuschließen, daß die Wähler bereits vor der heißen Wahlkampfphase dezidierte

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 13

Seiten hinweg darstellt. Solch ein Wechsel über die Koalitionslhien hinweg kann fur eine Veränderung in der Regierung auf Jahre hinaus verantwortlich sein. Darüber hinaus sind in unserem Aktivierungsmodell etliche "Referendum-Variablen", die theoretisch auf die Annahme oder Ablehnung der Regierung abzielen, wobei es hier nicht daraufankommt welche Partei, die größere oder die kleinere in der Regierungskoalition, damit genau gemeint ist Das gleiche gilt natürlich auch iÜr die beiden Kanzlerkandidaten. Schließlich hat die Dichotomisierung der abhängigen Variable auch methodische Vorzüge, da eine abhängige Variable mit nur zwei Kategorien einfacher zu schätzen und auch in einem linearen Wahrscheinlichkeits- oder logistischen Regressionsmodell einfacher zu interpretieren ist.

Hypothesen: Wie aus dem zu schätzenden Modell zu ersehen ist, enthält es Variablen vom Juni 1990, also deutlich vor der heißen Wahlkampfphase, als auch Variablen der Veränderung von Juni zu Oktober-November 1990, als die nächste Welle der Interviews stattfand. Mit solch einem Modell können wir testen, ob die Wahlentscheidung von Prädispositionen abhängt, die während des Wahlkampfes aktiviert wurden, oder ob sie von einer Veränderung während des Wahlkampfes bestimmt ist. Sollte das Aktivierungsmodell Gültigkeit haben, müssen folgende Hypothesen bestätigt werden:

1. Auf dem Individualniveau sind es die politischen Einstellungen vor der Wahlkampfphase, die die Wahl letztendlich prognostizieren.

2. Veränderungen der politischen Einstellungen während des Wahlkampfes sollten die (Vorwahlkampf-) Wahlabsicht verstärken.

Unser Modell läßt einen potentiellen Eiduß von sowohl Vorwahlkampfeinstellungen, als auch Wahlkampfveränderungen zu. Tdtionellerweise wurden Wahlkampfeffekte immer mit einer Veränderung der Wahlintention über die Zeit hinweg oder aber mit Abweichungen zwischen der Wahlintention eines Individuums zu einem gegebenen Zeitpunkt und se iner r i r endgüitigen Wahlentscheidung verbunden. Stabile Wahlabsichten und Wahlentscheidungen, die mit ursprünglichen Wahlabsichten übereinstimmen, werden mit einem "Verstärkereffekt" des Wahlkampfes verbunden. Trifft dies nicht zu, dann spricht man von "Konversion", da In- dividuen von einer Partei oder von einem Kandidaten zum anderen wechselten. In der Tat ist eine immer häufiger anzutreffende These starker Wahlkampfeffekte derart begriindet, daß die Versiärkungen von Dispositionen deshalb substantiell abnehmen, weil Individuen nicht länger mit festen Präferenzen, die im Wahlkampf stabil bleiben, in die Wahlkampfieit gehen (Dalton 1989; SaimoreISaimore 1989).

Wir untersuchen den Umfang eines Verstärkereffektes iÜr die 1990er Bundestagswahl. Darüber hinaus - und dies ist ein wichtiger Aspekt - fokussieren wir die Beziehung zwischen den Wahlabsichten und den Wahlkampfaktivierungen im Detail. Wie in Lazarsfeld et al. (1944, 1954) dargelegt und in Finkel (1993) weiter ausgeführt, hängt der Umfang der Wahlkampf- versiärkungen d i i von den individuellen Präferemn und den Prädispositionen im Aktivie-

14 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

rungsmodell ab. Wie Berelson, Lazarsfeld und McPhee (1954) argumentieren, "if ... we compare those who have the "proper" vote intention with those who, in the early Stages of the campaign, intend to vote against the prevailing trend, then we find that the deviants have a tendency to return to the fold on election day ...[ w]e can say that the proper vote intention is stronger and more durable than the deviant one." Diese Bezeichnung einer politischen "Reaktivierung" während des Wahlkampfes führt zu der nächsten Hypothese:

3. Individuen, deren Präferenzen (Wahlabsichten) und politische Dispositionen (Einstel- lungen zu Partei etc.) vor dem Wahlkampf konsistent sind, werden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Einklang mit ihren früheren Präferenzen stimmen. Individuen, deren Präferenzen und Dispositionen inkongruent sind, sollten mit einer größeren Wahr- scheinlichkeit gegen ihre ursprünglichen Präferenzen (und in Übereinstimmung mit ihren Einstellungen) stimmen.

Diese Hypothese besagt mit anderen Worten, daß die Verstärkung für die Individuen größer sein sollte, deren Wahlabsichten und "dispositionierte" Wahl übereinstimmen, als für die In- dividuen, deren Präferenz und Dispositionen nicht übereinstimmen. Veränderungen zwischen der Verteilung der urspiünglichen Wahlabsicht im Aggregat und der tatsächlichen Wahl sollten somit ein vorhersagbares Resultat dieses Reaktivierungsprozesses sein.

Schließlich können wir mit den deutschen Daten überprüfen, welche Individuen mit ihren ur- sprünglichen Dispositionen und Wahlabsichten übereinstimmend wählen und welche Indivi- duen im Laufe eines Wahlkampfes tatsächlich ihre Meinung ändern. Die Merkmale von solchen Wechselwcihlern sind für Wahlforscher schon seit langem von besonderem Interesse. Lazarsfeld et al. (1944) und Converse (1962) beschrieben diese Wähler als Individuen mit "schwachen" Prädispositionen, wenig politischem Interesse und politischem Wissen und als solche, die nur wenig vom Wahlkampf in den Medien miterleben. Zaller (1989; 1992) deutete auf ein komplexes Geflecht zwischen politischer Aufmerksamkeit, Wahlkampfberichterstattung und Wechselwählerschaft (beziehungsweise Abweichung von den Parteidispositionen) als Erklärungsmodell hin. Diese Beziehungen sind abhängig von der Wichtigkeit der Wahl. Politische Wahlen, wie die amerikanische Präsidentschafts- und die deutsche Bundestagswahl, sollten eine stärkere Polarisierung in den individuellen Einstellungen zu Kandidaten und Par- teien hervorbringen, da die ungeheure Menge an Wahikarnpfinformationen und der geichmä- ßige Infonnationsfluß in solchen Wahlkampfkampagnen Individuen eher dazu führen, Meldun- gen zu beachten, die mit ihren ursprünglichen Dispositionen übereinstimmen, (Zaller 1992; siehe auch Hypothese 2 weiter oben). Darüber hinaus ist dieser Prozeß am stärksten bei solchen Wählern, die politisch interessiert sind und viele Wahlkampfinformationen aufnehmen. Einstellungsverändeningen, die groß genug sind um ein Individuum zum Wechselwähler zu machen, sollten - wenn überhaupt - bei wenig interessierten oder politisch involvierten Wählern zu finden sein.6) Dies führt uns zu unserer vierten Hypothese.

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 15

4. Individuen, die gegen ihre ursprünglichen Präferenzen und Dispositionen stimmen, soll- ten a) schwächere ursprüngliche Prädispositionen, b) einen größeren Einstellungswechsel während der Wahlkampagne weg von ihren ursprünglichen Prädispositionen und C) weniger politisches Interesse und Aufnahme von Wahlkarnpfinfonnationen haben.

Daten: Die Daten fur unsere Untersuchung stammen von der 1990er Bundestagswahlstudie, einem Panel, das von der Forschungsgruppe Wahlen durchgefUhrt wurde.7) Die Daten wurden vom Zentralarchiv fur Empirische Sozialforschung der Universität zu Köln aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Unsere Analysen basieren auf 799 Wählern der vier großen Parteien, die in der letzten (Dezember)Welle des Panels und auch im Juni und Oktober/November interviewt wurden. Die Wahlentscheidung der Behgten ist mit der tatsächlichen Stimmenverteilung der Wahl im Dezember fast identisch. (Dabei konzentrieren wir uns nur auf die alten Bundesländer, mit Ausnahme von Berlin, da fur die neuen Bundesländer keine fur unser Modell wichtige langfristige Prädispositionen angenommen werden können):

Wie oben erwähnt, ist die abhängige Variable in unserer Analyse die (dichotomisierte) Wahlentscheidung fur eine der Regierungsparteien CDU/CSU/FDP (codiert als 1) oder eine der Oppositionsparteien SPD und Grüne (cadiert als 0). Obwohl die Widder der regierenden Parteien CDUICSU und FDP in unserer Stichprobe leicht unterrepräsentiert sind, fUhrt eine Analyse mit den (repräsentativ) gewichteten Daten praktisch zu den gleichen Erklärungsmu- stern. Der Gewichtungsprozeß fUhrte lediglich zu einer leichten Steigerung der "prädispositio- nierten" Wahl fur die Regierungsparteien.

CDUICSU FDP SPD

Die Grünen

Die unabhängigen Variablen repräsentieren Standardrnessungen der jeweiligen Konzepte in der deutschen ~ a h l f o r s c h u n ~ . ~ ) Alle Variablen wurden so skaliert, daß positive Werte Pro- Regierungs- und negative Werte Pro-Oppositionswerte darstellen. Dabei ist die Null der theo- retische neutrale Punkt auf der Skala. Fehlende Werte wurden auf den theoretisch neutralen Punkt gesetzt, das heißt m Null recodiert. Parteiidentifikation (Pm) wurde auf einer Skala von +5 bis -5 gemessen. Dabei wurde die Parteiidentifikation des Individuums im Falle einer Re- gierungspartei mit +1 und im Falle einer Oppositionspartei mit -1 codiert und mit der berichte- ten Parteistärke (mit '1' fur sehr schwach bis '5' für sehr stark) multipliziert. Die Behgten, die keiner Partei zuneigten oder die angaben, keine Parteiidentifikation m haben, wurden als '0' codiert. Die ideologische Links-/Rechts-Identifikation (LR) wurde ebenfalls von -5 (links) bis

Wahlstudie 1990 44.2% 10.1% 40.3% 5.4%

Offizielles Wahlernebnis 46.3% 11.1% 37.8% 4.8%

16 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

+5 (rechts) skaliert. Die Perzeption der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik (NWL) wurde auf einer Skala von -2 (die, die glaubten die wirtschaftliche Lage sei sehr schlecht) bis + 2 (die, die glaubten die wirtschaftliche Lage sei sehr gut) skaliert. Beurteilungen der Regie- rungskompetenz (RK) wurden ebenfalls auf einer Skala von +5 bis -5 gemessen. Dabei sind Befragte mit -5 diejenigen, die mit der Leistung der CDU/CSU/FDP-Regierung völlig unzu- frieden sind. Individuen mit +5 sind dahingegen komplett zufrieden. Die Beurteilung der beiden Kanzlerkandidaten (Kand), Helmut Kohl und Oskar Lafontaine, wurde auf einer Ther- mometerskala gemessen. Befragte, die sehr schlecht von dem betreffenden Kandidaten dachten wurden mit -5, Befragte, die sehr positiv dachten, mit +5 gemessen. Die in der Analyse benutzte Variable ist die Differenz dieser beiden Skalen, wobei positive Werte (die bis +10 gehen können) für die Befragten stehen, die Kohl sehr positiv und Lafontaine sehr negativ sehen. Negative Werte von -10 stehen für Individuen, die extrem pro Lafontaine und gegen Kohl eingestellt sind.

3. Resultate

3.1 Aktivierungseffekte im Wahlkampf 1990 Tabelle I zeigt die Resultate unseres generellen Aktiviemngsmodells mit den Effekten von Parteiidentifikation, ideologischer Selbsteinschätzung, Beurteilung der Regierungskompetenz, Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des Landes und der Differenz der Kandidateneinschät- zung der Befragten auf die Wahlabsicht. Im Modell sind die Juniwerte und die Veränderungen von Juni zu Oktober/November enthalten. Das Modell wurde mit der verallgemeinerten Me- thode der Kleinsten Quadrate für Modelle mit dichotomen abhängigen Variablen geschätzt (Aldrich/Nelson 1984). Die nichtstandardisierten Koeffizienten können als direkte Verände- rungen in der Wahrscheinlichkeit der Wahl für die Parteien der Regierungskoalition bei der Veränderung von einer Einheit in der unabhängigen Variable interpretiert werden. Weiterhin kann der Nettoeffekt einer jeden Variablen auf das Niveau der abhängigen Variable (d.h., den aggregierten Ausgang der Wahl) berechnet werden, indem der nichtstandardisierte Koeflizient mit dem Durchschnitt einer gegebenen unabhängigen Variable multipliziert wird (Achen 1982, 7 1-73; DenkEnkel 1992)~)

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 17

Tabeiie 1: Regressionsmodeiie der Wahlentscheidung 1990: Einflüsse von Juni-Ein- steiiungen und Juni-Oktober/November Einsteliungsveränderungen

Geschätzte Wahlentscheidung ftir die Regierungsparteien, Volles Modell:52.7%. Geschätzter Nettoeffekt der Wahlkampfveränderungen: 2.2%. % korrekt geschätzt, keine Wahlkampfveränderungen: 84%. Koeffizienten sind Generalisierte Kleinste Quadrate Schätzer. Standardfehler in Klammem. Die abhängige Variable ist wie folgt codiert: 1 fur Wähler einer der Regierungsparteien und 0 fur Wähler der Oppositionsparteien. Koeffizienten mit * sind signifikant auf dem .05 Niveau (zweiseitig). Die Anzahl der Fälle ist 799. Quelle: Wahlstudie 1990 Panel, Forschungsgruppe Wahlen, Mannheim.

Variable

Juni PID

APID

Juni LR

ALR

Juni NWL

ANWL

Juni RK

ARK

Juni KAND

AKAND

Konstante

Angepaßtes R~

Durchschnitt

-.I7

.19

.I 1

-.01

.97

.oo

1.24

.45

-.30

1.16

b

.09 1 * (.003) .050*

(.OO 1)

.007* (.002)

.007* (.002)

.008 (.008)

.002 (.007) .002

(.004)

.OOO (.003)

.006* (.002)

.010* (.002)

.510

.54

Beta

.62

.22

.03

.03

.O 1

.oo

.O 1

.OO

.06

.07

Aggregateffekt (Durchschnitt)

-.015

.010

.001

.OOO

.008

.ooo

.002

.OOO

-.002

.012

18 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Wie die Durchschnittswerte der unabhängigen Variable in Spalte 1 der Tabelle zeigen, sind die politischen Dispositionen der Befragten im Juni geteilt: Die Werte für Parteiidentifikation und Kandidateneinschätzung waren im Durchschnitt pro Opposition, die Verteilung der Links- Rechts-Einstellung favorisierte schwach die Regierungsparteien. Die Einschätzungen der Re- gierungskompetenz sowie der nationalen wirtschaftlichen Lage favorisierten deutlich die Re- gierungsparteien. Die in der Tabelle dargestellten Ergebnisse deuten auch darauf hin, daß die Einstellungsveränderungen im Laufe der Wahlkampagne die Regierungsparteien favorisierten. Während die Durchschnittswerte der Kandidateneinschätzung, der Regierungskompetenz und der Parteiidentifikation sich in einer positiven Richtung veränderten, blieben die Durch- schnittswerte der ideologischen Links-Rechts-Einschätzung und der Einschätzungen der wirt- schaftlichen Lage im Pnnzip unverändert. Diese Resultate bestätigen andere Befunde, die auf- zeigten, daß das deutsche Elektorat die Regierungskompetenz (besonders bezüglich des Wie- dervereinigungsthemas) und die Kanzlereinschätzungen zum Ende der Wahlkampagne hin positiver beurteilten (Küchler 1991 ; Schulz/Kindelman 1993).

Welche Bedeutung hatten die relativen Effekte der ursprünglichen politischen Dispositionen und ihrer Veränderungen über die Wahlkampagne hinweg und wie wirken sich diese Befunde auf Aktivierung und Konversion im Wahlkampf aus? Die Tabelle unterstützt einmal die Akti- vierungsthese und zeigt darüber hinaus weitere interessante Befunde auf. Die starken Effekte der Juni-Parteiidentifikation auf dem Individualniveau deuten auf eine Aktivierung hin. Dies ist auch der stärkste Effekt auf die eventuelle Wahlentscheidung im Dezember. Auch die anderen Juni-Variablen, die ideologische Identifikation und die Kandidatenpräferenzen, liegen auf dieser Linie. Die Effekte der Juni-Einschätzungen bezüglich der Regierungskompetenz und der nationalen wirtschaftlichen Lage sind dagegen sowohl auf der Individualebene als auch auf den aggregierten Wahlausgang vernachlässigbar. Die prognostische Stärke des Aktivierungsmodells

kann dadurch erfaßt werden, daß die Änderungsvariableil iin Modell auf '0' gesetzt werden, das heißt, es wird kein Wahlkampfeffekt angenommen. Mit den anderen Variablen wird eine Wahlabsicht mit den Werten aus Tabelle 1 Dieses Vorgehen resultierte in einer korrekten Prognose von 84 Prozent der Stichprobe. Somit wurde die erste Hypothese bestätigt und alles deutet darauf hin, daß für die Mehrheit der deutschen Waler der Haupteffekt der Wahlkampagne darin bestand, ihre politische Dispositionen aus der Vonvahlkampfzeit zu aktivieren. Dieser Prognosewert ist praktisch identisch mit dem, den Finkel (1993) für die USA fand. Somit deutet alles darauf hin, daß der Aktivierungsprozeß in Wahlen beider Länder gleichermaßen stattfindet.

Gleichzeitig zeigt Tabelle 1 , daß die Änderungen während der Wahlkampfzeit (und zwar An- derungen in der Parteiidentifikation, der Ideologie und der Kandidatenpräferenzen) signifikante Einflüsse auf die Wahl darstellen. Dabei wirken sich die hderungen in Parteiidentifikationen und Kandidatenpräferenzen neben der Juni-Parteiidentifikation im Modell am stärksten aus. Dies deutet auf einen Einfluß der Wahlkampagne auf die Wahlabsicht (zugunsten der

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 19

Regierung), sofern diese Variablen zwischen Juni und November sich veränderten. Insgesamt war der Effekt einer wahlkampfbedingten Konversion auf die Individualabsicht allerdings stark begrenzt, da die Änderungen der politischen Einstellungen in erster Linie die politischen Dispositionen der meisten Individuen verstärkte. l l ) Während also die nicht standardisierten Koeffizienten der Änderungsvariablen von Tabelle 1 eine potentielle Konversion im großen Stile aufzeigen, war diese Art von Effekt in der 1990er Wahl nicht weit verbreitet. 2,

3.2 Wahlkampfeffekte und Wahlausgang 1990 Auf dem Aggregatniveau weisen die Ergebnisse von Tabelle 1 auf einen stärkeren Effekt hin. Zu Beginn der Wahlkampagne prognostizierte unser Modell in etwa einen 50 / 50 Wahlausgang zwischen den Regierungs- und Oppositionsparteien, wobei die Vorteile auf seiten der Regierung durch die ideologischen Dispositionen und die Perzeption der Regierungskompetenz und der wirtschaftlichen Lage (abzulesen an dem positiven Durchschnitt und dem Aggre- gateffekt dieser Variablen in Tabelle 1) durch die Vorteile der Opposition (negative Durch- schnitte und Einfluß) bei der Parteiidentifikation und Kandidateneinstellungen aufgehoben wurde. Am Ende der Wahlkampagne resultierte der Nettoeffekt der Pro-Regierungsverände- rungen in der öffentlichen Meinung (die beiden Kanzlerkandidaten und Parteiidentifikation betreffend) in einem Zugewinn des aggregierten Regierungsstimmenanteils von 2,2 ~rozent.' 3,

Diese Zahl liegt innerhalb der plus-minus drei bis vier Prozentpunkte, die auch bei anderen Untersuchungen gefunden wurde, wobei in diesem Fall der "echte" Effekt größer war, als in allen bisherigen Analysen. Aus der Perspektive des Aktivierungsmodelles gesehen, hat die Wahlkampagne 1990 eine genügend starke Anzahl von Stimmen dahin verändert, daß eine anfängliche Pattsituation nun in einen soliden Regierungssieg umfunktioniert wurde. In diesem Sinne hatte die Wahlkampagne, (wie klein auch immer der Effekt auf dem Individualniveau war), große politische Konsequenzen.

Nachdem wir bisher gezeigt haben, daß unser Aktivierungsmodell sowohl auf dem Individual- als auch auf dem Aggregatniveau die Wahl relativ genau vorhersagt, wenden wir uns im nächsten Abschnitt mehr traditionellen " Wahlkampfeffekten" wie dem Umfang der Verstärkung und der Änderung der Wahlabsicht zu.

3.3 Verstärkereffekte bei der Bundestagswahll990 Wie oben erwähnt, haben mehrere Untersuchungen große Veränderungen in der aggregierten Wahlabsicht während des Wahlkampfes 1990 festgestellt. So verlor der Oppositionskandidat Oskar Lafontaine im Sommer und Herbst 1990 deutlich an Führung, die er noch Ende 1989 und Anfang des Jahres 1990 innehatte (Kaase 1992; Küchler 1991). Entwicklungen in der ag- gregierten Wahlabsicht sagen jedoch nichts über eventuelle Verstärkereffekte aus. Analysen auf dem Individualniveau sind notwendig, um effektive Veränderungen während des Wahlkampfes

20 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

festzuhalten. Nachfolgend berichten wir über unsere Ergebnisse bezüglich eines Verstärkereffektes in der 1990er Wahikampagne. Zunächst präsentieren wir unsere Resultate h r jede der vier Parteien in Tabelle 2 und zeigen anschließend auf, welche Individuen für die jeweilige Koalitionspartei wählten, die sie schon frühzeitig in der Wahkampagne präferierten.

Die ersten beiden Spalten in Tabelle 2 zeigen den Umfang der Unterstützung für jede der vier Parteien während der Juni-Umfrage sowie den Prozentsatz der Befragten, die diese Partei im Dezember walten. Diese Befunde bestätigen für den Juni eine Führung der SPD und Grünen. Die Unterstützung für beide Parteien addieren sich zu 50 Prozent, während 44,4 Prozent die CDUICSU oder die FDP unterstützten. Die verbleibenden Befragten waren unentschieden. Die tatsächlich berichtete Wahlentscheidung (wie in der letzten Spalte der Tabelle zu sehen) war 54,3 Prozent für die Regierungsparteien und 45,7 Prozent für die Opposition. Offensichtlich gab es whhrend der Wahikampagne Veränderungen in der Wahlabsicht.

Tabelle 2: Wahl im Dezember bei Juni-Wahlabsicht (Alle Parteien)

Die Anzahl der Falle ist 799 Wjhler der 4 großen Parteien. * Die Juni-Parteiunterstützung addiert sich aufgrund der "unentschiedenen Wähler" nicht auf 100 Prozent.

Die Tabelle 2 zeigt auch, daß der Umfang der Verstärkung von Parteipräferenzen relativ hoch war. Die zweite Spalte der Tabelle zeigt, daß die zwei großen Parteien mit 74 Prozent für die SPD und 85 Prozent für die CDU "verstärkt" wurden, während die zwei kleineren Parteien von etwa 58 Prozent ihrer Juni-Anhänger weiterhin unterstützt wurden. Insgesamt sind es fast drei Viertel (72,7 Prozent) der Wählerschaft, die letztendlich für die Partei stimmten, für die sie bereits im Juni optierten. Und diese drei Viertel entsprechen ungefähr 77 Prozent all derer, die sich im Juni bereits für eine Partei entschieden (das heißt, die nicht entschiedenen im Juni sind ausgenommen). Diese Verstärkerrate ist sogar noch größer, wenn man die vier Parteien in zwei Blöcke "Regierung" und "Opposition" einteilt. Die dritte Spalte zeigt die Befunde dieser l'Blockverstärkung" (Granbergmolmberg 1988) und diese Ergebnisse sprechen für sich. Die Blockverstärkung trifft mit fast identischer Stärke und extrem hoch auf die FDP und die Grünen

FinkeUSchrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 2 1

zu. 85 Prozent all derer, die eine dieser Parteien unterstützen, wählten letztendlich diese Partei oder die Partei des Blockes. Auch für die zwei großen Parteien ist die Blockverstärkung noch etwas höher, als die "reine" Verstärkung, die wir in Spalte 2 darstellen. Allerdings ist die Anzahl derjenigen, die im Juni eine der großen Parteien unterstützen, um im Dezember eine kleinere zu wählen, deutlich limitiert. Insgesamt stimmen 81 Prozent der gesamten Stichprobe oder 85 Prozent all derer, die im Juni schon einer Partei zuneigten, entweder fur die Partei, die sie im Juni bereits unterstützen, oder aber für den prospektiven Koalitionspartner.

Das gleiche Muster (wohl auch aufgrund der Tatsache, daß die kleineren Parteien eine fast identische Verteilung von "reiner" und "Block"-Verstärkung haben) zeigt sich für die Parteien, wenn sie in Koalitionsgruppen eingeteilt sind. Tabelle 3 verdeutlicht die Beziehung zwischen der Juni-Wahlabsicht und der Wahlentscheidung im Dezember. Hier zeigt sich auch deutlich der Umfang des Verstärkereffektes und der Umfang und die Richtung der wahlkampfbedingten Veränderungen der Wahlabsicht.

Tabelle 3: Regierungs-/Oppositionswahl bei Juni-Wahlabsicht

Einerseits, wie oben angemerkt, haben 81 Prozent aller Beli-agten entsprechend ihrer Juni- Neigungen im Dezember abgestimmt. Andererseits zeigt der Unterschied zwischen der Ände- rungsrate fur die Regierung und die Opposition, daß die CDU/CSU/FDP-Koalition offensicht- lich eine bessere Wahlkampagne führte. Fast 21 Prozent der Juni-Anhänger der Opposition entschieden sich für eine der Regierungsparteien. Dagegen schaffte es die Opposition lediglich bei acht Prozent, deren ursprüngliche Wahlabsicht fur eine der Regierungsparteien in eine Wahl für eine der Oppositionsparteien umzuwandeln. Die Analyse dieser selbstberichteten Wahlabsicht deutet folglich darauf hin, daß größere Wahlkarnpfeffekte, als wir in unserem Wahlkarnpfaktivierungsmodell darstellten, stattgefunden haben.

Wahlabsicht im Juni

3.4 Verstärkung, Aktivierung und Konversion bei der Bundestagswahl1990 Unsere These war, daß der Aktivierungsprozeß selbst einen starken Einfluß auf den Umfang der wahlkampfbedingten Verstärkung und der Änderung der Wählerpräferenzen hat. Sollte diese Hypothese zutreffen, dann sollten die Individuen, die "konvertierten" (siehe Tabelle 3), diejenigen Wähler sein, deren ursprüngliche Wahlabsichten und Prädispositionen inkongruent waren. Da der Wahlkampf ihre ursprünglichen Dispositionen "reaktivierte", muß sich ihre

Wahl

Opposition 79.3% 20.8% 50.1%

Opposition Regierung Gesamt

Unentschieden 45.5% 54.5% 5.5%

Regierung 7.9%

92.1% 44.4%

Gesamt 45.7% 54.3% N=799

22 ZUMA -Nachrichten 34, Jg. 18, Mcii 1994

Wahlentscheidung letztendlich von der ursprünglichen Wahlabsicht unterscheiden. Gleichzeitig sollten Individuen, deren ursprüngliche Wahlabsichten und Prädispositionen kongruent waren, für die Partei oder die Koalitionsgruppe stimmen, die sie schon zu Beginn der Wahlkampagne favorisierten. Wir zeigen die Resultate dieser Analyse in Tabelle 4 und die Befunde verdeutlichen, wie die 1990er Wahlkampagne die Wähler beeinflußte und letztendlich zu einem Stimmengewinn für die Regierungsparteien führte.

Tabelle 4 beinhaltet die Zusammenfassung von Verstärkung, Aktivierung und Konversion in der 1990er Bundestagswahl. Wir benutzen die "prognostizierte" Wahl der in Tabelle 1 enthal- tenen Werte, um den Umfang der Wahikampfaktivierung zu schätzen. Die erste Reihe zeigt die Befragten, deren Wahlpräferenz im Juni konsistent mit ihrer "prognostizierten Wahl" war. Die zweite Reihe beinhaltet die Befragten, deren Wahlabsicht inkonsistent mit ihrer "prognos- tizierten Wahl " war und die dritte Reihe zeigt die Wähler, die im Juni noch unentschlossen wa- ren.

Tabelle 4: Verstärkung, Aktivierung und Konversion bei der Bundestagswahi 1990

Die Tabelle zeigt zunächst, daß der Umfang der "Verstärkung" im Wahikampf direkt davon abhängt, ob diese Präferenzen konsistent oder inkonsistent mit den Prädispositionen oder der "prognostizierten Wahl" im Juni waren. Wenn die Wahlabsicht und die Dispositionen kongru-

ent sind, dann findet Verstärkung zu nahezu 90 Prozent statt. Wenn Wahlabsicht und Disposi-

Anzahl Reihenprozentwerte Gesamtprozentwerte

Juni-Wahiabsicht Konsistent mit Dispositionen

Inkonsistent mit Dispositionen

Unentschieden

Wahl im Dezember Konsistent mit Juni Dispositionen

620 87.2% 77.6% (Verstärkung)

20 45.5% 2.5%

(Re-Aktivierung)

30 68.2% 3.8%

(Aktivierung)

Inkonsistent mit Juni Dispositionen

9 1 12.8% 1 1.4% (Konversion)

24 54.5% 3.0%

(Verstärkung)

14 31.8%

1.8% (Konversion)

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 23

tionen inkongruent sind, findet die Verstärkung nur bei etwas über der Hälfte dieser Behgten statt. Auch diese Zahlen sind nahezu identisch mit denen im amerikanischen Kontext (Finkel 1993). Dies deutet darauf hin, daß die Interaktion zwischen berichteten Wahlabsichten und politischen Prädispositionen einen mächtigen generellen Determinanten einer Wahlkarnpfier- stärkung darstellt.

Ein weiterer Befund ist, daß Wahlkämpfe die latenten Wahlabsichten von etwa der Hälfte der Individuen, deren ursprüngliche Präferenzen und Dispositionen inkonsistent waren, "reakti- vieren". In dieser Wahl waren dies nur etwa sechs Prozent der gesamten Stichprobe. Dennoch sind 90 Prozent dieser Gruppe prognostizierte Wähler der Regierungskoalition. Der Wahlkampf führte dazu, daß die Hälfte dieser Befragten gegen ihre ursprüngliche Wahlabsicht (die fur die Opposition war) stimmten, da ihre Prädispositionen über den Verlauf des Wahlkampfes reaktiviert wurden. Das heißt, daß zumindest ein Teil dieser Bewegung in der Wechsel- wählerschaft ein vorhersagbarer Effekt der Wahlkampfieaktivierung war. Ein weiterer vorher- sagbarer Wahlkampfeffekt ist die relativ hohe Rate der Wahlkampfaktivierung fur die unent- schlossenen Wähler. 70 Prozent dieser Befi-agten wählen in Übereinstimmung mit ihren Juni- Dispositionen. Auch hier beinhaltet die Anzahl der unentschlossenen Wähler im Juni nur etwa sechs Prozent des Elektorats, aber auch diese Wähler waren disproportional pro Regierung in ihren Prädispositionen. Ein genauer Blick auf die "prognostizierte Wahl" der unentschlossenen Behgten zeigte, daß 70 Prozent davon als Regierungswähler prognostiziert wurden und der Aktivierungsprozeß darin bestand, daß die meisten dieser Individuen in Übereinstimmung mit ihren Prädispositionen wählten.

Zusammengenommen prognostizieren die Verstärker- und Aktivierungsprozesse etwa 87 Pro- zent der Wählerstimmen in der 1990er Wahl. Diese extrem hohe Zahl entspricht etwa dem USA-Wahlkampf von 1980 (Finkel 1993). Weiterhin hatte ein Großteil der "aktivierten" und "reaktivierten" Wähler in dieser Wahl Pro-Regierungs-Dispositionen. Von daher war ein Großteil der Wechselwähler ein vorhersagbares Resultat dieser Prozesse. Aber die Tatsache, daß ein Großteil der Wahlabsicht vorhergesagt werden kann, sollte nicht darüber hinwegtäu- schen, daß eine immerhin signifikante Anzahl von Individuen gegen ihre ursprünglichen Präfe- renzen und ihre "prädispositionierte" Wahl stimmten. Tabelle 4 zeigt, daß der Anteil dieser echten Wahlkampfkonvertierer etwas über 13 Prozent des Elektorats ausmachte. Diese Wähler waren diejenigen, die vom Wahlkampf in einer nicht vorhersagbaren Weise beeinflußt wurden und auch dieser Anteil war überwiegend pro Regierung: Von 105 Wählern, die gegen ihre ur- sprünglichen Wahlabsichten und Prädispositionen stimmten, wählten 68 (oder 84,8 Prozent) fur eine der Parteien in der Regierungskoalition. Anders formuliert können diese Befunde da- hingehend interpretiert werden, daß die Parteien in der Regierungskoalition erfolgreich waren, ihre Anhänger zu mobilisieren, während dies der Opposition nur sehr viel weniger gelang. So war die Rate der Verstärkung der Behgten, die im Juni pro Regierung waren, etwa 92 Prozent, während die der Oppositionsanhänger nur 82 Prozent betrug. Das heißt, eine der "unvor-

24 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

hersagbaren" Wahlkampfeffekte ist die Fähigkeit der Parteien, die Wähler, deren Präferenzen und Dispositionen zu ihren Gunsten ist, letztendlich auch zu mobilisieren. In der Wahl 1990 war die Regierung deutlich erfolgreicher als die Opposition, ihre Anhänger zu mobilisieren und dies resultierte in einem ("unvorhersagbaren") Nettoeffekt von vier Prozent. 4,

3.5. Wer konvertiert während eines Wahlkampfes? Unsere Analysen ergaben, daß etwa 13 Prozent der Wähler in einer nicht vorhersagbaren Weise im Laufe der Wahlkampagne ihre Wahlabsicht veränderten. Im Gegensatz zu den USA sind diese 13 Prozent jedoch nicht gleichmaig auf Regierungs- und Oppositionsparteien verteilt. Von daher kann man sagen, daß diese Konversion der Schlüssel zu Erklärung des aggregierten Wahlausgangs der Bundestagswahl 1990 ist. Geht man davon aus, daß diese "Wechselwähler" einen disproportionalen Einfluß auf den Wahlausgang haben, ist es von besonderer Bedeutung, wer während der Wahlkampagne konvertiert, das heißt, wie diese Wählerschaft zusammenge- setzt ist. In Tabelle 5 zeigen wir die Durchschnittswerte einer Reihe von theoretisch interessan- ten Variablen für Befragte, die während der Wahlkampagne "konvertierten", und für Befragte, die entsprechend ihrer Dispositionen und politischen Einstellungen gewählt haben.

Tabelle 5: Vergleich zwischen "stabilen" Wählern und wahlkarnpfbedingten Wechselwählern

T-Werte mit * signifikant auf .05 Niveau (zweiseitig). T-Werte mit + signifikant auf .10 Niveau (zweiseitig).

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfi? 25

Genauer gesagt, teilt die Tabelle die Wahler zunächst in solche, die fur die Regierung und in solche, die fur die Opposition gewählt haben, ein. Innerhalb jeder dieser Wählergruppen ist die Stichprobe weiterhin in "konvertierte" (die, die gegen ihre Präferenzen und Prädispositionen gewählt haben) und in "stabile" Wähler (das heißt, Behgte, deren Juni-Präferenzen und Dispositionen mit der Wahl kongruent waren) eingeteilt. Das Muster ist eindeutig. Unter den eventuellen Regierungswählem zeigen die Konvertierer ursprüngliche Dispositionen zugunsten der Opposition, hatten jedoch relativ schwächere Dispositionen als die stabilen ~ ä h l e r . ~ Bei den Konvertierem findet man auch einen größeren Effekt eines Pro-Regierungs-Wechsels in Parteiidentifikation, Kandidateneinstellungen und ideologischer Links-Rechts-Plazierung mit einem gleichzeitig niederen Niveau von Wahlkampfkommunikationsnutzung, Bildung und politischem Interesse. Das gleiche Muster gilt für letztendliche Oppositionswähler. Die Resultate bestätigen die Analysen von Lazarsfeld et al. (1944; 1948) und von einer neueren Studie von Zaller (1992), der die zunehmende Abschwächung von Parteineigungen in amerikanischen Präsidentschafkwahlen untersuchte: Die Wahl gegen die ursprünglichen Prä- dispositionen findet man gewöhnlicherweise bei den Wählern mit einer geringeren Nutzung von Wahlkampfkornmunikation und geringerem politischen Interesse. Darüber hinaus gehen die Konvertierer mit schwächeren Prädispositionen in den Wahlkampf und man findet unter ihnen stärkere Veränderungen der politischen Einstellungen, die die Wahlabsicht beeinflussen. Während also im großen und ganzen die Wählerschaft in einer vorhersagbaren Weise reagiert, gibt es doch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Wählern, die schwache Dispositionen haben, schlecht informiert sind und die ihre Stimme in einer Art und Weise abgeben, die nicht vorhersagbar ist. In der 1990er Bundestagswahlkampagne wurden diese Wähler disproportional in das Lager der Regierungsparteien gezogen und haben damit für ein Weiterbestehen dieser Regierungskoalition gesorgt.

6. Zusammenfassung und Diskussion

Das Ziel unserer Analyse war, die Art und den Umfang der Wahlkampfeffekte in der deutschen Bundestagswahl1990 zu beschreiben und einige mehr generelle Thesen zu Wahlkampfeffekten auf der Individualebene und den Wahlausgang zu testen. Wir formulierten ein relativ einfaches Aktivierungsmodell, um die Effekte der Phase vor dem heißen Wahlkampf und die Effekte des heißen Wahlkampfes selbst, also die Veränderungen, zu erfassen. Wir fanden, daß die politischen Einstellungen im Juni zur Parteiidentifikation, ideologischer Links-Rechts- Plazierung und zu den Einschätzungen der Kanzlerkandidaten den Wahlausgang zu 84 Prozent genau vorhersagte. Einstellungsveränderungen, die während des Wahlkampfes stattfanden, tendierten zur Verstärkung der ursprünglichen Dispositionen des Wählers und von daher waren die Wahlkampfeffekte der Konversion stark limitiert. Die Konversionen, die jedoch stattfanden, favorisierten überproportional die Regierungsparteien und W e n dazu, daß eine relativ enge

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 2 7

"Flexibilität" im Wahlprozeß hin (Berelson et al. 1954; GranberglHolmberg 1 988). Darüber hinaus ist die Tatsache, daß die Nutzung von Massenmedien und das generelle Interesse an Wahlkampfkomrnunikation den Wahlprozeß stabilisiert, sicherlich eine beruhigende Nachricht fu, die, die den Medien und der Instrurnentalisierung der Medien durch die Politiker eine Schwächung des Wahlprozesses zuschreiben. Dennoch sind die Charakteristika der Wechsel- wähler nicht gerade beruhigend, da unsere Daten darauf hindeuten, daß die Parteiwechsler während der 1990er Wahlkampagne viele Merkmale teilen: niedrige Bildung, geringes politi- sches Interesse, geringe Mediennutzung. Diese Charakteristika werden schon seit den 1940er Jahren (Lazarsfeld et al. 1944) beklagt. In dieser Wahl, in der zu Beginn der Wahlkampagne ein enges Kopf an Kopf Rennen angesagt war, wurde die These von Converse (1962) wieder bestätigt, daß es die am wenigsten informierten Wähler zu sein scheinen, die das kritische Zünglein an der Waage (durch Einstellungsverändeningen im Wahlkampf) für den Wahlaus- gang sind.

Anmerkungen

1) Die Autoren danken Michael Meffert und Annette Hanisch fur ihre hilfi-eiche Unterstützung bei diesem Projekt.

2) Steven E. Finkel ist Associate Professor an der Universität von Virginia in Charlottesville, USA. Der Beitrag entstand während eines Aufenthaltes als Gastprofessor bei ZUMA im Sommer 1993.

3) Es gibt einige Analysen, die Kurzzeitveränderungen von Wahlabsichten auf dem Indivi- dualniveau (Schrnitt-BecklSchrott, 1994; Schrott 1990a) und auf dem Aggregatniveau (Kepplingerh3rosius 1990) finden. Allerdings ist uns keine Studie bekannt, die den Gesamt- wahlkampfeffekt erfaßt.

4) Auch unsere empirischen Untersuchungen bestätigen die Befunde, daß traditionell wichtige demographische Faktoren wie Religion, Kirchgang, Alter und Bildung statistisch insignifikante Faktoren waren, die 1990er Wahl zu erklären.

5) Eigentlich handelt es sich bei der CDUICSU um zwei Parteien. Aufgrund eines Parteiab- kornmens tritt die CDU aber nicht in Bayern und die CSU nicht in den anderen Bundesländern an.

6) Norpoth und Baker (1980) bestätigen die "WechselwählerM-Hypothese fur deutsche Bundestagswahlen. Sie zeigen, daß Individuen mit niedrigen Mediennutzungsniveaus häufiger von einer Wahl zur anderen die Wahlabsicht ändern. Unsere Analyse untersucht vergleichbare Prozesse, allerdings innerhalb einer Wahlkampagne.

28 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

7) Zusammen mit Max Kaase, Hans-Dieter Klingemann (beide Berlin), Manfied Küchler (New York), Franz Urban Pappi (Mannheim) und Holly Semetko (Michigan).

8) Wir folgen Füheren Untersuchungen und analysieren lediglich die sogenannte "Zweitstimme". Die Zweitstimme ist die Stimme für die Partei und bestimmt letztendlich die Sitzverteilung im Bundestag.

9) Wie Finkel(1993) a n w produzieren diese "ImpactM-Analysen den Nettoeffekt einer un- abhängigen Variable auf das Niveau einer abhängigen Variable im Vergleich zu einer hypo- thetischen "neutralen" Wählerschaft. Das heißt, alle Individuen bekommen eine hypothetische '0' auf einer bestimmten unabhängigen Variable. Der Effekt der Wechselvariablen gibt an, wieviel wahlkampfbedingte Veränderung tatsächlich in der Stichprobe (verglichen mit einer hypothetischen Wählerschaft ohne Veränderung in der Wahlkampfperiode) stattfand.

10) Diese Prozedur generiert eine prognostizierte Wahlentscheidung für jeden einzelnen Be- hgten. Die Werte '>.5' wurden als Wahlabstimmung für die Regierung prognostiziert und die Werte '<.5' als Wahlabsicht für eine der Oppositionsparteien.

11) Eine prognostizierte Wahlabsicht (inklusive der Änderungsvariablen) wurde für jeden Be- hg ten berechnet. Eine Korrelation zwischen der Prä- und Postwahikampfiyahncheinlichkeit belief sich auf '9.

12) Die Ergebnisse einer Regression der Juni-Einstellungen auf die Oktober/November-Ein- stellungen verdeutlichen, daß die Oktober-November Kandidateneinstellungen eine Funktion der Juni-Einschätzung dieser Variable sowie der Parteiidentifikation und Links-/Rechts-Ein- stellung im Juni sind. Dies deutet darauf hin, daß die Individuen, die im Juni bereits pro Re- gierung waren, im Laufe des Wahlkampfes ihre ursprüngliche Einstellung festigten. Ein ähnli- ches Muster zeigt sich für die Variablen PID und L-R-Einschätzung: Wenn politische Disposi- tionen pro Regierung oder pro Opposition waren, dann verändern sich die politischen Ein- schätzungen in die gleiche Richtung.

13) Die Koeffizienten des vollen GKQ-Modells ergeben einen geschätzten Wahlanteil von 52,7 Prozent für die Regierung. Davon sind 2,2 Prozent direkt den Einstellungsänderungen der Wahikampfperiode zuzuschreiben. Der tatsächliche Stimmenanteil der Regierungsparteien war 54,3 Prozent und von daher ist es möglich, daß die 1,6 Prozent-Differenz zwischen der ge- schätzten und tatsächlichen Wahlentscheidung ebenfalls ein Resultat unspezifischer Wahl- kampffaktoren ist. Das würde den "totalen Wahlkampfeffekt" auf 3,8 Prozent heben. Es ist al- lerdings auch möglich, daß die Differenz ein Produkt des Gewichtungsprozesses der GKQ- Schätzung ist. Möglicherweise führt die Berechnung des Durchschnitts der abhängigen Variable durch die unabhängigen Variablen in der Gleichung y = C ( b j X j ) zu leichten mathematischen Diskrepanzen.

Finkel/Schrott: Wühlerstimmen durch Wc~hlkiimpfe? 29

14) Da die 105 Wähler 13,2 Prozent der gesamten Stichprobe repräsentieren und die Regierung davon 64,8 Prozent der Stimmen erhielt, ist der Prozentsatz der Pro-Regierungs-Konvertierten 8,6 Prozent (.648 X 13.2). Die Prozentzahl der Pro-Oppositions-Konvertierten in der Stichprobe war 4,6 Prozent (.352 X 13.2) und der Nettoeffekt zugunsten der Regierung war genau 4 Prozent. Die Individuen, deren Juni-Präferenzen verstärkt wurden (obwohl sie gegen ihre Dispositionen gerichtet waren), wählten disproportional die Opposition und dies erklärt, warum der gesamte Wahlkampfeffekt für alle Individuen, die gegen ihre Juni-Disposition wählten (siehe Diskussion der Tabellen 1 und 2), nur 2,2 Prozent betrug.

15) Die Variable "Stärke der Dispositionen" wurde so gebildet, daß Werte, die (auf der "dispositionierten" Wahlentscheidung) entweder sehr groß (pro Regierung) oder sehr klein (pro Opposition) waren, große Werte auf dieser Stärkevariable erhielten und Werte, die nahe l.5' waren, kleine Werte auf dieser Stärkevariable erhielten.

Literatur

Abramson, P.R./Aldrich, J./Rhode, D., 1990: Change and Continuity in the 1988 Elections. Washington, D.C.: Congressional Quarterly Press.

Achen, C., 1982: Interpreting and Using Regression. Beverly Hills: Sage hblications.

Aldrich, J./Nelson, F., 1 984: Linear Probability , Logit and Probit Models. Beverly Hills: Sage Publications.

Alger, D. E., 1989: The Media and Politics. Englewood Cliffs, N. J.: Prentice Hall.

Baker, K.L./Dalton, R.J./Hildebrandt, K., 1981 : Germany Transformed: Political Culture and the New Politics. Cambridge: Harvard University Press.

Bartels, L.M., 1993: Messages Received: The Political Impact of Media Exposure. American Political Science Review 87: 267-285.

Berelson, B.R./Lazarsfeld, P.F./McPhee, W.N., 1954: Voting. Chicago: University of Chicago Press.

Campbell, A./Converse, Ph.E./Miller, W.E./Stokes, D., 1960: The American Voter. New York: John Wiley and Sons.

Converse, Ph.E., 1962: Information How and the Stability of Partisan Attitudes. Public Opinion Quarterly 26: 578-99.

Converse, Ph.E., 1966: The Concept of a Normal Vote. S. 9-39 in: A. Campbe1Wh.E. Con- verse1W.E. MillerD. Stokes (Hrsg.), Elections and the Political Order. New York: John Wiley and Sons.

Dalton, R., 1989: Electoral Behavior. In: G. Smithl et. al. (Hrsg.), Introduction to West German Politics. London: Macmillan.

3 0 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Denk, Ch.E./Finkel, St.E., 1992: The Aggregate Impact of Explanatory Variables in Logit and Linear Probability Models. Ametican Journal of Political Science 36: 785-804.

Falter, J.W./Rattinger, H., 1982: Parties, Candidates and Issues in the German Federal Election of 1980: An Application of Normal Vote Analysis. Electoral Studies 1 : 65-94.

Farah, B.G./iUein, E., 1989: Public Opinion Trends. S. 103-128 in: G. Pomper (Hrsg.), The Election of 1988: Reports and Interpretations. Chatham, N.J.: Chatham House Publishers.

Finkel, St.E., 1993: Reexamining the 'Minimal Effects' Model in Recent Presidential C m - paigns. Journal of Politics 55: 1-2 1.

Fiorina, M., 1981: Retrospective Voting in Amencan National Elections. New Haven: Yale University Press.

Forschungsgruppe Wahlen, 1990: Bundestagswahl 1990: Eine Analyse der ersten gesamtdeut- schen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990. Mannheim: Berichte der Forschungsgruppe Wahlen e.V., No. 6 1.

Frankovic, K., 1993 : Public Opinion in the 1992 Campaign. S. 1 10- 13 1 in: G. Pomper (Hrsg.), The Election of 1992. Chatham, N.J.: Chatham House Publishers.

Fuchs, D./Kühnel, St.M., 1990: Die evaluative Bedeutung ideologischer Selbst-identifikation. S. 217-253 in: M. Kaase/H.-D. Klingemann (Hrsg.), Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlaß der Bundestagwahl 1987. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Gelman, A./King, G., N.D, 1992: Why are Amencan Carnpaign Polls so Variable When Votes are So Predictable? Btitish Journal of Political Science. Forthcoming.

Gibowski, W.G./Kaase, M., 1991 : Auf dem Weg zum politischen Alltag: Eine Analyse der er- sten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990. Aus Politik und Zeitgeschichte B 1 1-12,3-20.

Graber, D., 1991: Media and Politics. S. 91-124 in: W. Crotty (Hrsg.), Political Science: Looking to the Future. Volume 3. Evanston: Northwestem University Press.

Graber, D., 1993: Political Communication: Scope, Progress, Promise. In: A.W. Finifter (Hrsg.), Political Science: The State of the Discipline 11. Washington, D.C.: Ametican Political Science Association.

Granberg, D./Holmberg, S., 1988: The Political System Matters. Cambndge: Cambndge Uni- versity Press.

Kaase, M., 1986: Massenkommunikation und politischer Prozess. In M. Kaase (Hrsg.), Politi- sche Wissenschaft und Politische Ordnung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Kaase, M., 1992: The Election to the German Bundestag of December 1990. Forthcoming in K.Ch. KaltenhalerIW. Luthardt (Hrsg.), The Politics of German Unification.

Kepplinger, H.M./Brosius, H.B., 1990: Der Einfluß der Parteibindung und der Fernsehbe- richterstattung auf die Wahlabsichten der Bevölkerung. In: M. Kaase/H.-D. Klingemann (Hrsg.), Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1987. Opladen: West- deutscherVerlag.

Finkel/Schrott: Wiihlerstimmen durch Wahlkämpfe? 3 I

Kepplinger, H.M./Dahlem, St./Brosius, H.B., 1993: Helmut Kohl und Oskar Lafontaine im Fernsehen: Ein Experiment mit Teilnehmern in den alten und neuen Bundesländern. In: Ch. Holtz-Bacha1L.L. Kaid (Hrsg.), Die Massenmedien im Wahlkampf: Untersuchungen aus dem Wahljahr 1990. Opladen: Westdeutscher Verlag

Kirchgässner, G., 1989: Der Einfluß wirtschaftlicher Variablen auf die Popularität der Parteien." In: J.W. Falter/H. Rattinger/K.G. Troitzsch (Hrsg.), Wahlen und politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt: Verlag Peter Lang.

Klingemann, H.-D./Wattenberg, M., 1993: Decaying Versus Developing Party Systems: Com- parison of Party Images in the United States and West Germany. Bntish Journal of Political Science 22: 1 3 1 - 149.

Küchler, M., 1991: Anschluß über Alles? What Did the Voter Decide in the 1990 German Elections? Paper presented at the Annual Meetings of the Midwest Political Science Associa- tion, Chicago, Illinois.

Lazarsfeld, P./Berelson, B./Gaudet, H., 1944: The People's Choice. New York: Columbia Uni- versity Press.

Lewis-Beck, M.S., 1989: Economics and Elections. Ann Arbor: University of Michigan Press.

Markus, G.B., 1982: Political Attitudes During an Election Year: A Report on the 1980 NES Panel Study. American Political Science Review 76: 538-560.

Markus, G.B./Converse, Ph.E., 1979: A Dynamic Simultaneous Equation Model of Electoral Choice. American Political Science Review 73: 1055-70.

McCubbins, M.D., 1992: Party Decline and Presidential Campaigns in the Television Age. S. 9- 58 in: M.D. McCubbins (Hrsg.), Under the Watchful Eye. Washington, D.C.: Congressional Quarterly Press.

Mendelsohn, H./OIKeefe, G.J., 1976: The People Choose a Resident. New York: Praeger Press.

Noelle-Neumann, E., 1983: Massenmedien und Meinungsklima im Wahlkampf. In: W. Schulz/K. Schönbach (Hrsg.), Massenmedien und Wahlen. Munich: Oelschläger.

Noelle-Neumann, E., 1990: Meinungsklima und Wahlforschung. In: M. Kaase/H.-D. Klinge- mann (Hrsg.), Wahlen und Wahler. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1987. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Norpoth, H., 1978: Party Identification in West Germany: Tracing an Elusive Concept. Compa- rative Political Studies 1 1 : 36-6 1.

Norpoth, H./Baker, K.L., 1980: Mass Media Use and Electoral Choice in West Germany. Comparative Politics: 1 - 14.

Norpoth, H.Nantek, T., 1983: Von Adenauer bis Schmidt: Wirtschaftslage und Kanzlerpopu- larität. In: M. Kaase/H.-D. Klingemann (Hrsg.), Wahlen und politisches System: Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1980. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Patterson, Th.E., 1980: The Mass Media Election. New York: Praeger Press.

32 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mui 1994

Patterson, Th.E., 1989. The Press and Its Missed Assignment. S. 93-1 10 in: M. Nelson (Hrsg.), The Elections of 1988. Washington, D.C.: Congressional Quarterly Press.

Patterson, Th.E./McClure, R.D., 1976: The Unseeing Eye. New York: Puttnam.

Popkin, S., 1992: The Reasoning Voter: Communication and Persuasion in Presidential Cam- paigns. Chicago: University of Chicago Press.

Radunski, P., 1980: Wahlkämpfe: Modeme Wahlkampfführung als Politische Kommunikation. Munich: Verlag Olzog.

Richardson, B., 1991: European Party Loyalties Revisited. American Political Science Review 85: 75 1-75.

Salmore, B.G./Salmore, St.A., 1989: Candidates, Parties and Campaigns. Washington, D.C.: Congressional Quarterly Press.

Schmitt-Beck, R./Schrott, P., 1994: Dealignment durch Massenmedien? Zur These der Ab- schwächung von Parteibindungen als Folge der Medienexpansion. In: H.-D. KlingemannrM. Kaase (Hrsg.), Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1990. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Schönbach, K., 1983: Das unterschätzte Medium: Politische Wirkungen von Presse und Fern- sehen im Vergleich. Munich: K.G. Saur Verlag.

Schönbach, K., 1987: The Role of Mass Media in West German Election Campaigns. Legisla- tive Studies Ouarterly 12: 373-94.

Schönbach, K., 1991: Mass Media in German Election Campaigns. S. 63-86 in: F.J. Hetcher (Hrsg.), Media, Elections and Democracy. Toronto: Dundurn Press.

Schrott, P., 1990a: Electoral Consequences of 'Winning' Televised Campaign Debates. Public Opinion Quarterly 54: 567-585.

Schrott, P., 1990b: Wahlkampfdebatten im Fernsehen von 1972 bis 1987: Politikerstrategien und Wählen-eaktion. In: M. KaaseM.-D. Klingemann (Hrsg.), Wahlen und Wähler: Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1987. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Schulz, W./Kindelmann, K., 1993: Die Entwicklung der Images von Kohl und Lafontaine im Wahljahr: Ein Vergleich der Wählerurteile mit den Urteilen ausgewählter Leitmedien. In: Ch. Holtz-Bacha1L.L. Kaid (Hrsg.), Die Massenmedien im Wahlkampf: Untersuchungen aus dem Wahljahr 1990. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Zaller, J.R., 1989: Bringing Converse Back. In: Information Flow in Political Carnpaigns. In: J.A. Stimson (Hrsg.), Political Analysis 1: 181-234. Ann Arbor: The University of Michigan Press.

Zaller, J.R., 1992: The Nature and Origins of Mass Opinion. Cambridge: Cambridge University Press.

Finkel/Schrott: Wählerstimmen durch Wahlkämpfe? 33

Anhang

Fragen, die in der Analyse verwendet wurden: (2. Wellel3. Welle der ZA-Studie 1919; "Wahlstudie 1990 (Panel)")

Parteiidentifjkation (V313N474) "Viele Leute in der Bundesrepublik neigen längere Zeit einer bestimmten politischen Partei zu, obwohl sie auch ab und zu eine andere Partei wählen. Wie ist das bei Ihnen: neigen Sie - ganz allgemein gesprochen einer bestimmten Partei zu? Wenn ja, welcher?"

Stärke der Parteiidentifikation (V314N475) "Wie stark oder wie schwach neigen Sie - alles zusammengenommen - dieser Partei zu?"

Links-Rechts-Ideologie (V276N439) "Es gibt eine Reihe von Begriffen, die man immer wieder hört, wenn von den politischen Par- teien die Rede ist, z.B. "links " und "rechts". (...) und nun hätten wir noch gerne von Ihnen ge- wußt, wo Sie sich selbst einstufen."

Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik (V208N361) "Wie beurteilen Sie ganz allgemein die heutige wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik? Ist sie sehr gut, gut, teils gutlteils schlecht, schlecht oder sehr schlecht?"

Einschätzung der Regierung (V187N340) "Sind Sie mit dem, was die jetzige CDUICSUIFDP-Regierung in Bonn geleistet hat eher zu- fiieden oder eher unzufrieden? "

Kandidateneinschähng "Was halten Sie von Helmut Kohl?" (V 1941347) "Was halten Sie von Oskar Lafontaine?" (V1 99N352)

Wahlabsicht (V171N326) "Und welche Partei würden Sie wählen?"

Wahl (V490 aus 4. Welie) "Und welche Partei haben Sie gewählt?"

Fernsehnulzung "An wievielen Tagen in der vergangenen Woche haben Sie Nachrichten im Fernsehen gese- hen?" (V2871445) "Haben Sie sich für Meldungen über Politik in den Fernsehnachrichten sehr stark, stark, etwas, kaum oder gar nicht interessiert?" (V289N447)

34 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Nutzung der Tageszeitung "An wievielen Tagen in der vergangenen Woche haben Sie eine überregionale Tageszeitung gelesen, wie z.B. die Frankfurter Allgemeine (FAZ), Die Welt, Süddeutsche, taz, Frankfurter Rundschau, aber BILD-Zeitung nicht eingeschlossen?" (V2921452) "Haben Sie sich dabei für den politischen Teil der Tageszeitung sehr stark, stark, etwas, kaum oder gar nicht interessiert?" (V2931453)

Bildung (V304N465) "Welchen Schulabschluß haben Sie?"

Politisches Interesse (V1681322) "Einmal ganz allgemein gesprochen - interessieren Sie sich für Politik?"

Hofieyer-Zloinik: Regionalisierung von Umfiagen 35

Jürgen H.P. Hofieyer-Zlotnik

A usgehend von einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Regionalstatistik in der Bundesrepublik Deutschland werden einige zentrale Aspekte einer Regionalisierung von

Umfi-agedaten vor dem theoretischen Hintergrund der sozial-räumlichen Differenzierung diskutiert. Hierbei wird einerseits auf die Datenbasis, die dem Umfi-ageforscher fur Hinter- grundmerkrnale zur Vefigung steht, eingegangen, andererseits wird der Frage nachgegangen, auf welcher räumlichen Ebene eine Regionalisierung von nationalen Umfragen möglich ist. In einem ausführlichen Schlußkapitel wird eine kleine Auswahl möglicher und zur Interpretation von Survey-Daten sinnvoller Indizes vorgestellt.

S tarting with a short overview over the development of regional statistics in the FRG some centrai aspects of regionalisation of survey data are discussed. Theoretical background is

the social-spatial differentiation approach. Data bases of social background chmcteristics available for survey researchers are considered as well as the appropriateness of regional level being reasonable for regionalising national survey data. Additionally, a set of indices facilitating the interpretation of survey data is presented.

1 Vorbemerkungen

1.1 Die Entwicklung in Deutschland Ein erster Ansatz zu einer Regionalisierung von Umfi-agedaten in Deutschland ist in der Auf- bereitung der Volkszählung von 1912 zu sehen, bei der einige wesentliche Zählungsergebnisse nach sogenannten Agglomerationsräumen ausgewiesen wurden (Schott 19 12). In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wird dieser Ansatz in Deutschland jedoch nicht weiter verfolgt. Das Feld bleibt den Sozialökologen der Chicagoer Schule überlassen (siehe u.v.a.: Burgess 1925, 1929; Cressey 1938; Duncan/Duncan 1955, 1957), deren Ideen und Erkenntnisse erst wieder durch die Remigration deutscher Soziologen aus den Vereinigten Staaten Anfang der Mziger Jahre zur Kenntnis genommen werden (siehe: Boustedt 1950; König 1958). Damit wird Regionalisierung in der Bundesrepublik Deutschland erst 1960 als Thema gesehen und f3x-t zur Aufbereitung der Ergebnisse der Volkszählung von 1950 fur einzelne Stadtregionen. Mit der

36 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

darauf folgenden Zählung von 196 1 beginnt in der Bundesrepublik die Regionalstatistik: Die Datenaufbereitung der Zählungen von 1961 ermöglichte die Auswertung der Daten in einer kleinräumigen Gliederung, sogar innerhalb von Stadtgebieten, teilweise bis hinab zu den Zählbezirken (vgl. ~oustedt 1966: 192 1 E).

1965 wurde das erste Gesetz über Raumordnung erlassen. Um die für eine aktive Raumordnung benötigte Datenbasis sicherzustellen konstituierte sich 1967 die Ministerkonferenz für Raumordnung, erließ die Richtlinien für die Zählungen von 1970171 und etablierte damit die Regionalstatistik als Mittel zur Landesplanung und Raumordnung. Erst seit der Existenz dieser Statistik ist auch eine Regionalisierung von nationalen Umhgen möglich.

Die Aufbereitung der Daten der Zählungen von 1970171 ermöglichte Analysen nicht nur auf der Ebene von Gemeinden, sondern auf der Ebene von Zähleinheiten. Damit waren die Daten auf der Ebene von Ortsteilen, statistischen Zählbezirken oder auch Stimmbezirken für Sfatistiker und Forscher zugänglich; in größeren Städten war die kleinste verfügbare räumliche Ana- lyseeinheit die Baublockseite. Mit der EinfUmmg der Datenschutzgesetzgebung sind viele von den Möglichkeiten, die die Datensätze von 1970171 bieten, durch eine restriktive Aufbereitung der Zählungen von 1987 nicht mehr möglich: Unterhalb der Gemeindeebene existiert in den größeren Städten nur noch die Ebene des Ortsteils oder statistischen Bezirks. Eine weitere Disaggregation von Zensus-Daten ist in Deutschland heute in der Regel nicht mehr möglich.

6.2 Die Theorie sozial-räumlicher Differenzierung Eine der zentralen Grundlagen für die Regionalisierung ist die von den Chicagoer Sozialöko- logen entwickelte Theorie sozial-räumlicher Differenzierung (vgl. Burgess 1925, 1929; vgl. Friedrichs 1977, 1978: 32 E ; Hamrn 1977, 1982a: 65f.). Diese Theorie basiert auf den An- nahmen:

1. in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft existiert eine starke soziale Differenzie- rung;

2. soziale Differenzierung von Gesellschaft findet ihren Niederschlag in einer Statushierar- chie von Gruppen;

3. unterschiedliche Räume, aus welchen Gründen auch immer, erfahren eine unterschiedli- che Bewertung und damit Wertigkeit (vgl. auch Ipsen 1980).

Geht man nun davon aus, daß die Menschen statusadäquat und unter ihresgleichen zu siedeln trachten und daß die unterschiedlichen Statusgruppen in Siedlungsräumen siedeln, die sie von ihrer Bewertung als statusadäquat erachten (Hoffineyer-Zlotnik 1977, 1984), dann wird deut- lich, daß soziale Differenzierung räumliche Differenzierung bewirken muß (Burgess 1925; Zorbaugh 1926; O'Brien 1942; ShevkyBell 1955; DuncanDuncan 1957; HofEneyer-Zlotnik 1979, 1986a). Die für die Regionalisierung zentrale Frage, die an die Theorie sozial-räumlicher Differenzierung anknüpft, ist: Durch welche Merkmale, sowohl sozial als auch räumlich, ist welcher Raum ausgewiesen. Ein Instrument, das versucht, dieser Frage nachzugehen, ist die

Hopeyer-Zlotnik: Regionulisierung von Umfiugen 37

Sozial-Raum-Analyse (ShevkyIBell 1955). Diese klassifiziert städtische Teilgebiete über sieben Indikatoren (ins Deutsche übertragen und am Beispiel der Stadt Hamburg demonstriert von Friedrichs 1977: 197ff.):

1. Anteil Arbeiter und Handwerker an den Erwerbstätigen. 2. Anteil der Hauptschulabgänger an der Wohnbevölkerung über 25 Jahre. 3. Miethöhe. 4. Fruchtbarkeitsquote. 5. Anteil erwerbstätiger Frauen an allen Frauen über 14 Jahre. 6. Anteil Einfamilienhäuser. 7. Ausländeranteil.

Diese sieben Indikatoren stellen drei Dimensionen dar: die Indikatoren 1 bis 3 stehen für "Sozialen Rang", die Indikatoren 4 bis 6 stehen für "Urbanismus" und der Indikator 7 für "Segregation". Ein weiteres Instrument, das auf der sozial-räumlichen Differenzierung aufbaut, ist die Faktorialökologie (Bell 1955; Sweetser 1965; verfeinert von Hamm 1982b, 1979b), die, weniger theoriegeleitet als die Sozial-Raum-Analyse, eine mehr oder minder große Zahl von Variablen korreliert und die resultierende Matrix einer Faktorenanalyse unterzieht, um so die möglichen Dimensionen zu finden. Nach Friedrichs (1977: 186f.) und Hamm (1982:65) sind die weltweit arn häufigsten identifizierten Faktoren:

1. "sozioökonomischer Status", 2. "Familienstatus", 3. "ethnische Minderheiten" oder "Migration", 4. "Dichte" oder "Spezialisierung von Landnutzung".

Hamm (1982a: 69ff. und 1982b) filtert in seinen eigenen Untersuchungen die Dimensionen "Bodenpreis" und "Grundrente" als die zentralen heraus. Alternativ zur Faktorenanalyse wurde auch die Clusteranalyse zur Strukturierung des Raumes herangezogen (z.B. Hamm 1979). Das dritte auf der sozial-räumlichen Differenzierung aufbauende Instrument ist die Wohnquartiers- beschreibung (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik 1984, 1986b), welche kleinste Raumeinheiten, soge- nannte "Sichtbereiche", über Variablen zu "Lage", "Dichte", "Nutzung" und "Status" erfaßt und zu homogenen Nachbarschaften aggregiert (siehe Punkt 3.6).

Eine Voraussetzung für die Sozial-Raum-Analyse und alle weiteren Verfahren, die diese zu er- setzen versuchen, ist jedoch einerseits eine Typisierung der Obereinheit "Stadt" - "Sozial- Räume" und "Wohnquartiere" sind Untereinheiten von "Stadt" - und andererseits, dieser Ty- pisierung vorgelagert, die Unterscheidung in "Stadt" und "Land". Für diese Typisierungen sind seit den fünfziger Jahren eine Reihe von Indizes entwickelt worden (Boustedt 1966; Hoffmeyer- Zlotnik 1981; BIK 1992; Behrens 1994), die im Kapitel 3 vorgestellt werden sollen.

38 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

1.3 Zur Definition des Raumbegriffes Die Vorbemerkungen abschließend ist noch zu Mären, welcher Raumbegriff bei der Regiona- lisierung von Umhgedaten zum Tragen kommt: Nach Boustedt (1975: 21) ist eine "Region", bezogen auf den Gesamtraum, ein Aggregat von kleinsten räumlichen Bausteinen. Damit ist eine Region immer in Abhängigkeit vom Gesamtraum zu sehen und stellt einen komplexen Teilausschnitt desselben dar. Dieses heißt: Ist der Gesamtraum eine Stadt, so ist die Region in der Regel ein Stadtteil oder ein Quartier; ist der Gesamtraum die Bundesrepublik, so kann die "Region" entweder ein Landesteil, oder eine admintstrative Einheit, oder ein Siedlungstyp sein. Von der unterschiedlichen räumlichen Sicht hängt auch die Wahl der Stnikturmerkmale zur Erklärung des Raumes und die Wahl von Kontextmerkmalen für die Bewertung von Um- hgeergebnissen ab.

2. Praxis der Regionalisierung von Umfragen

2.1 Die Datenbasis In der Regel bedeutet die Regionalisierung von Umhgen das Zuspielen von einem Set regio- naler Kontextmerkmale aus einem Zensus, Mikrozensus oder anderen Zählungen zu einem Survey-Datensatz. Idealerweise sollten die den Umhgedaten zuzuspielenden Kontextmerk- male aus sogenannten "objektiven" Daten bestehen und in möglichst Meinräumiger Gliederung vorliegen. Der Idealfall ist jedoch nicht der Regelfall. Damit steht die erste zentrale Frage im Raum: Welche Datenbasis steht fur die Regionalisierung von Umhgedaten zur Verfugung?

Genau betrachtet muß man feststellen, daß die zur VerfUgung stehende Datenbasis eher als schlecht zu bezeichnen ist. Zwar gibt es Unmengen von Daten - jedoch die wenigsten davon sind fur eine Regionalisierung von nationalen Umhgen zu nutzen. Zu einer Regionalisierung von nationalen Umhgen benötigt man Daten, die

a) flächendeckend, b) in möglichst feiner räumlicher Untergliederung, C ) für einen einheitlichen und aktuellen Zeitpunkt vorliegen. d) Die Daten müssen so aufbereitet sein, daß sie fur den Forscher nutzbar sind.

Datensätze, die diesen Kriterien theoretisch entsprechen, sind die aus den nationalen Voller- hebungen der amtlichen Statistik hervorgehenden Datensätze: Volkszählung, Gebäude- und Wohnungszählung, Arbeitsstättenzählung und so weiter, aber auch die Arbeitslosenstatistik der Arbeitsämter, die Wanderungsstatistik, die Wahlstatistik, sowie Zählungen von Hoch- schulabsolventen, und Krankenhausbetten, und Kindergartenplätzen, und Viehbeständen, und anderem mehr. Auch der Mikrozensus ist auf höherer Aggregatebene in diese Auf2ählung ein- zubeziehen.

Homeyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 39

Abgesehen davon, daß nicht jedes einem interessant erscheinende Zählungsergebnis in regio- naler Gliederung frei zugänglich ist, gibt es auch bei den zugänglichen Daten eine Reihe tech- nischer Probleme: Es gibt Probleme mit den Zählzeitpunkten. Zensen wie die Volkszählung, die Gebäude- und Wohnungszählung, die Arbeitsstättenzhhlung, finden ihrer Bezeichnung entsprechend bestenfalls alle zehn Jahre statt. In der Bundesrepublik standen bis 1990 nur die Daten der Zählungen von 197017 1 zur Verfügung. Eine inhaltliche Fortschreibung dieser Zen- susdaten mittels aktueller Daten, 2.B. aus Meldestatistiken, fand nicht statt. Die Fortschreibung der Großzählungsdaten bestand lediglich in einer Gebietskorrektur, sofern bei einer Änderung der administrativen Raumabgrenzung, z.B. durch Gemeinde- oder Kreisreformen, die Zhhlgebiete neu abgegrenzt wurden: Auf der Basis der Großzählungsdaten wurden die nach der neuen Abgrenzung falsch zugeordneten Falle neu zugeordnet. Wie wenig die Großzäh- lungsdaten über eine fortschreibende Korrektur aus den diversen Melde-Statistiken der An- und Abmeldungen von Einwohnern (Einwohnermeldeämter) oder Teilpopulationen (z.B. zentrales Ausländerregister) oder von Betrieben (Gewerbeämter) aktualisiert wurden, fand nicht zuletzt auch in der Begründung für die Notwendigkeit der neuen Zensen 1987 seinen Niederschlag. Es gab kein Gefühl mehr für die Gültigkeit der den aktuellen Planungen zugrundeliegenden Daten eines über eine Dekade zurückliegenden Zensus und der bisher regional nur grob schätzenden Mikrozensen. Nach dem neuen Stichprobenplan des Mikrozensus sind heute zumindest Aussagen für Siedlungseinheiten ab 200.000 Einwohner möglich. Und über STATIS-BUND stehen dem Mikrozensusnutzer Daten auf der Ebene der Raumordnungsregionen zur Verfügung.

Neben den in der Regel veralteten Zensusdaten und den regional relativ grob gegliederten Mi- krozensusdaten gibt es eine ganze Reihe von regelmäßigen Zalungen, die, je nach Vorschrift, vierteljährlich, halbjährlich, jährlich oder seltener für Perioden oder Stichtage erhoben werden - z.B. die Arbeitslosen, die Hochschulabgänger, die Krankenhausbetten, die Rinderbestände.

Betrachtet man den Aufbereitungszustand der Daten, so ergibt sich gleich eine Reihe von Problemen:

a) Die Aktualität der verfügbaren Daten ist sehr unterschiedlich: Zensusdaten sind schon arn Tage ihrer Freigabe hoffnungslos veraltet, da die Phase der Datenaufbereitung allein etwa 3 Jahre dauert.

Periodische Zählungen werden zwar schnell veröffentlicht und sind per Definition aktuell, lei- den aber eher:

b) unter der Unvollständigkeit der verarbeiteten Zahlunterlagen, denn gezählt werden kann nur das, was die untersten Erfassungseinheiten auf Kreis-, Gemeinde- oder Gemeinde- teilebene erfaßt und weitergemeldet haben, 2.B. die Anzahl der Gewerbebetriebe oder Sozialhilfeempfanger zu einem Stichtag;

C) unter mangelnder Differenzierung von Gruppen, z.B. Lebensalter in fünf Kategorien, Staatszugehörigkeit in zwei Kategorien;

40 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

d) unter einer wechselnden Definitionen der Grundgesamtheit, 2.B. wenn Fremdenbetten ab einer periodisch erfolgenden Novellierung des entsprechenden Zählgesetzes nur noch fur Beherbergungsbeiriebe ab einer bestimmten Mindestgröße gezählt werden;

e) unter der wechselnden Definition von Variablen und unterschiedlich ausformulierten Kategoriensystemen;

f) unter einer sich ändernden Gebietsabgrenzung, z.B. durch Neuabgrenzungen von Wahl- bezirken oder Gemeinden.

Ein weiteres Problem im Umgang mit amtlichen Daten ergibt sich aus den unterschiedlichen Gebietsabgrenzungen fur Zählungen: Bundesland, Regierungsbezirk und Kreis heißen die fur eine regionale Ausweisung gebräuchlichen Ebenen der amtlichen Statistik. Aktuelle Gemein- dedaten sind oft nur fur Gemeinden ab einer bestimmten Größe zu erhalten, unproblematisch sogar nur fur große Städte, die ein eigenes Stadtstatistisches Amt haben. Einige fur den Sozial- wissenschaftler interessante Daten, z.B. die Arbeitslosenstatistik, gibt es aktuell nur fur Ar- beitsamtsbezirke, eine Raumebene, die oberhalb des Kreises aber unterhalb eines Regierungs- bezirkes liegt, nicht aber immer aus einer reinen Aggregation von Kreisen besteht. Aktuelle Daten unterhalb der Ebene der Land- und Stadt-Kreise sind fur die Bundesrepublik flächen- deckend, abgesehen von Wahlstatistiken, dem Sozialforscher kaum zugänglich.

Diesen Punkt abschließend sei darauf noch hingewiesen, daß das föderative System der Bun- desrepublik auch beim Datensammeln spürbar wird, denn Statistik ist nicht allein Bundes- sondern auch Ländersache. Dieses heißt, daß viele den Sozialwissenschaftler interessierende Hintergrundmerkmale nicht über das Statistische Bundesamt sondern nur über die einzelnen Landesämter zu erhalten sind. Und da die größeren Kommunen, die über ein eigenes Statisti- sches Amt verfugen, in der Regel mit dem, was die Landesämter flir die Kommunen aufberei- ten, nicht zuliieden sind, unterhalten diese ihre eigenen, fur Sozialwissenschaftler oft hochin- teressanten Datenreihen. Damit wird das Sammeln von soziologisch sinnvollen Hintergrund- merkmalen auf kleinmräumiger Ebene noch aufivendiger.

2.2 Die räumliche Ebene Die zweite zentrale Frage im Zusammenhang mit der Regionalisierung von nationalen U m h - gen muß lauten: Auf welcher räumlichen Ebene ist fur den Umhgeforscher eine Regionalisie- rung seiner Surveydaten möglich? Wenn "Regionalisierung" als ein Verfahren zur Abgrenzung und Gliederung von Räumen angesehen wird, dann bedeutet Regionalisierung in der Praxis eine Typisierung des Untersuchungsgebietes nach Dichte- undIoder Nutzungskriterien sowie Bevölkerungsmerkmalen. Dieses kann u.a. über einen Stadtindex oder eine Regionstypisierung geschehen. Soll unter Regionalisierung jedoch die Betrachtung unterschiedlicher Milieus verstanden werden, dann besteht die Aufgabe in der Beschreibung abgegrenzter regionaler Räumen wie von Landschaften oder geschlossenen Siedlungseinheiten oder einigen wenigen adrninistmtiven Einheiten.

Hofheyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 41

2.2.1 Regionalisierung über Typisierung Regionalisierung über eine Typisierung von Regionen ist relativ unproblematisch zu handha- ben, da es einerseits eine größere Auswahl von Indizes gibt, die hierbei genutzt werden können: z.B. den Boustedt-Index, den BIK-Index, einen der BfLR-Indizes oder den Hoffmeyer-Zlotnik- Stadt-Index, um nur eine kleine Auswahl der bekannteren Indizes zu nennen. Alternativ besteht die Möglichkeit, einen auf die eigene Forschungsfrage besser abgestimmten Index über erreich- bare Einzelvariablen selbst zu bilden.

Die Nutzung vorhandener Indizes bedarf nur der Organisation des Matchens von Index und Da- tensatz - der Boustedt-Index (vgl. Boustedt 1966) für Westdeutschland und der BIK-Index für Ostdeutschland (Behrens 1994; BIK 1992) werden von den Mitgliedsinstituten des Arbeits- kreises Deutscher Marktforschungsinstitute (ADM) auf Wunsch zugespielt. Beide stellen eine Typisierung von Stadtregionen dar. Allerdings ist der Boustedt-Index allmählich in die Jahre gekommen und von der aktuellen Entwicklung, sowohl des sozialen Wandels, als auch der administrativen Neuabgrenzungen im Zuge von Kreis- und Gemeindereformen, überholt wor- den. Dennoch soll sowohl der Boustedt-Index, der bekannteste, unter Punkt 3.1 als auch der BIK-Index, der eine Boustedt-Revision darstellt, unter Punkt 3.2 in diesem Papier vorgestellt werden.

Die von der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) entwickelten Indizes, nachzulesen unter Punkt 3.4, und der von Hoffmeyer-Zlotnik entwickelte Stadt-Index (siehe Punkt 3.3), stellen schon eine höhere organisatorische Anforderung an den Nutzer. Es müssen die benötigten Daten auf Gemeindeebene recherchiert und über die Gemeinde- kennziffer als Match-ID dem Befragtendatensatz zugespielt werden. Hierzu benötigt man nicht nur eine Quelle für die benötigten Indexdaten, sondern auch die Mitarbeit des Befragungsinsti- tuts.

Die Nutzung von Einzelvariablen als Hintergrundmerkmal, vorausgesetzt man erhält den Zu- gang zu solchen, gestaltet sich in der Regel als problematisch, denn das Ausgangsrnaterial be- steht entweder aus der Aufhstung absoluter Anzahlen oder aus der Nennung von Anteilen, die auf zwei Dezimalstellen genau ausgewiesen werden. Mit so detaillierten Angaben schon von wenig Variablen ist eine Identifizierung auch kleinerer Orte mühelos möglich. Die Gefahr der Re-Identifikation von (kreisfreien) Mittelstädten, in denen die Befragten leben, wird durch eine Reduktion der Ausprägungen von objektiven Einzelvariablen auf maximal 3 bis vier Kategorien deutlich verringert bis unterbunden.

1985186 wurde in einer Projektkooperation des ZUMA mit dem Zentralarchiv für empirische Sozialforschung und der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) untersucht, mit welchem Aufwand kleine Kommunen bei der Regionalisierung von Umfrage- daten zu identifizieren sind. Die Ergebnisse wurden 1986 auf einer Tagung zur "Regionalisierten Umfrageforschung", gemeinsam veranstaltet von den DGS-Sektionen "Stadt-

42 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

und Regionalsoziologie" und "Soziale Indikatoren" vorgestellt. Die folgenden AusfUxungen beruhen auf dem Referat von HofEneyer-Zlotnik 1986c: "Nimmt man nun 1. eine Hintergrundvariable wie die Bevölkerungsdichte mit z.B. nur f h f Ausprägungen die Ausprägungen:

unter 100 Ew pro qm 100 bis unter 200 Ew pro qm 200 bis unter 500 Ew pro qm 500 bis unter 1.000 Ew pro qm über 1.000 Ew pro qm

und nimmt man 2. z.B. den BfLR-Index des 'siedlungssbzikhirellen Kreistyps' und nimmt man 3. die Variable 'Regierungsbezirk', so erscheint eine Identifizierung kleinerer Städte zunächst einmal kaum möglich. Es reichen aber neben der Kreuztabelle jedoch schon die Hilfsmittel ei- ner Landkarte und des Statistischen Jahrbuches aus. Insgesamt 88 mal erhält man eine einfache Zellenbesetzung - und alle 88 Kreise bnv. kreisfreien Städte, von insgesamt 328 vorhandenen (westdeutschen), lassen sich ohne Schwierigkeiten identifizieren. Und 39 Zellen treten mit zweifacher Besetzung auf" Auch diese weiteren 78 Kreise bzw. kreisfreien Städte lassen sich unproblematisch identifizieren, unter Zuhilfenahme einer weiteren Struktur-Variable sogar eindeutig.

Soweit das alte Beispiel, bei dem neben der normalerweise vom Erhebungsinstitut mitgeliefer- ten Information des "Regierungsbezirk" nur ein regionstypisierender Index auf Kreisebene mit neun Ausprägungen und eine separate Zusatzvariable, die "Bevölkerungsdichte", mit relativ groben fihf Ausprägungen verwendet wurde. Bei sehr detailliert erhobenen Demographieva- riablen, wie Geburtsdaten und protokollierten Berufsabhgen, in Zusammenhang mit der Auflistung aller irn Haushalt lebenden Personen, kann für den Bereich von Klein- und Mittel- städten die Möglichkeit bestehen, Personen bnv. Haushalte in exponierter Position, sofern diese an der Umhge teilgenommen haben, zu identifizieren. Um solch einer Gefahr zu entgehen, sollte der Forscher besser mit komplexen Indizes als mit Einzelvariablen arbeiten.

2.2.2 Regionalisierung über Beschreibung von "Landschaften" Neben der Typisierung ist die Regionalisierung von Umhgedaten über ein Beschreiben von "Landschaften" möglich. Unter "Landschaft" soll hierbei ein größeres, zusammenhängendes Gebiet verstanden werden, das eine einheitliche Charakteristik oder eine gemeinsame Ent- wicklung aufweist; umgangssprachlich würde man auch von einer "Region" sprechen. Dieses bedeutet, fw- jede "Region" oder "Landschaft", in der Interviews durchgeW werden, werden gleichzeitig Hintergnuidrnerkmale miterhoben. Dieses kann über die Interviewer per Befi-agung oder Beobachtungsprotokollierung geschehen, es kann aber auch über sogenannte "objektive" Daten z.B. aus stadtstatistischen Ämtern erfolgen. Oft handelt es sich bei solchen Erhebungen um Fallstudiendesigns: Zusätzlich zu den Einstellungen der Betagten werden deren

Homeyer-Zlotizik: Regionalisierung von Umfragen 43

Milieuwahmehmung abgefragt und eine objektive Milieubeschreibung über ein Set spezifischer Hintergrundmerkmale dem Datensatz zugespielt. Dieses ist ein Verfahren, das zunehmend an Popularität gewinnt und sich nicht nur im Milieuvergleich unterschiedlicher Stadttypen sowie im Verhältnis Stadt zu Land anwenden Iäßt, sondern auch viel zur Analyse von Gefallen, z.B. dem westdeutschen Süd-Nord-Gefalle (entsprechend heute auch für Ostdeutschland auszumachen) oder dem gesamtdeutschen West-Ost-Gefalle, beiträgt oder sich auch zur Beschreibung des Transformationsprozesses in Ostdeutschland nutzen läßt.

3. Beschreibung von ausgewählten Indizes

Im letzten Kapitel soll auf eine Auswahl gebräuchlicher Indizes eingegangen werden. Hierbei ist zu beachten, daß die Auswahl aus unterschiedlichen Typen von Indizes besteht, die nicht beliebig gegeneinander auszutauschen sind:

Der Boustedt- und der BIK-Index leisten vom Anspruch her dasselbe und klassifizieren Siedlungsgebiete; der erste ist zwar der gebräuchlichste, ist allerdings mit den Jahren von der Entwicklung überholt worden, der zweite, zeitgemäße, spiegelt die aktuelle Verflech- tung von Siedlungsteilgebieten wider und ist angetreten, den ersten abzulösen. Der Hoff- meyer-Zlotnik-Stadt-Index folgt einem anderen Konzept, da hiermit eher der Grad der Spezialisierung in der postindustriellen Gesellschaft (vgl. auch: DangschatfFried- richs/KiehVSchubert 1985) erfaßt werden soll und weniger die Verflechtung von Aktionsräumen in Agglomerationen. Die siedlungsstrukturellen Gebietstypisierungen der BfLR sind ein raumordnungspoliti- sches Instrumentarium, das zwar auf "Nutzung" und "Dichte" aufbaut, jedoch den politi- schen Raum gliedert und daher an administrative Grenzen und planerische Vorgaben gebunden ist. Der Klassifikation der Siedlungsgebiete folgt die Strukturierung der Ballungsgebiete in Zonen. Hierbei gibt es sowohl einen etablierten Index von Boustedt als auch das inter- national akzeptierte Instrument der Sozial-Raum-Analyse und eine Reihe von akzeptier- ten Modellen, wie z.B. die konzentrischen Zonen von Burgess. Zum Abschluß soll die Wohnquartiersbeschreibung von Hoffmeyer-Zlotnik vorgestellt werden, ein Instsument das kleinste Siedlungseinheiten, Sichtbereiche, zu homogenen Quartieren aggregiert und das die dafür benötigten Daten im Feld, parallel zur Einstel- lungsmeßung selbst, erheben kann.

Ob all diese Indizes immer sinnvoll sind, bleibt dahingestellt. Wichtig ist, welche Rolle dem räumlichen Kontext bei Verhalten und Einstellungen zugeschrieben wird, und ob es sinnvoll erscheint, in der einen oder anderen Weise Merkmale dieses räumlichen Kontextes fur die Analyse der Surveydaten mit heranzuziehen.

44 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., hki 1994

3.1 Index der Boustedt-Stadtregionen Der Boustedt-Index der Stadiregionen klassifiziert die Siedlungsgebiete der alten Bundesre- publik (Boustedt 1966, 1970) nach den Merkmalen:

Größe, gemessen über eine Mindesteinwohnerzahl Dichte, gemessen über einen Index Einwohner m Arbeitsplatz Struktur, gemessen über die Agrarerwerbsquote und Verflechtung, gemessen über die Berufspendlerquote in das Kemgebiet.

Tabeiie 1: Boustedt Stadtregionen (nach Behrens 1994: 30)

I Mindestgröße: Kemstadt >40.000 Einwohner 1 Einzugsbereich >80.000 Einwohner

1 Dichtemerkmal: Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte: 1 Kemgebiet V e d t e r k Zone

Stnikturmerkmal: Agrarerwerbsquote 4 0 % m äußeren

Ab&Temg

Verflechtungsmerkmal: Berufspendlerquote in das Kemgebiet >25%

Boustedt entwickelte dieses Stadtregionen-Modell in den W g e r und sechager Jahren. Mit den Daten der Zählungen von 1970 fand das letzte update statt. Seither ist einerseits die Ge- bietsreform über den Boustedt-Index hinweggegangen: weder die politischen noch die ver- flechtungsmäßigen Raumabgremgen sind nach Kreis- und Gemeindereformen geblieben - und andererseits hat eine massive Stadt-Land-Wanderung der Bevölkerung und Land-Stadt- Wanderung der Arbeitsplätze stattgefunden. Boustedt selbst hat die Dynamik, der der Index durch die Bevöikemgsentwicklung unterworfen ist, schon gesehen; dieses legt der Vergleich der von ihm genutzten Daten von 1950 m 1961 und der auf einer darin sichtbar werdenden Entwicklung aufbauenden Revision nahe (Boustedt 1966: Sp. 1921E). Ab Mitte der siebziger Jahre begann jedoch der Qualitätsverlust des Boustedt-Index wegen der schwindenden Aktua- lität der Daten, auf denen das letzte update basierte.

3.2 Index der BIK-Stadtregionen Erst 1990, aufbauend auf den Daten der Zählungen von 1987 und der deutschen Vereinigung vor Augen wurde eine emeute Revision des Boustedt-Index vorgenommen vom BK-Institut

Homeyer-Zlotnik: Regiorzalisierung von Umfragen 45

Aschpunvis + Behrens. Dieser Index ist seit 1992 erhältlich und wird von ADM-Instituten den

Daten für die neuen Bundesländer zugespielt (BIK 1992).

Vom Boustedt-Index unterscheidet sich der Index der BIK-Stadtregionen durch einige zentrale Überlegungen: - Dichte wird im Gegensatz zum Boustedt-Index jetzt als Tagbevölkerungsdichte gemes-

sen, d.h. Einwohner plus Einpendler minus Auspendler bezogen auf die Fläche.

Hinzu kommen Variablen wie: - durchschnittliche Wohnfläche pro Wohnung - Anteil der Eigentümerwohnungen - Anteil der Einpersonenhaushalte.

Die kleinste Raumeinheit, die als Datenbasis zur Aggregation der Stadtregionen dient, ist der Wahlbezirk. Auch bei Boustedt war die kleinste regionale Einheit für die Bildung von Stadt- regionen unterhalb der Gemeindeebene auf der Stadtteil- bzw. Ortsteilebene bzw. auf der Ebene statistischer Einheiten.

3.3 Hoffmeyer-Zlotnik-Stadt-Index Als letzten Index in der Kategorie der Stadtregionen-Indizes möchte ich noch den Hoffmeyer- Zlotnik-Stadt-Index anführen (Hoffmeyer-Zlotnik 198 1). Dieser Index baut auf der Arbeitstei- lung auf und klassifiziert Siedlungsgebiete sowohl nach der Dichte als auch nach den Anteilen von Beschäftigten in den einzelnen Beschäftigungssektoren (Tabelle 2). In einem weiteren Schritt werden dann die zwölf Typen auf fünf Stadt-Typen reduziert, wobei jetzt das Kriterium der "Verdichtungsraum" ist, definiert über Einpendlerbereiche und ein Dichtekriterium, der in starker Anlehnung an Boustedt über Einwohner zu Arbeitsplatz definiert ist. Die untere Raumeinheit bei diesem Index ist bisher aus pragmatischen Gründen des Datenzugangs eine administrative Gebietsabgrenzung - obwohl der Ortsteil oder der Stimmbezirk die idealere Gebietseinheit wäre.

46 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

Tabelle 2: Hoffmeyer-Zlotnik-Stadt-Index, 12-er Schema (Hoffmeyer-Zlotnik 1981: 49)

Erwerbstätige Landwirt.Sektor mehr als 5% min 1 % max 5% weniger als 1 %

Administrative Einwohner in Tausend Gemeindegröße min 50 max50 min 50 max50 min50 rnax50

Dienstl. Industr. Sektor Sektor

max45% 1 1 1 1 -- -- max 50% 45%-55% 2 5 5 5 6 6

min55% 3 7 7 7 8 8 max45% 4 10 10 10 12 12

min 50% 45%-55% -- -- 9 9 11 11 mlli 55% -- -- -- -- -- --

Tabelle 3: BfLR-Regionstypen @ E R 1991a, 1991b)

I Regionen mit großen Verdichtungsräumen Regionen mit einem Oberzentrum von mindestens 300.000 Einwohnern (Ew) undIoder einer Bevölkerungsdichte von über 300 Ewlqkrn

11 Regionen mit Verdichtungsansätzen Regionen mit in der Regel einem Oberzentrum von über 100.000 Einwohnern undJoder einer Bevöikerungsdichte von über 150 Ewlqkm

III Ländlich geprägte Regionen stärker besiedelt, nicht peripher: Regionen ohne Oberzentrum über 100.000 Ew, verdichtungsraumnähere Lage undJoder Bevölkerungsdichte über 100 Ewlqkm gering besiedelt, peripher gelegen: Regionen ohne Oberzentrum über 100.000 Ew., Bevölkerungsdichte um 100 Ewlqkm und weniger

Hofieyer-Zlotnik: Regiomlisierung von Umfragen 47

3.4 Siedlungsstrukturelle Gebietstypisierung der BfLR Die siedlungsstrukturelle Gebietstypisierung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung dient dazu "die wesentlichen Tendenzen und Disparitäten in den Lebens- bedingungen nach zentralen Raumkategorien bzw. zentralen Dimensionen der Raumentwick- lung abzubilden" (BfLR 1991 a). Als zentrale Dimensionen der Raumentwicklung sind vor al- lem Verdichtung und Zentralität anzusehen. Diese Dimensionen stehen daher im Mittelpunkt der BfLR-Typisierung. Weiter basiert die Typisierung auf der Annahme, daß die Entwicklung einzelner Räume bzw. Gebiete von der Einbettung in den jeweiligen räumlichen Kontext ab- hängig sei. Deshalb ist der Gebietstyp hierarchisch gegliedert, wobei die oberste Stufe der Ty- penbildung auf der Ebene der Raumordnungsregionen erfolgt, die dann zu Regionstypen zu- samrnengefaßt werden, welche drei Kategorien unterscheiden (siehe Tabelle 3).

Der zweite BfLR-Index disaggregiert die Raumordnungsregionen auf die Kreisebene und un- tergliedert die Regionstypen ihrerseits nach den Kriterien von Siedlungsgröße, nach der politi- schen Dimension der "Zentrenhierarchie" (soweit auf Kreisebene möglich), sowie nach der Bevölkerungsdichte (siehe Tabelle 4).

Ein dritter Index der BfLR geht herunter auf die Gemeindeebene und untergliedert die Kreistypen auf dieser Ebene noch einmal nach dem politischen Kriterium der Zentrenhierarchie. Letzteres ist ein Index, der ein rein raumordnerisches Maß darstellt (Tabelle 5).

Betrachtet man die BfLR-Indizes im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Stadtregionen-Indi- zes, so wird deutlich, daß es sich bei den BfLR-Indizes um politische Instrumente handelt, deren regionale Betrachtungsebenen sich an politisch sinnvollen Raumgrenzen orientieren. Diese Indizes sind als sozialwissenschaftliche Instrumente nur bedingt zu verwenden, da sie auf Kreisebene in der Regel sehr grob kategorisieren.

48 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

Tabelle 4: Siedlungsstruktureiie Kreistypen (BfLR 1991b: 2)

Regionen mit großen Verdichtungsräomen - Kemstädte

Kreisfkie Städte über 100.000 Einwohner @W) - Hochverdichtete Kreise

Kreise mit einer Bevölkerungsdichte von umlüber 300 Ewlqkm, Kreisfreie Städte unter 100.000 Ew

- Verdichtete Kreise Kreise mit einer Bevölkerungsdichte zwischen 150 und 300 Ewlqkrn

- Ländliche Kreise Kreise mit einer Bevölkerungsdichte unter 150 Ewlqkm

Regionen mit Verdichtungsansäben - Kemstädte

Kreisfi-eie Städte um/über 100.000 Ew - Verdichtete Kreise

Kreise mit einer Bevölkerungsdichte über 150 Ewlqkm, Kreisfreie Städte unter 100.000 Ew und umliegende Kreise oder umliegende Kreise von Kemstädten mit einer Bevöl- kerungsdichte von zusammen mindestens 1 50 Ewlqkm

- Ländliche Kreise Kreise und kreisfreie Städte mit zusammen einer Bevölkerungsdichte unter 150 Ewlqkm

Ländlich geprägte Regionen - Verdichtete Kreise

Kreise mit einer Bevölkerungsdichte um/über 150 Ewlqkm, Kreisfi-eie Städte und um- liegende Kreise mit zusammen einer Bevölkerungsdichte von umlüber 150 Ewlqkm, Kreisfreie Städte um 50.000 Ew und mehr und umliegende Kreise, Kreise mit einer Gemeinde über 50.000 Ew.

- Ländliche Kreise Sonstige Kreise und kreisfreie Städte in ländlich geprägten Regionen

Homeyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 49

Abbildung 1: BfLR-Index (BfLR 1991b: 3); Siedlungsstruktureiie Regions- und Kreis-

w e n

Siedlungsstrukturel

- Bundesgrenze

Reglonen mM Landllch gepragte Verdlchtungranodtzan Ragionen

Hochverdichtete Kreise Verdichtete Kreise Landiiche Kreise

Kreise ::&?$ Ltindliche Kreise

.. ... ... . . ,&,d,iche „i,

.. .... .... . ....:. . . . ..

50 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

Tabeiie 5: Gemeindetypik @ER 1991a)

Regions* Kreistyp Gemeindetyp

I Regionenmit 1 -Kemstädte 01-Kemstädte > 500.000 Ew großen Ver- 02-Kemstädte < 500.000 Ew dichtungs- 2-hochverdichtete 03-Ober-Mttelzentren räumen Kreise 04-sonstige Gemeinden

3 -verdichtete 05-Ober-Mtielzentren Kreise, 06-sonstige Gemeinden

4-ländliche 07-Ober-Mttelzentren Kreise 08-sonstige Gemeinden

IP Regionenmit 5 -Kemstädte 09-Kemstädte Verdichtungs- 6-verdichtete 10-Ober-Mttelzentren räumen Kreise 1 1 -sonstige Gemeinden

7-ländliche 12-Ober-Mttelzentren Kreise 13-sonstige Gemeinden

Iii Ländlich 8-verdichtete 14-Ober-Mittelzentren geprägte Kreise 15-sonstige Gemeinden Regionen 9-ländliche 16-Ober-Mttelzentren

Kreise 17-sonstige Gemeinden

3.5 Untergliederung der Ballungsgebiete in Zonen Neben der (nationalen) Klassifikation der Siedlungsgebiete ist fur eine Betrachtung auf der Ebene Stadt die Stnikturierung der Ballungsgebiete durch eine innere Gliederung der Großstadt sinnvoll. Hierzu bieten sich einerseits Stadtentwicklungsmodelle und andererseits Indizes, die auf der Sozial-Raum-Analyse aufbauen, an.

Das bekannteste Stadtmodell der Chicagoer Schule der amerikanischen Soziologie ist das Mo- dell der konzentrischen Zonen von Burgess (1925, 1929), das die gegebene Stadtstruktur als ein Resultat von Prozessen der Stadtentwicklung betrachtet. Für die Beschreibung der einzelnen Zonen werden fUnf Variablen durchgängig benutzt:

- der sozio-ökonomische Status der Bewohner - die Familienstniktur - die Entfernung Wohnstätte zur Arbeitsstätte - die Geschoßzahl der Gebäude und - die Wohnform: Miete vs. Eigentum.

Hojineyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 51

Die Mehrzahl der später entwickelten Stadtmodelle der Soziologie basieren auf dem Burgess- Modell und setzen sich mit dessen Annahmen und Hypothesen auseinander: Hoyt (1939) geht von einem Sektorenmodell, HanislUllman (1945) gehen von einem Mehrkemmodell und Hoffmeyer-Zlotnik (1977) von einem Mehrzonenmodell aus.

Abbildung 2: Theoretische Modelle für die innere Gliederung der Stadt

1 = Hauptzentrum l a = Neben-. Unterzentren 2 = "zone i n t r a n s i t i o n " 3 = Arbei tewohngebiet , Miets-

h a u s d i s t r i k t 4 = Wohngebiet der M l t t e l - und

Oberschichten 5 = Region der Vorstädte

Burgess 1925: 55 Hoffmeyer-Zlotnik 1977: 1 8

Neben diesen Modellen der Sozialökologen existiert eine Reihe von durchaus für Regionali- sierung interessanter Stadtstrukturierungen und -typisierungen, basierend auf ökonomischen Variablen, primär Beschäftigtenanteilen nach Berufen oder Branchen z.B. Mattila/Thompson (1955) oder Alexandersson (1956); beide haben Verfahren entwickelt zur Ermittlung des Wer- tes, bei dem die Zahl ausgewählter Beschäftigtengruppen signifikant wird.

Die innere Gliederung der Stadt über die Sozial-Raum-Analyse geht von einer Theorie des sozialen Wandels aus: Gesellschaften entwickeln sich hin auf eine größere Differenzierung aber auch auf eine größere Komplexität. Da die Stadt Ausdruck des gegenwärtigen Stand der Gesellschaft ist, ist nicht nur Stadtentwicklung, sondern auch eine Klassifikation städtischer Teilgebiete über Indikatoren des sozialen Wandels interkulturell generalisierbar zu erfassen (ShevkyIBell 1955). Auch Boustedt hat (1966, 1970) zur inneren Differenzierung von Agglo-

52 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

merationsräumen ein Schema der Stadtregionen entworfen, daß die Großstadtregion in ideal- typische Zonen unterteilt. Boustedt definiert die Zonen über

- Bevölkerungsdichte - Erwerbsstrukturund - Pendlerströme.

Tabeiie 6: Boustedt Stadtregionen, Merkmale und Schweiienwerte für die Abgrenzung (Boustedt 1966: Sp. 1923f.)

Benennung Bevölke- Erwerbsstniktur Verkehrsbeziehungen der Zonen rungs- landwirtschftl. % Anteil der in das

dichte Erw.Pers. in % Kemgebiet Auspen- Ewlqkrn der Erw.Pers. delnden an den

insgesamt Erw.Pers. Auspendl. insgesamt insgesamt

Ergänzungs- > 500 < 10 gebiete (A) Verstädterte < 30 > 30 > 60 Zonen (B) Randzonen (C) - engere (C 1) < 50 > 20 > 60 - weitere (c2) 50-65 > 20 > 60

Das "Kemgebiet" besteht aus "Kernstadt" und "Ergänzungsgebiet": die Kemstadt ist das Ver- waltungsgebiet der zentralen Stadt, das Ergänzungsgebiet sind die Umlandgemeinden, die der Kernstadt im Siedlungscharakter weitgehend ähneln. Es folgt die "Verstädterte Zone", worunter der Nahbereich der Umlandgemeinden zu verstehen ist, deren Bevölkerung auf die Kernstadt ausgerichtet ist. Die nächsten beiden Zonen sind die "Randzonen", in denen Richtung Peripherie der Anteil der landwirtschaftlichen Erwerbspersonen kontinuierlich zunimmt.

Hojineyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 53

Abbildung 3: Schematische Darstellung der Stadtregion (Boustedt 1966: Sp. 1919f.)

54 ZUM-Nachrichten 34, Jg. I&., Mai 1994

3.6 Wohnquartiersbeschreibung von Hoffmeyer-Zlotnik Der letzte Index, der hier vorgestellt werden soll, ist die Wohnquartiersbeschreibung von Hofheyer-Zlotnik (1984). Die Wohnquartiersbeschreibung geht von einer sozial-räumlichen Differenzierung der Stadt aus, kontrolliert über separierte Wohnungsteilmärkte. Sie baut auf der Annahme auf, daß der Städter dazu tendiert unter seinesgleichen in einem potentiellen System sozialer Kontakte zu leben.

Die zentralen Variablen der Wohnquartiersbeschreibung sind:

die Lage eines städtischen Teilgebietes in der Gesamtstadt, gemessen über die Wegstrecke zum zentralen Geschäfbbezirk; die Erreichbarkeit eines städtischen Teilgebietes, gemessen über dessen Anbindung an den öffentlichen Personen-Nah-Verkehr; der Bebauungstyp der vomfindenden Wohngebäude; das Baualter der vorzufindenden Wohngebäude; die Bebauungsdichte, gemessen über Gebäudetyp und -alter sowie über Gebäudehöhe und Anteil der Freiflächen; die Eigentumsstruktur, gemessen über den Anteil der im eigenen Haus lebenden Eigen- tümer; die Nutningsvielfalt eines städtischen Teilgebietes bzw. dessen Ausstattung mit Gelegen- heiten, gemessen über die unterschiedlichen Nutzungen.

Die untere Raumeinheit bei diesem Instrument ist in der Regel ein Teil einer Blockseite und dessen Gegenüber: ein "Sichtbereich". Die Aggregation dieser "Sichtbereiche" zu homogenen Siedlungsteilgebieten ergibt die Wohnquartiere. Das hier geforderte Set von Wohnquartiers- definierenden Hintergrundmerkmalen ist z.B. auf Blockseitenebene flächendeckend fur die Bundesrepublik nicht bzw. kaum zum erstellen. TNFAS hat einen solchen Versuch, allerdings auf der lokalen Ebene der Wahlbezirke, zur Erstellung des LOKAL-Systems 1986 unternom- men und, wie exzählt wird, da& 10 Millionen Mark ausgegeben. Der Autor selbst sieht die Wohnquartiersbeschreibung im nationalen Einsatz als ein Behgungsinstrument, abzuhgen bei den Zielpersonen einer Umhge, oder als ein Beobachtungsinstrument, auszufullen von den Interviewern bei der Random-Route-Auflistung oder dem Kontaktieren von Haushalten oder Behgungspersonen.

4. Fazit

Die obigen A u s m g e n zur Regionalisierung von Umhgedaten sollen angesichts der Schil- derung des Zugangs zu und des Zustands von interessanten Datensätzen nicht entmutigen, son- dem eher das Gegenteil bewirken und den Wunsch nach soziologisch sinnvollen Kontext- merkmalen wecken. Außerdem müssen Hintergrundmerkmale nicht immer durch den Forscher

HofSmeyer-Zlotnik: Regionalisierung von Urnji-agen 55

selbst über die Statistischen Ämter bezogen werden. Bei einer entsprechenden Nachfrage ließe sich die einsetzbare Anzahl von soziologisch relevanten Indizes weiter ausbauen und für deren unproblematischen Einsatz ein System des up-dating etablieren. Es mangelt weder an der notwendigen theoretischen Vorarbeit noch an Versuchen, wie die entsprechenden Operationali- sierungen aussehen oder wo die dafür benötigten Daten herkommen könnten. Es fehlt nur eine organisatorische Umsetzung der Konzepte in Daten. Bei den hierzu notwendigen Überlegungen sollte auch berücksichtigt werden, daß es zum Erfassen spezieller Variablen oftmals sinnvoller ist, einen neuen Weg des individuellen oder kollektiven Datenzugangs zu suchen, auch durch das Nutzen von Interviewereinsätzen.

5. Literatur

Alexandersson, G., 1956: The Industrial Structure of American Cities. Lincoln, Neb.: Univer- sity of Nebraska Press.

Behrens, K., 1994: Schichtung und Gewichtung - Verbesserung der regionalen Repräsentanz. S. 27-41 in: S. GablerlJ. H.P. Hoffmeyer-ZlotnWD. Krebs (Hrsg.), Gewichtung in der Um- fragepraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Bell, W., 1955: Economic, Family, and Ethnic Status: An Empirical Test. American Sociolo- gical Review 20: 45-52.

BIK Aschpunvis + Behrens GmbH (Hrsg.), 1992: BIK-Stadtregionen in den neuen Bundes- ländern. Hamburg. masch.schr.

Boustedt, O., 1950: Neue Wege der regionalen Gliederung in der Statistik der USA. Allge- meines Statistisches Archiv 34: 162- 168.

Boustedt, O., 1966: Stadtregionen. Sp. 1916-1932 in: Akademie für Raumforschung und Lan- desplanung (Hrsg.), Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. Hannover: Ge- brüder Jänecke Verlag.

Boustedt, O., 1970: Stadtregionen. Sp. 3207-3237 in: Akademie für Raumforschung und Lan- desplanung (Hrsg.), Handwörterbuch der Raumforschung und Raumordnung. 2. Aufl. Hanno- ver: Gebrüder Jänecke Verlag.

Boustedt, O., 1975: Grundriß der empirischen Regionalforschung. Teil I: Raumstrukturen. Hannover: Hermann Schroedel Verlag.

Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.) 1991a: Erläuterungen der Regions- Kreis- und Gemeindetypik der BfLR; BfLR F1T5 vom 6.1 1.199 1, masch.schr.

Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.) 199 1 b: Neue sied- lungsstrukturelle Gebietstypen fur die Raumbeobachtung. BfLR-Mitteilungen 41Juli 199 1 : 1-2.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), 1991: Raumord- nungsbericht 199 1 der Bundesregierung. Drucksache 1211 098. Bonn: Deutscher Bundestag.

56 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Burgess, E.W., 1925: The Growth of the City: An Introduction to a Research Project. S. 47-62 in: R.E. Park1E.W. Burgess1R.D. McKenzie (eds.), The City. Chicago: The University of Chi- cago Press.

Burgess, E.W., 1929: Urban Areas. S. 1 13-138 in: T.V. Smith/L.D. White (eds.), Chicago. An Experiment in Social Science Research. Chicago: The University of Chicago Press.

Cressey, P.F., 1938: Population Succession in Chicago: 1898-1930. American Journal of Sociology 44: 59-69.

Dangschat, J./Friedrichs, J./Kiehl, K./Schubert, K., 1985: Phasen der Landes- und Stadtent- wicklung. S. 1-148 in: J. Friedrichs (Hrsg.), Stadtentwicklungen in West- und Osteuropa. Berlin, New York: Walter de Gruyter.

Duncan, O.D./Duncan, B., 1955: Residential Distribution and Occupational Stratification. American Journal of Sociology 60: 493-503.

Duncan, O.D./Duncan, B., 1957: The Negro Population of Chicago: A Study of Residential Succession. Chicago: The University of Chicago Press.

Friedrichs, J., 1977: Stadtanalyse. Soziale und räumliche Organisation der Gesellschaft. Rein- bek: Rowohlt.

Friedrichs, J. (Hrsg.), 1978: Stadtentwicklungen in kapitalistischen und sozialistischen Ländern. Reinbek: Rowohlt.

Hamm, B., 1977: Die Organisation der städtischen Umwelt. Ein Beitrag zur sozialökologischen Theorie der Stadt. Frauenfeld und Stuttgart: Huber.

Hamm, B., 1979b: Indikatoren der Stadtentwicklung. Trierer Beiträge zur Stadtentwicklung und Regionalplanung. Band 3. Trier: Universität Trier.

Hamm, B., 1982a: Einfühnmg in die Siedlungssoziologie. München: Beck.

Hamm, B., 1982b: Social Area Analysis and Factorial Ecology - A Review of Substantive Findings. S. 316-337 in: A. Theodorson (ed.), Urban Patterns - Studies in Human Ecology. University Park: The Pensylvania State University Press.

Hanis, C.D./üllman, E.L., 1945: The Nature of Cities. The Annals of the American Academy of Political and Social Science 242: 7-17.

Hofheyer-Zlotnik, J., 1977: Gastarbeiter irn Sanierungsgebiet. Hamburg: Christians.

Hofieyer-Zlotnik, J., 1979: Eine Analyse des sozialökologischen Prozesses der Bevölke- rungssukzession. S. 114-136 in: B. Hamm (Hrsg.), Lebensraum Stadt. FranlGurt/M., New York: Campus.

Hofheyer-Zlotnik, J., 1981 : Zur Konstruktion eines neuen Stadt-Index. ZUMA-Nachrichten 9: 47-52.

Hofheyer-Zlotnik, J. H.P., 1984: Zur Beschreibung von Wohnquartieren - Die Entwicklung eines Instruments. Mannheim: ZUMA-Arbeitsbericht 84/05.

Hofbeyer-Zlotnik, J. H.P., 1986a: Eingliederung ethnischer Minoritäten - unmöglich? S. 15-55 in: J. H.P. Hofheyer-Zlotnik (Hg.), Segregation und Integration. Die Situation von Ar- beitsrnigranten im Aufnahmeland. Mannheim: Forschung Raum und Gesellschaft.

Homeyer-Zlotnik: Regionalisierung von Umfragen 57

Hoffmeyer-Zlotnik, J. H.P., 1986b: Wohnquartiersbeschreibung - Die Entwicklung eines In- struments zur sozial-räumlichen Klassifikation städtischer Teilgebiete. ZUMA-Nachrichten 18: 63-78.

Hoffmeyer-Zlotnik, J. H.P., 1986c: Deanonymisierbarkeit von Umfragedaten als Problem der regionalisierten Umfrageforschung. Papier, vorgetragen auf der Tagung "Regionalisierte Um- frageforschung", gemeinsam veranstaltet von den DGS-Sektionen "Stadt- und Regionalsozio- logie" und "Soziale Indikatoren" in Bad Homburg. masch.schr.

Hoyt, H., 1939: The Structure and Growth of Residential Neighborhoods in American Cities. Washington, D.C.: Federal Housing Administration.

Ipsen, D., 1980: Wohnungsteilmärkte. Kassel: Gesamthochschule Kassel.

König, R., 1958: Grundformen der Gesellschaft: Die Gemeinde. Reinbek: Rowohlt.

Mattila, J.M.Rhompson, W.R., 1955: The Measurement of the Economic Base of the Metro- politan Area. Land Economics 3 1.

OBrien, R.W., 1942: Beale Street, Memphis: A Study in Ecological Succession. Sociology and Social Research 26: 430-436.

Schott, Sigmund, 19 12: Die großstädtischen Agglomerationen des Deutschen Reiches 1 87 1 - 19 10. Breslau: Schriften des Verbandes Deutscher Städtestatistiker. Heft I.

Shevky , E./Bell, W., 1 955: Social Area Analysis. Stanford: The Stanford University Press.

Sweetser, F.L., 1965: Factorial Ecology: Helsiniu 1960. Demography 2: 372-385.

Zorbaugh, H.W., 1926: The Natural Area of the City. Publications of the Arnerican Sociological Society 20: 188-1 97.

58 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

COMPUTERGESTEUERTE SPRACHWIEDERGABE IN

DER EXPERIMENTELLEN UMFRAGEFORSCHUNG

Bärbel Knäuper, Tom Trübestein und Hildegard pJsterl)

D er Beitrag berichtet über die Verwendung computergesteuerter sprachWiedergabe in der experimentellen Umfrageforschung. In einer Studie zum Verständnis und zur Verständ-

lichkeit standardisierter Interviewfiagen bei älteren Personen wurden Interviewfiagen über ei- nen PC akustisch dargeboten, und die Antworten wurden von den Befragten über einen berüh- rungsempfindlichen Bildschirm eingegeben. Am Beispiel dieser Studie werden die Funk- tionsweise und Einsatniöglichkeiten computergesteuerter Sprachwiedergabe dargestellt. Die verwendete Konfiguration ermöglicht eine "intelligente", d.h. dynamische und bedingungsab- hängige Interaktion mit den befragten Personen und weist eine hohe Äquivalenz zu face-to- face-Interviews auf.

T he paper reports about the use of computerized speech presentation in experimental sur- vey research. Survey questions are presented by PC to exarnine the comprehension and

comprehensibility of standardized interview questions in the elderly. Using this study as an ex- arnple, hct ions and advantages of computerized speech presentation are discussed. The re- ported configuration facilitates an "intelligent", i.e. dynamic and conditional interaction with the respondents and offers high equivaience to face-to-face interviews.

1. Einleitung

Zur Erhebung und Aufbereitung von Umhgedaten werden in den Sozialwissenschaften zu- nehmend Computer eingesetzt, so beispielsweise bei telefonischen Belkgungen oder compu- tergestützten Inhaltsanaiysen. Computergesteuerte Sprachwiedergabe in Kombination mit ei- nem berührungsempfindlichen Bildschirm (Touchscreen) ermöglicht, die Tnterviewsituation so zu vereinfachen, daß die behgte Person das Interview alleine, d.h. ohne Interviewemter- stützung, zuverlässig durchfiihren kann. Auch lange Interviews mit einer komplizierten Filter- struktur können computergesteuert mit einer natürlichen Wiedergabequalität dargeboten und interaktiv bearbeitet werden. Eine derartige Konfiguration bietet fur experimentell angelegte Umfkgestudien, fiir Untersuchungen zu Einflüssen von Interviewereffekten oder zu Effekten

Knäuper/Trübestein/Pjster: Computerge.steuerte Sprachwiedergabe 59

von Charakteristika des Befragungsinstruments auf das Antwortverhalten geeignete Aus- gangsbedingungen.

Im vorliegenden Beitrag werden die Funktionsweise und Einsatzmöglichkeiten computerge- steuerter Sprachwiedergabe in Kombination mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm beschrieben und an einer am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (München) durchgeführten Studie exemplarisch dargestellt.

2. Forschungsbeispiel: Verständnis und Verständlichkeit von Interviewfragen bei Älteren

Die wichtigste Voraussetzung für die Gültigkeit von Umfragedaten ist das richtige Verständnis der Interviewfragen durch die befragten Personen. Determinanten eines richtigen Fragever- ständnisses sind dabei u.a. die sprachliche und inhaltliche Schwierigkeit der Fragen und die Motivation und Fähigkeit der befragten Person, die Fragen zu verstehen. Repräsentative epi- demiologische Studien in verschiedenen Ländern zeigen unter Verwendung neuerer standar- disierter diagnostischer Interviews (d.h. standardisierter Interviews, anhand derer psychische Störungen erfaßt werden) konsistent auffallend niedrige Häufigkeitsraten depressiver Störungen bei älteren Personen (über 55 Jahre) (s. Cross-National Collaborative Group 1992). Aufgrund dieser unerwarteten Befunde wurde deren Validität verschiedentlich in Zweifel gezogen. Es wurde in Frage gestellt, ob diese standardisierten diagnostischen Interviews bei älteren Personen verläßlich anwendbar sind, oder ob der Befund niedriger Depressionsraten bei Älteren möglicherweise einen Artefakt der Befragungsmethodologie darstellt (s. KnäuperJWittchen, in Druck). Ein Beispiel für ein in derartigen Studien verwendetes Befragungsinstrument ist das Composite International Diagnostic Interview (CIDI; World Health Organization 1990; deutsch: WittchedSemler 1991). Dieses diagnostische Interview wurde von der Weltgesundheitsbehörde speziell für den Einsatz in repräsentativen epidemiologischen Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung entwickelt. Durch seinen hohen Standardisierungsgrad (alle Fragen sind ausformuliert und werden wörtlich vorgelesen; als Antwortmöglichkeiten stehen i.d.R. nur die Antwortalternativen "ja" und "nein" zur Verfügung) ist es auch von klinisch unerfahrenen Interviewern zuverlässig einsetzbar. Das Instrument hat sich in verschiedenen Feldstudien als reliabel erwiesen (Semler/Wittchen/Joschke/Zaudig et al. 1987; Wittchen/Semler/von Zerssen 1985). Allerdings wurden bisher mit diesem Instrument keine Reliabilitäts- und Validitätsstudien bei älteren Personen durchgeführt.

Die Fragen derartiger Interviews zu gegenwärtig oder in der Vergangenheit vorhandenen Symptomen psychischer Störungen stellen an die befragten Personen eine Reihe komplexer kognitiver Aufgaben: Bei den zu erfragenden Symptomen handelt es sich naturgemäß um rela- tiv vage, ambivalente Phänomene (z.B. Energielosigkeit, Wertlosigkeitsgefühle). Diese Sym- ptome werden in den Fragen durch eine Reihe von Detailinformationen näher beschrieben, die

60 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

die behgte Person bei ihrer Suche nach einer Antwort berücksichtigen muß. So wird bei- spielsweise das Symptom "Energielosigkeit" im CD1 durch die folgende Frage erfaßt:

"Hatten Sie schon einmal zwei Wochen oder länger kaum Energie oder W t e n sich ständig erschöpft und abgespannt, auch wenn Sie nicht besonders schwer gearbeitet hatten?" (Frage E 1 5)

Die Beantwortung der Fragen erfordert komplexe Urteilsprozesse, da für jedes erinnerte Sym- ptom beispielsweise beurteilt werden muß, ob es mehr als zwei Wochen andauerte und ob es "ständig" vorhanden war. Wie aus der Beispielhge ersichtlich ist, erfordert die Beantwortung der Fragen außerdem, daß die Person Symptome retrospektiv für ihr gesamtes Leben erinnert. Je äiter die behgte Person ist, desto größer ist die Zeitspanne, auf die sie dabei zurückblicken muß. Durch zusätzliche Prüfhgen, die sich den einzelnen Symptomhgen anschließen, wird erfragt, ob das Symptom durch körperliche oder andere Faktoren verursacht war. Die behgte Person steht somit vor der Aufgabe, psychisch verursachte Symptome von Symptomen abzugrenzen, die ausschließlich als Folge einer körperlichen Krankheit auftraten. Auch dies sollte fur ältere Personen im Vergleich zu jüngeren Personen schwieriger sein, da mit zunehmendem Alter körperliche Beschwerden häufiger auftreten.

Zusammenfassend kann vermutet werden, daß ältere Personen mit den kognitiven Anforde- rungen, die die sprachlich und inhaltlich häufig sehr komplexen Fragen an die Aufinerksam- keits-, Erinnerungs- und Sprachverstehensfähgkeit stellen, überfordert sind. Dies könnte zu systematischen Antwortverzerrungen im Sinne eines selteneren oder vermehrten Berichtens von Krankheitssymptomen oder zu einer systematischen Verwendung von Urteilsheuristiken führen. Die niedrigen Depressionsraten, die sich in verschiedenen neueren epidemiologischen Studien bei Älteren zeigen, könnten hierdurch zumindest teilweise erklärt werden.

Anhand von Sekundämnalysen von Daten einer epidemiologischen Longitudinalstudie, die mit einer Vorversion des CD1 durchgeführt worden war (Münchner Follow up-Studie; Witt- chenlvon Zerssen 1988), wurde zunächst das Antwortverhalten älterer Personen im Verlauf des Interviews mit dem jüngerer Personen verglichen (s. KnäupertWittchen, in Druck). In diesen Analysen zeigte sich, daß ältere Personen zwar in gleichem Ausmaß depressive Symptome berichten wie jüngere Personen. Sie f?ihren diese Symptome jedoch bei der Beantwortung spezifischer Prüfhgen häufiger als jüngere Personen auf körperliche Erkrankungen nirück. Symptome, fur die von den Behgten als Ursache körperliche Erkrankungen angegeben werden, bleiben irn weiteren Behgungs- bzw. Diagnoseprozeß unberücksichtigt, so daß dieses altersspezifische Antwortverhalten zur Erklärung der niedrigen Depressionsraten bei älteren Personen beitragen könnte.

Um die dem altersabhängig unterschiedlichen Antwortverhalten zugrundeliegenden Prozesse zu klären, wurde eine Laborstudie unter standardisierten Bedingungen durchgeführt. Es wurde

Knäuper/Trübestein/Pfister: Computergesteuerte Spmchwiedergabe 61

vermutet, daß das altersabhängige Antwortverhalten systematisch mit der Verständlichkeit der Fragen und mit der Verständnisfjhigkeit (der kognitiven Kapazität) der Probanden variiert. Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden die Interviewfragen des CIDI einer Gruppe jüngerer (25-40 Jahre) und einer Gruppe älterer (55-75 Jahre) Probanden computergesteuert akustisch dargeboten. Die Probanden gaben ihre Antworten durch Berührung von Antwortfeldern auf einem Touchscreen ein und konnten auf diese Weise auch um eine Wiederholung der Frage bitten. Es wurden die Art der Antwort, die Häufigkeit von Fragewiederholungen und die Latenzzeiten registriert. Im Anschluß an das Interview wurde anhand eines von Daneman und Carpenter (1980) entwickelten Verfahrens ("Listening Span-Methode") die Arbeitsge- dächtniskapazität der Probanden erfaßt. Die sprachliche und semantische Komplexität der In- terviewfragen wurde nach einem von Kintsch und van Dijk (1978) vorgeschlagenen Verfahren ("propositionale Analyse") bestimmt.

3. Computergesteuerte Sprachwiedergabe

Durch die Verwendung computergesteuerter Sprachwiedergabe fur die Darbietung der Fragen kann die für dieses Interview übliche Befragungssituation unter standardisierten Bedingungen weitgehend simuliert werden. Die Sprechgeschwindigkeit sollte in der hier vorgestellten Studie konstant gehalten werden, da verschiedene Untersuchungen und unsystematische Be- obachtungen gezeigt hatten, daß sich einige Interviewer in ihrer Sprechgeschwindigkeit und ihrem Feedback-Verhalten an das Alter der befragten Personen anpassen. Ebenso ließen sich auf diese Weise Formulierungs- und Filterfehler und sonstige, möglicherweise systematisch wirksam werdende Interviewereinflüsse vermeiden. Die Verwendung computergesteuerter Sprachwiedergabe ermöglicht durch die Einbindung der Fragen in Steuerungsprogramme eine kontrollierte Darbietung von sehr langen Interviews mit komplizierten Filterstrukturen und die gleichzeitige standardisierte Registrierung des Antwortverhaltens.

In der Studie wurde für die Sprachwiedergabe eine SprachaufnahmeNiedergabe-Steckkarte (Audiocard 300E, Speech Design) verwendet, die nur geringe Anforderungen an die Hardware- Ausstattung stellt. Es wird lediglich ein Personalcomputer mit einem freien Steckplatz für die Karte und mindestens 1 MB Hauptspeicher benötigt. Mit speziellen, zur Steckkarte da- zugehörigen Software-Programmen kann die Aufnahme und Digitalisierung der Sprachsignale und die Einbindung in Anwenderprogramme gesteuert werden. Über die Sprachauf- nahmeNiedergabekarte werden analoge Signale (z.B. auf Tonband gesprochene Texte) durch einen sogenannten "Audio-Digitizer" in digitale Daten umgesetzt. Diese Daten können dann im PC abgelegt und verändert und auch auf einem externen Datenträger (Festplatte oder Diskette) abgespeichert werden. Für die Aufnahme der einzelnen Interviewfragen stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen kann ein Mikrophon mit der SprachaufnahmeNiedergabekarte im PC verbunden werden, und die Fragen können dann di-

62 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

rekt eingesprochen werden. Diese direkte Eingabe über Mikrophon ist fur lange Interviews jedoch nicht empfehlenswert, da hierbei in einem zeitaufivendigen Dialogmodus jede einge- sprochene Frage sofort digitalisiert und als eigene Datei abgespeichert werden muß. Das Ab- speichern der Fragen in einzelne Dateien ist durch das Auhahme-Ischneideprogramm der Karte bedingt, das die einzelnen Sprachsequenzen irn Hauptspeicher hält und so deren Länge limitiert. Bei längeren Interviews empfiehlt es sich deshalb, alle Fragen zunächst auf ein Ton- band auhprechen. Dieses wird dann mit der SprachauhahmeIWiedergabekarte verbunden, und die analogen Sprachsignale werden über den auf der Karte arbeitenden Analog-Digital- Wandler mit Hilfe des dazugehörigen Software-Programms in speicherbare digitale Zeichen umgewandelt. Die maximale Auhahmemenge ist durch die Systemspeicherkapazität begrenzt. Die fur die vorgestellte Studie mit einer Abtastrate von 64 K bitslsek. aufgenommenen 335 In- terviewfkgen benötigten beispielsweise eine Speicherkapazität von rund 15 Megabyte. Mit Hilfe eines mitgelieferten Software-Programms lassen sich sowohl unerwünschte Störgeräusche oder Pausen entfernen als auch einzelne Sprachsequenzen (Fragen) miteinander verbinden. Bei der Wiedergabe werden die digitalen Signale wieder in analoge Signale umgesetzt (Digital- Analog-Wandlung), gefiltert, verstärkt und über den angeschlossenen Lautsprecher ausgegeben.

Die spätere Qualität der Wiedergabe wird entscheidend über die zuvor festgelegte Abtastrate des aufgenommenen analogen Sprachsignals bestimmt. Die Digitalisierungsrate liegt bei der hier verwendeten SprachaufnahmeIWiedergabekarte zwischen 17 und 64 K bits/Sek. Je nied- riger die Abtastrate des analogen Sprachsignals, desto schlechter ist die Qualität der späteren Sprachausgabe. Für eine höhere Abtastrate wird jedoch mehr Speicherplatz benötigt. Bei einer Abtastrate von 64 K bits/Sek. entspricht die Wiedergabequalität etwa der eines digitalen Tonbands.

Die digitalen Sprachsignale werden direkt auf der Festplatte in einzelnen Dateien abgelegt. Die komplexe Filterfuhning des CIDI (wie der meisten standardisierten Interviews) und die verschiedenen Ergebnisparameter erfordern einen programmgesteuerten Zugriff auf die auf- genommenen Fragen und ihre beliebige Kombination zur Realisierung der Filterstruktur des Interviews. Der Interviewablauf wurde mit einem in der Programmiersprache "Borland C*" geschriebenen Programm gesteuert.

Knäuper/Triibestein/Pjster: Computergesteuerte Sprachwiedergabe 63

4. Funktionsweise des Touchscreens

Zur Eingabe der Antworten durch die Probanden wurde ein berührungsempfindlicher Bild- schirm (Touchscreen) eingesetzt. Ein Touchscreen ist eine Glasplatte, die auf einen normalen Monitor aufmontiert wird. Die Lichtdurchlässigkeit des hier verwendeten Touchscreens (IntelliTouch E 284-1 33 AG) ist mit 92 Prozent vergleichsweise hoch. Für die Installation des Touchscreens wird eine freie Schnittstelle (oder alternativ ein weiterer Steckplatz) benötigt, da er über eine serielle Schnittstelle (RS 232) mit dem Rechner verbunden wird. Der verwendete Touchscreen-Typ arbeitet mit Ultraschall-Signalen, die von auf der Glasplatte befestigten Piezo- elektrischen Transducern ausgesendet werden. Dabei wird bei der Berührung des Bildschirms an dieser Stelle eine Teilmenge der Ultraschallsignale absorbiert. Rezeptoren registrieren diese Spannungsveränderung und melden sie an einen Controller weiter, der aus diesen Informationen die auf dem Bildschirm berührte Position berechnet. Diese digitalisierte Information über die X/Y-Koordinaten des Bildschirms werden an den Rechner weitergegeben und im laufendem Programm verarbeitet. In der durchgeführten Studie erschienen direkt nach der akustischen Darbietung einer Frage vier Antwortfelder mit den jeweiligen Antwortkategorien auf dem Bildschirm, von denen für die Antwortabgabe eines durch Berührung ausgewählt werden konnten. Es wurden die Art der Antwort ('lja", "nein", "weiß nicht", "Frage wiederholen") und die Latenzzeiten zwischen Frage und Antwortabgabe registriert. Die Latenzzeiterfassung bei der Berührung des Bildschirms erfolgt bei dem verwendeten Touchscreen-Modell auf 0,054 Sekunden genau.

Die Verwendung eines Touchscreens anstelle beispielsweise der Tastatur gewährleistet eine einfache Bedienbarkeit, was 2.B. für die Befragung älterer Personen oder Personen ohne PC- Erfahrung bedeutsam sein kann. Auf dem Bildschirm können Antwortaltemativen, Skalen mit numerischen oder verbalen Skalenpunkten oder auch verschiedene graphische Darstellungs- formen der Antwortvorgaben dargeboten werden. Fehler bei der Antworteingabe bzw. -ko- dierung können bei der Verwendung eines Touchscreens praktisch nicht auftreten. In Kombi- nation mit der programmgesteuerten Sprachwiedergabe können zudem Latenzzeiten zuverlässig erhoben und Fehler durch falsche Filterführung vermieden werden.

64 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

5 Auswertung des AraMa~rberhaltens und exemplarische Ergebnisse der Studie

Datenaujbereitung: In der hier beispielhaft vorgestellten Studie wurde das Antwortverhalten direkt personengebunden als ASCII-File gespeichert. Nach jedem Interview wurden die Daten in eine Datendatei, die fw die erhobenen Daten aller Versuchspersonen angelegt worden war, übertragen. Diese Datei wurde mit einer einfachen Stniktur angelegt, um die Vielzahl an Daten später leichter und mit größtmöglicher Flexibilität verarbeiten und miteinander verknüpfen zu können. Dabei entsprach in der Datei jeder Frage ein Datensatz, in dem die Art der Antwort und die Latenzzeit gespeichert wurde (s. Abbildung 1). Im folgenden werden zur Illustration einige Ergebnisse der Studie exemplarisch dargestellt.

Abbildung P: $&aanbr des Dateundatel

Latenzzeiten: Die Latenzzeitmessung setzte jeweils mit dem Ende der akustischen Darbietung der Frage und zeitgleich mit dem Einblenden der Antwortaltemativen auf dem Bildschirm ein und endete mit der Berührung eines Antwortfeldes durch den Probanden. Für die Analysen wurden die Latenzzeiten statistisch in bezug auf Extremwerte bereinigt (es wurden alle Werte ausgeschlossen, die deutlich über oder unter dem individuellen Mittelwert lagen: xl>M+2SD; xl<M-2SD; vgl. Fazio, 1990). Abbildung 2 zeigt, daß unabhängig vom Alter mit zunehmender sprachlicher Komplexität die Fragen schneller mit "'ja" beantwortet werden (F(2,42) = 4 . 8 5 , ~ 5

Proband Nr.

3 3 3 4 4 4 4

Antwortcode

1 1 2 3 1 2 1

Frage Nr.

E20 E2 1 E22 E1 E2 E3 E4

Latenzzeit

0,5 1 1 0,63 7 4,29 1 0,836 0,835 1,599 0,764

KnÜuper/rriibestein/Pjster: Computergesteuerje Sprachwiedergabe 65

.01). Dies kann zum einen bedeuten, daß mit zunehmender Komplexität der Fragen die Antwortsuche schneller abgebrochen wird; zum anderen können die Daten jedoch auch wi- derspiegeln, daß bei hoch komplexen Fragen aufgrund ihrer Länge früher mit dem Urteils- und Suchprozeß begonnen werden kann als bei niedrig oder mittel komplexen Fragen.

Abbildung 2: Latenzzeiten bei Ja-Antworten als Funktion von Alter und Komplexität der Fragen

Antwortverhalten: Abbildung 3 zeigt, daß die Häufigkeit von Ja-Antworten auf Symptornfragen bei jüngeren Probanden nicht in Abhängigkeit von der sprachlichen Komplexität der Fragen variiert. Ältere Personen beantworten hingegen mit zunehmender sprachlicher Komplexität Fragen häufiger mit "ja" (Interaktion Alter X Komplexität: F(2,60) = 3.22, p I .05). Für Symptome, die anhand sprachlich hoch komplexer Fragen erhoben wurden, wird von älteren Personen auch häufiger angegeben, daß sie ausschließlich eine Folge körperlicher Erkrankun- gen waren (s. Abbildung 4). Es zeigt sich somit insgesamt eine Zustimmungs- oder "Ja-Sage- Tendenz" in Abhängigkeit von der sprachlichen Komplexität der Fragen. Diese zur Illustration berichteten Ergebnisse können als Hinweis darauf gewertet werden, daß standardisierte In- terviewfragen häufig für ältere Personen sprachlich und inhaltlich zu schwierig sind, und daß dies zu systematischen Unterschieden im Antwortverhalten im Vergleich zu jüngeren Personen führt (für eine ausführliche Darstellung der Ergebnisse s. Knäuper~Wittchen, in Druck).

66 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

Abbildung 3: Prozentualer Anteil von Ja-Antworten an der Gesamtzahl der Antworten als Funktion von Alter und Komplexität der Fragen

Anzahl 'Ja'-Antwwlen (%) 32% 1 I

0 niedrig

JCingere (n-32) here ( M I )

Abbildung 4: Häufigkeit, mit der Symptome auf körperliche Ursachen zurückgeführt werden, als Funktion von Alter und Komplexität der Fragen

here (nD31)

Knäuper/Trübestein/Pjster: Coinputergesteuerte Sprachwiedergabe 67

6. Zusammenfassung

In einer Studie zum Verständnis und der Verständlichkeit standardisierter Interviewfragen bei Älteren wurden die Interviewfragen computergesteuert akustisch dargeboten und die Antworten von den Befragten über einen Touchscreen eingegeben. Die gewählte Konfiguration erwies sich als gut geeignet, um die Bedingungen eines face-to-face-Interviews zu simulieren und unter standardisierten Bedingungen Daten über den Befragungs- und Antwortprozeß zu erheben. Zusammenfassend ermöglicht die Verwendung computergesteuerter Sprachwiedergabe und eines Touchscreens die Realisierung folgender Bedingungen: (a) hohe Äquivalenz zu face-to- face-Interviews, (b) Standardisierung der Sprechgeschwindigkeit, (C) Vermeidung von Formulierungs-, Auslassungs- und Filterführungsfehlem, (d) Ausschaltung von Interview- ereinflüssen, (e) "intelligente", d.h. dynamische und bedingungsabhängige (verzweigte) In- teraktion mit der befragten Person, (f) einfache Bedienung bei der Antworteingabe, (g) Mög- lichkeit der Kombiniening des Antwortverhaltens mit anderen Beobachtungsdaten (z.B. La- tenzzeiten).

Anmerkungen

1) Die Autoren sind Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, München. Die For- schungsarbeiten wurden durch ein Promotionsstipendium der Max-Planck-Gesellschaft an Bärbel Knäuper und durch ein Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft an Hans-Ulrich Wittchen unterstützt.

Dr. Bärbel Knäuper Institute for Social Research Survey Research Center P.O. Box 1248 Ann Arbor, MI 48106-1248, U.S.A.

Literatur

Cross-National Collaborative Group, 1992: The changing rate of major depression: Cross na- tional comparisons. Journal of the American Medical Association 268: 3096-3 105.

Daneman, M./Carpenter, P.A., 1980: Individual differences in working memory and reading. Journal of Verbal Learning and Verbal Behaviour 19: 450-466.

Fazio, R.H., 1990: A practical guide to the use of response latency in social psychological re- search. S. 74-97 in: C. Hendrick1M.S. Clark (Eds.), Review of Personality and Social Psychol- ogy. Vol. 3. Beverly Hills, CA: Sage.

68 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

Kintsch, W./van Dijk, T.A.: 1978: Toward a model of text comprehension and production. Psychological Review 85: 363-394.

Knäuper, B./Wittchen, H.-U., 1994 [in Dnick]: Diagnosing Major Depression in the elderly: Evidence for response bias in standardized diagnostic interviews? Journal of Psychiatric Re- search.

Semler, G./Wittchen, H.-U./Joschke, K./Zaudig, M./Geiso, T. von/Kaiser, S./Cranach, M. von1 Pfister, H., 1987: Test-retest reliability of a standardized psychiatric interview (DISICIDI). Eumpean Archives of Psychiatric Neurological Science 236: 2 14-222.

Wittchen, H.-U./Semler, G., 199 1 : Composite International Diagnostic Interview (CIDI, Ver- sion 1.0): (a) CIDI-Manual: Einfihmg und DurchiÜhrungsbeschreibung, @) Interviewheft. Weinheim: Beltz.

Wittchen, H.-U./Semler, G./Zerssen, D. von, 1985: A comparison of two diagnostic methods: Clinical ICD diagnoses vs. DSM-Iii and Research Diagnostic Criteria using the Diagnostic In- terview Schedule (Version 2). Archives of General Psychiatry 42: 677-684.

Wittchen, H.-U.IZerssen, D. von, 1988: Verläufe behandelter und unbehandelter Depressionen und Angststörungen: Eine klinisch-psychiatrische und epidemiologische Verlaufsuntersuchung. Berlin: Springer.

World Health Organization (Ed.), 1990: Composite International Diagnostic Interview (CIDI): (a) CIDI-Interview, Version 1 .O, @) CIDI-User Manual, (C) CIDI-Training Manual, (d) CIDI- Computer Programs. Geneva: World Health Organization.

WolfS/Gabler/Borg:Formale BegrifSsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 69

FORMALE BEGRIFFSANALYSE VON ARBEITSWERTEN

IN OST- UND WESTDEUTSCHLAND

Kar1 Erich WO^&)). Siegji-ied Gabler und Ingwer Borg

D ie Formale Begriffsanalyse ist eine auf einer mathematischen Präzisierung des Begriffs "Begriff' basierende Methode zur formalen Beschreibung und graphischen Repräsenta-

tion von Daten. Anhand der in der ALLBUS Baseline Studie 1991 erhobenen Arbeitswerte wird die Methode erläutert und gezeigt, daß sie einen feineren Einblick in die Struktur der Daten erlaubt als etwa die Betrachtung von Korrelationsmatrizen. Darüber hinaus lassen sich beliebige mehrdimensionale Kontingenztafeln einheitlich graphisch repräsentieren. Es ergeben sich präzise inhaltliche und strukturelle Einsichten in Daten, insbesondere etwa, daß die Hypothese von Alderfer über existenziell-materielle, sozial-emotionale und kognitive Arbeitsaspekte nicht bestätigt werden kann.

F ormal Concept Analysis is a method for the conceptual and graphical representation of data based on a mathematical definition of the concept of "concept". Using the data on

judgements on the importance of different work outcomes ("work values") in the ALLBUS baseline study 1991 we apply Formal Concept Analysis and demonstrate that it enables much more deeper insights into the data than e.g. correlation matrices. It leads also to a uniform gra- phical representation of multidimensional contingency tables. We obtain precise conceptual and stmctural informations, especially, that Alderfer's ERG-hypothesis on existence, relatedness, and growth can not be confirrned using these data.

1. Einleitung

Die Theorie von Maslow (1954) gehört fast schon zur psychologischen Folklore. Sie wird nicht nur in zahlreichen Lehrbüchern der Sozialwissenschaften dargestellt, sondern hat auch breiten Eingang in die BWL- und Managementliteratur gefunden und ist sogar zum festen Bestandteil der Alltagssprache der Führungskräfte der Wirtschaft geworden. Maslows Theorie wird meist durch eine "Pyramide" illustriert, die funf Bedühistypen in eine hierarchische Ordnung bringt. Die Schichten repräsentieren die Bedürfnisklassen 'physiologische Bedürfnisse', 'Sicher-

70 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

heitsbedürfnisse', 'soziale Bedürfnisse', 'Wertschätzungsbedürfnisse' bzw. 'Selbstverwirkli- chungsbedürfnisse'. Die physiologischen Bedürfnisse, die alles umfassen, was für das Überle- ben notwendig ist (Essen, Trinken usw.), bilden die unterste Schicht der Hierarchie. Erst dann, wenn sie befriedigt werden, werden die Bedürfnisse der nächsten Schicht (Sicherheit) für das Verhalten dominant. Selbstverwirklichung wird also als "höchstes" Bedürfnis dann angestrebt, wenn die "niedrigeren" Bedürfnisse alle (weitgehend) befriedigt sind. Die befriedigten Bedürf- nisse sind nicht länger verhaltensrelevant; nur Selbstverwirklichung ist sozusagen unersättlich.

Obwohl die empirische Evidenz, alles im allem, nicht für die Richtigkeit von Maslows Theorie (WahbaBridwell 1976) spricht, hat das ihrer Popularität nur wenig geschadet. Zum einen er- weist sich die Theorie bei genauerer Betrachtung als "almost nontestable" (WahbaBridwell 1976: 234), zum anderen basiert sie eher auf logischen, biologischen und klinischen Überle- gungen und Erfahrungen, nicht auf hypothesentestender Forschung.

Empirisch besser bestätigt ist dagegen die recht ähnliche "ERG-Theorie" von Alderfer (1972). Er unterscheidet nur drei Bedürfnisklassen: Existentielle ("existence"), sozial-emotionale ("relatedness") und Wachstums- ("growth") Bedürfnisse, mit der Ordnung E-R-G. Bei Befrie- digung von Bedürfnissen postuliert Alderfer eine Progression wie Maslow, bei Frustration Iäßt er dagegen auch die Möglichkeit einer Regression auf "niedrigere" Bedürfnisse zu.

Die Maslow- und die ERG-Theorie machen gewisse, wenn auch nicht immer sehr eindeutige, Aussagen darüber, wie sich die Bedürfnisbefriedigung auf die Wichtigkeit der Bedürfnisse auswirkt: "The less social needs, for example, are satisfied, the more they will be desired" und "the less relatedness needs are satisfied, the more existence needs will be desired" (Muchinsky 1987:455). Das Problem dieser Hypothesen liegt 2.T. im Konstrukt "Bedürfnis". Ohne dies hier weiter klären zu können, kann man fragen, ob sich nicht trotzdem eine Vorhersage für die Beziehung von Wichtigkeitsurteilen ("Werte") über Objekte, die derartigen Bedürfnisklassen zugeordnet werden können, ableiten 1at. Strukturell findet man, daß sich Klassifikationen von Werten in die Maslow- bzw. die Alderfer-Kategorien reliabel und sehr trennscharf in der Struk- tur der Wichtigkeitsdaten nachweisen lassen (Borg 1990; 1992). Eine funktionale Abhängigkeit haben Borg et al. (1993) an Hand von Arbeitswerten für Ost- und Westdeutschland untersucht: Subtrahiert man von den Wichtigkeitsratings jedes Befragten zunächst das für diesen Befragten durchschnittliche Wichtigkeitsurteil und korreliert dann die Items, so findet man, daß Items innerhalb der E-, R- bzw. G-Klassen positiv, zwischen den Klassen dagegen negativ korrelieren. Die Befragten beurteilen also irn allgemeinen Items aus derselben Klasse gleichartig, w&end sich Wichtigkeitsaussagen für Items verschiedener Klassen eher gegenläufig verhalten.

Die Effektgrößen bei Borg et al. (1993) sind allerdings recht klein und erlauben insbesondere keine Aussagen darüber, wo und wie die Vorhersagen verletzt sind. Zudem bleibt methodisch die Frage offen, ob die Messung der relativen Wichtigkeit der verschiedenen Arbeitswerte fiir jeden Befragten durch die eher statistische Maßnahme gelungen ist, daß man seine Ratings auf

72 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

der Inhalt des Begriffs (A,B). Sind (AI ,BI) und (A2,B2) Begriffe von (G,M,I), so heißt (AI ,B 1) ein Unterbegr~ff von (A2,B2) und (A2,B2) ein Oberbegr~ff von (Al ,B I), in Zeichen

(AI ,BI) I (A2,B2), falls AlcA2. Man kann leicht zeigen, daß die Bedingung B2cßl dazu äquivalent ist. Die begriffliche Hierarchie I ist auf der Menge B(K) aller Begriffe eines Kon- textes K eine Ordnungsrelation, d.h. reflexiv, antisymmetrisch und transitiv. Die geordnete Menge (B(K), I) ist sogar ein vollständiger Verband, genannt der BegnJfjcsverband von K. Das besagt, daß zu jeder Teilmenge T von B(K) sowohl ein kleinster gemeinsamer Oberbe- griff von T, genannt das Supremum von T, als auch ein größter gemeinsamer Unterbegriff von T, genannt das Infirnum von T existiert. Insbesondere hat jeder Begriffsverband immer einen kleinsten und einen größten Begriff. Der Umfang des größten Begriffs ist die Menge G, der In- halt des kleinsten Begriffs ist die Menge M. Begriffsverbände lassen sich durch Liniendia- gramme in der reellen Ebene so darstellen, daß man daraus den Kontext des Begriffsverbandes rekonstruieren kann, also keine Information verliert. Dabei wird jeder Begriff so durch einen Punkt in der reellen Ebene repräsentiert, daß der h n k t jedes Unterbegriffs u eines Begriffs b (irgendwo) unterhalb des hnktes von b positioniert wird. Gibt es zwischen u und b keinen weiteren Begriff, so verbindet man die Punkte von u und b durch eine Linie. Aus dem so konstruierten Hassediagramm des Begriffsverbandes entsteht durch folgende Beschriftung ein Liniendiagramm: Für jeden Gegenstand g beschriftet man den h n k t des Gegenstandsbegr~ffs yg:= ({g) ", {g} ') mit dem Gegenstandsnamen "g", und für jedes Merkmal m beschriftet man den Punkt des Merkmalsbegnffs pm: = ({m)',{m) ") mit dem Merkmalsnamen "m". Dann

kann man aus dem Liniendiagramm den Kontext rekonstruieren, da g I m genau dann gilt, wenn yglpm, d.h. vom Punkt von yg ein aufsteigender Linienzug zum Punkt von pm führt. Im Gegensatz zu den meisten der üblicherweise verwendeten Datenanalysemethoden (wie etwa der Hauptkomponentenanalyse, der Korrespondenzanalyse oder der Multidimensionalen Ska- lierung), die sowohl die algebraische als auch die metrische Struktur des euklidischen n-dimen- sionalen reellen Vektorraumes, insbesondere der reellen Ebene, benutzen, wird bei den Li- niendiagrammen lediglich die folgende Quasiordnung Q der reellen Ebene benutzt: Sind (XI,

y I), (x2, y2) Punkte der reellen Ebene, so gelte (xl, y1) Q (x2, y2) genau dann, wenn ylIy2, wobei < hier die übliche Ordnung der reellen Zahlen bezeichnet. Dadurch wird es möglich, hochdimensionale Datensätze ohne Informationsverlust in die durch Q nur quasigeordnete re- elle Ebene einzubetten. Dagegen ist es bekanntlich unmöglich, die metrische Struktur von Daten (z.B. eines Tetraeders) in die euklidische Ebene Iängenerhaltend abzubilden, weshalb alle metrischen graphischen Datenrepräsentationsmethoden auf Approximationen angewiesen sind.

Ausführlichere Einführungen in die Formale Begnffsanalyse findet der Leser bei Wille (1982, 1987) und Wolff (1988, 1994), einen Vergleich zwischen der Formalen Begriffsanalyse und den auf der Hauptkomponentenanalyse beruhenden Biplots bei Spangenberg und Wolff (1 99 1).

WolfS/Gabler/Borg:Formale BegrzfSsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 73

4. Methode und Daten

Die im folgenden verwendeten Daten stammen aus der ALLBUS Baseline Studie von 1991. In dieser Studie wurden unter Verwendung einer disproportional geschichteten Zufallsstichprobe im Frühsomrner 1991 15 14 Interviews im Westen (einschließlich Westberlin) und 1544 im Osten (einschließlich Ostberlin) erzielt (ZentralarchivJZUMA 1992). Die Arbeitswerte wurden mit folgender Frage erhoben: "Auf diesen Kärtchen steht Verschiedenes über die berufliche Ar- beit und den Benif. Für wie wichtig halten Sie persönlich diese Merkmale fiir die berufliche Ar- beit und den Beruf? Benutzen Sie bitte die Skala von 1-7 fur Ihre Antwort." Die Kategorien der Antwortskala waren mit Ausnahme der beiden Endpunkte nicht weiter gekennzeichnet. Die Endpunkte selber waren mit "unwichtig" (1) bzw. "sehr wichtig" (7) benannt. Insgesamt wur- den 13 verschiedene Arbeitswerte vorgelegt (siehe Borg et al. 1993), von denen wir wegen ihrer relativ klaren Zuordenbarkeit zu den ERG-Kategorien die folgenden verwenden: 'sichere Be- rufsstellung und 'hohe Bezahlung' (E); 'viel Kontakt zu anderen Menschen' und 'ein Beruf, bei dem man anderen helfen kann' (R); 'interessante Tätigkeit' und 'eine Tätigkeit, bei der man selbständig arbeiten kann' (G).

Der ERG-Kontext und sein Begriffsverband

Zur Überprüfung der Abhängigkeiten zwischen den E-, R- und G-Werten wählen wir den Kontext K = (G,M,I), wobei G die Menge aller 3035 Befragten des ALLBUS 91 ohne "missing values" ist und M die Menge der sechs Merkmale E2R, E G , W, =G, G=, G2R.

Die Relation I wird dadurch festgelegt, daß ein Befragter g zum Beispiel das Merkmal E2R genau dann hat, wenn der Mittelwert der von g abgegebenen Wichtigkeitsratings zu den bei- den E-Items größer oder gleich dem Mittelwert der von g abgegebenen Ratings zu den beiden R-Items ist. Entsprechend bei den anderen Merkmalen.

Wir beschreiben nun den Begriffsverband dieses Kontextes K. Dazu zerlegen wir K durch Partitionierung der Merkmalsmenge in zwei Teilkontexte K1 und K2, wobei beide Teilkontexte alle Gegenstände von K enthalten, K1 aber nur die beiden Merkmale E2G und G2E enthält, während K2 die anderen vier Merkmale enthält. In jedem der Teilkontexte hat ein Gegenstand ein Merkmal genau dann, wenn er dieses Merkmal im Originalkontext K hat. Der Begriffsverband von K1 wird durch folgendes Liniendiagramm in Abbildung 1 dargestellt.

74 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Abbildung 1: Die Kontingente von K1

obere Zahl: Kontingente West; untere Zahl: Kontingente Ost

Das Liniendiagrarnm in Abbildung 1 zeigt an jedem Gegenstandsbegriff an, wieviel Gegen- stände existieren, die diesen Begriff als Gegenstandsbegriff haben. Das ist in diesem Beispiel also die Anzahl der Befragten, die alle Merkmale des Inhalts dieses Begriffs erfüllen, aber auch nur diese. Diese Anzahl nennt man die Kontingenuahl dieses Gegenstandsbegriffs, die hier getrennt nach West (oben) und Ost (unten) angegeben ist. Daher kann man an diesem Diagramm ablesen, daß 336 West- und 442 Ostdeutsche sowohl die Bedingung E2G als auch die Bedingung GLE, also E=G erfüllen, während nur 398 West-, aber 593 Ostdeutsche mit E>G geantwortet haben. Dagegen haben 769 West-, aber nur 497 Ostdeutsche mit G>E ge- antwortet. Da jeder Befragte wenigstens eines der beiden Merkmale =G, G= erfüllt, kann am obersten Begriffspunkt dieses Diagramms kein Gegenstandsname stehen und daher steht dort auch keine Kontingenzzahl. Abbildung 2 zeigt bei jedem Begriff die Anzahl der Befragten an, die zum Umfang dieses Begriffs gehören.

Abbildung 2: Die Umfänge von K1

obere Zahl: Umfänge West; untere Zahl: Umfänge Ost

Wolff/Gabler/Borg: Formale Begriffsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 75

Man erkennt, daß insgesamt 734 = 336 + 398 Westdeutsche die Bedingung @G erfüllen. Zählt man dazu die restlichen 769 Westdeutschen, die G > E erfüllen, so erhält man die 1503 Westdeutschen im Umfang des größten Begriffs. Der Begriffsverband des zweiten Teilkontex- tes K2 wird durch das Liniendiagramm in Abbildung 3 dargestellt.

Abbildung 3: Die Kontingente von K2

8 1 141

obere Zahl: Kontingente West; untere Zahl: Kontingente Ost

Die vier unteren Nachbarn des höchsten Begriffspunktes bezeichnen die vier Merkmalsbegriffe von K2. Für die 637 West- und die 654 Ostdeutschen, die das Kontingent des Begriffs mit dem Inhalt E>_R, G2R bilden, wissen wir aus diesem Kontext K2 noch nicht, wie sie bezüglich der Merkmale E G und G2E geantwortet haben, während wir für die 45 West- und 104 Ostdeut- schen im Kontingent des Begriffs mit dem Inhalt E=, %G wegen der Transitivität der Rela- tion 2 natürlich ETG erschließen können (unter Verwendung der speziellen Form dieser Merkmale!).

Um das Zusammenwirken aller sechs Merkmale zu verstehen, zeichnen wir nun ein gestuftes Liniendiagramm des Kontextes K, wobei wir die bereits gezeichneten Liniendiagramme der Kontexte K1 und K2 verwenden können. Auf die genaue Beschreibung gestufter Liniendia- gramme kann hier nicht eingegangen werden. Die Grundidee dieser Darstellung ist aber sehr einfach: Man schaut zuerst grob und dann fein hin! Wenn wir etwa die (grobe) Information des Kontextes K1, daß 398 West- und 593 Ostdeutsche die Bedingung E>G erfüllen, verfeinern wollen, indem wir fragen, wie sich diese Personen über die Gegenstandsbegriffe des Kontextes K2 verteilen, so brauchen wir die entsprechenden Anzahlen nur in eine (noch unbeschriftete) Kopie des Liniendiagrarnms von K2 einzutragen. Das gestufte Liniendiagramm in Abbildung 4 des Kontextes K ist aus dem Liniendiagramm des Kontextes K1 durch "Aufblasen" aller vier Begriffspunkte und Einsetzen je einer (unbeschrifteten) Kopie des Liniendiagramms von K2 entstanden. Dann wurden die Punkte der Merkmalsbegnffe mit den Merkmalsnamen und die

76 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Punkte der Gegenstandsbegriffe mit den Kontingenzzahlen (West oben, Ost unten) und den Kodierungsnummern (daneben) beschriftet.

Abbildung 4: Die Kontingente von K

obere Zahl: Antwortmuster; mittlere Zahl: Kontingente West; untere Zahl: Kontingente Ost

Das Liniendiagramm in Abbildung 4 beschreibt eine Einbettung des Begriffsverbandes von K in den Verband aller Teilmengen von M (den Potenvnengenverband von M): Jeder der 64 Punkte dieses Diagramms beschreibt eine der 64 Teilmengen der 6-elementigen Merkmals- menge M. Der kleinste Punkt beschreibt die ganze Menge M, der größte Punkt die leere Teil- menge von M, der linke untere Nachbar des größten Punktes die l-elementige Menge, die nur aus dem Merkmal EX> besteht und dessen links darunter liegender Nachbar die 2-elementige Menge, die aus der vorigen Menge durch Hinzunahme des Merkmals G2R besteht. Allgemein bedeutet das Absteigen längs einer Linie in diesem Diagramm die Hinzunahme eines Merkmals. Die Hinzunahme des Merkmals D G zu den 32 Teilmengen, die durch die Punkte rechts oben beschrieben sind, wird durch die zwei fetten von rechts oben nach links unten führenden Linien beschrieben, die jeweils 16 dünne (parallele) Linien zwischen je zwei solchen

WolfS/Gabler/Borg:Formale Begrifsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 77

Punkten darstellen, die innerhalb ihrer Kopie des Liniendiagramms von K2 an demselben Platz stehen.

Die schwarzen Punkte in diesem gestuften Liniendiagramm markieren die 29 Begriffe von K. Die durch einen schwarzen Begriffspunkt bestimmte Teilmenge von M ist der Inhalt des zuge- hörigen Begriffs. Es gibt genau 13 Gegenstandsbegriffe, deren Kontingenzzahlen wie in den vorherigen Diagrammen angegeben sind. Das bedeutet inhaltlich, daß bei diesen sechs Merk- malen unter den 3035 Befragten nur 13 "Antwortmuster" vorgekommen sind. Man kann zei- gen, daß allein wegen der durch die Transitivität gegebenen Abhängigkeiten zwischen den sechs Merkmalen dieses Kontextes auch nicht mehr als diese 13 Gegenstandsbegriffe existieren können. Diese lassen sich durch die folgenden Antwortmuster beschreiben:

Die hier gewählte dreistellige mnemotechnische Kodierungsnummer (z.B. 221 fiir E=R>G) beschreibt die Größenordnung der Ratings für E, R und G (in dieser Reihenfolge).

Lesebeispiel zu Abbildung 4: Die 336 Westdeutschen mit E=G (im Liniendiagramm von K1 am untersten Punkt) verteilen sich im Liniendiagramm von K auf die 3 Gegenstandsbegriffe (Antwortmuster) mit den Kodierungsnummern 21 2, 12 1 und 1 1 1 im Verhältnis 2 17 : 32 : 87. Die übersichtliche Gruppierung der 13 Antwortmuster im graphisch repräsentierten Sprachrah- men der sie beschreibenden Merkmale erleichtert das Auffinden von inhaltlich relevanten Be- ziehungen. Einige Beobachtungen zu den Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen seien hervorgehoben:

Die beiden Teilkontexte der Ost- bzw. Westdeutschen dieser Befragten haben isomorphe (d.h. verbandstheoretisch strukturgleiche) Begriffsverbände, beide sind isomorph zum Be- griffsverband des gesamten Kontextes K.

78 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Die Kontingente, in denen mehr Ost- als Westdeutsche vorkommen, sind genau die, in denen die Behgten mit E2G geantwortet haben. Das Verhältnis zwischen den Anzahlen der Ost- und Westdeutschen eines Kontingents (Antwortmusters) ist mit 104:45 am größten beim 13. Antwortmuster 321 und mit 76: 16 1 am kleinsten beim 5. Antwortmuster 123.

Die Überprüfung der ERG-Ordnungshypothese

Die Hypothese: "Wenn existentielle Bedürfiiisse dominant werden, sind soziale Bedüdhisse weniger wichtig und Wachstumsbed~sse noch unwichtiger." kann man natürlich sehr ver- schiedenartig formalisieren, mit den oben ausgewählten Merkmalen etwa durch

(ERG?) "Wenn E X und E2G, dann ist =G." oder durch (ERG>) "Wenn E > R und E > G, dann ist R > G."

Zur Überprüfung dieser Bedingungen betrachten wir nur diejenigen Behgten, die die Vor- aussetzungen dieser Thesen erfullen. Dazu zeichnen wir in Abbildung 5 den entsprechenden Teil des gestuften Liniendiagramms von K als ungestuftes Liniendiagramrn, und zwar einerseits mit den Kontingenzzahlen und andererseits mit den U m f a n g s d e n .

Abbildung 5: Die Kontingente und Umfange für E2R, E2G

obere Zahl: Kontingente West untere Zahl: Kontingente Ost

obere Zahl: Umfänge West untere Zahl: Umfänge Ost

An den U m f a n g s d e n erkennt man, daß unter den insgesamt 665 Westdeutschen, die mit Ex und E2G geantwortet haben, nur 272 mit =G, aber mehr als doppelt soviel, nämlich 562 mit G X geantwortet haben, wovon übrigens 169 G=R gesetzt haben. Also haben sogar 562-169 = 393 (= 217 + 176) mit G>R und nur 272-169 = 103 (= 58 + 45) dieser Behgten mit R>G geantwortet. Einen ähnlichen Effekt liest man für die Ostdeutschen ab. Damit ist die

Wolff/Gabler/Borg:Formale Begriffssnnalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 79

Hypothese (ERG2) an diesem Datensatz widerlegt. Zur Überprüfung der Hypothese (ERG>) etwa für die Westdeutschen bemerkt man, daß von den 176 + 82 + 45 = 303 Westdeutschen mit E>R und E>G nur 45 mit R>G, aber 176 mit G>R und 82 mit G=R geantwortet haben, was (ERG>) ebenfalls widerlegt. Abbildung 6 zeigt die Umfangsanzahlen aller Begriffe des Kontextes K. Dabei haben wir zur Vereinfachung der Graphik die Hilfslinien in und zwischen den Kopien des Liniendiagrarnrns von K2 weggelassen. Man erkennt zunächst, daß außer in sieben Begriffen in jedem Umfang mehr Ost- als Westdeutsche vorkommen, was bewirkt wird durch die herzahl der Ostdeut- schen im ganzen Bereich E2G. Die größten Umfangsanzahlen unter den Merkmalsbegriffen kommen bei G2R (2452=1267+1185) und bei B R (2248=1048+1200) vor, im Westen treten sie bei G2R (1267), G2E (1 105) und E2R (1048) auf, wahrend es im Osten die Merk- malsbegriffe E2R (1200), G2R (1185) und E2G (1035) sind. Abschließend geben wir eine Übersicht über die Anzahlen der Befragten, die den folgenden sechs Reihenfolgen zugestimmt haben. Diese Anzahlen sind die Umfänge der maximalen Gegenstandsbegriffe, die in den Abbildungen 5 und 6 in der horizontalen mittleren Schicht dargestellt sind.

Abbildung 6: Die Umfange von K

obere Zahl: Umfänge West; untere Zahl: Umfänge Ost

80 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Übersicht: Anzahl der Befragten

Es fallt zunächst auf, daß unter diesen sechs Reihenfolgen diejenigen beiden am häufigsten (bnv. am seltensten) gewählt wurden, bei denen die R-Werte am niedrigsten (bnv. am höch- sten) eingeschätzt wurden. Die beiden in West- und Ostdeutschland am unterschiedlichsten bewerteten Reihenfolgen sind die "'Aldetier-Reihenfolge" E > X G und deren "Umkehrung" G2 R2E. Was bedeutet es, daß die Aldetier-Reihenfolge nur von 727 der 3035 Behgten, also nur von 24 Prozent angegeben wurde, während die Reihenfolge G2E2R mit 1337 von 3035 Befi-agten, also mit 44 Prozent arn häufigsten gewählt wurde?

Diskussion

Die mit der Formalen Begriffsanalyse visualisierte Häufigkeitsverteilung auf den möglichen Antwortmustern bezüglich der von uns gewählten Merkmale bestätigen die ERG-Hypothese von Aldetier nicht. Das könnte daran liegen, daß die Voraussetzung der ERG-Hypothese "Wenn existentielle Bedürfnisse dominant werden, ..." durch die Formalisierungen (ERG) in- sofern nicht passend beschrieben sind, als die Einstufung von E über R und G noch nicht besagt, daß existentielle Bedürfiusse dominant sind. Natürlich könnte man mr formalen Beschreibung der Vorausseimng der ERG-Hypothese auch hohe Ratings für die E-Arbeitswerte benutzen, was wir bisher noch nicht getan haben. Selbst dann kann die ERG-Hypothese unbestätigt bleiben, falls unter den Behgten "existentielle Bedürfnisse noch nicht ausreichend dominant" waren.

Auch die Auswahl des Kontextes, insbesondere der gewählten Items und deren Verrechnung durch den Mittelwert von ordinalen Ratings sollte man methodenkritisch bedenken. Die Er- gebnisse bei Borg et al. (1993) zeigen, daß E-, R- und G-Items sich zwar zuverlässig und praktisch fehlerfrei mittels der Multidimensionalen Skalierung diskriminieren lassen, daß ihre Homogenität aber nur gering ist. Das heißt, daß E-, R- und G-Werte z.T. niedriger innerhalb ihrer Inhaltsklassen untereinander korrelieren als zwischen diesen. Dieser Gesichtspunkt ver- weist auch auf die Unschärfe der ERG-Theorie, die offenbar eine traditionelle Homogeni- tätsannahme fur die Bedihfhisklassen macht. Um Abhängigkeiten dieser Items von anderen

Wolff/Gabler/Borg:Formale BegrifSsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und Westdeutschland 81

Einflüssen besser in den Griff zu bekommen, wäre es erforderlich, zusätzlich zu der ERG-Un- terscheidung weitere Facetten zu artikulieren. Borg et al. (1993) haben 2.B. die zusätzliche Unterscheidung der Arbeitswerte in leistungs- und nicht-leistungsabhängige vorgenommen. Weitere Unterscheidungen (2.B. Zeitperspektive, Kontext usw.) sind relativ leicht zu finden. Insgesamt erscheint eine simple ERG-Hypothese, ohne weitere Spezifikationen, für die Pro- gnose konkreter E-, R- oder G-Items zu undifferenziert.

Zur Methode der Formalen Begriffsanalyse selbst kann man anmerken, daß sie wesentlich fei- ner als Korrelationsuntersuchungen die Häufigkeitsverteilung der Behgten auf den möglichen Antwortrnustem bezüglich der jeweils sechs interessierenden Merkmale mehrdimensional ganzheitlich darzustellen gestattet. So ist in Abbildung 4 die Häufigkeitsverteilung der Behg- ten sowohl für die sechs Kontextrnerkmale als auch fiir die Merkmale Ost und West in einem Liniendiagramm dargestellt. Man beachte, daß jeder Korrelationskoeffizient eine sehr kurze und daher sehr grobe Beschreibung einer Kontingenztafel fur zwei Items darstellt, die man übrigens immer als Häufigkeitsverteilung auf den Gegenstandsbegriffen der durch die zwei Items beschriebenen Merkmale eines geeigneten Kontextes darstellen kann. Jede Korrelationsmatrix beschreibt daher nur die Wechselwirkungen zwischen je zwei Items. Zur Beschreibung von Wechselwirkungen höherer Ordnung benötigt man mehrdimensionale Kontingenztafeln. Man kann zeigen, daß jede mehrdimensionale Kontingenztafel durch die Gegenstandsbegriffe eines geeigneten Kontextes dargestellt werden kann.

Anmerkung

1) K.E. Wolff ist Professor an der FH Darmstadt, Mitglied der Forschungsgruppe Begriffsana- lyse der TH Darmstadt und des Emst Schröder Zentrums für Begriffliche Wissensverarbeitung Darmstadt.

Literatur

Alderfer, C.P., 1972: Existente, relatedness, and growth: human needs in organizational set- tings. New York: Free Press.

Borg, I., 1990: Multiple facetizations of work values. Applied Psychology: An International Review, 39(4):401-412.

Borg, L, 1992: Facettentheorie. Bern: Huber.

Borg, I./Braun, M./Häder, M., 1993: Arbeitswerte in Ost- und Westdeutschland: Unterschied- liche Gewichte, aber gleiche Struktur. ZUMA-Nachrichten 33: 64-82.

Maslow, A., 1954: Motivation and personality. New York: Harper & Row.

Muchinsky, P.M., 1987: Psychology applied to work. Chicago, 111.: Dorsey.

82 ZUM-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Spangenberg,N./Wolff, K.E., 1991: Datenreduktion durch die Formale Begriffsanalyse von Repertory Grids: S. 38-54 in: Scheer, J.W./Catina, A.(Hrsg.), Einfuhning in die Repertory Grid- Technik, Band 2, Klinische Forschung und Praxis. Verlag Hans Huber.

Wahba, M.A.Bridwel1, L.T., 1976: Maslow reconsidered: A review of research on the need hierarchy theory . Organizational Behavior and Human Performance, 1 5: 2 12-240.

Wille, R., 1982: Restructuiing lattice theory: an approach based on hierarchies of concepts. S. 445-470 in: Rival, I. (Hrsg.), Ordered Sets. Reidel, Dordrecht-Boston.

Wille, R., 1987: Bedeutungen von Begriffsverbänden. S. 161 -2 1 1 in: Ganter, B./Wille, R./Wolff, K.E. (Hrsg.), Beiträge zur Begriffsanalyse. MannheimNienIZürich B.1.-Wissen- schahverlag.

Wille, R., 1989: Knowledge acquisition by methods of formal concept analysis. S. 365-380 in: Diday, E. (Hrsg.), Data analysis, learning symbolic and numeric knowledge. New York, Bu- dapest: Nova Science Publishers.

Wale K.E., 1988: Ehfihmng in die Formale Begriffsanalyse. Publication de 1' Institut de Re- cherche Mathematique Avancee, Strasbourg, Seminaire Lotharingien de Combinatoire.

Wolff, K.E., 1994: A fmt Course in Formal Concept Analysis - How to understand line dia- grams. S. 429-440 in: SoftStat'93. Advances in Statistical Software 4. Stuttgart, Jena, New York: Gustav Fischer Verlag.

ZentralarchivIZUMA, 1992: ALLBUS Basisurnhge 199 1 in Gesamtdeutschland. Codebook ZA-Nr. 1990. Köln: Zentralarchiv fur empirische Sozialforschung.

Gablmkimmehher: Korrespondm3,se wn Arbeitrwwten in Ost- ta2d Westdeutschlrmd 83

KORRESPONDENZANALYSE VON ARBEITSWERTEN

IN OST- UND WESTDEUTSCHLAND

Sieg$-ied Gabler und Birgit Rimmelspacher 1)

I m Gegensatz zur Formalen Begriffsanalyse verwendet die Korrespondenzanalyse ein Abstandsmaß bei der Analyse von Kreuztabellen. Entscheidend fur die Korrespondenz-

analyse ist die gewählte Ausgangsdatentabelle. Anhand von Arbeitswerten aus der ALLBUS Baseline Studie 1991 wird verdeutlicht, wie Strukturen von Arbeitswerten in Grafiken der Korrespondenzanalyse sichtbar werden. Besonders einfach erkennbar ist arn Schiuß, daß die Hypothese von Alderfer über materielle, soziale und kognitive Arbeitsaspekte in diesem Zusammenhang nicht bestätigt werden kann.

U nlike formal concept analysis, correspondence analysis relies on a distance measure to analyze matrix data. For correspondence analysis, the scaling chosen for the input data is

particularly irnportant. Using the data from the 1991 ALLBUS Baseline-study on work values in East and West Germany, we show that the structures found for the work values can be recovered in a graphical representation of correspondence analysis. Finally, we discuss how the results found in this context do not confm Alderfer's hypothesis on existente, relatedness, and growth.

1. Die Ausgangsdatentabeile

Im vorliegenden Fall repräsentiert jede der 3058 Zeilen der ALLBUS Baseline Studie 1991 eine der in Ost- bzw. Westdeutschiand behgten personen2), die die Wichtigkeit folgender sechs von 13 Arbeitswerten auf einer Likertskala von 1 bis 7 angegeben haben, wobei die 1 "unwichtig" und die 7 "sehr wichtig" bedeuten.

V2 l=SICHERE BERUFSSTELLUNG V22=BERUF MIT HOHEM EINKOMMEN V26=INTERESSANTE TAETIGKEIT V27=SELBSTAENDIGE TAETIGKEIT V29=BERUF MIT VIEL MENSCHLICHEM KONTAKT V30=CARITATIV HELFENDER BERUF

84 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Diese Arbeitswerte lassen sich gemaß Alderfer (1972) klassifizieren, je nachdem, welchen Bedürfnissen sie vor allem dienen (vgl. Borg/Braun/Häder 1993).

V21 ,V22 : Materielle Bedürfnisse (Existence E) V26,V27 : Wachstumsbedürfnisse (Growth G) V29,V30 : Soziale BedUrfnisse (Relatedness R)

Uber Relationen der Bedürfnisse E, G und R werden die Personen klassifiziert. Beispielsweise gilt für eine Person die Relation E>G, wenn (V21+V22) >(V26+V27) erfüllt ist. Bei einer solchen Person sind die materiellen Bedürfnisse "im Durchschnitt" wichtiger als die Wachs- tumsbedürfnisse. Trifft eine Relation zu, so wird in dieser Spalte eine "I" vermerkt, sonst eine "W. Die betrachteten Relationen sind

Der Grund dafür, daß wir alle binären Relationen als neue Merkmale wählen, liegt in der Tatsache begründet, daß dann jede Person dasselbe "Gewicht" besitzt, das heißt die Zeilen- summe für jede Person 4 ergibt. Die eigentliche Datenmatrix besteht demnach neben einer Personenspalte aus einer Indikatormatrix und hat folgendes Aussehen:

Tabelle 1: Vollständige logische Datenmatrix

G>E E S E=G

Offensichtlich gibt es bei den Paarvergleichen nur 13 verschiedene Muster, 2.B. 100100100. Ein großer Vorteil der Korrespondenzanalyse ist nun die Gültigkeit des Prinzips der Vertei- lungsäquivalenz (Greenacre 1993: 36). Es besagt in diesem Zusammenhang folgendes:

Sind zwei Zeilen der DatenmatnX proportional zueinander, und werden sie

durch eine einzige Zeile ersetzt, die sich durch spaltenweises Aufsummieren

R>E

PersonNr.

1

Ost

E=R

Paarvergleiche

West

2 1 1 I I II I I I I I I II I

I

E>R

0 1 0 0 1 0 0 1 0 0 1

G,R ESJ

R>G

E 8

R>G G>E

G=R

E>R

1 0 0 1 0 0 1 0 0 1 0

0 1 0 1 0 0 1 0 0 1 0

R>E G=R %-G E=R G>R E S

G>R Ost West

Gabler-her: Ko~esponderaanaIyse wn Ar- m Ost- und Westdatt- 85

der beiden Zeilen ergibt, so bleiben die Abstände der Spalten unverändert.

Da in der Korrespondenzanalyse proportionale Zeilen in der Grafik in denselben h n k t ab- gebildet werden, bedeutet dies, daß die Korrespondenzanalyse obiger Tabelle dieselben Resultate liefert wie Tabelle 2.

Tabelie 2: Zu Tabelle 1 äquivalente Datenrnatrix

Dabei muß jede Zeile zweimal gelesen werden. Die Tabelle bezüglich Ost erhält man aus Tabelle 2, indem man alle Spalten der Paarvergleiche elementweise mit den Häufigkeiten in Spalte Ost multipliziert. Summiert man die so erhaltene Tabelle spaltenweise, so ergibt sich die

Summe 1532 1503

Ost

West

497

769

442

336

593

398

332

455

330

284

870

764

347

236

364

330

821

937

86 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Summenzeile Ost. Für West verfahrt man analog.

Interessieren wir uns nur für die Häufigkeiten der einzelnen Muster in Ost und West, so genügt der folgende Ausschnitt aus Tabelle 2.

Tabelle 3: Kontingenztafel Muster-Region

Genauer ist die Korrespondenzmatrix die Datenausgangslage fiir eine Korrespondenzanalyse. Man erhält sie, indem man alle Zahlen durch die Gesamtsumme 3035 dividiert. Daraus ermittelt man die Zeilen- bzw. Spaltenprofile, die sich als relative Anteile interpretieren lassen. Man dividiert die Zeilenwerte durch die Zeilensumme bzw. die Spaltenwerte durch die Spal-

2 tensurnme. Die Distanz zwischen Zeilenprofilen (Spaltenprofilen) wird über eine X -Metrik gemessen. Diese Profile bildet man in Punkte eines Raumes ab, bei dem die übliche eukiidische

2 Metrik als Distanzmaß gilt. Die euklidischen Abstände dieser hnk te entsprechen den X -

Abständen der Profile.

R>E=G

E=G=R

E=G>R

R>E>G P

E=R>G

E>R>G

E>G=R

Summe

84

228

466

80

156

149

194

5 2

141

249 PP

43

98

104

112

32

87

217

37

5 8

45

82

412

3035

236

1532

176

1503

G a b l e r m M h e r : K o r r e s p o ~ s e mn Arbeztswerten M Ost- und Weskkcw3chIand 87

Stellt man die Spalten im Gerüst der Zeilen dar, ergibt sich folgende sogenannte grafische SP- Darstellung der Korrespondenzmatrix. Wegen der Eindimensionalität des Problems findet ein Informationsverlust dabei nicht statt.

Abbildung 1: Grafische SP-Darstellung von Tabelle 3

Wie aus der Grafik zu erkennen ist, liegen alle Muster, bei denen G>E (Rechteck) ist, links von West. Alle Muster, bei denen E=G (Dreieck) oder E>G (Rhombus) ist, liegen rechts von Ost. ~ a h e ? ) sind bei allen Mustern mit G>E die Westprofile größer als die Ostprofile. Bei E=G und E>G sind die Ostprofile größer als die Westprofile. Wachstumsbedürfnisse haben somit gegenüber materiellen Bedürfnissen im Osten anders als im Westen keinen höheren Stellenwert.

Will man die Zeilenprofile miteinander vergleichen, eignet sich obige Darstellung eigentlich nicht. Wir sollten dann die PS- oder PP-Darstellung wählen, bei der die Zeilen in den Haupt- koordinaten dargestellt werden. Wegen der Eindimensionalität bedeutet dies aber nur eine Multiplikation der Achsenkoordinaten mit einer Zahl, der Inversen des Singulärwertes. Die Reihenfolge der Punkte wird dadurch nicht tangiert. Am unterschiedlichsten in den Zeilen- profilen sind daher die Muster G > b E und E>R>G. Ganz ähnliche Profile haben dagegen etwa die Muster E=G=R und b E = G . Zwischen Mustern mit E=G und E>G können wir keinen

88 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

eindeutigen Trennstrich ziehen.

2. Die Burtmatrix als Datenmatrix

Gehen wir nochmals zur Tabelle 1 zurück. Eine Korrespondenzanalyse der Indikatormatrix ist im wesentlichen identisch mit der Korrespondenzanalyse der Burtmatrix. Die Burtmatrix für den Westen bzw. für den Osten erhält man durch Multiplikation der Transponierten der Indika- tormatrix, deren Spalten lediglich die Paarvergleiche für West bzw. Ost umfassen, mit eben die- ser Indikatormatrix. Für den Westen ergibt sich die Tabelle 4, für den Osten stehen die Werte in Tabelle 5.

Tabelle 4: Burtmatrix West

GabIw-hher: K o r r e s p o ~ s e wn Arbei~swerten M Ost- und W e s ~ c h l a n d 89

Tabelle 5: Burtmatrix Ost

In diesen Burtmatrizen steckt die gesamte Information der Ausgangsmatrizen, die daraus rekonstruiert werden könnten. Sie sind etwa Kovarianzmatrizen vergleichbar. Mittels Burt- matrizen betrachtet man alle Interaktionen zweiter Ordnung. Im vorliegenden Fall bestehen sie aus jeweils neun 3x3-Blockmatrizen, wobei die Diagonalblöcke Diagonalmatrizen sind, deren Diagonalelemente gleich den Spaltensummen der entsprechenden Indikatormatrix sind. Die Nebendiagonalblöcke spiegeln die zweidimensionalen Verteilungen wider. Ihre Zeilen- und Spaltensummen stimmen mit den Diagonalelementen der gesamten Matrix überein. Die Randsummen bei den Burtmatrizen sind gerade das dreifache der Diagonalen.

Aus der Datenmatrix im Osten ist beispielsweise abzulesen, daß 52 Personen das Antwort- muster R>E=G besitzen. 336 Personen sagen G>R und G>E, haben also das Antwortmuster G>R>E oder G>E=R oder G>E>R, was sich auch aus der Summation der entsprechenden Zellen ergeben würde.

G>E

Die grafische Darstellung der Korrespondenzanalyse unterscheidet sich von der grafischen Darstellung der Indikatormatrizen nur durch die Erklärungsgüte. Die Eigenwerte bei der Burtmatrix sind gerade die quadrierten Eigenwerte bei der Indikatormatrix.

G=R

Die grafische Darstellung der Burtmatrix im Westen ist in Abbildung 2 zu sehen. In dieser Darstellung sind die Punkte proportional zur Masse eingezeichnet. Im rechten oberen Qua-

E=G G>R

G>E

E=G

E>G

R>E

E=R

E>R

R>G

G=R

G>R

Summe

E>G Summe

497 0 0

0 442 0

0 0 593

237 52 43

91 141 98

169 249 452

50 52 245

111 141 112

336 249 236

237 91 169

52 141 249

43 98 452

332 0 0

0 330 0

0 0 870

145 98 104

111 141 112

76 91 654

R>E

1491

1326

1779

996

990

2610

1041

1092

2463

13788 1779 2610

50 111 336

52 141 249

245 112 236

145 111 76

98 141 91

104 112 654

347 0 0

0 364 0

0 0 821

1491 996

E=R

1041 1326 990

E>R

1092

R>G

2463

90 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

dranten finden wir die Punkte mit minimalem R, im linken oberen Quadranten die Punkte mit minimalem E und in der unteren Hälfte die Punkte mit minimalem G. Die erste (horizontale) Achse driickt die Unterschiedlichkeit der Beziehungen R>E - soziale Bedürfnisse sind wichtiger als materielle - und E>R - materielle Bedürfnisse sind wichtiger als soziale - aus, während die zweite (vertikale) Achse den Unterschied zwischen "kleinem" G - Wachstumsbedürfnisse sind relativ unwichtig - und "großem" G zeigt.

Abbildung 2: Grafische P-Darstellung der Burtmatrix West

Nun könnte man aus den Burtmatrizen Teile ohne Informationsverlust weglassen. Störend sind etwa die Diagonalblöcke. Die Joint Correspondence Analysis würde diesem Umstand Rech- nung tragen und die Erklärungsgüte der zweidimensionalen Darstellung dann von 59,l Prozent

auf über 95 Prozent erhöhen.

G a b l e r m h h e r : Korrapordmma&se wn Arbeitnwten m Ost- und Westdeutschhd 91

Wir wollen einen anderen Weg beschreiten und die Burtmatnx noch weiter ohne Informati- onsverlust verkleinern, indem wir einen Zeilenblock kreuztabellieren mit den außerdiagonalen Spaltenblöcken. Betrachten wir etwa den Zeilenblock, der E und G beinhaltet, und stellen ihm die Spaltenblöcke gegenüber, die E und R bzw. G und R enthalten. Wir erhalten im Westen:

Tabelle 6: Relationen in Abhängigkeit voneinander (West)

Alle Informationen der ursprünglichen Indikatormatrix lassen sich aus dieser Tabelle zurück- gewinnen. So haben etwa 87 Personen das Antwortmuster E=G=R. Da die obige Matrix nur drei Zeilen hat, ist ihre korrespondenzanalytische Darstellung im zweidimensionalen Raum 100-prozentig. Stellt man die Spalten im Gerüst der Zeilen dar, verwendet man also wieder eine asymmetrische Darstellung, so ergibt sich das Bild wie in Abbildung 3.

G>E

E=G

E>G

Summe

Bezüglich der Relationen zwischen G und E haben E=R und G=R ähnliche Profile. Die Gnippe der Personen etwa, bei denen die materiellen Bedürfnisse gleichwichtig wie die sozialen Be- dürfnisse sind, verhält sich bezüglich der Einstufung der Wichtigkeit zwischen Wachstumsbe- dürfnissen und materiellen Bedürfnissen ähnlich der Gruppe der Personen, die sozialen Be- dürfnissen und Wachstumsbedürfnissen gleiche Wichtigkeit beimessen. Die Gruppe der Perso- nen, bei denen die sozialen Bedürfnisse wichtiger als die materiellen Bedürfnisse sind, verhält sich bezüglich der Einstufung der Wichtigkeit zwischen Wachstumsbedürfnissen und materiel- len Bedürfnissen ganz anders als die Gruppe der Personen, die soziale Bedürfnisse für wichtiger halten als Wachstumsbedürfnisse. Bei der ersten Gruppe sind hauptsächlich auch die Wachs- tumsbedürfnisse wichtiger als die materiellen Bedürfnisse, bei der zweiten Gruppe gilt dagegen genau das Gegenteil.

Summe

1538

672

796

3006

R>E E>R E=R R>G

386 139 244

32 - 87 217

37 58 303

64 161 544

32 87 217

140 82 176

G=R

764 236 455

G>R

284 330 937

92 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Abbildung 3: Grafische SP-Darstellung von Tabelle 6

Im Osten sieht die Tabelle wie folgt aus:

Tabelle 7: Relationen in Abhängigkeit voneinander (Ost)

Die grafische Darstellung dieser Tabelle ist in Abbildung 4 zu sehen. Interessieren uns die Ver- hältnisse bei =G, so brauchen wir nur die Gerade zwischen E=G und E>G mit der Geraden

G>E

E-G

E>G

Summe

W E E>R E=R W G

237 9 1 169

52 141 249

43 98 452

994

884

1186

3064 870

50 11 1 336

52 141 249

245 112 236

332

Summe G=R

347 330

G>R

364 821

Gableri-her: KoqndarPanalyse wn A r b e i m m Os2- und Weskhi~cchIand 93

zwischen G>E und dem Nullpunkt zu schneiden. Die beiden Geraden stehen senkrecht aufein- ander. Die quadrierte Länge zwischen zwei Ecken ist gleich der Hälfte des harmonischen Mit- tels der entsprechenden Zentroidkomponenten, beispielsweise zwischen G>E und E>G gleich 3064(1/994 + 111 186) = 5.666 im Osten.

Abbildung 3 und 4 zeigen relativ ähnliche Strukturen zwischen den Spaltenprofilen. Das Gerüst der Einheitsprofile ist etwas verschoben. Die Spaltenprofile wandern von der Richtung G>E in die Richtung E=G. Generell hat R>G den höchsten Spaltenprofilwert in der dritten Komponente (E>G), während R>E den höchsten Spaltenprofilwert in der ersten Komponente (G>E) besitzt.

Abbildung 4: Grafische SP-Darstellung von Tabelle 7

Gablw/Rimme+her: Korrespo-se wn Arbeihwwten in Ost- d Wes.&u&chimd 95

Abbildung 5: Grafische Darstellung von Tabelle 2+8 (West)

Abbildung 6: Grafische Darstellung von Tabelle 2+8 (Ost)

96 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Im Osten wie im Westen gilt demnach, daß bei allen Personen, bei denen die materiellen Bedürfnisse nicht unwichtiger sind als die anderen Bedürfnisse, also E>_R und E2G erfüllt ist, eher G>R als R2G gilt. Ebenso ist bei Personen mit E>R und E>G, bei denen also die materiellen Bedürfnisse wichtiger sind als die anderen Bedürfnisse, eher G>R als RX; eifüllt4). Dies widerlegt gerade die Alderfer ERG-Hypothese.

Diskussion

Ebenso wie bei der Formalen Begriffsanalyse kann die ERG-Hypothese von Alderfer mit den vorliegenden Daten auch korrespondenzanalytisch nicht bestätigt werden. Für Probleme bei der gewählten formalen Umsetzung der Hypothese verweisen wir auf die Diskussion in Wolff/Gabler/Borg (1994) in diesen ZUMA-Nachrichten. Die Nachteile der Reduktion der Dimension in der grafischen Darstellung bei der Korrespondenzanalyse erweisen sich im Beispiel der Arbeitswerte als nicht störend. Die Berücksichtigung der Masse und die Ver- wendung eines Distanzmaßes lassen Profilunterschiede in korrespondenzanalytischen Grafiken für das Auge deutlich sichtbar werden. Grobstrukturen sieht man in der Korrespondenzanalyse

sofort. Für feinere Strukturen kann man entweder die numerischen Ergebnisse der Korrespon- denzanalyse verwenden oder man nutzt die Vorteile der Formalen Begriffsanalyse.

1) Birgit Rimmelspacher ist Praktikantin bei ZUMA. 2) Davon werden 23 Personen eliminiert, die in wenigstens einer der interessierenden Varia

blen einen rnissing value aufweisen.

3) Der Beweis folgt aus Gabler (1993: Strukturmerksatz 5). 4) Es ist sogar eher G>R als @G.

Literatur

Alderfer, C.P., 1972: Existente, relatedness, and growth: human needs in organizional settings. New York: Free Press.

Borg,I./Braun,M./Häder,M., 1993: Arbeitswerte in Ost- und Westdeutschland: Unterschiedliche Gewichte, aber gleiche Struktur. ZUMA-Nachrichten 3354-82.

Gabler, S., 1993: Die grafische Darstellung in der Korrespondenzanalyse. ZUMA-Nachrichten 32: 22-37.

Greenacre, M.J., 1993: Correspondence Analysis in Practice. Academic Press New York. Wolff, K.E./Gabler, S./Borg, I., 1994: Formale Begriffsanalyse von Arbeitswerten in Ost- und

Westdeutschland. ZUMA-Nachrichten 34: 69-82. Zentralarchiv/ZUMA, 1992: ALLBUS Basisumfrage 1991 in Gesamtdeutschland. Codebook

ZA-Nr. 1990, Köln.

BbnWSchwurzer: Ist die Gasturbeirerskala noch zeitgemig? 97

IST DIE GASTARBEITERSKALA NOCH

ZEITGEMÄB? DIE REFORMULIERUNG EINER ALLBUS- SKALA^)

Thornas Blank und Stefan Schwarzer

D ie Gastarbeiter-Skala aus dem ALLBUS wurde reformuliert und in drei unabhängigen Stichproben erhoben. Die Ergebnisse aus diesen drei Stichproben werden mit dem ALL-

BUS 1990 verglichen, in dem die klassischen Gastarbeiter-Items erhoben worden sind. Die Eindimensionalität sowie die Stabilität der Faktorenladungen über die Stichproben sind durch einen multiplen Gruppenvergleich (LISREL) nachgewiesen. Die externe Gültigkeit wird zum einen anhand einer Stichprobe mit den Konstrukten "Nationalismus", "Autoritarismus" und "Zuzugsakzeptanz verschiedener Fremdgruppen", zum anderen mit den demographischen Variablen Alter, Bildung und der politischen Links-Rechts-Orientierung überprüft. Die Refor- mulierung der klassischen Gastarbeiter-Items hat sich als sehr reliables und valides Instrument zur Messung einer allgemeinen Diskriminierungstendenz gegenüber Fremdgruppen erwiesen.

T he foreign-worker-scala of the ALLBUS was revised and collected in three independent samples. The results of these three samples are compared with the ALLBUS 1990, in

which the classical foreign-worker-items were collected. The onedimensionality and the sta- bility of the factor loadings over the samples are showed by a multi-sample analysis (LISREL). The external validity is proved on the one hand with one sample by Nationalism, Autoritarism and the acceptance of immigration of different foreign-groups and on the other hand by age, educational standard and the political orientation. The revision of the classical foreign-worker-

items tums out as a very reliable and valide instrument for measuring a general tendency of discrimination against Outgroups.

1 Problemstellung

Seit Jahren werden im ALLBUS vier Items zur Diskriminierungsbereitschaft gegenüber Gast- arbeitern erhoben (vgl. z.B. ALLBUS 1980, 1984, 1990). Diese vier Items dienen seit langem

98 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

als Indikatoren einer grundsätzlichen Bereitschaft, Fremdgruppen2) allgemein abzuwerten. Im Längsschnitt werden mit diesen vier Items Zu- und Abnahme der Fremdenfeindlichkeit für Deutschland untersucht (vgl. z.B. Wiegand 1993; GehringIBöltken 1985). Es stellt sich die Frage, ob diese Indikatoren in der heutigen Zeit noch angemessen sind bzw. welche Dimen- sionen der Diskriminierungsbereitschaft damit überhaupt gemessen werden. Bereits Geh- ring/Böltken (1985) sowie Terwey (1989) formulierten eine grundsätzliche Kritik an diesen Indikatoren. Die Argumentation dieser Autoren bezieht sich zum einen auf den Arbeiter-Begriff und zum anderen auf den Begriff des Gastes. Ausländerfeindlich ist nach diesen Opera- tionalisierungen "derjenige, der Nicht-Deutsche nur als vorübergehende Arbeitskräfte, abge- schlossen von der deutschen Gesellschaft und ihren Rechten sieht" (Alba o.J., S. lf). Mit der Gastarbeiteroperationalisierung wird somit eine spezifische Form der Fremdenfeindlichkeit gemessen.

Neben der klassischen Kritik an den Gastarbeiter-Fragen machen aber auch gesellschaftliche Veränderungen eine Reformulierung dieser Items notwendig. So hat z.B. der starke Zustrom von Asylsuchenden nach Deutschland in den letzten Jahren und ihre Unterbringung in den Ge- meinden dazu geführt, daß sich die Wahrnehmung und die Definition des "Fremden" bei den

Deutschen geändert hat. Im Mittelpunkt des Ausländer-Stereotyps stehen heute nicht mehr so sehr die Gastarbeiter, sondern eher Asylsuchende. Ändern sich also die Zielgruppen von Fremdenfeindlichkeit, die grundlegenden Einstellungen gegenüber Fremdgruppen dagegen nicht, so wird die Verwendung der Gastarbeiterfragen dieser Situation nicht gerecht. Das wahre Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit kann dann erheblich unterschätzt werden, wenn in den Operationalisierungen "bedeutungslose" Bezugsgruppen verwendet werden.

Für die empirische Sozialforschung ist es deshalb nötig, über eine Operationalisierung des Konstrukts "Ausländerfeindlichkeit" zu verfügen, die unabhängig von den aktuellen gesell- schaftlichen Definitionen der Fremdgruppen ist und die eine grundsätzliche Haltung gegenüber Fremdgruppen mißt (vgl. zur allgemeinen Diskussion z.B. Fuchs et al. 1993). Für das Konstrukt "Ausländerfeindlichkeit" als einer grundlegenden kognitiven Haltung gegenüber Fremdgruppen (Gastarbeiter, Asylbewerber oder Kriegsflüchtlinge) gibt es eine solche Kurzskala nach unse- rem Wissen nicht, obwohl ein zunehmendes Interesse an einer brauchbarenOperationalisierung besteht. Um ein solches Instrument zu entwickeln, hat die Projektgruppe des DFG-Projektes "Nationale Identität der Deutschen" die vier Gastarbeiterfragen aus dem ALLBUS dahingegen

modifiziert, daß der Begriff "Gastarbeiter" durch "die in der Bundesrepublik lebenden Auslän- der" ersetzt wurde. Unter Ausländern verstehen wir dabei die Personengruppen, die als Auslän- der wahrgenommen werden.

Im Abschnitt 2 stellen wir zunächst die Stichproben und die Meßinstrumente vor, um dann im Abschnitt 3 Fragen der internen Konsistenz und Validität zu prüfen. Im Abschnitt 4 sind die Er- gebnisse der externen Validierung dargestellt.

BlanWSchwarzer: Ist die Gnstarbeiterskala noch zeitgembß? 99

2. Stichproben und Meßinstrumente

2.1 Die Stichproben Wir verwenden Daten aus vier unabhängigen Stichproben. Die erste wurde im Rahmen des Po- litbarometers Gießen im Herbst 1992 (im folgenden GI) erhoben (vgl. Heinrich et al. 1993). Mittels einer Zufallsauswahl konnte ein N von 194 der in Gießen Kommunalwahlberechtigten realisiert werden. Die zweite und dritte Stichprobe wurden im Rahmen der Politbarometer Münster im Frühjahr (im folgenden MS-1; vgl Blank et al. 1993) und im Herbst 1993 (im fol- genden MS-2; vgl. Blank 1993) erhoben. Für MS-1 beträgt die Nettostichprobe 204 Fälle und für MS-2 300 Fälle. Die Daten dieser drei Stichproben wurden in Telefoninterviews e rh~ben .~) Als vierte Stichprobe verwenden wir die Split-l-Version des ALLBUS 1990. Dieser wurde in einer mündlichen und schriftlichen Befragung mit standardisiertem Fragebogen in den alten Bundesländern einschließlich Westberlin erhoben. Die Nettostichprobe beträgt 146 1 Personen. Eine empirische Überprüfung der hier vorgestellten Ergebnisse mit einer für die Bundesrepublik Deutschland repräsentativen Stichprobe ist im Rahmen unseres DFG-Projekts "Nationale Identität der Deutschen. Messung und Erklärung der Veränderungsprozesse in Ost und West" sowie im ALLBUS 1994 in Vorbereitung.

2.2 Das Meßinstrument Die vier ALLBUS-Gastarbeiterfragen (vgl. ALLBUS 1990; Wiegand 1992) wurden von unse- rer Projektgruppe dahingehend modifiziert, daß der Gastarbeiter-Begriff durch den Begriff "die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer" ersetzt wurde (vgl. Tabelle 1). In unseren drei Stichproben (GI, MS-1, MS-2) verwendeten wir siebenstufige Kategorialskalen mit ver- balisierten Endpunkten. In GI und MS-1 lauteten die Endpunkte 1 "stimme absolut zu" und 7 "stimme überhaupt nicht zu", in MS-2 und im ALLBUS dagegen 1 "stimme überhaupt nicht zu" und 7 "stimme absolut zu".

Ein Mittelwertsvergleich zwischen ALLBUS und unseren drei Pretest-Stichproben ist im Hinblick auf die Validierung der Ausländer-Items wenig sinnvoll, da es sich bei unseren Erhe- bungen um regional begrenzte Stichproben handelt. Wir beschränken uns deshalb im folgenden auf Gemeinsamkeiten der Verteilungsformen und der latenten Strukturen. In allen vier Stichproben sind die Verteilungsformen der vier Items signifikant von der Normalverteilung verschieden. Das Antwortverhalten erstreckt sich bei allen Indikatoren und in den vier Stich- proben über die gesamte Skalenbreite. Den Items wird in der Tendenz eher nicht zugestimmt. Die Rangreihe der Mittelwerte ist in allen vier Stichproben gleich (vgl. Wiegand 1992; Terwey 1989; Fischer et al. 198 1 ; GehringIBöltken 1985; Kühnel 1987). Die unterschiedliche Polung der Skalenendpunkte hat darauf keinen Einfluß.

100 ZUMA -Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Tabelle B: EingangsstimuIins, Htemforrmaalien-immgen und Häufigkeitsveirtei1ungen

GI Im folgenden geht es um in der Bundesrepublik lebende Ausländer. Ich nenne Ihnen MS-I jetzt einige Aussagen, die man irgendwann schon einmal gehört hat, wenn es um MS-2 Ausländer ging. Sie haben jetzt wieder sieben Antwortmöglichkeiten, um den Grad

ihrer Zustimmung zum Ausdruck zu bringen.

ALLBUS Bei der nächsten Frage geht es um Gastarbeiter in der Bundesrepublik: Auf dieser Liste stehen einige Sätze, die man schon irgendwann einmal gehört hat, wenn es um Gastarbeiter ging. Sagen Sie mir bitte anhand dieser Liste zu jedem Satz, inwieweit Sie ihm zustimmen.

Stichprobe Mittelw. Median s Schiefe LEBEN Gastarbeiter sollten ihren Lebensstil ein biß- ALLBUS 4.42 5 2.03 -.23 chen besser an den der Deutschen anpassen.

Die in der Bundesrepublik lebenden GI 4.04 4 1.96 -.05 Ausländer sollten ihren Lebensstil MS- I 3.89 4 2.07 .I 1 ein bißchen besser an den der MS-2 3.47 3 1.91 -.36 Deutschen anpassen.

EHE Gastarbeiter sollten sich ihre ALLBUS 2.86 2 2.21 .81 Ehepartner unter ihren eigenen Landsleuten auswhhlen.

Die in der Bundesrepublik lebenden G I 5.80 7 1.84 -1.34 Ausländer sollten ihre Ehepartner MS- I 6.20 7 1.59 -1.97 unter ihren eigenen Landsleuten MS-2 1.42 1 1.24 3.29 auswahlen.

ARBEIT Wenn Arbeitsplätze knapp werden, ALLBUS 3.43 3 2.09 .40 sollte man die Gastarbeiter wieder in ihre Heimat zurückschicken.

Wenn Arbeitsplätze knapp werden, GI 5.68 7 1.78 -1.12 sollte man die in der Bundesrepublik MS- I 5.98 7 1.79 -1.58 lebenden Ausländer wieder in ihre MS-2 1.66 1 1.38 2.35 Heimat zurückschicken.

POLITIK Man sollte Gastarbeitern jede politische ALLBUS 3.67 2 2.24 .26 Betätigung in Deutschland untersagen.

Man sollte den in der Bundesrepublik GI 5.36 7 2.05 -.91 lebenden Ausländern jede politische MS- I 5.76 7 1.90 -1.29 Betätigung in Deutschland untersagen. MS-2 2.26 1 1.75 1.34

Beim numerischen Vergleich der Parameter sind die unterschiedlichen Polungen der Skaliemngen (MS-21 ALLBUS <-> GUMS- I) zu berücksichtigen.

BhnWSchwarzer: Ist die Gastnrbeitersknl~l noch zeitgemiiß? I01

Bei allen vier Items nimmt die Schiefe der Verteilungsformen im Längsschnitt über die vier Stichproben zu. Die Richtung der Schiefe ist über alle Stichproben in bezug auf die inhaltlichen Skalenendpunkte gleich. Die Befragten polarisieren zunehmend auf den nicht diskriminierenden Skalenendpunkten. Als Ursachen dafür sind denkbar a) ein zufalliger Effekt (Stichproben- fehler), b) ein Längsschnitteffekt, der entweder durch eine Abnahme der Fremdenfeindlichkeit (vgl. Wiegand 1993; Gehring/Böltken 1985; Kühnel 1987) oder durch einen zunehmenden Effekt sozialer Erwünschtheit erklärt werden kann (vgl. Reinecke 1991) und C) der Einfluß unterschiedlicher Erhebungsmethoden.

Die stärkste Zustimmung findet sich in allen vier Stichproben beim Wunsch nach der Anpas- sung des Lebensstils (Item LEBEN). Dieses Item ist in bezug auf die Ablehnung von Auslän- dern semantisch das weicheste. Ein Anpassungswunsch kann sowohl gegenüber Ausländern als auch gegenüber Deutschen geäußert werden, deren Verhalten als normabweichend wahrge- nommen wird.

Deutlich geringer ist die Zustimmung im Hinblick darauf, ob man Ausländern jede politische Betätigung untersagen sollte (Item POLITIK). Die politische Betätigung der in der BRD le- benden Ausländer kann zwei relevante Formen annehmen: (a) Zum einen die politische Parti- zipation an politischen Willensbildungsprozessen der Deutschen (Kommunalwahlrecht). (b) Zum anderen Aktivitäten, die sich auf die politische Situation in den jeweiligen Herkunftslän- dern beziehen. Solche politischen Aktivitäten sind z.B. die Autobahnblockaden durch die in Deutschland lebenden Kurden als Protest gegen die türkische Kurdenpolitik.

Eine noch geringere Zustimmung findet sich für das Item ARBEIT. Folgende Erklärungsan- sätze bieten sich an: (a) Ausländer sind überwiegend in Bereichen beschäftigt, die für deutsche Arbeitnehmer unattraktiv sind. Deshalb werden sie nicht als Konkurrenten auf einem knappen Arbeitsmarkt wahrgenommen. (b) Als Ursachen wirtschaftlicher Rezession werden nicht mehr die in Deutschland erwerbstätigen Ausländer gesehen, sondern die "allgemeine Politik" und eine supranationale Wirtschaftslage. (C) Der zunehmende Anteil der Ausländer der zweiten und dritten Generation ist aufgrund seiner Sozialisation in Deutschland und aufgrund von As- similationsprozessen besser integriert als die erste Generation.

Die wenigsten stimmen der Aussage zu, daß die Ausländer ihren Ehepartner unter den eigenen Landsleuten wählen sollten. Das Item EHE ist somit der härteste Indikator für Fremdenfeind- lichkeit. Die Zustimmung zu diesem Item kann deshalb als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit interpretiert werden, weil binationale Ehen als tiefes Eindringen von Ausländern in die Intimsphäre der Deutschen betrachtet werden müssen. Dabei spielt dann auch die Angst vor einer als "ethnisch" wahrgenommenen "Durchmischung" eine nicht unerhebliche Rolle (vgl. BlankISchmidt 1994).

102 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mni 1994

In Tabelle 2 sind die polychorischen Korrelationen der hier diskutierten Items dargestellt. We- gen des ordinalen Meßniveaus der Items wurden polychorische Korrelationen statt Produkt- Moment-Korrelationen berechnet (vgl. Jöreskog/Sörbom 1 988).4)

Tabelle 2: Polychorische Korrelationen der vier Fremdenfeindlichkeits-Iterns

LEBEN EHE ARBEIT POLITIK

LEBEN ALLBUS 1 .OO GI 1 .oo

MS- 1 1 .OO MS-2 1.00

EHE ALLBUS .46 1.00 GI .65 1 .OO

MS- 1 .58 1.00 MS-2 .46 1.00

ARBEIT ALLBUS .53 .59 1 .OO GI .66 .75 1 .OO

MS- 1 .43 .68 1 .OO MS-2 .42 .66 1 .OO

POLITIK ALLBUS .46 .54 .58 1 .OO GI .59 .69 .68 1 .OO

MS- I .56 .58 .58 1 .OO MS-2 .40 .50 .57 1 .OO

Die Berechnung erfolgte auf der Grundlage von lisrwise deletion. Die Stichprobengröße betrug demzufolge für ALLBUS = 145 1 , für GI = 187, für MS-1 = 196 und für MS-2 = 287.

Die vier Items korrelieren in allen vier Stichproben hoch signifikant miteinander. Die absoluten Werte nehmen mit zunehmender Stichprobengröße leicht ab. Inwieweit es sich um signifikante Unterschiede handelt, kann hier nicht geklärt werden. Die Zusammenhänge werden in den kleinen Stichproben eher überschätzt (vgl. BrandmaierMathes 1993). Die Rangreihe der Korre- lationen zwischen den vier Items ist über die Stichproben relativ stabil. Auf korrelativer Ebene zeigt sich über alle vier Stichproben eine robuste Struktur.

3. Interne Konsistenz und Validität

Im folgenden Abschnitt untersuchen wir unter Verwendung eines multiplen Gruppenvergleichs mit LISREL-8 (vgl. Jöreskog/Sörbom 1993a) die Reliabilität und interne Validität der vier Ausländerablehnungs-Items. Die Ausgangsthese lautet: Sind die Faktorenladungen und die Meßfehler in allen vier Stichproben gleich, so ist aufgrund der Meßwiederholung an unab- hängigen Stichproben von einer hohen Reliabilität auszugehen. Desweiteren kann die interne Validität dann als sehr gut bewertet werden (vgl. Bollen 1989: 356). Berücksichtigt man zu-

BlnnWSchwarzer: Ist die Gastarbeiterskalu noch zeitgemlii? 1 03

sätzlich die semantische Variation der Itemfonnulierungen zwischen ALLBUS einerseits und unseren drei Stichproben andererseits, so bedeutet die Bestätigung dieses restktiven Modells hohe inhaltliche Äquivalenz der beiden Operationalisierungen.

Da die Normalverteilungsannahme der vier Items in allen vier Stichproben signifkant verletzt ist, wurden Covarianz- und asymptotische Varianz-Covarianz-Matrizen mit PRELIS-2 (vgl. Jö- reskog1Sörbom 1993b) berechnet. Damit konnte zur Modelltestung der Weighted-Least-Squa- res-Schätzer (WLS) herangezogen werden.

Unser Ausgangsmodell mit stabilen Faktorenladungen und Meßfehlern über alle vier Stichpro- ben ergab keine ausreichende Modellanpassung. Signifikante Modellverbesserungen konnten durch die Varianzfreisetzung der latenten Faktoren und einzelner Meßfehler erreicht werden (vgl. Jöreskog/Sörbom 1988b). Der Goodness of Fit-Index für das akzeptierte Modell (vgl.

2 Abbildung I ) beträgt 1.00 bei 27 Freiheitsgraden, einem X von 39.08 und einem p von .062 (RMR = .056).

Die stichprobenspezifisch standardisierten Faktorenladungen sind als standardisierte Validi- tätskoeffizienten zu interpretieren. Nach Bollen (1989) ist die interne Validität durch die Kor- relation zwischen beobachteter und latenter Variablen bestimmt. Die Reliabilität ist die durch den gemeinsamen Faktor erklärte Varianz der vier Items (vgl. Bollen 1989: 221). Sie berechnet sich für jeden Indikator durch 1 - standardisiertem Meßfehler. Die Stichprobenabhängigkeit der Reliabilitätsschätzung (vgl. Schnell et al. 1989: 150) zeigt sich in den numerischen Variationen der Koeffizienten zwischen den Stichproben.

Betrachten wir zunächst die unstandardisierten Koeffizienten des Modells. Die Faktorenla- dungen sind über alle vier Stichproben stabil. Unterschiede bestehen zum einen in der Varianz der latenten Variable und zum anderen auf der Ebene der Meßfehler. Die Varianzunterschiede werden durch die unterschiedlichen Grundgesamtheiten und eine Abnahme der Einstellungs- heterogenität im Längsschnitt erklärt. Bei drei Items (EHE, HEIMAT, POLITIK) sind die Meßfehler der ALLBUS-Erhebung deutlich größer als in den drei Vergleichsstichproben. Ur- sachen hierfür sind u.a. in der semantisch unterschiedlichen Itemformuliemng und den ver- schiedenen Erhebungsmethoden zu sehen.

Die Unterschiediichkeit der standardisierten Faktorenladungen erklärt sich durch die stichpro- benspezifischen Varianzen. Als Validitätskoeffizienten beschreiben sie eine hohe interne Gül- tigkeit des Konstrukts. Die hohe Reliabilität der reformulierten Kurzskala drückt sich in den niedrigen standardisierten Meßfehlern aus. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist der Wert unserer Kurzskala zur Erfassung einer allgemeinen Ablehnungsbereitschaft gegenüber Fremdgruppen als hoch zu bewerten.

104 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Abbildung I: Mu.dt@ler Gruppenvergleich des Meßmodell

AbbBUS 2.52 1 .OO

Varianz der Oateoaten 61 VariabOerin MS-1 2.09

MS-2 1.09 1 .OO

FakPousnOadung

MsBfehOeu

GI

MS-4

MS-2

- Links der Pfade stehen die unstandardisierten Werte - Rechts der Pfade stehen die mit der stichprobenspezifischen

Varianz vollstandardisierten Werte

Zur Untersuchung der externen Validität wählen wir zwei Vorgehensweisen. Zum einen ver- wenden wir drei Einstellungskonstrukte. Für diese wird in der Literatur ein positiver Zusam- menhang mit der Abwertungstendenz gegenüber Ausländern postuliert. (a) Nationalismus ist

Bl~~izWSchcvarzer: Ist die Gastarbeiterskzla noch zeitgetnäß.7 105

nach Kosterman/Feshbach (1989) und Staub (1991) die positive Überbewertung der eigenen Nation, verbunden mit der Abwertung von Fremdgruppen. Adorno et al. (1950) bezeichnen diese Einstellung als Pseudopatriotismus. (b) Autoritarismus ist nach Lederer (1982) und Scheepers et al. (1992) positiv mit Fremdenfeindlichkeit verknüpft (vgl. auch Fischer et al. 1981). (C) Die Einstellung zur Aufnahme von Fremdgruppen in Deutschland (vgl. Geh- ring1Böltken 1985; Wiegand 1992). Eine fremdenfeindliche Haltung dokumentiert sich in einer Ablehnung des Zuzugs. Zum anderen verwenden wir die demographischen Variablen Alter und Bildung sowie die politische Links-Rechts-Orientierung.

4.1 Ablehnung von Ausländern, NationaBlsmaas, Auntoritarismus und die Einstellung zum Zuzug von Fremdgruppen

Für Nationalismus und Autoritarismus liegen Operationalisierungen vor, die nur in der GI- Stichprobe erhoben wurde (vgl. Heinrich et al. 1993). Für die Konstrukte Nationalismus und Autoritarismus haben wir jeweils die drei faktorenanalytisch am besten indizierenden Items ausgewählt. Die Items lauten:

Tabelle 3: Wäufigkeitsvertei1ungen der Nationa~smus-Htenws

Mittelwert Median s Schiefe

WATWETT Daß die Bundesrepublik bei internationalen 4.40 4 1.99 -.I90 Wettbewerben gewinnt, ist für mich ... sehr wichtig [ l ] [2] [3] [4] [5] [6] [7] überhaupt nicht wichtig

NATFLAG Wenn ich die deutsche Flagge sehe, empfinde ich ... 4.16 4 2.03 -.I56 sehr großen Stolz [I] [2] [3] [4] [5] [6:1 [7] überhaupt keinen Stolz

W A T r n - 1 Daß Deutsche immer die Nummer 1 sind, ist für mich ... 5.34 6 1.82 -.726 sehr wichtig [ I ] [2] [3] [4] [5] [6] [7] überhaupt nicht wichtig

Alle drei Items stammen von Kosterman/Feshbach 1989.

Die "Zustimmung" zu diesen Items betrachten wir als Indikatoren einer positiven Überbewer- tung der eigenen Nation (vgl. Kosterman/Feshbach 1989). Aufgrund der theoretischen Kon- zeption von Nationalismus ist eine positive Korrelation zwischen diesem Konstrukt und dem Ausländerablehnungskonstrukt zu erwarten (vgl. BlankISchmidt 1993).

106 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Tabelle 4: Häufigkeitsverteilungen der Autoritarismus-Items

Mittelwert Median s Schiefe

AUTOGEHO Zu den wichtigsten Eigenschaften, die 4.84 5 2.01 -.529 jemand haben kann, gehört disziplinierter Gehorsam der Autorität gegenüber.

AUTOKOPF Wir sollten dankbar sein für führende Köpfe, 5.09 6 1.90 -.653 die uns genau sagen können, was wir tun sollen und wie.

AUTOKIND Im allgemeinen ist es einem Kind im späteren 5.47 6 1.69 -.868 Leben nützlich, wenn es gezwungen wird, sich den Vorstellungen seiner Eltern anzupassen.

Das Item AUTOGEHO stammt von Kagitcibasi 1967, das Item AUTOKOPF von Adorno et al. 1950 und

Lederer 1982, das Item AUTOKIND von Cristie 1963. Skalierung: ' I ' stimme absolut zu bis '7' stimme

überhaupt nicht zu.

Die Zustimmung zu den in Tabelle 4 dargestellten Items betrachten wir als Indikatoren einer autoritären Grundhaltung (vgl. Lederer 1982). Wir erwarten eine positive Korrelation des Au- toritarismus mit dem Konstrukt Ausländerablehnung (vgl. Fischer et al. 198 1).

Mit den Fragen zur Akzeptanz des Zuzugs verschiedener Fremdgruppen liegt eine weitere Operationalisierung der Diskriminierungsbereitschaft gegenüber Fremdgruppen vor (vgl. Wie- gand 1992). Neben den Häufigkeitsverteilungen in der Stichprobe GI sind in Tabelle 5 die ent- sprechenden Häufigkeitsverteilungen aus dem ALLBUS 1990 dargestellt. Die Verteilungsun- terschiede zwischen diesen beiden Stichproben entsprechen in der Tendenz den Längsschnitt- befunden von Wiegand (1992).

Die verschiedenen Fremdgruppen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer historischen, po- litischen und gesellschaftlichen Bedeutung für Deutschland als auch in ihrer kulturellen Nähe zu Deutschland (vgl. GehringIBöltken 1985). Für die Ausländerablehnungs-Items erwarten wir je- doch, daß, unabhängig von den spezifischen Fremdgruppen, ein korrelativer Zusammenhang dahingehend besteht, daß bei Vorliegen freindenfeindlicher Einstellungen ein Zuzug grundsätz-

lich eher nicht befürwortet wird.

BlnnWSch~vnrzer: Ist die G~~stcrrbeiter~skcrln noch zeitgembi? 107

Tabelle 5: Einstellungen zum Zuzug verschiedener Fremdgruppen: Häufigkeitsverteilungen

uneingeschränkt begrenzt völlig unter- möglich sein werden bunden

werden

ZUGASYL Der Zuzug von Asylsuchenden sollte ... ALLBUS 12.7% 63.5% 23.8%

GI 27.9% 67.4% 4.7%

ZUGEG Der Zuzug von Arbeitnehmern ALLBUS 35.0% 56.1% 8.9% aus EG-Staaten sollte ... GI 49.7% 47.1 % 3.1 %

ZUGnEG Der Zuzug von Arbeitnehmern ALLBUS 10.4% 61.5% 28.1% aus Nicht-EG-Staaten sollte ... GI 21.5% 67.5% 1 1 .O%

ZUGKRIEG Die Aufnahme von ALLBUS Kriegsflüchtlingen sollte ... GI 77.2% 19.7% 3.1%

Zur Herkunft der Items vgl. ALLBUS 1990; Heinrich et al. 1993.

Zur Überprüfung der externen Validität anhand dieser drei Konstrukte berechneten wir mit den Daten der GI-Stichprobe die in Abbildung 2 dargestellte konfirrnatorische Faktorenanalyse mit LISREL-8 (Jöreskog ISörbom 1993a). Da sich bei listwise deletion ein N von 169 ergab, mußte zur Schätzung des Modells aufgrund der geringen Fallzahl statt des WLS-Schätzers der Maxi- mum-Likelihood-Schätzer verwendet werden, der als robust betrachtet werden kann (vgl. Satorra 1989; Jöreskog/Sörbom 1988b). Als Input-Matrix verwendeten wir Kovarianzen. Die Verletzungen der Nonnalverteilungsannahme konnte dadurch jedoch nicht komgiert werden.

Das Ausgangsmodell ergab keine ausreichende Modellanpassung. Nach Maßgabe der Modifi- kationsindizes und aufgrund theoretischer Überlegungen wurden zwei Faktorenfremdladungen

2 und sechs Residualkorrelationen freigesetzt. Mit einem X von 60,95 bei df = 63 (p = 0.55; GFI = .95; AGFI = .92; RMR = .06) ergab sich eine befriedigende Modellanpassung.

Alle vier latenten Konstrukte werden durch ihre Indikatoren sehr gut abgebildet. Dies zeigt sich in den hohen standardisierten Faktorenladungen (Validitätskoeffizienten, vgl. Bollen 1989). Zwei Items weisen Fremdladungen auf, die sich durch die sehr allgemeine theoretische Kon- zeption der latenten Konstrukte und ihre sparsame Operationalisierung erklären lassen. Zudem sind die beiden Fremdladungen deutlich niedriger als die Ladungen der entsprechenden Items auf das ihnen operational zugeordnete Konstrukt. Wir verzichten deshalb auf eine weiterführen- de Interpretation.

108 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Die Korrelationen der latenten Faktoren entsprechen sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Richtung den oben formulierten Hypothesen. Wer fremdenfeindlich ist, äußert auch eher autoritäre Einstellungen, befürwortet eher die Beschränkung oder gar die Unterbindung des Zuzugs von Ausländern und weist eher nationalistische Einstellungen auf. Da nach Brand- maier1Mathes (1993) bei kleinen Stichprobengrößen mit einem deutlichen bias bei den Para- meterschätzungen zu rechnen ist, bleibt die Interpretation der Phi-Koeffizienten uneindeutig. Die Replikation an einer größeren Stichprobe ist hier notwendig.

Abbildung 2: Standardisierte Vdidit%iBQkoefTizienteny ~orrelationen der latenten Fak- toren und MeßfeMer des akzeptierten ModeUs zur IW.Sung der externen Vali Wi&

ablehnung

-70 .79 .82

.77 .76 .71 .72 .22 .20 .69 .68 .78 .64

p ] ~ ~ ~ ~ ~ ~ I , N m ~ ~ I I " I " I " l ~ l : ; c i ~ ~ I " ~ ] T T f f T t t f T T T f f t .40 .42 .50 .48 .24 .37 .32 -34 .59 -28 .53 .54 .40 .60 A - W ? A A UA

.13 .09 .12

-.I4

-.I4

-.I8

BhnkiSchwurzer: Ist die Gasturbeirer.sk~1~1 noch zeitgemig.7 109

Die Zufallsmeßfehler der Items liegen zwischen .24 und .60. Sie sind durchgängig niedriger als die entsprechenden standardisierten Faktorenladungen. Für die hier diskutierte Ausländerab- lehnungs-Skala bedeutet dies, daß die Varianz der Items wesentlich stärker durch das latente Konstrukt als durch die zufälligen Meßfehler erklärt wird. Die systematischen Meßfehler (Residualkorrelationen) sind mit absoluten Werten zwischen .09 und .18 sehr gering. Aber auch hier muß auf den bias der Schätzungen verwiesen werden (vgl. BrandmaierMathes 1993). Wir interpretieren diese Residualkorrelationen nicht, weil die externen Kriterien jeweils nur mit Kurzskalen operationalisiert sind und damit der theoretischen Reichweite der Konstrukte nicht vollständig Rechnung tragen. Die Ergebnisse dieser externen Validierung unserer Ausländerab- lehnungs-Skala bestätigen die Annahme der Messung einer fremdenfeindlichen Grundhaltung.

4.2 Alter, Schulbildung und politische Links-Rechts-Orientierung Die Datengrundlage der externen Validierung mit den demographischen Variablen Alter, Bil- dung und der politischen Links-Rechts-Orientierung bilden alle vier Stichproben. Für Alter und Bildung sind die Zusammenhänge im Hinblick auf die Gastarbeiter-Items untersucht worden (vgl. Fischer et al. 198 1 ; Gehring/Böltken 1985; PfeiferISchmidt 1987). Wir erwarten die gleichen Ergebnisse für die reformulierten Items. Für die politische Links-Rechts-Orientierung vermuten wir, daß politisch Rechtsorientierte eine höhere Abwertung von Ausländern aufwei- sen als Linksorientierte.

4.2.1 Schulbildung Zu erwarten ist, daß niedriges Bildungsniveau mit einer stärkeren Fremdenfeindlichkeit ein- hergeht (vgl. Fischer et al. 1981; GehringIBöltken 1985; Pfeifer/Schmidt 1987; Jagodzinski et al. 1990). Je niedriger das Bildungsniveau ist, desto geringer sind die damit verbundenen Chancen individueller Selbstverwirklichung. Dies führt zu einer stärkeren Identifikation mit der Eigengruppe. Wird die Eigengruppe in ihren Strukturen und Wertvorstellungen durch die Aufnahme von Ausländern instabil, so kann dies als Gefahrdung des durch die Eigengruppe vermittelten Selbstkonzeptes erlebt werden. Eine Ablehnung der "Fremden" wird funktional für die Stabilität des Selbstkonzeptes (vgl. BlanklSchmidt 1993; QuinleyIGlock 1979; Jack- man/Muha 1984). Operationalisiert wurde das Bildungsniveau in allen vier Stichproben über den höchsten allgemeinbildenden Schulabschluß.

Empirisch zeigt sich in allen vier Stichproben der gleiche signifikante Zusammenhang: Befragte mit niedrigerem Bildungsniveau äußern eher fremdenfeindliche Einstellungen als Befragte mit hohem Bildungsniveau.

110 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Tabelle 6: Polychorische Korrelationen zwischen Bildungsniveau und den Ausländer- ablehnungs-Items

LEBEN EHE ARBEIT POLITIK

ALLBUS -.372 -.413 -.36 1 -.359 GI .448 .487 .460 .423 MS-1 .430 .303 .376 .335 MS-2 -.232 -.233 -.323 -.395 Beim Vergleich der Parameter sind die unterschiedlichen Polungen der Skalierungen (MS- 2lALLBUS <-> GIJMS- I) zu berücksichtigen.

4.2.2 Alter Es ist aus zwei Gründen zu vermuten, daß Ältere eher zu fremdenfeindlichen Einstellungen neigen (vgl. Fischer et al. 198 1; GehringBöltken 1985; PfeiferISchmidt 1987). Erstens kann Alter ein Indikator unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen sein (vgl. Braun 1993) und mißt dann auch unterschiedliche Wertvorstellungen gegenüber Fremdgruppen. Zweitens kann Alter ein Indikator für die Stellung im Lebenszyklus sein und steht damit für den Grad der Weltoffenheit, die sich im Laufe des Lebens immer mehr reduziert. Jugendliche sind eher in- ternational (Kosmopoliten), Ältere eher intrakollektiv orientiert. Mit der Zunahme intrakol- lektiver Orientierungen nimmt die Liberalität gegenüber Fremdgruppen tendenziell ab (vgl. Institut für empirische Pädagogik 1992).

Tabelle 7: Polychorische Korrelationen zwischen Alter und den Ausländerablehnungs- Hterns

LEBEN EHE ARBEIT POLITIK

ALLBUS .290 .393 .290 .337 GI -.422 -.486 -.402 -.U3 MS- I -.437 -.429 -.258 -.322 MS-2 .428 .410 .295 .352 Beim Vergleich der Parameter sind die unterschiedlichen Polungen der Skalierungen (MS- 2lALLBUS <-> GI/MS- I ) zu berücksichtigen.

In allen vier Stichproben korrelieren die vier Ausländerablehnungs-Items signifikant mit dem Alter. Die ~ l t e ren äußern eher fremdenfeindlichere Einstellungen als die Jüngeren. Die kleinen Stichproben GI und MS-I weisen die tendenziell stärkeren Korrelationen auf. Erklärungen hiei-für können sein: (a) in den kleinen Stichproben sind fremdenfeindliche Jugendliche sowie fremdenfreundliche Alte unterrepräsentiert; (b) die Häufigkeitsverteilungen der soziodemogra- phischen Merkmale variieren zwischen den Stichproben deutlich. Da aber sowohl ein Zu- sammenhang zwischen Bildungsniveau und Fremdenfeindlichkeit wie auch zwischen Alter und

Blnt~kiSclzwarzer: Ist die Gastnrbeiterskaln tloclz zeitgem¿$'? I 1 1

Bildungsniveau besteht, sind hierdurch Effekte auf die hnktschätzungen der Korrelationen zu erwarten; (C) Längsschnitteffekte können eine Rolle spielen; (d) in kleinen Stichproben sind die hnktschätzungen der Koeffizienten ungenauer (vgl. Brandmaier/Mathes 1993).

4.2.3 Links-RechtsOrientierung Die politische Links-Rechts-Orientierung wurde in unseren drei Stichproben anhand einer elfstufigen Skala und im ALLBUS mittels einer zehnstufigen Skala erfaßt.

Tabelle 8: Polychorische Korrelationen zwischen der subjekiven politischen Links- Rechts-Einschätzung und den Ausländerablehnungs-Items

LEBEN EHE ARBEIT POLITIK

ALLBUS .I77 .I95 .252 .208 GI -.407 -.433 -.379 -.581 MS- 1 -.405 -.357 -.260 -.4 14 MS-2 .272 .I89 .201 .350 Beim Vergleich der Parameter sind die unterschiedlichen Polungen der Skalierungen (MS- 2lALLBUS <-> GIIMS- 1) zu berücksichtigen.

Auf bivariater Ebene bestätigt sich die Ausgangsthese: Politisch Rechtsorientierte äußern eher fremdenfeindlichere Einstellungen als Linksorientierte. Bezüglich der Erkläsung der Korrela- tionsunterschiede zwischen den Stichproben sei auf die beim Alter bereits angesprochenen Aspekte verwiesen. Ein Bedeutungswandel der Begriffe "Links" und "Rechts" (vgl. Wila- mowitz-Moellendorff 1993) kann aufgrund des relativ geringen Längsschnitts von etwa zwei Jahren nicht als Erkläning in Betracht kommen.

5. Zusammenfassung

Die Gastarbeiter-Items aus dem ALLBUS wurden mit der allgemeineren Formulierung "die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer" modifiziert. Damit wird den aktuellen Veränderungen im Hinblick auf die von Fremdenfeindlichkeit betroffenen Fremdgnippen ebenso Rechnung getragen, wie der in der Literatur seit langem geforderten Reformulierung. Die reformuliesten Items wurden in drei regionalen Telefonbefragungen erhoben und mit dem ALLBUS 1990, in dem die klassischen Gastarbeiter-Items erhoben worden sind, verglichen.

Die Reliabilität wie auch die interne Validität wurden in einem multiplen Gsuppenvergleich untersucht. Die Eindimensionalität sowie die Stabilität der Faktorenladungen über die Stich- proben konnte nachgewiesen werden. Die Varianz des latenten Konstrukts variiert zwischen den Stichproben. Die vier reformulierten Ausländer-Items sind reliabel und intern hoch valide.

112 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Die externe Gültigkeit wurde zum einen anhand einer Stichprobe mit den Konstrukten "Nationalismus", "Autoritarismus" und "Zuzugsakzeptanz verschiedener Fremdgruppen" über- prüft. Es zeigt sich, daß die vier Ausländerablehnungs-Items mit den externen Konstrukten entsprechend den theoretischen Überlegungen stark korrelieren. Zum anderen wurde die externe Validität mit den demographischen Variablen Alter, Bildung und der politischen Links-Rechts- Orientierung überprüft. Es zeigen sich die gleichen Zusammenhänge, wie sie bereits für die Gastarbeiter-Items gefunden wurden: Je höher das Alter, desto stärker die Ablehnung von Fremdgruppen und je niedriger die Bildung, desto stärker die Diskriminierungstendenz. Politisch Rechtsorientierte zeigen eine stärkere Ablehnung von Ausländern.

Die Reformulierung der klassischen Gastarbeiter-Items hat sich als sehr reliables und valides Instrument zur Messung einer allgemeinen Diskriminierungstendenz gegenüber Fremdgmppen erwiesen. Damit liegt nun eine allgemeine Ausländer-Ablehnungs-Kurzskala vor, die für die Längsschnittbeobachtung der Einstellungsverändeningen von Fremdenfeindlichkeit besser geeignet sein dürfte als die klassische Gastarbeiter-Skala.

Anmerkungen

1) Hier handelt es sich um Ergebnisse aus dem DFG-Projekt "Nationale Identität der Deut- schen", das im Rahmen des Schwerpunktprogramrns "Sozialer und politischer Wandel im Zuge der Integration der DDR-Gesellschaft" gefördert und von ZUMA betreut wird. Wir danken Horst-Alfred Heinrich, Marc Hübner und Peter Schmidt von der Projektgruppe "Nationale Identität" (alle Giessen) sowie Dagmar Krebs (ZUMA, Mannheim) für die kri- tische Durchsicht des Manuskripts. Anschrift der Autoren:

Justus-Liebig-Universität Gießen; Institut für Politikwissenschaften Karl-Glöckner-Straße 2 1E 35394 Gießen

2) Wir verwenden die Begriffe "Ausländer" und "Fremde" synonym, obwohl sich der Begriff "Fremde" auch auf Angehörige der eigenen Gruppe beziehen kann. Diesen Bedeutungsge- halt des Begriffs lassen wir jedoch im folgenden unberücksichtigt.

3) Die Stichproben können in bezug auf ihre soziodemographischen Verteilungen als reprä- sentativ für Gießen bzw. Münster, nicht aber als repräsentativ für die alten Bundesländer oder für die gesamte Bundesrepublik gelten. Zum Problem der Repräsentativität vgl. Schnell 1993; HartmannISchimpl-Neimanns 1992.

4) Nach Jöreskog/Sörbom (1 988) unterschätzen Produkt-Moment-Korrelationen im Gegensatz zu polychorischen Korrelationen bei ordinaler Skalierung die wahren Werte erheblich.

BlalnWSchwarzer: Ist die Gastarbeiterskula noch zeitgemüi? 113

Literatur

Adorno, T.W./Frenkel-Brunswik, E./Levinson, D./Sanford, R.N., 1950: The Authoritarian Per- sonality. New York.

Alba, R.D., 0.J.: Entwurf einer Begutachtung der ALLBUS Fragen über Ausländer. Unveröff. Manuskript.

Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), 1980: Codebuch. Köln.

Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), 1984: Codebuch. Köln.

Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), 1990: Codebuch. Köln.

Alwin, D.F./Jackson, D.J., 1981: Applications of simultaneous factor analysis to issues of fac- torial invariante. S. 249-280 in: D. JacksonJE. Borgatta (Hrsg.), Factor analysis and measure- ment in social research. Beverly Hills, London.

Blank, T., 1993: Pretest 4: Politbarometer Münster 2/93. Stichprobenbeschreibung, Fragebogen und Häufigkeitsauszählung. Heft 5 der Schrifteni-eihe Nationale Identität. Arbeitsberichte aus dem DFG-Projekt "Nationale Identität der Deutschen. Messung und Erklärung der Verän- derungsprozesse in Ost und West". Gießen.

Blank, T./Schmidt, P., 1993: Verletzte oder verletzende Nation. Empirische Befunde zum Stolz auf Deutschland. Journal für Sozialforschung 33 (4): 39 1-41 5.

Blank, T./Schmidt, P., 1994: Ethnizität, Nationalstolz und nationale Identifikation in Ost- und Westdeutschland: Ergebnisse einer quantitativen Studie. In: R. Kößlern. Schiel (Hrsg.), Ethni- zität Nationalstaat und Modeme. Frankfurt (im Druck).

Blank, T./Rogozinski, A./Wittenberg, J., 1993: Pretest 3: Politbarometer Münster 1/93. Stich- probenbeschreibung, Fragebogen und Häufigkeitsauszählung. Heft 3 der Schriftenreihe Natio- nale Identität. Arbeitsberichte aus dem DFG-Projekt "Nationale Identität der Deutschen. Mes- sung und Erklärung der Veränderungsprozesse in Ost und West". Gießen (im Druck).

Bollen, K. A., 1989: Structural equations with latent variables. New York.

Brandmaier, R./Mathes, H. 1993: Güte der Schätzer bei Strukturgleichungsmodellen mit mehrstufigen ordinalen Variablen. S. 92- 1 18 in: J. ReineckeJG. Krekeler (Hrsg.), Methodische Grundlagen und Anwendungen von Strukturgleichungsmodellen. Band 1. Mannheim.

Braun, M., 1993: Ideologie oder objektive Lage? Anmerkungen zur Interpretation von Unter- schieden und Ahnlichkeiten in den Einstellungen von Ost- und Westdeutschen. ZUMA-Nach- richten 32: 7-2 1.

ChristielLanelSternlSanfordß.lrebster (1 963): SSRC S-A-Schedule.

114 ZUMA-Nuchrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Fischer, H./Hörnscheineyer, W./Jaensch, R./Meier, E./Schneider, W./Böltken, F., 198 1 : Se- kundäranalyse von Umfragedaten des Zentralarchivs: Einstellungen zu Gastarbeitern. Ergeb- nisse einer Forschungsübung an der Universität Köln. ZA-Information 9: 22-32.

Gehring, A./Böltken, F., 1985: Einstellungen zu Gastarbeitem 1980 und 1984: Ein Vergleich. ZA-Information 17: 23-33.

Hartmann, P.H./Schimpl-Neimanns, B., 1992: Sind Sozialstrukturanalysen mit Umfragedaten möglich? Analysen zur Repräsentativität einer Sozialforschungsumfrage. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 44 (2): 3 15-340.

Heinrich, H.A./Hübner, M./Schwarzer, S./Schmidt, P./Blank, T., 1993: Pretest 2: Politbarometer 2/92 Gießen. Stichprobenbeschreibung, Fragebogen und Häufigkeitsauszcihlung. Heft 2 der Schriftenreihe Nationale Identität. Arbeitsberichte aus dem DFG-Projekt "Nationale Identität der Deutschen. Messung und Erklärung der Veränderungsprozesse in Ost und West". Gießen.

Institut für empirische Pädagogik (Hrsg.), 1992: Die selbstbewußte Jugend. Orientierungen und Perspektiven zwei Jahre nach der Wiedervereinigung. Die IßM-Jugendstudie 1992. Köln.

Jackrnan, M.R./Muha, M.J., 1984: Education and intergroup attitudes: Moral enlightenment, superficial democratic commitment, or ideological refinement? American Sociological Review 49: 75 1-769.

Jagodzinski, W./Kühnel, S.M./Schmidt, P., 1990: Searching for parsimony: are true-score models of factor models more appropriate? Quality and Quantity 24: 447-470.

Jöreskog, K.G./Sörbom, D., 1988a: PRELIS. A program for multivariate data screening and data sumrnarization. A preprocessor for LISREL. 2nd Edition. Mooresville.

Jöreskog, K.G./Sörbom, D., 1988b: LISREL 7: A guide to the program and applications. Chi- cago.

Jöreskog, K.G./Sörbom, D., 1993a: LISREL 8: Structural equation modeling with the SIMPLIS command language. Hillsdale, Hove, London.

Jöreskog, K.G./Sörbom, D., 1993b: PRELIS 2. User's reference guide. Chicago.

Kagitcibasi, C., 1967: Social norms and autoritarianism. A comparison of turkish and american adolescents. Doctoral dissertation, Berkeley.

Kosterman, R./Feshbach, S., 1989: Toward a measure of patriotic and nationalistic attitudes. Political Psychology 10 (2): 257-274.

Kühnel, S., 1987: Ein LISREL-Test von multivariaten Mittelwertdifferenzen bei inhomogenen Varianzen und Kovarianzen. Das Beispiel der Gastarbeiter-Items aus dem ALLBUS 1980 und 1984.ZA-Information 21: 52-58.

Lederer, G., 1982: Autoritarismus: Einstellungen bei westdeutschen und amerikanischen Ju- gendlichen. In: K. Wasmund (Hrsg.), Jugendliche: Neue Bewußtseinsformen und politische Verhaltensweisen. Stuttgart.

BlunWSchwarzer: Ist die Gastarbeitershb noch zeitgem¿iß? 115

Pfeifer, A./Schmidt, P., 1987: LISREL. Die Analyse komplexer Strukturgleichungsmodelle. Stuttgart, New York.

Quinley, H.E./Glock, C.Y., 1979: Antisemitism in America. New York.

Reinecke, J., 1991: Interviewer- und Befragtenverhalten: Theoretische Ansätze und methodi- sche Konzepte. Opladen.

Saris, W.E./Andrews, F.M., 1991: Evaluation of measurement instruments using a structural modeling approach. S. 575-597 in: P.P. Biemer1R.M. Groves1L.E. Lyberg1N.A. MathiowetzJS. Sudman (Hrsg.), Measurement errors in surveys. New York.

Satorra, A., 1989: Robustness issues in the analysis of MTMM and RMM-models. In: W.E. SarislA. van Meurs (Hrsg.), Evaluation of measürement instruments by meta-analysis of multi- trait-multimethod studies. Amsterdam.

Scheepers, P./Felling, A.lEleters, J., 1992: Anomie, authoritarianism and ethnocentrism: Update of a classic theme and an empirical test. Politics and the Individual 2 (1): 43-59.

Schnell, R., 1993: Die Homogenität sozialer Kategorien als Voraussetzung für "Repräsentativität" und Gewichtungsverfahren. Zeitschrift für Soziologie 22 (1): 16-32.

Schnell, R./HiIl, P.B./Esser, E., 1989: Methoden der empirischen Sozialforschung. 2. überarb. und enveit. Auflage. München, Wien.

Staub, E., 1991 : Blind versus constructive patriotism: moving from embeddedness in the group to critical loyalty and action. (Paper presented at the meetings of the International Society for Political Psychology , Helsinki, July 1-5, 1 99 1 ).

Tenvey, M., 1989: Der ALLBUS 1988: Die neue "Allgemeine Bevölkerungsumfrage der So- zialwissenschaften", vorgestellt mit einem Analysebeispiel zum Einstellungswandel gegenüber Gastarbeitern. ZA-Information 24: 37-49.

Wiegand, E., 1992: Zunahme der Ausländerfeindlichkeit? Einstellungen zu Fremden in Deutschland und Europa. ZUMA-Nachrichten 3 1 : 7-28.

Wilamowitz-Moellendorff, U. von, 1993: Der Wandel ideologischer Orientierungsmuster zwi- schen 197 1 und 1991 am Beispiel des Links-Rechts-Schemas. ZA-Information 32: 42-7 1.

116 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

DAS ZUMA- DBUCH ONLINE

Dagmar Krebs

z UMADOC ist eine deutschsprachige Volltextdatenbank psychologischer und soziolo- gischer Umfrageinstrumente, die zumeist in deutschsprachigen Ländern zur Anwen- dung kommen. Die deutschsprachige Testbeschreibung besteht aus bibliographischen

Angaben, Ausführungen über Testkonzept und Testkonstruktion, über Gütekriterien, Durch- führungs- und Auswertungsmodalitäten; sie weist Forschungs- und ausgewählte Sekundärlite- ratur nach und enthält eine kritische Zusammenfassung (siehe auch das Beispielzitat). Jedes Verfahren ist klassifiziert und verschlagwortet. In allen Fallen ist eine komplette Liste der Items vorhanden.

Gegenwärtig (Januar 1994) enthält die Daenbank 156 Beschreibungen, die von ZUMA oder den Autoren der Skalen selbst erstellt wurden. Die Beschreibungen umfas- sen zwischen vier und 15 Schreibmaschinen- seiten und sind einheitlich nach demselben Beschreibungsraster angefertigt. Die Daten- bank ZUMADOC wird zweimal jährlich um jeweils drei Beschreibungen ergänzt. Im De- zember wurde das Skalenhandbuch fortge- schrieben: schon vorhandene Skalen wurden aktualisiert und noch nicht dokumentierte Skalen nach der Umstellungsphase wieder aufgenommen. In regelmißigen Abständen werden die dokumentierten sowie die aktualisierten Skalendokumente von ZUMA in gedruckter Form herausgegeben.

ZUMADOC versteht sich als Ergänzung zu den Literaturdatenbanken SOLIS und FORIS sowie PSYNDEX bzw. PsycINFO.

Suchprofile sind begrenzt austauschbar: Zur Zeit ist dies möglich mit Freitextsuchen in deutscher Sprache sowie mit bestimmten Feldern (AU, UT, TI). Alle Dokumente ver- fügen über Controlled Terms, die jedoch zur Zeit noch nicht freigegeben sind. Solange diese Freigabe nicht erfolgen kann (es müs- sen noch Copyright-Fragen geklärt werden) ist vor allem die Suche entweder mit Freitext oder mit den Uncontrolled Terms UT sinnvoll. Unter den UTs sind vor allem Be- griffe der Soziologie aufgeführt, die im The- saurus der American Psychological As- sociation, aus denen die CTs stammen, nicht enthalten sind.

Angenommen, es wird eine Einstel- lungs-Skala zur Erfassung der Anomie ge- sucht, die in allgemeinen Bevölkerungsum- fragen einsetzbar ist. Bei Recherchen in ZUMADOC empfiehlt es sich, immer mit

mehreren maskierten Freitextbegsifen zu su- chen, also beispielsweise: FPJD FT ALL Anomie FIND FT ALL Entfremdung.

Da die Dokumente in ZUMADOC im Vergleich zu anderen Datenbanken recht umfangreich sind, sollte zuerst eine engere Wahl anhand bestimmter Felder getroffen werden, ehe man sich eine oder mehrere Be- schreibungen vollständig ausgeben läßt. Um also das Instsument herauszufinden, das den eigenen Vorstellungen am besten entspsicht,

kann man sich 2.B. den Kurz- oder Langna- men des Verfahrens (SNAM, LNAM) sowie die bibliographischen Angaben (SO) und die Adresse (LO), bei der man Informationen über das Instrument erhalten kann, ausgeben lassen mit: SHOW F = SNAM; LNAM; SO; LO.

Anhand der erhaltenen Informationen kann man dann das Instsument ausgeben, das von Interesse ist.

1 .OO 100000 1 DIMDI: -ZUMADOC ICopyiight ZUMA

: AN-SKALA : SKALA ZUR MESSUNG VON ANOMlE : Zentralarchiv für empirische Sozialforschung der Universität Köln (ZA) & Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) e.V. (1 993). Allgemeine Bevölkerungsumfragen der Sozialwissenschaften (ALLBUS) 1982, 1990, 199 1, 1992; Codebuch mit Methodenbesicht. Köln: ZA.

BEZUGSQUELLE : Projektgsuppe ALLBUS beim Zentsum für Umfragen, Methoden und Analysen e.V. (ZUMA), Postfach 21 21 55, D-68072 Mannheim; Zentralarchiv für empirische Sozialforschung der Universität zu Köln (ZA), Bachemer Str. 40, D-5093 1 Köln.

TESTKONZEPT: - THEORETISCHER HINTERGRUND (TB): Es liegen keine Angaben vor. Diese Frage wurde bisher fast jedes Jahr im General Social Survey (GSS) in den USA erhoben. Die Replikation dieser im Fragenprogramrn des ALLBUS 1982 erstmals enthaltenen Frage baut somit eine deutsche Zeitreihe auf und ermöglicht somit einen Vergleich mit den USA auch unter der Perspektive des sozialen Wandels.

- TESTAUFBAU (PROC)

Items mit den Antwortvorgaben "bin derselben Meinung" und "bin anderer Mei

118 ZUMA-Nl~ckrichten 34, Jg. 18., Mai 1994

(niedrige) Werte indizieren ein hohes (geringes) Ausmaß an Anomie.%%

Hier werden Itembeispiele gegeben.

- ALL ITEMS (ALLIT) Hier wird eine komplette Liste aller Items der Skala gegeben.

- TESTKONSTRUKTION (CON)

- Testtheoretische Grundlagen: Es werden die Annahmen der klassischen Testtheorie zugrunde gelegt.%%

- Instrumentenentwicklung: Srole (1956): Die Items wurden von Leo Srole entwickelt und in einer in Springfield, Mass., 1950 durchgeführten Untersuchung eingesetzt. Die Anomie-Items wurden in die General Social Surveys 1973, 1974, 1976 und 1980 aufge- nommen; eine Auswahl von ihnen in wörtlicher Ubersetzung in das Fragenprogramm des ALLBUS 1982,1990, 199 1 und 1992 aufgenommen.%%

- Deskriptionsmaße: Hier werden relative Häufigkeiten der Items in den verschiedenen ALLBUS-Studien (seit 1991 für Ost und West) aufgeführt.

- Dimensionalität Hier werden Korrelationskoeffizienten sowie die Faktorenladungen (seit 1991 für Ost und

- Gütekriterien der Indikatoren Angaben über die Reliabilität und Validität der Indikatoren.

- G~TEKRITEREN: - OB JEKT~VITAT (OB J) Angaben über Durchführungs- und Auswertungs- und Interpretations-objektivität

- RELIABILITÄT (REL): Hier werden die Reliabilitätskoeffizienten der Skala in den einzelnen Erhebungsjahren ange-

- V ALIDITÄT (VAL): Es liegen keine Validierungshinweise vor.

- NORMIERUNG (NORM): Angaben zur Methode der Stichprobenziehung und zur Realisierung der Stichprobe.

- DURCHF~FRUNG:

Mitteilungen 119

Standardisiertes persönlich-mündliches Interview.

- ALTERSBEREICHE (AGE): Personen ab 18 Jahren.

- DURCHFÜHRUNGSZEIT (ADTI): Den Befragten wurde keine Zeitbeschränkung vorgegeben.

- MATERIAL (MAT): Liste mit Antwortalternativen für die Befragten; Standardisierter Fragebogen.

- INSTRUKTION (INS): Anweisung der Interviewer an die Befragten im Wortlaut.

- DURCHFÜHRUNGSVORAUSSETZUNGEN (PRES): Es liegen keine Angaben vor.

- AUSWERTUNG: - AUSWERTUNGSHILFEN (AID): Die maschinenlesbaren Codebücher sind beim Zentralarchiv für empirische Sozialforschung unter den ZA-Nrn. 1 160 (1 982), 1800, (1990), 1990 (1991) sowie 2 140 (1 992) erhältlich.

- AUSWERTUNGSZEIT (INTI) Es liegen keine Angaben vor.

- INDEXBILDUNG (IFN) Es wird ein einfacher, ungewichteter Summenindex berechnet.

- ANWENDUNGSM~GLICHKEITEN (AP): Das Instrument kann im Bereich der Umfrageforschung eingesetzt werden.

- KRITISCHE ZUSAMMENFASSUNG ( S M ) : Die ausgewählten vier Items messen durchweg eher externe Kontrollorientierungen als Anomie im Sinne von Merton. Die Diskrepanz zwischen der Verfügbarkeit legitimer Mittel zur Erreichung gesellschaftlich hoch bewerteter Ziele (= Anomie nach Merton) wird in keinem der vier Items erfaßt.

- LITERATUR (LIT): Literaturangaben

- IINDEXZERUNG (IDX): Z M A , 05.8.1993

***** END OF SHOW *****

120 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Jürgen H. P. Hofieyer-Zlotnik

'ede Bevölkerungsumfrage, unabhängig davon, ob von der Marktforschung, der Mediafor- schung, der Sozialforschung oder der amtlichen Statistik durchgeführt, urnfaßt zusätzlich zu dem inhaltlichen, die Forschungsfrage betreffenden Teil, auch ein Set von Fragen zum

Erfassen sozialstruktureller Merkmale der Befragungspersonen. Diese Fragen werden der Ein- fachheit halber allgemein als "Demographie" bezeichnet. Die sozialstrukturellen und demo- graphischen Variablen dieser "Demographien" sind von zentraler Bedeutung einerseits für die Deskription der untersuchten bzw. erfaßten Stichprobe der Befragten und andererseits als exo- gene Variablen für soziologische Erklärungen.

Jede Bevölkerungsurnfrage hat ihre Demo- graphie-Fragen - aber fast jede Umfrage formuliert die Fragen oder Antwortkatego- rien anders, d.h. in individueller Instituts- oder Projekt- oder Forscherhandschnft. Hieraus entstehen dann die Probleme, die eine Vergleichbarkeit zweier unterschiedli- cher Studien schwer bis unmöglich machen. Und dieses geschieht, obwohl der Wunsch nach Vergleichbarkeit von Ergebnissen der eigenen Umfrage mit den Daten anderer, vor allem auch mit Daten der amtlichen Statistik sehr weit verbreitet ist: Die Umfragefor- schung benötigt Daten anderer Umfragen, um aus den eigenen Daten Trends ablesen zu können und sie benötigt die Daten der amtlichen Statistik zur Bewertung der Quali- tät der eigenen Ergebnisse.

Daher gibt es seit langem vier Forderungen: 1. Es sollten diejenigen Merkmale, die bei sozialstrukturellen Erklärungen eine zentrale Rolle spielen, über die Umfragen hinweg in vergleichbarer Operationalisierung erhoben werden. Hierbei müssen 2. die Meßwerte möglichst zuverlässig er- hoben werden. 3. Zur Gewährleistung eines hohen deskrip- tiven Wertes der erhobenen Informationen sollte eine größtmögliche Vergleichbarkeit mit den regelmäßig erhobenen Daten der amtlichen Statistik, z.B. mit dem Mikrozen- sus, gegeben sein. 4. In einer Zeit, in der die vergleichende For- schung immer mehr an Stellenwert gewinnt, sollte auch die Vergleichbarkeit mit Umfra- gen aus anderen Bereichen der Markt-, Me- dia- und Sozialforschung möglich sein.

Mitteilungen 121

Dr. Manfred Ehling, als Vertreter des Stati- Die Vasiablenauswahl stischen Bundesamtes, Dr. Jürgen H.P. Homeyer-Zlotnik (ZUMA) als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftli- cher Institute (ASI) und Helmut Quitt und Chtistian von der Heyde (beide Infratest Burke) als Vertreter des Arbeitskreis Deut- scher Marktforschungsinstitute (ADM) ha- ben als Mitglieder einer gemeinsamen Ar- beitsgsuppe diese Forderungen in die "Demographischen Standards" umgesetzt. Dieses Instsument steht der deutschen Markt-, Media- und Sozialforschung seit Ende 1992 zur Verfügung (siehe ZUMA- Nachrichten 3 1 : 30-42). Das Statistische Bundesamt liefert in einem Heft der Reihe "Methoden - Verfahren - Entwicklungen: Materialien und Berichte" neben dem Fra- genkatalog der "Demographische Standards" auch die aktuellen Vergleichsdaten aus dem Mikrozensus.

Damit die "Demographischen Stan- dards" langfsistig zu einer Vereinheitlichung der Abfrage sozialstruktureller und demo- graphischer Variablen sowohl bei den For- schern als auch bei den Instituten und in der amtlichen Statistik fuhren, müssen sie von möglichst vielen Forschern und Instituten standardmäßig angewandt werden. Hierbei ist natürlich zu beachten, daß unterschiedli- che Untersuchungsziele und unterschiedliche Themenschwerpunkte einzelner Erhebungen immer eine differenzierte Erfassung demographischer Variablen erforderlich ma- chen werden. Dieses ist auch in den "Demographischen Standards" besücksich- tigt worden.

Der Ausgangspunkt für die "Demographi- schen Standards" war ein Katalog zentraler, auf die Befragungsperson bezogener Vasia- blen: 1. Geschleckt; 2. Staatsangehörigkeit: Mit einer zuneh- menden Einbeziehung von ausländischen Zuwanderern über eine Wohnbevölkesungs- stichprobe in die Umfragen ist zumindest die Unterscheidung in "deutsch" und "nicht- deutsch" zentral. Eine weitere Untergliede- rung der Ausländerpopulation (wenn mög- lich nach Nationalitäten) sollte entsprechend der Fragestellung der Umfrage und orientiert an den Fallzahlen vorgenommen werden. 3. Alter: Zur Kohortenbestimmung ist das Erfassen von Geburtsmonat und Geburtsjahr erforderl ich. 4. Familienstand und Bartnerschafts- verhältnis: In einer ersten Frage werden die juristischen Kategorien des Ehestandes ab- gefragt, in einer zweiten Frage wird für alle diejenigen, die nicht "verheiratet und lebe mit meinem Ehepartner zusammen" ange- ben, nachgefragt, ob diese mit einem (nichtehelichen) Partner zusammenleben. Der Zusatz ist, nachdem der Begriff der "Familie" einem starken Wandel untenvor- fen ist und die Bedeutung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in bezug auf den ökonomischen, den sozialen und den jusisti- schen Status an Gewicht gewinnt, für die Einordnung des Haushalts und die Einbin- dung der Befragungsperson in ihren sozio- ökonomischen Kontext wichtig.

ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 1 8 , Mai 1994

5. Sozio-ökonomischer Status (SES), gemessen über:

a) Bildungsabschluß b) Ausbildungsabschluß C) Erwerbsstatus d) wenn erwerbstätig: der Beruf und/

oder die berufliche Stellung e) eine Einkommensvariable.

Mit diesen fünf Variablen zur Bestimmung des sozio-ökonomischen Status (SES) soll der Forscher nicht auf einen bestimmten theoretischen Ansatz für die Zuweisung bzw. den Erwerb von SES festgelegt werden - ausgehend zumindest von einzelnen dieser Variablen kann den unterschiedlichsten An- sätzen von SES-Bestimmung oder -Messung nachgegangen werden.

a) Bildung wird über den "höchsten all- gemeinbildenden Schulabschluß" operatio- nalisiert. Die Antwortkategorien spiegeln die großen "Stufen" des Schulsystems wider, wobei der Tatsache Rechnung zu tragen ist, daß sich jeder, der das deutsche Schulsystem durchlaufen hat, exakt zuordnen können muß. Da bei nationalen Umfragen derzeit die Absolventen aus mindestens zwei unterschiedlichen Schulsystemen erfaßt werden müssen, dem bundesdeutschen und

dem DDR-System, sind schulsystem- bedingte Sonderkategorien entsprechend aufzuführen. Über eine offene Restkategorie wird denjenigen, die ein anderes Schulsy- stem durchlaufen haben (z.B. Aussiedlern, Arbeitsmigranten) die Möglichkeit einer Einordnung gegeben.

b) Im Gegensatz zum "höchsten allge- meinbildenden Schulabschluß" sind bei der Frage nach dem "bevuJlichen Ausbildungs- abschluJr' Mehrfachnennungen sinnvoll.

Nur über Mehrfachnennungen ist einerseits die Komplexität der Ausbildungsstruktur und andererseits ein Ausbildungsknick in der persönlichen Karriere, nicht jedoch der Aufwand für die Ausbildung oder gar ein Zweitstudium, zu erfassen. Ein Zweitstu- dium z.B. ist zur SES-Bestimmung unwich- tig; bei mehreren Ausbildungsabschlüssen interessiert allein die unterschiedliche "Qualität", zu interpretieren im Zusammen- hang mit höchstem Schulabschluß und aus- geübtem Beruf bzw. beruflicher Stellung. Die dem "höchsten Schulabschluß" ver- gleichbare Abfrage wäre die Recodierung nach dem "höchsten beruflichen Ausbil- dungsabschluß".

Bei den Ausbildungsabschlüssen ist un- terschieden worden zwischen der "beruflich- beirieblichen" Ausbildung, der "beruflich- schulischen" Ausbildung und dem Abschluß von "Fachschulen", "Fachhochschulen" und "Hochschulen". Bei diesen Kategorien ist darauf geachtet worden, daß alle Möglich- keiten eines Abschlusses Oberkategorien zuordenbar sind und diese Oberkategorien sich gegenseitig ausschließen. Der einzig mögliche offene Definitionsspielraum ist bei den DDR-Fachschulabschlüssen gegeben, da diese teils analog ihrer Bedeutung auch den benachbarten Kategorien ("beruflich-schuli- scher" Ausbildung oder "Fachhochschulab- schluß") zugeordnet werden müssen.

C) Die Frage nach dem Erwerbsstatus, der Statusvariable "Beruf' vorangestellt und für deren Ermittlung unersetzbar, unter- scheidet zunächst in Erwerbstätige und Nicht-Erwerbstätige; hierbei werden die Er- werbstätigen nach zentralen Arbeitszeit- kategorien differenziert, d.h. grob klassifi-

Mitteilungen

ziert nach vollzeit- (mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden und mehr), teil- zeit- (mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17 bis 34 Stunden) und stundenweise (d.h. unterhalb der Pflichtversicherungs- grenze: mit einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 17 Stunden) erwerbstätig. Die Nicht- Erwerbstätigen werden in ihrer Position zum Arbeitsmarkt klassifiziert und, soweit erfor- derlich, in einer Nachfrage, die auch für alle, die nicht vollzeit-erwerbstätig sind, gilt, nach ihrem gesellschaftlich relevanten Gruppen- merkmal definiert. Diese Abfrage erlaubt es dem Forscher, über die Kombination beider Status-Variablen, nicht nur mit unterschied- lichen Definitionen von Erwerbstätigkeit zu arbeiten, sondern auch die Zuordnung der Befragungsperson in eine Erwerbstätigen- Kategorie zu kontrollieren. Für nicht mehr Erwerbstätige wird die Tatsache einer frü- heren Erwerbstätigkeit erfragt.

d) Eine offene Berufsabfrage, sofern diese für eine Analyse des Forschers wichtig ist, muß über eine dreistufige Frage nach "ausgeübter Tätigkeit", gefolgt von einer "genauen Beschreibung der Tätigkeit", ge- folgt von der "Benennung besonderer Na- mensbezeichnungen" fur diese Tätigkeit er- folgen, damit eine tiefgestaffelte Vercodung nach einem internationalen oder nationalen Berufecode wie ISCO oder StBA-Berufe- code, möglich ist. Über solch einen aner- kannten Berufecode sind in einem weiteren Schritt Prestigescores zuordenbar. Uber IS- CO-Benifecode und Prestigescore ist, bei entsprechender zugrundegelegter Theorie, der sozio-ökonomische Status der Befra- gungsperson zu bestimmen. Wird die offene Berufsabfrage nur für Kontrollzwecke der

Erhebungsinstitute benötigt, so ist eine ein- stufige Abfrage sinnvoll.

In einer zweiten Frage, die nicht alter- nativ zur offenen Berufsabfrage zu sehen, sondern für die Berufsvercodung notwendig ist, folgt die "Stellung im Beruf '. Die für die "Demographischen Standards" gewählte Ab- frage, zurückgehend auf die Mikrozensus- zusatzerhebung von 197 1, differenziert die Statusgruppen nicht allein nach der Art der Altersversorgung sondern vor allem nach der Autonomie der Entscheidungen im Job. Uber diese Differenzierung nach der Ent- scheidungsautonomie ist auch eine grobe Abstufung nach beruflichem Prestige mög- lich (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik 1993: 135 -

141). e) Die Erfassung von Einkommen ist be-

sonders schwierig, da Fragen zum Einkoin- men heikle Fragen sind: Sie machen sowohl die Befragungspersonen als auch den Inter- viewer nervös und bieten in den seltensten Fällen akzeptable Ergebnisse. Die angebo- tene zweistufige Abfrage erfaßt die monatli- chen Netto-Einkommen von der Befra- gungsperson und deren Haushalt zunächst ,

offen. Bei einer Verweigerung wird die Frage mit dem Hinweis auf die Anonymität der Auswertung noch einmal über eine Liste mit von der Kennung her unsortierten Kate- gorienvorgaben wiederholt und der zutref- fende Kennbuchstabe erfaßt. Diese zwei- stufige Abfrage senkt die Venveigererquote um etwa zehn Prozent. Als Zusatzinforma- tion, um die Relation zwischen Befragten- einkommen und Haushaltseinkommen zu erfassen, wird die Anzahl der Personen, die zum Haushaltseinkommen beitragen, erfaßt.

ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Keine Zustimmung in der Arbeitsgruppe fand der Vorschlag der ESOMAR, Ein- kommen über die Registration des Besitzes einer festgelegten Reihe langlebiger Kon- sumgüter zu erfassen. Zur Interpretation solch einer Variablen wird eine größere Reihe von Zusatzinformationen über die Qualität der Geräte und den Lebensstil der Nutzergruppen benötigt. 6. Neben der Anzahl derer, die zum Haus- hdheinkomen beitragen, und dem Erfas- sen des Haushaltseinkommens selbst, wer- den als weitere Haushaltsvasiablen allein die Haushaltsgröße, über ständig im Haushalt lebende Personen definiert, sowie die Anzahl der Personen im Haushalt, die zur Ziel- gruppe gehören (z.B. Personen ab einer bestimmten Altersgrenze), abgefragt.

Das Erfassen der Anzahl der Haus- haltsmitglieder, die zur Zielpopulation ge- hören, ist bei einer Umfrage nach dem ADM-Stichprobenplan mit einem Umstei- gen von der Haushalts- auf die Personen- ebene wichtig für die Gewichtung.

Schaut man sich die aufgelisteten Va- riablen an, so stellen diese aus der Sicht der Sozialforschung ein absolutes Minimum an Demographie-Variablen dar; aus der Sicht der Marktforschung werden hin und wieder die Akzente leicht verschoben; die amtliche Statistik geht über diesen Katalog in ihren Forderungen "minimal" hinaus.

Für die beschriebene Variablenauswahl wurden Fragentext, Antwortkategorien und Intervieweranweisungen formuliert und im Sinne der Vergleichbarkeit für den Bereich der Markt-, Media- und Sozialforschung festgeschrieben. Die amtliche Statistik hat bei der Anwendung dieses Fragenkatalogs,

da die Politiker über die Gesetzgebung zu den Großzahlungen sich eine Mitsprache bei der Fragenformulierung als Teil der Ge- setzestextformulierung gesichert haben, noch einige Probleme, sie ist aber bemüht, den- noch Vergleichsdaten für diesen Variablen- katalog zur Verfügung zu stellen.

Die Handhabung des Instruments

Wie aber sind die "Demographischen Stan- dards" zu handhaben? Bei dieser Frage scheint es noch eine Reihe von Unklarheiten zu geben.

Im Sinne der Vergleichbarkeit sind die von der Arbeitsgruppe erarbeiteten Formu- lierungen nicht nur als ein Vorschlag zu se- hen - sie sollten vielmehr ohne Änderungen übernommen werden. Im Sinne der Indivi- dualität von Studien und der großen Band- breite der Forschungsfragen sind die vorge- legten Fragen und Antwortvorgaben nicht immer optimal; entweder bedürfen Fragen und Kategorienschemata der Ergänzung, oder diese erfassen für die Forschungsfrage nebensächliche Fakten in zu großer Aus- führlichkeit. Kein Forscher soll in solch ei- nem Fall darauf verpflichtet werden mit ei- nem ungeeigneten Instrument sozialstruktu- relle und demographische Variablen zu er- fassen. Daher erlauben die "Demographi- schen Standards" eine sehr flexible Hand- habung: Nicht die wörtliche Übernahme um jeden Preis ist wichtig, sondern für die Va- riablen, die für ein Thema wichtig sind und damit in den Fragebogen übernommen wer- den, soll eine Übertragbarkeit zu den vorge- legten Antwortkategorien gewhrleistet wer- den. Damit ist der Fragenkatalog entspre- chend jeder inhaltlichen Notwendigkeit zu

Mitteilungen

erweitern oder zu kürzen. Nur muß bei einer Ausdifferenzierung oder Vergröberung von Antwortvorgaben darauf geachtet werden, daß die Struktur der Vorgaben der entspre- chenden Kategorienschemata aus den "Demographischen Standards" erhalten bleibt, andernfalls sind die Möglichkeiten der Vergleichbarkeit vertan.

Dieses soll an einer kleinen Reihe von Beispielen erläutert werden: I. "Alter" ist selbstverständlich auch in "Alter in Lebensjahren" abzufragen, bedarf aber zur Vergleichbarkeit, d.h. zur Berech- nung der Kohortenzugehörigkeit einer Be- fragungsperson, nicht nur des Befragungs- jahres sondern auch des Monats der Daten- erhebung. Mit dieser Zusatzangabe ist eine Recodierbarkeit der Variable für einen Ver- gleich gegeben. 2. Anhand der Frage zum "beruflichen Ausbildungsabschluß" lassen sich viele der Optionen darstellen:

a) Vorausgesetzt, der "berufliche Ausbildungsabschluß" ist für die vorliegende Forschungsfrage von keinerlei Interesse, dann kann auf diese Frage ersatzlos verzichtet werden.

b) Vorausgesetzt, es interessiert nur der höchste berufliche Ausbildungsabschluß, dann sollte dieser erfaßt werden. Die "Demographischen Standards" lassen eine Analyse nach diesem Aspekt zu, wodurch eine Vergleichbarkeit nicht gestört ist.

C) Die Abfrage nach dem "letzten be- ruflichen Ausbildungsabschluß" sollte al- lerdings nur als Zusatzfrage gestellt werden. Diese Frage Iäßt sich in den Kategorien der "Demographischen Standards" nicht abbil-

den, ist daher auch nicht über eine Recodie- rung herstellbar.

d) Für den Fall, daß beispielsweise für die Kategorie "beruflich-betriebliche Be- rufsausbildung" eine Untergliederung nach der Art der Ausbildung oder nach den ent- sprechenden Wirtschaftsbereichen vorge- nommen werden soll, so ist dieses jederzeit möglich, solange die Zuordnung der neuen (Unter-) Kategorien zur Oberkategorie "beruflich-betriebliche Ausbildung" über ei- ne einfache Recodierung gewährleistet bleibt.

e) Weitere vertiefende Nachfragen, 2.B. bei der Kategorie "Ausbildung an einer Fachschule", gegeben durch Fragen nach dem Schultyp, der Art der Ausbildung, dem Abschluß, aber auch nach dem Ort und dem Zeitpunkt der Ausbildung ("Fachschule" in der Bundesrepublik hat eine andere Bedeu- tung als "Fachschule" in der DDR), sind, ohne das Schema der vorgegebenen Kate- gorien zu stören, möglich. Die Vergleich- barkeit bleibt gewährleistet. 3. Die Möglichkeit der Zusammenfassung von Kategorien der "Demographischen Standards" zu Überkategorien ist am besten an der sehr detaillierten Auflistung der "beruflichen Stellung" zu demonstrieren:

Die "Landwirte" werden in vier Kate- gorien untergliedert erhoben. Oft ist die Fallzahl der befragten Landwirte so gering, daß eine sehr detaillierte Untergliederung unsinnig ist. In solch einem Fall kann zur Oberkategorie "Selbständiger Landwirt bzw. Genossenschaftsbauer" zusammengefaßt werden. Über diese Oberkategone ist die Vergleichbarkeit möglich.

ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 1 8 , Mai 1994

4. Eine offene Berufsabfrage ist nur sinn- voll, wenn diese für die Auswertung benötigt wird, andernfalls sollte eine offene Be- rufsabfrage nicht erhoben werden. Steht hin- ter der offenen Berufsabfrage eine Berufs- vercodung nach einem nationalen (StBA) oder internationalen Code (ISCO), so ist eine dreistufig offene Abfrage notwendig (vgl. Schönbach 1979: 71 - 78), um aus der Kombination der Antworten eine berufliche Tätigkeit exakt und vercodebar herauszule- sen. Eine einstufige Abfrage ist für Kon- trollzwecke der Erhebungsinstitute brauch- bar, bietet für eine Berufsvercodung jedoch oft zu grobe Kategorien, die sich für eine Umsetzung in einen "Berufsprestige-Score" nicht eignen. Zusätzlich ist für eine Verco- dung der offenen Berufsangabe z.B. nach ISCO eine relativ detaillierte Erfassung von "beruflicher Stellung" notwendig; d.h. die offene Abfrage ersetzt nicht die "berufliche Stellung". Andererseits kann, wenn Prestige nur in groben Kategorien erfaßt werden soll, die vorliegende Liste zur Erfassung der "beruflichen Stellung" eine Vercodung der offenen Abfrage ersetzen und dadurch die offene Abfrage fiir diesen Zweck überflüssig machen (vgl. Hoffmeyer-Zlotnik, 1993: 135 - 141). 5. Die Einkommensabfrage ist in jeglicher Hinsicht heikel, auch im Vergleich: Die Ein- kommensabfragen in den Umfragen weisen in der Regel gegenüber Einkommens- und Verbrauchs-Stichproben einen um etwa ein Drittel zu niedrigen Wert auf. Je differenzier- ter und aufwendiger Einkommen erfragt wird, desto exakter müßte der Wert werden, desto größer wird allerdings auch der Anteil der Nicht-Antworter. Dieses bedeutet, jede

Abweichung von der vorgegebenen Abfrage gefährdet die Vergleichbarkeit zwischen den Umfragen. Allerdings wird "Einkommen" zur Reduktion der Ausfalle oft auch als Schätzwert erfaßt. Interviewerschätzungen sind mit Befragtenangaben nur schwer zu vergleichen. Daher sollte bei solchen Errnitt- lungsmethoden zumindest die Art der Da- tenerrnittlung zusätzlich erhoben werden, um nicht eine Vergleichbarkeit vorauszusetzen, die nicht gegeben ist. 6. Das Erfassen der Demographie des Haushaltsvorstands ersetzt keine Abfrage sozialstruktureller und demographischer Merkmale der Befragungsperson.

Fazit

Die "Demographischen Standards" stellen den Versuch dar, sozialstrukturelle und de- mographische Merkmale in Interviews und Befragungen zu vereinheitlichen, um damit eine Vergleichbarkeit über Studien hinweg zu ermöglichen. Hierzu wurde auf der Basis der ZUMA-Standarddemographie ein Vor- schlag erarbeitet, der aus einem Set zentraler Variablen besteht.

In der Anwendung sind nicht immer notgedrungen alle Variablen zu erfassen, sondern der Forscher kann den Fragenkata- log analog der Forschungsfrage erweitern oder zusarnmenstreichen. Und er kann die Antwoi-tkategorien einzelner Fragen diffe- renzierter oder aggregierter erfassen - Be- dingung hierbei ist, daß über eine Recodie- rung der direkte Vergleich zwischen den ei- genen Daten und solchen, die nach den "Demographischen Standards" erhoben wurden, möglich ist.

Mitteilungen 127

Damit die "Demographischen Stan- Literatur dards" langfristig zu einer Vereinheitlichung

. der "Demographien" und damit zu einer Vergleichbarkeit von Umfragen führen, ist es wünschenswert, daß möglichst viele For- scher und Institute möglichst bald die

Ehling, M./Heyde, Chr. von dermoffmeyer- Zlotnik, J. H.P./Quitt, H., 1992: Eine deut- sche Standarddemographie. ZUMA-Nach- richten 3 1 : 29 - 46.

"Demographischen Standards" auch als ihre Hoffmeyer-Zlotnik, J. H.P., 1993: Operatio- Standards betrachten. Um den Nutzen bei nalisierung von "Beruf' als zentrale Variable der Anwendung der "Demographischen zur Messung von sozio-ökonomischem Standards" zu erhöhen, wird das Statistische Status. ZUMA-Nachrichten 32: 135 - 141. Bundesamt, beginnend mit den Daten der Erhebung von 1991, eine auf den "Standards" beruhende Datenbasis aus dem Mikrozensus nachweisen (siehe: Statisti- sches Bundesamt 1993). Die Neuauflage von 1994 wird neben dem Instrument die aktuel- len Mikrozensusdaten für die gängigen De- finitionen der Grundgesamtheit: "Wohnbe-

Schönbach, K., 1979: Probleme der Ver- schlüsselung von Berufstätigkeiten. S. 7 1 - 78 in: F.U. Pappi (Hrsg.): Sozialstrukturana- lysen mit Umfragedaten. Probleme der stan- dardisierten Erfassung von Hintergrunds- merkmalen in allgemeinen Bevölkerungs- umfragen. Königsteifls.: Athenäum.

völkerung" und "Wahlberechtigte" enthalten. Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 1993: De- Die überarbeitete und erweiterte Neuauflage mographische Standards. Eine gemeinsame der "Demographischen Standards", heraus- Empfehlung des Arbeitskreises Deutscher gegeben vom Statistischen Bundesamt, er- Marktforschungsinstitute, der Arbeitsge- scheint im Juli 1994 und ist dort zu beziehen: meinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute Statistisches Bundesamt, Gruppe E, 65 180 und des Statistischen Bundesamtes. Me- Wiesbaden. thoden - Verfahren - Entwicklungen. Reihe:

Materialien und Berichte. Wiesbaden: Stati- stisches Bundesamt.

128 ZUMA-Nachrichten 34, Jg.18, Mui 1994

ereits im Titel klingt an, daß es sich bei dem vorliegenden Werk um ein

interdisziplinäres Lehrbuch handelt.

URch MueUer: Bevölkeirunngsstatistik und Bevölkerungsdynamik. Methoden

und ModeBle der Demographie i%r Wirtschafts,- Sozial-, Biowissenschahler

und Me~finer. Berlin, New York 1993: Wdter de

Gruyter. 306 Seiten, 68 Mark. ISBN 3-11-013890-0.

Bislang liegen im deutschsprachigen Raum nur wenige Lehrbücher der demographi- schen Methodik und Modellbildung vor. Völlig neu ist die interdisziplinäre Konzep- tion, das heißt eine fachübergreifende Zu- sammenstellung und Integration von me- thodischen Ansätzen aus Nachbardisziplinen der Demographie: der Medizin (Epi- demiologie), der Geographie, der Wirtschaft und Biologie. Ziel des Buches ist es, Wis- senschaftler und Wissenschaftlerinnen so- wohl der eigenen Zunft wie der der genann- ten Nachbardisziplinen umfassend in das umfangreiche Gebiet der formalen Demo- graphie einzuführen.

Das Lehrbuch gliedert sich in vier große Abschnitte: 1) Zustandsmaße; 2) Ereignis-

maße; 3) Reproduktivität; 4) Literaturhin- weise.

Im Zentrum steht die Betrachtung von Zustands- und Ereignismaßen, die jeweils circa 100 Seiten umfaßt. Dem folgt die ex- plizite Diskussion der Reproduktion, die das Fundament aller demographischer Dynami- ken bildet. Im Anhang findet man ergän- zende Erläuterungen und umfangreiche Li- teraturhinweise.

Das erste Kapitel "Zustandsmaße" gibt dem Leserlder Leserin einen weiten Uber- blick über die Standardmaße zur Bestim- mung von Alter, Familienstand und Kinder- zahl. Darüber hinaus gibt das Buch einen Einblick in die Maße der räumlichen Vertei- lung der Bevölkerung. Neben der Diskussion kartographischer Verfahren der Geographie erfolgt eine einführende Darstellung von Indizes, die in den gängigen demogra- phischen Lehrbüchern kaum zu finden sind (wie etwa Punkt-Distanz-Indizes und Dichte- Indizes). Das vorliegende Werk zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß es sich durchgängig nicht nur der Darstellung reiner Maßzahlen und mathematischer Formeln widmet, sondern anhand konkreter Anwen- dung in empirischen Beispielen auf die Möglichkeiten aber auch auf die Grenzen der einzelnen Verfahren hinweist. Solche praxisorientierten Beispiele erhöhen das Verständnis und erleichtern die konkrete

Publikationen

Anwendung der vorgestellten Verfahren un- gemein. Neben den bereits genannten Maß- zahlen werden weitere Maße zur Gliederung einer Bevölkerung nach Religion, Rasse/ethnische Herkunft, Schulbildung, Erwerbstätigkeit~Einkommen, Familien- und Haushaltsstruktur und nach dem Gesund- hei tszustand vorgestellt.

Der zunehmenden Bedeutung dynami- scher Analysen auch in der fornialen Demo- graphie ist das zweite Kapitel "Ereignisma- ße" gewidmet. Nach einer allgemeinen Ein- führung in die Inhalte und in die Termino- logie der Ereignisanalyse werden in acht Ab- schnitten die ~ re i~n i smaße des Geboren- werdens, der Sterblichkeit, von Eheschlie- ßung und Ehetrennung, der Fruchtbarkeit, von Wanderungen, von Gesundheitsstörun- gen sowie multidimensionale Ereignismaße vorgestellt. Während sich das erste Kapitel durchweg auch für Einsteiger und Einstei- gerinnen mit nur basalen mathematischen Kenntnissen eignet, stellt der hier vorlie- gende Abschnitt wesentlich höhere Ansprü- che an das mathematische Rüstzeug des Le- serslder Leserin. Obwohl der Autor stets bestrebt ist, auch komplexe Zusammenhänge anschaulich und verständlich darzustellen, gelingt das im vorliegenden (wie auch im letzten Kapitel) nicht durchgängig. So wer- den Kenntnisse des Matrizenrechnens, wie etwa in den Abschnitten "Projektionsmatri- zen" (Abschnitt 2.3.3) und "Multistatusta- feln" (Abschnitt 2.8.2) vorausgesetzt, was die mathematisch recht anspruchsvollen Kapitel der Projektionsmatrizen und der Multistatustafeln für Einsteiger und Einstei- gerhnen nur schwer nachvollziehbar gestal- tet. Da es sich hierbei um ein grundlegendes

Instrument der dynamischen Analyse han- delt, wäre in einem Lehrbuch an dieser Stelle eine umfassendere methodische Erläuterung der recht anspruchsvollen Thematik (vgl. dazu Anhang 2) zu erwarten. Dem Ein- steigerlder Einsteigerin bleibt hier wiederum nur der Griff zu anderen algebraischen Lehrbüchern.

Über die Ansprüche eines einführenden Lehrbuch weit hinausgehend sind die Inhalte des letzten Kapitels "Reproduktivität". Dieses Kapitel behandelt Maßzahlen zur beobachteten Dynamik einer Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum ("Reproduk- tionsmaße") sowie Einflüsse altersspezifi- scher Fruchtbarkeits- und Sterbewahr- scheinlichkeiten auf Alter und Umfang einer Bevölkerung zu verschiedenen Zeitpunkten ("Dynamische Populationsmodelle"). Der Abschnitt "Reproduktionsmaße" diskutiert Netto- und Brutto-Reproduktionsraten sowie hieraus abgeleitete Raten, des weiteren wird in die Messung differentieller Reproduktion (unterschiedliche Reproduktion von verschiedenen Bevölkerungen oder Bevöl- kerungssegmenten) eingeführt. Der Ab- schnitt "Dynamische Populationsmodelle" diskutiert die Ergodizität von Verteilungen der Fertilität (Geburten-Fluß-Populationen und Geburten-Puls-Populationen). Da es sich bei der menschlichen Spezies um Geburten- Fluß-Populationen (d.h. um solche Lebewe- sen handelt, die sich nicht nur zu bestimmten Zeiten im Jahr fortpflanzen) handelt, be- schränkt sich dieser Abschnitt ausschließlich auf die Diskussion solcher Dynamiken. Daß die beiden Unterabschnitte "Deterministi- sche Populationsmodelle mit zeitinvarianten Vitalraten" (Abschnitt 3.2.1) und

NEUE BÜCHER

Dagmar Krebs und Peter Schrnidt (Hrsg.) New Directions in Attitude Measurement. Belin, New York: Walter de Gruyter 1993. 378 Seiten, 158 Mark. ISBN 3- 1 1-01 387 1-9. Measurement of attitudes is one of the most frequent activities of empirically working social scientists. This book is a first step in bnnging together relevant approaches of attitude theory, measurement and analysis: attitudes towards objects as well as attitudes towards behaviour; structural determinants of attitudes and their quantitative contribution to the explained variance of attitudes; measurement models and test theoretical models as alternative approaches for scaling attitudes; statistical techniques for estimating Parameters of attitude models; and finally measurement and effects of response Sets. Contents: I. Historical Perspectives and State of the Art; 11. Social Structure, Attitudes and Social Action; III. Measurement Theory and Scaling; N. Latent Variable Models: Foundations and Statistical Issues; V. Effects of Systematic Bias in Measuring Social Life Feelings and Attitudes.

Siefi ied Gabler, Jürgen H. P. Hofieyer-Zlotnik und Dagmar Krebs (Hrsg.) Gewichtung in der Umfragepraxis. Opladen: Westdeutscher Verlag 1994.204 Seiten. 38 Mark. ISBN 3-53 1- 12586-9. Auf einem kaum anderen Gebiet der Behandlung von Erhebungsdaten sind die Gegensätze zwischen Befürwortern und Gegnern so deutlich wie im Falle der Gewichtung. Ist sie Wissen- schaft oder eine niedrige Form der Astrologie? Lassen sich damit Probleme auf Grund der Stichprobenziehung und von Ausfallen mindern, oder ist Gewichtung nur Kosmetik? Gibt es in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen dem Vorgehen in der amtlichen Statistik, der Hoch- schule und der Umfrageforschung? Ziel des Buches ist es, die Gewichtungspraxis für den For- scher durchsichtiger zu machen. Grundlage der meisten nationalen Bevöikerungsurnfragen ist der ADM-Stichprobenplan, der in seiner neueren Fassung den Band abschließt

132 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Ulrich Schulz, WulfAlbers, Ulrich Mueller (Hrsg.) SocPal Dilemanis and Cooperation Berlin Heidelberg New York U. a.: Springer Verlag 1994.541 Seiten. 198 Mark. ISBN 3-540-57757-2. A social dilemma is a game which at tirst glance has only inefficient solutions. If efficient so- lutions are to be achieved, some kind of cooperation among the players is required. This book asks two basic questions, closely intertwined with each other: 1. How is cooperation possible among rational players in such a social dilemma? Which changes in the social context of a social dilemma situation are necessary in order for players to rationally choose the cooperative option? 2. How do real players actually behave in social dilemma situations? Do they behave "rationally" at all? Or, conversely, what kind of reasoning, attitudes, emotions, etc. shape the behavior of real players in social dilemmas? What kind of interventions, what kind of intemal mechanisms within a real group may change players' willingness to cooperate? These two gen- eral questions mark the broad spectrum of the problem which has been, over the last three decades, investigated in various disciplines, and which has brought many new ideas and new observations into the study of the old question of social order in a world of bom egoists. Ac- cordingly, this volume contains contributions by biologists, sociologists, political scientists, economists, mathematicians, psychologists, and philosophers.

Frank Faulbaum (Ed.) SofftSht '93: Advances in Shtistical Software 0 Stuttgart, Jena, New York: Gustav Fischer Verlag 1994.656 Seiten. 128 Mark. ISBN 3-437-40324-9. This volume reports on the results of the 7th Conference on the Scientific Use of Statistical Software (SoftStat '93). The purpose of the Conference Series is to provide an overview of the different ways in which methods and tools of Computer science can be made useful for statistics. In particular the conferences deal with new developements, applications, comparisons and evaluations of statistical analysis systems including the various mathematical procedures and algorithms which underly the different software realizations. In addition it is concerned with the role of statistical analysis systems in the research process, in teaching and education as well as in the solution of concrete problems in special fields of application. The topics dealt with at this conference were: Computer Programs for Statistical Data Analysis, Knowledge-Based Systems in Statistics, Simulation, Experimental Design, Processing of Very Large Data Sets, Cartography and Geographie Information Systems, Statistics and Linguistic Data Processing, Computer-Assisted Data Collection, Scaling and Classification, Data Models and Design of Data Bases, Parallel and Neural Computing, Training in Statistics and Statistical Software, Statistical Algorithms, Academic Software ~ob~era t ion , Fuvy Statistics.

Publikationen 133

Nachfolgend sind die ZUMA-Arbeitsberichte, die seit Dezember 1993 publiziert worden sind, in Form von Abstracts kurz dargestellt. ZUMA-Arbeitsberichte werden Interessenten auf An- frage zugesand. Bestellungen sind zu richten an:

Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen ZUMA-Publikationen, Postfach 12 21 55,68072 Mannheim

Michael BraunReiner Tronzeter: A LLB US-Bibliographie (1 2. Fassung, Stand: 30.9.1993). ZUMA -Arbeitsbencht 93/11. Die ALLBUS-Bibliographie dokumentiert in jährlichem Abstand Arbeiten mit ALLBUS-Da- ten, die entweder in Büchern oder Fachzeitschriften veröffentlicht oder in Form prinzipiell zu- gänglicher Arbeitsberichte einem wissenschaftlichen Publikum vorgelegt worden sind. Be- rücksichtigt werden auch unveröffentlichte Diplom- oder Magisterarbeiten, Dissertationen und Habilitationen. Die vorliegende aktualisierte 12. Fassung der ALLBUS-Bibliographie enthält 333 Arbeiten und damit 50 mehr als die des Vorjahres.

Rolf Porst: Ausschöpfungen bei Sozialwissenschaftlichen Umfragen. Annäherung aus ZUMA- Perspektive. ZUMA -A rbeitsbericht 93/12.

Steven E. FinkeVPeter Schrott: Campaign Eflects on Voter Choice in the Gemmn Election of 1990. ZUMA -A rbeitsbericht 93/13. (Erscheint in diesem Heft: Wühlerstimmen durch Wahlka'rnpje? Eine Panelanulyse der

Bundestagswahll990.)

Jürgen Homeyer-ZlotniWDagmar Krebs: Subjektive Statuszuweisung; objektive Schichtmes- sung. ZUMA-Arbeitsbericht 93/14. (Erschienen in: WISDOM Informationen - Daten - Analy- sen, Jahrgang VII, 1993, Heft 3/4: 1-45.) Soziale Differenzierung in einer postindustriellen Gesellschaft geschieht über zwei unter- schiedliche Ebenen, erstens die subjektive Ebene der Selbsteinschätzung und zweitens die mehr

134 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

objektive Ebene der gesellschaftlichen Fremdeinschätzung, d.h. eine Gruppe wird anhand meßbarer Merkmale einer gesamtgesellschaftlichen Statushierarchie zugeordnet. Mit beiden Möglichkeiten der Zuordnung haben die Sozialwissenschaftler Probleme, denn die subjektive Statuszuweisung führt über unterschiedliche Operationalisierungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen und die objektive Verortung benötigt neue Variablen. Der Arbeitsbericht faßt eine Reihe unterschiedlicher Analysen zusammen, in denen der Frage nachgegangen wird, was denn nun wirklich mit den üblicherweise eingesetzten Instrumenten gemessen wird, sowohl bei der subjektiven Statuszuweisung als auch bei der objektiven Schichtmessung.

Dagnzar Krebs/Herbert Matschinger: Richtungse8ekte von Itemfomzulierungen. ZUMA-Ar- beitsbericht 93/15. Ziel dieses Projektes ist es, mittels einer systematischen Analyse von positiv bzw. negativ for- mulierten Indikatoren eines theoretischen Konstrukts die Ergebnisse der Vorstudie zu unter- mauem, daß Befragte negativ formulierten Items häufiger zustimmen, als sie positiv formulierte Items, die Indikatoren für dieselbe Einstellung sind, ablehnen. Diese Ergebnisse proble- matisieren die unkritische Anwendung der Prinzipien der Skalenkonstruktion - Ausgewogenheit positiver und negativer Itemformulierungen innerhalb einer Skala. Die Resultate der Vorstudie zeigen, daß demographische Merkmale das Antwortverhalten in zweifacher Weise be- einflussen: (1) Personen mit niedrigem sozialen Status weisen deutlich höhere Zustimmungs- raten zu negativen Items als Ablehnungsraten von positiven Items auf; (2) Personen mit niedri- gem sozialen Stauts weisen deutlich höhere Zustimmungsraten zu negativen Items auf als Per- sonen mit höherem sozialen Status.

Dagmar Krebs: Social Desirability: Socially Desirability: The collective conscience? Judging the degree ofsocial desirabilitj in attitude items. ZUMA-Arbeitsbericht 93/16. Ausgangspunkt ist das Unbehagen über die Unzulänglichkeit des Umgangs mit dem Konstrukt "soziale Erwünschtheit", das in den Sozialwissenschaften immer dann als Vehikel zur Inter- pretation herangezogen wird, wenn unvorhergesehene Ergebnisse auftreten. Um einen ange- messeneren Umgang mit dem real ja durchaus vorhandenen Phänomen sozial erwünschter Antworten zu erreichen, wurde eine Pilot-Studie durchgeführt, an deren Ergebnissen aufgezeigt werden kann, daß die Vorstellung dessen, was erwünscht ist, in Abhängigkeit vom Focus (dem Bezugsrahmen) und vom kulturellen Kontext (Gruppenzugehörigkeit) variiert.

Publikationen 135

Bemhard Krüger/Heiner Ritter/Cornelia Züll: SPSS Einsatz auf unterschiedlichen Planformen in einem Netzwerk: Daten und Ergebnisaustausch. ZUMA-Arbeitsbericht 93/17. Seit einiger Zeit gibt es in der PC-Welt drei Versionen von SPSS: SPSS für OSl2, SPSS/PC+ und SPSS für Windows. Gleichzeitig haben viele Anwender über Netze bereits Zugang zu Unix Rechnern. Dazu kommt der Datenaustausch mit Nutzem anderer SPSS Versionen auf einem anderen Betriebssystem, wie z.B. auf einem Macintosh. Zunächst erscheint alles ganz einfach, man bleibt ja innerhalb eines Systems. Aber in der Praxis ergeben sich doch einige Probleme, auf die in diesem Arbeitsbericht eingegangen wird. Nach einer kurzen Gegenüberstellung der Unterschiede der SPSS/PC+ Version und der SPSS für Windows Version, wird in diesem Arbeitsbericht ein besonderes Gewicht auf den Daten- und den Ergebnisaustausch gelegt. Es werden Fragen angesprochen, wie z.B.: "Was passiert z.B. mit Umlauten beim Datenaustausch zwischen den verschiedenen SPSS Versionen?" "Wie kann ich meine Tabellen und Grafiken in der Textverarbeitung weiterverwenden?"

Jürgen H.P. Homeyer-ZlotniWMichael Wiedenbeck: Überlegungen zu Sumpling, Qualitäts- prüfung und Auswertung von Daten aus Teilpopulationen. ZUMA-Arbeitsbericht 94/01. Im Arbeitsbericht werden drei Aspekte des Sampling behandelt: (1) Aspekte für die Wahl eines Stichprobenplans, also die Umsetzung von Auswahhhmen in entsprechende Ziehungspläne, (2) Aspekte stichprobentheoretischer Implikationen und (3) die Reaiisierungsproblematik.

***

Michael Häder/Sabine Häder: Die Gruncllagen der Delphi-Methode. Ein Literaturbericht. ZUMA-Arbeitsbericht 94/02. Die Delphi-Methode findet in den deutschen Sozialwissenschaften bislang kaum Erwahnung, worin nach Meinung der Autoren eine Unterschätzung der potentiellen Leistungsfähigkeit von Delphi durch die Profession zum Ausdruck kommt. Der vorliegende Arbeitsbericht widmet sich der Aufarbeitung der (vorrangig amerikanischen bzw. betriebswirtschaftlichen) Literatur zu die- sem Thema. Nach einigen Anmerkungen zur Geschichte und den Grundlagen der Methode werden die Grundbegriffe und der Aufbau der Delphi-Technik abgehandelt. Daran schließt sich die Evaluation der Methode an, in der die Standpunkte der Kritiker und Befürworter von Delphi dargestellt und bewertet sowie Ergebnisse aus experimentellen Studien zur Leistungsfähigkeit der Methode vorgestellt werden. Im anschließenden Resümee werden methodologische Frage- stellungen herausgearbeitet, deren Beantwortung die Autoren künftig für notwendig erachten, um der Methode zu einem breiteren Einsatz zu verhelfen. Der Bericht wird durch die systema- tisierte Darstellung ausgewählter Anwendungsfalle und eine Bibliographie zur Delphi-Methode abgeschlossen.

136 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

ZUJMA-SymposBnam zum Sdamd der IEmpirBschem SozBalfforsch.an~l~lg

6. Oktober 1994

as Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen feiert in diesem Jahr sein 20jähriges Bestehen. Aus diesem Anlaß veranstaltet ZUMA am 6. Oktober in Mannheim ein wissenschaftliches Symposium zuin aktuellen Stand und zur zukünftigen Entwicklung der Empirischen Sozialforschung.

Die Empirische Sozialforschung hat in den letzten dreißig Jahren in Deutschland und anderen europäischen Ländern einen großen Aufschwung erlebt. Nach einer Phase der Etablierung und Institutionalisierung steht sie nun neuen Herausforderungen gegenüber, die sich aus der tech- nischen, professionellen und gesellschaftlichen Entwicklung ergeben. So haben sich durch die Etablierung nationaler Surveys und durch die Einführung und rasche Verbreitung von Perso- nalcomputern die technischen Rahmenbedingungen der sozialwissenschaftlichen Forschung grundlegend verändert. Die kostengünstige Verfügbarkeit der Hardware und in Folge die ent- sprechende Verbreitung von Software für Datenmanagement und Datenanalyse haben dazu ge- führt, daß ein bislang nur von Spezialisten beherrschtes Instrumentarium der Datenanalyse in der Profession weite Verbreitung gefunden hat und diese Verfahren der Empirischen Sozial- forschung darüber hinaus mittlerweile auch in vielen anderen Disziplinen, wie z.B. Medizin, Literaturwissenschaft, Pädagogik, Psychologie und Geschichte angewendet werden. Ebenso stellen die Veränderungen der politischen, sozialen und kulturellen Landschaft in Deutschland lind Europa für die Empirische Sozialforschung eine besondere Herausforderung dar. Exem- plarisch sei hier nur auf die Öffnung und den Prozeß der Demokratisierung vieler osteuropäi- scher Gesellschaften verwiesen. Ergebnisse empirischer Forschung werden fast tagtäglich in Politik und Medien zitiert. Die Empirische Sozialforschung ist durch wachsende Ansprüche von Politik und Gesellschaft kontinuierlich gefordert, praktisch verwertbare Erkenntnisse bezüglich der aktuellen Steuerungsprobleme im innerdeutschen und innereuropäischen Integrationsprozeß bereitzustellen.

Diese Entwicklungen erfordern wissenschaftliche Standards zur Beurteilung und Wahrung der Qualität der verwendeten Verfahren und ebenso eine kontinuierliche Uberprüfung derselben. Vor diesem Hintergrund veranstaltet ZUMA ein wissenschaftliches Symposium über den ge- genwärtigen Stand der Empirischen Sozialforschung. Damit soll ein Beitrag zur Diskussion aktueller und zukünftiger Methodenforschung und ihrer gesellschaftspraktischen Verwertung

20 Jahre ZUMA 137

geleistet werden. Folgende Bereiche werden auf dem Symposium diskutiert: Theorie, Umfra- gen, Demographie, Analyseve@hren, amtliche Statistik und Sozialberichterstattung.

Die wissenschaftliche Tagung beginnt am Donnerstag dem 06.10.1994 um 9:00 Uhr mit einem einstündigen Plenumsvortrag von Elihu Katz (Philadelphia und Jerusalem) im großen Hörsaal der Universität Mannheim in A 3 und wird danach parallel in drei Hörsälen des Mannheimer Schlosses mit je drei vormittags- und nachmittags Sektionen zum aktuellen Stand der Metho- denentwicklung fortgesetzt. Die Sektionen "Theorie", "Demographie" und "Sozialberichter- stattung" beginnen jeweils um 10:30 Uhr und enden um 12:45 bzw. um 13:OO Uhr (Sektion "Sozialberichterstattung"). Die Sektionen "Analyse sozialwissenschaftlicher Daten", "Umfra- gen" und "Mikrodaten der amtlichen Statistik" finden am Nachmittag jeweils von 13:45 bis 16:OO Uhr statt.

Interessenten werden gebeten, sich bis zum 01. August 1994 beim Tagungssekretariat von ZUMA unter dem Stichwort "20 Jahre Z U M A anzumelden. Die Anmeldung muß folgende Informationen enthalten:

0 Name 0 Postadresse 0 Fax-Nr. oder E-mail Adresse 0 welche Sektionen beabsichtigen Sie vormittags und nachmittags zu besuchen?

Bitte beachten Sie, daß ein Wechseln zwischen den Sektionen innerhalb eines Zeitblockes or- ganisatorisch nicht vorgesehen ist. Wir werden Sie zu gegebener Zeit über die genauen Räume informieren. Wir empfehlen allen Interessenten, rechtzeitig ihre Unterkunft in Mannheim zu organisieren, da zeitgleich mit dieser Tagung die Buchmesse in FrankfurW. stattfindet.

138 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Plenumsvortrag 9:OO-10:OO Uhr: Elihu Katz (Philadelphia und Jerusalem): Press-Conversation-Opinion-Action: Gabriel Tarde's "Public Sphere"

SEKTION 3

Sozialberichterstattung 10:30-13:OO

Leitung: Heim-Herbert No11

Wolfsang Glatzer, Frank- furt/M.: Die Beobachtung langfristiger Entwick- lungs trends.

Franz Rotknbackr, Mann- heim: Farnilienbenchter- stattung in und für Europa.

Stejän Weick, Mannheim: Querschnitt- und Längs- schnittindikatoren in der So- zialberichterstattung.

R o W Habich, Berlin: Le- benslagen und Lebensquali- tät in Deutschland: Ergeb- nisse der Wohlfahrtssurveys.

Ruut Veenhoven, Rdterdarn: The Ldvability of Nations.

A

SEKTION 1

Theorie 10:30-12:45 Uhr

Leitung: Peter Ph. Mohler

Werner Tack, Saarbrücken: Theorie in der Perspektive: psychologische Aspekte.

Hans Georg Soe$ner, Kon- stanz: Theorie in der Per- spektive: qualitativ-herme- neutische Aspekte.

Hartmut Esser, Mannheim: Theorie in der Perspektive: Aspekte des rational choice Ansatzes.

SEKTION 2

Demographie 10:30-12:45

Leitung: Jürgen H. P. Homer-Uotn ik

Barbara L von Harder, Harnburg: Zur Messung von Einkommen.

Walter Müller, Mannheim: Die Erfassung von Bildung im interkulturellen Vergleich.

Sabine Schenk, HalldSaale: Erfassen der Erwerbsbiogra- phien von Ostdeutschen im Transformationsprozeß.

Ulrich Mueller, Marburg: Entwicklung neuer Modelle in der Demographie.

20 Jahre ZUMA 139

SEKTION 4

Analyse sozialwissen- schaftlicher Daten

13:45-16:OO Uhr Leitung: Frank Faulbaum

Peter M. Bentler, Los An- gele~: Developments and perspectives of causai mo- deling.

I.A. van der Lau, Leiden: Nonlinear modeling of data.

Michael Wiedenbeck Mann- heim & Uwe Blien, Nün- berg: Neuere Entwicklungen im Bereich der Mehrebenen- analyse.

K. E. Wal$, Darms tadt: An- wendungen der formalen Begiffsanaiyse in der Ana- lyse sozial~,vissenschaftlicher Daten.

SEKTION 5

Umfragen

13:45-16:OO Uhr Leitung: Michael Braun

RolfPorst, Mannheim: Computergestützte Datener- hebung: Trends und Per- spektiven.

Bernhard von Rosenbladt, München: Qualität von Um- fragen.

Eleonare Grimm, Hamburg: Die Deutschen als Europäer: Erfahrungen mit der intema- tionalen Wertewandelfor- schung für die Lösung stra- tegischer Aufgaben von Wirtschaftsuntemehrnen

Mux Kaase, Berlin: Sekun- däranalysen als Instrument der international verglei- chenden Forschung: Überle- gungen anhand eines For- schungsprojekts.

SEKTION 6

Mikrodaten der amtlichen Statistik

13:45-16:OO Uhr Leitung: Bernhard Schimpl-

Neirnanns

Themas Riede, Wiesbaden: Struktur und Entwicklung der Erwerbsbeteiligung im vereinten Deutschland: Analysen des Mikrozensus.

Johann Handl, Mannheim: Zur Veränderung der Ar- beitsmarktchancen der Be- rufsan fänger in den achtziger Jahren: Eine Analyse auf der Basis der Mikrozensen 1982 und 1989.

Stefm Bender & Hans Dietrich, Nümberg: Sozial- wissenschaftliche Arbeits- markt- und Berufsverlaufs- analysen mit der Beschiiftig- tenstatistik.

Heik Wirth, Mannheim: Be- vöikerungserhebungen der amtlichen Statistik der DDR.

140 ZUMA-Naclzrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

ZUMA-FesUscIln~loiffU

qTrends nnd Perspectives in Empiriean Soda1 Research '

nlaßlich der 20-Jahre-Feier wird Z W A eine Festschrift mit dem Titel "Trends and Perspectives in Empirical Social Research" herausgeben, die bei DeGruyter, New York erscheint und bis zu den Jubilä- umsveranstaltungen arn 5. und 6.10.1994 vorliegen wird. Folgende Autoren haben an dem Buch mitgearbeitet:

Alba (State University, New York), Aldag (University of Wisconsin), Alwin (University of Michigan), Ajzen (University of Massachusetts, Amherst), Amzinger (Universität Wuppertal), Bentler (University of California, Los Angeles), Borg (ZUMA), Braun (ZUMA), Brief (Tulane University), Davis (Havard University), DeLeeuw (University of California), Eisner (ETH), Faulbaum (ZUMA), Gabler (ZUMA), Groeben (Universität Heidelberg), Harkness (ZUMA), Hippler (Regionalpresse, Frankfurt), Hofieyer-Zlotnik (ZUMA), Jowell (SCPR), Krebs (ZUMA), Lueger (Wirtschaftsuniversität Wien), Merz (Universität Lüneburg), Mohler (ZUMA), Mueller (Universität Marburg), Müller (Universität Mannheim), No11 (ZUMA), Porst (ZUMA), Schimpl-Neimanns (ZUMA), Schneid (ZUMA), Schönemann (Purdue University), Schrott (ZUMA), Schwarz (University of Michigan, Ann Arbor), Scott (University of Essex), Smith (NORC), Steiger (University of British Columbia), Stenger (Universität Mannheirn), Strack (Universität Trier), Sudrnan (University of Illinois), van Browershaven (SKM Rotterdam), Velleman (Cornell University), Wagner (Universität Bochum), Wiedenbeck (ZUMA), Wilkinson (Northwestern University & Systat Inc.), Zapf (Wissenschaftszentrum Berlin).

Behandelt werden Themen wie Sozialindikatoren, allgemeine Sozialumfragen, De- mographie, internationale und vergleichende Umfragen, Kognition und Umfragefor- schung, Mkrodaten, Stichproben, Mikrosimulation, qualitative Methoden, Phäno- menologie, Inhaltsanalyse, Panelanalyse, Mehrebenenanalyse, Faktorenanalyse, kau- sale Modellierung, Facettentheorie, Mathematik und Sozialwissenschaften, Daten- modellierung und Theoriebildung, Skalenniveaus.

Hinweis: Die Teilnahmegebühren reduzieren sich für Studenten und arbeitslose Wissenschaft- ler auf die Hälfte des jeweils angegebenen Beitrags, mindestens jedoch 25 Mark; für Teilneh- mer aus den neuen Bundesländern reduzieren sich die Teilnahmegebühren auf den Anteil Ihres Gehalts, gemessen an entsprechenden Positionen in den alten Bundesländern. Dieser reduzierte Teilnehmerbeitrag ist bei der Anmeldung unter Angabe des Beschäftigungsstatus zu beantra- gen.

Workshop: ~d~chprrobemive~ff~hremiPv

18. und 19. Oktober 1994

Der Workshop umfaßt neben der Behandlung der klassischen Stichprobenpläne, wie uneinge- schränkte, größenproportionale, systematische, geschichtete, mehrstufige und mehrphasige Zu- fallsauswahl, auch nicht-klassische Ansätze, wie 2.B. Quotenstichproben und Schneeballver- fahren. Design- und modellbasierte Schätzer werden vorgestellt. Im stichprobenpraktischen Teil des Workshops werden das ADM-Verfahren und der Stichprobenplan des ALLBUS be- sprochen, sowie Gewichtung und Nonresponse diskutiert. Telefon- und Panelstichproben er- gänzen das Angebot, ebenfalls eine Übersicht über das Feldgeschehen bei Erhebungen. Interessenten werden gebeten, sich bis zum 26. August 1994 beim Tagungssekretariat von ZUMA anzumelden. Für die Teilnahme wird ein Beitrag von 40 Mark erhoben Die Teilneh- merzahl ist auf 20 Personen begrenzt. Referenten beim Workshop sind Siegfi-ied Gabler, Sabine Häder, Jürgen H. P. HofJineyer-Zlotnik und Michael Wiedenbeck.

142 ZUMA-Nachrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Workshop: "Sozialberichterstattung: Berichtssysteme für einzelne Lebensbereiche und Teilpopulationen"

10. und 11. November 1994

Die Sozialberichterstattung war in den vergangenen Jahren durch eine Tendenz der inhaltlichen Differenzierung und Spezialisierung gekennzeichnet. Neben übergreifenden Ansätzen wurden von der amtlichen Statistik, Ministerien, Verbänden und der Wissenschaft eine Reihe von spezialisierten Berichtssytemen entwickelt, die sich auf bestimmte Lebens - und Politikbereiche, wie z.B. Gesundheit, Umwelt, Bildung, soziale Probleme, wie z.B. Armut oder einzelne Bevölkerungsgruppen, wie 2.B. Frauen, Kinder oder Senioren, richten. Im Rahmen des Workshops sollen die wichtigsten Berichtssysteme von den jeweiligen Institutionen vorgestellt und damit ein Gesamtüberblick über diese Form der Sozialberichterstattung in der Bundesre- publik Deutschland geboten werden. Der Workshop wird von Heim-Herbert No11 organisiert und betreut. Interessenten werden ge- beten, sich bis zum 30. September beim Tagungssekretariat von ZUMA anzumelden. Für die Teilnahme wird eine Gebiihr von 60 Mark erhoben.

Workshop: "Einführung in die computerunterstützte Inhaltsanalyse (cui) mit TEXTPACK PC"

22. und 23. November 1994

Der Workshop wird Anfängern die Grundsätze der cui vermitteln und in das Arbeiten mit TEXTPACK PC einführen. Es werden sowohl Vorträge zu Grundproblemen der cui und spe- zifischen Anwendungen als auch intensive Ubungen am PC angeboten. Der Workshop wendet sich ausschließlich an Personen, die noch keine Erfahrung mit der cui haben. Referenten sind Alfons Geis, Peter Ph. Mohler und Comelia Züll (ZUMA). Interessenten werden gebeten, sich bis zum 30. September 1994 beim Tagungssekretariat von ZUMA anzumelden. Für die Teilnahme wird ein Beitrag von 60 Mark erhoben. Die Teilneh- merzahl ist auf zwanzig Personen begrenzt.

NSDstat Das Statistikprogramm für sozialwissenschaftliche Untersuchungen

-,-...z,.- %",.. ..-,-- "...." -.-... ". - .,= ", ..-,.-. EINFACHE HANDHABUNG

', ......... clLt--<. Innerhalb kürzester Zeit zu erlernen. " -. .. ... . . . . -. ., .. . . ,,.... :-. . - . ,.*.,. :... . - - .

.-, .- ..,. ,.-. ,W. EXTREM SCHNELL

Ideal für die Analyse von Umfragedaten. .: .. .,.* ,.,.,, .. < .--. .- *- Keine Variablen- und Fallzahlbeschränkung.

GRAPHISCHE PRÄSEN TA TIONEN -.., . " ,...

Zahlreiche graphische Präsentationstechniken. Integrierte Kartenfunktion zur Erstellung thematischer Landkarten.

DA TENA US TAUSCH

Umfangreiche Import- und Exportmöglichkeiten. Schnittstelle u.a. zu SPSS.

HARD WARE-ANFORDERUNGEN

Läuft auf jedem PC (auch XT und AT). Benötigt nur 1,5 MB Festplattenkapazität.

Preise:

Einzel-Lizenz bei nicht-kommerzieller Nutzung: 450,- DM (zzgl. MwSt). Für Studenten: 120,- D M (zzgl. MwSt).

Weitere Informationen:

Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) Postfach 1 2 2 1 55, 68072 Mannheim, B 2.1 Telefon: 06211 12461 1 1

144 ZUMA-Nuchrichten 34, Jg. 18, Mai 1994

Workshop: vIEq~i~alemce im Ii~rnder~~nadio~rna~ Sunrvey Research: Next Stepsv

December 7, 1994

Equivalence is a key term in international and intercultural research. There is no lack of con- siderations about the concept of equivalence and pragrnatic operationalisations. This is in con- trast to the lack of theory driven operationalisations covering knowledge already gained in areas like causal modelling, comparative linguistics, or comrnunication science. The workshop will concentrate on new efforts to bring theory back into the pragmatics of ongoing comparative research. Scientist from different research areas will discuss the possibility of new comprehensive approaches. There is a limited nurnber of 20 places. Anyone wishing to attend the workshop should contact the Tagungssekretariat at ZUMA by November 1, 1994. The workshop is being organised by Peter Ph. Mohler and Janet A. Harkness. A nominal charge of DM 25 will go towards materials for the workshop and refreshments.

Sie erreichen die Mitarbeiter unter der Nummer (062 1) 1246-(Durchwahlnummer); die Zentrale unter 1246-0. Sie ist von Montag bis Donnerstag von 8.30 bis 17.00 und freitags von 8.30 bis 15.30 besetzt. Die mit (S) bezeichneten Mitarbeiterinnen nehmen Sekretariatsaufgaben wahr.

Direktor Pro$ Dr. Peter Plz. Mohler 173 Lisbeth Koch (S) 172 Jolantha Müllner (S) 174 Dr. Angelika Glöckner-Rist 17 1 Dipl. Kfm. Volker Neureither 272

Stellv. Geschäftsf. Direktorin Carol Cassidy 146

Verwaltung Dipl. Volksw. Frowin Gensch 16 1 Maite Fernandez 159 Maria Groh 9 Petra Megginson 159 Brigitte Müller 157 Silvia Sigmundczyk 160 Dip].-Soz. Angelika Stiegler 158

WISSENSCHAFTLICHE LEITUNG

Wissenschaftliche Leiter Prof. Dr. Ingwer Borg Prof. Dr. Peter Ph. Mohler N.N. N.N.

Projektleiter Dr. Wolfgang Bandilla 155 PD Dr. Frank Faulbaum 153 Dr. Jürgen H.P. Hoffmeyer-Zlotnik 175 PD Dr. Dagmar Krebs 176 Dipl. Soz. Michaela Thoma 144 Dagmar Haas(S) 152

ABTEILUNGEN

Computerabteilung Ccrrol Cassidy Heiner Ritter Cornelia Züll

Feldabteilung Dipl. -Soz. Roif Porst 228 Dipl.-Psych. Peter Prüfer 227 Margrit Rexroth, M.A. 230 Dipl.-Soz. Michael Schneid 226 Christa Muhr (S) 23 1

Abteilung Textanalyse, Medienanalyse, Vercodung Dr. Peter Schrott 222 Alfons J . Geis, M.A. 225 Ingrid Weickel 22 1 Annette Hanisch 22 1

Statistikabteilung PD Dr. Siegfried Gabler 133 Dipl.-Math. Michael Wiedenbeck 136

ALLBUS Dr. Michael Braun 276 Dipl.-Geogr. Carmen Eilinghoff 273 Dr. Janet Harkness 279 Dipl.-Soz. Achim Koch 280 Dipl.Soz. Reiner Trometer 27 3 Dipl.-Soz. Martina Wasmer (beurl.) 273 Maria Kreppe-Aygün (S) 274

Mikrodaten Dip/.-Soz. Berrzhard Schimpl-Neinzanns 263 Dr. Paul Lüttinger 268 Joachim Wackerow 262 Dipl.-Soz. Heike Wirth 269 Rita Haaf (S) 265

Soziale Indikatoren Dr. Heinz-Herbert No11 24 1 Dr. Caroline Kramer 244 Dipl.-Soz.Helmut Schröder 246 Dipl.-Soz. Stefan Weick 245 Ursula Palm (S) 242

Methodenentwicklung Dr. Michcrel Hader 28 1 Dipl.-Soz. Hartmut Götze 284 Dr. Bernhard Krüger 283 Dr. Sabine Häder 28 1

Spezielle Projekte Dr. Georgios Papastefanou

NSD-HOTLINE 111

Ich bin umgezogen. Senden Sie die ZUMA-Nachrichten ab sofort bitte an folgende Adresse:

Name Institut Anschrift

NEUAUFNAHME

Ich bitte ab sofort um die Zusendung der ZUMA-Nachrichten und ZA-Informationen an folgende Adresse:

Name ........................................................................................................... Institut ........................................................................................................... Anschrift ...........................................................................................................

BESTELLUNGEN

Ich bitte um die Zusendung folgender Materialien:

ZUMA-Nachrichten Nr. ZUMA-Arbeitsbericht Nr. Informationsdienst Soziale Indikatoren (ISI) Nr. ZUMAIGESIS-Informationsbroschüren ZUMA-Publikationsliste Informationen über folgende Abteilungen: Sonstiges

Name ........................................................................................................... Institut ........................................................................................................... Anschrift ...........................................................................................................

ZUMA ist Mitglied der Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS) e.V.