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Psychologie Einführung in die Psychologie Zusammenfassung und Vertiefung Deutsch-Skandinavische Gemeinschaftsschule, Mai 2019, Stefan Sondermann Wo kommen wir und unser Gehirn her? Säugetiere gibt es schon seit über 300 Millionen Jahren, die frühesten Menschenarten (Homo ) hingegen erst seit etwa 2,6 Millionen Jahren. Unsere frühesten Vorfahren sahen 1 ihren nächsten Verwandten, den Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen, noch sehr ähnlich: Ein großer Teil ihres Kopfes war ein gewaltiger Kiefer, mit dem sie rohes Fleisch, harte Früchte und was die ungezähmte Natur ihnen sonst noch bot brachen und kauten. ___ Quelle: https://abitur-wissen.org, Evolution des Menschen Mit der Entdeckung des Feuers begann das Grillen und Kochen von Nahrung. Der Kiefer musste jetzt nicht mehr so kräftig sein, wodurch er sich in den folgenden Jahrtausenden immer weiter zurückbildete. Übrigens ist auch heute ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen: Die Weisheitszähne sind für uns nur noch lästige Erben aus jener Zeit. Manche Menschen haben vier, manche aber auch nur noch zwei. Wenn die Menschheit noch lange genug existiert, werden diese Zähne irgendwann ganz verschwunden sein. Der immer kleinere Kiefer bat dem Gehirn den Platz, immer größer zu werden. Unser heutiges Gehirn ist ein leistungsfähiges Organ, das circa 20% unserer Energie verbraucht, obwohl es bei einem 80kg schweren Mann nicht einmal 2% Prozent des Körpergewichtes ausmacht. Doch dann gibt es da noch den robusten Neandertaler (Homo neanderthalensis), der vor etwa 30.000 Jahren ausstarb, obwohl er einen Homo sapiens locker im Faustkampf besiegt hätte und sogar ein größeres Gehirn hatte. Für dieses Mysterium glauben Forscher eine Erklärung gefunden zu haben, einen vermeintlich kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Der Homo sapiens hebt sich von allen anderen Säugetieren vor allem durch seine Kultur hervor. Bild: Homo sapiens links, Homo neanderthalensis rechts (Quelle: https://www.quora.com/How-did-early-Homo-sapiens -differ-from-Neanderthals) 1 Homo bezeichnet die Gattung Mensch, von denen alle Unterarten außer unsere, Homo sapiens, ausgestorben sind. Seite 1

Wo kommen wir und unser Gehirn her? · Psychologie Die unteren vier Bedürfnisse in der Grafik sind laut Maslow notwendig, um ein zufriedener Mensch zu sein. Wenn darüber hinaus

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Psychologie

Einführung in die Psychologie Zusammenfassung und Vertiefung

Deutsch-Skandinavische Gemeinschaftsschule, Mai 2019, Stefan Sondermann

Wo kommen wir und unser Gehirn her? Säugetiere gibt es schon seit über 300 Millionen Jahren, die frühesten Menschenarten (Homo ) hingegen erst seit etwa 2,6 Millionen Jahren. Unsere frühesten Vorfahren sahen 1

ihren nächsten Verwandten, den Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen, noch sehr ähnlich: Ein großer Teil ihres Kopfes war ein gewaltiger Kiefer, mit dem sie rohes Fleisch, harte Früchte und was die ungezähmte Natur ihnen sonst noch bot brachen und kauten.

___ Quelle: https://abitur-wissen.org, Evolution des Menschen

Mit der Entdeckung des Feuers begann das Grillen und Kochen von Nahrung. Der Kiefer musste jetzt nicht mehr so kräftig sein, wodurch er sich in den folgenden Jahrtausenden immer weiter zurückbildete. Übrigens ist auch heute ist dieser Prozess noch nicht abgeschlossen: Die Weisheitszähne sind für uns nur noch lästige Erben aus jener Zeit. Manche Menschen haben vier, manche aber auch nur noch zwei. Wenn die Menschheit noch lange genug existiert, werden diese Zähne irgendwann ganz verschwunden sein. Der immer kleinere Kiefer bat dem Gehirn den Platz, immer größer zu werden. Unser heutiges Gehirn ist ein leistungsfähiges Organ, das circa 20% unserer Energie verbraucht, obwohl es bei einem 80kg schweren Mann nicht einmal 2% Prozent des Körpergewichtes ausmacht.

Doch dann gibt es da noch den robusten Neandertaler (Homo neanderthalensis), der vor etwa 30.000 Jahren ausstarb, obwohl er einen Homo sapiens locker im Faustkampf besiegt hätte und sogar ein größeres Gehirn hatte. Für dieses Mysterium glauben Forscher eine Erklärung gefunden zu haben, einen vermeintlich kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Der Homo sapiens hebt sich von allen anderen Säugetieren vor allem durch seine Kultur hervor. Bild: Homo sapiens links, Homo neanderthalensis rechts (Quelle: https://www.quora.com/How-did-early-Homo-sapiens

-differ-from-Neanderthals)

1 Homo bezeichnet die Gattung Mensch, von denen alle Unterarten außer unsere, Homo sapiens, ausgestorben sind.

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Psychologie

Was ist Kultur? Wozu brauchen wir sie?

Kultur kommt aus dem Lateinischen cultura und bedeutet “Pflege des Körpers und des Geistes”. Was gehört alles dazu?

● Gemeinschaft und Regeln ● Sprache ● Glauben und Religion, Rituale ● Schmuck und magische Gegenstände ● Wissen, z.B. über Heilkräuter ● Küche (essen und trinken) ● Theater, Musik, Kunst ● Lebensweise, Zeitvertreib

Mindestens 15.000 Jahre alte Höhlenmalereien in Lascaux, Frankreich (Quelle: www.wikimedia.org) Links: Hände, rechts: ein toter Mann mit Vogel (steht vermutlich für seinen Flug ins Jenseits) Mehr dazu z.B. hier: https://arthearty.com/significance-of-lascaux-cave-paintings oder hier: https://massivesci.com/articles/cave-art-neanderthal-painting/

Doch wozu brauchen wir Kultur? Wozu, wir müssen doch eigentlich nur essen, schlafen, uns fortpflanzen und solche Dinge oder? Also müssen wir nur unsere grundlegendsten Bedürfnisse befriedigen? Mit diesen Fragen verbunden ist die Frage, was der Mensch zum Leben eigentlich braucht. Ein Online-Lexikon der Psychologie schreibt dazu:

Ein Bedürfnis, wird meist als Mangelzustand verstanden. Eine grobe Unterscheidung kann zwischen körperlichen, sozialen und kognitiven (z.B. Wissbegierde) Bedürfnissen getroffen werden. Verschiedene Bücher bezeichnen das Bedürfnis als Motiv, Instinkt oder Trieb. Gekürzt. Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/beduerfnis/2005

Ein in der Psychologie bekanntes Modell von Bedürfnissen stammt von A. Maslow:

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Die unteren vier Bedürfnisse in der Grafik sind laut Maslow notwendig, um ein zufriedener Mensch zu sein. Wenn darüber hinaus noch die Selbstverwirklichung hinzu kommt, empfindet man neben seiner Zufriedenheit auch noch Glück. Dazu ein paar Beispiele:

1. Grund- oder Existenzbedürfnisse: Wärme, Nahrung, Trinken, Luft, Erholung 2. Sicherheit: Geborgenheit, Stabilität, Schutz, Struktur, Ordnung, Angstfreiheit 3. Sozialbedürfnis: Liebe, Zuneigung, Zugehörigkeit 4. Anerkennung und Wertschätzung: Achtung, Vertrauen, Selbstbestätigung 5. Selbstverwirklichung (Laut Maslow würden diese Stufe nur sehr wenige Menschen erreichen. Sie

bedeutet, dass man bereits zufrieden in seinem Leben ist und daher ein neues Bedürfnis entwickelt, sein Potential, seine Talente und seine Kreativität noch mehr auszuschöpfen. Vgl. Wikipedia: Maslowsche Bedürfnishierarchie)

Kultur und IQ (Intelligenzquotient) Besonders junge Menschen, aber auch ältere, können ihren IQ stark durch den Grad ihrer Bildung beeinflussen. Jedoch gibt es noch viele andere Faktoren, mit denen man die Leistungsfähigkeit seines Gehirns verbessern kann: Neugierde: Erforschst du das, was dich interessiert? Wenn nicht, was hindert dich daran? Säugetiere sind sehr neugierig. Das macht uns erfolgreich! Wissen: Beobachtest, liest und reist du gerne? Dann wirst du schnell sehr viel über diese Welt wissen! Nachdenken: Gibst du dich mit einem “Darum!” zufrieden oder denkst du lieber selbst und viel über die Dinge nach? Sprachen: Je mehr Sprachen du sprichst, desto höher wird dein IQ. Am besten pflegst du deine Sprachen regelmäßig mündlich und schriftlich. Übrigens: Wechselst du oft zwischen zwei Sprachen hin und her? Dieses “Code-Switching” ist ein super Training für das Gehirn! Logik: Kannst du scharfsinnige Schlussfolgerungen ziehen und auf dem bequemsten Weg das schnellste Ergebnis finden? Kreativität: Kannst du auch unkonventionelle Lösungen für Probleme finden? Überrascht du dich sogar manchmal selbst? Kreativität hängt eng mit Spielen zusammen und beim Spielen lernt man mehr als man erwarten würde! Sieh dir einmal an, wie Wolfswelpen spielen und was sie alles dabei lernen. Musik: Musik zu hören steigert bereits Intelligenz, doch ein Musikinstrument zu spielen ist wie ein Dünger für das Gehirn! Am stärksten kann dies bei Instrumenten beobachtet werden, bei denen beide Hänge sehr stark gefragt sind, z.B. Klavier und Cello. Ernährung: Wer nur Salat isst, hat auch keine Energie, um nachzudenken und neue Synapsen zu knüpfen! Doch wer nur Kohlenhydrate isst, der hat eine schlechte Verdauung und fühlt sich dadurch weniger wohl. Doch “Nur in einem gesunden Körper, lebt auch ein gesunder Geist!” Bewegung: Fühlst du dich in deinem Körper wohl oder wie ein Gefangener? Kannst du dich im Einklang mit deinem Geist bewegen oder gibt es einen großen Unterschied zwischen Wunsch und Realität?

Bildquellen: https://www.kindergesundheit-info.de/themen/spielen/1-3-jahre/erforschen-entdecken/, https://www.bz-berlin.de/berlin/mitte/zoo-5-junge-woelfe-nach-polen-abgeschoben

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Was macht unser Gehirn mit Informationslücken? Sigmund Freud, eigentlich Psychoanalytiker, aber zugleich einer der Vordenker der Psychologie, hat sich viel mit dem sogenannten Unbewussten beschäftigt. Er meinte, das Unbewusste sei wie der unsichtbare Teil eines Eisbergs, also der mit abstand größte Teil! Dahingegen nehme unser Bewusstsein nur einen kleinen Teil ein. Was sind also diese vielen Dinge, die uns täglich begegnen und beschäftigen, uns aber nicht bewusst sind? Wie viel bemerkst du denn von den Menschen um dich herum? Kannst du die Augen schließen und genau sagen, was jeder Mitschüler in deiner Klasse trägt? Und wenn ja, wie lange kannst du diese Erinnerung in deinem Bewusstsein behalten? Irgendwann, das ist ganz normal, verschwimmt die Erinnerung. Vielleicht kennst du den Spruch: “Vergessen ist die Hygiene des Gehirns” . Du würdest wahrscheinlich wahnsinnig werden, wenn du diese 2

ganzen Dinge nicht regelmäßig vergessen würdest! Kennst du das? Du siehst einen Horrorfilm und hörst nur einen Schrei aus einem dunklen Raum? Oder du siehst einen Menschen, der schreit, aber es gibt keinen Ton? Solche Informationslücken werden dafür genutzt, dir Angst zu machen. Und zwar mit deiner eigenen Fantasie, die sich die fehlenden Informationen selbst dazudenkt. Und wer kennt deine schlimmsten Ängste besser als dein Unterbewusstsein?

Das Phänomen kann man auch gegen jemanden einsetzen, doch ist das sehr gemein und man macht sich damit keine Freunde. Wenn du auf jemanden zu gehst, ihn besorgt fragst “Mensch, was hast du denn da?” und dabei auf seine Stirn oder dergleichen zeigst, dann wird die Person in der Regel einen Schreck bekommen. Sie kann ihre eigene Stirn nicht sehen und stellt sich wahrscheinlich etwas vor, das sie selbst besorgniserregend findet. So kann man jemanden verunsichern, doch das macht man in der Regel nur ein Mal. Denn der Mensch lernt schnell und Misstrauen ist schneller aufgebaut als Vertrauen! Was bringt mir denn die Fähigkeit des Gehirns, fehlende Informationen zu ergänzen?

● eine Fremdsprache verstehen ● einen Fachtext über ein Thema, über das ich nicht viel weiß, lesen ● etwas nachvollziehen, das ich verpasst habe (z.B. eine Szene in einem Film, ein

Ereignis in der Politik, …) ● wenn ich nur das Resultat sehe und nicht weiß, wie es dazu gekommen ist - oder

umgekehrt!

2 vgl. https://www.deutschlandfunk.de/neurobiologie-das-gehirn-versucht-es-immer-so-gut-wie.694.de.html?dram:article_id=382262

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Psychologie

Was unser Gehirn täglich leistet, ohne dass wir es merken!

Diese Texte zeigen, wie rasend schnell unser Unterbewusstsein arbeitet und wie fließend die Grenzen zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein sind. Würden wir diese Texte nur mit dem Bewusstsein verarbeiten, bräuchten wir ein Vielfaches an Zeit, um sie zu entziffern. Quelle: http://www.primedu.de/downloads/Unterbewusstsein.pdf

Nach eienr Stidue der Essex Uinverstiaet ist es eagl, in wlehcer Reiehnfogle die Bchustbaen in Woeretrn vokrmomen. Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele ist. Der Rset knan total falcsh sein und man knan es onhe Porbelme leesn. Das ist, wiel das mneschilche Geihrn nciht jeden Bchustbaen liset, sodnern das Wrot als Gaznes. Krsas oedr??? D1353 M1TT31LUNG Z31GT D1R, ZU W3LCH3N GRO554RT1G3N L315TUNG3N UN53R G3H1RN F43H1G 15T! 4M 4NF4NG W4R 35 51CH3R NOCH 5CHW3R, D45 ZU L353N, 483R M1TTL3W31L3 K4NN5T DU D45 W4HR5CH31NL1ICH 5CHON G4NZ GUT L353N, OHN3 D455 35 D1CH W1RKL1CH 4N5TR3NGT. D45 L315T3T D31N G3H1RN M1T 531N3R 3NORM3N L3RNF43HIGKEIT. 8331NDRUCK3ND, OD3R???

Unser Gehirn füllt Lücken in der Wahrnehmung

Links erkennen wir ein hellgraues Dreieck zwischen den schwarzen Formen. Dies wird auch in der Hirnaktivität sichtbar. © Radboud University Nijmegen Wir konstruieren unsere Welt „Unser Sehen […] ist ein konstruktiver Prozess“, erklärt Christoph Teufel von der Cardiff University. „Erst unser Gehirn erzeugt die Welt, die wir zu sehen glauben.“ Stellen Sie sich beispielsweise vor, sie betreten Ihr Wohnzimmer und am Rand ihres Gesichtsfelds verschwindet ein schwarzes Etwas just in diesem Moment blitzschnell hinter dem Sofa. Wenn Sie Katzenbesitzer sind, dann „erkennen“ Sie ganz deutlich, dass es ihre Katze ist, die da gerade Reißaus nimmt. Sie „sehen“ Kopf, Ohren und vielleicht sogar das Aufleuchten der Augen. Quelle: https://www.scinexx.de/dossierartikel/reaktion-ohne-reiz/

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Psychologie

Was haben Urmensch und früher Mensch mit Psychologie zu tun?

Mehr als man vielleicht erahnen würde! Wie Maslows Pyramide der Bedürfnisse zeigt, braucht der Mensch u.a. frische Luft, Erholung, gute Nahrung, Stabilität und Liebe. Den überwiegenden Großteil unserer Geschichte waren Menschen v.a. mit solchen Grundbedürfnissen beschäftigt. Ihr

Leben war hart, aber naturverbunden. Das muss sich auch auf ihre Psyche ausgewirkt haben (Durchhaltevermögen, Einfallsreichtum, Selbstständigkeit, Leidensfähigkeit, usw.). Frische Luft und frisches Wasser gab es nicht nur in Europa in Unmengen. Auch war die Welt die längste Zeit sehr still: keine Autos, keine Flugzeuge, keine Schulgebäude! Das Essen war immer regional, “bio” und schmeckte ganz anders als unser Essen heute. Bevor die Menschen vor etwa 12.000 Jahren mit der Landwirtschaft begannen, aßen sie von allem, was die Natur bot, ein bisschen. Nicht zuletzt deswegen wurden sie wenig krank und hatten eine gute Verdauung . Unser heutiges Essen hingegen führt oft zu Problemen, die sich auch 3

auf unsere Psyche auswirken . Andersherum können wir aus Frust sogar mehr essen als wir 4

brauchen! Die frühen Menschen litten auch nicht an den heute verbreiteten Folgen von Bewegungsmangel. Sie mussten ständig in Bewegung bleiben und 5

genau dafür ist unser Körper gebaut. Am Ende sind es die Jäger und Sammler, die 99% unserer 2,5 Millionen Jahre alten Geschichte ausmachen, die unsere Gene, Ängste, unser Verhalten und

sogar unser Denken immer noch maßgeblich prägen . Das bedeutet nicht, dass wir alle 6

zurück in unsere Höhlen gehen sollten. Wir können die Geschichte nicht rückgängig machen. Jedoch können wir auf unsere Ernährung, frische Luft, Ruhe und Bewegung achten. Der Geist fühlt sich dadurch wie es das Sprichwort sagt wohler in seiner Haut. Wie können wir summa summarum glücklich werden? Mit Bio-Kiwis aus Neuseeland, Fitnessstudios, Magersucht und wissenschaftsfeindlicher Esoterik? Machen wir uns mit dem verzweifelten Wunsch glücklich, jung, dynamisch und erfolgreich zu werden, letztendlich nur unglücklich? Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten. Natürlich kann man auch viel Geld für entsprechende Ratgeber ausgeben. Doch auch der beste Ratgeber kennt dich nicht so gut wie du selbst.

3 vgl. Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit 4 vgl. u.a. https://www.geo.de/magazine/geo-kompakt/1198-rtkl-psyche-leseprobe-wie-essen-unser-fuehlen-bestimmt und https://www.paleo360.de/gesunde-ernaehrung/paleo-ernaehrung/ (Bildquelle für das 2. Bild) 5 chronische Rückenschmerzen und Verspannungen durch Muskelrückbildung, Kopfschmerzen, Kraftlosigkeit, Fettleibigkeit, Osteoporose, Herz-Kreislauf-Probleme, weniger Abwehrkräfte usw. 6 Von unseren Vorfahren haben wir viele unserer Stärken wie räumliches Denken und Erfindungsreichtum. Doch auch unsere tiefsten Ängste. Der Neandertaler lebt auch zu einem geringen Prozentsatz in uns weiter. Von ihm haben viele Europäer eine bestimmte Schädelform und eine Tendenz zu Hautkrankheiten und Depressionen. Mehr dazu: https://www.mpg.de/12561113/1207-evan-019609-neandertaler-gene-geben-aufschluss-ueber-gehirnevolution-des-modernen-menschen und https://www.wissenschaft.de/umwelt-natur/problematisches-neandertaler-erbgut/

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Psychologie

Was ist Psychologie eigentlich genau? Was macht mich glücklich? Was macht mich krank? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Forscher und Therapeuten überall auf der Welt. Viele von ihnen haben Medizin studiert, eine Wissenschaft mit jahrtausendealter Tradition. Doch untrennbar damit verbunden ist eine wesentlich jüngere Wissenschaft: die Psychologie. Definition Psychologie: Wissenschaft von den bewussten und unbewussten psychischen Vorgängen, vom Erleben und Verhalten des Menschen. Um diese Definition zu verstehen, muss man auch ihre sämtlichen Bestandteile verstehen:

● Wissenschaft: Wissen, Erkenntnisse; systematische Erkenntnisgewinnung, Objektivität

● psychische Vorgänge: die Psyche, “Seele”, Ort des Fühlens und Denkens ● bewusst: ich weiß davon und kann es kontrollieren <> unbewusst: ich weiß nichts

davon und kann es auch nicht kontrollieren (aber es ist tief in mir drin) ● das Erleben: wie der Mensch die Dinge (Ereignisse, das Leben allgemein)

aufnimmt/sieht/versteht, also die Erste-Person-Perspektive bei einem Erlebnis ● das Verhalten: was der Mensch tut, d.h. wie er handelt und auf Dinge reagiert

Verstehst du alle Definitionen? Wozu hast du noch Fragen? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

Wie haben die Menschen in der langen Zeit ohne die Psychologie ihre Probleme behandelt? Ein Beispiel aus der Serie “Medizin in fernen Ländern” (siehe Bild aus der Folge Brasilien) soll dies verdeutlichen.

Der Gegensatz des modernen Menschen zum frühen Menschen ist weniger deutlich in ärmeren Ländern, in denen die Menschen (i.d.R. Indigene, d.h. Ureinwohner) aus Überzeugung oder Geldmangel an ihren Traditionen festhalten. Dort wird wie auch früher in Europa heute noch mit Handauflegen, Kräuterkunde und uns oft bizarr erscheinenden Ritualen geheilt. Eine

erstaunliche Reihe von Krankheiten kann dadurch eingedämmt oder sogar geheilt werden.

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Psychologie

Dies kann man am besten im Vergleich zu einem Arztbesuch hierzulande verstehen: Es herrscht an vielen Orten ein eklatanter Mangel an Ärzten und Schwestern. In den überfüllten Warteräumen herrscht oft eine schlechte Stimmung und das Personal ist gestresst und überfordert. Behandlungen dauern in der Regel höchstens so lange wie sie dauern müssen und oft werden nur die Symptome behandelt, nicht aber die Ursache des Problems. Im Gegensatz dazu nehmen sich traditionelle Mediziner häufig mehr Zeit, sind körperlich und geistig näher an den Patienten, sprechen intensiv mit ihnen und berühren sie. Man könnte das als einen Ausgleich dafür verstehen, dass ihnen die modernen Geräte und Medikamente aus der wissenschaftlichen Schulmedizin fehlen. Und sie scheinen ihren Job sehr gut zu machen: Sozialer Kontakt, Austausch über Intimes und Berührung sind nachweislich förderlich für die Gesundheit. Ein Mangel an sozialen Kontakten, an Gesprächen über seine Probleme und an Berührung kann dementsprechend zu ernsthaften gesundheitlichen Schwierigkeiten führen. Längere Gespräche bedeuten längeres Zusammensein mit einem anderen Menschen. In Verbindung mit Berührungen ergibt sich allein durch diese Faktoren ein erstaunlich großer Anteil am psychischen und physischen Heilungsprozess . 7

Wir können mit Hilfe dieser ARTE-Sendung also feststellen, dass auch Menschen, die keine psychologische Ausbildung haben, trotzdem intuitiv eine gesunde von einer nicht ganz gesunden Psyche unterscheiden können. Außerdem können Sie die richtigen Worte finden und für eine Weile die Begleitung sein, die anderen Menschen hilft. Auch Du kannst leichte psychische Probleme in anderen bemerken, angefangen bei einem Klassenkameraden oder einem Familienmitglied, dem es gerade schlecht geht, bis hin zu einem Fremden auf der Straße, der so traurig guckt, dass es dir richtig leid tut. Wir Menschen lachen und weinen, regen uns auf oder kommen runter, kurz: wir fühlen mit unseren Mitmenschen. Ob Empathie (Einfühlungsvermögen) oder gesunder Menschenverstand: eigentlich sind wir von Natur aus kleine Ärzte und Psychologen. Doch während es deren Mission ist, Menschen zu helfen, nutzen viele Menschen und Konzerne auch die Psychologie, um andere Menschen zu täuschen, zu betrügen oder ihnen zu schaden.

Welche Beispiele fallen dir dazu ein? ● ______________________________________________________________ ● ______________________________________________________________ ● ______________________________________________________________ ● ______________________________________________________________

7 reden: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/gute-laune-psychologie-reden-hilft-wirklich-a-489918.html, berühren: https://www.aerztezeitung.de/panorama/article/821565/wissenschaft-macht-beruehrung.html; Bildquelle: https://www.datefix.de/kalender/4500/index.php?dfxid=947870

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Psychologie

Experten für die Behandlung psychischer Erkrankungen

Gingen wir alle bewusster mit unserer einzeln begrenzten, aber in ihrer Summe erheblichen Macht über unsere Mitmenschen um, würden weniger Menschen mit leichteren Problemen eine Therapie benötigen. Doch bei schwerwiegenden psychischen Erkrankungen können wir mit unserer Intuition und unserem Verstand nicht viel machen. Hobbyspychologen gibt es viele und Halbwissen über Symptome und Behandlungsformen ist im besten Fall nutzlos, wenn nicht sogar gefährlich. Hilfreich wäre es in schweren Fällen zum Beispiel, jemanden dazu zu bewegen, sich Hilfe zu suchen. Genauer gesagt: sich helfen lassen zu wollen.

● Psychotherapeuten haben Psychologie studiert und dann eine Ausbildung zum Therapeuten gemacht. Während dieser Ausbildung müssen sie selbst eine Therapie machen, eine sogenannte Lehrtherapie. Sie dürfen Menschen zum Beispiel mit Gesprächen einzeln oder in Gruppen behandeln. Sie dürfen keine Medikamente verschreiben.

● Psychiater haben Medizin studiert und dann eine Spezialisierung in Psychiatrie gemacht. Sie dürfen Medikamente verschreiben. Sie sehen ich den Körper des Patienten genauer an und können feststellen, ob eine körperliche Störung für das psychische Leiden verantwortlich ist.

(Bilderquelle: https://www.psychologie-studieren.de/berufe/unterschied-psychologe-psychotherapeut-psychiater/#psychologe)

Psychologie ist übrigens eine empirische (= auf vielen Untersuchungen und Tests über lange Zeit entwickelte) Wissenschaft. Sie hat viel mit Statistik und Mathematik zu tun!

● Psychologen sind einfach Menschen, die Psychologie studiert haben. Sie sind (noch) keine Therapeuten. Viele von ihnen werden es auch nie: Sie arbeiten in Unternehmen, in der Wirtschaft, in der Forschung (Umfragen, Studien, Tierversuche), in Krankenhäusern, bei der Polizei oder zum Beispiel an Schulen.

Verstehst du diese Definitionen? ● Psychotherapeut ➔ ⬜ verstehe ich / ⬜ dazu habe ich noch Fragen ● Psychiater ➔ ⬜ verstehe ich / ⬜ dazu habe ich noch Fragen ● Psychologe ➔ ⬜ verstehe ich / ⬜ dazu habe ich noch Fragen

Welche Fragen hast du dazu? _______________________________________________________________________ _______________________________________________________________________ _______________________________________________________________________

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Psychologie

Körpersprache lesen - Lügen erkennen “Mir geht es gut!” “Schön dich zu sehen!” “Wir müssen uns mal wieder sehen” “Ich hatte keinen Empfang” ... Durchschnittlich lügt jeder Mensch 1,8 Mal am Tag . Man hört 8

oft die Befürchtung: “Unsere Gesellschaft würde zusammenbrechen, wenn wir einander stets die nackte Wahrheit sagen würden.” (ebd.)

Ist diese Befürchtung gerechtfertigt, was denkst du? Begründe! ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

Unsere Körpersprache verrät vieles von dem, was wir Menschen wirklich denken, fühlen oder in einer Situation wirklich verbrochen haben. Sagen wir von Herzen die Wahrheit, dann stimmen unser Gesichtsausdruck (Mimik), die Stimmlage und Körpersprache (Gestik) harmonisch überein. Wenn ich “Mir geht es gut.” mit strahlenden Augen, einer überzeugten Stimme sowie einer lebendigen Körperhaltung sage, dann spürt mein Gegenüber sofort, dass es wahr ist. Der Funke kann sogar auf ihn überspringen und er sich gleich etwas energievoller fühlen. Das ist wichtig: Wir Menschen sind mimische Wesen, das heißt, wir empfinden und machen nach, was andere uns vormachen. Das funktioniert auch umgekehrt: Auf meine Gegenfrage sagt mein Gegenüber “Mir geht es gut.” mit glasigen Augen, einer müde wirkenden Stimme und sein Körper bleibt dabei steif und leblos. Dann kann ich im Extremfall sogar das Gefühl bekommen, dass mir Energie verloren geht.

Beobachte dies in deinem Alltag und berichte kurz, was dir aufgefallen ist: ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

8 https://www.zeit.de/2011/16/Stimmts-Luegen

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Psychologie

Lügen erkennen Tipp 1: Achte auf die Harmonie von Mimik, Stimme und Gestik. Unser Körper, im Besonderen unsere Augen, verraten dem geübten Beobachter schnell unsere Gefühle. Robert Plutchik hat die menschlichen Gefühle in seinem “Rad der Gefühle” zusammen- gefasst. Laut Plutchik sind die acht Grund- gefühle Freude, Vertrauen, Angst, Überraschung, Trauer, Ablehnung, Ärger und Bereitschaft. Die benachbarten Gefühle sieht er als ähnlich und die gegenüberliegend- en als entgegengesetzt.

Sieh dir die Grafik an. Kannst du alle Gefühle nachvollziehen? Hast du Fragen? _______________________________________________________________________ _______________________________________________________________________ _______________________________________________________________________

Woran erkenne ich Disharmonien von Mimik, Stimme, Gestik und Verhalten?

➢ Asymmetrie: linke und rechte oder obere und untere Gesichtshälfte zeigen nicht gleiche Emotionen, z.B. traurige Augen und lächelnder Mund. Auf den ganzen Körper übertragen: Wenn jemand auf die Frage “Wie war dein Wochenende?” zuerst leicht mit den Schultern zuckt und dann sagt “Gut” (siehe falsche Reihenfolge).

➢ Denkpausen: Warum sollte ein Unschuldiger sich seine Antwort lange überlegen? Unschuldige reagieren auf Unterstellungen empört und antworten ohne Denkpause, das heißt ohne jedes Kalkül: “Ich war es nicht und mich nervt, dass du mich beschuldigst!”.

➢ Falsche Reihenfolge: Wenn jemand auf die Frage “Warst du es?” zuerst erstarrt und überlegt, dann “Nein” sagt und danach den Kopf schüttelt. Eine natürliche Reaktion wäre zuerst mit dem Kopf zu schütteln, denn der Körper reagiert schneller als die Sprache.

➢ Übertriebene Dauer und Intensität: Zu lang gezeigte “Überraschung” oder “Lächeln”. ➢ Wechselnde Emotionen: Probiert der Gegenüber verschiedene Emotionen aus, um die zu

finden, die ich ihm am besten glaube? ➢ Mikroexpressionen: Siehst du für einen ganz kurzen Augenblick Verachtung, Ekel, Angst

oder Zorn in einem Gesicht, so sagt dies etwas über die wahren Gefühle einer Person aus. Das geht natürlich auch mit Freude (z.B. duping delight, siehe unten).

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Psychologie

Lügen erkennen Tipp 2: Plötzliche Änderung im Verhalten des Gegenüber Beginne ein normales Gespräch mit Fragen, auf die der Gegenüber natürlich und gefahrlos antworten kann. Das normale Verhalten (Mimik, Stimme, Gestik, Lieblingswörter, Ticks, etc.) nennt man die Baseline. Spreche nun das kritische Thema an: verändert sich irgendetwas im Verhalten? Wechsle gelegentlich wieder zurück zu unkritischen Themen, entspannt sich der Gegenüber jetzt wieder? So kannst du nach und nach alle kritischen Themen identifizieren. ➔ Reflexfrage: Wenn du eine überraschende Frage stellst, die mit einem Unschuldigen nicht funktioniert, aber auf einen Dieb so, als sei er ertappt worden. Zum Beispiel “Ging der Reißverschluss an meinem Rucksack schwer auf?” Während der Unschuldige sich über die Unterstellung wahrscheinlich aufregt, muss der Dieb kurz unbewusst überlegen. Lügen erkennen Tipp 3: Zeigt die Person Angst vor den Konsequenzen, Schuld über sein Vergehen und Freude darüber, die anderen getäuscht zu haben (duping delight)?

Diese Gefühle kann man bei Lügnern oft sehen, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst 9

sind.

Angst Schuld Duping delight

Große Augen Kontrollierende Blicke Körperspannung Höhere Stimme ...

Blick nach unten Traurige Augen und Mund Entpersonalisierung: wenig “ich, mein”, mehr allgemeine Formulierung: “man, wer würde denn, das würde doch niemand stehlen, …”

Freude wegen gefühlter Überlegenheit: leichtes dezentes Lächeln, wird manchmal dagegen angekämpft

Die Angst des Lügners kann verstärkt werden, wenn man ihn auf die großen Konsequenzen hinweist oder wenn man sagt, dass man besonders gut im Erkennen von Lügen ist.

9 Angst: https://fr.123rf.com/photo_38826397_isolated-business-man-fear-face.html, Schuld: https://www.elitepartner.de/magazin/schuldgefuehle-nach-trennung.html, duping delight: https://theconservativetreehouse.com/2019/02/17/andrew-mccabe-60-minutes-interview-moments-and-excerpts-also-did-mccabe-leak-the-michael-flynn-phone-call/duping-delight-mccabe/

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Psychologie

Psychische Erkrankungen

Natürlich gab es psychische Erkrankungen schon lange bevor es den Beruf des Psychologen oder Psychiaters gab. Wie unsere Urahnen damit umgegangen sind, kann nur vermutet werden. Doch wie wir in den Dokumentationen zu traditionellen Medizinern “Medizin in fernen Ländern” gesehen haben, wurden wahrscheinlich psychische und physische Erkrankungen zugleich behandelt. Da Körper und Seele verbunden sind, haben diese Methoden wahrscheinlich auch Erfolg gehabt. Heute weiß man zwar, dass niemand von bösen Geistern besessen sein kann. Jedoch war die zeremonielle Behandlung vielleicht genauso effektiv wie die eines Psychotherapeuten heute. Das meiste Wissen unserer Vorfahren ist verloren gegangen, doch in jedem von uns stecken (begrenzte) Fähigkeiten, andere Menschen zu heilen oder sie krank zu machen. Das meiste davon ist unbewusst. Die Psychologie hilft uns, die Psyche bewusst zu verstehen und gegebenenfalls zu behandeln. (Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wahnsinn Hieronymos Bosch - Steinschneiden) Früher wurde und auch heute wird noch immer auffälliges Verhalten als Schwachsinn abgetan. Früher gab es Gefängnis, Folter, fatale Gehirnoperationen und Elektroschocks (vgl. Film “Einer flog über das Kuckucksnest”). Doch was ist auffälliges Verhalten? Verhalten, das von der Norm abweicht, fällt uns auf. ➔ Notiere dazu deine Gedanken!

Was ist normal? ___________________________________ ___________________________________ ___________________________________ ___________________________________

Was ist unnormal? ___________________________________ ___________________________________ ___________________________________ ___________________________________

Die ersten Psychotherapeuten waren Ärzte, die sich nicht mit Diagnosen wie “Schwachsinn” und “Nervosität” zufrieden gaben. Sie merkten, dass Medikamente i.d.R. nicht die Ursache, sondern nur die Symptome bekämpfen. Gleichzeitig merkten sie, dass der Mensch in seinen eigenen Gedanken und Verhaltensmustern gefangen sein kann.

Versuche dir einen Tag ohne Gewohnheiten / ”Muster” vorzustellen. Wie wäre das? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

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Psychologie

Die Krux mit den Gewohnheiten Unser Denken und Handeln ist natürlich von Gewohnheiten geprägt. Das hat viele Vorteile. Ich kann mir zum Beispiel angewöhnen, jeden Abend den Abwasch zu machen, sodass sich das dreckige Geschirr nicht im Spülbecken stapelt. Diese kleine Regel kann für mich wunderbar funktionieren. Zwar könnte sie zu Konflikten mit meinen Mitbewohnern führen, doch die Wenigsten werden diese Angewohnheit als schlecht oder sogar schädlich empfinden.

Überlege dir eine Gewohnheit, die für dich oder andere schädlich sein kann: ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

Wann ist man seelisch krank?

Seelisch krank ist man grob gesagt erst, wenn man unter seinem Verhalten oder seinem Leben allgemein leidet. Das kann zum Beispiel sein, weil man Dinge denkt, fühlt oder tut, die man eigentlich gar nicht denken, fühlen oder tun will. Oder aber jemand anderes tut etwas mit einem, das man nicht will. Vielleicht hat man auch einen schweren Verlust erlitten und schafft es danach nicht mehr, ein geordnetes Leben zu führen. In all diesen Fällen befindet sich ein Teil von einem selbst in einem ständigen Konflikt mit einem anderen. Jedoch, wer hat das eigentlich nicht, zumindest ein bisschen? Der eine Teil in uns will dies, aber der andere etwas anderes... Natürlich haben wir alle unsere inneren Konflikte und ein bisschen Leid gehört zum Leben dazu. Doch ab einem gewissen Grad leidet man zu sehr, im Extremfall bis hin zum Verlust der Lebensfreude. Der Übergang ist fließend. Also: theoretisch könnte jeder zum Psychologen gehen, praktisch brauchen es aber nicht alle, zumindest nicht zeitgleich. Viele von diesen Dingen, die man tut, obwohl man sie eigentlich gar nicht tun will, sind schlechte Gewohnheiten, also lästige Verhaltensmuster, und müssten nur geändert werden. Aber für jede Verhaltensänderung ist viel mehr Ausdauer und Kraft gefragt als man oft denkt. Doch es lohnt sich und erfüllt einen mit Stolz und einem Gefühl neuer Lebensqualität, wenn man es dann geschafft hat. Ironischerweise lebt man auch danach noch mit der Erinnerung an die Sache, die man losgeworden ist weiter. Oft ist man sie auch eigentlich gar nicht losgeworden, aber man hat mir ihr gelernt, umzugehen. Wie zum Beispiel in dem auf einer wahren Person basierten (und natürlich amerikanisch übertriebenen) Film “A beautiful mind”. Aber ist das nicht eigentlich noch stärker, damit zu leben, als es zu versuchen wegzuradieren? (Bildquelle: https://www.thewrap.com/a-beautiful-mind-mathmetician-john-nash-killed-in-nj-taxi-crash/)

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Psychologie

Einen Ratschlag geben

Gib einem Freund/einer Freundin einen guten Rat: Angenommen, er/sie hat die Angewohnheit, die du oben beschrieben hast. Was könnte er/sie tun, um sie loszuwerden? ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________ ________________________________________________________________________

Brainstorming

1. Ab wann sollte man sein Verhalten ändern? ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2. Wie könnte man sein Verhalten ändern?

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Psychologie

Tipps um seelischen Krankheiten vorzubeugen Auch wenn es nach Klischee und esoterischem Fernsehmagazin klingt: Um nicht krank zu werden, muss man in einem Gleichgewicht bleiben. Das heißt, man muss Probleme haben, wie sie jeder Mensch hat, aber auch viele gute Momente, sodass es sich gut leben lässt.

Was du für dein Gleichgewicht genau brauchst, das weiß niemand außer dir.  Der eine braucht den Ratschlag eines Freundes, der andere will lieber selbst versuchen, das Problem zu lösen. Die eine geht mit allem nach außen, die andere bleibt lieber in sich drin. Wir Menschen sind unterschiedlich oder anders gesagt:

Nichts ist normal!  Ein schweres psychisches Problem kommt nicht einfach so. Es entwickelt sich über einen längeren Zeitraum. Aber warum einschreiten, wenn eine Krankheit kommt? Der Natur ist es egal, wie gut du lebst, oder nicht. Du musst dich selbst um deine Gesundheit kümmern. Allein die Tatsache, dass du dir Fragen stellst, dass du dies hier liest, bedeutet, dass du neugierig und interessiert bist und - ohne darüber bewusst nachzudenken - gut leben willst. Du hast nicht die Wahl, du bist mitten im Überlebenskampf der Natur und dein emsiger Herzschlag spricht es wortlos aus:

Jeder Mensch will von Natur aus ein gutes Leben führen.  Wer innerlich unzufrieden (also ohne Frieden) oder unglücklich ist, kann nach außen sehr melancholisch wirken. Manche Menschen machen das sogar zu ihrem Motto: Sie wollen traurig und leidend aussehen, weil sie sich mit diesem Image identifizieren und von den anderen abheben. Doch diese Menschen zum Beispiel machen ja, was ihnen gefällt und sind somit nicht trauriger als die, die keine schwarze Kleidung und Totenschminke tragen:

Auch wenn es ein bisschen verrückt ist: tue, was dir gefällt!  Wer sich nimmt, was ihm gefällt - ja, sogar ein “Satanist” ! -, der zeigt eine zutiefst 10

lebensbejahende Haltung. Statt sich selbst auszuklammern und seine eigenen Bedürfnisse hinter die der anderen zu stellen, muss man zum Klang seines Herzschlags und den Fußspuren, die man täglich hinterlässt, stehen:

Halte dich gerade, dann werden auch deine Gedanken wieder gerade.  Wer sich am Boden fühlt, muss vielleicht nur vergessen, was andere ihm über ein glückliches Leben erzählt haben. Denn der Boden deiner Wahrheit besteht letztlich aus den Dingen, die du für wahr hältst. Um zurück zu den Wurzeln seines persönlichen Glückes zu finden, musst du tief in dich und deine persönliche Geschichte gehen:

10 Überraschend hilfreich für das alltägliche Leben ist ein Teil der 11 Regeln der sogenannten satanistischen Religion: http://www.schwarze-seele.com/satanische_regeln.html. Kellertreppenfoto Quelle: http://view.stern.de/de/rubriken/architektur/ruine-burg-gleichen-kellertreppe-original-815865.html

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Psychologie

Was brauchst du, um gut zu leben? Welche Bedürfnisse halten dich davon ab? 

“Was ist der Sinn des Ganzen?”, fragen sich manche Menschen täglich. Doch warum einen höheren Sinn in einer Welt suchen, den es nicht gibt? Wir sind ein Produkt der Evolution, die eine Laune der Natur ist und ein kurzer Hauch in der Geschichte des Weltalls. Deine Probleme sind genauso unwichtig für das Ganze wie du selbst. Vielleicht solltest du dich fragen, warum du dich für so klug hältst, mehr im Leben zu finden, als es gibt. Wer nur in seinem Kopf lebt, der wird nicht lange überleben, und erst recht keine Weisheit erlangen.

Nimm dich selbst nicht so wichtig!  Auch deine Freunde können dir dabei nicht helfen, einen Sinn zu finden. Beneide niemanden, weil er einen Sinn gefunden hat, sondern freue dich für ihn, wenn er damit glücklich ist:

Bin ich glücklich mit dem, was ich tue?  Wenn es einen Sinn deines Lebens gibt, dann erschaffst du ihn dir selbst. Du musst du nur ein paar grundlegende Dinge sicherstellen, die jeder Mensch zum Glücklichsein braucht: 

● Sozialleben: menschliche Real-Life-Kontakte, geliebt sein wie man ist

● Überleben: Essen und Wasser

● Instandhaltung: Bewegung an der frischen Luft (am besten im Grünen ) 11

● Nützlichkeit: eine Arbeit oder Aufgabe (für die “Gruppe”: Familie, Gesellschaft, ...)

● Regeneration: Ruhe und Schlaf

Achtung: Dies ist keine Einkaufsliste, sondern eine Lebensaufgabe! Wenn einem einer dieser Punkte völlig fehlt, hat man ein ernsthaftes Problem. Aber man hat auch einen Anhaltspunkt, wo man sich noch verbessern kann.

Tipps um störendes Verhalten abzulegen Oft stehen wir uns selbst im Weg, um glücklich zu sein. Wenn du unter einem Verhaltensmuster richtig leidest, dann wird das Leben ernst. Doch woran erkennt man, dass man ein ernstes Problem hat und nicht einfach nur zu empfindlich ist?

Beobachte andere Menschen und dich selbst: Wer ist im Gleichgewicht, wer nicht? 

11 vgl. https://www.welt.de/gesundheit/article154517284/Nur-fuenf-Minuten-im-Wald-staerken-Ihr-Selbstbewusstsein.html

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Psychologie

Wenn du bereits Tagebuch führst, kann man dir nur dazu gratulieren! Ansonsten wäre es gut, wenn du damit anfängst:

Notiere einfach mal alles, was dich an deinem Leben stört. Ohne Kompromisse. Am besten regelmäßig. 

Schreibe einfach mal drauf los, schonungslos ehrlich und ohne über Formulierungen oder darüber nachzudenken, “was die anderen dazu sagen würden”. Je freier du drauflos schreibst, desto mehr wirst du staunen. Durch das sogenannte “freie assoziative Schreiben” kannst du dir sehr viel von dem bewusst machen, was dich tief im Inneren beschäftigt.

Hab keine Angst vor dem, was in deinem Inneren schlummert. Sei mutig und sieh es dir an.  Vielleicht verbindest du mit dem Schreiben auch ein bestimmtes Ziel: Was will ich erreichen? Welche Freunde sind die falschen, welche die richtigen für mich? Worin könnte mich dieses Verhalte im schlimmsten Fall bringen (Freunde verlieren, Kriminalität, …)? Neben dem Tagebuch gibt es natürlich eine Vielzahl von anderen Möglichkeiten, sich mit seinen Problemen konstruktiv auseinanderzusetzen:  

● Mit sich selbst reden: Wie Tagebuch führen, aber dabei alles (mutig) aussprechen. ● Anderen zuhören und mit ihnen reden. Zuhören ist sehr lehrreich und reden hilft immer. ● Sich informieren: Je mehr du über dein Problem weißt, desto besser kannst du auch

damit lernen umzugehen. ● Die richtigen Freunde finden: Will ich z.B. nicht mehr trinken, sollte ich mich auch nicht

ständig mit Leuten in der Kneipe treffen, sondern vielleicht zu einem Spaziergang. ● Eine negative Gewohnheit übertreiben: Wenn du es z.B. nicht magst, dich zu oft zu

entschuldigen, dann tue es erst recht einmal die ganze Zeit so laut und übertrieben, bis du schon anfangen musst zu lachen. Und am besten auch die anderen ;-)

● Herausforderung: Einen Tag lang eine Sache versuchen ganz anders zu machen und dann ins Tagebuch schreiben, was das verändert hat.

● Belohnung und Geduld: Ich setze mir ein Ziel und belohne mich, wenn ich es erreiche. Doch wenn nicht, bin ich auch nicht zu hart mit mir. 

Es gibt viele Ratgeber dazu zu kaufen oder kostenlos. Am wichtigsten ist jedoch, dass du dir die nötige Zeit gibst, um dein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Du brauchst Geduld und musst hartnäckig Schritt für Schritt gehen. Es macht viel mehr Sinn, an einer Sache intensiv zu arbeiten als an mehreren nur oberflächlich!

Vom Keller ins Obergeschoss kommt man nur Stufe für Stufe.  Du merkst also, dass es ohne Stärke und Disziplin nicht geht. Vielleicht merkst du, dass der Berg einfach zu hoch ist, um es alleine zu schaffen. Es ist keine Schwäche, sich Hilfe bei einer Beratung oder Therapie zu suchen. Im Gegenteil:

Nur wer seine Grenzen kennt, der kann sich auch be-herrschen.

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