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William P. Dillon 440e Bildgebende Diagnostik bei neurologischen Erkrankungen Für die deutsche Ausgabe László Solymosi Der Patienten mit neurologischen Symptomen behandelnde Kliniker wird mit einer immer größeren Anzahl von bildgebenden Möglich- keiten konfrontiert, wie Computertomografie (CT), CT-Angiografie (CTA), Perfusions-CT (pCT), Magnetresonanztomografie (MRT), MR-Angiografie (MRA), funktionelle MRT (fMRT), MR-Spektrosko- pie (MRS), MR-Neurografie (MRN), Diusionsbildgebung (DWI), Diusionstraktografie (Diusion Tensor Imaging, DTI), suszeptibili- tätsgewichtete MRT (SWI), MRT mit arterieller Spinmarkierung (ASL) und Perfusions-MRT (pMRT). Neben den invasiven diagnosti- schen Methoden, wie der Angiografie und der Diskografie, steht zu- sätzlich eine steigende Zahl von interventionellen neuroradiologi- schen Techniken zur Verfügung, wie die Embolisation mit Platinspi- ralen oder mit flüssigen Embolisaten und die Stentbehandlung von Gefäßprozessen, die mechanische Thrombektomie beim akuten Schlaganfall, spinale Interventionen, wie selektive Wurzelblockaden und transforaminale sowie translaminare epidurale Injektionen. Die Mehrschicht-CT-Angiografie und die kontrastverstärkte MR-Angio- grafie (CE-MRA) haben die Indikation zur konventionellen Angio- grafie eingeschränkt. Diese ist für Erkrankungen, bei denen der Zu- stand der kleinen Gefäße diagnostisch relevant ist (z. B. Vaskulitis) oder bei denen eine interventionelle Therapie geplant oder möglich ist, vorbehalten (Tab. 440e-1). Im Allgemeinen ist die MRT zum Nachweis von Läsionen des zen- tralen Nervensystems (ZNS), insbesondere des Rückenmarks, der Hirnnerven und der Strukturen der hinteren Schädelgrube, sensitiver als die CT. Die diusionsgewichtete MRT (DWI) ist durch Nachweis von Verminderung der mikroskopischen Bewegungen von Wasser- molekülen die sensitivste Technik in der Diagnostik des akuten ischä- mischen Schlaganfalls von Gehirn und Rückenmark, aber auch hilf- reich im Nachweis von Enzephalitiden, Abszessen oder Prionerkran- kungen. Weil die CT schnell und breit verfügbar ist, kann sie eine pragmatische Lösung sein bei der Erstuntersuchung von Patienten mit akuter Bewusstseinsstörung, Schlaganfall-, Blutungsverdacht so- wie bei Schädel-Hirn- und spinalen Verletzungen. Die CT ist emp- findlicher in der Darstellung der feinen knöchernen Details als die MRT und deshalb indiziert bei der Abklärung der Schallleitungs- schwerhörigkeit sowie bei Läsionen der Schädelbasis und der Kalotte. Die MRT liefert jedoch wichtige diagnostische Informationen zur Knochenmarkinfiltration, die auf CT-Aufnahmen nur schwer zu er- kennen sind. COMPUTERTOMOGRAFIE & TECHNIK Das Computertomogramm ist ein computerberechnetes anatomi- sches/pathologisches Querschnittsbild, welches durch Absorptions- analyse von Röntgenstrahlen, die unterschiedliche Punkte des Kör- pers passieren, rekonstruiert wird. Während die Strahlenquelle um den Körper des Patienten rotiert, emittiert sie in unterschiedlichen Winkelgraden ein Strahlenbündel. Röntgendetektoren, die sich direkt gegenüber der Quelle befinden und in der Regel mitrotieren, erfassen die durch den Körper des Patienten abgeschwächten Röntgenstrahlen. Ein Computer berechnet ein Rückprojektionsbild aus dem meistens 360°-Röntgenstrahlabsorptionsprofil. Die Strahlenabsorption hängt von der physikalischen Dichte einer Substanz ab. Sie ist größer im Knochen (hat höhere Dichte= hyperdens, heller auf dem Bild) und niedriger in Weichteilen und lufthaltigen Strukturen (hat niedrigere Dichte= hypodens, dunkler auf dem Bild). Die Auflösung eines Bil- des ist abhängig von der Strahlendosis, der Schichtdicke, dem Sicht- feld (Field of View; FOV) und der Darstellungsmatrix. Ein modernes CT-Gerät (Mehrschicht-Volumenscanner) kann Bilder mit 0,51 mm dünnen Schichten sogar mit einer Auflösung von 0,4 mm in einer Ebe- ne und mit einer Geschwindigkeit von 0,3 s pro Rotation erzeugen. Ei- ne komplette Abtastung des Gehirns ist so in 110 Sekunden möglich. TABELLE 440e-1 Leitlinien zur Anwendung von CT-, Ultraschall- und MRT-Untersuchungen Erkrankung Empfohlenes Verfahren Blutung Akute, parenchymatöse CT, MRT Subakute/chronische MRT Subarachnoidale CT, CTA, Lumbalpunktion Angio- grafie Aneurysma Angiografie > CTA, MRA Ischämischer Infarkt Hämorrhagischer Infarkt CT oder MRT Blander Infarkt MRT + DWI > CT, CTA, Angiografie Karotis- oder Vertebralisdissektion MRT/MRA Vertebrobasiläre Insuffizienz CTA, MRT/MRA Karotisstenose MRA, CTA > Doppler-Ultraschall Vermutete Raumforderung Tumor, primär oder metastatisch MRT ± Kontrastmittel Entzündung/Abszess MRT ± Kontrastmittel, DWI Fokale Läsion bei Immunsuppression MRT ± Kontrastmittel Vaskuläre Malformation MRT ± Angiografie (DSA) Erkrankungen der weißen Substanz MRT Entmarkung MRT ± Kontrastmittel Demenz MRT > CT Trauma Akut CT (nativ) Diffuser axonaler Schaden/chronische Blutung MRT + SWI Kopfschmerz/Migräne MRT Anfallsleiden Erster Anfall ohne neurologisches Defizit Komplex-partieller Anfall/therapieresis- tent CT als Notfalluntersuchung, MRT MRT ± Kontrastmittel Hirnnervenausfall MRT ± Kontrastmittel Meningeale Erkrankung MRT ± Kontrastmittel Spinale Erkrankungen Rückenschmerz Ohne neurologische Zeichen > 6 Wochen nach erfolgloser kon- servativer Therapie MRT oder CT Mit fokalem Defizit MRT > CT Spinalkanalstenose MRT oder CT Zervikale Spondylose MRT, CT, CT-Myelografie Entzündung MRT ± Kontrastmittel, CT Myelopathie MRT ± Kontrastmittel Arteriovenöse Malformation MRT ± Kontrastmittel, Angiografie Abkürzungen: CT = Computertomografie; CTA = CT-Angiografie; DWI = diffusionsgewichtete MRT; MRA = Magnetresonanzangiografie; MRT = Magnetresonanztomografie; SWI = suszeptibilitätsgewichtete MRT. 440e-1 Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

William P. Dillon 440e Erkrankungen - eref.thieme.de · Die axiale MIP des CT-Angiogramms in Höhe des Circulus arteriosus Willisii zeigt einen abrupten Abbruch der proximalen rechten

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William P. Dillon

440e Bildgebende Diagnostik bei neurologischenErkrankungenFür die deutsche Ausgabe László Solymosi

Der Patienten mit neurologischen Symptomen behandelnde Klinikerwird mit einer immer größeren Anzahl von bildgebenden Möglich-keiten konfrontiert, wie Computertomografie (CT), CT-Angiografie(CTA), Perfusions-CT (pCT), Magnetresonanztomografie (MRT),MR-Angiografie (MRA), funktionelle MRT (fMRT), MR-Spektrosko-pie (MRS), MR-Neurografie (MRN), Diffusionsbildgebung (DWI),Diffusionstraktografie (Diffusion Tensor Imaging, DTI), suszeptibili-tätsgewichtete MRT (SWI), MRT mit arterieller Spinmarkierung(ASL) und Perfusions-MRT (pMRT). Neben den invasiven diagnosti-schen Methoden, wie der Angiografie und der Diskografie, steht zu-sätzlich eine steigende Zahl von interventionellen neuroradiologi-schen Techniken zur Verfügung, wie die Embolisation mit Platinspi-ralen oder mit flüssigen Embolisaten und die Stentbehandlung vonGefäßprozessen, die mechanische Thrombektomie beim akutenSchlaganfall, spinale Interventionen, wie selektive Wurzelblockadenund transforaminale sowie translaminare epidurale Injektionen. DieMehrschicht-CT-Angiografie und die kontrastverstärkte MR-Angio-grafie (CE-MRA) haben die Indikation zur konventionellen Angio-grafie eingeschränkt. Diese ist für Erkrankungen, bei denen der Zu-stand der kleinen Gefäße diagnostisch relevant ist (z. B. Vaskulitis)oder bei denen eine interventionelle Therapie geplant oder möglichist, vorbehalten (Tab. 440e-1).Im Allgemeinen ist die MRT zum Nachweis von Läsionen des zen-

tralen Nervensystems (ZNS), insbesondere des Rückenmarks, derHirnnerven und der Strukturen der hinteren Schädelgrube, sensitiverals die CT. Die diffusionsgewichtete MRT (DWI) ist durch Nachweisvon Verminderung der mikroskopischen Bewegungen von Wasser-molekülen die sensitivste Technik in der Diagnostik des akuten ischä-mischen Schlaganfalls von Gehirn und Rückenmark, aber auch hilf-reich im Nachweis von Enzephalitiden, Abszessen oder Prionerkran-kungen. Weil die CT schnell und breit verfügbar ist, kann sie einepragmatische Lösung sein bei der Erstuntersuchung von Patientenmit akuter Bewusstseinsstörung, Schlaganfall-, Blutungsverdacht so-wie bei Schädel-Hirn- und spinalen Verletzungen. Die CT ist emp-findlicher in der Darstellung der feinen knöchernen Details als dieMRT und deshalb indiziert bei der Abklärung der Schallleitungs-schwerhörigkeit sowie bei Läsionen der Schädelbasis und der Kalotte.Die MRT liefert jedoch wichtige diagnostische Informationen zurKnochenmarkinfiltration, die auf CT-Aufnahmen nur schwer zu er-kennen sind.

COMPUTERTOMOGRAFIE& TECHNIKDas Computertomogramm ist ein computerberechnetes anatomi-sches/pathologisches Querschnittsbild, welches durch Absorptions-analyse von Röntgenstrahlen, die unterschiedliche Punkte des Kör-pers passieren, rekonstruiert wird. Während die Strahlenquelle umden Körper des Patienten rotiert, emittiert sie in unterschiedlichenWinkelgraden ein Strahlenbündel. Röntgendetektoren, die sich direktgegenüber der Quelle befinden und in der Regel mitrotieren, erfassendie durch den Körper des Patienten abgeschwächten Röntgenstrahlen.Ein Computer berechnet ein Rückprojektionsbild aus dem meistens360°-Röntgenstrahlabsorptionsprofil. Die Strahlenabsorption hängtvon der physikalischen Dichte einer Substanz ab. Sie ist größer imKnochen (hat höhere „Dichte“ = hyperdens, heller auf dem Bild) undniedriger in Weichteilen und lufthaltigen Strukturen (hat niedrigere„Dichte“ = hypodens, dunkler auf dem Bild). Die Auflösung eines Bil-des ist abhängig von der Strahlendosis, der Schichtdicke, dem Sicht-feld (Field of View; FOV) und der Darstellungsmatrix. Ein modernesCT-Gerät (Mehrschicht-Volumenscanner) kann Bilder mit 0,5–1 mmdünnen Schichten sogar mit einer Auflösung von 0,4 mm in einer Ebe-ne und mit einer Geschwindigkeit von 0,3 s pro Rotation erzeugen. Ei-ne komplette Abtastung des Gehirns ist so in 1–10 Sekunden möglich.

TABELLE 440e-1 Leitlinien zur Anwendung von CT-, Ultraschall- undMRT-Untersuchungen

Erkrankung Empfohlenes Verfahren

Blutung

Akute, parenchymatöse CT, MRT

Subakute/chronische MRT

Subarachnoidale CT, CTA, Lumbalpunktion → Angio-grafie

Aneurysma Angiografie > CTA, MRA

Ischämischer Infarkt

Hämorrhagischer Infarkt CT oder MRT

Blander Infarkt MRT + DWI > CT, CTA, Angiografie

Karotis- oder Vertebralisdissektion MRT/MRA

Vertebrobasiläre Insuffizienz CTA, MRT/MRA

Karotisstenose MRA, CTA > Doppler-Ultraschall

Vermutete Raumforderung

Tumor, primär oder metastatisch MRT ± Kontrastmittel

Entzündung/Abszess MRT ± Kontrastmittel, DWI

Fokale Läsion bei Immunsuppression MRT ± Kontrastmittel

Vaskuläre Malformation MRT ± Angiografie (DSA)

Erkrankungen der weißen Substanz MRT

Entmarkung MRT ± Kontrastmittel

Demenz MRT > CT

Trauma

Akut CT (nativ)

Diffuser axonaler Schaden/chronischeBlutung

MRT + SWI

Kopfschmerz/Migräne MRT

Anfallsleiden

Erster Anfall ohne neurologisches DefizitKomplex-partieller Anfall/therapieresis-tent

CT als Notfalluntersuchung, MRT

MRT ± Kontrastmittel

Hirnnervenausfall MRT ± Kontrastmittel

Meningeale Erkrankung MRT ± Kontrastmittel

Spinale Erkrankungen

Rückenschmerz

Ohne neurologische Zeichen > 6 Wochen nach erfolgloser kon-servativer Therapie MRT oder CT

Mit fokalem Defizit MRT > CT

Spinalkanalstenose MRT oder CT

Zervikale Spondylose MRT, CT, CT-Myelografie

Entzündung MRT ± Kontrastmittel, CT

Myelopathie MRT ± Kontrastmittel

Arteriovenöse Malformation MRT ± Kontrastmittel, Angiografie

Abkürzungen: CT = Computertomografie; CTA = CT-Angiografie; DWI = diffusionsgewichteteMRT; MRA = Magnetresonanzangiografie; MRT = Magnetresonanztomografie; SWI =suszeptibilitätsgewichtete MRT.

440e-1Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Ein Mehrschicht-Computertomograf ist heutzutage Standard in denmeisten radiologischen Abteilungen. Gegenüber der Strahlenquelle be-finden sich multiple Detektorreihen, die während einer einzelnen Ro-tation mehrere Schichten erstellen können (derzeit bis zu 640). DerTisch bewegt sich kontinuierlich durch das ständig rotierende Rönt-genstrahlenfeld, wodurch eine „Spirale“ (Helix) von Informationen re-gistriert wird, aus der Schichten unterschiedlicher Dicke rekonstruiertwerden können. Bei Geräten mit einer Abdeckung von 16 cm ist keineTischbewegung mehr nötig und die Abbildung des Schädels in 640Einzelschichten in einer Rotation möglich. Diese Mehrschicht(Multi-detektor)-Computertomografen haben die Untersuchungszeit weiterreduziert, vermindern die Artefakte durch Patienten- oder Organbe-wegungen und erlauben auch eine Erfassung dynamischer Bilder wäh-rend einer intravenösen Kontrastmittelinjektion, was die Darstellungder Gefäßanatomie und der Durchblutungseigenschaften des Hirnpar-enchyms ermöglicht (Abb. 440e-1B und -C). CTA-Schichten könnenspäter zu einer 3-D-Darstellung, zu Angiogrammartigen Bildern zusam-mengefügt, rekonstruiert werden (Abb. 440e-1C und Abb. 440e-2Eund F, siehe auch Abbildung 446-4). Der Nutzen der CTA für die Dar-stellung der Karotisbifurkation und der intrakraniellen arteriellen undvenösen Anatomie ist bereits bewiesen und spielt bei einem akutenSchlaganfall eine entscheidende Rolle.Oft wird zuvor intravenöses Kontrastmittel injiziert, um Gefäße

oder eine Störung der Blut-Hirn-Schranke (BBB) darzustellen, welchebei Tumoren, Infarkten oder Entzündungen auftreten kann. Im nor-malen ZNS reichern nur Gefäße und Strukturen ohne Blut-Hirn-Schranke (wie Hypophyse, Plexus choroideus oder die Dura) Kon-trastmittel an. Eine Kontrastmittelgabe hilft bei der Differenzierungraumfordernder Prozesse und ist bei der CTA unbedingt notwendig.Eine Kontrastmittelanwendung birgt ein geringes Allergierisiko underhöht die Kosten und kann Blutungen verschleiern, wenn die Unter-suchung ausschließlich nach Kontrastmittelgabe durchgeführt wird.Die Indikation zur Kontrastmittelgabe sollte daher stets sorgfältig ge-stellt werden.

& INDIKATIONENDie Computertomografie ist die Untersuchungsmethode der Wahl beiakuter Bewusstseinsstörung, akut aufgetretener fokaler neurologi-scher Symptomatik, den akuten Schädel-Hirn- und spinalen Trau-men, beim Verdacht auf eine subarachnoidale Blutung (SAB) und beiSchallleitungsschwerhörigkeit (Tab. 440e-1). Die CT ergänzt die MRTbei der Untersuchung von Schädelbasis, Orbita und der knöchernenStrukturen der Wirbelsäule. Beim Letzteren ist die CT hilfreich beider Darstellung der knöchernen Spinalkanalstenose und Spondylose,aber bei Patienten mit neurologischen Ausfällen ist die MRT zu be-vorzugen. Eine CT nach intrathekaler Kontrastmittelgabe lässt dieUntersuchung der intrakraniellen Zisternen z. B. nach Liquorfistel(CT-Zisternografie) oder der spinalen Subarachnoidalräume (CT-Myelografie) zu, wobei ergänzend die intrathekale Gabe von Gadolini-um in Kombination mit der MRT erfolgen kann. Weil es kein für dieintrathekale Gabe zugelassenes Kontrastmittel auf dem Markt gibt,muss der Patient darüber extra aufgeklärt werden.

& KOMPLIKATIONENDie Computertomografie ist sicher, schnell und zuverlässig. DieStrahlenmenge bewegt sich bei einer Standard-Schädel-Untersuchungzwischen 2 und 5 mSv (Millisievert). Bei Kindern sollte man denStrahlenschutz bevorzugt beachten. Besonders nach der Einführungvon zusätzlichen CT-Techniken, Mehrschicht(Multidetektor)-Compu-tertomografen mit der Möglichkeit von CTA (CT-Angiografie) undCT-Perfusion, muss der Nutzen gegen das Risiko durch die erhöhtenStrahlendosen dieser Verfahren abgewogen werden. Moderne Soft-ware ermöglicht durch die Reduktion des Signalrauschens akzeptablediagnostische CT-Aufnahmen bei einer um 30–40 % niedrigerenStrahlendosis.Die häufigsten Komplikationen hängen mit der Applikation des in-

travenösen Kontrastmittels zusammen. Kontrastmittel werden grobin zwei Kategorien unterteilt: die ionischen und die nicht ionischen.Obwohl ionische Kontrastmittel relativ sicher und billig sind, führensie häufiger zu toxischen Reaktionen und Nebenwirkungen als dienicht ionischen. Daher wurden die ionischen Kontrastmittel im Alltagweitgehend von nicht ionischen ersetzt.

A

B

C

Abbildung 440e-1 CT-Angiografie (CTA) bei einem rupturierten Aneurysma derA. communicans anterior. Der Patient erkrankte mit akutem Kopfschmerz. A. Das nativeCT zeigt eine diffuse subarachnoidale Blutung und einen beginnenden Verschlusshydroze-phalus. B. In der axialen MIP (Maximum-Intensitäts-Projektion) des CT-Angiogramms siehtman bereits das Aneurysma im Bereich der A. communicans anterior (Pfeil). C. Die 3-D-Oberflächenrekonstruktion bestätigt das Aneurysma im Bereich der A. communicans an-terior und zeigt seine genaue Lage und seine Beziehung zu den benachbarten Gefäßen(Pfeil). Das 3-D-CTA wurde aus einer 0,5- bis 1-mm-Spiral-CT-Untersuchung währendeiner schnellen intravenösen Kontrastmittel-Bolusinjektion rekonstruiert.

440e-2

Neurologische ErkrankungenTeil 17

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A

D

G

B

E

H

C

F

I

Abbildung 440e-2 Akute linksseitige Hemiparese, verursacht durch Verschluss der rechten A. cerebri media. A. Das Nativ-CT zeigt eine hyperdense rechte A. cerebri media(„dens artery sign“) (Pfeil) mit einer leichten Dichteminderung im rechten Putamen und in der Inselrinde (Pfeilspitzen). B. Die Perfusions-CT demonstriert die verlängerte mittlere Transit-zeit im Versorgungsgebiet der rechten A. cerebri media (Pfeile). C. In der Perfusions-CT mit Verteilung des zerebralen Blutvolumens zeigt sich ein reduziertes CBV in dem in B dar-gestellten, dem Infarkt entsprechenden Defekt (Pfeile). D. Die axiale MIP des CT-Angiogramms in Höhe des Circulus arteriosus Willisii zeigt einen abrupten Abbruch der proximalenrechten A. cerebri media (Pfeil). E. Sagittale Rekonstruktion durch die rechte Karotis. Hypodense, lipidhaltige Plaques (Pfeilspitzen) engen das Lumen der A. carotis interna ein (schwar-zer Pfeil). F. Die 3-D-Oberflächenrekonstruktion von CTA-Bildern (anderer Patient) zeigt Verkalkung und Einengung der A. carotis interna, vereinbar mit einer Atherosklerose. G. Korona-re Maximum-Intensitäts-Projektion in MRA stellt den Verschluss der rechten A. cerebri media dar (Pfeil). H und I. Axiales diffusionsgewichtetes Bild (H) und ADC(Apparent DiffusionCoefficient)-Bild (I) dokumentieren das Vorhandensein eines frischen Infarkts im Mediaterritorium (Pfeile).

440e-3

Bildgebende Diagnostik bei neurologischen Erkrankungen 440e

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Eine Kontrastmittelnephropathie kann Folge von hämodyna-mischen Veränderungen, renaler tubulärer Obstruktion und Zellun-tergang oder immunologischen Reaktionen gegen das Kontrastmittelsein. Ein Anstieg des Serumkreatinins um mindestens 85 μmol/l(1 mg/dl) innerhalb von 48 Stunden nach Kontrastmittelgabe gilt alsHinweis auf eine Kontrastmittelnephropathie, wiewohl zunächst an-dere Ursachen des akuten Nierenversagens ausgeschlossen werdenmüssen. Die Prognose ist in der Regel günstig, wenn der Kreatinin-spiegel innerhalb von 1–2 Wochen auf das Ausgangsniveau sinkt. Ri-sikofaktoren für eine kontrastmittelinduzierte Nephropathie sindfortgeschrittenes Alter (> 80 Jahre), eine vorbestehende Nieren-erkrankung (Serumkreatinin > 2,0 mg/dl), eine Einzelniere, Diabetesmellitus, Dehydratation, Paraproteinämie, die gleichzeitige Anwen-dung von nephrotoxischen Medikamenten oder Chemotherapeutikasowie hohe Kontrastmittelmengen. Diabetiker und Patienten mitleichter Niereninsuffizienz sollten vor Kontrastmittelgabe gut hydriertwerden, vorher sollte man aber die Möglichkeit alternativer bild-gebender Techniken, wie die Magnetresonanztomografie, Computer-tomografie ohne Kontrastmittel und Ultraschall prüfen. Nicht ioni-sche, niedrigosmolare Kontrastmittel verursachen seltener renaleDurchblutungsstörungen und weniger endotheliale Zellschäden alsionische Agenzien, sollten aber bei bekannter Allergie trotzdem vor-sichtig eingesetzt werden. Die errechnete glomeruläre Filtrationsrate(eGFR) ist ein zuverlässigeres Maß der Nierenfunktion als der Serum-spiegel von Kreatinin alleine, da sie Alter, ethnische Herkunft und Ge-schlecht berücksichtigt. In einer Studie wiesen 15 % der ambulantenPatienten mit normalem Serumkreatinin eine errechnete Kreatinin-clearance von maximal 50 ml/min/1,73 m2 auf (normal: ≥ 90 ml/min/1,73 m2). Der eGFR-Wert, der für die Gabe von intravenösemKontrastmittel überschritten werden muss, wird kontrovers beurteilt.Die Gefahr einer Kontrastmittelnephropathie nimmt bei einer eGFR< 60 ml/min/1,73 m2 zu, allerdings wird Kreatinin bei den meistendieser Patienten nur vorübergehend ansteigen. Das Dialyserisiko nacheiner Kontrastmitteluntersuchung nimmt bei einer eGFR < 30 ml/min/1,73 m2 signifikant zu. Somit scheint ein eGFR-Schwellenwertzwischen 60 und 30 ml/min/1,73 m2 angemessen zu sein. Der exakteWert ist jedoch im Grunde willkürlich. Ein Kreatininwert von 1,6 beieinem männlichen 70-jährigen US-Amerikaner nicht afrikanischerAbstammung entspricht einer eGFR von etwa 45 ml/min/1,73 m2.Das American College of Radiology schlägt eine eGFR von 45 ml/min/1,73 m2 als Schwellenwert für den Einsatz jodhaltiger Kontrast-mittel an, unterhalb dessen eine erhöhte Gefahr für eine Kontrastmit-telnephropathie besteht. Ist in diesem Fall eine Kontrastmittelgabeunumgänglich, sollte der Patient gut hydriert und evtl. die Dosis desKontrastmittels reduziert werden. Die Verwendung anderer Substan-zen, wie Bikarbonat und Acetylcystein, kann die Inzidenz der Kon-trastmittelnephropathie reduzieren.

AllergieSofortreaktionen nach der intravenösen Gabe von Kontrastmittelnkönnen durch verschiedene Mechanismen entstehen. Die schwerstenReaktionen hängen mit einer allergischen Hypersensitivität (Anaphy-laxie) zusammen und reichen von leichten Quaddeln bis zu Bron-chospasmen und dem Tod. Die Pathogenese dieser allergischen Reak-tionen ist nicht ganz geklärt, beruht aber vermutlich auf der Freiset-zung von Mediatoren wie Histamin, auf Antikörper-Antigen-Reaktio-nen und Komplementaktivierung. Schwere allergische Reaktionen aufnicht ionische Kontrastmittel treten bei etwa 0,04 % der Patienten auf.Bei der Applikation ionischer Kontrastmittel ist die Rate sechsfachhöher. Risikofaktoren ergeben sich aus einer Vorgeschichte mit bereitsbekannter Kontrastmittelallergie (um den Faktor 5 erhöhtes Risiko),Lebensmittel- und Medikamentenallergien und atopische Erkrankun-gen (Asthma, Heuschnupfen). Der Vorhersagewert der spezifischenAllergien, wie denen gegen Muscheln, der früher als wichtig galt, wirdinzwischen als unzuverlässig eingestuft. Bei Patienten mit bekanntenallergischen Reaktionen sollte alternativ eine Nativ-CT- oder MRT-Untersuchung durchgeführt werden. Wenn auf jodhaltiges Kontrast-mittel nicht verzichtet werden kann, sollten nicht ionische Kontrast-mittel nach Vorbehandlung mit Glukokortikoiden und Antihistamini-ka (H1- und H2-Blocker) verwendet werden (Tab. 440e-2). Patientenmit allergischen Reaktionen auf jodhaltige Kontrastmittel reagierennormalerweise nicht auf die Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrast-mitteln bei der Magnetresonanztomografie, obwohl Patienten mit al-lergischer Vorgeschichte auch vor Gabe eines MR-Kontrastmittels

entsprechend vorbehandelt werden sollten. Nichtsofortreaktionen(> 1 h nach Injektion) sind häufig und hängen vermutlich mit T-Zell-vermittelten Immunreaktionen zusammen. Sie gehen meistens mitUrtikaria einher, können aber auch schwerer ausfallen. Der Auslöserund eine sichere Alternative lassen sich oft nur durch eine Medika-mentenprovokation und eine Hauttestung ermitteln.Andere Nebenwirkungen sind selten und umfassen ein Wärmege-

fühl im gesamten Körper und einen metallischen Geschmack imMund während der intravenösen Gabe eines jodhaltigen Kontrastmit-tels. Die Extravasation von Kontrastmittel ist zwar selten, aberschmerzhaft und kann auch zum Kompartmentsyndrom führen. Indiesem Fall muss ein plastischer Chirurg hinzugezogen werden. Pa-tienten mit klinisch eindeutigen Herzkrankheiten haben oft ein er-höhtes Risiko für Kontrastmittelreaktionen, sodass bei ihnen Volu-men und Osmolalität des Kontrastmittels reduziert werden sollten.Patienten, bei denen wegen einer Schilddrüsenerkrankung oder einesSchilddrüsenkarzinoms eine systemische Radiojodtherapie durch-geführt wird, sollten möglichst keine jodhaltigen Kontrastmittel er-halten, weil sie die Aufnahme des Radiojods in Tumor oder Schild-drüse reduzieren (siehe dazu American College of Radiology Manualon Contrast Media, Version 9, 2013; http://www.acr.org/~/media/ACR/Documents/PDF/QualitySafety/Resources/Contrast%20Manual/2013_ Contrast_Media.pdf).

MAGNETRESONANZTOMOGRAFIE& TECHNIKDie Magnetresonanz ist eine komplexe Interaktion zwischen Pro-tonen in biologischem Gewebe, einem statischen Magnetfeld (Magnetdes MR-Tomografen) und der Energie in Form von Radiowellen einerspezifischen Frequenz, die durch in der Nähe der zu untersuchendenKörperregion platzierte Spulen eingestrahlt werden. Die Bilder entste-hen durch Computerverarbeitung der von den Protonen im Körpererhaltenen Resonanzen. Die Feldstärke des Magneten ist direkt pro-portional zum Signal/Rausch-Verhältnis. Die 1,5-Tesla-Magnetensind heutzutage die Standard-Hochfeld-MR-Geräte, 3- bis 9,4-T-Mag-neten stehen bereits zur Verfügung, welche deutliche Vorteile zeigenbei der Untersuchung des Nervensystems und des muskuloskelettalenSystems. Magnete mit höheren Feldstärken (7-T) und MRT-PET-Kombinationen dürften die Auflösung oder die anatomisch-funktio-nellen Informationen bei verschiedenen Krankheiten verbessern. Dieräumliche Zuordnung vollbringen Gradienten, die den Magneten um-geben, welche im gesamten Untersuchungsbereich leichte Verände-rungen im Magnetfeld übermitteln. Der Energiezustand der Protonenwird vorübergehend durch Anwendung von für die Feldstärke spezi-fischer Radiofrequenz angeregt. Die darauf folgende Rückkehr zu ei-nem Gleichgewichtsenergiezustand der Protonen (Relaxation) setztRF-Energie frei (Echo), die von Spulen empfangen wird. Das Echowird mithilfe der Fourier-Analyse in Informationen umgesetzt, ausdenen das MR-Bild berechnet wird. Das MR-Bild zeigt eine Karte derVerteilung der Protonen und zeigt auch die Unterschiede der Relaxa-tionszeiten (siehe unten) der Protonen in unterschiedlichen Molekü-len. In der klinischen Routine werden die ubiquitären Protonen ge-nutzt, in der Forschung erscheinen aber auch die Natrium- und Koh-lenstoff-Bildgebung und -Spektroskopie aussichtsreich.

T1- und T2-RelaxationszeitenDie Zeit des Zurückschwingens der angeregten Protonen auf dasGleichgewichtsniveau bezeichnet man als Relaxationszeit. Sie ist inden verschiedenen normalen und pathologischen Geweben unter-

TABELLE 440e-2 Prämedikationsrichtlinien für Patienten mitKontrastmittelallergie-Anamnese

12 h vor der Untersuchung:

Prednison 50 mg p.o. oder Methylprednisolon 32 mg p.o.

2 h vor der Untersuchung:

Prednison 50 mg p.o. oder Methylprednisolon 32 mg p.o. und

Ranitidin 150 mg p.o. (H2-Blocker)

Unmittelbar vor der Untersuchung:

H1-Blocker i.v. (alternativ 2 h vor der Untersuchung p.o.)

440e-4

Neurologische ErkrankungenTeil 17

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schiedlich. Die Relaxationszeit (in Millisekunden gemessen) einesProtons in einem Gewebe wird vom umliegenden molekularen Milieuund von benachbarten Atomen beeinflusst. Zwei Relaxationszeiten,die T1 und T2, definieren die Signalintensität im Bild. Die T1-Relaxa-tionszeit ist die Zeit (in Millisekunden gemessen) in der 63 % der Pro-tonen auf ihr Gleichgewichtsniveau zurückkehren, während die T2-Relaxationszeit die Zeit ist, die notwendig ist zur Dephasierung von63 % der Protonen durch die Interaktion zwischen benachbarten Pro-tonen. Die Signalintensität in unterschiedlichem Gewebe und derBildkontrast können durch Veränderung der Akquisitionsparameterwie Intervall zwischen den RF-Pulsen (Repetitionszeit, TR) und derZeit zwischen dem MR-Puls und der Signalauslesung (Echozeit, TE)geändert werden. Die sog. T1-gewichteten Bilder werden so erstellt,dass TR und TE relativ kurz gehalten werden. T2-gewichtete Bilderwerden durch Anwendung längerer TR- und TE-Zeiten erzeugt. Fettund subakute Blutung haben kurze T1-Relaxationszeiten und eine ho-he Signalintensität auf T1-gewichteten Aufnahmen. Wässrige Medienwie Liquor, ödematöses Gewebe haben lange T1- und T2-Relaxati-onszeiten und haben eine niedrige Signalintensität auf T1-gewichte-ten und eine hohe Signalintensität auf T2-gewichteten Bildern(Tab. 440e-3). Die graue Substanz enthält 10–15 % mehr Wasser alsdie weiße, was für einen intrinsischen Kontrast zwischen den beidensorgt (Abb. 440e-4B). Die T2-gewichteten Bilder sind sensitiver fürÖdem, Demyelinisierung, Infarkt und chronische Blutung als T1-Bil-der, die aber empfindlicher sind für subakute Blutungen und für fett-haltige Strukturen.Es existieren viele unterschiedliche MR-Pulssequenzen und alle kön-

nen in unterschiedlichen Ebenen durchgeführt werden (Abb. 440e-2,Abb. 440e-3, Abb. 440e-4). Die Auswahl des geeigneten Unter-suchungsprotokolls, das die klinische Fragestellung am besten beant-worten soll, erfolgt anhand der Vorgeschichte und der klinischen Da-

ten. Die sog. FLAIR(Fluid Attenuated Inversion Recovery)-Sequenz er-stellt T2w-Bilder, bei denen das üblicherweise hohe Signal von Liquorunterdrückt wird (Abb. 440e-4A und -B). Auf FLAIR-Bildern erkenntman deshalb flüssigkeitshaltige Läsionen, besonders solche, die an Li-quorräume grenzen, deutlich besser als auf Standard-Spinechobildern.Suszeptibilitätsgewichtete Sequenzen (SWI), also Gradientenecho-Bil-der, sind empfindlich für magnetische Suszeptibilität, verursacht durchalte Blutreste, Kalk und Luft. Diese Sequenz ist indiziert bei Verdachtauf Mikroblutungen, wie Amyloid, hämorrhagischen Metastasen undthrombotischen Prozessen (Abb. 440e-5C) sowie bei Spätunter-suchungen und Begutachtungen nach Schädel-Hirn-Traumen. DieMR-Bilder können, ohne die Patientenposition zu ändern, in beliebi-gen Ebenen erstellt werden. Alle Ebenen erfordern eine separate Un-tersuchungssequenz, die in der Regel 1–10 Minuten beansprucht. Mitder MRT ist aber auch eine dreidimensionale Volumenuntersuchungmöglich, die erhaltenen Daten eines Volumens können dann auf einerWorkstation in jeder beliebigen Orientierung berechnet werden, wo-mit bestimmte pathologische Prozesse besonders gut hervorgehobenwerden können.

MR-KontrastmittelDas Schwermetall Gadolinium bietet die Basis von fast allen heute zu-gelassenen intravenösen MR-Kontrastmitteln. Gadolinium ist eine pa-ramagnetische Substanz, was bedeutet, dass es die T1- und T2-Relaxa-tionszeiten der nahe gelegenen Protonen reduziert, wodurch sie einhohes Signal in der T1- und ein niedriges in der T2-Wichtung zeigen(das Letztere erfordert eine ausreichende lokale Konzentration, übli-cherweise in Form eines Bolus). Im Gegensatz zu jodhaltigen Kon-trastmitteln hängt der Effekt des MR-Kontrastmittels von der Anwe-senheit lokaler Protonen ab, auf die es wirken muss, um den ge-wünschten Effekt zu erreichen. Es sind verschiedene gadoliniumhaltigeSubstanzen zum Einsatz bei der MRT zugelassen. Sie unterscheidensich durch den Chelatanteil, der auch die Stärke der Chelatierung dessonst toxischen Gadoliniumanteils bestimmt. Das Gadolinium-chela-tierende Trägermolekül lässt sich danach klassifizieren, ob es makro-zyklisch ist oder eine lineare Geometrie aufweist und ob es ionischoder nicht ionisch ist. Die meisten werden renal ausgeschieden. Zykli-sche Substanzen sind stabiler, setzen Gadolinium mit geringerer Wahr-scheinlichkeit frei und gelten daher als am sichersten. In der aktuellenLiteratur wird bei Patienten mit häufiger Anwendung von gadolinium-haltigen Kontrastmitteln über Ablagerung von Gadolinium in Hirnge-webe (z. B. N. dentatus) berichtet. Dies kommt bei makrozyklischen,also stabileren Kontrastmitteln seltener vor. Die klinische Bedeutungdieser Ablagerung ist noch nicht geklärt, trotzdem wird empfohlen,bei der MR-Tomografie makrozyklische Kontrastmittel zu benutzen.

A B

Abbildung 440e-3 Zerebraler Abszess bei einem Patienten mit Fieber und rechtsseitiger Hemiparese. A. Die T1-Wichtung nach Kontrastmittelgabe zeigt eine ringförmigeAnreicherung im linken Frontallappen. B. Das axiale diffusionsgewichtete Bild demonstriert die Diffusionsstörung (hohe Signalintensität) innerhalb der Läsion. Eine Diffusionsstörung indieser Konstellation ist hochgradig verdächtig auf einen zerebralen Abszess.

TABELLE 440e-3 Typische Intensitäten in T1- und T2-gewichtetenMR-Sequenzen

Wichtung TR TE Signalintensität

Liquor Fett Hirn Ödem

T1w Kurz Kurz Niedrig Hoch Niedrig Niedrig

T2w Lang Lang Hoch Niedrig Hoch Hoch

FLAIR (T2) Lang Lang Niedrig Medium Hoch Hoch

Abkürzungen: TE = Zeit zwischen Rf-Puls und Signalauslesung; TR = Zeit zwischen denRadiofrequenz(Rf)-Pulsen; T1w und T2w = T1- und T2-gewichtet.

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Allergische Hypersensitivität Gadolinium ist in einem Chelatkom-plex zu DTPA (Diethylene Triamine Pentaacetic Acid) gebunden,passiert normalerweise die intakte Blut-Hirn-Schranke nicht sofortund verursacht daher nur an Stellen mit gestörter Blut-Hirn-Schran-ke (Abb. 440e-3A) sowie in Arealen ohne Blut-Hirn-Schranke (z. B.in Hypophyse, Dura, Plexus chorioideus) eine Signalverstärkung desGewebes. Das gadoliniumhaltige Kontrastmittel passiert langsam auchdie intakte Blut-Hirn-Schranke, wenn man es über die Zeit appliziert,insbesondere bei reduzierten Nierenfunktionen oder bei Meningitis.Diese Kontrastmittel werden in der Regel gut toleriert; insgesamt liegtdie Häufigkeit der Nebenwirkungen nach der Injektion bei 0,07–2,4 %.Echte allergische Reaktionen sind selten (0,004–0,7 %), wurden aber be-schrieben. Schwere lebensbedrohliche Reaktionen sind extrem selten. Ineinem Bericht traten bei 20 Millionen Anwendungen nur 55 Reaktionenauf. Bei Patienten, die schon einmal auf Gadolinium reagiert haben, tre-ten erneut Reaktionen 8-mal häufiger auf. Weitere Risikofaktoren sindAtopie oder Asthma (3,7 %); wenn keine Kreuzreaktivität mit jodhalti-gem Kontrastmittel besteht, sollte bei bekannter Jodallergie von einemerhöhten Risiko ausgegangen werden. Gadoliniumhaltige Kontrastmit-tel können sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sicher ange-wendet werden, wenn auch es unter einem Alter von 6 Monaten im All-gemeinen vermieden wird. Zu Nierenversagen führt es nicht.

Nephrotoxizität Gadoliniumhaltige Substanzen führen nicht zu ei-nem kontrastinduzierten Nierenversagen. Eine seltene Komplikation,„die nephrogene systemische Fibrose“ (NSF), wurde bei Patienten mitNiereninsuffizienz, die gadoliniumhaltiges Kontrastmittel erhalten ha-ben, beschrieben. Der Beginn von NSF wurde zwischen 5 und 75 Ta-gen nach Kontrastmittelgabe berichtet, histologische Veränderungenbeinhalten die verdickten Kollagenbündel mit angrenzenden Rissen,Mucin-Deposition und Vermehrung der Fibrozyten und elastischenFasern in der Haut. Zusätzlich zu den dermatologischen Symptomengibt es auch andere Manifestationen, wie ausgedehnte Fibrose vonSkelettmuskulatur, Knochen, Lunge, Pleura, Perikard, Myokard, Nie-ren, Testis und Dura. Das American College of Radiology empfiehltvor der Gabe eines gadoliniumhaltigen MRT-Kontrastmittels(GBMCA) bei folgenden Patientenfaktoren eine aktuelle (z. B. letzte 6Wochen) Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR):1. Bekannte Nierenkrankheit (z. B. Einzelniere, Nierentransplantat,Nierentumor)

2. Alter > 60 Jahre3. Bekannte Hypertonie4. Bekannter Diabetes5. Bekannte schwere Lebererkrankung/Lebertransplantation/Wartenauf ein Lebertransplantat: Bei diesen Patienten wird eine GFR-Be-stimmung kurz vor der Durchführung der MRTempfohlen.

B

A

C

Abbildung 440e-4 Herpes-simplex-Enzephalitis bei einem Patienten mit Bewusstseinsstörung und Fieber. A und B. Koronare (A) und axiale (B) T2-gewichtete FLAIR-Sequenzmit hoher Signalintensität und Schwellung im rechten medialen Temporallappen und Inselkortex (Pfeile). C. Die hohe Signalintensität in der Diffusionswichtung zeigt die Diffusionsrestriktionim rechten medialen Temporallappen und im Hippocampus (Pfeile) sowie die geringfügige Beteiligung des linken basalen Temporallappens (Pfeilspitze). Dies entspricht der Zerstörung vonNervenzellen und kommt bei akuten Infarkten sowie bei Enzephalitis und anderen Entzündungen vor. Die PCR-Untersuchung aus dem Liquor bestätigte die Herpes-simplex-Enzephalitis.

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Neurologische ErkrankungenTeil 17

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Die Inzidenz der nephrogenen systemischen Fibrose bei schwererNiereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min/1,73 m2) liegt bei 0,19–4 %.Weitere Risikofaktoren für eine nephrogene systemische Fibrose sindakute Nierenschäden, die Anwendung nicht makrozyklischer Sub-stanzen und wiederholte oder hoch dosierte Expositionen mit Gadoli-nium. Das American College of Radiology Committee on Drugs andContrast Media stellt fest, dass bei dialysepflichtigen Patienten, die ga-doliniumhaltige Substanzen erhalten, bei Patienten mit schwerer oderterminaler Niereninsuffizienz (eGFR < 30 ml/min/1,73 m2) ohne Dia-lyse, bei einer eGFR von 30–40 ml/min/1,73 m2 ohne Dialyse (da dieGFR fluktuieren kann) oder mit bestehender Niereninsuffizienz einRisiko für eine nephrogene systemische Fibrose besteht.

& KOMPLIKATIONEN UND KONTRAINDIKATIONENAus Sicht des Patienten ist eine MR-Untersuchung angsterregenderund fordert eine bessere Kooperation als die Computertomografie.Der Patient liegt auf einem Untersuchungstisch, der in eine lange, en-

ge Röhre innerhalb des Magnetes bewegt wird. Etwa 5 % der Men-schen zeigen eine schwere Klaustrophobie im MR-Gerät. Dies kannmit leichter Sedierung reduziert werden, bleibt aber ein Problem. Dadie Untersuchung 3–10 Minuten pro Sequenz dauert, verursachen Pa-tientenbewegungen während einer Sequenz der ComputertomografieArtefakte in allen Bildern der Sequenz, weshalb nicht kooperative Pa-tienten entweder für die Untersuchung sediert/narkotisiert oder mitCT untersucht werden sollten. Im Allgemeinen müssen Kinder unter10 Jahren häufig sediert werden, um eine komplette MR-Unter-suchung ohne Bewegungsartefakte zu ermöglichen.Die MR-Tomografie wird auch bei hohen Feldstärken als sicher be-

trachtet. Schwere Verletzungen, sogar Todesfälle sind aber durch An-ziehung von ferromagnetischen Objekten in den Magneten möglich,wenn sie zu nahe zum Magneten gelangen und angezogen werden. Indiesen Fällen wirken sie wie Projektile. Dementsprechend könnensich ferromagnetische Implantate, wie alte Aneurysmaclips, im Mag-netfeld drehen und Gefäßverletzungen oder sogar den Tod verursa-

BA

C

Abbildung 440e-5 Suszeptibilitätsgewichtetes Bild (SWI) bei familiären kavernösen Malformationen. A. CT ohne Kontrastmittel mit hyperdenser Läsion im rechten Gyruspraecentralis (Pfeil). B. T2-gewichtetes Fast-Spinecho mit subtilen Läsionen mit geringer Signalintensität (Pfeile). C. Suszeptibilitätsgewichtetes Bild mit zahlreichen Läsionen mit Signal-auslöschungen im Sinne von hämosiderinreichen kavernösen Malformationen (Pfeil).

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Bildgebende Diagnostik bei neurologischen Erkrankungen 440e

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chen. Metallische Fremdkörper im Auge haben sich bewegt und ver-ursachten eine intraokulare Blutung, weshalb bei Metallarbeitern undokularen Fremdkörpern nach Metallfragmenten gesucht werden soll!Implantierte Herzschrittmacher sind im Allgemeinen Kontraindika-tionen für MRT wegen des Risikos von induzierten Arrhythmien,wenn auch neue Herzschrittmacher als sicher erscheinen. Alle medi-zinischen Mitarbeiter und Patienten sollten in dieser Richtung unter-sucht und auch geschult werden, um solche Desaster zu verhindern.Der Magnet ist immer an! Die Tabelle 440e-4 listet die häufigstenKontraindikationen der Kernspintomografie auf.

MAGNETRESONANZANGIOGRAFIEMagnetresonanzangiografie (MRA) ist der Sammelbegriff unter-schiedlicher MR-Techniken, die „gefäßgewichtete“ Bilder erzeugen.Eine native MRA ist in erster Linie eher die Darstellung des Blutflus-ses als der Anatomie. Letztere ist in der konventionellen Angiografiebesser zu erkennen. Auf Routine-Spinecho-Sequenzen weisen sich be-wegende Protonen (z. B. fließendes Blut, Liquorpulsation) komplexeSignale auf, die von hoher bis zu niedriger Signalintensität im Ver-hältnis zum stationären Gewebe reichen können. Schnell fließendesBlut zeigt kein Signal („Flow Void“) auf Routine-T1w- und T2w-Spin-echo-MR-Sequenzen. Langsam fließendes Blut wie in Venen oderhinter arteriellen Stenosen kann mit hohem Signal erscheinen. DurchAnwendung spezieller Pulssequenzen, sog. Gradientenechosequenzen,ist es möglich, die Signalintensität von sich bewegenden Protonen imVergleich zu der niedrigen Hintergrundintensität des stationären Ge-webes zu erhöhen. Dies erzeugt angiografieartige Bilder, welche zurDemonstration der vaskulären Anatomie in drei Ebenen dargestelltund manipuliert werden können.Die „Time-of-Flight“(TOF)-MR-Angiografie beruht auf der Unter-

drückung des Signals des stationären Gewebes, um einen Niedrigsig-nalhintergrund für das hohe Signal des in die Schicht einfließendenBluts zu sichern. Arterielle oder venöse Strukturen können hervor-gehoben werden. Eine typische TOF-Angiografie-Sequenz wird durcheine Serie von anliegenden, dünnen MR-Schichten (0,6-0,9 mm dick)erstellt, welche als Stapel angeschaut und bearbeitet werden können.Diese Schichten ergeben einen Angiografie-Datensatz, aus welchemunterschiedliche Schichtebenen und Winkel nachberechnet und derSichtweise einer konventionellen Angiografie entsprechend demons-triert werden können (Abb. 440e-2G).Eine Phasenkontrastangiografie hat eine längere Akquisitionszeit

und ähnelt in Bezug auf die anatomische Information der TOF-Bild-gebung, sie ist zusätzlich geeignet zur Flussgeschwindigkeit- undFlussrichtungsbestimmung von Blut in einem bestimmten Gefäß(oder auch vom Liquor). Durch die Auswahl unterschiedlicher Bild-gebungsparameter können verschiedene Blutflussgeschwindigkeitenhervorgehoben werden, selektive venöse oder arterielle MRA-Bilderkönnen so erstellt werden. Ein großer Vorteil der Phasenkontrastan-giografie ist die sehr gute Unterdrückung des Signals der Hinter-grundstrukturen.Eine MRA kann man auch während der Infusion eines Kontrast-

mittels erstellen. Die Vorzüge der Methode beinhalten die Verkürzung

der Akquisitionszeit (1–2 min vs. 10 min) und die Minderung derFlussartefakte und die höhere Auflösung der Bilder. Heutzutage ent-wickelt sich die kontrastmittelverstärkte MRA (CE-MRA) zur Stan-darduntersuchung der extrakraniellen Gefäße. Diese Methode be-inhaltet eine schnelle Bildgebung mit Anwendung koronarer dreidi-mensionaler TOF-Sequenzen während der Injektion eines Gadolini-um-DTPA-Bolus. Eine sichere Technik und korrektes Timing derAkquisition in Bezug auf die Bolusankunft sind die kritischen Punktedieser Untersuchung.Die MRA besitzt im Vergleich zur konventionellen Angiografie eine

wesentlich niedrigere räumliche Auflösung, sodass die Darstellungkleiner Gefäße problematisch ist, z. B. bei der Diagnostik von Vaskuli-tiden und peripheren Vasospasmen. MRA ist auch weniger empfind-lich auf langsam fließendes Blut und deshalb entstehen Probleme inder Unterscheidung der kompletten Verschlüsse von Pseudookklusio-nen. Bewegung – entweder des Patienten oder der anatomischenStrukturen – kann die MRA-Bilder verzerren und Artefakte verursa-chen. Unabhängig von diesen Einschränkungen wird die MRA in derAbklärung der extrakraniellen Karotis- und Vertebraliszirkulation,aber auch der großkalibrigen intrakraniellen Arterien und der dura-len Sinus, erfolgreich genutzt. Sie zeigt sich auch in der nicht invasi-ven Abklärung von intrakraniellen Aneurysmen und vaskulären Mal-formationen nützlich.

ECHOPLANARE MR-BILDGEBUNGVerbesserungen der Gradienten, der Software und leistungsfähigereComputer erlauben extrem schnelle MR-Darstellungen des Gehirns.Bei Echoplanar-Imaging (EPI) werden die Gradienten sehr schnellein- und ausgeschaltet, um die zur Bildgebung notwendigen Informa-tionen zu erreichen. Bei einer Routine-Spinecho-Sequenz erhält manin 5–10 Minuten die Bilder vom Gehirn. Mit EPI werden alle Infor-mationen, die man für die Berechnung eines Bildes braucht, in Milli-sekunden gesammelt. Die Information für das gesamte Gehirn erhältman in 1–2 Minuten, abhängig von der notwendigen oder gewünsch-ten Auflösung. Schnelle MR-Bildgebung vermindert die Kontaminati-on der Bilder mit Patienten- oder Organbewegungen und bildet dieGrundlage der Perfusionsbildgebung während der Kontrastmittel-injektion und Bewegungsstudien. Außerdem werden EPI-Sequenzenauch zur Diffusionsbildgebung und Traktografie, zur fMRI und fürStudien mit arterieller Spinmarkierung eingesetzt (Abb. 440e-2H,Abb. 440e-3, Abb. 440e-4C, Abb. 440e-6, siehe auch Abbil-dung 446-16).Perfusions- und Diffusionsbildgebung sind EPI-Techniken, welche

in der frühen Erkennung der zerebralen Ischämien nützlich sind. Diebeiden gemeinsam angewendet zeigen das infarzierte Gewebe, aberauch die potenziell noch lebensfähigen Regionen („tissue at risk“, sog.Penumbra). Die Diffusionsbildgebung (DWI oder DW-MRT) erfasstmikroskopische Bewegungen von Wassermolekülen. Eine Bewegungs-restriktion erscheint als eine relative hohe Signalintensität auf diffusi-onsgewichteten Bildern. Im infarzierten Gewebe ist die Bewegungvon Wasser in den Zellen und im Interstitium reduziert, sodass einhohes Signal im DW-MRT entsteht. DW-MRT ist die sensitivste Me-thode, einen akuten zerebralen Infarkt (< 7 Tage alt) darzustellen(Abb. 440e-2H), ist aber auch sensitiv zum Nachweis von absterben-dem oder abgestorbenem Hirngewebe aufgrund einer Enzephalitisoder einer Abszessbildung (Abb. 440e-3B).Die Perfusions-MRT beinhaltet die Akquisition von EPI-Bildern

während eines schnellen intravenösen Gadolinium-Kontrastmittel-bolus. Das relative zerebrale Blutvolumen (CBV), die mittlere Transit-zeit (Mean Transit Time = MTT) und der zerebrale Blutfluss (CBF)können in beliebigen Arealen (ROIs) berechnet werden. Eine Verspä-tung in der mittleren Transitzeit und eine Absenkung des zerebralenBlutvolumens und des zerebralen Flusses findet man typischerweisebei Infarkten. Erhöhtes oder normales zerebrales Blutvolumen in Ver-bindung mit reduzierter Durchblutung (CBF) und verlängerter MTTzeigt, dass das Areal durch Kollateralen versorgt wird und markiert in-farktgefährdetes Hirngewebe. Die pMRT-Bildgebung kann man auchbei der Unterscheidung von intraaxialen Hirntumoren, deren Blut-Hirn-Schranke relativ intakt ist, und extraaxialen Tumoren oder Me-tastasen mit relativ stärker durchlässiger Blut-Hirn-Schranke nutzen.Die Traktografie (Diffusion Tensor Imaging, DTI) ist eine spezielle

Diffusionstechnik, welche die Richtung der mikroskopischen Wasser-bewegungen entlang der Bahnen der weißen Substanz erfasst. DieseTechnik besitzt ein großes Potenzial bei der Beurteilung der Hirnent-

TABELLE 440e-4 Die häufigsten Kontraindikationen der MRT

Kardialer Schrittmacher oder permanente Schrittmacherkabel

Interner Defibrillator

Kochleaimplantat (relativ)

Rückenmarkstimulator

Elektronische Infusionspumpen

Alte Aneurysmaclips

Okuläre Implantate (einige) oder metallische orbitale Fremdkörper

McGee-Stapedektomie-Prothese (relativ)

Duraphase-Penisimplantat (relativ)

Swan-Ganz-Katheter

Magnetische, magnetisierbare (in der Regel eisenhaltige) Implantate aller Art

Tätowierung (relativ) (enthält ferromagnetisches Material und kann die Hautirritieren, Verbrennungsgefahr)

Anmerkung: Siehe auch: www.mrisafety.com.

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Neurologische ErkrankungenTeil 17

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wicklung und bei Erkrankungen, die Integrität der weißen Substanzgefährden. Sie hat sich bei der Untersuchung der subkortikalen wei-ßen Substanzarchitektur vor hirnchirurgischen Eingriffen als nützli-ches erwiesen (Abb. 440e-6).Die fMRT des Gehirns ist eine EPI-Technik, welche die durch Auf-

gaben hervorgerufene oder spontane Hirnaktivität über durchblu-tungsabhängige Begleitphänomene räumlich den relevanten Hirn-regionen zuordnet. Die neuronale Aktivität ruft eine Erhöhung derVersorgung eines spezifischen Areals mit oxygeniertem Blut hervor,was in einer leichten Änderung im Gleichgewicht von Oxyhämoglo-bin und Deoxyhämoglobin resultiert, was zu einer geringfügigen Sig-nalintensitätserhöhung in den drainierenden Venen und lokalen Ka-pillaren führt. Die weitere Forschung wird klären, welche dieser Tech-niken klinisch nützlich oder kosteneffektiv ist. Zurzeit ist bereits einepräoperative Lokalisation des sensomotorischen, visuellen und auditi-ven Kortex sowie von Spracharealen möglich. Die Methode ist beson-ders nützlich für Neurowissenschaftler, die sich für die Untersuchungder Lokalisation unterschiedlicher Hirnfunktionen interessieren.

ARTERIELLE SPINMARKIERUNGDie arterielle Spinmarkierung ist ein quantitatives nicht invasivesMR-Verfahren, das die zerebrale Durchblutung misst. Das den Halsdurchquerende Blut wird mit einem MR-Puls markiert und dannnach kurzer Verzögerung im Gehirn dargestellt. Das Signal im Gehirnspiegelt den Blutfluss wider. Die arterielle Spinmarkierung ist beson-ders wichtig für Patienten mit Niereninsuffizienz sowie für pädiatri-sche Patienten, bei denen der Einsatz von radioaktiven Markern oderexogenen Kontrastmitteln kontraindiziert ist. Eine erhöhte zerebraleDurchblutung lässt sich leichter darstellen als ein reduzierter Blut-fluss, der gelegentlich schwer quantifizierbar ist. Außerdem hat sichdiese Technik beim Nachweis arteriovenöser Shunts in arteriovenösenMalformationen und arteriovenösen Fisteln bewährt.

MAGNETRESONANZNEUROGRAFIEMR-Neurografie ist eine vielversprechende T2-gewichtete MR-Tech-nik für die Darstellung des erhöhten Signals in gereizten, entzündetenoder infiltrierten peripheren Nerven. Diese Bilder werden mithilfevon fettunterdrückten FAST-Spinecho-Sequenzen oder mithilfe vonkurzen Inversion-Recovery-Sequenzen erstellt. Gereizte oder infil-trierte Nerven zeigen sich durch ein hohes Signal in der T2-Wich-tung. Dieses Verfahren ist bei Patienten mit einer Radikulopathie in-diziert, die im konventionellen MRT der Wirbelsäule normale Befun-de haben, sowie bei Verdacht auf eine Kompression oder ein Traumaperipherer Nerven.

POSITRONEN-EMISSIONSTOMOGRAFIE (PET)Die PET beruht auf dem Nachweis von Positronen, die während desZerfalls eines intravenös injizierten Radionukleids frei werden. Meis-tens wird 2-[18F]fluoro-2-deoxy-D-Glukose (FDG) verwendet, einGlukoseanalogon, das von Zellen kompetitiv mit 2-Deoxyglukose auf-genommen wird. Nach 45–60 Minuten kann man zahlreiche Bilderüber die Glukoseaufnahmeaktivität erhalten. Es zeigen sich Unter-schiede in der regionalen Glukoseaktivität zwischen normalen undpathologischen Hirnstrukturen. Verminderte FDG-Aktivität in denParietallappen ist mit der Alzheimer-Krankheit assoziiert, ein Befund,der einfach nur eine Atrophie widerspiegeln könnte, der im späterenStadium auftritt. Die FDG-PETwird in erster Linie bei der Suche vonextrakraniellen Metastasen angewendet. Die kombinierten PET-CT-Geräte liefern CT und PET in einer Sitzung und haben die einfachenPET-Geräte für die meisten Indikationen abgelöst. PET-MR-Tomo-grafen wurden entwickelt und könnten sich bei der Darstellung desGehirns und anderer Organe ohne die mit der CT verbundene Strah-lenexposition als hilfreich erweisen. Vor kurzem wurden weitere PET-Liganden entwickelt, darunter Amyloidtracer wie Pittsburgh Com-pound B (PIB) und 18-F AV-45 (Florbetapir) sowie tau-PET-Tracerwie 18F-T807 und T808. Studien haben bei Patienten mit Alzheimer-Krankheit eine stärkere Amyloidablagerung gezeigt als bei Patientenmit leichter kognitiver Einschränkung und gesunden Kontrollen. Al-lerdings zeigen auch 25 % der kognitiv „normalen“ Patienten Ver-änderungen in der Amyloid-PET-Bildgebung. Die könnte einen sub-klinischen Krankheitsprozess oder eine Variation des Normalen wi-derspiegeln. Die Tau-Bildgebung ist spezifischer für die Alzheimer-Krankheit, klinische Studien laufen.

MYELOGRAFIE& TECHNIKEine Myelografie beinhaltet die intrathekale Instillation eines speziellenwasserlöslichen jodhaltigen Kontrastmittels in den lumbalen oder zer-vikalen Subarachnoidalraum. Nach der Myelografie wird in der Regelauch eine Computertomografie durchgeführt (CT-Myelografie), umdas Myelon, die Wurzeln, besser darzustellen, welche als Füllungsdefek-te in dem kontrastierten Subarachnoidalraum dargestellt werden. Nied-rigdosis-CT-Myelografie, bei welcher nach subarachnoidaler Injektioneiner geringen Menge verdünnten Kontrastmittels eine Computertomo-grafie durchgeführt wird, hat die konventionelle Myelografie in vielenIndikationen ersetzt. Hierbei reduzieren sich die Strahlenbelastung unddie Kontrastmittelmenge deutlich. Die neuen Multidetektor-Scanner er-lauben eine sehr schnelle CT-Untersuchung, die nachfolgenden Rekon-

Abbildung 440e-6 Diffusionstraktografie bei zerebralem Gliom. Assoziationsbahnen und absteigende Bahnen beim Gesunden (A) und bei einem Patienten mit einem Glioblas-tom im Parietallappen (B) mit Sprachstörungen: Der Tumor unterbricht den Arcuatum-SLF-Komplex, insbesondere im vorderen Bereich (SLF III). Ebenfalls gezeigt sind der bilateraleTractus opticus und die linke Sehbahn beim Gesunden (C) und einem Patienten mit einem Oligoastrozytom Grad II im linken Hinterhauptslappen (D): Der Tumor unterbricht die linkeSehbahn. Darstellung in neurologischer Orientierung, d. h., die linke Hirnhälfte befindet sich in der linken Bildhälfte. AF = langes Segment des Fasciculus arcuatus; CST = Tractuscorticospinalis; IFOF = Fasciculus frontooccipitalis inferior fascicle; ILF = Fasciculus longitudinalis inferior; SLF III = Fasciculus longitudinalis superior III oder anteriores Segment desFasciculus arcuatus; SLF-tp = temporoparietaler Anteil des Fasciculus longitudinalis superior oder posteriores Segment des Fasciculus arcuatus; UF = Fasciculus uncinatus. (Mit frdl.Genehmigung von Eduardo Caverzasi und Roland Henry.)

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Bildgebende Diagnostik bei neurologischen Erkrankungen 440e

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struktionen in sagittalen und koronaren Ebenen – den Projektionen inder traditionellen Myelografie entsprechend – sind bereits Routine.

& INDIKATIONENDie konventionelle Myelografie wurde von der CT-Myelografie undMRT für die Diagnose der Erkrankung des Myelons und des Spinal-kanals weitgehend ersetzt (Tab. 440e-1). Die verbliebenen Indikatio-nen für eine konventionelle Myelografie umfassen die Untersuchungbei Verdacht auf meningeale oder arachnoidale Zysten sowie die Lo-kalisation spinaler Liquorfisteln. Die konventionelle Myelografie undCT-Myelografie liefern die genauesten Informationen bei Patientenmit vorausgegangenen Wirbelfusionen und spinalen Osteosynthesen.Der wichtigste Vorteil der Myelografie ist es, dass man mit der Me-thode entgegen der CT oder MRT beim Verdacht auf eine spinale In-stabilität funktionelle Untersuchungen (Aufnahmen in Ante- und Re-troflexion) und dies auch beim stehenden Patienten durchführenkann.

& KONTRAINDIKATIONENDie Myelografie ist relativ sicher, sollte aber bei Patienten mit erhöh-tem intrakraniellem Druck oder mit allergischer Reaktion auf intra-thekales Kontrastmittel in der Vorgeschichte nur mit Vorsicht durch-geführt werden. Bei Patienten mit einem vermuteten spinalen Stoppist die Kernspintomografie die Methode der Wahl. Wenn eine Myelo-grafie notwendig ist, sollte man nur eine geringe Menge Kontrastmit-tel unterhalb der Läsion injizieren, um das Risiko einer neurologi-schen Verschlechterung so niedrig wie möglich zu halten. Eine Lum-balpunktion sollte bei Patienten mit Gerinnungsstörungen oder unterAntikoagulanzientherapie, aber auch bei Infektionen der darüber lie-genden Weichgewebe vermieden werden (Kap. 443e).

& KOMPLIKATIONENDie häufigste Komplikation der Myelografie sind Kopfschmerzen, diebei 5–30 % der Patienten auftreten. Übelkeit und Erbrechen tretenselten auf. Posturale Kopfschmerzen (postpunktionelle Kopfschmer-zen) werden allgemein durch den prolongierten Liquorverlust durchdie Punktionsstelle erklärt, was zu einem Liquorunterdrucksyndromführt. Eine höhere Inzidenz findet sich bei jüngeren Frauen und beimEinsatz schneidender Spinalnadeln mit großem Durchmesser. Wennein deutlicher Kopfschmerz länger als 48 Stunden besteht, ist die In-jektion eines epiduralen Blutklots indiziert. Die Behandlung despostpunktionellen Kopfschmerzes wird in Kapitel 21 besprochen.Eine vasovagale Synkope kann während einer Lumbalpunktion auftre-ten und wird durch die aufrechte Position des Patienten während derlumbalen Myelografie akzentuiert. Eine adäquate Hydrierung vor undnach der Myelografie und die Anwendung dünner „atraumatischer“Punktionskanülen (Sprotte-Nadel) senkt die Häufigkeit dieser Kom-plikation und der postpunktionellen Beschwerden.Ein Hörsturz ist eine seltene Komplikation der Myelografie. Ursa-

che dafür ist ein direkt toxischer Effekt des Kontrastmittels oder eineStörung des Druckausgleichs zwischen Liquor und Perilymphe im In-nenohr. Die versehentliche Rückenmarkpunktion ist eine seltene, aberernsthafte Komplikation der zervikalen (C1–C2) und der hohenLumbalpunktion. Das Risiko, das Myelon zu punktieren, ist am größ-ten bei einer Spinalkanalstenose, Chiari-Malformation oder bei Zu-ständen mit reduziertem Liquorvolumen. In diesen Fällen ist dieniedrig dosierte lumbale Injektion mit nachfolgender Dünnschicht-CToder die MRT die sichere Alternative zur zervikalen Punktion. Mitheutigen Kontrastmitteln und Geräten ist eine zervikale Punktionpraktisch nicht mehr notwendig. Reaktionen auf intrathekale Kon-trastmittelgabe sind selten, sie können aber als aseptische Meningitisund Enzephalopathie auftreten. Letztere ist in der Regel dosisabhän-gig und mit dem in den intrakraniellen Subarachnoidalraum gelang-ten Kontrastmittel assoziiert. Krampfanfälle treten bei 0,1–0,3 % derPatienten nach einer Myelografie auf. Risikofaktoren sind eine vor-bestehende Epilepsie und die Anwendung von Gesamtjoddosen über4500 mg. In diesen Fällen ist eine Anfallsprophylaxe sinnvoll. Anderebeschriebene Symptome schließen Hyperthermie, Halluzinationen,Depression und Angstzustände ein. Diese Nebenwirkungen sinddurch die Entwicklung von nicht ionischen, wasserlöslichen, isotonenKontrastmitteln deutlich geringer geworden. Genauso können Kopf-hochlagerung und großzügige Hydrierung nach einer Myelografiehelfen.

SPINALE INTERVENTIONEN& DISKOGRAFIEDie Untersuchung von Rückenschmerzen und Radikulopathie kön-nen diagnostische Prozeduren notwendig machen, die versuchen, ent-weder die Schmerzen des Patienten zu reproduzieren oder zu lindernund damit Hinweise auf die Ursache zu liefern. Die heute nur nochextrem selten durchgeführte Diskografie beinhaltet die Punktion einerBandscheibe mit einer 22- bis 25-Gauge-Nadel und die nachfolgendeInjektion von 1–3 ml Kontrastmittel. Der intradiskale Druck wirdauch gemessen, ebenso die Antwort des Patienten auf die Kontrast-mittelinjektion beachtet. Bei einer normalen Bandscheibe entsteht ty-pischerweise kein oder höchstens ein leichter lokaler Schmerz wäh-rend der Injektion, in welche man auch bei hohen Drücken von 415–690 kPa (4–6,8 at) höchstens 1 ml einbringen kann. Im pathologi-schen Fall lassen sich die üblichen radikulären Schmerzen provozie-ren, bzw. reproduzieren. Die Prozedur kann unter CT- oder Durch-leuchtungsbedingungen durchgeführt werden. Möglicherweise be-schleunigt die Diskografie die Bandscheibendegeneration.

& SELEKTIVE NERVENWURZEL- UND EPIDURALE SPINALE INJEKTIONENPerkutane selektive Nervenwurzel- und epidurale Blockaden mit Glu-kokortikoid- und Betäubungsmittelmischung können aus therapeuti-schen, aber auch aus diagnostischen Gründen durchgeführt werden.Typischerweise injiziert man 1–2 ml von einer gleichteiligen Mi-schung von einem lange wirkenden Glukokortikoid wie Betametha-son oder Triamcinolonacetonid und einem lange wirkenden Anästhe-tikum wie Bupivacain 0,5 % unter CT- oder Durchleuchtungskontrol-le in den intraspinalen Epiduralraum oder direkt in die Nähe einerNervenwurzel.

ANGIOGRAFIE& TECHNIKDie Katheterangiografie ist indiziert zur Abklärung von Patienten mitvaskulären Erkrankungen, insbesondere der kleinen intrakraniellenGefäße (wie Vaskulitis), zur Erfassung vaskulärer Malformationenund Aneurysmen sowie bei endovaskulären therapeutischen Eingrif-fen (Tab. 440e-1). Die invasive diagnostische Angiografie wurde fürviele Indikationen von CT/CTA oder MRT/MRA abgelöst.Sie birgt allerdings das größte Morbiditätsrisiko von allen diagnos-

tischen radiologischen Verfahren, da ein Katheter in das Blutgefäßeingeführt und in die gewünschte Lokalisation vorgeschoben wird,Kontrastmittel zur Darstellung des Gefäßes injiziert und zum Schlussder Katheter mit Erreichen einer Hämostase entfernt werden muss.Therapeutische Katheterverfahren (siehe unten) sind wichtige Optio-nen für die Behandlung mehrerer zerebrovaskulärer Erkrankungengeworden. Die Entscheidung, eine diagnostische oder therapeutischeAngiografie vorzunehmen, verlangt eine sorgfältige Abwägung vonNutzen und Risiko des Eingriffs.Um die Toleranz gegenüber Kontrastmittel zu verbessern, empfiehlt

sich, die Patienten vor und nach der Angiografie gut zu hydrieren. Dader Zugang meistens über die Femoralarterie erfolgt, muss die A. fe-moralis nach dem Eingriff komprimiert werden, um Hämatome zuverhindern. Die Punktionsstelle und der distale Puls sollen nach demEingriff sorgfältig kontrolliert werden, um Komplikationen wie Ober-schenkelhämatome oder distale Embolien nicht zu übersehen.

& KOMPLIKATIONENDie Punktion der A. femoralis erlaubt den retrograden Zugang überdie Aorta zum Aortenbogen und zu den großen hirnzuführenden Ge-fäßen. Die am meisten gefürchtete Komplikation einer zerebralen An-giografie ist ein Schlaganfall. An oder in der Katheterspitze kann sichein Thrombus bilden oder ein Thrombus oder eine atherosklerotischePlaque kann durch den Katheter, den Führungsdraht oder durch denInjektionsdruck von der Gefäßwand gelöst und in distale zerebraleGefäßabschnitte eingeschwemmt werden. Zu den Risikofaktoren fürischämische Komplikationen gehören eine zu geringe Erfahrung desUntersuchers, Atherosklerose, Vasospasmen, kardiale Insuffizienz, ei-ne verringerte Kapazität der Sauerstoffträger, fortgeschrittenes Alterund vielleicht auch eine Migräne. Das Risiko für neurologische Kom-plikationen lag früher bei etwa 4 % für eine transitorische ischä-mische Attacke, bei 1 % für bleibende Ausfälle; tödliche Ausgänge tra-ten in den seltensten Fällen auf.

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Neurologische ErkrankungenTeil 17

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.

Das ionische Kontrastmittel, das in die zerebralen Gefäße injiziertwird, kann neurotoxisch wirken, wenn die Blut-Hirn-Schranke entwe-der in Folge einer Grunderkrankung oder der Injektion eines hyper-osmolaren Kontrastmittels durchbrochen wird. Ionische Kontrastmit-tel werden weniger gut toleriert als die nicht ionischen, vermutlich,weil sie die zellulären elektrischen Membranpotenziale verändernkönnen. Patienten mit einer Megadolichobasilaris können aufgrundder langsamen Strömung des Kontrastmittels und der daraus folgen-den verlängerten Exposition der Hirnsubstanz eine reversible Hirn-stammdysfunktion und einen akuten Gedächtnisverlust während derAngiografie erleiden. Selten rupturiert ein intrakranielles Aneurysmawährend einer Kontrastmittelinjektion. Der durch die Injektion her-vorgerufene, höhere Druck könnte die Ursache sein.

& SPINALE ANGIOGRAFIEEine spinale Angiografie kann zur Einschätzung von vaskulären Mal-formationen und Tumoren sowie zur Identifikation der Adamkie-wicz-Arterie (A. radicularis magna) (Kap. 456) vor einer Aorten-aneurysma-Operation indiziert sein. Die Untersuchung kann langedauern und erfordert relativ große Kontrastmittelmengen. Die Inzi-denz von ernsten Komplikationen, inklusive einer Paraparese, Ver-schwommensehen oder Sprachstörungen, liegt unter der Häufigkeitvon Komplikationen der zerebralen Angiografie. Die kontrastverstärk-te Magnetresonanzangiografie wurde bereits bei diesen Fällen häufigerfolgreich angewendet und scheint für bestimmte Indikationen viel-versprechend die diagnostische spinale Angiografie zu ersetzen.

INTERVENTIONELLE NEURORADIOLOGIEDieses sich schnell entwickelnde Gebiet hält für Patienten mit neuro-vaskulären Erkrankungen neue therapeutische Optionen bereit. Diezur Verfügung stehenden Methoden umfassen die Ausschaltung vonAneurysmen mit ablösbaren Coils, die Embolisation von arteriove-nösen Malformationen flüssigen Materialien (Kleber), Stententnah-mesysteme zur Embolektomie, die Ballonangioplastie und Stenteinla-ge in Stenosen von Arterien, Dilatation oder lokale Anwendung von

Spasmolytika bei Vasospasmen, transarterielle und/oder transvenöseEmbolisation von duralen Fisteln, Ballon- oder Coilembolisation,oder Stenting von Carotis-cavernosus- und Vertebralisfisteln, endo-vaskuläre Therapie der V. magna Galeni-Malformationen, präoperati-ve Embolisation von Tumoren sowie die lokale Thrombolyse von aku-ten arteriellen und venösen Thrombosen. Viele dieser Erkrankungenbedeuten für den Patienten ein hohes Risiko hinsichtlich zerebralerBlutungen, Schlaganfällen oder Tod. Die neueste Entwicklung auf die-sem Gebiet ist die mechanische Rekanalisation von akuten intrakra-niellen Gefäßverschlüssen mithilfe sogenannter „Stentriever“. Es ge-lingt dabei, einen Karotis-T- oder einen Media-Verschluss innerhalbvon wenigen Minuten mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90 % zurekanalisieren. Die Methode ist indiziert in ca. 10–15 % der Schlag-anfälle und anhand von vor kurzem publizierten Studien ist sie hoch-signifikant die beste Therapie der intrakraniellen „Großgefäßver-schlüsse“.Die höchsten Komplikationsraten fand man bei der Behandlung

von Hochrisikoerkrankungen. Die Einführung der ablösbaren Coilshat eine neue Ära in der Behandlung von zerebralen Aneurysmeneingeleitet. Zwei große, randomisierten Untersuchungen fanden beider Behandlung der frisch gebluteten Aneurysmen mit ablösbarenCoils eine deutliche Absenkung der Morbidität und Mortalität nacheinem Jahr im Vergleich zum neurochirurgischen Clipping. In denmeisten großen Zentren entwickelte sich die Intervention zur Stan-dardtherapie für die meisten Aneurysmen.Die mechanische Thrombektomie leitete eine neue Ära bei der Be-

handlung des akuten Schlaganfalles ein. Zahlreiche Studien haben be-wiesen, dass die Methode signifikant bessere Ergebnisse liefert als diebisherige Standardbehandlung, die systemische (i.v.) Lysetherapie.

WEITERFÜHRENDE LITERATURSARDAR P, CHATTERJEE S, GIRI J et al: Endovascular therapy for acuteischaemic stroke: a systematic review and meta-analysis of rando-mized trials. Eur Heart J 36(35):2373–80, 2015

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Bildgebende Diagnostik bei neurologischen Erkrankungen 440e

Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-940615-50-3), © 2016 ABW Wissenschaftsverlag Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! All rights reserved. Usage subject to terms and conditions of license.