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1 Türkheimer Heimatblätter Gegründet 1971 von Hans Ruf hrsg. von Alois Epple und Ludwig Seitz Türkheim 2014 Heft 87 Vorbemerkung Schon mehrmals wurden in den Türkheimer Heimatblättern „Türkheimer Dichter“ vorgestellt. Ziel ist es, eine „Türkheimer Anthologieentstehen zu lassen. Wer also selber schreibt oder dichtet, der sei hier herzlich eingeladen, etwas im Heimatblatt zu veröffentlichen. Es gab Türkheimer, die sich als Originale ausgaben und bei denen die Dichterlesungen im Advent in Stress ausarteten. Dann gab es bescheidene „Dichter“, die in Muse dichteten und diese Produkte im kleinen Bekanntenkreis vorlasen. In diesem Heft werden die Gedichte von jemand vorgestellt, welcher in Türkheim 1999 verstarb und dessen Gedichte wohl noch niemand hörte, obwohl ihre romantische Melancholie es rechtfertigt, dass sie veröffentlicht werden. Er war also kein Studierter, auch kein Handwerksmeister, sondern ein wandernder Maurer. Wir wollen ihm hier ein kleines literarisches Denkmal setzen. Vor 100 Jahren wurde in Türkheim eine AOK gegründet. Aus diesem Anlass bringt die AOK Memmingen eine Chronik heraus, welche auch die Geschichte der Türkheimer AOK enthält. Hier soll deshalb nur mit wenigen Bildern daran erinnert werden. Zur Vorbereitung der Memminger Chronik wurde im Staatsarchiv Augsburg eine Aufstellung über die Dienstboten in den Gemeinden des Distrikts Mindelheim und Türkheim gefunden. Da es im ganzen Landkreis Unterallgäu, trotz mehrerer Heimatpfleger, keine regelmäßig erscheinende Publikation über die Heimatgeschichte gibt außer dieser Heimatblätter -, so wird diese Tabelle, welche den ganzen Altlandkreis betrifft, hier veröffentlicht. ____________________________________________________ In den letzten 25 Jahren erschien eine fünfteilige Geschichte von Türkheim und Irsingen. (Es wäre sinnvoll, diese Buchreihe fortzuführen. So wären die Naturgeschichte oder die Flurgeschichte noch lohnende Themen.) Durch einzelne Beiträge in den Türkheimer Heimatblättern soll das in diesen Büchern vorgegebene Raster ausgefüllt werden. So wird in diesem Heimatblatt genauer über die Türkheimer Benefiziaten berichtet. Es ist uns bewusst, dass dieses Thema der breiten Leserschaft schwer zugänglich ist und wohl von manchem überblättert wird. Das Heimatblatt möchte aber auch der Geschichtsforschung Material zur Verfügung stellen. Die Reihe „Türkheim im Dritten Reich“ soll, trotz weniger Kritik, fortgeführt werden. Auch andere Reihen verdienen eine Fortsetzung. Besonders wichtig erscheint uns, immer wieder „Alte Häuser“ vorzustellen und zu erwähnen, auch wenn sie schon abgerissen sind. Vielleicht schärft dies bei manchem Leser das Bewusstsein der Schönheit und Historität von alten Häusern und dass ihr Abriss ein Verlust von Heimat bedeutet. Immer wieder findet man zu einem soeben behandelten Thema neues Material. So sind die „Ergänzungen“ zu hier schon vorgestellten Themen wieder recht lang geworden. Eine Aufgabe dieses Heimatblattes ist auch, alte Fotos abzudrucken, bevor sie endgültig verloren gehen. Auch SW-Fotos müssen, wegen der verschiedenen Grautöne, farbig kopiert werden. Dies macht die Heimatblätter, die sich selbst tragen müssen, relativ teuer. Trotzdem wissen wir, dass uns eine interessierte Leserschaft die Treue halten wird, so lange wir es noch machen können. _________________________________________ 100 Jahre AOK in Türkheim 1 Am 1. Januar 1914 wurde in Türkheim eine AOK gegründet. Heute gehört sie zur AOK Memmingen. Dieses Jubiläum feiert die AOK Memmingen mit einer kleinen Festschrift. Spezielles und Ergänzen- des zur AOK Türkheim sei hier veröffentlicht. 2 1 Türkheimer Anzeiger vom 6.11.1914, 1.4.1915, 24.12.1915, 8.4.1916, 10.6.1916, 14.6.1916, 8.7.1916, 13.8.1916, 24. 12. 1916, 30.4.1917, 27.7.1917, 30.6.1918 2 Vgl. auch Epple, Alois: Türkheim im 20. Jh., Türkheim 2005, S. 73 Am 17. Februar 1913 beschließt der erweiterte Bezirksrat des Bezirksamtes Mindelheim, zum Vollzug der Reichsversicherungsordnung im Markt Türkheim eine AOK zu errichten. Sieben Stimmen waren dafür (darunter der Türkheimer Bürger- meister Josef Wiedemann und der Pfarrer Georg Westner), eine Stimme, nämlich die von Fidel Kreuzer aus Wörishofen, war dagegen. Dieser beantragt zunächst in die Würdigung der Frage einzutreten, ob für Wörishofen eine eigene Ortskrankenkasse zu errichten sei und zu diesem Zweck die erforderlichen Erhebungen zu pflegen. Nach diesem Beschluss wurden die Bedarfszahlen erhoben (vgl. Artikel: Zentrale Orte). Am 20. März

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1

Türkheimer Heimatblätter

Gegründet 1971 von Hans Ruf – hrsg. von Alois Epple und Ludwig Seitz – Türkheim 2014 – Heft 87

Vorbemerkung

Schon mehrmals wurden in den Türkheimer

Heimatblättern „Türkheimer Dichter“ vorgestellt.

Ziel ist es, eine „Türkheimer Anthologie“ entstehen

zu lassen. Wer also selber schreibt oder dichtet, der

sei hier herzlich eingeladen, etwas im Heimatblatt

zu veröffentlichen. Es gab Türkheimer, die sich als

Originale ausgaben und bei denen die

Dichterlesungen im Advent in Stress ausarteten.

Dann gab es bescheidene „Dichter“, die in Muse

dichteten und diese Produkte im kleinen

Bekanntenkreis vorlasen. In diesem Heft werden

die Gedichte von jemand vorgestellt, welcher in

Türkheim 1999 verstarb und dessen Gedichte wohl

noch niemand hörte, obwohl ihre romantische

Melancholie es rechtfertigt, dass sie veröffentlicht

werden. Er war also kein Studierter, auch kein

Handwerksmeister, sondern ein wandernder

Maurer. Wir wollen ihm hier ein kleines

literarisches Denkmal setzen.

Vor 100 Jahren wurde in Türkheim eine AOK

gegründet. Aus diesem Anlass bringt die AOK

Memmingen eine Chronik heraus, welche auch die

Geschichte der Türkheimer AOK enthält. Hier soll

deshalb nur mit wenigen Bildern daran erinnert

werden. Zur Vorbereitung der Memminger Chronik

wurde im Staatsarchiv Augsburg eine Aufstellung

über die Dienstboten in den Gemeinden des

Distrikts Mindelheim und Türkheim gefunden. Da

es im ganzen Landkreis Unterallgäu, trotz mehrerer

Heimatpfleger, keine regelmäßig erscheinende

Publikation über die Heimatgeschichte gibt – außer

dieser Heimatblätter -, so wird diese Tabelle,

welche den ganzen Altlandkreis betrifft, hier

veröffentlicht. ____________________________________________________

In den letzten 25 Jahren erschien eine fünfteilige

Geschichte von Türkheim und Irsingen. (Es wäre

sinnvoll, diese Buchreihe fortzuführen. So wären

die Naturgeschichte oder die Flurgeschichte noch

lohnende Themen.) Durch einzelne Beiträge in den

Türkheimer Heimatblättern soll das in diesen

Büchern vorgegebene Raster ausgefüllt werden. So

wird in diesem Heimatblatt genauer über die

Türkheimer Benefiziaten berichtet. Es ist uns

bewusst, dass dieses Thema der breiten Leserschaft

schwer zugänglich ist und wohl von manchem

überblättert wird. Das Heimatblatt möchte aber

auch der Geschichtsforschung Material zur

Verfügung stellen.

Die Reihe „Türkheim im Dritten Reich“ soll, trotz

weniger Kritik, fortgeführt werden. Auch andere

Reihen verdienen eine Fortsetzung. Besonders

wichtig erscheint uns, immer wieder „Alte Häuser“

vorzustellen und zu erwähnen, auch wenn sie schon

abgerissen sind. Vielleicht schärft dies bei

manchem Leser das Bewusstsein der Schönheit und

Historität von alten Häusern und dass ihr Abriss ein

Verlust von Heimat bedeutet.

Immer wieder findet man zu einem soeben

behandelten Thema neues Material. So sind die

„Ergänzungen“ zu hier schon vorgestellten Themen

wieder recht lang geworden.

Eine Aufgabe dieses Heimatblattes ist auch, alte

Fotos abzudrucken, bevor sie endgültig verloren

gehen. Auch SW-Fotos müssen, wegen der

verschiedenen Grautöne, farbig kopiert werden.

Dies macht die Heimatblätter, die sich selbst tragen

müssen, relativ teuer. Trotzdem wissen wir, dass

uns eine interessierte Leserschaft die Treue halten

wird, so lange wir es noch machen können.

_________________________________________

100 Jahre AOK in Türkheim1

Am 1. Januar 1914 wurde in Türkheim eine AOK

gegründet. Heute gehört sie zur AOK Memmingen.

Dieses Jubiläum feiert die AOK Memmingen mit

einer kleinen Festschrift. Spezielles und Ergänzen-

des zur AOK Türkheim sei hier veröffentlicht.2

1 Türkheimer Anzeiger vom 6.11.1914, 1.4.1915, 24.12.1915,

8.4.1916, 10.6.1916, 14.6.1916, 8.7.1916, 13.8.1916, 24. 12. 1916, 30.4.1917, 27.7.1917, 30.6.1918 2 Vgl. auch Epple, Alois: Türkheim im 20. Jh., Türkheim 2005,

S. 73

Am 17. Februar 1913 beschließt der erweiterte

Bezirksrat des Bezirksamtes Mindelheim, zum

Vollzug der Reichsversicherungsordnung im Markt

Türkheim eine AOK zu errichten. Sieben Stimmen

waren dafür (darunter der Türkheimer Bürger-

meister Josef Wiedemann und der Pfarrer Georg

Westner), eine Stimme, nämlich die von Fidel

Kreuzer aus Wörishofen, war dagegen. Dieser

beantragt „zunächst in die Würdigung der Frage

einzutreten, ob für Wörishofen eine eigene

Ortskrankenkasse zu errichten sei und zu diesem

Zweck die erforderlichen Erhebungen zu pflegen.“

Nach diesem Beschluss wurden die Bedarfszahlen

erhoben (vgl. Artikel: Zentrale Orte). Am 20. März

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2

1913 meinte die Gemeindeverwaltung Wörishofen:

„In Anbetracht der eigenartigen Verhältnisse in

Wörishofen, die durch den Umstand sich ergeben,

dass Wörishofen ein Kurort ist, glaubt die

Gemeindeverwaltung Wörishofen, die Errichtung

einer eigenen Ortskrankenkasse für den hiesigen

Ort anstreben zu dürfen… Die besonderen

Verhältnisse, die in Wörishofen bestehen, machen

dies nicht nur wünschenswert, sondern direkt

notwendig. Auch die Zahl der Mitglieder, die für

die Errichtung einer eigenen Ortskrankenkasse in

Wörishofen notwendig ist, entspricht den

gesetzlichen Vorschriften, denn der durch-

schnittliche Mitgliederstand beträgt für die

gewerblichen Arbeiter 451. Der Distriktsausschuss

Türkheim hat bei der Prüfung dieser Frage den

Mitgliederstand vom 1. Janaur 1912 angenommen.

Die Gemeindeverwaltung Wörishofen erlaubt sich,

diesem Vorgehen zu widersprechen und führt

hiermit an, dass der Mitgliederstand in den

Sommermonaten ein bedeutend höherer ist. Es

betrugen z.B. die Mitglieder im August 1912:

gewerbliche Arbeiter 661, Dienstboten 103,

landwirtschaftliche Arbeiter 103.... Wenn man

diesen Punkt in Betracht zieht und weiterhin in

Erwägung zieht, dass das Heilverfahren, dem sich

die gewerblichen Arbeiter Wörishofens im

Krankheitsfalle zumeist unterziehen, von dem

Heilverfahren der allgemeinen Krankenkasse

Türkheim sich ganz bedeutend unterscheidet, so

muss gesagt werden, dass die Errichtung einer

besonderen Ortskrankenkasse für Wörishofen eine

direkte Notwendigkeit ist.

Der Bürgermeister Singer

Am 1. April 1913 lehnte die Regierung von

Schwaben und Neuburg die Errichtung einer

eigenen AOK in Wörishofen ab: „Die Errichtung

einer eigenen allgemeinen Ortskrankenkasse für die

politische Gemeinde Wörishofen kann ernstlich

wohl überhaupt kaum in Betracht gezogen werden;

im ganzen Regierungsbezirk wird nirgends die

Bildung einer eigenen Kasse für eine mittelbare

Gemeinde erwogen.“ Die Wörishofer Gemeinde-

verwaltung meinte am 8. April 1913 enttäuscht,

dass man keinen neuen Antrag auf Errichtung einer

eigenen AOK wegen Zwecklosigkeit stellt. Das

königliche Versicherungsamt Augsburg legte am 3.

Juli 1913 der AOK Türkheim und Mindelheim eine

Mustersatzung vor. Darin wird u.a. bestimmt, dass

die Kassenbeiträge ca. 3% des Grundlohnes

betragen soll. Am 18. Juli 1913 fanden sich in

Mindelheim 5 Arbeitgeber und 6 Versicherte in spe,

zur Satzungsberatung z.B. über Krankenhauszwang,

Entlohnungssystem der Ärzte, ein. Der Wörishofer

Schlossermeister Meichelböck stellte den Antrag,

dass der AOK-Vorstand Krankenpflege ohne

Zustimmung des Versicherten nicht in den Fällen

anordnen darf, wenn es auch ambulant geht. 3

3 Staatsarchiv Augsburg: BA MN 2931

Es wird festgelegt, dass Dienstboten Krankengeld

bekommen und zwar 50% des Lohnes. Bei dieser

Gelegenheit erfährt man auch, dass der

durchschnittliche Dienstbotenlohn täglich 2,50

Mark war. (TA 2.11., 5.11., 6.12.1913, 8.3.1914).

Am 1. Januar 1914 wurde die AOK in Türkheim

gegründet (TA 10.9.1913).

aus: Türkheimer Anzeiger vom 23. 3. 1914

Am 1.1.1936 fusionierte die AOK Türkheim mit

der AOK Mindelheim (TA 4.12.1935). Heute

gehört man zur AOK Memmingen.

1965 zog die AOK von der Altbürgermeister-

Wiedemann-Straße 3 in das neue Gebäude am

Lußweg 1 (Abb. oben und unten)

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3

Betriebsausflug der Mitarbeiter der AOK Türkheim und Mindelheim am 30. Juni 1957.

AOK um 1963, im Geschäftsraum in der Altbürgermeister-Wiedemann-Straße 3

Von links: Unbekannt, Josef Bachthaler, Wolfgang Hassmann, Stetter (aus Memmingen) Josef Forster, Adolf Riedel, eine Frau aus

Memmingen, Hans Thiel, Josef Sluschny, eine Frau aus Memmingen, Josef Rösch, Unbekannt

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4 Vor der AOK im Lußweg 1, um 1968 von links: Herbert Fischer, Josef Bachthaler, Otto Werner, Elfriede Mack, Josef Sluschny, Johann Thiel, Josef Rösch, Josef Forster,

Edeltraud Gerum, Wolfgang Hassmann, Aloisia Epple, Adolf Riedel

Vor dem AOK-Gebäude am Lußweg 1, um 1970, von links: Josef Rösch, Josef Forster, Elfriede Hofmann, Adolf Riedel, Aloisia Epple,

Josef Bachthaler, Hans Thiel, Edeltraud Gerum, Ludwig Schregle.

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Kreisaltenheim beim Oberen Bahnhof

In den beiden letzten Heimatblättern (TH 85 und

TH 86) wurde über das Kreisaltenheim beim

Oberen Bahnhof Türkheim berichtet. In der

Zwischenzeit entdeckten wir folgenden

Zeitungsartikel in der Mittelschwäbischen

Tagespost vom 19. März 1949: Halbfertige Groß-

bauten bei Türkheim vor dem Zerfall / Fünf OT-

Häuser stehen seit vier Jahren leer / Läßt die Büro-

kratie Hunderttausend-Mark-Werte verkommen?

Es war am 13. Dezember 1948. Die fünf OT-Häuser

beim Bahnhof Türkheim gingen […] in den Besitz

des Landes Bayern über. Vier Jahre lang standen

sie leer und wie ausgebrannt in der Lichtung des

Waldes und die deutschen Behörden erklärten, alle

Bemühungen, sie nutzbringend zu verwenden, seien

erfolglos geblieben. Waren die Besitzverhältnisse

zu verworren, fehlte es an Geld oder am guten

Willen zum Ausbau? Bis jetzt haben die

Gasbetonbauten Sturm und Regen gut überstanden.

[…] Kaum fünf Minuten vom Türkheimer Bahnhof

entfernt stehen sie inmitten einer idyllischen

Hochwaldlichtung, jedes ist 25 Meter lang und 10

Meter breit. In den letzten Kriegsmonaten begann

die Organisation Todt den Bau und dann gehörten

sie zur Konkursmasse des Dritten Reiches. Es

fehlten noch zum Teil Dachplatten, Türen, Fenster

und Böden. Eines der fünf war jedoch ausgebaut,

mit Wasser-, Licht- u. Telefonleitung versehen und

einzugsfertig. Die Bevölkerung plünderte es bis auf

die letzte Dachplatte und auf das letzte Bodenbrett

aus. Die polnischen Wachposten sahen zu. […]

Nach fachmännischer Schätzung könnten darin

mehr als 130 Menschen in sonnigen Zimmern

wohnen oder auch ein paar Gewerbebetriebe

arbeiten. Um die Häuser ist genügend Platz, den

man in kleine Gärten verwandeln könnte. […] In

einem der Häuser hatte sich bis Beginn des Winters

ohne jegliche amtliche Plazett 9 Flüchtlings-

familien wohnlich eingerichtet. Einen Teil der

Einrichtungsgegenstände bekamen sie von der

Firma Kipp und Söhne in München, wo sie

arbeiteten. Die Firma Kipp war es auch, die ihren

Flüchtlingen den Tipp gab, nach Türkheim zu

gehen und sich dort häuslich niederzulassen, denn

sie hatte die fünf Häuser von der Vermögens-

verwaltung unter der Bedingung pachten können,

dass sie diese bis Oktober 1948 ausbaut. Man soll

nicht sagen, die Firma Kipp habe nicht den guten

Willen gehabt, sie bat gleich anschließend den

Kreis um die Zuweisung des Baumaterials. In einer

Zeit, in der die zugewiesenen Steine und

Dachplatten kaum zu den dringensten Reparaturen

reichten! Landrat Dr. Luis Kopp lehnte sehr

bestimmt ab. Er erklärte, er habe sich ohnehin

schon mit Händen und Füßen gegen die

Verpachtung gewehrt. Da der Kreis aber kein

Verfügungsrecht besaß, habe er versucht,

verschiedene Firmen und gemeinnützige Hausge-

nossenschaften dafür zu interessieren, habe darauf

hingewiesen, dass die gesetzlichen Möglichkeiten

einer Zwangsenteignung der auf privatem Boden

stehenden Häuser besteht, habe das Arbeits- und

Innenministerium alarmiert. Da wurde endlich

etwas getan: Es kam eine Komission. […]

Bürgermeister Singer vom 25 Minuten entfernten

Markt Türkheim warf einen traurigen Blick zur

Decke, als ihn der Reporter der MTP nach den

Häusern frug. „Seit Jahren versuchen wir die

Bauten zu erwerben,“ sagte er, aber die

Besitzverhältnisse seien nie ganz klar gewesen. Die

Häuser stünden auf privatem Grund, der zwei

Türkheimern gehört und ihnen damals

widerrechtlich genommen worden sei. Die

Vermögensverwaltung habe sie auch nicht

verkaufen können, da die beiden Bürger

Schwierigkeiten machten. Die Gemeinderäte

debatierten in hitzigen Sitzungen, die Gemeinde

verhandelte mit dem Treuhänder der Häuser Herr

Schwab in Markt Wald […] Als im Sommer 1945

die Bevölkerung gleich mit den Leiterwägen

angezogen kam, um das erste einzugsfähige Haus

bis auf den Nagel auszuplündern und aus den

anderen mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest

war, da habe man zusehen müssen. Der Leiter des

Flüchtlingsamtes Muscuius klopfte bei der

peinlichen Frage auf einen dicken Akt. Er erfuhr im

Sommer 1945 von den Häusern, sah sie sich an,

denn er brauchte dringend eine Flüchtlings-

siedlung. Er ließ Fachleute kommen, Kalkulationen

aufstellen. Der Ausbau hätte ihn 100.000 RM

gekostet. Das Staatskommissariat winkte ab und er

konnte schließlich mit 25.000 RM die

Flugplatzsiedlung in Bad Wörishofen ausbauen und

dort 200 Menschen unterbringen, was für ihn einen

größeren Erfolg bei kleinerem Aufwand bedeutete.

[Die MTP schrieb am 14. Dezember 1948 an die

Vermögensverwaltung der Militärregierung] Am 1.

März 1949 kam die Antwort, dass die Häuser dem

Land Bayern zum Eigentum übertragen worden

seien. Am 13. Dezember 1948. […] Die Dachstühle

sind aufgesetzt. […] Alles zusammen ist nach

Schätzung der Fachleute 110.000 RM wert. […]

aus: Mittelschwäbische Tagespost vom 19. März 1949

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Kriegerdenkmal des 1870/71er Krieges

In TH 84 lautete ein Thema. „Kriegerdenkmäler“.

Im Staatsarchiv in Augsburg wurde nun ein Akt

zum Kriegerdenkmal des Krieges 1870/71

gefunden (BA MN Nr. 3737). Darin sind

Zeitungsartikel und Schriftstücke:

Mindelheimer Anzeigeblatt Nr. 40, 1904

Türkheim, 17. Mai. Der hiesige Veteranen-Verein

beabsichtigt, für die im deutsch-französischen

Kriege 1870/71 gefallenen Söhne der Gemeinde

Türkheim ein Kriegerdenkmal zu errichten. Die auf

letzten Sonntag einberufene Generalversammlung

genannten Vereins beauftragte den Ausschuß, die

nötigen Schritte einzuleiten und sich mit

Sachverständigen ins Benehmen zu setzen, um sich

vorerst einmal einen Entwurf und einen

Kostenvoranschlag anfertigen zu lassen. Das

Denkmal soll aus einem von der Privatierswitwe

Müller geschenkten Grabstein, welcher zu dem

betreffenden Zwecke nach dementsprechender

Umarbeitung geeignet erscheint, gefertigt werden.

Brief der Marktgemeindeverwaltung Türkheim vom

9.12.1904:

[...]. Dieses Denkmal kommt auf die Nordseite des

um die hiesige Pfarrkirche liegenden aufgelassenen

alten Friedhofes zu stehen. Der Hintergrund des

Denkmals soll eine dem Denkmal angemessene

Gruppierung von Bäumchen und Sträuchern bilden

[…]

Gutachten des Bezirksamtes Mindelheim vom

13.3.1905:

[...] Leider hat der Veteranen-Verein beschlossen,

einen vorhandenen Grabstein als Hauptbestandteil

des Denkmals zu verwenden. Der vorliegende

Entwurf dürfte sich jedoch nicht ganz zur

Ausführung eignen, da der Sockel im Verhältnis zu

dem fein gegliederten Oberbau viel zu plump wirkt.

Der dem Sockel vorgelegte, jedenfalls in Kupfer

getriebene Löwe verrät, dass der Veteranen-Verein

keine Kosten scheut, um den gefallenen Kameraden

ein würdiges Denkmal zu errichten und ist es nur zu

bedauern, dass bei fraglicher Denkmalsangele-

genheit weder ein Architekt noch ein Bildhauer

beigezogen wurde; jedenfalls muss der Veteranen-

Verein von der Verwendung eines Grabsteines

abkommen. Es ist jedoch noch Zeit fachmännischen

Rat zu erholen und würde ich dem Veteranen-

Verein Türkheim empfehlen einen tüchtigen

Bildhauer oder Architekten beizuziehen und wird

dann auf alle Fälle ein Denkmal geschaffen

werden, welches der Marktgemeinde Türkheim zum

wirklichen Schmucke gereicht, den gutridtischen

Zweck in würdiger Weise erfüllt und ferner nicht

teurer kommt als der Projektierte.

Der Veteranenverein wendet sich im April 1905 auf

diese Empfehlung an den Verein für Volkskunst

und Volkskunde in München.Am 31. Juli 1905 teilt

der Verein mit, daß es unmöglich ist, um den

festgesetzten Preis von 1200 M[ark] einen Unterbau

von den skizzierten Dimensionen und eine

Löwenfigur in Stein oder Metall herzustellen.

Nachdem mit der vorhandenen Säule und dem

Postamente gerechnet werden muß, dürfte es sehr

fraglich sein, ob eine nach allen Richtungen

günstige Gestaltung des Denkamls überhaupt unter

dieser Voraussetzung möglich ist.

Der Verein ist trotzdem bereit, den Versuch zu

einer Lösung zu machen[…]

Das Projekt muss jedoch rasch ausgeführt worden

sein, denn am 23. September 1906 wurde das

Denkmal enthüllt.

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Benno Holzmann (17. September 1897 – 5. Dezember 1986) vor

dem Kriegerdenkmal des 70er-Krieges, nördlich der Pfarrkirche in Türkheim.

__________________

Krokodil der Wlassov-Arme

In TH 81 wurde ein Krokodil beschrieben und

abgebildet, welches von einem russischen oder

ukrainischen Soldaten der Wlassow-Armee im

Herbst 1944 geschnitzt und an August Bäurle

getauscht wurde. Nun ist eine ähnliche Schlange

(44 cm lang) aus der ehemaligen Kapuzinerkrippe

aufgetaucht, welche untenstehendes Bild zeigt und

wohl eine ähnliche Geschichte hat.

Das TH 16 berichtete über Alfred Drexel. Vor nun 80 Jahren starb er am Nanga Parbat. Drexel schrieb die

folgende Karte am 27. Mai 1934 „im Hauptlager auf 3800 m“ – also schon oberhalb der „Märchenwiese“ (3200

m), an „den jungen Firmling“ Max Wiedemann (vgl. TH 80, Seite 3). An diesem Tag war seine Aufgabe,

Verpflegung von der Märchenwiese zum Basislager hochzuschaffen. Am Pfingstmontag, den 5. Juni wurde dann

die Karte von Astor aus abgeschickt. Man plant, so schreibt Drexel hier, Lager I zu errichten. Die auf der

Postkarte erwähnten Wölfe sind mehrmals abgebildet in dem Nanga-Parbat-Buch von Fritz Bechtold.

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Wertachkorrektion 1934

In TH 86 wurde über die Wertachkorrektion im Dritten Reich berichtet. Im Türkheimer Anzeiger finden sich

hierzu zwei weitere Nachrichten:

aus: Türkheimer Anzeiger vom 12.3.1934 aus: Türkheimer Anzeiger vom 19.2.1934

Erinnerungen an die Kindheit4

Es gibt genügend schwäbische Kochbücher mit angeblich typisch schwäbischen Rezepten. Es geht hier nicht

darum, noch weitere schwäbische Rezepte vorzustellen, sondern den zahlreichen angeblich typischen

schwäbischen Speisen der Kochbücher wenige Speisen gegenüber zu stellen, so wie ich sie früher aß und wie sie

auch andere, nach ihrer Erinnerung, gegessen haben. So wie sich früher der Dialekt von Ort zu Ort änderte, so

war es auch mit den Speisen. Hier also einige typische Türkheimer Speisen:

In das Gulasch kamen früher „Zwibeeben“ (große, gelbe, getrocknete Weintrauben). Ihre Süße gab dem scharfen

Paprika-Gulasch-Geschmack fast schon eine chinesische süß-saure Note.

Die „Heffanudla“, heute besser bekannt als Dampfnudeln, wurden nicht mit Vanillesoße, sondern mit Sauerkraut

gegessen. Wichtig war ihre „Schubet“ (Kruste). Voraussetzung für eine harte, knackige, braun-schwarze,

möglichst dicke „Schubet“ war eine, am besten handgeschmiedete, Eisenpfanne.

Eine schöne „Schubet“ brauchten auch die Krautkrapfen. Sie mussten aus ganz dünn ausgewargeltem

(ausgerolltem) Teig gemacht sein.

In ein Sauerkraut, ob zu Krautkrapfen oder zu Dampfnudeln oder zu Blut- und Leberwürsten gegessen, gehörte

kein Wammerl und keine Schinkenwürfel und schon gar kein Geräuchertes. Dafür war man viel zu sparsam,

manche auch zu „kähl“.

Besonders schmeckten mir auch gefüllte Kartoffel: Man schälte die Kartoffel, höhlte sie ein wenig aus, strich

grobe Streichwurst in die Höhlung und setzte sie in eine Pfanne mit Fett, die Öffnung der Höhlung nach oben.

Dann erhitzte man sie, bis die Kartoffel weich war. Auch hier war wieder wichtig, dass es beim rausbacken eine

schöne „Schubet“ gab.

Die in Schmalz herausgebackenen „Kiachla“ mussten einen hellen Ring haben. Und auch wenn sie diesen bei

uns hatten, so waren sie doch nicht die allerbesten, denn die machte Baumanns Senz in Berg.

Bei Hochzeiten gab es ein Voressen. Das waren geschnittene Kutteln in einer Art Suppe. Man löffelte sie aus

Tradition und nicht aus Genuß. Meine Lieblingssuppe war unter der Woche die Riebelesuppe, sie war billig und

gut. Gar nichts konnte ich mit der Milchsuppe anfangen. Selten gab es eine Brotsuppe. Die musste so dick sein,

dass der Löffel in der Brotsuppe stecken blieb, also nicht umfiehl.

Weil man Hennen hatte, so wurden jeden Abend für diese Kartoffeln gekocht; den größten Teil für die Hennen,

der Rest für uns. So gab es, nach meiner Erinnerung, jeden Abend Milch und Kartoffel und an besonderen Tagen

auch noch ein Stück Butter dazu.

4 Die meisten hier verwendeten Mundartbegriffe sind erläutert bei: Schwarz, Brigitte: Mueters Moul ond Vaters Riesl (Schwäbisches

Wörterbuch aus Ettringen und seiner Umgebung, Neuburg-Edelstetten 1995, S. 150)

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Zentrale Orte5

Bevor vor 100 Jahren im Distrikt Mindelheim und Türkheim je eine AOK gegründet wurden, erfasste man 1913

die Anzahl der Dienstboten, also jener Personen, welche in einer AOK versichert werden mussten. Hierbei

lassen sich die Gemeinden in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe hatte mehr „Dienstboten im Gewerbe“,

die anderen mehr „Dienstboten in der Landwirtschaft“. Es hat den Anschein, dass das Verhältnis von

Dienstboten in Landwirtschaft und Gewerbe ein guter Indikator zur Bestimmung von Zentralität von Orten vor

dem I. Weltkrieg ist.

Zahl der tätigen Dienst- Altensteig Amberg Anhofen Apfeltrach Bedernau Breiten- Bronnen Derndorf Dirlewang

boten im brunn

a) Gewerbe 1 0 0 12 3 4 11 7 30 b) Landwirtschaft 8 38 39 46 50 92 18 36 52

c) Sonst 0 0 0 1 5 0 0 0 7

d) Wandergewerbe 0 0 0 0 2 0 0 0 1

Zahl der

tätigen Dienst- Dorsch- Egelhofen Eppis- Erisried Ettringen Euten- Gernstall Haselbach Hausen boten im hausen hausen hausen

a) Gewerbe 3 1 8 4 92 1 37 5 5

b) Landwirtschaft 15 4 32 19 111 20 35 47 36 c) Sonst 0 26 0 3 0 0 2 0 3

d) Wandergewerbe 0 6 0 0 0 0 0 0 0

Zahl der

tätigen Dienst- Heimen- Helchen- Immel- Irsingen Kirchdorf Könget Köng- Loppen- Mattsies

boten im egg ried stetten ried hausen hausen a) Gewerbe 0 0 8 17 4 6 0 14 14

b) Landwirtschaft 17 14 21 38 32 48 27 52 57

c) Sonst 0 0 0 2 12 0 2 3 1 d) Wandergewerbe 0 2 0 2 0 0 0 0 0

Zahl der tätigen Dienst- Mindelau Mindel- Mörgen Mussen- Nassen- Oberauer- Oberegg Ober- Oberneufnach

boten im heim hausen beuren bach kammlach

a) Gewerbe 8 484 1 0 17 3 10 22 6 b) Landwirtschaft 34 95 41 24 74 20 57 60 17

c) Sonst 0 244 1 1 0 1 0 7 0

d) Wandergewerbe 0 30 0 0 0 0 0 0 0

Zahl der

tätigen Dienst- Oberram- Ober- Pfaffen- Salgen Saulen- Schöne- Siebnach Spöck Stetten boten im mingen rieden hausen grain berg

a) Gewerbe 13 6 58 7 3 5 5 7 8

b) Landwirtschaft 32 56 62 37 5 43 30 42 28 c) Sonst 0 2 0 0 0 0 4 0 6

d) Wandergewerbe 0 0 0 0 0 3 0 0 2

Zahl der

tätigen Dienst- Stock- Traun- Türkheim Tussen- Unter- Unter- Unter- Unterram- Unter-

boten im heim ried hausen auerbach egg kammlach mingen rieden a) Gewerbe 5 2 139 31 0 14 9 12 3

b) Landwirtschaft 24 48 120 79 20 52 38 56 25

c) Sonst 1 0 48 29 0 2 2 2 0 d) Wandergewerbe 0 0 2 3 0 0 0 3 0

Zahl der tätigen Dienst- Markt- Warmis- Weilbach Wester- Wieder- Wöris- Zaisertshofen

boten im Wald ried nach geltingen hofen

a) Gewerbe 121 6 13 4 19 242 66 b) Landwirtschaft 53 43 0 28 55 95 43

c) Sonst 44 3 13 1 4 128 6 d) Wandergewerbe 1 0 0 0 0 2 0

5 Die Daten zu folgender Tabelle sind entnommen: StArchiv Augsburg, BA MN 2931

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Türkheim im 3. Reich – Teil 6

Wie die Entnazifizierungsakten zeigen, waren nur

wenige Türkheimer überzeugte „Nazis“. Etliche

Türkheimer traten in die NSDAP ein, um sich nicht

geschäftlich und beruflich zu schädigen. Wirkliche

„Nazis“ traten auch aus der katholischen Kirche

aus. Meistens sind es Zugezogene und Ver-

waltungsangestellte mit ihren Ehefrauen, welche

während des 3. Reiches aus der Kirche austraten.

Im Vergleich zu heute war die Zahl der

Kirchenaustritte damals gering. Bedeutet dies, dass

heute die kirchenfeindlichen Kräfte effektiver

arbeiten als damals die Naziideologen?

Ein weiterer Vergleich mit heute drängt sich auf.

Damals wurde versucht, die kirchliche Ehe durch

eine staatliche „Eheweihe“ überflüssig zu machen.

Trotzdem heirateten damals fast alle Türkheimer

„kirchlich“. Heute ist man dem Ziel der

Naziideologie näher als damals.

aus: Neueste Mittelschwäbische Nachrichten vom 6.11.1939

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Pater Kasimir in Schutzhaft

Martin Braun wurde am 16. September 1889 in

Dernbach, Kreis Bergzabern geboren. Er kam 1906

in die Kapuzinerklosterschule nach Burghausen,

machte dort 1909 sein Abitur, legte 1910 in Laufen

die einfache und 1913 in Eichstätt die Ewige Profeß

als Kapuziner ab und erhielt dabei den

Ordensnamen Kasimir. Er wurde 1914 vom

Eichstätter Bischof zum Priester geweiht, war im

Ersten Weltkrieg Divisionspfarrer, danach in

verschiedenen Kapuzinerklöstern Bayerns tätig. Er

starb am 14. November 1979 infolge eines

Verkehrsunfalls in Aschaffenburg. Zu Beginn des

3. Reiches war Pater Kasimir im Türkheimer

Kapuzinerkloster.

In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1933 wurde

Pater Kasimir in Schutzhaft genommen.6 Er soll,

nach mündlichen Gesprächen, von der Kanzel herab

verhaftet worden sein, als er eine Predigt mit dem

Inhalt hielt: ‚Petrus schläft’: Unter der Predigt von

Pater Kasimir verließ AH die Kirche. Wenig später

kam die Polizei und hat den Pater auf der Kanzel in

der Kirche verhaftet. Die Bevölkerung war darüber

sehr beunruhigt.

Nun konnte der schriftliche Schutzhaftbefehl

gefunden werden7: Auf Antrag des Beauftragten des

Sonderkommissars bei der Regierung Schwaben u.

Neuburg beim Bezirksamt Mindelheim wird hiemit

über den Ordensgeistlichen Martin Braun, Pater

Guardian im Kapuzinerkloster in Türkheim, die

Schutzhaft verhängt. Gründe: Schon seit längerer

Zeit ging das Gerücht, dass sich der

Ordensgeistliche Martin Braun in seiner

Eigenschaft als Priester u. Prediger abfällig gegen

die nationale Erhebung äussere, und dass er gegen

die jetzige Regierung hetze. In der Predigt beim

Kindergottesdienst am 25. Juni 1933, also am Tag

der Jugend, hat Braun in seiner Predigt Vergleiche

gezogen mit der Vaterlandspartei zu Christi Zeiten,

welche Pharisäer gewesen seien und von denen

Christus gesagt habe, sie seien ein Natterngezücht.

Asserdem sagte er in der gleichen Predigt Johannes

der Täufer sei enthauptet worden, weil er standhaft

blieb und sich nicht gleichgeschaltet habe. Die von

Gott eingesetzte Obrigkeit seien die Bischöfe. Auf

diese unverkennbar in hetzerischer Absicht

gebrauchten Äusserungen, die sich zweifelsfrei

gegen die nationale Regierung und deren

Massnahme richteten, hat eine Anzahl Personen

ostentativ die Kirche verlassen. Diese Predigt löste

die schon längst bestandene Erregung der

nationalen Kreise offen aus, so dass der

Ortsgruppenführer von Türkheim mit Recht darauf

hingewiesen hat, dass die Ruhe in Türkheim nicht

mehr garantiert werden könne, wenn nicht sofort

gegen den Pater Guardian eingeschritten würde.

6 Singer, Stephan: Chronik von Türkheim, Türkheim 1957, Seite 30; Epple, Maximilian: Petrus schläft – Protest in Türkheim

gegen Hitler, Türkheim 1999 7 Pfarrarchiv Türkheim, ungeordnet

Abgesehen von der unbedingten Pflicht der

Behörden, die Ruhe und Ordnung unter allen

Umständen aufrecht zu erhalten, ist die

Inschutzhaftnahme des P. Guardian auch deshalb

gerechtfertigt, weil Äusserungen von der Kanzel in

der Art und Weise wie sie Braun betreibt, geeignet

sind, Misstrauen, Abneigung und Widerstand gegen

die jetzige Regierung zu schaffen. Offene und

versteckte politische Brunnenvergiftungen von der

Kanzel herab unter Missbrauch des Gotteshauses

sind im nationalen Staat unmöglich zu machen. Aus

diesen Gründen musste die Schutzhaft verhängt

werden. Mindelheim, den 27. Juni 1933.

Bezirksamt: J.V.Dr. Wein

Nach mündlichen Berichten waren viele

Türkheimer beunruhigt über die Verhaftung eines

‚ihrer’ Kapuziners. Im Türkheimer Anzeiger stand

hierzu vom 10. Juli 1933 über einen Beschluss des

gleichgeschalteten Türkheimer Gemeinderates: Der

Marktgemeinderat stellt mit Rücksicht auf die

Erhaltung des Burgfriedens und der Stärkung der

kirchlichen Autorität an das Provinzialat in

Altötting den Antrag, dass Herr Pater Guardian

nach seiner Entlassung aus der Schutzhaft nicht

mehr nach Türkheim zurückkehrt. Eine Rückkehr

müsste als Herausforderung gegen den

Nationalsozialismus und somit gegen die

Gesamtgemeinde betrachtet werden. Zur

Herstellung eines guten Einvernehmens ist es

notwendig, dass an der Spitze des hiesigen

Kapuzinerklosters ein völlig unbelasteter Mann

steht. Im August 1933 wurde Pater Kasimir ins

Kloster Maria Birnbaum versetzt.

Pater Odilo wird verhört

Bereits in TH 82 wurde auf die Befragung des

Türkheimer Kapuziners P. Odilo, wie er sich aus

der polizeilichen Befragung darstellte, besprochen.

Nun fand sich ein Schreiben des Kapuziners, in

welchem er diesen Fall aus seiner Sicht schildert8:

Am Sonntag, 20. Dez. 1936, traf im Rahmen meines

Predigtzyklus über Gott das Thema: „Die

Gottlosigkeit ist ein Fluch für ein Volk“. Von einer

dreifachen Nutzanwendung hieß der zweite Punkt:

„Nicht hinaus mit dem Kreuz aus den Schulen,

sondern das Kreuz bleibt in den Schulen. Hört! Ich

lese einen Abschnitt aus dem Hirtenbrief des

H.H.Bischof von Münster Clemens August an alle

Katholiken im Land Oldenburg vor: „Es war

angeordnet (Regierungserlaß vom 4. Nov. 1936!),

dass von allen öffentlichen Gebäuden, ja selbst aus

den Schulen, in denen kath. Kinder von kath.

Lehrern im christlichen Glauben unterrichtet

werden, das Kreuz entfernt werden sollte. Als ihr

das hörtet, als wir das hörten, ging ein

Erschrecken, ein Entsetzen durch unsere Herzen.

Ist es schon soweit gekommen? Soll hier bei uns

durchgeführt werden, was vor kurzem der

„Durchbruch“, das Kampfblatt der sog. deutschen

8 Auszüge hiervon auch in „Fels“, Mai 2014

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Glaubensbewegung (Folge 31) forderte: „Das

Kreuz muß fallen, Reiß Du ganz es nieder!“ Soll es

Wahrheit werden, was dieselbe Zeitschrift sagt:

„Nehmt Abschied, Deutsche, vom Christusbild!“

(Folge 34) [Dann beschreibt Pater Odilo die

Vorgänge in Oldenburg] Dann fuhr ich fort: „In

unserer nächsten Nähe hat ein Lehrer das Kreuz

aus der Mitte des Schulzimmers auf die Seite

gerückt. Bald darauf hat ihn Gott, der Herr über

Leben und Tod, aus der Mitte der Lebenden

gerückt. War das Zufall? Teuerste! Zufall gibt es

nicht.“ Guten Gewissens kann ich dazu sagen: Ich

wollte damit nicht eine Spitze gegen den „Lehrer“

noch gegen den Lehrerstand austeilen und erst

recht nicht ein Verdammungsurteil über den Toten

(R.I.P.!) fällen. Es leitete mich einzig und allein die

Absicht das Kreuz zu schützen.

Am Dienstag, 22. Dezember erhielt ich durch den

Bezirksoberamtmann die Aufforderung am Mitt-

woch, 23. Dezember, um 11 Uhr ins Bezirksamt

Mindelheim zu kommen.

Am Mittwoch, 23. Dez., werde ich kurz nach 11 Uhr

von H. Bezirksoberamtmann Cramer vorgelassen.

H. Oberamtmann stellt mich vor dem P.G.Herrman.

Später kommt auch noch H. Kreisleiter Schugg. Die

Verhandlung beginnt. H. Oberamtmann verliest die

Klagepunkte. Der 1. Anklagepunkt: P. Odilo hat in

der Predigt vom 20.12. einen Regierungserlaß von

Oldenburg vorgelesen. Der 2. Anklagepunkt: P.

Odilo hat in derselben Predigt behauptet: - ich

zitiere wörtlich – „In unserer nächsten Nähe hat

ein Lehrer das Kreuz aus der Schule entfernt und

dafür wurde er von Gott bestraft“, dass … Der 3.

Anklagepunkt: Ortsgruppenleiter H.B.W teilt uns

mit: - ich berichte dem Sinne nach -. „Der

Erregung unter der Bevölkerung sei an jenem

Abend derart gewesen, dass nur Besonnenheit die

Person des Paters von Gewalttaten schützen

konnte.“ Zeuge für den 2. Anklagepunkt ist: M.D.

Hierauf richtet H. Oberamtmann an mich die

Frage: „Ist das richtig?“ Ich antworte: Der erste

Punkt ist richtig. Der Regierungserlaß der

Oldenburgischen Regierung wurde am 4. Nov.

herausgegeben und am 25. Nov. zurückgenommen.

Der zweite Punkt ist unrichtig. Ich habe nur

behauptet: „In unserer nächsten Nähe hat ein

Lehrer das Kreuz aus der Mitte des Schulzimmers

auf die Seite gerückt. Bald darauf hat ihn Gott, der

Herr über Leben und Tod, aus der Mitte der

Lebenden gerückt.“ H. Oberamtmann spricht

dazwischen: „Ich habe hier eine eidesstattliche

Erklärung.“ Ich fahre fort: Im übrigen lag es mir

wirklich ferne, eine persönliche Spitze gegen den H.

Hauptlehrer auszuteilen, sondern ich hatte nur die

Tendenz, das Kreuz zu verteidigen. Wenn ich

gewusst hätte, daß die Sache so aufgefasst würde,

hätte ich es weggelassen. Ich verspreche auch in

der Anführung persönlicher Tatsachen vorsichtiger

zu sein. H. Oberamtmann: „Das ist

selbstverständlich“. Dann fährt er fort: Was geht

uns dieser Bischof von Münster an? Ich bin zwar

kein Theologe; aber ich möchte schon wissen, was

dieser Hirtenbrief in der Diözese Augsburg zu

suchen hat. Dann spricht er von seiner Anordnung,

dass in den Schulen das Bild des Führers so

gehängt werden müsse, dass die Kinder das

Führerbild stets vor Augen haben… und hält eine

Verteidigungsrede auf den verunglückten H.

Hauptlehrer S. Hierauf ergreift P. Herrmann das

Wort: Da machen Sie uns nichts vor, dass das keine

persönliche Spitze gewesen sein sollte. Noch mehr:

der Pater ist nur der vorgeschobene Mann. Gleich

darauf wird er allgemein: Ihr könnt nichts, als das

Volk mit Höllenfurcht erfüllen. Wörtlich: „Euch

muß man behandeln wie den Feind im Feld.“ (2mal

gesprochen!) Wörtlich: „Ihr seid Volksverräter.“

Wörtlich: “Ihr seit keine Deutschen. Geht hinunter

nach Rom! Dort gehört ihr hin!“ In einer Pause

bitte ich um das Wort: Ich erkläre noch einmal,

dass ich dies nicht behauptet habe. H.

Oberamtmann nimmt einen Zettel und notiert meine

Worte. Sogleich setzt wieder H. Herman ein: Er

bringt die Devisenprozesse und Sittlichkeits-

vergehen der Ordensleute. Wörtlich: „Wenn ihr die

Macht hättet, dann säßen wir drei nicht mehr hier.

Ihr würdet uns auf den Scheiterhaufen tun, wie vor

500 Jahren. Ihr seid imstande, die jetzt in den

Gefängnissen sitzen, hernach heilig zu sprechen.“

H. Oberamtmann dazu: Dem Sinne nach: Ich habe

auch schon die Art der „Ultramontanen“ zu spüren

bekommen. Dann fährt er wörtlich fort: „Bei eurer

Kirche ist das alles möglich.“ Zu den Ausführungen

des H. Hermann nickten die beiden anderen Herren

mit dem Kopfe oder sagten: Ja. Ja. Ja. Plötzlich

wird abgebrochen Ich muß hinausgehen. Nach

einer lauten Debatte werde ich wieder in das

Zimmer gelassen. H.K. Schugg und H. Herrmann

entfernen sich. H. Oberamtmann verkündet das

Urteil: „Ich verwarne Sie hiemit eindringlich, noch

einmal über Personen derartig zu sprechen. Sollte

dies wieder vorkommen, haben Sie die weiteren

Folgen zu tragen.“ Damit ist die Angelegenheit für

uns erledigt.

HJ-Zug durch Türkheim, wohl 1937. Im Hintergrund sieht man,

dass die Pfarrkirche eingerüstet ist. Vor dem Kaufhaus Bader steht noch eine Benzinzapfsäule.

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Julius Streicher

Der Vater von Julius Streicher lebte in Türkheim.

Er feierte hier seinen 90. Geburtstag und wurde

auch auf dem Türkheimer Friedhof beerdigt.

aus: Türkheimer Anzeiger vom 21.3.1932

Am Grabe Friedrich Streichers Türkheim, 24. Dez. Der im hohen Alter von 92 Jahren verstorbene Hauptlehrer a.D. Friedrich Streicher, der Vater des Gauleiters Julius Streicher, wurde am Samstag unter gewaltiger Anteilnahme der Bevölkerung aus nah und fern im Friedhof in Türkheim zur letzten Ruhe bestattet. Mit den nächsten Angehörigen des Verstorbenen, darunter dem Gauleiter Julius Streicher, waren bekannte Persönlichkeiten gekommen, um dem Toten das letzte Geleit zu geben. Man bemerkte u.a. den stellvertretenden Gauleiter Holz (Nürnberg), Standartenführer König (Nürnberg) und den Führer der Brigade 87 Pg. Wurzbacher. Sehr zahlreich war auch die Lehrerschaft vertreten, insbesondere der NS-Lehrerbund Mindelheim. Auch die Schuljugend, Knaben und Mädchen, nahmen an der Beisetzung teil, um ein letztes Mal zu danken für das, was er einst für die Jugend getan. Der amtierende Priester, Benefiziat Reiter, verrichtete die kirchlichen Gebete und schilderte dann in kurzen Zügen das Leben Friedrich Streichers, aus dem treueste Pflichterfüllung, innige Vaterlandsliebe und tiefe Religiosität sprachen. Herr Hauptlehrer a.D. Friedrich Streicher wurde am 20. März 1842 zu Wemding geboren und wirkte vom Jahre 1861 bis zum Jahre 1905 als aktiver Lehrer im Dienste der Jugenderziehung. Im Jahre 1905 trat er in den Ruhestand und lebte seit dieser Zeit im Markte Türkheim. Verehelicht hatte sich der Verstorbene im Jahre 1870. Reicher Kindersegen war ihm in der Ehe beschieden. Freude und Leid haben sich auch in seiner Familie gegenseitig abgelöst, doch er hat alle Geschicke des Lebens mannhaft getragen. Hohe Achtung und Wertschätzung waren ihm an allen Orten zuteil, in denen er als Lehrer wirkte und lebte. Sein edler Charakter und sein unermüdliches Wirken in Schule, Kirche und Gemeinde haben dieses Ansehen in vollem Maße gerechtfertigt. Der ehrende Nachruf des Herrn Hauptlehrer Bauer von Hausen namens des NS-Lehrerbundes kennzeichnete das Verdienst des Verstorbenen als Mitbegründer des ehemaligen schwäbischen Kreislehrervereins und seine Arbeit im Dienste desselben. Der Bürgermeister der Gemeinde Asch, in welcher der Verstorbene von 1888 bis 1905 wirkte, sagte ihm den letzten Dank für seine Arbeit als Erzieher der Jugend und Förderer der gemeindlichen

Interessen. Herr Hauptlehrer Bergmann entbot im Namen der Lehrerschaft der Knaben- und Mädchenschule Türkheim dem edlen Lehrergreis den letzten Abschiedsgruß. Die Schuljugend ehrte den einstigen Jugendbildner mit einem inhaltsreichen Abschiedsgedicht, das der Schüler Hans Sing der 7. Klasse in würdiger Weise vortrug. Einen letzten Gruß entbot auch der Leiter der Ortsgruppe Türkheim, Pg Wiedemann, dem toten Vater des Frankenführers. Prächtige Kranzspenden der Sprecher waren das sichtbare Zeichen der Verehrung. Schöne Kränze wurden weiter gestiftet vom Polizeipräsidenten der Stadt Nürnberg, vom Gaustab Nürnberg und von vielen hier nicht genannten Spendern. „Selig sind die Toten“, mit diesem wundervollen Lied grüßte der Kirchenchor den teuren Toten ein letztes Mal. Am Schlusse der Trauerfeier dankte Gauleiter Julius Streicher allen, die seinen verstorbenen Vater die letzte Ehre erwiesen hatten. Er gedachte nochmals seines Vater, dem Gott und Vaterland alles waren, und betonte mit dankerfüllten Worten, daß sein greiser Vater noch das Glück hatte, das Dritte Reich zu erleben. Im Anschluß an die feierliche Beerdigung fand in der Pfarrkirche der Trauergottesdienst statt, an dem die Trauergäste wieder vollzählig teilnahmen, um die Seele des teuren Verstorbenen dem ewigen Richter zu empfehlen. R.I.P. Gestern Sonntag traf auch vom Führer und Reichskanzler Adolf Hitler ein wundervoller Kranz in Türkheim ein, der heute Montg von der Ortsgruppe Türkhein der NSDAP an der letzten Ruhestätte des teueren Toten niedergelegt wird. Beileid des Ministerpräsidenten Ministerpräsident Siebert hat dem Gauleiter Streicher zum Tode seines Vaters seine und der Bayerischen Staatsregierung aufrichtige Teilnahme ausgesprochen. aus: Türkheimer Anzeiger vom 24.12.1934

Beerdigung von Friedrich Streicher. Die Beerdigung wurde nicht vom Türkheimer Pfarrer, sondern vom Benefiziaten Reiter

gehalten. Rechts neben diesem steht Julius Streicher.

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Benefiziaten und Benefizium in

Türkheim

In Türkheim stiftete Herzog Albrecht 1459 ein Benefizium, eine

Stiftung, zu der die Höfe in Aletshofen, Grundstücke in Türkheim und das Benefiziatenhaus (Maximilian-Philipp-Str. 5)

in Türkheim gehörten. Von dieser Stiftung wurde ein Priester,

ein sogenannter Benefiziat angestellt, besoldet und er durfte im Benefiziatenhaus wohnen. Weiter bezog er ein Einkommen vom

Lesen von hl. Messen, welche er meist in aller Herrgottsfrühe

lesen musste. Deshalb nannte man ihn auch Frühmesser. Es handelte sich um Jahrtagssiftungen. Man konnte nämlich der

Kirchenstiftung einen gewissen Geldbetrag stiften und von dem

Zins davon (5 %) wurde einmal im Jahr eine hl. Messe für den Spender gelesen.

Der „Stiftungsvorsitzende“ – so würde man heute sagen – war

der jeweilige Inhaber der Herrschaft Schwabegg bzw. derjenige,

der diese Herrschaft gerade geliehen oder gepfändet hatte

(Dieses Benefizium wurde gestiftet von Herzog Albrecht v.

Bayern im J. 1459. Er behielt sich das Ernennungsrecht vor.). Dieser hatte auch das sog. Präsentationsrecht d.h., bei einer

Neubesetzung der Benefiziatenstelle schlug er dem Augsburger

Bischof einen Priester dafür vor. Es waren fast ausschließlich alte Priester, welche wegen körperlicher Gebrechen nicht mehr

Pfarrer sein konnten. Im Pfarrarchiv Türkheim findet sich ein

Akt von und über das Türkheimer Benefizium und ihre Inhaber. 9

Friedhof Türkheim

9 Vorbemerkung: Wenn man sich über Benefiziaten in Türkheim interessiert, so liegen darüber reiche Schätze im Augsburger

Staatsarchiv, Bestand „Bezirksamt Mindelheim“ ab Nr. 1425.

Aber auch im Pfarrarchiv Türkheim befindet sich ein ansehnlicher Bestand darüber, welcher teils älter ist, teils über

den Augsburger Bestand hinausgeht. Dieser wird hier

ausgewertet.

Benefiziaten

1596: Johann Mülecker 1597: Melchior Hafner, vorher Pfarrer in Aytrang

1599: Jakob Hirschlin10

1600: Jakob Meyer von Frhonenberg 1603: Joseph Prunnenmaister

1605: Jakob Brunner

1606: Jakob Schill 1608: Michael Ramminger

1609: Michael Beckh

1611: Mathias Speigelm 1612: Martin Neidegger

1614: Jakob Pleckh

1616: Johann Hörmann 1617: Jakob Lober

1620: Urban Faaber von Oberhausen11

1622: Johann Widemann

1625: Servat Traz

1629: Georg Leyseng

1629: Christoph Zingg 1645: Peter Zilck

1648 – 1663: Da die Zeiten, in Folge des 30jährigen Krieges,

schlecht waren und es zu wenig Priester gab, so wurde die Benefiziatenstiftung von dem jeweiligen Ortspfarrer

wahrgenommen. […] erst im Jahre

1663 dem H. Johann Seitz, damaligen Kaplan dahier verliehen. Nachdem die Promiseria sambt der halben Caplaney zu

Tirkheimb […] ein Zeit here mit ainem aignen Priester unbesezt

verbliben und nun mehr aber Gott Lob in ein solchen standt wider erwaxen, dass es ain aigenen Priester und Friemesser wol

ertragen thuet. Die damaligen Ertragnisse dieses Benefiziums

sind auf 155 f veranschlagt. Es scheint, dieser Herr hatte es auch am längsten inne denn er starb erst am 13. Juli 1694. Nach

seinem Hintritt wurde von Herzog Maximilian Philipp

[1694] Oswald Kirchner praesentiert im J. 1694. Oswald Kirschner hat die Wohnung des H. Beneficiaten neu aufgebaut,

wie in diesem Buch zu lesen ist 1699. Auch wurde unter ihm das

Benefizium aufgebessert durch erwerbung des Weilers Aletzhofen i.J. 1696 u hat derselbe auch einen Jahrtag gestiftet

i.J. 1703 1707: Ignaz Gändter, + 1738

1739: Joseph Anton Mändl, + 1756

1756 oder 1759: Joseph Anton Walther ehem. Pfarrer in Ludenhausen, + 1771

1772: Johann Michael Groß, + 1798

1798: Franz Xaver Nobes, vorher Pfr. in Konradshofen, + 1801 1802: Franz Xaver Heinz, war Kapuziner, trat 1802 aus dem

Orden aus, bevor er Benefiziat wurde nahm er 8 Jahre an

Feldzügen teil, er hört als Türkheimer Benefiziat 1806 auf, wegen Rheumatismus und Hamorrheiden

1806: Ivo Diele, war vor der Säkularisation Augustiner-Chorherr

im Stift Wengen in Ulm, dann Stadtpfarrer aushilfsweise in Ulm,

+ 1825

1826: Johann Bap. Sommer, vorher Pfarrer in Pforzheim, + 1839

1839: Mathias Erhard, Stadtpfarrer von Friedberg (Es bewarben sich auch Franz Xaver Schertel und Joseph Hahn, ehem. Pfarrer

von Rennertshofen), + 1842

1841: Joseph Probst. Nachdem Erhard Direktor in Friedberg wurde erhielt das Türkheimer Benefizium Joseph Probst, ehem.

Pfarrer in Kleinkitzighofen, + 1842

1842: Joseph von Waibel 1848 oder 1849: Johann Georg Thanner, ehem. Pfarrer in

Kleinkitzighofen, + 1852

1852: Wendelin Burkhard, vormals Pfarrer in Türkheim 1853: Karl Dürr, + 4.3.1865

(1865 vikarieren Kapuziner das kurzzeitig unbesetzte

Benefizium) 1865: Andreas Prestel, vorher Pfarrer in Asch, + 16.7.1869

10 Unser Ort wurde damals „Türgghaim“ geschrieben! 11 Unter Ort wurde damals Türghaim und Türggheim

geschrieben.

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15

(Gedenktafel an den Benefiziaten Andreas Prestele am südlichen Eingang in die Pfarrkirche Türkheim)

(1866: Geiger ?) 1869: Martin Bufler, vorher Pfarrer in Haldenwang folgte

eodem anno 20 Nov. 1869 u geboren den 7. Nov 1803 5 Jahre

Pfarrer in Zusamzell, 5 Jahre Pfarrer in Reimlingen u 25 Jahre Pfarrer in Haldenwang bei Kempten starb 24 Dezb. 1876 in

Türkheim Er vererbte 1870 sein persönliches Habe an das

Türkheimer Benefizium. Er schreibt in sein Testament, dass er dafür will: a) ein übliches Begräbnis, b) die drei üblichen hl.

Messen und c) dass ein Gedenkstein an ihn in die

Kirchenwandmauer eingelassen wird.

(Gedenktafel an Martin Bufler am südlichen Eingang in die

Pfarrkirche in Türkheim)

1876: Michael Kirchmann. 1877 sollen Zur Correktion der

Wertach von Seiten des Frühmeßbenefiziums Türkheim von Pl.Nr. 3966 ¼ 26 Dezimal ad 1 Mk pro Dez. abgegeben werden.

1877: Anton Lippold, geb. 8. Juli 1804 in Fleyburg im Elsaß

Priester seit 14. Aug. 1828 früher Pfarrer in Witych..Benef.

angetreten 28. Juli 1877, starb 29 März 1878, Priester seit 15. Juni 1840

1878: Heinrich Zimmermann, geb. 23. Juli 1815 in Kempten,

vorher Pfarrer in Oberreichenbach 1850 in Sigmarszell 1855. Betzigau

1888: Josef Rabini

(Gedenktafel für die Benefiziaten Josef Rabini und Heinrich

Zimmermann sowie den Wiesensteiger Canonicus Simon Daser

am südlichen Eingang in die Pfarrkirche Türkheim)

1891: Johann Georg Hack 1898: Jakob Ostler

(Friedhof Türkheim)

(1914 vikariert Pfarrer Matthais Mair das vorübergehend

unbesetzte Benefizium)

1915: Martin Sontheimer, er vikariert in der pfarrerlosen Zeit. Er ließ bei seinem Amtsantritt, ein elektrisches Licht ins Benefizia-

tenhaus installieren.

1917 die Pfarrei Türkheim 1922: Johann Mayer

1925: Stephan Seitz

(Friedhof Türkheim)

1933: Franz Xaver Reiter (1938 vikariert Pfarrer Läuterer das vorübergehend nicht

besetzte Benefizium)

1938: Ulrich Litzel

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16

(Grab von Benefiziat Reiter auf

dem Türkheimer Friedhof)

Bereits 1956 wurde das Benefiziatenhaus samt Garten vom

Türkheimer Pfarrer verkauft.

Von Unwettern

Der Benefiziat erhielt von den vier Bauern in Aletshofen

Getreideabgaben, ebenso von einigen Grundstücken in Türkheim. Bei schlechter Ernte reduzierten die Benefiziaten

diese Abgaben oder wandelten sie in Geldabgaben um. Nicht

zuletzt deshalb schrieben einige Benefiziaten Naturkatastrophen und ähnliches auf:

1767: im Januar gegenüber dem Spital 2 Häuser abgebrannt.

Pferde- und Viehseuche, Anfang Oktober im Winter- und Sommerfeld Totalschaden durch Hagel; 40 Erwachsene und 20

Kinder sterben an Roter Ruhr. Überschwemmung der Wertach, das Wasser stand in vielen Häusern, Pferde und Hornvieh

wurden in den Schlossstall und zu höher gelegenen Bauern

evakuiert. Von dem obern Wirtshaus [Krone] hat man bis zu dem untern Haus gegen Ettringen mit einem Floß fahren können. Ein

86jähriger erinnert sich an keine solche Überschwemmung.

Anfang Oktober deckte ein Sturm Dächer ab und entwurzelte Obstbäume.

1768: Am 4. Januar zwischen 10 und 13 Uhr sah man am

Himmel 3 Sonnen mit einem Schweif. Dies könnte eine Ankündigung einer Strafe Gottes sein. Deshalb und zur

Abwendung von Hagelschäden wurde ein 48stündiges Gebet

abgehalten. 1769: Am 30. Oktober sah man von 7 bis 8 Uhr eine eigenartige

Morgenröte.

1770: Missernte 1771: Missernte

1774: Hagel in Aletshofen

1799: Gute Ernte; Einquartierung von 2 Kompanien Russischer Truppen nebst Österreichern. Eine kaiserlich-königliche

Companie war hier drei Wochen im Standquartier.

NB. Doch dabey zu merckhen, des, wann etwas über die Felder gehet, des wetter oder winter verderbt, ein Frühmesser denen

anderen giltherrn gleich in dem nachlaß sich verhalten solle.

Die FrühmussBaurn zahlen von all ihren gütern den bestand

oder handlohn den zehenden Pfennig so wohl vor wiß und

äckhern als hauß und garten, so bis dato noch den feldgütern

seynd was aber in vergangenem krieg und sterbszeiten vor güter von den Häusern und gärten kommen, der hofstattzinß und

Kuchldienst aber bey den Häusern bleiben, die wollen sich auf

keinen weeg mehr zu dem handloß verstehen. ist auch von der obrigkeit / wie wohl selbe selbsten auß dem ambt Protocoll

bekennen müssen, des zwischen ao 1630 und 40 ein dergleichen

Hauß verkauffen, und daraußstehende auf= und abfahrt wegen keine meltung gegen Käufer geschehen, solche kaufSumma umb

50 fl. sey geringert, worden / keine einzige aßistenz; habe

solches auch schriftlich und mündlich bey dem H. Dechanten seel: allhier und zu Matzsiess hinterbracht, ist doch nichts

erfolgt; ob ich demnach noch etwas dorvon bekomme oder nit

hab Indine eis est.

Aufgabe des Benefiziaten

Die von der allgemeinen Kürchen v[e]rordnete Creützgäng thut ein Frühmesser neben Herrn Pfarrer begleiten; kann vor[her]

oder nach[her] zu Türckheim Mess lesen. Die Extra ordinari

Creützgäng gehen ein Frühmesser nichts an. Von die Baurn von Blatshäusrn [Alletshofen] , so 2 ½ Stunden

von hier entlegen, [wenn sie] ihr[e] gilt bringen, ist der

Frühmesser schuldig den Bauern und Knechten, so hierzu

vonnöthen seindt, ein MittagSuppen, stuck Fleisch und trunckh

oder am Fasttag ein mehlspeiß zu reichen. Denen GültBauern in

Türckheim ist er nichts schuldig. Die gült ist zwischen S. Gallen [16.10.] und Martini [11.11.] , zu

welcher zeit sie auch die hofstatt zinß, gras[zins] und zins

gelder, wie auch die Ayr[Eier], Hiener und Hennen, wan jene solche nit in natura reichen, bezahlen.

NB Etliche zu Türckheim geben die [Getreide]gülten also

schlecht, das sie selbe ein und des andermahl auf dem [Dachgetreide]Boden noch einmahl haben Butzen müssen, ist

dannoch mehrern Teil noch Korn also schlecht, des ich Jährlich

einen Merklichen schaden leyde; wan ich klage, so muss ich allzeit ein strenger mann seyn und habe von weltl[ich]er

obrigkeit wenig oder gar keine aßistenz.

Hat ein Frühmesser 2 gastereyen zu genüssen, der Erste nach der Procesion in Festo Corporis christi[Fronleichnam]; an

welchem tag der Frühmesser die 4 Evangelia singen. dises ist

bei jetzigem Herrn Pfarrer aufgehebt worden und wird der

Frühmesser darvor bey der mahlzeit der Kürchen Rechnung

gehalten

NB. Schon 2 Jahr nach einander hat man mich zu dieser mahlzeit nit eingeladen und nichts dervon gereicht, welches der

Kürchen Vorstehende versprochen und Parollen geschicht. Die

2te wird gehalten nach dem grossen umbgang Dominiea infea oct[av]. Corporis Chri.[Sonntag nach Fronleichnam]

Des Frühmessers Vich[Vieh] genüsst die gemaindwayd und

wasser, ist zu nichts als dem hirtenlohn und Preiß der kleinen Hirten verbünden.

Die Frühmess wird an sonn und feirtagen im winter um 6 Uhr,

im sommer um 5 uhr gehalten. am werktägen mag er lesen, wens ihm gefällt; doch wird allzeit zuvor des zeichen geben [geläutet].

Einen eigenen Holztheil hat der Frühmesser an der Wertach,

solche [die Wertach] legt ihm bald zu, nimbt bald weckh, ist lauter gespreiß[Gebüsch], gibt nichts als Portzen[Reisigbündel];

des grobe holz muess ein Frühmesser alles kaufen. braucht

Jährlich weiter 10 bis 12 fl. Die Hirten muss er so wohl als andere speisen, wird nichts

freygelassen [nachgelassen] in hirten lohn.

Jahrtäg werden von dem Frühmesser keine andern gehalten, als welche von der Pfarr verkündt seyn. sein Competenz ist

unterschidlich, werden in etwas vermehrt. In Leonards capellen als meinem filial wird die kirchweyhe

gehalten am sontag nach Jacoben [25.7.]. muss Frühemesser

allda die Frühmesse halten, stehet ich frey ob er will, kann er ein ambt singen an S. Leonads in gleichen sonst muss er auch

allzeit über die andere wochen in dieser capell mess lesen, libera

quiden intentione, und hat Jährlich und beständig dervon zu erheben 1 fl des ist des frühmessers Probstey.

Ist schuldig der Frühemesser an sonn und feurtäg am libera

semper intentione, nihi adhit partiolis vel potiy lateaordinaria fundatis:

Item ist er schuldig einem Pfarrer helfen ambts und vesper

singen und beicht hören, doch ist des beichtgelt vor wenig

Jahren, wie vor gemeldt, verandert worden, und wachset

desonns des beicht hören wegen der vilen Bruderschaften und

vilen ablassen über die massen, vor welches alles dem frühemesser gar nicht bereicht wird, da er doch manchen sonn

und festtag bis auf die 100 oder noch mehr corfitenten zu hören

hat. An äckher hat er nichts, ein mad auf der flosach 4 ½ tagwerckh

einmädig, dann auf dem mos ein hausTheil, mehr einen

mihlanger, seien alles erst zu meiner Zeit mit ordentlichen Märckhen und Pfählen untersehen worden. Item ein krautgarten

und holztheil, wie oben gemeldt worden, behausung, kraut und

baumgarten. Hat ein Frühmesser ein gestüfte mess bey der Löbl:

allerchristgläubigen Seelen Bruderschaft, muss darbey, wie auch

alle Montag des ganzen Jahr bey der gestüften montagmesse die unter derzeit verschidene brüder und schwestern verkünden,

mehr 3 gestüfte und 2 andere messen zu lesen, vor welche und

jede Ihme Frühemesser aus der Casa frateritatisch gereicht wird 20 x und vor des Leonards Kaysers Jahrtag hat er 30 x.

zusammen 30 fl 30 x mehr hat ein H: Pfarrer und Frühemesser

bey der Lauretanischen Bruderschaft alternation 4 Quatember Messen, worbey auch darunter die zeit gestorbenen abgelesen

und verkündet werden. Vor jede wird bezalt 20 x und vor den

Frühmesser 40 x

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Konversion zum Irvingianismus

Der Irvingianismus – benannt nach Edward Irving

(1792 – 1834) – ist besser bekannt als katholisch-

apostolische Gemeinde. Er ist ein Vorläufer der

„Neuapostolischen Kirche“. 1871 traten drei

Türkheimer dieser Sekte bei.

Am 29. Juni 1871 trafen sich in Türkheim, zum

zweiten Male, in der Wohnung des Postboten

Anwander ein Diener der Privat-Religions-

Gesellschaft der Irvinganer von Schwaben und

Unterfranken, der Schäfflermeister Anton Eberle,

der Postbote Lorenz Anwander und seine Frau

Kreszenz, die Mutter der Kreszenz Anwander und

die Kinder Josefa Anwander, Franz Eberle, Viktoria

Eberle. Zuvor besuchte man schon Gottesdienste

der Irvingianer im Hause eines Bahnwärters in

Buchloe. Bei diesem Treffen hielt der Irvingianer

einen Vortrag und dann betete man. Das

Postbotenehepaar und der Schäffler entschlossen

sich hierbei, zur „katholisch-apostolischen Kirche“

überzutreten, obwohl man gegen die katholische

Kirche gar nichts vorzubringen hätten. An einer

anderen Stelle äußern sie hingegen als einen Grund

für den Übertritt das Unfehlbarkeitsdogma des

Papstes, festgelegt im 1. Vatikanischen Konzil. Die

Kinder des Postbotenehepaars sollten hingegen in

der katholischen Kirche bleiben, da sie noch in die

Schule gingen und hier die geistliche Schulaufsicht

herrschte. Auch die Frau des Hausbesitzers wollte

in der röm.-kath. Kirche bleiben. Als Josefa

Anwander (*5.7.1858) 1879 21 Jahre alt wurde, trat

sie ebenfalls aus der kath. Kirche aus und in die

„kath.-apostolische Kirche“ ein.

Anmerkungen:

Der Schäfflermeister Anton Eberle wurde im Juli

1816 in Altensteig bei Dirlewang geboren. Seine

Frau Genovefa könnte 1868 das Haus mit

Schäfflerei in der Frühlingstr. 12 in Türkheim

gekauft haben. Als Witwer heiratete er 1873 die

ebenfalls invinganische, ledige Charitas Mohr aus

Nattenhausen, geb. am 13. Dezember 1823.

Quellen: Staatsarchiv Augsburg (BA Mindelheim

1654, 1655), Kath. Pfarrarchiv Türkheim

Schutzpockenimpfung in Türkheim

1807 wurde in Bayern der staatliche Impfzwang

gegen Pocken eingeführt. Es wurde vorgeschrieben,

jeweils Anfang Mai die Impfung jährlich

durchzuführen. Im Pfarramt musste Buch geführt

werden, welches Kind geimpft wurde und wie

erfolgreich die Impfung war. 100 Jahre später

beschreibt Dr. Anton Noder ironisch, wie es bei

einer solchen Impfung zuging. Im Pfarrarchiv

Türkheim liegen noch einige Listen der

Impfpflichtigen. Diese sind auch für die

Familienforschung nicht uninteressant.

HNr. Name, geb. . Beruf des Vaters

1817 49 M.Rosina Bergmüller, * 24.4.1816 Zimmermann

1817 49 Joh. Baptist Bergmüller,*15.9.1817 Zimmermann 1817 112 M. Kreszentia Bergmüller, *4.6.1816 Schreiner

1817 136 Friedrich Aurbacher, *27.3.1817 Nagelschmid

1820 112 Othmar Bergmüller, *14.11.1819 Schreiner 1820 49 Dominikus Bergmüller, *10.7.1820 Zimmermann

1820 85 Theresia Roth, *17.3.1820 Schneider 1821 14 Benno Högg, *14.6.1821 Söldner

1821 52 Maria Viktoria Janetti, *23.4.1820 Zinngießer

1822 136 Franz Joseph Günther Aurbacher, *28.11.1821 Nagelschmid +

1822 103 Valentin Ludwig Vikari,*14.2.1821 Kaminkehrer

1822 121 Matthäus Vögele, *20.9.1822, Bäckermeister 1823 112 Maria Barbara Bergmüller,*23.8.1823 Schreiner

1828 179 Wilhelm Kleinhenne,*28.12.1828 Glasermeisster

Feldkreuze und -kapellen

Kläsla-Kreuz an der Straße nach Tussenhausen

Kläslakreuz an der Straße nach Tussenhausen, Aufn. 19.9.1993

Seit Menschengedenken steht an der Straße von

Türkheim nach Tussenhausen, früher fast

ausschließlich „Angelberg“ genannt, das

Kläslakreuz. „Kläsla“ war der Hausname der

Familie Baur, Augsburger Straße 5. Sie hatten hier

einen Acker, den sie immer „Kreuzacker“ nannten

und dort stand auch ihr Feldkreuz. Der Flurname

war auch „Hauser Kreuz“. Vielleicht kommt

„Hauser“ von „Tussenhausen“. Bei der

Flurbereinigung 1952 wurden das Grundstück des

Bauern Baur ungefähr 100 m „zum Ort her“ verlegt.

Dieser Verlegung folgte 1964 auch ein neues

Feldkreuz.

Das Eichenkreuz hat einen Christuscorpus, aus

dessen rückseitigen Beschriftung hervorgeht, dass

er dem „Kläsla“ gehört und 1964 von Paul Benziger

geschnitzt wurde.

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Kläslakreuz, Christus mit Maria, aus Metall, an der Straße nach Tussenhausen, ca. 100 m westlich des heutigen Kreuzes, Aufnahme 1943

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Alte Häuser – Altes Handwerk

Maximilian-Philipp-Straße 5 (Benefiziatenhaus)

Da das Benefiziatenhaus ein kirchliches Stiftungsgebäude

war, finden sich darüber viele Angaben in Archiven, allen

voran dem Staatsarchiv in Augsburg (BA MN II, 1429)

und dem Pfarrarchiv in Türkheim.

Nach einer Benefiziatenchronik (Pfarrarchiv Türkheim)

schätzte das Bezirksamt Mindelheim nach dem Tod der

Frühmeßbenefiziaten Johann Bapt. Sommer – abge-

gangen am 25. Januar 1839 – was im Benefiziatenhaus

herzurichten ist. Hierin wird das Innere des Hauses

beschrieben:

Wohnstube (16 Fuß lang, 16 Fuß breit) Türenanstrich mit

Ölfarben, hat ein neues, französisches Schloss.

Milchstüble neben dem Wohnzimmer;

Nebenzimmer ebenen Erds; Küche; Speise; Keller;

Hausflötz; in der Kammer ebenen Erds Waschküche,

Treppe und Vorplatz Wohnzimmer über 1 Stiege;

Nebenzimmer über 1 Stiege; Einheitz- Zimmer der

Köchin; Magdkammer; Boden.

Sachverständiger war der Ettringer Maurermeister Joseph

Stiller. Der Kostenvoranschlag vom 20. Juni 1839 mit

genauer Beschreibung der auszuführenden Arbeiten

erstellte der Türkheimer Maurermeister Settele. Die

Schreinerarbeiten erledigte Xaver Bergmüller. 1841

vermerkt der königliche Bauinspektor: …vorne die

Kreuzstöcke doch keiner Priester Wohnung in einem

Markte entsprechend. Es wurden daher 5 neue

Kreuzstöcke gesetzt… Eine Hauestube im Wohnzimmer

zu behalten, ist über alles unpassend. Es wurde daher

dieser Verschlag zum Speisstüberl verwendet.

…Gesamtkosten 183 fl.

Am 23. September 1845 ist vermerkt: Schon lange ist es

ein Wunsch, das Benefiziatenhaus und dessen

Baugebrechen herstellen zu lassen, allein die

Hindernisse, dass ich [der Benefiziat] mein Vorhaben

nicht realisieren kann, ist dies: H. Zimmermeister

[Joseph] Prestele der an mich eine Forderung von 13 fl 6

x machen will, die eben nicht mich, sondern meinen

Herrn Vorgeher angeht, wenn nun die Dachrinne nicht

gemacht wird, so leidet das Haus, weil schon das

Gemäuer geng den Buchbinder hinausfallen scheint, Es

ergehet nun meine gehorsamste Bitt, den Zimmermeister

verstehen zu lassen, dass er einen Gefallen herstellet, wie

dringensfalls ich mich von allen weiteren Baukösten

versagen. …Waibel Benefiziat. Prestele erklärt dem kgl.

Gericht, dass er die Dachrinne nicht richten wird, da er

noch Forderungen über 13 fl 6 x von seiner letzten

Tätigkeit vor 5 bis 6 Jahren hat. Der Vorgeher des

Benefiziaten, Benefiziat Ehrhart, ist nun Wallfahrts-

direktor in Herr Gotts Ruhe. Er zahlt 2 Gulden.

Allerdings vermerkt er: Ganz unerwartet von mir nach 4

Jahren – so lange ist es dass ich in Türkheim schon bin –

eine Forderung, die ich gar nicht einmal vermuthen

konnte, da ich nun vor circa 1 ½ Jahren eh von diese

Blanke samt Schlag und Thüre durch den sogenannten

Gäßele Schreiner [Schreinerei Bergmüller] richten ließ.

1846 ging es wieder um Arbeiten am Benefiziatenhaus.

Der Staat gab die Erlaubnis, dass die Loretokapellen-

stiftung dies bezahlen darf.

1848 sind wieder Bau- und Ausbesserungsmaßnahmen

notwendig. 1865 stirbt Benefiziat Dürr und das Haus

wird wieder renoviert: …Keller: Das Backsteinpflaster in

den Fugen auskratzen… Anstrich der Kellerfalle…

Vorplatz ebner Erde: Erneuern des Anstriches der

Hausthüre gegen Aussen… Wohnzimmer….

Waschkabinett… Küche:… 25 neue geschliffene

Solnhofer Steine Speisekammer… Waschküche, Abtritt,

Kammer Dreschtenne: Zur Ausbesserung des

Bretterbeleges… Kühstall… Das Backsteinpflaster…

aufzuheben und mit neuen Backsteinen zu legen; zur Thür

gegen den Hof ein eichenes Unterstück, die Heubühne

ober dem Stall… Wohnzimmer: Gegen Westen 3 neue

Läden… Cabinett… Kamer gegen Norden: Ein neuer

Bretterboden… nach Abzug der Kaminfläche… Kammer

gegen Süden zum Kreuzstock ein neues Unterstück…

Kammer gegen Norden: Reparatur des Deckenverputzes

Bodenstiege: Einen neuen eingeschobenen Tritt…

Dachboden: Der in den Hauptkamin einmündende Kamin

hat sich vom ersteren etwas losgetrennt, müssten die

Fugen aus

Benefiziat Oswald Kirchen schreibt: Das völlige

FrühemessHaus liegt bis Dato einem Frühemessers zu

unterhalten. Ich habe es 1699 und 1700 von grund

erhöbt. Völlig aufgemauert und aufgebaut, nach vorhero

erhaltenem geit. Consens. Ist mir auch nachfolgendes

Jahr ein Brieff von einem Hochgeistl. officio

herausgegeben worden, des nemlich ein Succeßor

verbünden seye, mir oder den meineigen vel sios causas

jesto meam disdispohibitionem jährlich bis auf Ao 1730

inclusive 10 fl. zu refundieren schuldig seye. Der völlige

Pau hat 686 fl 27 s importiert. Deran seynd dem H:

Dechat selel: allhin an dem Pauschilling indem er die

Frühmuss bis in die 12 Jahre neben der Pfarr genossen,

von einem Hochgeistl: officio zugeschossen worden 30 fl.

Ihre Drtl. Herzog Maximilian x. als Denominator und

Brofentator Crimisario haben aus keiner Schuldigkeit,

sonder aus Höchstfürstl: Mildigsten Gnaden hierzu von

dero Castenamt also bezahlen lassen 100 fl. Mehr von

dero ziegelstadl hergeben lassen 15000 stein. Item 8000

Dachblaten und den bedürftigen Kalch. Die gemaindt hat

sich erbotten mit zuführung und zutragung an die hand

zugehen, ist aber aft sehr schlecht hergangen und habe

ich mannichsmahl selbsten damit die Maurer nit

gesaumbt werden, bis 2 Stund müssen stein tragen. Des

übrige hab ich alles selbst müssen entrichten und annoch

von wenigen angewendet, Laut nacher AugsPurg

gegebener rechnung 310 fl.

NB: Es seyed mir nachgehends von allhiesigen gotthaus

welches sonsten des Frühemess Haus ein und des andere

mahl hat Reparieren lassen, aber bey meiner erbauung

sich aus der Schlinge gezogen, 37 fl 30 x überlassen

worden, welche ich 1701 mehrmahl verbauth zu besser

und bequemlicher unterhaltung des S.V: Khüe Viehs und

stall aus dem haus transferiert, welcher Pau eben

derentwegen, weil er nit aus des Frühemessers sondern

den KirchenMitl geschehen ist, bey einem Hochfrstl:

officio nit confirmiert worden.

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Maximilian-Philipp-Str. 8 (Mesnerhaus)

Der Plan wurde 1854 von Maurermeister Settele

und Zimmermeister Prestele gezeichnet. Damals

war beabsichtigt, an das Lehrerhaus eine Wasch-

und Backküche für den Lehrer Johann Kleber

anzubauen.

Rechts verläuft die „Herren Straße“, heute

Maximilian-Philipp-Straße. Parallel zu dieser

verläuft das „Langweidbächel“. Dann folgt ein

Bürgersteig und dann das Rathaus, heute

Raiffeisenbank. Hinter dem Rathaus war eine freie

Rasenfläche mit einem kleinen Gärtlein. Nördlich

des Rathauses war das Mesnerhaus. Es gehörte der

Kirche. Hier wohnte der Mesner, welcher zugleich

Schullehrer, Organist und Chorregent war. In

seinem Haus fand auch die Schule statt. An der

Südostecke stand ein Baum. Auf dem westlichen

Grundstück war ein Wurzgarten angelegt. Hier

wollte man auch die Wasch- und Backküche bauen.

An dieses Gärtlein schloss sich nördlich eine

Scheune an, hier bezeichnet mit „Peppel“. Sie

gehörte noch zum Gasthaus „Adler“, dessen

Besitzer die Geschwister Pöppel damals waren.

Zwischen dem Grundstück des Lehrerhauses und

dem Rathaus führte ein „Fahrweg“ zum Anwesen

des Bernhart Bauer.

Postkarte der 1920er Jahre. Südlich des Mesnerhauses (rechtes Haus) war ein eingezäuntes Gärtlein mit einem Baum. Auf der „vorderen“

Straßenseite erkennt man vor dem Geschäftshaus Bader eine Zapfsäule (links) sowie Bäume und Einzäunung der Mariensäule (rechts).

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(Pfarrarchiv Türkheim)

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Frühlingstraße 2 (alte Hausnr. 74 ½)12

Das Haus ist dreigeteilt: Vorne befindet sich das Wohnhaus, dann die „Wangerei“, anschließend die

Landwirtschaft. Rechts lagern Bretter für den Wagner und vorn in der Mitte steht noch ein Gumpen, ein

Pumpbrunnen. 1908 erwarb Leopold und Barbara Riedler dieses Anwesen. Wohl bald darauf ließ er sich mit

Familie stolz vor der Neuerwerbung fotografieren.

Geläut der Nebenerwerbslandwirtschaft Riedler/Mayer

12 Unterallgäuer Rundschau vom 26.3.2014

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Die meisten Handwerker waren früher auch Nebenerwerbslandwirte. Die Landwirtschaft wurde in den 1970er

Jahren aufgegeben. Der einzige Sohn und Werkstattnachfolger in spe des Wagners, Anton Riedler, fiel im

Krieg. Hinzu kam die Mechanisierung bei der Herstellung von Wagenrädern. In den 1960er Jahren hörte diese

Türkheimer Wagnerei auf.

Anton Riedler in der „Wangerei“ am 8. Mai 1932

Anton Riedler mit seinem Gesellenstück, 1932

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Alte Klassenfotos

Das Foto wurde 1951 vor der Turnhalle aufgenommen. Es zeigt den Jahrgang 1937 in der 8. Klasse der Knabenschule Türkheim.

vordere Reihe (von links): Baur Hermann, Laifle Helmut, Mößnang Alfred, Bleyer Hubert, Müllner Georg, Baur Georg, Wagner Max,

Eberhard Norbert, Böck Mathias - mittlere Reihe (von links): Dempf Alfred, Holzmann Stefan, Böck Hermann, Harzenetter Walter, Schregle

Sepp, Krumm Ernst, Rößle Engelbert, Götzfried Franz, Roch Martin - hintere Reihe (von links): Schuhwerk Alois (Lehrer), Burger Werner,

Zerle Alfred, Kaltenmaier Rudolf, Stadler Hermann, Schöffel Martin, Bleyer Anton, Kaltenmaier Josef, Röderer Albert

Die 6. Klasse des Jahrgangs um 1937 wurde nach dem Krieg in einem Saal im Gasthaus Adler unterrichet, da sich in der Mädchenschule

Amerikaner einquartiert hatten. Dieses Foto wurde 1949 vor der Kegelbahn, im Hof des Gasthauses Adler, nördlich des Mesnerhauses,

aufgenommen. vordere Reihe (von links): Melder Margarethe, Rehklau Emma, Zitzler Reinhilde, Eisenlohr Marlene, Zinsler Luise, Schmid Elfriede, Holzmann Doris, Wiedemann Gisela - mittlere Reihe (von links): Schneider Elisabeth, Trommer Rosa, Sirch Viktoria, Götz

Elisabeth, Schmid Maria, Keppeler Anni, Teifler Centa, Leinsle Elfriede, Baur Hildegard, Kaut Erna, Fichtel ? (Lehrerin) - hintere Reihe

(von links): Reiter Irmgard, Zink Annemarie, Holzmann Elfriede, Zink Rosa, Schmid Fanny, Senner Doris, Klein Marianne

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Jahrgang 1942, 1956 vor der Turnhalle mit dem Spätheimkehrer Drexel aus russischer Gefangenschaft aufgenommen. Die Schüler hatten damals gesammelt und Pakete nach Russland an Herrn Drexel geschickt. Nach seiner Entlassung hat er die „Sammler“ besucht und da ist

dieses Foto entstanden. Vorn li.: Seitz Erwin, Hofmann Rainer, Theifler Walter, Wörz Hans, Drexel, Neugebauer Heinz, Metzger Gottfried,

Kähler Karl – mittlere Reihe von li.: Hintner Robert, Platzer Günter, Hefele Manfred, Wörz Hans, Zwinger Rudolf, Schwarzenbacher Josef, Forster Josef, hintere Reihe von li.: Unbekannt, Braun, Wagner Peter, Frau Drexel (ehemalige Lehrerin und Schwester des Spätheimkehrers),

Lehrer Römer Karl, Pleitner Günther, Sube Dieter.

Jahrgang 1942, 1956 vor der Turnhalle

vordere Reihe, von li: Helmut Kaut, ? , Günter Platzer, Josef Schwarzenbacher, Harzenetter, ? , Heinz Neugebauer, Jakob Maier, Werner Baur, Walter Theifler - mittlere Reihe, von li.: Theo Böck, Rainer Hofmann, Braun, Voigt, Rudolf Zwinger, Lehrer Müller, Anton

Weizenegger, Xaver Magg, Josef Reichart, Holzheu obere Reihe, von li.: Heinz Wölfle, Helmut Schöffel. Johann Schmid, ? , Hörtrich Ernst, Seitz Erwin, Georg Böck

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Jürgen Gnauk

Jürgen Gnauck wurde 1959 in Neukirch in der

Oberlausitz geboren, wuchs in einem Kinderheim

auf, arbeitete später als Maurer und wurde durch

einen Arbeitsunfall behindert. Er versuchte aus der

DDR zu flüchten, wurde verraten, eingesperrt und

später in den Westen abgeschoben. Seit November

1996 lebte er zeitweise im alten Pfarrhof in Türk-

heim. Er starb um 1999 und wurde auf dem

Friedhof in Türkheim beerdigt. Herr Gnauck

schrieb einige postromantische Gedichte, welche

eine sehr dichte Naturstimmung wiedergeben:

Bergzauber

Der Nebel steigt im Meer aus Schweigen, von dem

Tale auf.

Suchend flüstert er in die steilen Klüfte ein.

Es strömen wilde Ströme der Gipfel Haupt.

Noch verlugt sich hier der goldne Glitzerschein.

Der Wind lauscht in Ruhe fort.

Ein stummes Bild tut dem Herzen weh.

Kein Hauch tut die Stille dort.

So wie im Traum, den ich manchmal seh.

Die Kuppen lauschen in Erstaunung diesem leisen

Königsspiel.

Die Berge schweigen und die Wolken neigen

ehrfurchtsvoll ihr weißes Haupt, zu den Majestäten

hin.

Aphorismen

- Dem freien Willen sind keine Grenzen gesetzt.

Wer niemals etwas richtig will, dem gelingt auch

nichts Großes.

- Der Wege sind sehr viele,

keiner hilft dir aber ohne Ziel.

- Der Morgen beginnt früh

und der Abend endet spät

Dazwischen aber liegt viel.

- Die Ehrlichkeit bringt es immer zu Etwas.

- Die Wasser fließen stetig nach oben

und ein Kind kann nicht auch Vater sein.

- Wer nichts unternimmt, kommt nicht vorwärts.

- Wer keinen Weg sucht, findet auch kein Ziel.

Wandelreigen

Drunten im Tale in tiefer Sohle

hallt ein leiser Schritt dahin,

aus der Jugend Wandertage,

träumend von der Sehnsucht Sinn.

Wir suchten unsre Wege,

so still für uns dahin.

Es führten uns die Freiheit

zu einem frohen Sinn.

Die Tannen immer zeigen

ihr Antlitz in dem Weltenbild.

Die Nacht die dann vorüber geht,

sie sieht die Zweige nimmer.

Ein Brünnlein hört ich fließen,

es floß so still dahin.

Da wurde mir zu Sinne,

als wenn ich bei dir bin.

Rosen tanzen auf dem See

ihren stillen Reigen.

Ein Kranich hebt vom Ufer ab

und bricht das Märchenschweigen.

Die wilden Wege

Der Vogel saugt ohne Unterlaß im Moor,

die Zeit schweigt ewig.

Am grauen Hain wo Trauer saß,

da wurde mir so flehig.

Eine Blüte wiegt im Winde,

beginnt zu träumen vom Moor.

Eine Knospe sticht so linde,

und schießt den Honig hervor.

Weißes Licht steht unter Bäumen,

das der Kristall des Winters verlor.

Schwere Wiesen atmen brachend,

wähnend sich zum Waldrand hin.

In dem Wind der weiten Hügel

ruht noch freie Sehnsucht drin.

Hohe Hänge in der Ferne,

rauchen alten Nebel fort.

Zeigt der Abendhimmel Sterne,

spielend im Gewölke dort.

Gibt ein Blick zum Bergesgipfel

leise Hoffnung neuen Hort.

Türme lassen Zinnen blinken,

aus dem fernen Zeitenhall.

Kann das Strahlen wiederbringen

diesen treuen Frühlingsschall.

Rosen tanzen auf dem See, ihren stillen Reigen.

Ein Vogel steigt von Ufer auf und bricht das

Mühenweigen.

Ein Brünnlein hört ich fließen,

es floß so einsam hin.

Da wurde mir zum Sinne,

als wenn ich bei Dir bin.

Auf einmal klang’s als hörte man rufen, aus der

Tiefe einen alten Geist.

Von dem die Fischer sagen, niemand wüsste wie er

heißt.

Waldesruh

Es schweigt der Wind

Es schweigt die Flur

Es schweigt die waldische Natur.

Wir kühlen Bächlein fließen leise fort.

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Das Hausaltärchen (Höhe 105 cm) wurde von Josef Baur (1855 - 1928) in Anlehnung an den früheren Hochaltar

in der Türkheimer Pfarrkirche gebaut, 1927 von seinem Sohn Rupert Baur (1888 - 1968) renoviert und von

dessen Sohn Josef Baur (*1929) 1984 restauriert und mit elektrischen Kerzen versehen. Im Monat Mai wird die

Wachsfigur des Auferstandenen durch eine Marienfigur ersetzt.

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Chronik vom 1. Januar bis 30. April 2014

MZ vom 13. Januar: Krönungsball der Wertachfunken

Gemeinderatsitzung am 16. Januar 2014 (Protokollauszug)

Der Marktgemeinderat beschließt, die Verzehrgelder für die verschiedenen Wahlen wie folgt festzulegen:

Kommunalwahl: 40,00 €, Bundestags-, Landtags- und Europawahl 40,00 €. Der Marktgemeinderat beschließt

auf Antrag des ESVT folgende Reparaturen mit 50% der entstandenen nachgewiesenen Kosten zu bezuschussen:

- Zamboni Reparatur (2.121,92 € netto laut Kostenvoranschlag), Instandsetzung der Kälteanlage ( 7.912,08 €

netto laut Kostenvoranschlag). Der Marktgemeinderat beschließt, dem Feldweg an der Baumschule Goßner den

Namen „Rechbergweg“ zu geben. Der Marktgemeinderat beschließt, zusammen mit den VG-Gemeinden

Wiedergeltingen und Amberg jeden Dienstagvormittag einen Fahrdienst für ein halbes Jahr auf Probe für

Senioren einzurichten. Kosten für das halbe Jahr: 412,53 €. Vgl. auch Mindelheimer Zeitung vom 27. Januar.

MZ vom 15. Januar: Jahresversammlung der Freiwilligen Feuerwehr. Gerhard Rindle (1. Vorsitzender), Stephan

Benziger (2. Vorsitzender), Armin Specht (Schriftführer), Josef Baur (Kassier), Ulrich Schwelle (Kommandant)

MZ vom 22. Februar: Weihe des Anbaus beim Elisabeth-Kindergarten. Er kostete 600.000 €.

Gemeinderatsitzung vom 26. Februar 2014 (Protokollauszug)

Der Marktgemeinderat beschließt, Herrn Ralph Czeschner zum ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten zu

ernennen.

MZ vom 27. Februar: Innerortsverkehr mit Maximaltempo 30 km/h

MZ vom 5. März: Faschingsumzug

MZ vom 18. März und 27. März: Neue Gemeinderäte: CSU: Roswitha Siegert, Max Zech, Josef Miller,

Annemarie Huber, Jens Gaiser, Harald Seitz, Gerhard Rindle; SPD: Irmgard Schäffler, Walter Fritsch, Markus

Schöffel, Agnes Sell, Carina Fritsch, FW: Peter Ostler, Franz Haugg, Josef Vogel, Otto Rinninger, Michaela

Vaitl-Scherer, Cornelia Neugebauer; Grüne: Rudolf Mendle, Gudrun Kissinger-Schneider

Gemeinderatsitzung am 20.3.2014 (Protokollauszug)

Kiga- und Kitagebühren ab 01.09.2014: Geschwisterermäßigung: 50 % für das 2. Kind und 100 % ab dem

dritten Kind. Ferienbetreuung Kindergarten und Hort: Halbtagsbesuch (Betreuungszeit Vormittag bis

einschließlich 12.15 Uhr) 4,00 €/Tag, Ganztagsbesuch (Betreuungszeit über 12.15 Uhr hinaus) 7,00 €/Tag

MZ vom 31. März: Ostermarkt

MZ vom 2. April: Kunstausstellung von Arbeiten von Helga Dahn, Martin Polk, Peter Huf, Gabriele Ritter,

Eduard Jäger, Edith Gruber, Marlen Labus, Roland Müller, Erik Urbschat im Kleinen Schloss

MZ vom 9. April: Jahreskonzert des Akkordeonorchesters

MZ vom 10. April: Aufführung des Requiems von Mozart in der Pfarrkirche

MZ vom 12. April zur Gemeinderatssitzung:

Schuldensstand: 1.792.750 €, Pro-Kopf-Verschuldung: 179 €; Haushaltsgesamtvolumen: 15.400.000 €;

Einwohner: 6763;

1. Mai – 4. Mai: Töpfermarkt im Schlossgarten