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S OZIOLOGIE , 37. J G ., H EFT 1, 2008, S. 7–26 Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen Revolution Frank Welz In Zeiten der digitalen Revolution ist es ein Glück, der Soziologie zuzuge- hören. Bologna, Redmond und das WorldWideWeb gönnen der universitä- ren Organisation von Forschung und Lehre keine Ruhe. Angesichts der anstehenden Umwälzungen durch sukzessive Umstellung auf Studiensys- teme angelsächsischen Zuschnitts auf der einen Seite und dem noch unbe- rechenbaren Einfluss der Digitalisierung von Publikationen (in der For- schung) und Informationen und sogar der Kommunikation (in der Lehre) auf der anderen Seite, stehen einschneidende, aber noch ganz unklare und ganz gewiss nicht-intendierte Veränderungen an. Herab- und wegsehen, jammern und bedauern und des Weiteren verzehrend zurücksehen auf eine Zeit Humboldtscher Universität, der man selbst nie teilhaben durfte, sind die klassischen Reaktionen in Fächern, denen Massenbetrieb, angewandte Orientierung und Nachfragesteuerung des Studienangebotes immer schon antiuniversitär erschienen sind. Nicht so für die Soziologie. Sie bekommt neuen Stoff, muss beobachten – und sie kann mittun. Was? Im Publikationswesen, das Rankings und Forschungskarrieren steuert, sieht man eine Umstellung der Finanzierung von der Konsumenten- auf die Produzentenseite und entsprechend einen freien Zugang zum digitali- sierten Wissensangebot der Bibliotheken voraus. Für die Zukunft der Dis- ziplinen antizipiert Andrew Abbott (2002: 224) für das US-amerikanische Hochschulsystem im Blick auf neue marktinduzierte, internetbasierte Cur- ricula und Lehrmaterialien eine weitere Verengung in der Spitze privater Liberal Arts Colleges. Diese werden weiterhin klassische disziplinäre Aus-

Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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Page 1: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

S O Z I O L O G I E 3 7 J G H E F T 1 2 0 0 8 S 7 ndash 2 6

Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen Revolution Frank Welz

In Zeiten der digitalen Revolution ist es ein Gluumlck der Soziologie zuzugeshyhoumlren Bologna Redmond und das WorldWideWeb goumlnnen der universitaumlshyren Organisation von Forschung und Lehre keine Ruhe Angesichts der anstehenden Umwaumllzungen durch sukzessive Umstellung auf Studiensysshyteme angelsaumlchsischen Zuschnitts auf der einen Seite und dem noch unbeshyrechenbaren Einfluss der Digitalisierung von Publikationen (in der Forshyschung) und Informationen und sogar der Kommunikation (in der Lehre) auf der anderen Seite stehen einschneidende aber noch ganz unklare und ganz gewiss nicht-intendierte Veraumlnderungen an Herab- und wegsehen jammern und bedauern und des Weiteren verzehrend zuruumlcksehen auf eine Zeit Humboldtscher Universitaumlt der man selbst nie teilhaben durfte sind die klassischen Reaktionen in Faumlchern denen Massenbetrieb angewandte Orientierung und Nachfragesteuerung des Studienangebotes immer schon antiuniversitaumlr erschienen sind Nicht so fuumlr die Soziologie Sie bekommt neuen Stoff muss beobachten ndash und sie kann mittun Was

Im Publikationswesen das Rankings und Forschungskarrieren steuert sieht man eine Umstellung der Finanzierung von der Konsumenten- auf die Produzentenseite und entsprechend einen freien Zugang zum digitalishysierten Wissensangebot der Bibliotheken voraus Fuumlr die Zukunft der Disshyziplinen antizipiert Andrew Abbott (2002 224) fuumlr das US-amerikanische Hochschulsystem im Blick auf neue marktinduzierte internetbasierte Curshyricula und Lehrmaterialien eine weitere Verengung in der Spitze privater Liberal Arts Colleges Diese werden weiterhin klassische disziplinaumlre Ausshy

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bildungen (und insbesondere dann noch exklusiver Sozialkapital und Gateshykeeper-Kontakte) bereitstellen Doch komplementaumlr dazu wird der riesige Rest der amerikanischen Tertiaumlrbildung auf einer teils jenseits der Disziplishynen platzierten Phalanx von im Internet basierten teils mit kommerziellen Kursangeboten bestuumlckten Curricula aufruhen Lernen insgesamt so ein weiteres Argument wird im Lebensverlauf an Bedeutung gewinnen Es wird nicht mehr eine Wissensaneignung auf Vorrat sein sondern lebensbeshygleitend organisiert werden muumlssen (Goertz Johanning 2007 254) ndash dann mit digitaler Ruumlckbindung an die Hochschulen

Nun hat es die Soziologie auch in diesem Zukunftsausblick wie stets mit besonderem Stoff zu tun Sie bleibt nicht allein Beobachterin der digitalen Revolution und deren moumlglichen Folgen fuumlr die universitaumlre Konstellation Fuumlr sie und alle weiteren sozial- und kulturwissenschaftlichen Faumlcher geht es auch darum sich zu verhalten in der gegenwaumlrtigen Situation der computershybasierten Reorganisation des Wissens Doch Was koumlnnen sie tun

Die erste Dekade der informations- und kommunikationstechnologishyschen (IKT) Euphorie an den Hochschulen gab wenig Vorbild Statt der multimedialen Archivierung von immer neuen Lehrmaterialien kommt es fuumlr die Soziologie und ihre Nachbarwissenschaften auf Anderes an Erst in der aktuellen Verschiebung der IKT-Aufmerksamkeit von der Archivieshyrung zur Prozessorganisation scheint denjenigen Forschungs- und LehrshyLern-Prozessen besser Rechnung getragen fuumlr die raquoKommunikationlaquo im Forschungsobjekt wie als Medium der Ausbildung zentral ist

Im Folgenden skizziere ich zunaumlchst einige Herausforderungen gegenshywaumlrtiger Wissensaneignungsprozesse angesichts ihrer computerbasierten Reorganisation (1) Dann gehe ich auf die Spezifik der nicht-natur- nichtshyingenieur- nicht-angewandten Faumlcher ein die geltend zu machen ist um in Entwicklungen wie Blended Learning Open-Access Web 20 usw allererst die eigenen Chancen zu sehen und nicht die Gefahr uumlberrollt zu werden (2) Zuletzt zeige ich wie es unter den Realbedingungen des universitaumlren Lebens im Freiburger Beispiel eines internationalen zunaumlchst virtuellen dann rsaquorealenlsaquo universitaumlren Lehrverbunds und interkontinentalen Mastershyprogramms schon seit 1998 unternommen wurde den IKT-Einsatz dem Nachfragebedarf anzumessen statt umgekehrt (3)

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1 Von der postmodernen Expansion des Wissens zu seiner computerbasierten Reorganisation

Das raquoWissen in den informatisierten Gesellschaftenlaquo zu untersuchen war Ende der 1970er Jahre Jean-Franccedilois Lyotards (1986 19) Auftrag im Nashymen der kanadischen Provinzregierung von Quebec Lyotard konnte dashymals nicht wissen dass seine entsprechende Gelegenheitsarbeit ndash wie er sie sah ndash zur intellektuellen Initialzuumlndung des dann ausgerufenen Zeitalters der Postmoderne werden sollte Erst die Architektur dann die Kunst die Kultur dann ganze Gesellschaften wurden als postmodern bezeichnet Erst seit der Jahrtausendwende wurde es ruhiger um die Postmoderne Die Rede von der Globalisierung loumlste das Modewort ab Der Sachverhalt bleibt Die postmoderne Situation gerade in der Analyse Lyotards ist zushyerst eine Situation der Expansion des Wissens Wir leben in einer Wissensshygesellschaft An die Heterogenitaumlt des Wissens die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewoumlhnt Was heute noch offen ist sind die Prozesse der gegenwaumlrtigen computerbasierten Reorganisation des Wissens in der Informationsgesellschaft

Bei aller Rede von der postmodernen Kultur ist oft vergessen dass Lyotards philosophische Thesen von der zunehmenden Differenzierung und Pluralisierung der Weltanschauungen Orientierungen und Einstellunshygen eine techniksoziologische Grundlegung haben Ausgangspunkt seiner oben genannten Untersuchung ist die raquoVervielfachung der Informationsshymaschinenlaquo (Lyotard 1986 22) Diese geben den Anlass fuumlr den kultushyrellen postmodernen Wandel Die postmoderne Situation des Wissens so argumentiert Lyotard der die Ausweitung der ersten experimentellen Vishydeokonferenzen zwischen Universitaumlten in Quebec und Paris gutachterlich bewerten sollte geht zuruumlck auf informationstechnologische Transformashytionen die den Status des Wissens veraumlndern Die allwaumlrtige Verfuumlgbarkeit der Daten und Informationen untergraumlbt die Autoritaumlt der wissenschaftlishychen Wahrheit Sie delegitimiert das Wissen

Wenn die Universitaumlten heute daher Computer und Internet als neue Bilshydungsmedien heranziehen dient dies vordergruumlndig der besseren schnelleren flexibleren Verfuumlgbarkeit des Wissens Auf der Hinterbuumlhne indessen untershyhoumlhlen die technischen Prozesse ndash so kann man Lyotards Argumentation ershyneut anwenden ndash die Relevanz der Informationen in einem dissonanten Konshyzert von unendlich vielen Stimmen Die Quantitaumlt des immer mehr und immer besser verfuumlgbaren Wissens muss nicht seine Qualitaumlt erhoumlhen Was also tun

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Neben der angedeuteten strukturellen Differenzierung des Wissens gibt es heute eine zweite bedeutsame Eigenart der Informationsgesellschaft die die Stellung des Wissens in der Gesellschaft beruumlhrt Waumlhrend im zwanshyzigsten Jahrhundert die mediale Repraumlsentation von Sachverhalten und Erfahrungen in Zeitung Radio und Fernsehen noch so verstanden werden konnte als waumlre die symbolische Ebene nur virtuell und als referierten die in den Medien transportierten Zeugnisse und Bilder auf eine reale tatsaumlchshylich und auszligerhalb der Medien existierende Wirklichkeit rsaquodahinterlsaquo zeigt sich heute eine andere Lage Die gewaltige Expansion der synchronen Verfuumlgbarkeit von Informationen durch das Internet fuumlhrte zu einer Situashytion in welcher die symbolische Repraumlsentation immer weniger Repraumlsenshytation und immer mehr aktive Praumlsentation ist Das Neuartige an unseren neuen IKT-vermittelten Kommunikationsweisen ist nach Manuel Castells (2001 425) daher raquonicht die Einfuumlhrung einer virtuellen Realitaumlt sondern die Konstruktion realer Virtualitaumltlaquo Die konstruierten Botschaften und Bilder in den allgegenwaumlrtigen Medien um uns herum sind genauso rsaquoreallsaquo und Teil unserer Erfahrungswelt wie Erfahrungen in der sozialen Interakshytion und face-to-face Kommunikation

Fuumlr den Umgang der Wissenschaft mit den Medien Computer und Inshyternet bringt dies zweierlei Schwierigkeiten Strukturell bedeutete der IKT-Einsatz im Rahmen der Hochschullehre waumlhrend der vergangenen andertshyhalb Jahrzehnte zuerst und bestimmend moumlglichst viel an Lehrinhalten moumlglichst allzeit und uumlberall zunaumlchst auf PC-Speichermedien spaumlter im Internet verfuumlgungsbereit zu halten ndash eine Strategie die die Differenzieshyrung und postmoderne Segmentierung des Wissens nurmehr verstaumlrkt In inhaltlicher Hinsicht erschwert die zunehmende elektronische Absorption und Vermittlung von symbolischer Repraumlsentation Botschaften und Ershyfahrung in der Allgegenwart multimedialer Speicher und Sendungen Wissen und Information auseinander zu halten

Insofern ist es vielleicht nicht nur die Technikferne oder Innovationsshyfeindlichkeit der Geistes- und Sozialwissenschaften (Schiltz Langlotz 2004 245) die diese in der IKT-Euphorie der ersten Jahre in Kontrast zu den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Faumlchern merklich zuruumlckhaltend auftreten lieszligen Schon in den 1990er Jahren hat sich die verfuumlgbare wissenschaftliche und technische Informationsmenge ca alle 55 Jahre vershydoppelt (Pollak Kammerl 2000 239) Aber die kulturbezogenen Faumlcher blieben skeptisch Sie haben in der Technikeuphorie multimedialen Lershynens nicht mittun wollen

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2 Von der multimedialen Archivierung zur Kommunikation und Prozessorganisation

Es wundert daher nicht dass die ersten Bestandsaufnahmen universitaumlrer IKT-Projekte praktisch Fehlanzeige festhielten was geistes- und sozialshywissenschaftliche Beteiligung betrifft (Keil-Slawik et al 1998) Wissenshyschaften deren Material des Wissens und deren Theoriesprache weithin textlich fixiert sind haben im alten Medium Buch ihren flexibelsten Speishycher Warum ist das so Um besser zu verstehen worauf es im Lehren wie auch im Forschen und Lernen der Wissenschaften der Kultur ankommt hilft ein Blick auf Formen und Funktionen im Szenario des Lernens

Informieren Selektieren Stabilisieren

Archivierung Kommunikation

Lehrperson

Studierende

Inhalte Buch amp Informations-

speicher

Kriterien der Selektion

Theorie

Kriterien amp Inhalte

Face-Medium Face-to-Face

Abb 1 Funktionen der Mediennutzung

Ohne Einbezug der digitalen Medien findet Lehren und Lernen an der Hochschule der verbreiteten Vorstellung nach ebenso wie an der Schule im Klassenzimmer statt In der obenstehenden Abbildung 1 ist dies im rechten Teil der Grafik typisiert In der kommunikativen Situation wird vorgetragen und face-to-face kommuniziert Allerdings ist dies auch ohne IKT-Innovashytion nur die halbe Wahrheit Zumindest an der Universitaumlt und zumindest in den Wissenschaften diskursiven Charakters die es nicht mit Experimenten oder im Labor sondern mit Texten zu tun haben ist die Praumlsenzzeit im Seminarraum begrenzt Der Hauptteil der Ausbildung findet in individueller Vor- und Nachbereitung im individuellen zeit- und ortsunabhaumlngigen Lershy

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Literatur

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Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

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Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 2: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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bildungen (und insbesondere dann noch exklusiver Sozialkapital und Gateshykeeper-Kontakte) bereitstellen Doch komplementaumlr dazu wird der riesige Rest der amerikanischen Tertiaumlrbildung auf einer teils jenseits der Disziplishynen platzierten Phalanx von im Internet basierten teils mit kommerziellen Kursangeboten bestuumlckten Curricula aufruhen Lernen insgesamt so ein weiteres Argument wird im Lebensverlauf an Bedeutung gewinnen Es wird nicht mehr eine Wissensaneignung auf Vorrat sein sondern lebensbeshygleitend organisiert werden muumlssen (Goertz Johanning 2007 254) ndash dann mit digitaler Ruumlckbindung an die Hochschulen

Nun hat es die Soziologie auch in diesem Zukunftsausblick wie stets mit besonderem Stoff zu tun Sie bleibt nicht allein Beobachterin der digitalen Revolution und deren moumlglichen Folgen fuumlr die universitaumlre Konstellation Fuumlr sie und alle weiteren sozial- und kulturwissenschaftlichen Faumlcher geht es auch darum sich zu verhalten in der gegenwaumlrtigen Situation der computershybasierten Reorganisation des Wissens Doch Was koumlnnen sie tun

Die erste Dekade der informations- und kommunikationstechnologishyschen (IKT) Euphorie an den Hochschulen gab wenig Vorbild Statt der multimedialen Archivierung von immer neuen Lehrmaterialien kommt es fuumlr die Soziologie und ihre Nachbarwissenschaften auf Anderes an Erst in der aktuellen Verschiebung der IKT-Aufmerksamkeit von der Archivieshyrung zur Prozessorganisation scheint denjenigen Forschungs- und LehrshyLern-Prozessen besser Rechnung getragen fuumlr die raquoKommunikationlaquo im Forschungsobjekt wie als Medium der Ausbildung zentral ist

Im Folgenden skizziere ich zunaumlchst einige Herausforderungen gegenshywaumlrtiger Wissensaneignungsprozesse angesichts ihrer computerbasierten Reorganisation (1) Dann gehe ich auf die Spezifik der nicht-natur- nichtshyingenieur- nicht-angewandten Faumlcher ein die geltend zu machen ist um in Entwicklungen wie Blended Learning Open-Access Web 20 usw allererst die eigenen Chancen zu sehen und nicht die Gefahr uumlberrollt zu werden (2) Zuletzt zeige ich wie es unter den Realbedingungen des universitaumlren Lebens im Freiburger Beispiel eines internationalen zunaumlchst virtuellen dann rsaquorealenlsaquo universitaumlren Lehrverbunds und interkontinentalen Mastershyprogramms schon seit 1998 unternommen wurde den IKT-Einsatz dem Nachfragebedarf anzumessen statt umgekehrt (3)

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1 Von der postmodernen Expansion des Wissens zu seiner computerbasierten Reorganisation

Das raquoWissen in den informatisierten Gesellschaftenlaquo zu untersuchen war Ende der 1970er Jahre Jean-Franccedilois Lyotards (1986 19) Auftrag im Nashymen der kanadischen Provinzregierung von Quebec Lyotard konnte dashymals nicht wissen dass seine entsprechende Gelegenheitsarbeit ndash wie er sie sah ndash zur intellektuellen Initialzuumlndung des dann ausgerufenen Zeitalters der Postmoderne werden sollte Erst die Architektur dann die Kunst die Kultur dann ganze Gesellschaften wurden als postmodern bezeichnet Erst seit der Jahrtausendwende wurde es ruhiger um die Postmoderne Die Rede von der Globalisierung loumlste das Modewort ab Der Sachverhalt bleibt Die postmoderne Situation gerade in der Analyse Lyotards ist zushyerst eine Situation der Expansion des Wissens Wir leben in einer Wissensshygesellschaft An die Heterogenitaumlt des Wissens die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewoumlhnt Was heute noch offen ist sind die Prozesse der gegenwaumlrtigen computerbasierten Reorganisation des Wissens in der Informationsgesellschaft

Bei aller Rede von der postmodernen Kultur ist oft vergessen dass Lyotards philosophische Thesen von der zunehmenden Differenzierung und Pluralisierung der Weltanschauungen Orientierungen und Einstellunshygen eine techniksoziologische Grundlegung haben Ausgangspunkt seiner oben genannten Untersuchung ist die raquoVervielfachung der Informationsshymaschinenlaquo (Lyotard 1986 22) Diese geben den Anlass fuumlr den kultushyrellen postmodernen Wandel Die postmoderne Situation des Wissens so argumentiert Lyotard der die Ausweitung der ersten experimentellen Vishydeokonferenzen zwischen Universitaumlten in Quebec und Paris gutachterlich bewerten sollte geht zuruumlck auf informationstechnologische Transformashytionen die den Status des Wissens veraumlndern Die allwaumlrtige Verfuumlgbarkeit der Daten und Informationen untergraumlbt die Autoritaumlt der wissenschaftlishychen Wahrheit Sie delegitimiert das Wissen

Wenn die Universitaumlten heute daher Computer und Internet als neue Bilshydungsmedien heranziehen dient dies vordergruumlndig der besseren schnelleren flexibleren Verfuumlgbarkeit des Wissens Auf der Hinterbuumlhne indessen untershyhoumlhlen die technischen Prozesse ndash so kann man Lyotards Argumentation ershyneut anwenden ndash die Relevanz der Informationen in einem dissonanten Konshyzert von unendlich vielen Stimmen Die Quantitaumlt des immer mehr und immer besser verfuumlgbaren Wissens muss nicht seine Qualitaumlt erhoumlhen Was also tun

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Neben der angedeuteten strukturellen Differenzierung des Wissens gibt es heute eine zweite bedeutsame Eigenart der Informationsgesellschaft die die Stellung des Wissens in der Gesellschaft beruumlhrt Waumlhrend im zwanshyzigsten Jahrhundert die mediale Repraumlsentation von Sachverhalten und Erfahrungen in Zeitung Radio und Fernsehen noch so verstanden werden konnte als waumlre die symbolische Ebene nur virtuell und als referierten die in den Medien transportierten Zeugnisse und Bilder auf eine reale tatsaumlchshylich und auszligerhalb der Medien existierende Wirklichkeit rsaquodahinterlsaquo zeigt sich heute eine andere Lage Die gewaltige Expansion der synchronen Verfuumlgbarkeit von Informationen durch das Internet fuumlhrte zu einer Situashytion in welcher die symbolische Repraumlsentation immer weniger Repraumlsenshytation und immer mehr aktive Praumlsentation ist Das Neuartige an unseren neuen IKT-vermittelten Kommunikationsweisen ist nach Manuel Castells (2001 425) daher raquonicht die Einfuumlhrung einer virtuellen Realitaumlt sondern die Konstruktion realer Virtualitaumltlaquo Die konstruierten Botschaften und Bilder in den allgegenwaumlrtigen Medien um uns herum sind genauso rsaquoreallsaquo und Teil unserer Erfahrungswelt wie Erfahrungen in der sozialen Interakshytion und face-to-face Kommunikation

Fuumlr den Umgang der Wissenschaft mit den Medien Computer und Inshyternet bringt dies zweierlei Schwierigkeiten Strukturell bedeutete der IKT-Einsatz im Rahmen der Hochschullehre waumlhrend der vergangenen andertshyhalb Jahrzehnte zuerst und bestimmend moumlglichst viel an Lehrinhalten moumlglichst allzeit und uumlberall zunaumlchst auf PC-Speichermedien spaumlter im Internet verfuumlgungsbereit zu halten ndash eine Strategie die die Differenzieshyrung und postmoderne Segmentierung des Wissens nurmehr verstaumlrkt In inhaltlicher Hinsicht erschwert die zunehmende elektronische Absorption und Vermittlung von symbolischer Repraumlsentation Botschaften und Ershyfahrung in der Allgegenwart multimedialer Speicher und Sendungen Wissen und Information auseinander zu halten

Insofern ist es vielleicht nicht nur die Technikferne oder Innovationsshyfeindlichkeit der Geistes- und Sozialwissenschaften (Schiltz Langlotz 2004 245) die diese in der IKT-Euphorie der ersten Jahre in Kontrast zu den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Faumlchern merklich zuruumlckhaltend auftreten lieszligen Schon in den 1990er Jahren hat sich die verfuumlgbare wissenschaftliche und technische Informationsmenge ca alle 55 Jahre vershydoppelt (Pollak Kammerl 2000 239) Aber die kulturbezogenen Faumlcher blieben skeptisch Sie haben in der Technikeuphorie multimedialen Lershynens nicht mittun wollen

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2 Von der multimedialen Archivierung zur Kommunikation und Prozessorganisation

Es wundert daher nicht dass die ersten Bestandsaufnahmen universitaumlrer IKT-Projekte praktisch Fehlanzeige festhielten was geistes- und sozialshywissenschaftliche Beteiligung betrifft (Keil-Slawik et al 1998) Wissenshyschaften deren Material des Wissens und deren Theoriesprache weithin textlich fixiert sind haben im alten Medium Buch ihren flexibelsten Speishycher Warum ist das so Um besser zu verstehen worauf es im Lehren wie auch im Forschen und Lernen der Wissenschaften der Kultur ankommt hilft ein Blick auf Formen und Funktionen im Szenario des Lernens

Informieren Selektieren Stabilisieren

Archivierung Kommunikation

Lehrperson

Studierende

Inhalte Buch amp Informations-

speicher

Kriterien der Selektion

Theorie

Kriterien amp Inhalte

Face-Medium Face-to-Face

Abb 1 Funktionen der Mediennutzung

Ohne Einbezug der digitalen Medien findet Lehren und Lernen an der Hochschule der verbreiteten Vorstellung nach ebenso wie an der Schule im Klassenzimmer statt In der obenstehenden Abbildung 1 ist dies im rechten Teil der Grafik typisiert In der kommunikativen Situation wird vorgetragen und face-to-face kommuniziert Allerdings ist dies auch ohne IKT-Innovashytion nur die halbe Wahrheit Zumindest an der Universitaumlt und zumindest in den Wissenschaften diskursiven Charakters die es nicht mit Experimenten oder im Labor sondern mit Texten zu tun haben ist die Praumlsenzzeit im Seminarraum begrenzt Der Hauptteil der Ausbildung findet in individueller Vor- und Nachbereitung im individuellen zeit- und ortsunabhaumlngigen Lershy

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Page 3: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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1 Von der postmodernen Expansion des Wissens zu seiner computerbasierten Reorganisation

Das raquoWissen in den informatisierten Gesellschaftenlaquo zu untersuchen war Ende der 1970er Jahre Jean-Franccedilois Lyotards (1986 19) Auftrag im Nashymen der kanadischen Provinzregierung von Quebec Lyotard konnte dashymals nicht wissen dass seine entsprechende Gelegenheitsarbeit ndash wie er sie sah ndash zur intellektuellen Initialzuumlndung des dann ausgerufenen Zeitalters der Postmoderne werden sollte Erst die Architektur dann die Kunst die Kultur dann ganze Gesellschaften wurden als postmodern bezeichnet Erst seit der Jahrtausendwende wurde es ruhiger um die Postmoderne Die Rede von der Globalisierung loumlste das Modewort ab Der Sachverhalt bleibt Die postmoderne Situation gerade in der Analyse Lyotards ist zushyerst eine Situation der Expansion des Wissens Wir leben in einer Wissensshygesellschaft An die Heterogenitaumlt des Wissens die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewoumlhnt Was heute noch offen ist sind die Prozesse der gegenwaumlrtigen computerbasierten Reorganisation des Wissens in der Informationsgesellschaft

Bei aller Rede von der postmodernen Kultur ist oft vergessen dass Lyotards philosophische Thesen von der zunehmenden Differenzierung und Pluralisierung der Weltanschauungen Orientierungen und Einstellunshygen eine techniksoziologische Grundlegung haben Ausgangspunkt seiner oben genannten Untersuchung ist die raquoVervielfachung der Informationsshymaschinenlaquo (Lyotard 1986 22) Diese geben den Anlass fuumlr den kultushyrellen postmodernen Wandel Die postmoderne Situation des Wissens so argumentiert Lyotard der die Ausweitung der ersten experimentellen Vishydeokonferenzen zwischen Universitaumlten in Quebec und Paris gutachterlich bewerten sollte geht zuruumlck auf informationstechnologische Transformashytionen die den Status des Wissens veraumlndern Die allwaumlrtige Verfuumlgbarkeit der Daten und Informationen untergraumlbt die Autoritaumlt der wissenschaftlishychen Wahrheit Sie delegitimiert das Wissen

Wenn die Universitaumlten heute daher Computer und Internet als neue Bilshydungsmedien heranziehen dient dies vordergruumlndig der besseren schnelleren flexibleren Verfuumlgbarkeit des Wissens Auf der Hinterbuumlhne indessen untershyhoumlhlen die technischen Prozesse ndash so kann man Lyotards Argumentation ershyneut anwenden ndash die Relevanz der Informationen in einem dissonanten Konshyzert von unendlich vielen Stimmen Die Quantitaumlt des immer mehr und immer besser verfuumlgbaren Wissens muss nicht seine Qualitaumlt erhoumlhen Was also tun

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Neben der angedeuteten strukturellen Differenzierung des Wissens gibt es heute eine zweite bedeutsame Eigenart der Informationsgesellschaft die die Stellung des Wissens in der Gesellschaft beruumlhrt Waumlhrend im zwanshyzigsten Jahrhundert die mediale Repraumlsentation von Sachverhalten und Erfahrungen in Zeitung Radio und Fernsehen noch so verstanden werden konnte als waumlre die symbolische Ebene nur virtuell und als referierten die in den Medien transportierten Zeugnisse und Bilder auf eine reale tatsaumlchshylich und auszligerhalb der Medien existierende Wirklichkeit rsaquodahinterlsaquo zeigt sich heute eine andere Lage Die gewaltige Expansion der synchronen Verfuumlgbarkeit von Informationen durch das Internet fuumlhrte zu einer Situashytion in welcher die symbolische Repraumlsentation immer weniger Repraumlsenshytation und immer mehr aktive Praumlsentation ist Das Neuartige an unseren neuen IKT-vermittelten Kommunikationsweisen ist nach Manuel Castells (2001 425) daher raquonicht die Einfuumlhrung einer virtuellen Realitaumlt sondern die Konstruktion realer Virtualitaumltlaquo Die konstruierten Botschaften und Bilder in den allgegenwaumlrtigen Medien um uns herum sind genauso rsaquoreallsaquo und Teil unserer Erfahrungswelt wie Erfahrungen in der sozialen Interakshytion und face-to-face Kommunikation

Fuumlr den Umgang der Wissenschaft mit den Medien Computer und Inshyternet bringt dies zweierlei Schwierigkeiten Strukturell bedeutete der IKT-Einsatz im Rahmen der Hochschullehre waumlhrend der vergangenen andertshyhalb Jahrzehnte zuerst und bestimmend moumlglichst viel an Lehrinhalten moumlglichst allzeit und uumlberall zunaumlchst auf PC-Speichermedien spaumlter im Internet verfuumlgungsbereit zu halten ndash eine Strategie die die Differenzieshyrung und postmoderne Segmentierung des Wissens nurmehr verstaumlrkt In inhaltlicher Hinsicht erschwert die zunehmende elektronische Absorption und Vermittlung von symbolischer Repraumlsentation Botschaften und Ershyfahrung in der Allgegenwart multimedialer Speicher und Sendungen Wissen und Information auseinander zu halten

Insofern ist es vielleicht nicht nur die Technikferne oder Innovationsshyfeindlichkeit der Geistes- und Sozialwissenschaften (Schiltz Langlotz 2004 245) die diese in der IKT-Euphorie der ersten Jahre in Kontrast zu den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Faumlchern merklich zuruumlckhaltend auftreten lieszligen Schon in den 1990er Jahren hat sich die verfuumlgbare wissenschaftliche und technische Informationsmenge ca alle 55 Jahre vershydoppelt (Pollak Kammerl 2000 239) Aber die kulturbezogenen Faumlcher blieben skeptisch Sie haben in der Technikeuphorie multimedialen Lershynens nicht mittun wollen

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2 Von der multimedialen Archivierung zur Kommunikation und Prozessorganisation

Es wundert daher nicht dass die ersten Bestandsaufnahmen universitaumlrer IKT-Projekte praktisch Fehlanzeige festhielten was geistes- und sozialshywissenschaftliche Beteiligung betrifft (Keil-Slawik et al 1998) Wissenshyschaften deren Material des Wissens und deren Theoriesprache weithin textlich fixiert sind haben im alten Medium Buch ihren flexibelsten Speishycher Warum ist das so Um besser zu verstehen worauf es im Lehren wie auch im Forschen und Lernen der Wissenschaften der Kultur ankommt hilft ein Blick auf Formen und Funktionen im Szenario des Lernens

Informieren Selektieren Stabilisieren

Archivierung Kommunikation

Lehrperson

Studierende

Inhalte Buch amp Informations-

speicher

Kriterien der Selektion

Theorie

Kriterien amp Inhalte

Face-Medium Face-to-Face

Abb 1 Funktionen der Mediennutzung

Ohne Einbezug der digitalen Medien findet Lehren und Lernen an der Hochschule der verbreiteten Vorstellung nach ebenso wie an der Schule im Klassenzimmer statt In der obenstehenden Abbildung 1 ist dies im rechten Teil der Grafik typisiert In der kommunikativen Situation wird vorgetragen und face-to-face kommuniziert Allerdings ist dies auch ohne IKT-Innovashytion nur die halbe Wahrheit Zumindest an der Universitaumlt und zumindest in den Wissenschaften diskursiven Charakters die es nicht mit Experimenten oder im Labor sondern mit Texten zu tun haben ist die Praumlsenzzeit im Seminarraum begrenzt Der Hauptteil der Ausbildung findet in individueller Vor- und Nachbereitung im individuellen zeit- und ortsunabhaumlngigen Lershy

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 4: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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Neben der angedeuteten strukturellen Differenzierung des Wissens gibt es heute eine zweite bedeutsame Eigenart der Informationsgesellschaft die die Stellung des Wissens in der Gesellschaft beruumlhrt Waumlhrend im zwanshyzigsten Jahrhundert die mediale Repraumlsentation von Sachverhalten und Erfahrungen in Zeitung Radio und Fernsehen noch so verstanden werden konnte als waumlre die symbolische Ebene nur virtuell und als referierten die in den Medien transportierten Zeugnisse und Bilder auf eine reale tatsaumlchshylich und auszligerhalb der Medien existierende Wirklichkeit rsaquodahinterlsaquo zeigt sich heute eine andere Lage Die gewaltige Expansion der synchronen Verfuumlgbarkeit von Informationen durch das Internet fuumlhrte zu einer Situashytion in welcher die symbolische Repraumlsentation immer weniger Repraumlsenshytation und immer mehr aktive Praumlsentation ist Das Neuartige an unseren neuen IKT-vermittelten Kommunikationsweisen ist nach Manuel Castells (2001 425) daher raquonicht die Einfuumlhrung einer virtuellen Realitaumlt sondern die Konstruktion realer Virtualitaumltlaquo Die konstruierten Botschaften und Bilder in den allgegenwaumlrtigen Medien um uns herum sind genauso rsaquoreallsaquo und Teil unserer Erfahrungswelt wie Erfahrungen in der sozialen Interakshytion und face-to-face Kommunikation

Fuumlr den Umgang der Wissenschaft mit den Medien Computer und Inshyternet bringt dies zweierlei Schwierigkeiten Strukturell bedeutete der IKT-Einsatz im Rahmen der Hochschullehre waumlhrend der vergangenen andertshyhalb Jahrzehnte zuerst und bestimmend moumlglichst viel an Lehrinhalten moumlglichst allzeit und uumlberall zunaumlchst auf PC-Speichermedien spaumlter im Internet verfuumlgungsbereit zu halten ndash eine Strategie die die Differenzieshyrung und postmoderne Segmentierung des Wissens nurmehr verstaumlrkt In inhaltlicher Hinsicht erschwert die zunehmende elektronische Absorption und Vermittlung von symbolischer Repraumlsentation Botschaften und Ershyfahrung in der Allgegenwart multimedialer Speicher und Sendungen Wissen und Information auseinander zu halten

Insofern ist es vielleicht nicht nur die Technikferne oder Innovationsshyfeindlichkeit der Geistes- und Sozialwissenschaften (Schiltz Langlotz 2004 245) die diese in der IKT-Euphorie der ersten Jahre in Kontrast zu den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Faumlchern merklich zuruumlckhaltend auftreten lieszligen Schon in den 1990er Jahren hat sich die verfuumlgbare wissenschaftliche und technische Informationsmenge ca alle 55 Jahre vershydoppelt (Pollak Kammerl 2000 239) Aber die kulturbezogenen Faumlcher blieben skeptisch Sie haben in der Technikeuphorie multimedialen Lershynens nicht mittun wollen

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2 Von der multimedialen Archivierung zur Kommunikation und Prozessorganisation

Es wundert daher nicht dass die ersten Bestandsaufnahmen universitaumlrer IKT-Projekte praktisch Fehlanzeige festhielten was geistes- und sozialshywissenschaftliche Beteiligung betrifft (Keil-Slawik et al 1998) Wissenshyschaften deren Material des Wissens und deren Theoriesprache weithin textlich fixiert sind haben im alten Medium Buch ihren flexibelsten Speishycher Warum ist das so Um besser zu verstehen worauf es im Lehren wie auch im Forschen und Lernen der Wissenschaften der Kultur ankommt hilft ein Blick auf Formen und Funktionen im Szenario des Lernens

Informieren Selektieren Stabilisieren

Archivierung Kommunikation

Lehrperson

Studierende

Inhalte Buch amp Informations-

speicher

Kriterien der Selektion

Theorie

Kriterien amp Inhalte

Face-Medium Face-to-Face

Abb 1 Funktionen der Mediennutzung

Ohne Einbezug der digitalen Medien findet Lehren und Lernen an der Hochschule der verbreiteten Vorstellung nach ebenso wie an der Schule im Klassenzimmer statt In der obenstehenden Abbildung 1 ist dies im rechten Teil der Grafik typisiert In der kommunikativen Situation wird vorgetragen und face-to-face kommuniziert Allerdings ist dies auch ohne IKT-Innovashytion nur die halbe Wahrheit Zumindest an der Universitaumlt und zumindest in den Wissenschaften diskursiven Charakters die es nicht mit Experimenten oder im Labor sondern mit Texten zu tun haben ist die Praumlsenzzeit im Seminarraum begrenzt Der Hauptteil der Ausbildung findet in individueller Vor- und Nachbereitung im individuellen zeit- und ortsunabhaumlngigen Lershy

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Page 5: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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2 Von der multimedialen Archivierung zur Kommunikation und Prozessorganisation

Es wundert daher nicht dass die ersten Bestandsaufnahmen universitaumlrer IKT-Projekte praktisch Fehlanzeige festhielten was geistes- und sozialshywissenschaftliche Beteiligung betrifft (Keil-Slawik et al 1998) Wissenshyschaften deren Material des Wissens und deren Theoriesprache weithin textlich fixiert sind haben im alten Medium Buch ihren flexibelsten Speishycher Warum ist das so Um besser zu verstehen worauf es im Lehren wie auch im Forschen und Lernen der Wissenschaften der Kultur ankommt hilft ein Blick auf Formen und Funktionen im Szenario des Lernens

Informieren Selektieren Stabilisieren

Archivierung Kommunikation

Lehrperson

Studierende

Inhalte Buch amp Informations-

speicher

Kriterien der Selektion

Theorie

Kriterien amp Inhalte

Face-Medium Face-to-Face

Abb 1 Funktionen der Mediennutzung

Ohne Einbezug der digitalen Medien findet Lehren und Lernen an der Hochschule der verbreiteten Vorstellung nach ebenso wie an der Schule im Klassenzimmer statt In der obenstehenden Abbildung 1 ist dies im rechten Teil der Grafik typisiert In der kommunikativen Situation wird vorgetragen und face-to-face kommuniziert Allerdings ist dies auch ohne IKT-Innovashytion nur die halbe Wahrheit Zumindest an der Universitaumlt und zumindest in den Wissenschaften diskursiven Charakters die es nicht mit Experimenten oder im Labor sondern mit Texten zu tun haben ist die Praumlsenzzeit im Seminarraum begrenzt Der Hauptteil der Ausbildung findet in individueller Vor- und Nachbereitung im individuellen zeit- und ortsunabhaumlngigen Lershy

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

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Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 6: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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nen mit einem extrem zeit- und ortsflexiblen und zudem preiswerten Lernshymedium statt dem Buch Unschlagbar scheint dies heute Gerade kompleshymentaumlr zum Erfolgsmodell Buch ist die Kommunikation im Universitaumltsraum so entscheidend Denn gerade weil das Buch seinen Stoff so flexibel fuumlr die individuelle Lernperson bereithaumllt ist die unidirektionale Vorhaltung oder Praumlsentation von rsaquoWissenlsaquo in Vortrag und Vorlesung keine wirkliche Alternative Angesichts eines schier unendlichen Stoffgebietes im fachwisshysenschaftlichen Studium kommt es fuumlr die Lernenden gerade nicht auf die Masse immer neuer Informationen an Vielmehr interessiert Welche Inforshymationen welche Sachverhalte welche Argumentationen welche Thesen sind die wichtigen Obgleich auch der Buchmarkt hier mittels Theorie- und Lehrbuumlchern die Auswahlentscheidung erleichtert kommt der gesuchte Uumlberblick vonseiten der Lehrperson Ihr Vorbild orientiert Ihre Funktion ist diejenigen Prozesse zu initiieren und zu leiten welche die je individuelle Wissensselektion aus einem zunaumlchst uumlbermaumlchtig und undurchsichtig scheinenden unendlichen Informationsfluss erst ermoumlglichen Ein Fakt allein macht noch kein Wissen Erst durch die Sprache der Bezeichnung und die Brille der Interpretation selektierte und so in die eigene denkende Verarbeishytung gehobene Elemente sind Wissen Uumlber die in medialer Kodifizierung vorliegende Information geht Wissen demnach weit hinaus Kriterienbildung Vergleichsraster Verknuumlpfungswissen und Theorie entscheiden Wissen meint ein Potenzial Es birgt die Moumlglichkeiten zum Umgang mit Inforshymationen Nicht auf die Menge und das Vorhandensein auf die Selektion kommt es hier an Die Universitaumlt ist kein groszliges Buch Sie ist nicht Mushyseum Sie gleicht keiner Online-Enzyklopaumldie des Wissens Universitaumlt heiszligt Forschung Stets wird Neues generiert Der Prozess der Wissensvermittlung besteht nicht nur aus der Konservierung und der Verfuumlgbarmachung fachlishycher Inhalte Er umfasst auch eine staumlndige Auswahl und notwendige Stabilishysierung des Stoffs Die Mechanismen der Auswahl zu erlernen darauf kommt es an Blickschulung zaumlhlt Das Memorieren der Sachverhalte kann das Buch ndash und heute die Online-Datenbank ndash besser

Neben der nie endenden Sachinformation (21) sind es daher die Selektion (22) und Stabilisierung (23) des Wissens die die universitaumlre Lehre bieten muss Wo setzen E-Learning und Mediennutzung hier an Wo muumlssen sie ansetzen wenn sie zur raquoalltagstaugliche[n] Innovationlaquo (Seiler Schiedt et al 2006) und zum Medium werden sollen das den im Weltmaszligstab erwarteten Studierendenbergen zur Tertiaumlrbildung wenigstens die Tuumlr auftun kann (Tomlinson-Keasey 2002 135)

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Literatur

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Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

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Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 7: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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21 Informieren

Der elektronische ist ein glaumlnzender Speicher Angetrieben durch die Ingeshynieur- Technik- und Naturwissenschaften wurde die Gruumlnderphase des universitaumlren eLernens konsequenterweise nicht allein durch Projekte nach dem Prinzip der Selbstanwendung durch die Entwickler getragen Charakshyteristisch waren zudem solche Initiativen die auf die elektronische Speishycherung und Archivierung von Lerninhalten setzten Was fuumlr die (virtuelle) Operation am offenen Herzen fuumlr das interaktiv variierbare physikalische Experiment oder das dreidimensionale Flussdiagramm meteorologischer Veraumlnderungen aber sinnvoll und richtig ist stoumlszligt bei den Wissenschaften die mit Textarbeit befasst sind schnell an Grenzen so hilfreich es auch sein mag die Weltgeschichte auf DVD Seminarmaterialien auf der Homeshypage und den Bibliotheksbestand online verfuumlgbar zu haben

Wenn 70 nahe den Kunstwissenschaften angesiedelte Institutionen sich im Projekt Prometheus einem verteilten digitalen Bildarchiv fuumlr Forschung und Lehre zusammenschlieszligen und ihre 208000 Bilder in 22 Bilddatenshybanken unter einer gemeinsamen Oberflaumlche nutzbar machen (Brenne Pfleging 2005) so ist das sachadaumlquat und sinnvoll Wenn an der Univershysitaumlt Stanford renommierte Philosophen sich zusammentun Spenden einshywerben um die Stanford Encyclopedia of Philosophy (SEP) zu erarbeiten und diese dann auch im Internet oumlffentlich und kostenfrei anbieten ist dies nicht nur ebenfalls sachadaumlquat sondern eine groszlige Bereicherung ndash ganz im Sinne von Lyotard (1986 192) der seine og Schrift bereits 1979 mit dem Aufruf schloss die raquoOumlffentlichkeit muumlsste freien Zugang zu den Speishychern und Datenbanken erhaltenlaquo Als aumlhnliches nur ungleich breiteres aber weniger selektives und doch immens genutztes Informationsangebot hat sich in den letzten Jahren die ganz allgemeine freie Online-Enzyklopaumlshydie Wikipedia entwickelt Wikipedia hat sich faktisch auch als Basisinforshymationsquelle im universitaumlren Grundstudium etabliert Das mag bedauershylich sein angesichts der Legionen von Hand- und Lehrbuumlchern und besonshyders auch weil viele der mittlerweile 620000 Stichworteintraumlge in Wikipeshydia teils nicht zitierfaumlhig und oft zweifelhafter Herkunft sind (Hodel Haber 2007 45) Aber sie sind frei und besonders schnell zugaumlnglich Ein Fall fuumlr eine Studie zum neuen heimlichen Lehrplan durch die Entstehung freier Online-Archive

Die aktuellen Entwicklungen im Internet wie im Beispiel der Wikipeshydia-Enzyklopaumldie unterstreichen die interaktive und partizipative Seite des

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 8: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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Web das immer mehr zum Mitmachmedium wird Immer weniger sind die Internet-Nutzer reine Content-Konsumenten Immer mehr treten sie auch als vernetzte Content-Produzenten auf Die oft Web 20 oder auch Social web genannte neuere Organisationsform der offenen Informationsaufshybereitung die auf das freiwillige Engagement der Nutzerinnen und Nutzer setzt kann als organisatorisch-technischer Versuch verstanden werden der die spektakulaumlr flexible allseits erreichbare und kostenguumlnstige Online-Vorhaltung von Informationen bereits mit dem nachfolgenden zweiten Punkt zu verknuumlpfen sucht dem Problem der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens

22 Selektieren

Was im Klassenzimmer geschieht und was die Rolle der Lehrperson trotz neuer Medien unersetzbar bleiben laumlsst ist die orientierende gewichtende Selektion des Stoffes Eben daran scheitern die autodidaktisch Lernenden Im Meer der Informationen unter Tausenden von Buumlchern wissen sie nicht welche die wichtigen sind Meist trifft daher auch ihre akribische Belesenheit den Fachdiskurs einer Fachgemeinschaft nicht Was die unishyversitaumlre Bildung ndash genauso wie das schulische Lernen ndash betrifft steht auszliger Frage dass worauf es ankommt nur in einem kommunikativen Prozess angeeignet werden kann Wenn die neuen Medien bislang nur marginal in den kulturwissenschaftlichen Disziplinen hatten Eingang in das Lernszenario finden koumlnnen dann liegt das weniger an einer oft untershystellten Technikfeindlichkeit der Textarbeiter sondern daran dass Komshymunikation und Kooperation in den mediengestuumltzten Lernarrangements meist ein Randdasein fuumlhrten Wenn IKT-Medien also sinnvoll und nachshyhaltig Anwendung finden sollen kann dies nicht ohne Integration in kommunikative Prozesse und Seminarformen gelingen

Waumlhrend in der Hauptsache der Lehrer und die Professorin durch Lehre und Vorbild in die hochselektive je aktuelle Wissenswelt eines Fashyches einfuumlhren bestehen daneben zwei weitere Formen die Wissen sonshydieren und dem Lerner die Vorauswahl abnehmen Lehrbuumlcher und Vershylage Lehrbuumlcher fassen aus allem das Wichtigste zusammen Verlage unshyterscheiden publikationsreife von unfertigen Manuskripten Insbesondere bringen sie Prestige und eine Hierarchie in die Dauerproduktion neuer Pushyblikationen Lehrbuumlcher sind bereits oft durch Online-Materialien ergaumlnzt

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in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

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Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 9: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

15 L E H R E N U N D L E R N E N

in manchen Wissenschaften teils durch Online-Angebote ersetzt Dies ist besonders dort der Fall wo die Online-Archivierung gegenuumlber dem fleshyxiblen Buch einen Mehrwert eintraumlgt zum Beispiel bei dreidimensionalen Darstellungen oder bei videoaufgezeichneten zeitbezogenen Veraumlndeshyrungsprozessen bei Sachverhalten also die sinnvoll visualisierbar sind Was die Rolle der Verlage betrifft stehen hingegen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen an Solange fuumlr die etablierte Scientific Community die Selektivitaumlt der Publikationen allein bei den wichtigen Verlagen und deren wichtigen Zeitschriften gegeben war konnten noch so viele freie Internetseiten mit den Verlagen nicht konkurrieren Die bisherigen Material-Repositorien washyren meist als Dokumentenserver fuumlr Hochschulschriften ndash bei geringer Seshylektivitaumlt ndash konzipiert und demnach zur Publikation neuer Forschungsshyresultate nicht wirklich attraktiv

Dies koumlnnte sich aumlndern Manche wissenschaftlichen Interessenshyverbaumlnde arbeiten daran Zum Beispiel kooperiert in Deutschland die MaxshyPlanck-Gesellschaft mit dem Fachinformationszentrum Karlsruhe im Aufshybau einer wissenschaftlichen Informations- und Kommunikationsplattform eSciDoc (Lossau Timmermann 2006) Sofern es gelingt der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens auch in universitaumltseigenen Repositorien oder institutseigenen elektronischen Zeitschriften wirklich Rechnung zu tragen koumlnnten auch auszligerhalb der Verlage neue Orte entscheidender Publikatioshynen mit hohem Verbreitungsgrad entstehen Dass solche Arbeitsverlageshyrung aus der Privatwirtschaft zuruumlck in die Hochschulen denkbar wird liegt zuerst an einem einfachen technischen Umstand Vor der elektronishyschen Revolution waren Schriftverkehr Texterstellung und Druckformashytierung Sache von Sekretariatspersonal und Verlagen Heute sind diese Aufgaben faktisch in hohem Maszlige auf die Computerarbeitsplaumltze der Forshyschenden zuruumlckgefallen ndash was die Selbstproduktion einer Online-Publikashytion oder selbst eines eJournals erst denkbar macht Die traditionelle Funktion kommerzieller Verlage wird daher eine Umdefinition erfahren Womoumlglich wird in Zukunft weniger Druck und Distribution einer Publishykation als Ware die Leistung sein sondern die wie immer geartete neuartige Organisation der Selektivitaumlt des Wissens wird trotz einfachster Online-Archivierung geleistet und bezahlt werden muumlssen Es spricht manches dafuumlr dass in diesem Prozess die derzeit so extrem teuren Subskriptionsshypreise der Fachzeitschriften fallen und die universitaumltsseitigen Kosten vielmehr verstaumlrkt auf die Foumlrderung der Publikationen also in die Organishysation selektiver Veroumlffentlichungsforen umgeschichtet werden muumlssen

16 L E H R E N U N D L E R N E N

Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

18 L E H R E N U N D L E R N E N

ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

19 L E H R E N U N D L E R N E N

An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

20 L E H R E N U N D L E R N E N

31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

21 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 10: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

16 L E H R E N U N D L E R N E N

Kosten fallen dennoch an Zwar argumentiert auf der einen Seite die immer staumlrker werdende Open-Access-Bewegung oumlkonomisch dass im bisherigen Kreislaufsystem von Autor Medium und Verlag die in univershysitaumlrer Anstellung geschaffenen steuerfinanzierten Produkte in den Verlashygen kommerziell verarbeitet werden dieser Umstand aber heute weder laumlnger notwendig noch hinnehmbar sei Auf der anderen Seite aber wuumlrde auch die universitaumltsseitig bei den Autoren und Fachverbaumlnden organisierte digitale Publikation nicht ohne Mitteleinsatz zu organisieren sein zB fuumlr Peer Review Begutachtungsverfahren Entsprechend deutet sich unter dem Vorzeichen des Open-Access eine Umlagerung der Kosten von den Lesern und ihren Bibliotheken auf die Autoren und ihre Institutionen an Als goldener Weg vor dem Horizont neuer Publikationsmodelle gelten dabei frei zugaumlngliche wissenschaftliche elektronische Zeitschriften von denen es heute ca 2700 gibt (Muumlller Schirmbacher 2007 183) Open-Access-Zeitschriften sind demnach solche die keine Einnahmen aus dem Verkauf generieren und also zum Beispiel nicht allein fuumlr Personen mit Universishytaumltszugang zur Verfuumlgung stehen und genauer nicht allein fuumlr Wissenshyschaftler an solchen Universitaumlten welche die entsprechenden elektronishyschen Zeitschriften abonniert haben In der Praxis ist diese reine Form des Open-Access sicher nicht der erste Schritt Den bildet vielmehr der raquogruumlne Weglaquo (Muumlller Schirmbacher 2007 183) also die an eine Verlagspublishykation anschlieszligende zusaumltzliche oumlffentlich zugaumlngliche digitale Archivieshyrung seitens der Autoren sei es in institutionellen sei es in fachspezifishyschen so genannten Repositorien1 Klar ist dass die digitale Revolution in die Dreierbeziehung von Autor Medium und Verlag veraumlndernd eingreifen wird Noch ist das Wie allerdings offen Auch haumlngt es noch von der Reshyaktion und den Interessen der Wissensproduzenten und ihren Institutionen ab Klar ist allerdings auch dass ein wirklicher Open-Access ein weltweit freier Zugang zum Wissen nur dann gelingen kann wenn der notwendigen Selektivitaumlt des Wissens bzw des Publikationsangebots Rechnung getragen wird

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 1 Das Verzeichnis aller institutionellen Repositorien das Directory of Open Access Reposhy

sitories (Open DOAR httpwwwopendoarorg) weist derzeit 109 solcher elektronishyschen Depots fuumlr Deutschland aus was die zweithoumlchste Anzahl weltweit bedeutet (Muumlller Schirmbacher 2007 186)

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

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Literatur

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Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

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Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

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Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 11: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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23 Stabilisieren

Die hochselektiven Kenntnisse deren Erwerb lohnt muumlssen allerdings auch auf Seiten der Lernenden der jungen Forschenden stabilisiert wershyden Auch diese Funktion ist ohne Einbettung in eine kommunikative Situation nicht erfuumlllbar Zumindest im Erststudium muss Wissen nicht nur gelehrt oder gelesen sondern mittels Vorbildern und Diskursen auch stabilisiert werden Erst in der face-to-face Kommunikation im Rahmen der Wissenschafts- oder Studiengemeinschaft und darin besonders in Gruppen entsteht die Chance die eigenen Orientierungen an den fachlishychen Diskursen zu erproben und letztlich jenen anzupassen Hier stehen nun zweierlei Hilfsinstrumente zur Verfuumlgung Seitens des wissenschaftlishychen Faches sind dies zum einen die Theorien Ohne Verstand keine Ershykenntnis Ohne Theorie kein Wissen Ohne Denkrahmen keine Informashytionsbewaumlltigung Theorien organisieren die Fakten in Denkzusammenshyhaumlngen Erst durch sie wird Gelerntes Bildung Ohne kommunikative Verstaumlndigung uumlber erstere in Interaktion mit den Lehrpersonen und unter den Lernenden sind diese Denkzusammenhaumlnge wie man weiszlig kaum zu haben Schwer ist alle Theorie In den nordamerikanischen Eliteinstitutioshynen ist der Sachverhalt klar Das gilt auch und besonders am Massachusetts Institute of Technology (MIT) obgleich dies als Vorreiter der frei zugaumlnglichen Online-Veroumlffentlichung saumlmtlicher Lehrmaterialien hervortrat raquoReal education requires interaction the interaction that is part of American teachinglaquo (Vest 2001)

In der oumlffentlichen Diskussion zur Bildungskrise und besonders in der uumlber den Einsatz der neuen Medien in der Bildung ist dieser Sachverhalt wenig belichtet Dies gilt neben der Theorie auch fuumlr eine weitere Form die die Aufgabe der Stabilisierung des Wissens leistet die Kompetenz auf Seiten der Lernenden Meist sind die Herausforderungen der Informationsgesellschaft in der Bildungsdiskussion noch immer so beantwortet als ginge es im Bildungssystem um Wissensvermittlung im Trichtermodell Es kommt aber nicht auf den Umfang der Informationsmenge an Was zaumlhlt ist nicht die ausschlieszligliche Produktion auch noch so hochwertigen Inhalts Die Herausforderung liegt vielmehr in der Entwicklung von adaumlquaten face-to-face- und face-to-medium-Interaktionen verbindenden Lernarrangements Auf Seiten der Lernenden kommt es auf die Foumlrderung von entsprechenden Schluumlsselqualifikationen bzw Medienkompetenzen an Der Informationstechnologie nuumltzt dass

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

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Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

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Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 12: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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ihre Entwicklung hin zum Web 20 und zu interaktiven Elementen eben die Kompetenzbildung der Lernenden und ihre wissensorganisatorische Faumlhigkeiten besser in das Blickfeld ruumlckt Man kann nur gespannt sein wie die Ankunft der digitalen Revolution in den Wissenschaften auch das Instrumentarium und die Organisation der Wissensarbeit veraumlndern wird Zuerst in der Universitaumlt (vgl Schneider et al iE Welz iE) Im Weiteren werden sich auch neue Felder beruflicher Anwendungen auftun

3 Von der Virtualitaumlt zur Realitaumlt eines globalen Studiengangs Freiburg-Durban-Delhi

raquoItrsquos a logistical revolution in facilitating learning of social scienceslaquo A Kumar2

Was bedeuten die obenstehenden Uumlberlegungen fuumlr eine sinnvolle Anwenshydung der neuen Bildungsmedien Computer und Internet Besonders Was bedeuten sie fuumlr einen solchen IKT-Einsatz in der sozialwissenschaftlichen Forschung und Lehre der seinem Gegenstand angemessen und nicht Selbstzweck auf Entwicklerseite ist

Was den Erwerb von Schluumlsselkompetenzen betrifft muss die Interakshytivitaumlt des Lernens beruumlcksichtigt sein Was den Theoriebezug sozialwisshysenschaftlichen Wissens betrifft muss die kommunikative Situation lershynender Aneignung durch die Medien unterstuumltzt werden Sie kann nicht ersetzt werden Im Blick auf den Mehrwert den die Selektivitaumlt des Wissens gegenuumlber der planen Vorrathaltung von Materialien betrifft muumlssen kommunikative Elemente eingebaut werden Was schlussendlich die am wenigsten anspruchsvolle Form der IKT-Mediennutzung betrifft die bloszlige Archivierung der Informationen ist dies in Wissenschaften die mit Texten zu tun haben schnell und leicht getan Doch sollte auch bei dieser Nutzung nach dem Mehrwert gefragt werden also danach was mediengestuumltzte Materialarchivierung dem bewaumlhrten Medium Buch an Vorteilen hinzufuumlgen kann Der IKT-Einsatz muss seinen Inhalten sachlich angepasst sein

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 2 Anand Kumar National secretary Indian Sociological Society Jawaharlal Nehru Unishy

versity New Delhi

19 L E H R E N U N D L E R N E N

An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

20 L E H R E N U N D L E R N E N

31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

21 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

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An der Universitaumlt Freiburg wurde dies am Institut fuumlr Soziologie durch den Verfasser des vorliegenden Beitrags bereits seit 1998 versucht Unmittelbaren Anlass gab zu Zeiten des IT-Hypes der ausgehenden 1990er Jahre die Feststellung dass die faktische Abnahme der damals hohen staatshylichen Foumlrdermittel fuumlr IT-Innovationen an Hochschulen nicht nur zuerst sondern auch prozentual ganz wesentlich in den ingenieur- technik- und naturwissenschaftlichen Studiengaumlngen erfolgte Sollte es demgegenuumlber nicht auch moumlglich sein IKT in den technikfernen Faumlchern sinnvoll einzushysetzen Eine entsprechende Idee einer virtuellen Kooperation zur Internashytionalisierung von Forschung und Lehre entstand bereits Ende 1997 Kleine Selbstversuche im Rahmen einer eigenen Lehrveranstaltung wie zB eine organisierte elektronische Kommunikation von Studierenden in Freishyburg mit dem Kollegen William Outhwaite in Sussex gingen voraus Nicht einmal ahnen lieszlig sich damals dass aus einer vergleichsweise kleinen Idee virtueller Universitaumltsseminarkooperation bereits fuumlnf Jahre spaumlter ein interkontinentales reales Master-Studienprogramm werden konnte Das anfaumlnglich rsaquovirtuellelsaquo Lehrprogramm ein internationaler Verbund mehrerer Universitaumlten zu den Themen europaumlische Sozialstruktur und kulturelle Globalisierung wurde vom Autor 1998 initiiert und im Rahmen des Proshygramms raquoMultimediagestuumltzte Studiengaumlnge an Hochschulenlaquo welches vom baden-wuumlrttembergischen Wissenschaftsministerium in Gemeinshyschaftsinitiative mit der Deutschen Telekom ausgeschrieben und untershystuumltzt wurde beantragt und geleitet3 Das Projekt hatte nicht nur rsaquovirtushyellenlsaquo Erfolg wie er sich in einer ganz uumlberraschend starken Medienaufshymerksamkeit niederschlug 4 Es fuumlhrte vielmehr zu einem unuumlbersehbar faktischen Resultat Denn im April 2002 ging es nahtlos in einen rsaquorealenlsaquo Masterstudiengang uumlber der in Freiburg als raquoGlobal Studies Programmlaquo im Fach Social Sciences eingefuumlhrt wurde und von Beginn an den akademishyschen Grad gemeinsam mit der Universitaumlt KwaZulu-Natal im suumldafrikanishyschen Durban verleiht Dabei ist die Lehre sogar trikontinental realisiert in Freiburg Durban und Neu Delhi (Jawaharlal Nehru Universitaumlt) mdashmdashmdashmdashmdashmdash

3 Das LEC-Projekt (Welz 2000) wurde 2000 in Stuttgart mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis fuumlr humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet Im Medida-Prix der Gesellschaft fuumlr Medien in der Wissenschaft erreichte es ebenfalls auf dem Houmlhepunkt der IT-Euphorie und ebenfalls in 2000 das Innsbrucker Finale der zehn Finalisten

4 Zum Beispiel in raquoSoziologen ohne Angst vor dem Netzlaquo Badische Zeitung 11051999 Vgl zahlreiche weitere Beitraumlge unter httpwwwzmkuni-freiburgde Media Review

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31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 14: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

20 L E H R E N U N D L E R N E N

31 Virtuelle Lehre Lehrverbund European Social Structure amp Cultural Globalization (LEC)

Drei Unterscheidungen waren in der Projektkonzeption und sicher auch fuumlr den Erfolg des virtuellen Universitaumltsnetzwerkes zwischen Lehreinheishyten in Freiburg Neu Delhi Sussex Brno und Wroclaw entscheidend Erstens wurde die IT-Technologie nicht allein als groszlige Datenbank fuumlr Lehrinhalte verstanden Gleichrangig zur Archivierung der Materialien war Kommunikation zentrale Schnittstelle der Projektorganisation In der einen Hinsicht wurden Kursressourcen erstellt und veranstaltungsbegleitend im Netz verfuumlgbar gemacht Die Multimedia-Datenbank Faust bildete im Kern des Projekt-Lehrservers das Herzstuumlck Faust speichert und referenziert nicht nur Texte Literaturangaben und Adressen sondern kann auch alle weiteren Datenqualitaumlten enthalten und im Internet anbieten Im Projektfall waren dies zum Beispiel Interviews zum Thema kulturelle Gloshybalisierung die Anand Kumar von der Jawaharlal Nehru Universitaumlt geshymeinsam mit dem Autor des vorliegenden Beitrags im Sommer 1999 in Paris mit Immanuel Wallerstein und in 2000 in Freiburg mit TK Oommen durchfuumlhrte Die Textfassung der Interviews wurde spaumlter edishytiert und in einer internationalen Zeitschrift publiziert (Kumar Welz 2001 2003) Die Videofassungen selbst sind bis heute im Internet Natuumlrlich war die Wahl strategisch Tatsaumlchlich erzeugt die entsprechende Homepage zahlreiche Zugriffe von Netzflaneuren die eben zum Beispiel nach Immashynuel Wallerstein suchen Auch wird wohl durch die Einzigartigkeit eines frei zugaumlnglichen Videoprodukts die Quelle des Lehrservers vielerorts und sogar in knappen eher lexikalischen Eintragungen zu Wallerstein und dessen Buumlchern benutzt

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 15: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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Abb 2 I Wallerstein uumlber kulturelle Globalisierung

Gut zu beobachten war daher dass das Medium in diesem Falle tatsaumlchlich einen Mehrwert in die Forschungsgemeinschaft und besonders in die Lehre einbrachte Der Wissenschaftler aus Yale ist oft zitiert und selten gesehen ndash im Video einfachst und kostenneutral dann schon Zur Geshywaumlhrleistung der Kommunikation dienten synchrone und asynchrone In-ternet-Kommunikationsformen eine Multiuser-Domain virtuelle Studieshyrendengruppen zB zur gemeinsamen Vortragsvorbereitung in studentishyschen Tandempaaren Freiburg-Neu Delhi (fuumlr gemeinsame real-lokale Workshops an beiden Plaumltzen im Sommer 2000) bis hin zum virtuellen Klassenzimmer das in Seminarinteraktionen zwischen Freiburg und Neu Delhi Freiburg und Brno Sussex und Wroclaw konstruiert worden war Als weitere Form der kommunikativen Integration von Lehrinhalten und Studierenden in eine motivierende Umgebung erwies sich das so genannte rsaquoAuthor Online Colloquiumlsaquo welches zwischen Freiburger Studierenden und Loiumlc Wacquant in Berkeley durchgefuumlhrt wurde Die Motivation der Studierenden im Internet-Chatdialog one-to-many war hoch die Kosten des Kolloquiums niedrig und nur eine Sache schwierig die Zeitdifferenz Kalifornien ndash Westeuropa

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 16: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

22 L E H R E N U N D L E R N E N

Die hohe Bedeutung der kommunikativen Einbettung hat aber noch eine andere und nicht nur technische Seite Als entscheidend erwies sich die weitere Strategie der Integration der IT-Nutzung in den regulaumlren bestehenden Lehrbetrieb Keine Technikveranstaltung am Rande sollte geschaffen werden Die Bildungsmedien sollten vielmehr nur Mittel und Werkzeuge und keinesfalls Selbstzweck sein Daher waren saumlmtliche geshynannten Aktivitaumlten institutionell in Curricularveranstaltungen integriert Sie waren trotz internationaler Kooperation im Sinne des Blended Learning sozial jeweils in den lokalen Seminaren verankert und fachlich zudem auf komparative oder internationale Fragestellungen fokussiert die die Medienshynutzung und zB globale Kooperation zwischen Freiburger und indischen Seminargruppen sachlich sinnvoll und bereichernd machen (vgl Tomlinson-Keasey 2002 141) zum Thema kulturelle Globalisierung Im Effekt fuumlr die Lehre standen eine neue Multinationalitaumlt im Studiengang Multilingualitaumlt in der Seminarpraxis sowie der extrafunktionale Erwerb von Medienkompeshytenz durch Multimediapraxis (Noel 2000) Im Arrangement entscheidend ist dass es nicht darum geht den Computer in die Klassenzimmer zu holen sondern umgekehrt das Klassenzimmer in den Computer dh die Intershyaktivitaumlt des Klassenzimmers ist in einem neu konstruierten internationalishysierten Studienraum computergestuumltzt abzubilden

32 Top 10 Masterrsquos Made in Germany Global Studies Programm Freiburg-Durban-Delhi

Ohne diesen virtuellen Vorlaumlufer ndash aber auch ohne IKT uumlberhaupt ndash waumlre das 2001 in Freiburg vom Verfasser fuumlr eine Foumlrderantragstellung konzishypierte und bis 2006 geleitete Master-Studienprogramm Global-studiesde undenkbar Natuumlrlich basiert die Faszination des zweijaumlhrigen sozialwissenshyschaftlichen Studiengangs5 zuerst auf seinen realen Teilnehmern aus bereits

mdashmdashmdashmdashmdashmdash 5 Der Aufbau dieses Studienganges wurde vom DAAD von Ende 2001 bis einschlieszliglich

2004 im Rahmen des Programms raquoAuslandsorientierte Studiengaumlngelaquo gefoumlrdert Die vom Verfasser ndash typisch in prekaumlren universitaumlren Beschaumlftigungsverhaumlltnissen ndash entshywickelte Idee Initiative und Antragstellung griff nicht nur zur Einwerbung der Partnershyinstitute auf persoumlnliche aus elektronischer Kooperation entstandene Arbeitsbeziehunshygen zu Kollegen in Durban und New Delhi zuruumlck Sie bezog vielmehr die Nutzung der IKT-Medien jeweils basal in die verschiedensten Konzeptionen und Umsetzungen ein Mit Erfolg Fuumlr das Jahr 2004 erhielt das Kooperationsprogramm in Muumlnchen den

23 L E H R E N U N D L E R N E N

45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

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45 Laumlndern und vor allem auf den realen integrierten Gastsemestern in Suumldafrika und Indien Und dennoch waumlre diese internationalisierte Variante eines Studienprogramms ohne die neuen Bildungsmedien und insbesonshyders ohne das Internet undenkbar Nicht nur die Vorgeschichte und die Kontakte nach Delhi und Durban wurden in vorgaumlngigen virtuellen Koshyoperationen erarbeitet Auch nicht die verbindlich per Blockkurs untershyrichtete Informationskompetenz ist hier entscheidend die fuumlr englischshysprachige Studierende noch unerlaumlsslicher ist als fuumlr deutschsprachige loshykale Studierende um eben auch im deutschsprachigen Bibliothekskontext die entsprechende Spezialliteratur fuumlr die Masterthesen in den Online-Dashytenbanken adaumlquat finden zu koumlnnen Gleiches gilt fuumlr die Freiburger eCampus-Installation Clix die im Studiengang strategisch und gut benutzt wurde auf der Lehrveranstaltungs-Tests online angeboten und bearbeitet wurden Whiteboards online verwaltet und Gruppenabstimmungsprozesse uumlber das Internet organisiert wurden Selbst die Master-Abschlusspruumlfunshygen dutzendfach zwischen Freiburg und Durban und einmal auch Freishyburg-Durban-Auckland per Videokonferenz durchgefuumlhrt haumltten eventuell alternativ organisiert werden koumlnnen Der zentrale Punkt der Unerlaumlsslichshykeit der IKT fuumlr den so erfolgreichen realen internationalen Masterstushydiengang scheint vielmehr der folgende Sachverhalt zu sein Ein so intershynationales Programm das unvergleichlich dichte Kommunikation und Bindungen zwischen den Studierenden uumlber die Standorte hinweg erzeugt waumlre faktisch und praktisch undenkbar ohne die informelle und schnelle Internet-Kommunikation zwischen den drei Lehr- und Forschungsstandshyorten Der Kitt des Ganzen scheint die eKommunikation zu sein und zwar einerseits zwischen den Studierenden untereinander zB aus ihren Praktika-Stationen verteilt um den Globus und andererseits zwischen den Studierenden und ihren Herkunftsorten Familien und Freundschaften Fuumlr international kooperierende neuartige Joint-Degree Studienprogramme existieren demnach unuumlbersehbare softe Voraussetzungen die auszligerhalb fachlicher Fragen liegen Nur durch den logistischen Einsatz und die Moumlgshylichkeit der neuen Medien sind diese erfuumlllbar

mdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdashmdash BMW Group Award for Intercultural Learning In 2006 wurde das neue Qualitaumltslabel Top 10 International Masterrsquos Degree Courses made in Germany durch den Stiftervershyband fuumlr die deutsche Wissenschaft und den DAAD dem Global Studies Programm verliehen

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Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

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24 L E H R E N U N D L E R N E N

Abb 3 Muumlndliches Master-Examen Freiburg-Durban

4 Fazit

Die institutionellen Bedingungen des Forschens sowie die Lehre in den Soshyzialwissenschaften gewinnen durch Computer und Internet maumlchtige Resshysourcen die sich anschicken in beiderlei Bereichen tiefgreifende Veraumlndeshyrungen zu initiieren deren Ausgang noch offen ist Jedoch zeigt sich bereits Sollen die zu handhabenden Veraumlnderungen sinnvoll werden muumlssen die neuen Bildungsmedien als das verstanden werden was sie zu sein beansprushychen Medium und nicht Zweck Sollen Veraumlnderungen wie im Verlagswesen oder der jetzt ganz neuartig moumlglichen internationalen Kooperation nicht nur ertragen sondern gestaltet werden duumlrfen die digitalen Moumlglichkeiten sich nicht in der Material-Archivierung erschoumlpfen Vielmehr muumlssen organishysationelle Prozesse bedacht digital konzipiert und integriert werden Nicht zuletzt bleibt unverruumlckbar dass interpretative Wissenschaften Wissenschafshyten die mit kulturellen Erzeugnissen zu schaffen haben auch Lernformen der Studierenden stets noch angewiesen bleiben auf Kommunikation

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

Hodel J Haber P 2007 Das kollaborative Schreiben von Geschichte als Lernshyprozess Eigenheiten und Potenzial von Wiki-System und Wikipedia In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 43ndash53

Keil-Slawik R et al 1998 Multimedia-Projekte an deutschen Hochschulen EinUumlberblick In I Hamm D Muumlller-Boumlling (Hg) Hochschulentwicklung durch neue Medien Erfahrungen ndash Projekte ndash Perspektiven Guumltersloh Bertelsmannshystiftung 199ndash259

Kumar A Welz F 2001 Culture in the World-System An Interview with Immashynuel Wallerstein Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 7 Jg Heft 2 221ndash231

Kumar A Welz F 2003 Approaching Cultural Change in the Era of Globalisashytion An Interview with TK Oommen Social Identities Journal for the Study of Race Nation and Culture 9 Jg Heft 1 93ndash115

Lossau N Timmermann D 2006 Institutionelle Repositorien Offene Wissensshyspeicher Wissenschaftsmanagement Zeitschrift fuumlr Innovation Heft 1 10ndash11

Lyotard J-F 1986 Das postmoderne Wissen Ein Bericht Graz Wien Boumlhlau Muumlller U Schirmbacher P 2007 Der rsaquoGruumlne Weg zu Open Accesslsaquo in Deutschshy

land Zeitschrift fuumlr Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) 54 Jg Heft 4ndash5 183ndash193

Noel Y 2000 Lehren und Lernen online Moumlglichkeiten des Lehrens und Lernens via Internet am Beispiel des Hochschulprojekts LEC Haar VDD

Pollak G Kammerl R 2000 rsaquoTo know or not to knowlsaquo ndash erziehungswissenshyschaftliche Bemerkungen zur Wissensgesellschaft In R Kammerl (Hg) Comshyputerunterstuumltztes Lernen Muumlnchen Wien Oldenbourg 232ndash248

26 L E H R E N U N D L E R N E N

Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 19: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

25 L E H R E N U N D L E R N E N

Literatur

Abbott A 2002 The Disciplines and the Future In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 205ndash230

Brenne S Pfleging B 2005 prometheus ndash Strukturveraumlnderungen in den Kunstshywissenschaften In D Tavangarian K Noumllting (Hg) Auf zu neuen Ufern E-Learning heute und morgen Muumlnster Waxmann 137ndash146

Castells M 2001 Das Informationszeitalter Wirtschaft Gesellschaft Kultur Bd 1 Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft Opladen Leske + Budrich

Goertz L Johanning A 2007 OER ndash Deutschlands Hochschulen im internatioshynalen Vergleich weit abgeschlagen Eine systematische Bestandsaufnahme von OER-Initiativen im Hochschulsektor weltweit In M Merkt K Mayrberger R Schulmeister A Sommer I van den Berk (Hg) Studieren neu erfinden ndash Hochschule neu denken Muumlnster Waxmann 253ndash263

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Schneider G Couneacute B Gayer C Voumlgele E Weber Ch (Hg) iE Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikationstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forshyschungsmoumlglichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek

Schiltz G Langlotz A 2004 Zum Potential von E-Learning in den Geisteswisshysenschaften In D Carstensen B Barrios (Hg) Campus 2004 Kommen die dishygitalen Medien an den Hochschulen in die Jahre Muumlnster Waxmann 245ndash254

Seiler Schiedt E Kaumllin S Sengstag Ch (Hg) 2006 E-Learning ndash alltagstaugliche Innovation Muumlnster Waxmann

Tomlinson-Keasey C 2002 Becoming Digital The Challenge of Weaving Techshynology throughout Higher Education In S Brint (Hg) The Future of the City of Intellect The Changing American University Stanford Stanford University Press 133ndash158

Vest C M 2001 MIT to make nearly all course materials available free on the World Wide Web httpwebmitedunewsoffice2001ocwhtml (letzter Aufruf 16112007)

Welz F 2000 Uni Online Der LEC-Lehrverbund rsaquoEuropean Social Structurelsaquo amp rsaquoCultural Globalizationlsaquo In H Krahn J Wedekind (Hg) Virtueller Campus rsquo99 Heute Experiment ndash morgen Alltag Medien in der Wissenschaft Muumlnster Waxmann 275ndash280

Welz F (iE) Forschen und Lehren in der Informationsgesellschaft Der Fall der Sozialwissenschaften In G Schneider et al (Hg) Neue Medien als strategische Schrittmacher an der Universitaumlt Freiburg Wie Informations- und Kommunikashytionstechnologien Studienangebote Verwaltungsablaumlufe und Forschungsmoumlgshylichkeiten veraumlndern Freiburg iBr Universitaumltsbibliothek 49ndash59

Page 20: Soziologische Forschung und Lehre nach der digitalen ... · gesellschaft. An die Heterogenität des Wissens, die Vielfalt der Ansichten haben wir uns bereits gewöhnt. Was heute noch

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