#sbsm Buch - Kapitel Visionen V03 Satz

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  • 8/6/2019 #sbsm Buch - Kapitel Visionen V03 Satz

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    LOREM IPSUM BEGRIFF LOREM IPSUM LOREM IPSUM BEGRIFF LOREMIPSUM BLINDTExT BEGRIFF LOREM IPSUM BLINDTExT BEGRIFF LOREMIPSUM BLINDTExTBLINDTExT BEGRIFF LOREM IPSUM BLINDTExTBEGRIFF LOREM IPSUM BLINDTExT

    MaNUalShier SteheN NoCh Wie iM Wikipedia BliCh drei BiS fNf zeileN text. dieSer text SolldaS JeWeiliGe kapitel kUrz erklreN. loreM ipSUM dolor Sit aMet, CoNSetetUrSadipSCiNG elitr, Sed diaM NoNUMy eirMod teMpor iNVidUNt Ut laBore et dolore

    MaGNa aliqUyaM erat, Sed diaM VolUptUa. loreM ipSUM dolor Sit aMet, CoNSetetUrSadipSCiNG elitr, Sed diaM NoNUMy eirMod teMpor iNVidUNt Ut laBore.

    3 manuals 17

    3.1 Strukturen und Kanle 18 3.1.1 Be the social media 19

    3.1.2 Vernetzung, Distribution, Mobilisierung 203.1.3 Aktiv im Netz 21

    3.1.4 Dialog und Austausch - UnKonferenz, Open Space, Wiki 223.2 Prsen und Aktivitt 23

    3.2.1 Aktionen im entlichen Raum 243.2.2 Be the tv media 25

    3.2.3 Virale Kampagnen 26

    3.2.4 Online Demos 27

    3.3 Orientierung und Souvernitt 28 3.3.1 Test the social media 29

    I h v ich i [Verbergen]1 Jenseits von Mainstream und Nische2 Net werk-Kampagnen Die Kra t der Vielen koordinieren lernen!

    3 Visionen einer Gewerkscha tsbewegung 2.0

    5. ViSioNeNei d W i ich, i d m di y i ich, d Fo dB i i , d z b i , d D b fh i d ich.

    In diesem Kapitel wird etwas weiter gedacht, in Mglichkeiten, mglichen S enarien und eben

    in: Visionen. Antje Schrupp widmet sich der Lust am Debattieren und Denken in einem Diskurs 2.0 . Philipp Sonderegger ragt sich, welche Chancen eine Zivilgesellscha t 2.0 im Spannungs-verhltnis pro essioneller Kampagnenarbeit und breiter Grassroots-Parti ipation haben knnte.Und ein Autor_innen-Kollektiv von Gewerkscha ter_innen sondiert diverse Entwicklungsmg-lichkeiten r dieGewerkscha t 2.0 .

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    kategOrIen

    AUTONOMIE DIALOG PARTIzIPATION DISKURS MEDIENSYSTEMGEGENFFENTLICHKEIT VERNETzUNG SELBSTORGANISATIONKAMPAGNEN MOBILISIERUNG GRASSROOTS ARBEITNEHMER

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    JeNSeitS VoN MaiNStreaMUNd NiSChe

    Das Internet als Plattform fr politische Vermittlungsarbeit

    AUTONOMIE DIALOG DISKURS DISKURS MEDIENSYSTEMGEGENFFENTLICHKEIT FEMINISMUS VERNETzUNG

    Ein Mensch, der etwas Neues zu sagen hat denn die Gemeinpltze bedr en keiner Au merksamkann zuerst nur bei denen Gehr inden, die ihn lieben.

    Simone Weil

    Die eigenen Ideen so zuspitzen, dass sie in den Mainstream-Diskurs passen oder aber in kleinenkeln von Gleichgesinnten unter sich bleiben? Diese schlechte Alternative gehrt der Vergange

    an. Soziale Netzwerke und Blogs ermglichen Diskussionen und Reichweiten, die die berkomnen Zugangsbeschrnkungen zur " entlichen Meinung" unterwandern. Es kommt aber darausie auch zu nutzen.

    JedeNfallS NiCht NaCh deN reGelN der leitMedieN

    Einmal wre ich ast in eine Fernseh- alkshow eingeladen worden. Eine Frau vom Redaktionrie an, ich sei ihr emp ohlen worden. Das Tema solltePornografesein. Ich als Feministin seidoch bestimmt dagegen? So pauschal knne ich das nicht sagen, erwiderte ich, es sei ja ein

    plexes Tema. Ach wie schade, bedauerte die Redakteurin, dann kme ich leider nicht in FraMan wnsche sich einepointierte Position. Ob ich nicht vielleicht jemanden wsste? Das Beispielzeigt gut, warum es so schwierig ist, dissidente Temen ber die klassischen Medien einer bre entlichkeit zu vermitteln. Entweder kommt man dort gar nicht zu Wort oder aber die eigenPositionen werden au eine Weise zugespitzt, die letztlich kontraproduktiv ist. So oder so is

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    Mainstream der Mastab. Eigentlich blieben vor dem Internet nur zwei Optionen: Entweder mpasste sich an und bernahm die Rolle der "pointierten Gegenposition" wie es Alice SchwarzDeutschland r den Feminismus tat. Oder man grndete eigene Nischen-Medien, etwa Zeitunmit Kleinstau agen, in denen die eigenen Temen und Positionen di erenziert und auch kontrov

    diskutiert werden konnten allerdings um den Preis, dabei mehr oder weniger unter sich zu blei

    iNterNet UNd SoCial Media: Breite ffeNtliChkeit fr alle?!

    Mit dem Internet und speziell mit den sozialen Netzwerken#341, die sich im Internet organisieren,ist diese Zweispaltung, wenigstens im Prinzip, berwunden. Dissidente Inhalte mssen nicht mden "Mainstream- est" bestehen, bevor sie publiziert werden knnen. Sie sind, ohne den Fitraditioneller Redaktionen durchlau en zu mssen, weltweit entlich, also zugnglich r alsich da r interessieren. Welche Folgen das lang ristig r die politische Kultur hat, ist noch n

    zusehen. Wir be nden uns diesbezglich noch im Stadium des Experimentierens. In diesem Bemchte ich einige Er ahrungen aus meiner Praxis als Bloggerin (seit 2006) sowie bei Faceboo#237 und witter#166 (seit An ang 2009) beisteuern.

    Die diskursiven Orte "Nische" und "Mainstream" sind im Internet natrlich nicht ein ach so gehoben. Auch hier reproduzieren sich konventionelle Hierarchien: Dass ein eministischer eInternet steht, bedeutet ja noch nicht, dass er auch gelesen wird oder zumindest nicht von vie Auch im Netz haben Mainstream-Medien hhere Zugri szahlen und wird der Brigitte-Blog angeklickt als der eines unabhngigen eministischen Forums. Doch der wesentliche Unterschidass jetzt ein direkter Austausch zwischen Nische und Mainstream mglich ist, und zwar im seMedium. Die Spalte r Leser_innenbrie e, rher die einzige Option, um au alsche Berichtung, ehlende Perspektiven oder einseitige Ein ussnahme au merksam zu machen, ist im Innicht mehr nur ein Randphnomen, sondern die logische Grundlage des Mediums selbst. Ob eskleine Blogs#335 geht, um die Bewertungen von Kunden und Kundinnen au groen Platt ormeum Kommentare oder um Links bei Facebook oder Retweets bei witter: Ein Link ist ein Link, onun zu einem Artikel au Spiegel-online hrt oder zu einem Blogeintrag. Das Internet gewhres erstmals, dass man einer Quelle nicht au den ersten Blick ansieht, ob sie Nische oder Mainsist. Der Weg der Klick au den Link ist exakt derselbe. Wir bewegen uns alle im selben Um

    NeUe, aNdere, BaSiSdeMokratiSChe releVaNzkriterieN

    Die Frage nach der Relevanz eines Temas, eines Beitrags verlagert sich dadurch: Zustndig Beantwortung sind nicht mehr die Redaktionen der groen Leitmedien, sondern die vielen, mit ihren Reaktionen, Kommentaren und Emp ehlungen ein Tema relevant machen. Und es zesich, dass sich die rein quantitativen Relevanzkategorien der "Vor-Internet-Zeit" (Au agenhEinschaltquote etc.) berholt haben. Ein Blogpost, der zwei Leute zum Umdenken bringt, hat mpolitischen Ein uss und ist also relevanter als einer, der zweitausend Leute in ihrer Meinung btigt. Auch wenn er vermutlich deutlich seltener angeklickt wird.

    Ein leicht einsichtiger Vorteil der sozialen Netzwerke ist die Mglichkeit, sich mit Leuten zuver-netzen, die an hnlichen Temen interessiert sind. Auch wer ofine gut vernetzt und in ormiert is wird im Internet noch viele andere, hnlich interessierte Menschen nden. Und da es mit den leichter ist Kontakte zu p egen, zer iet die Grenze zwischen "uns" und "den anderen tenden

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    Die relative Unverbindlichkeit von Social Media-Kontakten (im Vergleich zu klassischen politiGruppen) hat meinen Horizont und meine Reichweite erheblich erweitert. Ich bin inzwischenKontakt mit einem sehr viel breiteren Spektrum an eministischen Strmungen als vorher. Bich Facebook und witter nutzte, in ormierte ich mich so: Ich bekam ipps von den politisc

    Freund_innen, mit denen ich in Diskussionsgruppen oder in Mailinglisten Kontakt hatte, ich die einschlgigen Fachzeitschri ten, und manchmal googelte ich noch oder hrte zu llig etwist o ensichtlich, dass hier die Wahrscheinlichkeit gro war, etwas Relevantes oder Interessanverpassen zumal dann, wenn es sich auerhalb meines engeren "Dunstkreises" abspielte.

    MdCheNMaNNSChafteN, BloGGerMdCheN UNd pirateNWeiBerEs gibt viele bloggende Frauen ( u allen mglichen Themen), ebenso wie ahl-

    reiche Blogs, die sich spe iell mit eministischen Fragestellungen besch tigen,und in denen nicht nur Frauen, sondern auch Mnner schreiben. zu einem en-tralen Portal hat sich die Seite Mdchenmannscha t entwickelt, die aus dem2008 erschienenen Buch Wir Alphamdchen hervorgegangen ist, r die aberin wischen eine gan e Reihe von Autorinnen und einige Autoren schreiben. Mitmehreren neuen Artikeln am Tag, aktuellen Berichten und Kommentaren undvor allem einer breiten Palette von vertretenen Positionen hat es der Blog in wi-schen auch in die Rankings diverser Blogcharts gescha t. Wer au der Suchenach interessanten Adressen aus der eministischen Blogosphre ist, fndet hierden idealen Ausgangspunkt, um Beispiel in der aus hrlichen Linkliste, oder bei

    den Vorschlgen, Nominierungen und Gewinnerinnen der 2009 um ersten Malveranstalteten Wahl einer Bloggerin des Jahres .

    Interessante Blogs kann man auch bei GIRLS CAN BLOG fnden, wo Annina Lu ieSchmid regelmig Interviews mit Bloggerinnen ber ihre Motivation u publi ie-ren, ber ihre Themen und ihre Er ahrungen ver entlicht. Ein eher philosophischund politisch ausgerichtetes Forum u Ideen und Debatten mit eministischemHintergrund ist schlielich beziehungsweise-weiterdenken , hinter dem ein Re-daktionskollektiv steht und bei dem ich selbst mitschreibe.

    daS redaktioNSBro MeiNeS VertraUeNS

    Wenn ich mir heute die richtigen Kontakte zulege, kann ich ziemlich sicher sein, dass jede intsante neue Entwicklung automatisch in meine imeline gesplt wird (wer im Internet nur "Schr

    ndet, ist selbst dran schuld!). Und dieser In ormations uss wird auch noch aggregiert: Je hetwas erwhnt wird, r desto wichtiger scheint es meine selbst zusammengestellte Re erenzzu halten. So gesehen sind imelines, also etwa die bei witter abonnierten Feeds#094 , eine Artpersnliches Fachjournal: Relevant ist r mich, was mir von bestimmten Menschen emp

    wird. Wobei dieses Prinzip im Bezug au den Feminismus leider bislang nur mit Einschrnkuunktioniert. Denn viele Feminist_innen nutzen das Internet noch eher konservativ: zumRecher-chierenund Mailen, vielleicht haben sie den einen oder anderen Newsletter#350 abonniert. Abernur eine Minderheit von ihnen bloggt oder ist in sozialen Netzwerken aktiv. Ihre Expertise ehlnatrlich.

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    rotz der durchaus beachtlichen Prsenz bloggender Frauen die meiner Ansicht nach greals es die notorischen Klagen ber die Abwesenheit von Frauen aus der Netzkultur#084vermutenlassen wsste ich aus dem Stand noch viele kluge Denkerinnen und Aktivistinnen, die in me

    imeline schmerzlich ehlen, weil sie bisher nichts oder nur selten etwasins Internet schreiben. Aber

    wer im Internet nicht prsent ist, kann dort auch die Diskussionen und die Gesprchskultur nibeein ussen oder eigene Ansichten beisteuern. Viele "Ofiner_innen" unterschtzen dieses Potzial enorm. Es ist ihnen nicht bewusst, dass sie sich damit aus einem grer werdenden Debakontext selbst ausschlieen. Immer noch bekomme ich zum Beispiel Hinweise au Veranstaltuoder interessante exte als E-Mail mit pd -Anhang. Damit kann ich aber nichts an angen. Ichdiese Mail natrlich per Hand an ausgewhlte Zielgruppen weiterleiten aber ber den Kreiseinschlgig Verdchtigen kommt das eben nicht hinaus. Um eine In ormation im Netz zirkulizu lassen (und es gibt eine grere Gruppe von Menschen, die sich ausschlielich ber das Intin ormiert), braucht sie einen Link. Nur mit Link ist sie "retweetbar" und damit berhaupt in

    sem Kontext existent.

    daS Spiel Mit deM iNforMatioNSflUSS

    Natrlich muss man auch tatschlich wollen, dass die eigenen Ideen ber den Kreis der "blicVerdchtigen" hinaus zirkulieren. Damit setzt man sich ja auch Kritik aus. Menschen, die mir welchen Grnden auch immer au witter olgen, bekommen schlielich regelmig meineministischen Sen zu allem Mglichen zu lesen. Allerdings sind meine Er ahrungen berwpositiv. atschlich ge allen meine weets o enbar auch solchen, die selbst keine Feminist_

    sind (was durchaus gerne mal betont wird). Meine Facebook-Kontakte, die vielleicht nur drhren, dass wir rher mal au derselben Schule waren, knnen mitver olgen, wie ich mit anFeminist_innen diskutiere. Sie erleben quasi "Feminismus live", und das, ohne da r in ein Frzentrum gehen zu mssen, also an einen r sie kulturell remden Ort. Solche Schwellen gibtInternet nicht.

    Zuhren. Mitlesen. Diskutieren. Sprechen. Empfehlen.1. Die Timeline bei Twitter, die Pinnwand bei Facebook, ein bestndiger In ormationsfuss, nur dass wir selbstorganisiert unsere vertrauenswrdigen Netzwerke an die Stelle setzen, die sonst von den Redaktionder Massenmedien organisiert werden.2. Es unktioniert in beide Richtungen: Menschen, mit denen wir uns gerne bei Veranstaltungenzum Dialog tre en, hren wir auch online zu. Menschen, mit denen wir on-line gerne kommunizieren, tre en wir gerne auch zum Austausch im "Real-Li e".3. In ormationen, die uns wichtig erscheinen, leiten wir weiter. Uns relevant erscheinende In ormation fiet durch die Netzwerkkanle

    Sicher knnen soziale Netzwerke keine Wunder vollbringen, aber sie bieten nicht nur eine Mlichkeit zur klassischen In ormationsverbreitung, sondern sind Platt ormen r eine qualitatiForm politischer Vermittlungsarbeit. Hier wird eine politische Position nicht nur postuliert (

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    etwa in einer Pressemeldung oder au einem Flugblatt), sondern sie kann sich im Alltag bewund an unterschiedlichen aktuellen Anlssen neu aus ormuliert werden, was ihre Reichweite eerhht. Wenn ich mich zu tagespolitischen Temen wie Burkaverbot, Sorgerechts-Urteilen, Qutendebatten, Elterngeld und dergleichen uere, steigen die Zugri szahlen und Retweets stark

    Inzwischen werden sogar direkte An ragen an mich gestellt, meine Follower_innen ordernau , zu diesem oder jenem Sachverhalt etwas zu sagen. Damit bin ich nicht mehr in der Rolleministischen "Missionarin", die mit ihrem stndigen Bezug au das Genderthema nervt, so

    vielmehr in der Rolle der "Freundin", die sich bei einem bestimmten Tema gut auskennt und dman an ragt, wenn man etwas wissen will oder eine Einschtzung braucht. Ein Rollenwechseauch hhere Au merksamkeit r das, was ich dann sage, mit sich bringt.

    dialoG, deBatte, diSkUrS iM Netz

    Die Chance r die Vermittlung dissidenter Perspektiven liegt dabei in der Kontinuitt der Konte bei gleichzeitiger relativer Unverbindlichkeit. Natrlich kann ich nichts erzwingen. Viele L werden meine weets nur nebenbei an sich vorbeirauschen lassen, manche nden mich trotz anervig oder uninteressant und ent olgen mich wieder. Wenn ich eministische Temen di erenund komplex diskutieren mchte, dann geht das natrlich nicht von jetzt au gleich. Aber im und in den sozialen Netzwerken bin ich als Person prsent, ich uere mich zu diesem und jenkommentiere bei anderen mit, verteile Links und so weiter. Ich stelle Temen und Tesen kontinuierlich und in kleinen Hppchen zur Diskussion. Ich texte die anderen nicht ein ach mit meiKram zu, sondern beziehe mich au Temen und Ereignisse, die gerade aktuell sind und die

    Menschen bewegen. Durch diese Kontinuitt wchst die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimm Augenblick doch die ntige Au merksamkeit zu bekommen, um etwas anstoen zu knnen einge ahrene Denkmuster au zuweichen. Wobei das keine Einbahnstrae sein dar . Wer das Innur als weiteren "Vertriebsweg" benutzt, um die eigenen Positionen "unters Volk" zu bringen,das eigentliche Potenzial des Mediums nicht erkannt. Auch ich selbst muss mich r Neues mich heraus ordern lassen, meine Ansichten zur Debatte stellen und das Risiko eingehen, daEnde ich es bin, die ihre Meinung gendert hat. Das ist im Internet nicht anders als im wirklicLeben. Auch in einer anderen Hinsicht sind diese "kleinen Formate" brigens hil reich: nmzur kritischen Begleitung der entlichen Debatte. Wenn etwa wieder mal au einem Podium

    schlielich Mnner sitzen oder eine sexistische Werbekampagne am Start ist, kann ich hier kurzknapp darau hinweisen und das Ganze mit einem bissigen oder ironischen Kommentar verseSo entgehe ich dem klassischen Dilemma, solche Stereotype entweder gar nicht zu beachtenaber ihnen gerade durch die Kritik mehr Raum und Au merksamkeit zu verscha en, als sie eigeverdienen. Sexistischer Unsinn ist im Allgemeinen nicht mehr wert als einen weet der abnotwendig, damit das nicht unkommentiert stehen bleibt.

    feedBaCk dUrCh die SiChtBarkeit der deBatte

    Durch die au Beziehungen und Kontakten gegrndeten In ormations sse in den sozialen N werken sowie durch die in Form von Kommentaren und Pingbacks entstehenden Querverbindgen zwischen einzelnen Blogger_innen ergeben sich Gesprche und ein Austausch, der erstmder Geschichte der Menschheit nicht mehr au die kleine Gruppe der anwesenden Beteiligtenschrnkt bleibt, sondern entlich ist. Mit dem Internet ist es mglich, Massenkommunikat

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    und interaktive Kommunikation zu verknp en. Kommentare steuern zum Beispiel In ormatiund Aspekte bei, au die ich selbst nicht gekommen bin. Sie weisen mich au Ungereimtheider eigenen Argumentation hin und au mgliche andere Temen, an denen eben alls Interbesteht. Der grte Pluspunkt gerade r die Vermittlung von nicht-mainstreamigen Positionedabei, dass die Rckmeldungen mir die Gelegenheit geben, au gngige Vorurteile gegenber Feminismus zu reagieren. Wenn entsprechende Einwnde oder Nach ragen kommen, gibt midie Gelegenheit, den einen oder anderen Bereich zu vertie en und zwar einem interessierten von Leser_innen gegenber. Ich verstehe Kommentare nicht als lstige Kritik (von den rollen#257einmal abgesehen), sondern als weitere Wissensquelle: Sie vermitteln mir einen Eindruck vo jeweiligen Mainstream-Position zu meinem Blogpost, und zwar verbunden mit der Mglichetwas zu erlutern und richtigzustellen, oder unter Umstnden auch noch mal neu ber den eioder anderen Aspekt nachzudenken.

    die deMokratiSierUNG deS pUBliziereNSDas Verhltnis wischen denen, die be ahlt und aus Pro ession schreiben oderInhalte produ ieren, und jenen, die das unbe ahlt, aus eigenem Bed r nis undEngagement heraus tun, verndert sich. Seit einigen Jahren schon be nden sichdie Honorare, die in den etablierten Medien r reie Autor_innen be ahlt werden,im Sinkfug. Das Schreiben im Internet ist auch keine Alternative: zwar kann manmit Werbung oder mit einem Mikro-Spendendienst wie Flattr kleine Geldbetr-ge einwerben, aber wirklich gro sind die Summen, die da usammenkommen,nicht. Nicht einmal die groen Blogportale knnen sich daraus nan ieren. Mitdieser Entwicklung ndert sich auch tenden iell die Motivation rs Publi ieren:Sie kommt weniger aus der Be ahlung, die man da r erhlt, und mehr aus demEngagement r die Themen, ber die man schreibt. Der Grund r diesen Trendist, dass sich verschoben hat, was "knapp" ist: Nicht mehr die Publikationsmg-lichkeit ist heute das wertvolle Gut, sondern die Au merksamkeit des Publikums.Jede_r kann publi ieren, die Frage ist, ob man auch gelesen wird die Anbie-ter_innen konkurrieren also um die Au merksamkeit der Menschen, die unmglichalles lesen knnen und eine Auswahl tre en m ssen. Kriterien da r sind die Ori-ginalitt und Qualitt der Beitrge, der Vernet ungsgrad und die Reputation der

    Autor_innen sowie ihre Fhigkeit, die eigenen Inhalte und Ansichten thematisch andas an ukn p en, was Menschen jeweils bewegt und umtreibt. Sicher haben dieetablierten Medien dabei noch einen Vorsprung gegen ber unabhngigen Blogsund Foren. Doch dieser muss sich anhand von jenen Kriterien bewhren, die Inter-netnut er_innen diesen Angeboten ubilligen, er versteht sich nicht mehr au grundeines e klusiven zugangs u Publikations- und Vertriebsmglichkeiten von selbst.

    Allerdings ist der Diskussionsstil im Internet o t problematisch, was viele momentan noch absch

    (mehr Frauen als Mnner, wie ich glaube). Der on in Kommentaren ist hu g besserwisserischpolemisch, und zwar nicht nur bei den blen Pbeleien, die man ohnehin gleich weglscht, sdern auch bei ernstha ten Mitdiskutant_innen (mehr bei Mnnern als bei Frauen). Ich habe gEr ahrungen mit einer eher restriktiven Kommentarpolitik gemacht. Und zwar nicht, weil ichharter Kritik nicht umgehen knnte, sondern im Interesse der Qualitt der Kommentardiskuss

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    insgesamt. Denn je rder der on, desto weniger Lust haben andere, mglicherweise interessanLeute, sich daran zu beteiligen.

    Blogs mehr als online Tagebcher mit Katzenfotos

    An ang des Jahrhunderts hie es von ihnen, sie werden das Mediensystem aushe-beln, in den vergangenen Jahren wurden sie r tot erkl rt, und sie sind immer nochdas Her stck der Net kultur, dieBlogs . Das Wort leitet sich aus der Kombination

    weier Begri e ab;Web (also "Net " wie imWorld Wide Web ) und Logbuch (engl.: Log, Logbook). Grammatikalisch richtig w re daherdas Blog , weil das Web-Logbuch. Seit Jahren erkennt der deutsche Duden aber auch der Blog als richtigan. Ein symptomatisches zeichen, welche Bedeutung Blogs in unserer Gesellscha terreicht haben. Der Er olg des Ph nomensBlog verdankt sich der Ein achheit, mitder sich ein Blog starten, einrichten und mit Eintr gen be llen l sst. Die Schwelle,etwas au einer "eigenen Website" ins Net u stellen, ist kindisch ein ach gewor-den. So wie vor 15 Jahren kostenlose E-Mail-Dienste aus dem Net gesprossen sindund immer leistungs higer wurden, hat sich hnliches in den let ten n Jahrenmit gratis Blog-Diensten wiederholt. Das ist die eine Bedeutungsebene des WortesBlog: die Funktionalit t der Blog-So tware. Das entrale Element des Blogs sinddie Eintr ge mitsamt dem Umstand, dass diese in einer chronologischen Ab olgestehen, und der automatischen Leistung der Blog-So tware, dass jedem Eintrag ein

    Datum ugewiesen ist. Alle Eintr ge usammen ergeben somit ein chronologisches Archiv, eine Ab olge, bei Twitter, dem "Mikro-Blogging"-Dienst, sprichwrtlichTime- line genannt. Blogs eignen sich also ur lau enden Dokumentation: von Gedanken,Beobachtungen, Ereignissen, Entwicklungen und so weiter ... inklusive Bildern vonKat en. Jedes Blog ist ein impli ites Versprechen weiterer, ukn tiger Eintr ge.

    Im Wort Blog ist neben der Struktur der So tware mehr enthalten. Eine andereDimension des Begri s meint die "Textsorte", die Kulturtechnik des Bloggens, dasidealtypische Wie blogge ich "richtig"? . zur Kultur des Bloggens gehren so man-che Aspekte, nicht alles ist gleich bedeutend und darber hinaus ist klar, dass Blog-

    So tware au grund ihrer ein achen Anwendung gerne auch r Webseiten verwendetwird, ohne dass diese auch nur versuchen, "Blogs" im eigentlichen, im kulturellenSinne u sein. zur Kultur des Bloggens gehrt jeden alls die Bereitscha t um Dia-log und ur Vernet ung. Bloggen heit, die Kommentar unktion o en u halten, auKommentare u antworten und um Kommentieren ein uladen. Es heit in weiterer Auspr gung, den Blick ber den eigenen Blogrand o en u haben. Da u gehrt dasVerlinken u interessanten Texten au anderen Webseiten und vor allem Blogs, dasTransparent-machen der Blogs, die mensch selbst liest und sch t t, das Re eren-

    ieren au Beitr ge in anderen Blogs. All diese Aspekte des zitierens, des Pfegenseiner Blogroll und des Wahrnehmens, was sonst so in der Blogosph re passiert,das Teilnehmen an Debatten und Diskursen, das l u t au Vernet ung hinaus, auden greren zusammenhang und Hori ont, au gesellscha tliches Engagement, auSolidarit t.

    #335

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    Von daher: Mit Kommentaren muss man experimentieren. Und man muss nicht alles reischaltauch wenn viele dann emprtZensur!ru en. Als "Hausherrin" im eigenen Blog bestimme ichdie Gesprchskultur, mit Zensur hat das nichts zu tun. Das Netz ist schlielich gro, und weeinen anderen Diskussionsstil bevorzugt, kann da r ja ein eigenes Blog au machen. O t

    ich auch den Einwand, dass dieses Internet doch sehr viel Zeit " risst". Besteht nicht die Gedass diese Energie quasi von meinem "eigentlichen" politischen Engagement abgezogen wMir erscheint der Zeitau wand, gemessen an den Vorteilen, relativ klein. Ich setze mich aber anicht hin und nehme mir viel Extra-Zeit, um zu berlegen, was ich bloggen und schon gar nich was ich twittern will. Sondern ich schreibe ein ach genau das, was mir ohnehin durch den Kgeht. Und das wird dann, je nach Gewicht, zu einem kleinen Tweet oder einem lngeren Blogpoverarbeitet.

    BUNG iN der deBatte Mit deN VieleN UNd deN VerSChiedeNeN

    Sicher, das braucht etwas bung und an angs ist es durchaus auch zeitau wendig. Aber meEr ahrung nach wird es irgendwann so selbstverstndlich, dass es wie nebenbei lu t: Es kostet weniger Energie, einen Gedanken, einen rger rasch zu bloggen, als ihn tagelang mit mir im Kherumzuschleppen. Das ist auch eine Frage der Priorittensetzung: Je mehr ich mich im Internin ormiere, desto seltener nutze ich andere Medien (vor allem das Fernsehen habe ich inzwiscvollkommen abgescha t). Und je mehr ich im Internet schreibe, desto weniger schreibe ich woders, etwa in Zeitschri ten oder Bchern. Das liegt ein ach daran, dass ich das Schreiben im Inte aus den genannten Grnden spannender und wichtiger nde. In gewisser Weise bringt es u

    wieder zurck zu dem, was die alten Griechen "Polis" nannten: also einer Gesellscha t, die dalebt, dass sich alle (bei den alten Griechen waren es nur die reien Mnner, aber sagen wir heut wirklich alle) an der " entlichen Meinungsbildung" beteiligen. Eine Gesellscha t, die PolitikDiskurs der verschiedenen versteht und im Gesprch, Austausch und Konfikt unter diesen vielversucht, eine gute Lsung zu nden.

    Gerade r Nicht-Mainstream-Diskurse, die es rher schwer hatten, einen Platz in dem knpen Gut "Publikationsmglichkeit" zu erhaschen, bietet diese Entwicklung groe Chancen. Ssind ja ohnehin noch nie r ihr Schreiben und Publizieren bezahlt worden, ihnen geht es um dpolitische Botscha t, und um die Chance, an einem entlichen Diskurs mitzuwirken. PolitiscMeinungsbildung ist nichts mehr, das automatisch ausgewiesenen "Expert_innen" zugeschrieb werden kann, sondern wir alle sind da r verantwortlich. Inso ern ist die aktive Beteiligung Web 2.0#009 aus meiner Sicht nicht ein Spa, ein Luxus, den man sich leisten kann, wenn mannichts Besseres zu tun hat, sondern tatschlich so etwas wie "Brger_innenpficht". Das gilt zwbesonders, aber nicht nur r politisch Interessierte.

    Alle Menschen wissen Sachen, haben Er ahrungen, sind originell, knnen Ratschlge geben kennen meinetwegen auch tolle Kochrezepte. Wir alle haben schlielich au Kosten der Almeinheit eine Ausbildung genossen. Wre es da nicht auch angemessen, davon der Allgeme-

    heit wieder etwas zurckzugeben? In Form von klugen Tweets oder Blogposts etwa? Oder ain Form von Kommentaren und Replies? Ist es, anders ge ragt, nicht ziemlich geizig und egoistdas eigene Wissen r sich selbst zu behalten, indem man aus dem Internet zwar gerne alle mlichen Sachen herausholt aber nichts selber dazu beitrgt? Natrlich gibt es keine Pficht zuBloggen, Twittern und Facebooken. Doch gibt es heute eine viel grere Verantwortlichkeit

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    die Art und Weise, wie sich der oder die Einzelne am entlichen Diskurs beteiligt oder ebauch nicht. Die Entscheidung dagegen ist jeden alls genauso kritisch zu hinter ragen, wieEntscheidung da r.

    zUSaMMeNfaSSUNG

    Wer die eigenen politischen und theoretischen Positionen in sozialen Netzwerken mitteilt undDiskussion stellt, entzieht sie dem "Mainstream- est" und trgt sie dennoch ber den Kreis"blichen Verdchtigen" hinaus. Die Mglichkeiten, andere Menschen an einem Diskurs zu betgen, verviel ltigen sich. Gerade die Niedrigschwelligkeit der Kontakte in den sozialen Netzwmacht es wahrscheinlicher, Ideen auch Gruppen nahezubringen, die das eigene Anliegen nichtbedingt teilen oder auch ein ach noch nie davon gehrt haben. Die kurze Form im Internet bieine Platt orm, um entliche Diskursstrnge kritisch zu begleiten, und die potenzielle Reich

    von Netzwerken steigt eklatant an. Au diese Weise kann das Entstehen einer neuen entlicabseits von traditioneller "Meinungs hrerscha t" und im Sinne des Widerspruchs, des entKommentierens, mitgestaltet werden.

    Schreibe einen Blog ber die Temen, die dir am Herzen liegen mit webbasierter So twareist das kostenlos und er ordert kein technisches Verstndnis. Lass dir Zeit und experimentiean angs wirst du ohnehin noch nicht viele Leser_innen haben.

    Besuche andere themenverwandte Blogs und teile dort dein Wissen und deine Meinung mit

    anderen. Mit der Zeit wird man dich au diese Weise als interessante Gesprchspartnerin kenen lernen.

    Experimentiere mit sozialen Netzwerken, melde dich bei witter oder Facebook an und beoachte das Geschehen. An angs mag diese Art des Netzwerkens und Diskutierens be remdlerscheinen, mit der Zeit gewhnt man sich dran.

    Wenn du etwas nicht weit, stelle Fragen. Die Leute im Internet sind im Allgemeinen sehrhil sbereit, bei Unklarheiten weiterzuhel en und ipps zu geben.

    berlege nicht zu sehr, was "die Leute" interessieren knnte, sondern schreibe ber das, wadich bewegt und wirklich interessiert und worber du gut Bescheid weit oder exklusive Inmationen hast.

    Mache nicht ein ach nur Werbung r deine Produkte oder Gewissheiten, sondern stelle zuDiskussion, was dich umtreibt, gerne auch in Form von Fragen.

    Mache es transparent, wenn du eine o zielle Funktion in einer Organisation oder einem Verband hast im Internet reagiert man sehr sensibel au "Schleichwerbung".

    P ege Beziehungen. Missioniere nicht blo r dein eigenes Anliegen, sondern interessiereauch r die Anliegen der anderen.

    Mainstream, Leitmedien, Fernseh-Talkshow, Feminismus, Dissiden , Facebook, Twitter, Nische, Relevan ,Mdchenmannscha t, Bloggermdchen, Blogosphre, Dialog, Trolle, entlichkeit, Politik, Polis, Publi ieren

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    koMMeNtare

    Andrea Mayer-Edoloeyi sagt: Das unterschreibe ich alles. Als Leserin deines Blogs kann ich auch die Wahrneh-mung besttigen, dass sich ber eine gut gemachte Social Media-Prsen neueKontakte au tun mit Menschen, die sonst gar nicht au diese Themen gestoenwren. Spannend kann das dann auch bei IRL-Vernet ungen werden, nicht nurau GenderCamps, die es in Deutschland ja auch schon gibt, sondern indem sichFeministinnen in die gesamte Barcamp- und Twittagessen-S ene einbringen. Dasehe ich durchaus Poten iale, vielleicht auch irgendwann mal gemeinsame Pro-

    jekte voran utreiben ber diesen Weg und es vertie en sich dabei so manche loseKontakte, die online entstanden sind. Und es ist iemlich wit ig, Leute das ersteMal IRL u tre en!

    Schwieriger ist es schon, sich mit der "traditionellen" eministischen S ene u ver-net en (so vage der Begri jet t mal ist). Da wird, wie du es ja auch ansprichst, dasInternet noch iemlich unterscht t und o t an gan anderen Baustellen gewerkt.Ein Blogprojekt als Privatperson u starten ist wesentlich ein acher, als Social Me-dia r eine Initiative oder Organisation u etablieren. Das zeitargument sehe ichselbst ja hnlich wie du. Social Media ist ein ach ein St ck selbstverstndlicher

    Alltag. Das ist aber eine Sichtweise, die (noch) nicht breiter trag hig ist, weil dieLeute so anders ticken in ihrem Alltag. Ich erlebe es so, dass manche ein ach gerneeine Pro -Frau htten, die das mit dem Internet da r sie erledigt. Das geht abernicht wirklich (auch wenns Werbeagenturen gibt, die uns das er hlen wollen) undmacht ein ach auch be glich der Demokratisierungspoten iale keinen Sinn. Oderhast du da andere Er ahrungen?

    Piratenweib sagt:

    Ideen, wie mit Trollen und se istischen Kommentaren umgegangen werden kann,gibt es viele. Die meisten beschrnken sich jedoch au : nicht ver entlichen, ein-

    ach lschen. Das ist au Dauer r die beleidigten und gestalkten Blogger_innen jedoch keine Lsung. Dadurch risst eine_r den Hass aus den Kommentaren in sichhinein. Es wre besser, sich mit Gleich-Getrollten usammen utun, denn gemein-sam ist mensch bekanntlich strker und es tut gut, damit nicht allein klarkommen

    u m ssen. Eine spit enmige Idee wurde 2010 au dem GenderCamp.de ausge-br tet und von einigen engagierten Teilnehmer_innen weiter ver olgt. Nun, ast einJahr spter, ist die Sache ausgebr tet und am Lau en: hatr.org collecting trolls.Und das beste: die se istische Kackscheie, die dort gesammelt wird, kommt vongan allein. Da muss sich mensch berhaupt nicht anstrengen. Selten wird einemim Internet so reibungslos ugearbeitet. Der/die eine oder andere hat sicher sei-nen/ihren geistigen D nnp dort schon wiederge unden Also, her lichen Dank

    rs anonyme Mitmachen und rs Kackscheie posten. Wir machen Geld aus dei-nem Dreck. Prima.

    Bernhard Jenny sagt: twittDanke r diesen sehr motivierenden Artikel! Ich ho e, er kann viele da u ermun-tern, aktiv u werden. We are what we share.

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    die kraft der VieleNkoordiNiereN lerNeN!

    Netzwerk-Kampagnen Bewegung in die Zivilgesellschaft bringen

    zIVILGESELLSCHAFT KAMPAGNEN PARTIzIPATION MOBILISIERUNGGRASSROOTS SELBSTORGANISATION VERNETzUNG BRGERRECHTE

    Vernderung bedeutet Bewegung. Bewegung bedeutet ReibunNur in einer iktiven Welt entsteht Vernderung ohne Kon likt.

    Saul Alinsky

    Fr Non-Governmental Organizations(NGOs) knnen Netzwerk-Kampagnen die Kampagnen-orm#130 der Zukun t werden. Die Verbreitung von sozialen Medien macht wirkungsvolle Ko

    munikations- ools ver gbar und bringt ein aktives Selbstverstndnis potenzieller Aktivist_iZivilgesellscha tliche Initiativen und NGOs mssen aber noch viel lernen, wenn sie die Reichsozialer Bewegungen und die Steuerbarkeit von klassischen Kampagnen in Netzwerk-Kampakombinieren wollen. Wo genau noch Handlungsbedar besteht, beobachtete ich als SprecherSOS Mitmensch, einer "pressure group", r die ichKampagnenzur Durchsetzung der Menschen-rechte gemacht habe. Fn Punkte grei e ich hier heraus.

    flChtliNGS-NGoS UNd NetzWerk-kaMpaGNeN die VorlUfer

    Schon vor#unibrennthaben zivilgesellscha tliche Gruppen in sterreich Kampagnen in Netzwestruktur durchge hrt: Beim recht gebruchlichen "open campaining" wird lediglich das gemsame Ziel estgelegt. Die Mitstreiter_innen agieren dann unabhngig und setzen die eigenensourcen mit den jeweils bevorzugten Aktions ormen ein. Open campaining kommt vor allem zum ragen, wenn detaillierte Koordination mehr Au wand als Nutzen bedeutet. Zum Beis

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    wenn Akteur_innen mit sehr unterschiedlicher Arbeitsweise zusammen nden sollen. PolitGruppen schp en ihren Antrieb aus inhaltlicher Abgrenzung und setzen deshalb meist au dinamik von Kon iktstrategien. Diese werden von NGOs, etwa sozialen Wohl ahrtsverbndenriskant und anstrengend eingeschtzt. Groe NGOs ver gen o t ber ausreichend personelle

    nanzielle Ressourcen, um Lobbying- oder Public-Relations-Strategien umzusetzen. Kon iktsgien sind zweite Wahl, was NGOs von politischen Gruppen mitunter den Vorwur des bertrinen Pragmatismus einbringt. Noch ein Unterschied: Mit der Gre einer Organisation steigt ninur die Ressourcenstrke, sondern auch die Komplexitt der Entscheidungsstrukturen. Kooption zwischen Groen und Kleinen wird allein schon durch unterschiedliche Geschwindigkeerschwert. rotz dieser Verschiedenheiten gelingt es im Asyl- und Flchtlingsbereich immer wdie Wohl ahrtsverbnde, NGOs und politischen Gruppen zu Kooperationen zu bewegen. Die KpagneExistenzsicherung r Flchtlinge, mit der im Jahr 2003/04 eine allgemeine Grundsiche-rung r Asylsuchende ("Weihnachts rieden") durchgesetzt wurde, vereinte die Beteiligten

    die Dringlichkeit des Zieles: ausende obdachlose Flchtlinge von der Strae zu holen. Whdie groen Hil sorganisationen mit dem damaligen Innenminister Ernst Strasser verhandeltenganisierten die kleinen NGOsmedienwirksame Protestaktionenau der Strae. Bei der Bleibe-rechts-Kampagne 2008/09 gelang es, Akteur_innen mit zum eil unvereinbaren Positionen ohne Kooperationsbereitscha t durch das Setzen eines wirksamen Fokus zusammenzuspannenteilnehmenden Flchtlingsorganisationen erklrten den 10. Oktober 2008 au Initiative von SMitmensch zumTag des Bleiberechts. Damit stieen wir konzertierte Aktionen an, ohne dass sich je alle Beteiligten gemeinsam an einen isch gesetzt htten. Der Kamp um die Deutungshber den Bleiberecht-Begri spornte einige antirassistische Kr te besonders an. Um die als de

    emp undenen Forderungen der Hil sorganisationen zu konterkarieren, nannten sie den ag schTag der Bewegungs reiheit. Den Kamp ums Bleiberecht haben wir unterm Strich trotz makelhater Gesetzgebung gewonnen, da die entlichkeit ein solches mittlerweile anerkennt. Noch hverweisen Flchtlingshel er_innen er olgreich au die Idee des Bleiberechts, um die Interes Asylsuchenden und Migrant_innen gegen abschiebelustige Behrden durchzusetzen. Auch diebilisierung per Internet ist kein Phnomen der Facebook-Generation#113 . Schon 2000 und davorbedeutete der Einzug des Kommunikationsmediums E-Mail eine wesentliche Arbeitserleichte

    r NGOs. Dauerte das Faxen einer Presseaussendung vor 1999 noch einen ganzen Vormittag, sdur te der Versand per E-Mail-Presseverteiler nur eines Knop drucks. Die erste Massenmobilisper E-Mail gelang SOS Mitmensch am 2. Februar 2000 gegen die schwarz-blaue BundesregieLaut Polizeiangaben nahmen 15.000 Personen an der Kundgebung teil, die erst 24 Stunden zuangemeldet und am Vorabend durch eine E-Mail-Kette#350 beworben wurde.

    #UNiBreNNt die eMerGeNz eiNeS NeUartiGeN NetzWerk-proteStS

    Eine Kampagne unterscheidet sich von einer sozialen Bewegung durch ihren hheren Grad annung und Koordination. Das schrnkte die Reichweite der Beteiligten vor Web 2.0 drastisch ein.#unibrennt-Proteste be nden sich irgendwo zwischen sozialer Bewegung und klassischer Kamp

    #unibrennt war in sterreich und darber hinaus netzwerkartig organisiert, mit achen Hieraren, vielen dezentralen Knotenpunkten und ohne dominante, kontrollierende Zentren. Man ist dhalb geneigt, eher von einer sozialen Bewegung zu sprechen, als von einer Kampagne. Doch daspricht die kollektive Strategiearbeit, bei der mit Hil e von Web 2.0#009 unter breiter Beteiligungber Ziele, aktik und Mitteleinsatz verhandelt wurde.

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    Soziale Netzwerke, Social Networks und die Netzwerk-Gesellschaft

    Von Sozialen Netzwerken sprechen die So ialwissenscha ten unabh ngig vonden "Social Networks" genannten Platt ormen wie Facebook#094. Gemeint sindallgemein: Be iehungsnet werke wischen Akteuren, wobei wischen starken undschwachen Be iehungen di eren iert werden kann. Merkmale r "starke Be iehun-gen" sind hohe Kontakth u gkeit, lange Bekanntscha tsdauer, emotionale Intensit tund anhaltende Gegenseitigkeit. "Schwache Be iehungen" stehen r das Gegen-teil. Damit ist klar, dass Kontaktbe iehungen in Social Media-Platt ormen allein nur"schwach" sein knnen und umgekehrt "starke Be iehungen" sich auch in SocialMedia-Kontakten abbilden werden. Au der Hand liegt auerdem, dass online gebil-

    dete vorerst "schwache Be iehungen" natrlich u "starken Be iehungen" werdenknnen, wenn durch den Online-Kontakt weitere Be iehungsebenen angeregt wer-den. Die Regel wird das nicht sein. Platt ormen wie Facebook knnen wir eigentlichbesser als "So iale-Net werke-Systeme" verstehen. Facebook selbst ist kein so ialesNet werk, sondern bietet eine leistungs hige technische In rastruktur unsere so ia-len Net werke online ab ubilden, sie u stabilisieren, wo wir au grund von Distan enhhere Kontakthrden haben, und unsere Net werke u erweitern, sowohl um einloses Net "schw cherer Be iehungen" als auch um neue Kontakte, mit denen wirdie relevanteren "starken Be iehungen" ein ugehen beginnen. Net werke sind in allerMunde, zeitdiagnosen sprechen seit Ende der 1990er-Jahre von einer Netzwerk-

    gesellschaft , und uns allen ist klar, dass es so iale Net werke vor Facebook undvor dem Internet gegeben hat. Der Begri desNetzwerkes allein be eichnet eineKonstellation aus Be iehungen und Knotenpunkten, wischen denen direkte Verbin-dungen bestehen. Bemerkenswert ist, dass eine ormale Net werktheorie viel berNet werkstrukturen und Net werke an sich aussagen kann, bevor unterschiedenwird, ob es um Computer-Net werke, Kommunikationsnet werke, die sogenanntenSocial Networks oder Be iehungsnet werke von Menschen geht. Am bekanntes-ten ist die Regel, dass Verbindungen wischen wei Knotenpunkten dann stabil sind,wenn sie den Teil eines Be iehungsdreiecks bilden. Und was meint der bekannte

    Net werk orscher, wenn er vomMacht-Irrtum der Sozialen Netzwerke spricht undNet werke in Social Media analytisch von denNetzwerken der Macht unterschei-det? Alle tats chlich nennenswerten Machtverschiebungen durch Social Media, dieMacht- und Elitenet werke werden durch Social Media nicht angekrat t, unktionierenanders, und um sie mssten wir uns vermehrt kmmern.

    #341

    Klassische Kampagnen unktionieren dann gut, wenn wenige Steuerleute ber viele Ressourcegen. Soziale Bewegungen sind wirkmchtig, wenn sehr viele ihre relativ geringen Ressourceehlender Steuerung in den Dienst desselben Ziels stellen. Netzwerk-Kampagnen ermglich

    geringe Ressourcen von vielen koordiniert einzusetzen. Netzwerk-Kampagnen bauen dabei nichau die technischen Mglichkeiten des Web 2.0, sondern auch au das Selbstbild der eilnehm

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    nen, die von Social Media geprgt sind: Sie sehen sich nicht als passive Konsument_innen, dern als aktive Beitragende. Fr zivilgesellscha tliche Gruppen knnten Netzwerk-KampagnKampagnen orm der Zukun t werden. Allerdings ist es r die meisten NGO-Menschen noceinem hohen Lernbedar verbunden, Web 2.0- echniken und Social Media-Kultur in ihre Ar

    zu integrieren. Im Folgenden arbeite ich n Punkte heraus, wo ich besonderen Handlungsbestmache, um die Mglichkeiten besser auszuschp en.

    SkalierBare kaMpaGNeNtoolS UNd klar defiNierte BeitraGSMGliChkeiteN

    Will man die Kra t der vielen nutzen, lohnt es, bei der Bereitstellung von Kampagnen- ools sehSorg alt in deren Skalierbarkeit zu legen. Das bedeutet, dass der Au wand nicht proportional m Anwender_innen wchst. Das Paradebeispiel r eine Netzwerk-Kampagne mit hoher Skalikeit ist die Wahlkampagne vonBarack Obama. ausende Amerikaner_innen registrierten sich auder Website MyBarackObama.com als Fundraiser_innen und Campaigner_innen. Einschulung Anleitung r die teilweise komplexen Aktivitten er olgen ber weite Strecken online und erten deshalb keinen (bedeutend) steigenden Mitteleinsatz, ob sich nun hundert oder hunderttausPersonen beteiligen. Das Online- ool animierte etwa zum Anru bei potenziellen Whler_innenschlug da r ele onnummern und einen Gesprchsleit aden vor. Fnde eine solche Einschund Betreuung ofine statt, stiege der Au wand mit jeder zustzlichen Person, die mithel en wilE ektivitt von skalierbaren ools steigert sich noch, wenn nicht nur die Durch hrung des sondern auch die Rekrutierung von Beitrger_innen skalierbar ist, wenn also zum Beispiel geine " ell your Friends"-Funktion in das ool integriert ist.

    Weniger gut gelang die Skalierbarkeit beiRassismus streichen, einer Kampagne gegen rassistischeBeschmierungen an Wiens Hauswnden, die SOS Mitmensch 2006 lancierte. Primres Kampag

    tool war ein WatchBlog#059. "Rassismus-Paparazzis" speisten den Bild-Blog rassismusstreichenvon unterwegs mit Handy-Fotos von rassistischen Parolen an Wiens Hauswnden. Mit dem "tirassistischen Stadtplan" machten wir die erstaunliche Verbreitung der Hetz-Parolen sichtbar.technischen Mglichkeiten von damals er orderten das hndische Eintragen der Fundort-Addurch die oder den Rassismus-Paparazzi sowie das manuelle bertragen der geposteten Bilder

    Der widerst@nd-MUND Informationsdienst per E-Mail1. Der Tag des Bleiberechts wird von vielen Gruppen und in verschiedenen Stdten au gegri en. Open-Space-Kon erenzim Vor eld rdert den Austausch von Ideen, der Tag wird zu einem dezentral Aktionstag.2. Vor dem Bundeskanzleramt und in anderen Stdten wird ein Sesselmeer inszeniert, dVideoBockCastberichtet. Das "Sesselmeer" wird seitdem immer wieder au gegri en.3. Die Beteiligung ist gro und breit, der Organisation vonUte Bock wird der Rcken gestrkt, der Begri und die Forderung des Bleiberechts sind nachhaltig in die entliche Diskussion eingebracht.

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    Google-Map durch Mitarbeiter_innen von SOS Mitmensch.Rassismus streichenerhielt Anerken-nung von Fachleuten, doch den harten Kern der Paparazzis bildeten echnik-Freaks und persneingeschulte Aktivist_innen. Beim heutigen Stand der echnik nde eine Smart-Phone-Appautomatischem Geotagging der Bilder wahrscheinlich weite Verbreitung. Je klarer die Partizipa

    Schnittstellen de niert sind, desto leichter ist die eilnahme r die Beitrger_innen. ZumTag des Bleiberechtsversuchten die Hil sorganisationen, in allen Landeshauptstdten ein "Sesselmeerorganisieren. Als klar wurde, dass die Ressourcen der Landesorganisationen da r nicht re wurden andere lokale Gruppen gesucht. Eine detaillierte Anleitung sollte diesen die Vorbereierleichtern. Zu llig stieen auch Initiativen in Bezirksstdten au diese Checkliste und nahmzum Anlass, ein eigenes "Sesselmeer" durchzu hren.

    aktiVitteN zUSaMMeNfaSSeN UNd zeNtral SiChtBar MaCheN

    Ein Netzwerk ist umso robuster, je mehr Knotenpunkte es hat. ber Kommunikation und Akttten in einem groen Netzwerk verliert man aber schnell einmal den berblick. Dabei ist es Aktivist_innen motivierend zu er ahren, dass viel passiert. Deshalb ist es sinnvoll, In ormazu sammeln und ber einen zentralen Punkt erreichbar zu machen. Viele Web 2.0- ools bieheute auch die Voraussetzung, um In ormationen von sehr vielen Lie erant_innen zu strukturund au zubereiten. Au Flickr.com#149 ist etwa rasch eine Gruppe eingerichtet, die alle Fotos voneiner Aktion au einer Seite bndeln, obwohl sie von verschiedenen Fotogra _innen stammenViel alt von heterogenen Netzwerken ist ein Vorteil, da sie Innovation rdert und di erenziErwartungen unterschiedlicher Zielgruppen gerecht werden kann ideal ist, wenn Interessierte

    noch schnell den Weg zur gewnschten In ormation nden. BeiMachen wir uns starkwurdenber eine Website 3.333 Spender_innen gesucht, die 15 Euro zur Finanzierung der Kundgebuam Heldenplatz beitragen. Wir richteten auch eine Facebook-Page#237 ein, um viele Interes-sierte zu erreichen, die vollstndige Integration der Spenden-Website konnten wir aber nicht setzen. Eine unbe riedigende Lsung. Das Spendenziel erreichten wir, und doch verpu te eian Mobilisierungskra t. Weder wurden die Spender_innen automatisch in die KommunikationFacebook involviert, noch wurden die Facebook-User_innen automatisch ber eingehende Spevon Freund_innen in ormiert und so zu neuen Anstrengungen motiviert.

    eiNe GUte GeSChiChte erzhleN UNd releVaNt SeiNGerade wenn eine Kampagne au die Ressourcen der vielen abstellt, muss sie relevanter sein dere. Au Facebook wird man tglich mit kreativ umgesetzten Anliegen kon rontiert. Irgendgeben es die meisten Nutzer_innen au , allen Gruppen beizutreten, deren Ziele sie eigentlich t wrden. Au merksamkeit, Zeit und Ressourcen sind beschrnkt. Wenn andere Menschen dazubracht werden sollen, ihre Ressourcen genau r diese eine Aktion einzusetzen, dann muss sivon anderen abheben. Die wichtigste Grundlage r eine relevante Kampagne ist eine gute Gescte. Diese beschreibt, welches Problem interessierte Aktivist_innen durch ihren Beitrag lsen we

    Fr die Qualitt der Geschichte gelten ormale Kriterien (wie Klarheit, Krze und Konsistenz) so wie inhaltliche. Journalistische Relevanzkriterien beschreiben ganz gut, was den Inhalt einer Geschichte ausmacht: unter anderem Aktualitt, Originalitt, Bekanntheit der Protagonist_innNhe zur und Betro enheit der Zielgruppe sowie Dramaturgie. Eine gute Geschichte ist eine Geschichte, wenn sie weitererzhlt wird und sich "wie von selbst" verbreitet. Mit derAsylwette

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    versuchte SOS Mitmensch, den wenig originellen Sachverhalt eines ver assungswidrigen Asylmit einer gelungenen Verpackung berichtenswert zu machen. Au einer Website wurden Eingesammelt, um Innenministerin Liese Prokop eine Wette darber anzubieten, dass auch die damgeplante Novelle vor dem Ver assungsgericht nicht halten werde. So wie zahlreiche Gesetze

    Immerhin lehnte die Ministerin die Wette o ziell ab und stieg damit au den Diskursrahmen eob ihr Gesetz ver assungskon orm sei oder nicht. Die gesammelten Einstze wurden der Betreeinrichtung r Folterop er,Hemayat , gespendet, das Gesetz vom Hchstgericht korrigiert. Leidebegnstigen sowohl die Mchtigkeit der Protagonist_innen als auch die zur Verbreitung eingeseMittel die Wirksamkeit einer Geschichte. Zivilgesellscha tliche Gruppen mssen deshalb in kurrenz zu ressourcenstarken Interessenverbnden und Parteien immer auch die besten Geschicerzhlen, um diesen Nachteil auszugleichen.

    aUf alltaGShaNdlUNGeN UNd BeziehUNGeN aBStelleN

    1948 etablierte Earl Silas upper r seine Kchenwaren " upperpartys" als Vertriebsschienenutzte persnliche Beziehungen und Freundscha t er olgreich als Verkau shil e. Eine Film

    ehlung durch enge Freund_innen hat einen anderen Stellenwert, als die Emp ehlung durch eiUnbekannte_n. Dieses Prinzip nutzend verwenden Campaigner_innen ools, die au Alltagshlungen und Beziehungen abstellen. In den USA hat diese Form des "Vertriebs" auch eine la

    radition r die Verbreitung politischer Ideen. Wahlpartys zur Mobilisierung von Freund_inund Bekannten oder landesweite Filmscreenings im privaten Rahmen zur politischen Au kl

    nden groen Anklang. Worin auch immer die Grnde r die geringe Verbreitung dieser Methim deutschsprachigen Raum liegen mgen, es bedar wahrscheinlich noch einiger Anstrengunsie r die hiesigen Gewohnheiten zu adaptieren. Die Bereitscha t, sich r eine Kampagnzubringen, steigt auerdem, wenn diese au Alltagshandlungen abstellt. Werden tigkeitenMenschen sowieso (gerne) machen, zur Erreichung eines Kampagnen-Zieles eingesetzt, so edies die Chance, dass sich viele Aktivist_innen nden.

    BoCk aUf BierBock auf Bier , eine Kampagne die SOS Mitmensch 2003 gemeinsam mit einem

    Personenkomittee durch hrte, set te gemeinsames Bier-Trinken und Kon ert-besuche als Kampagnentool ein. 70 S enelokale in Wien spendeten 10 Cent progetrunkenem Bier an die Flchtlingshel erin Ute Bock, die mit ihren privaten Mit-teln mehr als hundert obdachlose Flchtlinge untergebracht hatte. In Folge stellteeine Brauerei 60.000 Flaschen Bier in der Spe ialedition Bock auf Bier her undspendete diese der Kampagne um Verkau .

    An die "Bier-Kampagne" schloss mit Bock auf Kultur eine Veranstaltungsrei-he mit 50 Veranstaltungen an. Unter dem Motto So lange Flchtlinge auf der Strae stehen, mssen wir auftreten bespielten Musiker_innen, Kabarettist_ innenund Literat_innen kostenlos die beteiligten Lokale. "Pay as you wish" ermglich-te den Besucher_innen, die Hhe des Eintrittsgeldes selbst u bestimmen, undden Organisator_innen, mit Tausenden Gsten ber die Lage von Flchtlingen insGesprch u kommen. In vier Monaten konnten so 60.000 Euro lukriert und FrauBocks Wirken, das in einem Land wie sterreich nicht au ungeteilte zustimmungstt, durch entlichkeit gescht t werden.

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    MotiVatioN UNd iNtereSSeN der BeitraGeNdeN keNNeNlerNeN

    Wenn es gelingt, die Interessen und Motivationen von potenziellen Aktivist_innen anzusprec werden diese ohne "Gegenleistung" handeln. Die Studierendenproteste haben beispielsweise h

    este Interessen von Student_innen kanalisiert. Sie mobilisierten aber auch altruistische MEtwas Sinnvolles r die Gesellscha t zu tun, ist nach wie vor r viele Menschen ein Ansich in den Dienst der Sache zu stellen. Kurz ristige und intensive Mobilisierung ist mglich, Emprung oder Wut au gegri en wird. Im Gesprch mit potenziellen Aktivist_innen knnen Cpaigner_innen deren Motive und Interessen kennenlernen. Kommunikation ber Ziele, Strategund Methoden einer Kampagne steigern Identi kation und Aktionsbereitscha t von Aktivist_in

    Die Community sichtbar machen, als Community arbeiten1. Ein Plakat zur Bock au Bier-Kampagne macht die Community der prominenten Untersttzer_insichtbar. 2. Der Rassismus streichen-Stadtplan von Wien ist eine Community-Leistung, durch die Haus-verwaltungen und Stadtregierung unter Druck gesetzt werden, gegen rassistische Beschmierungen v gehen.3. Die selbstorganisierte Lichterkette rund um das Parlament wird 2009 zu einem wirkungsstark Zeichen der Menschlichkeit. Die Initiative geht von zwei Studentinnen aus, die via Facebook einen Austarten, weil wir die hiesigen Zustnde nicht mehr unttig ertragen knnen.Das mediale Echo ist enorm.

    Das rhe Einbinden von Interessierten kann zudem die Qualitt einer Kampagne steigern. Zuemp nden jedoch NGOs Feedback und Kritik als Ge ahr r ihre Arbeit, da sie mit sozialen Mnoch nicht ausreichend Er ahrung gesammelt haben. Sie rchten Kontrollverlust oder das Zu weisen von Anliegen Interessierter. Diese Be rchtungen nehmen ab, wenn Organisationen gemit sozialen Medien werden und klare Beteiligungsmglichkeiten etablieren. Die Formulierun

    Kampagnenziels, die Auswahl der Gra k-Vorschlge oder eine Ideenbox, wie stark Aktivist_in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, bleibt der Organisation berlassen. Enttuschdarber, nicht berall mitreden zu dr en bleibt dann aus, wenn Organisationen von An anklarstellen, welche Form der Mitwirkung mglich ist und welche nicht.

    aUSBliCk UNd ChaNCe eiNer ziVilGeSellSChaft 2.0

    NGOs und zivilgesellscha tliche Initiativen sind in der Regel kreativer und innovativer als Insenverbnde und Parteien. Sie haben gelernt, mit geringen Ressourcen viel zu bewegen. Man

    zuversichtlich sein: Der Zivilgesellscha t wird es rascher gelingen, das Potenzial von Web 2.0-ken und Social Media-Kultur#084 zu nutzen, als unseren Gegenspielern in Politik und Wirtscha tDas wird uns bei der Durchsetzung der vielen wichtigen Anliegen, die wir vertreten, einen Vobringen. Aber nicht nur. Soziale Medien werden sich vermutlich noch als Katalysator von staDemokratisierungs-Impulsen erweisen. Sowohl in Staat und Gesellscha t als auch in den In

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    ven und Organisationen selbst. Es ehlt nmlich nicht nur den entlichen Vertretungskrpernadquaten Beteiligungsmglichkeiten. Die konsequente Auseinandersetzung mit den Erwartuund Wnschen von potenziellen Aktivist_innen wird mittel ristig die Qualitt von Entscheiduprozessen in NGOS verbessern und den Weg r klare Mitwirkungs-Ver ahren ebnen. Zumin

    die early adopters unter den zivilgesellscha tlichen Gruppen werden durch ihre Lernbereitschaplan- und steuerbaren Ressourcen in betrchtlichem Um ang belohnt werden.

    zUSaMMeNfaSSUNG

    Die Kampagnenarbeit von zivilgesellscha tlichen Gruppen hat sich schon durch das Web 1.0ndert. Allerdings waren Netzwerk-Kampagnen in Form von open campaining vor dem Webau wenige Mitstreiter_innen ausgelegt. Die Studierendenproteste #unibrennt haben gezeigt:Verbreitung von sozialen Medien ermglicht es, die Reichweite sozialer Bewegungen und die erbarkeit von klassischen Kampagnen in Netzwerk-Kampagnen zu kombinieren. Fr NGOs andere zivilgesellscha tliche Gruppen knnte dies zur Kampagnen orm der Zukun t werden,Ressourcen von sehr vielen Aktivist_innen zugnglich werden.

    Noch mssen NGOs allerdings einiges an Lernprozessen durchlau en, um Web 2.0- echnikenSocial Media-Kultur in die eigene Arbeit zu integrieren. Damit aus einer Kampagne eine NetzwKampagne wird, welche die Kra t der vielen zum Einsatz bringt, mssen Kampagnenin ormaund -materialien sowie klar de nierte Beitragsmglichkeiten skalierbar sein. Das bedeutet, da Au wand nicht proportional mit den Anwender_innen wchst. Das Web 2.0 bietet Mglichkei

    dass koordinier- und planbare, dezentrale und netzwerk rmige Kampagnen nahezu beliebigere organisiert werden knnen, die durch ihre Gre ein politischer Faktor werden.

    Skalierbare Kampagnentools und klar de nierte Beteiligungsmglichkeiten anbieten, aber Raum r kreatives andocken an Kampagnen o en halten.

    Die Bereitscha t von potenziellen Aktivist_innen, sich im Rahmen einer Kampagne einzubgen, steigt, wenn diese au Alltagshandlungen abstellt, hand este Interessen kanalisiert, abauch altruistische Motive mobilisiert.

    Netzwerk-Kampagnen sollten eine interessante Geschichte erzhlen, die ormal und inhaltlgut beschreibt, welches Problem Interessierte durch ihren Beitrag lsen werden.

    Eine zentral zugngliche Darstellung der lau enden Aktivitten wirkt motivierend und hilder Verbreitung des Anliegens.

    Menschenrechte, Rassismus, Antirassismusarbeit, SOS Mitmensch, Wohl ahrtsverbnde, #unibrennt, Asyl,Bleiberecht, Ute Bock, Sesselmeer, Net werke, Freundscha t, NGOs, open campaining, Demokratisierung

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    koMMeNtare

    Andreas Grg sagt: By the way, r alle, die noch nicht wissen, wer da eingangs itiert wird: Saul Alinskyist sowas wie Sun Tsi r politische Aktivist_innen. Seine beiden B cher Reveille

    or Radicals und Rules or Radicals stecken voller praktischer kleiner Weisheitenbe glich Organisation und Machtverhltnissen in politischen Auseinanderset un-gen. z. B. "Aktion ist die Reaktion des Gegners! oder "Macht ist nicht das, was duhast, sondern was dein Gegner glaubt, das du hast!

    Alinsky liest sich gan schnell, scheinbar leichte Lekt re, lsst dich aber nicht mehrlos. Wenn du politisch aktiv bist, wirst du ihn immer wieder lesen und immer wiederNeues entdecken, weil so viel drinnensteckt.

    Romy Grasgruber sagt: romysen .wordpress.comSpannender und gut strukturierter Beitrag. Eine gute Geschichte erzhlen und

    relevant sein ist m. M. n. die wohl grte Heraus orderung r die Menschen-rechts- und Antirassismusarbeit der nchsten Jahre. Neben Faktoren wie Bildungund so ialer Hintergrund etc. ist es die Nut ung verschiedener In ormationsan-gebote, die u unterschiedlichen Wissensstnden und Einstellungen in der Be-vlkerung hrt. (Fr her: konventionelle Medien, heute auch ber Postings/Blogsder "eigenen Freunde" au Facebook & Co.) So knnen sich [1] selbstre erentielleSysteme bilden, die sich au sich selbst stabilisieren und darin von ihrer Umweltabschlieen. Web 2.0 birgt die Ge ahr diese Tenden u verstrken. Denn leidernut en nicht nur Menschenrechtsorganisationen wie SOS Mitmensch, sondernauch rassistische und rechtse treme Akteure Social Media r ihre zwecke. Wennman sich deren Besucher ahlen ansieht, kann man r ckschlieen, dass sich nichtwenige Menschen dar ber " ehl-in ormieren".

    Dar ber hinaus stellen sich auch Fragen wie: Wer und wie viele sind eigentlich "dieVielen" von denen Philipp schreibt? Welche gemeinsame Identitt, welche zielehaben sie haben "wir"? Und wie bringen "wir" Menschenrechtsthemen wieder inden gesellscha tlichen Mainstream? Jeden alls, wenn man vermeiden will nur uden eigenen Leuten u predigen, knnen parti ipative Tools wie Web 2.0 genut t

    werden, um wie bei der Lichterkette 2009 oder unibrennt den Schritt aus dem Netin die konventionellen Medien u scha en.

    Stefan Mnz sagt: web

    In diesem zusammenhang ist vielleicht auch die Thematik rund um Astrotur ngvon Bedeutung. Im Wikipedia-Artikel u Astrotur ng wird als usammen assen-de De nition angeboten: Der Begri Astroturfng bezeichnet insbesondere im

    amerikanischen Sprachraum Public-Relations- und kommerzielle Werbeprojekte,die darau abzielen, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung vorzu-tuschen. Der Begri Astrotur ng be eichnet also eine Art Kunstrasenbewegunganstelle einer echten Graswur elbewegung, wobei das Wort sich von einer e istie-renden Kunstrasenmarke herleitet.

    Was unter Astrotur ng u verstehen ist, habe ich in dem Artikel Was ist eigentlich: Astrotur ng? beschrieben: bit.ly/AstroTur ng.

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    Klaus-Dieter Knoll sagt: kadekmedien.comViele denken immer, Facebook, Google+ etc. seien So iale Net werke. Das istein Irrtum, da es nur Platt ormen sind, die die In rastruktur bereitstellen. So i-ale Net werke hingegen sind die Kontakte von Nut er_innen au der betre endenPlatt orm. Ich nde, es ist wichtig, diesen Unterschied u verstehen, um seinso iales Net werk als Kampagnen-Tool u nut en. Denn dann begrei t man schnel-ler, dass man sich an Menschen wendet, die einem wie auch immer nahe stehen(es jeden alls au die Adressliste gescha t haben). Und Menschen wird man in

    Angelegenheiten, die einem wichtig sind, immer emotional ansprechen. Je nach-dem, wie eindringlich und ber eugend das geschieht, llt der Er olg auch aus.

    Die Platt orm, also die Technologie, ist ein Hil smittel, ein grandioses Werk eug,das bei richtiger Nut ung (also emotionaler Ansprache der Menschen) eben dieseNet werk-E ekte bewirkt, die um Er olg beitragen, Verbreitung, R ckkopplung,leichtes Au nden weiter hrender In ormationen etc. Und selbstverstndlich sind

    jene, die mit der Technologie bereits vertraut sind, gegen ber anderen (Politikern. B.) im In ormationsvorteil. Dieses kleinen Triumphs dar man sich ruhig mal

    bewusst werden.

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    klassischen Medien, dass Gewerkscha ten und Web 2.0 oder Social Media#009 eine "Er olgsstory" wren, so wie wir das sehr wohl lesen, wenn es umObama und Social Mediageht, um neue Pro-testbewegungen und Social Media, manche Unternehmen und Web 2.0 oder auch: NGO und SocMedia und Ausnahmen besttigen hier erst recht die Regel.

    E-Mail, SMS, Social Media-Accounts: Adressen zum Adressieren

    Mit der E-Mail, dem Au kommen der elektronischen Post, ist wangsl u g die Enste-hung neuer Ver eichnisse verbunden. Neben alten klassischen Adressregistern undvergleichsweise jngeren Tele onbchern sind es jet t elektronische Adressbcher,E-Mail-Ver eichnisse, in denen wir Kontakte gespeichert halten. Das digitale Spei-

    chern von Kontaktdaten verdr ngt langsam aber bestimmt analoge Adressbcher auPapier. So tware ur Kontaktverwaltung gehrt um Kernrepertoir von Computern undunterstt t das Organisieren immer grerer Register, die leichter u ltern, u sortie-ren und aktuell u halten sind als mit Bleisti t ge hrte persnliche Adressbcher oderKarteik sten voller Datenbl tter. Parallel da u verdr ngt das Adressieren anderer viaE-Mail-Adresse als neue Kommunikations orm schrittweise au immer mehr Ebenenden Brie verkehr. Unsere Tele one beginnen Tele onnummern u speichern, auchunsere Tele onbcher wandern in den digitalen Speicherraum. Ob E-Mail, SMS oderTele on, "Adressen" be iehungsweise Anschri ten mssen kaum mehr geschriebenoder getippt werden, wir adressieren andere per Klick, ein ach, schnell und e ient.Besonders augen llig ist diese E ien des Adressierens, wenn mit einer E-Mailmehrere Adressat_innen angeschrieben werden sollen. Der Au wand r Massenaus-sendungen und damit auch die Hrden sind seit E-Mail und elektronischer Kontakt-verwaltung extrem gering geworden. Die anderen Seiten dieser Entwicklung heienIn ormationsberfutung und Spam. Kontakt(adressen) u haben ist eine Bedingung,Menschen individuell, also mglichst direkt und persnlich, u erreichen. Kontakte uhaben bedeutet so iales Kapital, wobei sowohl An ahl als auch Art und Verbindlichkeitder Kontakte eine Rolle spielen. Elektronische Datenverarbeitung (EDV) und Internethaben die Ambivalen des "Kontakte-habens" verschoben. W hrend es heute sehr

    viel ein acher ist, viele Kontaktadressen u sammeln und diese Adressen u adressie-ren, ist umgekehrt die Wahrscheinlichkeit extrem gestiegen, dass die Adressen umKontaktieren nicht mehr geeignet sind. Kontakte sind weiterhin Kapital, das Umset endieses Kapitals in Aktion wird aber in dem Ausma schwieriger, in dem sich Kontakt-adressen immer leichter sammeln und anschreiben lassen. Verbindlichkeit ist starkvon den Kontakten abh ngig, aber auch von den Kan len und vom Nachrichtenwert.Fr manche Nachrichten bringt weiterhin der Brie verkehr verbindlichere Reaktionenals E-Mail-Aussendungen. Fr dringende In ormationen noch besser geeignet ist derSMS-Kanal. Mit der Emergen des Web 2.0 und der Social Media-Platt ormen sindweitere Adresssysteme u Postanschri t, Tele onnummer und E-Mail-Adresse hin u-gekommen. Die Kan le um Kontaktieren und Erreichen anderer summieren und rag-mentieren sich weiter aus. Die Regeln, welche Kan le grere Verbindlichkeit mit sichbringen, und wo die Qualitat t des Kontakts besser ist, werden neu ausverhandelt.

    #350

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    Diese apsige Zusammen assung wollen wir nicht als Bewertung verstanden wissen, sondeunau geregte Feststellung und als Ausgangspunkt. Der Ist-Zustand wie es um Gewerksch Web 2.0 und Social Media steht wird naturgem unterschiedlich bewertet werden, je nach Ktext und je nach Kontextualisierung. Stellt sich die Frage: Wollen wir auch an einem Soll-Zus

    bemessen, und wenn ja, wie sieht dieses "Ideal" aus? Bemessen wir am Weg, der zurckgelegt wan der Geschwindigkeit von Fortschritten, die gemacht werden? Bewerten wir genutzte Potenhher, oder messen wir an brach liegenden und nicht genutzten Potentialen? Messen wir Umzungen an den Idealen von Gewerkscha t oder die Gewerkscha t an den Idealen von Web 2.0Social Media? Um es vorweg zu nehmen: Wir wollen hier gar nicht bewerten, sondern Mat

    r mgliche Antworten au solche Fragen lie ern. Uns geht es nicht um ein Urteil, nicht uFormulierung unserer Idealvorstellungen. Wir untersuchen, wie Gewerkscha ten mit Web 2.0Social Media strukturell zusammenpassen beziehungsweise was sie miteinander zu tun haben wollen versuchen zu skizzieren, welche Wege beschritten werden knnten und was r uns

    alles vorstellbar wre, ganz im Sinne einesVisionen-Beitrags.

    Wie paSSt daS zUSaMMeN?

    Unter dem Begri Gewerkscha ten knnen wir viel verstehen. Gewerkscha ten sind eine Orgtions orm von Lohnabhngigen. Sie sind Mitgliedervereine. Sie sind etablierte Apparate, poliPlayer, Nicht-Regierungsorganisationen (NGO), gemeinntzige Krperscha ten mit Verhandlumandaten. Sie sind Gruppen zweiter Ordnung, das heit komplexe Institutionen mit vielen, svielen Untereinheiten und -gruppen, die innerhalb der Gesamtorganisation verbunden sind und

    komplexen Abstimmungsverhltnissen stehen. Sie sind die ormalen esten Organisationen, deiner sozialen Bewegung#130 hervorgegangen sind, die es auch weiterhin noch gibt. Selbst wenn eim deutschsprachigen Raum schon wieder eine Zeit lang her ist, sie sind aus der SelbstorganisVieler hervorgegangen. Und wenn Gewerkscha ten heute bei uns mit groen Apparaten verbu werden, so ist das zum einen die Folge der Er olgsstory der Gewerkscha ten selbst, und zum akeine Selbstverstndlichkeit, wie der Blick in andere Weltregionen so ort zeigt. Au der Ebenetriebe gibt es dabei selbst bei uns weiterhin die Notwendigkeit der Selbstorganisation, um zumspiel einen Betriebsrat durchzusetzen, oder um uns in ausgesetzten Branchen, wo es keinen odegeringen "Organisationsgrad" gibt, berhaupt einmal zu organisieren. Diese Mitgliederorganis

    nen sind schlielich auch noch die grten Vereine mit den meisten Mitgliedern, die alle IntereKompetenzen und Rechte in ihren Gewerkscha tsorganisationen haben. Dort, wo viele Untermen, wahlwerbende Gruppen oder NGO mit Web 2.0- ools und Social Media-Einsatz versuchKontakte zu sammeln, haben die Gewerkscha ten bereits so viele Kontakte#350 wie sonst kaum eineOrganisation. Die Gewerkscha ten sind neben den groenKirchenorganisationenund deutlich vorden Parteien die Vereine und Organisationen mit den um angreichsten Mitgliederdatenbanken. DMitglieder haben demokratische Mitbestimmungsrechte in ihren Gewerkscha tsorganisationenver gen zudem ber viel ltige Kompetenzen, Verbindungen und eine starke, geteilte Identitt. Attac weltweit au knapp hunderttausend Mitglieder kommt, dann sind es in sterreich mehr

    Hunderttausend und in Deutschland Millionen Mitglieder allein in den greren GewerkschaDabei sind, um das Beispiel ortzuspinnen, viele Attacies Gewerkscha ter_innen und sowiesGewerkscha ter_innen in derZivilgesellscha taktiv. Damit sind bereits Bedingungen gegeben,

    r die kollaborative Werkzeuge#319 und Platt ormen wie Wikis#178 wie gescha en sind, undstrukturelle Voraussetzungen, r die sichpartizipative Veranstaltungenast zwingend anbieten. Bei

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    Millionen Mitgliedern liegt es au der Hand, dass unter den Benutzer_innen von Platt ormenFacebook eine Menge Gewerkscha ter_innen zu nden sein mssen. Bei der groen Basis an eiMitgliedern drngt sich jedoch auch der Au bau eigener Mitglieder-Netzwerke au , Plattzum internen sozialen Netzwerken#341 , zur Verdichtung der internen Komm unikation und zur

    innerorganisatorischen Abstimmung. Eigentlich ist kaum eine Organisation denkbar, r die LiFeedback-Systeme und ein Liquid-Democracy-Ansatz geeigneter sein knnten.

    MaChS zU deiNeM Netz daS Ver.di-MitGliederNetzIm Herbst 2007 assen die Delegierten des ver.di-Bundeskongresses mehrere Be-schlsse, die au der Idee eines Mitgliedernet es au bauen. Fr die Kon eption sind

    un chst die Internet- und Intranet-Redaktionen ust ndig, sp ter dann eine eigensetablierte Mitgliedernet -Redaktion. Das Kon ept basiert vorerst au drei S ulen. Essoll "in ormativ" sein mit redaktionellen Inputs, die kommentiert und diskutiert wer-den, "interaktiv" mit moderierten wie auch o enen Foren und Chat-Funktion#319 ,"individuell" durch vernet bare Benut erkonten. zu "Hits" entwickeln sich die SeitenBetrieb und Arbeitsplatz und Betriebliche Gewerkschaftsarbeit , au denen Mit-glieder Probleme und Fragen, um Beispiel u ihrer Arbeitssituation oder da u, wieein Betriebsrat gegrndet wird, einbringen. In der Regel werden solche Beitr ge vonanderen Mitgliedern beantwortet. Ein Stamm von Aktiven hlt sich r die Unterstt-

    ung von Mitgliedern verantwortlich, die nicht selten ein iges Gewerkscha tsmitgliedim Betrieb und in der Regel nicht in gewerkscha tlichen Strukturen eingebunden sind.Die Mitglieder erwarten von den Hauptamtlichen nicht, dass diese au jeden Beitragim Mitgliedernet antworten, im Gegenteil. Sie betrachten es als ihr Net aber eswird erwartet, dass Verantwortliche in gewerkscha tspolitischen Diskussionen, etwain Tari runden oder u bestimmten ver.di-Positionen, Stellung be iehen. Wenn dasnicht geschieht, stt dies au Kritik der User_innen. Denn genau darin liegt ein we-sentlicher Mehrwert des Mitgliedernet es, dass intern ein o ener Austausch wi-schen allen Ebenen der Organisation statt nden kann. Das Mitgliedernet verdichtetorganisationsinterne Kommunikation und st rkt damit die Bindung und Identi kationder Mitglieder mit ver.di.In diesem Netzwerk habe ich inzwischen ganz viele Men-

    schen kennengelernt, denen ich wahrscheinlich ohne das hier nie begegnet wre, sehr viele Anregungen bekommen, sehr viele Meinungen gelesen und sehr viele tolleGesprche gefhrt. Auf einen Punkt gebracht: Ich fhle mich hier sehr wohl und bin

    mit meinen Fragen und Anliegen am richtigen Ort. Das Mitgliedernetz wird uns alle in ver.di nher zusammen bringen und das ist das wirklich Schne daran , postetetwa eine Kollegin au der Platt orm. Die Mitglieder knnen sich mit ihrem richtigenNamen oder einem Fantasienamen im Net eigen. Knapp die H l te gibt den Klar-namen und weitere Pro ldaten, um Beispiel Fachbereich, Betrieb, Funktionen anund stellt ein Pro lbild ein. Die Er ahrung eigt, dass diejenigen, die im Net aktivsind und viel diskutieren, in der Regel nicht anonym sein wollen. Das erleichtert auchdas Kontakte knp en. Jedes Freischalten neuer Funktionen bringt einen Schwungneuer Registrierungen au der Platt orm. Aktuell wird an neuen Tools gearbeitet, diedas Nut ungserlebnis kom ortabler machen sollen. Die in der Organisation viel achge orderten Gruppen unktionen r Gremien oder Interessengruppen sollen 2012umgeset t werden, eigene Pinnw nde, Dateiablage, Nachrichten unktionen, Termin-kalender etc. inklusive. Welche weiteren Ausbaustu en darau olgen, wird sicherlichauch von den Diskussionen au der Platt orm selbst mitbestimmt werden.

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    Aber Gewerkscha ten reprsentieren nicht nur als Vereine ihre eigenen Mitglieder. Ihre Mider sind nicht nur in der Zivilgesellscha t berdurchschnittlich aktiv und vernetzt. Als gewicpolitische Akteure vertreten die Gewerkscha tsorganisationen viel mehr Menschen, da sie dri - beziehungsweise Kollektivvertrge ausverhandeln und im politischen System allgemein

    Interessen der Arbeitnehmer_innen einstehen. Sie haben Ziele, die von vielen Menschen ge werden. Partizipation und Kollaboration sind dementsprechend nicht nur organisationsintern, sdern auch mit Nicht-Mitgliedern ge ragt, etwa r gesamtgesellscha tlicheKampagnen r mehrVerteilungsgerechtigkeit. Als groe politische Player mssen die Gewerkscha ten auch mehr parenzansprchen gengen, als andere, kleinere und unbedeutendere, Vereine. Sie mssen m entlichkeitsarbeit machen und sind dabei nicht nur den klassischen Medien und ihren Mgliedern, sondern der gesamten Gesellscha t verp ichtet. Da r wird in den Gewerkscha teviel Wissen produziert. Sie haben nicht nur viel Content anzubieten, sondern Spezialwissen, einzigartigen Content, sogenannten "unique content". Diese groen Organisationen mit den vie

    Mitgliedern, von denen viele hochgradig vernetzt sind, sind somit unktionierende Apparatdie Verbreitungvon Content und Wissen. Web 2.0, Social Media und Gewerkscha ten passen astruktureller Ebene o ensichtlich sehr gut zusammen. Aus diesen nur ragmentarisch skizz strukturellen Entsprechungen lassen sich mehrere Storichtungen ableiten; die Etablierung gleichzeitig o enen und geschlossenen Mitglieder-Platt ormen, die weitere Vernetzung zwiMitgliedern und zwischen Mitgliedern und anderen zivilgesellscha tlichen Gruppen, die wVerbreitung der speziellen Inhalte, die in gewerkscha tlichen Zusammenhngen erarbeitet wund manches mehr. Die Grundlegung wre bereits gegeben, dass das eine "groe Geschichte" "Er olgsstory" sein knnte.

    plattforMeN, MitGlieder-plattforMeN UNd NetzWerke

    Mit eigenen Platt ormen zu experimentieren, damit ist rh und lang vor der Emergenz eineWeb 2.0 begonnen worden, also bevor es diesen Begri berhaupt gab. In sterreich kommt es b2001 zur Grndung einer gewerkscha tsbergrei enden platt ormGewerkscha ten Online(GO), dieverschiedene Lsungen r webbasiertes Netzwerken und In ormationsaustausch entwickelt. ab 2002 im Einsatz be ndlichen "GO-Groups" und "GO-Netzwerken" handelt es sich um Kmunikationsplatt ormen r Betriebsrt_innen und Personalvertreter_innen. Die GO-Groups

    abgeschlossene Communities innerhalb einer Website, in denen Gruppen von Benutzer_inneneinander kommunizieren knnen. Die GO-Netzwerke stellen eine Erweiterung des KonzepteGroups in Richtung "Mini-Websites" dar. User_innen knnen ihre eigene Website bauen, Comnity-Funktionen inklusive. Mit dem von GO entwickelten Baukastensystem lassen sich r daVerhltnisse ein ach und schnell eigene Websites entwickeln, ganz ohne spezielle Programmienisse. Das Redaktionssystem ist das Gleiche wie r alle sterreichischen Gewerkscha ten, usites wie die des sterreichischen Gewerkscha tsbund (GB) lau en bis heute au diesem Diese rhen und visionren Entwicklungen nden vor Web 2.0 statt, also bevor Elemente wimalinks, Feeds#237 und die Aggregation von Feeds oder agging-Systeme#158 das Web vern-

    dern. Es ist die Ambivalenz der rhen Efzienz und guten Usability sowie des daraus erwachs Wachstums desGewerkscha ten Online-Systems, das irgendwann nachzuhinken begonnen hat. Daist das Risiko eigener Systeme, und hier gleichen die Platt ormen der mitgliederstrksten Vden bekannten Platt ormen wie "StudiVZ" oder "Myspace", irgendwann ist der Zenit berschund die Nutzer_innen wandern langsam ab, weil jngere Systeme praktikabler und leistungs

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    sind. Die Netzwerk-Platt ormen der beiden groen Gewerkscha ten Deutschlands sind jnge wicklungen und Anstze, teilweise bereits vor dem Hintergrund der Er ahrungen, die wir aSocial Mediagemacht haben und machen; und das ist nicht nur ein technischer Hintergrund (W2.0), sondern ganz entschieden auch die Er ahrung mit neuen sozialen Organisations orm

    In ormations sse und Kommunikation. Das "social" in "Social Bookmarking", "Social agSocial Media#009 oder allgemein bei "Social So tware" bedeutet schlielich nichts anderes. Esum eine Organisations orm, einen Modus wie Dinge passieren, nmlich selbstorganisiert dur Aktionen von Nutzer_innen, die in vernetzten Gemeinscha ten eben Dinge ablegen (bookmabeschlagworten (tagging) oder Nachrichten auswhlen, einspeisen und weiterleiten (media). MEXTRANETder IG Metall und demMitgliedernetzvon ver.di arbeiten diese Gewerk scha tenan eigenen Platt ormen, die in diese Richtung gehen. Au beiden Netzwerk-Platt ormen habheute jeweils gut 60.000 Nutzer_innen angemeldet. Das EX RANE steht allen FunktionrenIG Metall o en und bietet unter anderem auch Rechtstipps, Wirtscha tsdaten, In ogra ken u

    ormationen ber das Geschehen in den diversen Wirtscha tsbereichen. Den jungen Gewerksaktiven bietet das EX RANE ein Jugend-Portal zur gegenseitigen Vernetzung. Die Platt ormimmer mehr zu einem ebenso groen wie doch geschtzten Diskussionsraum. Redaktionell wzu aktuell lau enden politischen Diskussionen Hintergrundin os gelie ert, und das in einem Spektrum politischer, wirtscha tlicher und sozialer Temen. Das ist auch im ver.di-MitgliederneEin sehr konstruktiverDiskurs ndet dort zum Beispiel anlsslich der ver.di-Grundsatzerklrunstatt, die 2009 in der Organisation und auch ber das Mitgliedernetz zur Diskussion gestellt wber 100 Kommentare mit nderungsvorschlgen, die zum eil Eingang in die 2010 vom Gewscha tsrat verabschiedete Fassung nden, werden abgegeben. Viele nicht in ver.di-Gremien

    Mitglieder melden sich zu Wort, die ihre Organisation mitgestalten wollen, ohne selbst in Genarbeit involviert sein zu mssen. Seit 2011 tauschen Benutzer_innen sich in mittlerweile bo enen Foren aus, wobei einige Foren von achlich zustndigen hauptamtlichen KolleginneKollegen betreut werden. In ber 1.900 Beitrgen bis Mitte Juli 2011 diskutieren die Mitgliede

    ari runden, aktuelle gewerkscha tliche, politische und andere gesellscha tliche Fragen.

    Die eigenen Netzwerk-Platt ormen r Mitglieder wirken sich au den internen Vernetzungsger Organisationen und damit au Stabilitt und Organisationskra t aus. Sie strken vor allemhungen zwischen ansonsten weniger vernetzten Mitgliedern, jenen, die nicht in greren BetrGremien oder anderen Gruppen ttig sind. Sie strken darber hinaus die Verbindungen und Inmations sse quer zu Branchen und ber lokale bis maximal regionale Zentren hinaus. Der hVernetzungsgrad wirkt nicht zuletzt ragmentierenden Entwicklungen der Arbeitswelt entgeguntersttzt vor allem jene Mitglieder, die in ausgesetzten Arbeits eldern ohne viele Kontaktmkeiten arbeiten, in Zeit- oder Schichtarbeit, als Springer_innen oder in kleinen Betriebseinheit

    plattforMeN alS GeGeNffeNtliChkeit UNd BaUSteiNe fr GeGeNMaCht

    In den rhen 1970er-Jahren soll die "Gewerkscha tspresse" das leisten, was mittlerweile via networking-Platt ormen immer ter selbstorganisiert passiert, nmlich Auseinandersetzung

    dern und Handlungs higkeit strken. Das ausgesprochene Ziel lautet vor 30 Jahren eine eigene verdichtete Gegen entlichkeit, und zwar zurinnergewerkscha tlichen Kommunikation, Diskussion,Willens- und Entscheidungsbildungau zubauen. Leisten soll das vor allem dieGewerkscha tspresse als Teil der innergewerkscha tlichen Kommunikationsstruktur, deren Au gabe es ist, Er ahrungen unInteressen von Lohnabhngigen zu verallgemeinern, und so die Grundlage r solidarisches organisier

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    tes Handeln zu legen.Das Konzept identi ziert drei gleichrangige und gleichermaen wichtigKommunikationsstrnge und -richtungen, und zwar den In ormationsfuss von der Gewerkscha

    hrung zur Basis, jenen von den Mitgliedern zur Gewerkscha ts hrung und schlielich die Kmunikation zwischen den Mitgliedern. DieUntersuchungen zur Funktion gewerkscha tlicher Publi-kationen in Arbeitskonfikten(1977) zeigen reilich das Scheitern dieses Ansatzes und identi zieredie Gewerkscha tspresse als Organ der Gewerkscha ts hrung, das dazu gebraucht wird, Mitgau Linie zu bringen. Der deklariert "statische" Be und damals:Die in 30 Jahren westdeutscher Gewerkscha tsgeschichte herausgebildeten internen Kommunikationsstrukturen sind zentralistisch und

    passivierend, nicht basisdemokratisch und aktivierend au gebaut.Die Dynamiken, die zu solchenErgebnissen hren, sind in etablierten Organisationen strukturlogisch angelegt und werden imm wieder auch unter der berschri t "Zivilgesellscha t versus Grassroots" diskutiert. Sie betre ekleinste NGO prinzipiell genauso, gen sich in lteren und greren Organistionen nur ester pro essionalisierter zusammen. Aktivierende Netzwerkstrukturen zwischen den vielen "Grassro

    Mitgliedern wirken demgegenber der Dominanz der pro essionellen Strukturen entgegen. Fdemokratische Organisationen ist das nicht nur wichtig, um demokratische Organisationen zu blben. Die lebendige, sich untereinander austauschende und selbst aktive "Basis", wie diese Netzwke und Gruppen dann in Summe heien, ist die groe Chance r den Gesamtapparat au lau eSelbstevoluierung, -erneuerung und -in usion mit Ideen, Problemlsungsanstzen und Kompetzen. Die sozialen Netzwerke au internetbasierten Platt ormen sind da nur eine Dimension orgsationsinterner Netzwerksstrukturen, potenziell aber eine besonders basisdemokratische, partiztive und selbstorganisierte. In diese Richtung sollten die Mitgliedernetze denn auch untersttze wirken, wenn die Gewerkscha tsbewegung neben dem Gewerkscha tsapparat gestrkt werden

    Wie wichtig mehrere existierende Vernetzungssysteme innerhalb groer Organisationen sind, ist zum Beispiel an den Auswirkungen des elektronischen Zahlungsverkehrs r Mitgliedsbeitzu sehen. Bis in die rhen 1990er-Jahre bewegen sich physische Personen im "Real Li e" vontei-)Mitglied zu (Partei-)Mitglied, um Mitgliedsbeitrge einzuholen und sich mit Stempelmarkin einem Parteibuch zu bedanken. Heute gibt es diesen schwer lligen und anstrengenden Ablnicht mehr, automatische Abbuchungsau trge oder Einzugsermchtigungen nehmen diese Bab. Was damit allerdings auch verschwunden ist, sind die qualitativ hherwertigen und verbindcheren Kontakte und Beziehungsnetzwerke, die sich bis in ent ernte Regionen von MitgliedernMitgliedern gespannt haben.

    offeNe SChNittStelleN UNd plattforMeN

    Bereits 2003/04 bringt die sterreichische Gewerkscha tsjugend Steiermark eine damals einzi Website online. Das Rohkonzept sieht eine Platt orm r Jugendliche vor, mit Foren, eigenem E-Mail-Account, In o-Seiten und Chat-Mglichkeit. Sie startet unter dem itelameisen.cc - zu-sammenfnden zusammenbauenund ist eine Community r Jugendliche, der sich noch im ersten Jahr mehr als 150.000 User_innen anschlieen. Die Platt orm ist o en, sie ist nicht ausschlich Mitgliedern vorbehalten und sie ist noch heute online. Das o ene Konzept mit einer gew

    scha tlichen Unterorganisation als Gastgeberin bringt also viele Nutzer_innen au eine Plattdie einerseits Selbstorganisation nicht nur zulsst, sondern verlangt, und andererseits natrlich eanderen Fokus, eine andere Kultur als beispielsweise Facebook oder gar Xing oder erst rechtder Netzwerk-Platt ormen der Reichen, Schnen und Wichtigen haben. O ene Schnittstellen Schnittmengen bringen einen weiteren Austausch auch mit Nicht-Mitgliedern.

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    Denkbar sind neben o enen und geschlossenen Platt ormen auch solche, die per orierbar sowo enen als auch geschtzten Bereichen bestehen und dazwischen Abstu ungen mehr oder wgeschtzer Bereiche zulassen. Fr die Architektur unserer physischen Welten, unserer GebudStdte, sind diese Abstu ungen eminent wichtig. Gebude gehen im Ideal all nie abrupt von ein

    entlichen und entlich ausgesetzten Bereich in einen privaten Raum ber. Die Grenze zwiprivat und entlich ist bei guter Stadtplanung und Architektur per oriert und bietet sogenaransmissionsrume, halb entlich und halbprivat. Wir kennen diese Rume, die Stiegenhuse

    yers, Gastwirtscha ten und Ka eehuser, Museen und Bahnho shallen etc., und wir wissen uBedeutung. Eine Vision r die Mitglieder-Platt ormen der Gewerkscha ten liegt darin, solchmissionsrume und bergangszonen bis hin zu ganz o enen Bereichen zu scha en. Damit lieein Anti-Facebook bauen. Facebook #094 ist schlielich auch eine weitgehend geschlossene Plaaber mit vielen ransmissionsrumen bis hin zu geschlossenen Gruppen, aber o enen Datensproblemen. Die Vorstellung einer geschtzten lebendigen Social Media-Platt orm der Gewerks

    mitglieder mit abgestu ten Zugngen r andere Gruppen und einem lau enden Strom an gescBetriebsamkeit, die sich aus dieser Platt orm in andere Netzwerke im Web ergiet, ist zumindereizvoll. Das eigene Benutzerkonto im EX RANE oder im Mitgliedernetz knnte beispielper Open-ID mit dem eigenen Facebook-Konto verknp t werden und ausgesuchte In ormatknnten direkt aus der Mitglieder-Platt orm au die Pinnwnde anderer Platt ormen gepostet wGewerkscha tlicher Content wrde sich ber unzhlige Netzwerkverbindungen verbreiten.

    Content aus der Gewerkschaftsbewegung 1. Die sterreichische Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkscha t vida betreibt das Service eines P"Gewerkscha t zum Anhren", ideal r Bedienstete etwa der Eisenbahnen. 2010 wurde der Podcasdem nationalen European Podcast Award ausgezeichnet, 2011 hat er bereits rund 12.000 Abonnent_

    nen.2.

    Berthold Huber, der Vorsitzende der IG Metall, sagt, Ich habe den Eindruck, alle wollen weitmachen wie vor der Krise. Ich glaube das wird nicht gehen. Ich bin berzeugt, dass wir weder konomnoch sozial noch demokratiepolitisch so weitermachen dr en. und ldt als Gastgeber des Kurswechevia You ube zur Kurswechsel-Debatteein. 3. Viele gewerkscha tliche Zeitschri ten sind online ver gbWhrend sie als Mitgliederzeitungen Zehn- und teilweise Hundertausende Mitglieder erreichen, steheonline aber o t nur als PDFs zum Download zur Ver gung.

    plattforMeN zUM aNdoCkeN, CoNteNt zUM aBholeN

    Inmitten eines durchgrei enden Medienwandels mssen sich alle und das heit auch die gstabilen Organisationen der allgemein sich ndernden Mediennutzung anpassen, um sowohMitglieder als auch potenzielle Interessent_innen ber neue Kommunikations- und In ormakanle zu erreichen. Die Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkscha tvidaist diesen Schritt r eineihrer Zielgruppen sehr er olgreich gegangen. Seit Juni 2009 erscheint alle sechs bis acht W

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    eine neue Folge desvida Podcasts. Der Podcast wird ohne externe Untersttzung durch Agenturenkomplett von der vida- entlichkeitsarbeit selbst produziert. Authentizitt geht vor technisch

    ektion, wie sie ein onstudio bieten wrde. Nur r die "Nullnummer" ist pro essionelle H Anspruch genommen worden, die Gestalter_innen werden in redaktionelles Arbeiten, Schnittte

    und pro essionelles Sprechen eingeschult. Sonst allen nur Kosten r zwei Au nahmegert Arbeitszeit r die einzelnen Folgen lsst sich allerdings nicht realistisch in Zahlen assen, di werden meistens crossmedial auch r das vida-Mitgliedermagazin und die Homepage au b Weder r Au