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106 Dent Implantol 10, 2, 106 - 111 (2006) Permanente Schienung im parodontal geschädigten Gebiß mit Wieder- herstellung der Frontzahnästhetik Mathias Jancke Indizes: Adhäsivprothetik, Frontzahnästhetik, Schienung zwischen Metall und Kunststoff herstellen. In der Folge setzten sich viele Autoren mit Adhäsivbrücken auseinander, die wohl be- kannteste Variante ist die Marylandbrücke (Lividitis 1982). Leider entsprachen die Überlebensraten sol- cher Konstruktionen nicht den Erwartungen an einen definitiven Ersatz. Das sogenannte Debonding war ein immer wieder auftreten- des Problem. Trotz intensiver Forschung hinsichtlich Verbesserung der Klebetechnik waren Verlustraten von durchschnittlich 25 Prozent innerhalb der ersten vier Jahre zu verzeichnen (Saunders 1989). Eine nachhaltige Steigerung der Überle- bensraten konnte erst erzielt werden, als man sich bereit fand, etwas Zahnsubstanz zugunsten selbstretentiver Präparationsfor- men zu opfern. Das Anbringen von Rillen in Einschubrich- tung und das Umfassen des Ankerzahnes in mehr als 180 Grad steigerten die Erfolgsquo- ten um zweistellige Prozentzahlen (Simon 1992). Weitere Studien bestätigten diese Er- gebnisse (Botelho 1999), womit diese Tech- D ie erste Beschreibung eines adhäsiv eingesetzten Metallgerüstes stammt von Allain Rochette (Rochette 1973). Ohne Präparationen an den Zähnen vorzunehmen, setzte er ein perforiertes Metallgerüst ein, um parodontal gelockerte Zähne zu schie- nen. Die Verbindung des Methacrylat-Kle- bers zu dem Metallgerüst wurde makro- retentiv durch Perforationen im Gerüst hergestellt, eine Silanisierung des Metalls sollte gleichzeitig eine chemische Bindung Abb. 1: Typische Lückenbil- dung in der Front durch stark erhöhte Mobilität der Zähne. Die Entwicklung der Schmelzätztechnik eröffnete Wege zu minimalinvasiven konservierenden und in der Folge auch prothetischen Maßnahmen. Sehr viel Forschung wurde in die Verbesserung der Klebetechnik investiert, dauerhafte Erfolge in der Prothetik konnten jedoch erst durch die Präparation retentiver Formen erreicht werden. Zahntechnische Geschiebefräsungen können dabei als Vorbild dienen. Parodontologie

Permanente Schienung im parodontal geschädigten Gebiß … · 106 Dent Implantol 10, 2, 106 - 111 (2006) Permanente Schienung im parodontal geschädigten Gebiß mit Wieder-herstellung

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106 Dent Implantol 10, 2, 106 - 111 (2006)

Permanente Schienung im parodontal

geschädigten Gebiß mit Wieder-

herstellung der Frontzahnästhetik

Mathias Jancke

Indizes: Adhäsivprothetik, Frontzahnästhetik,

Schienung

zwischen Metall und Kunststoff herstellen.In der Folge setzten sich viele Autoren mitAdhäsivbrücken auseinander, die wohl be-kannteste Variante ist die Marylandbrücke(Lividitis 1982).Leider entsprachen die Überlebensraten sol-cher Konstruktionen nicht den Erwartungenan einen definitiven Ersatz. Das sogenannteDebonding war ein immer wieder auftreten-des Problem. Trotz intensiver Forschunghinsichtlich Verbesserung der Klebetechnikwaren Verlustraten von durchschnittlich 25Prozent innerhalb der ersten vier Jahre zuverzeichnen (Saunders 1989). Eine nachhaltige Steigerung der Überle-bensraten konnte erst erzielt werden, alsman sich bereit fand, etwas Zahnsubstanzzugunsten selbstretentiver Präparationsfor-men zu opfern.Das Anbringen von Rillen in Einschubrich-tung und das Umfassen des Ankerzahnes inmehr als 180 Grad steigerten die Erfolgsquo-ten um zweistellige Prozentzahlen (Simon1992). Weitere Studien bestätigten diese Er-gebnisse (Botelho 1999), womit diese Tech-

Die erste Beschreibung eines adhäsiveingesetzten Metallgerüstes stammt

von Allain Rochette (Rochette 1973). OhnePräparationen an den Zähnen vorzunehmen,setzte er ein perforiertes Metallgerüst ein,um parodontal gelockerte Zähne zu schie-nen. Die Verbindung des Methacrylat-Kle-bers zu dem Metallgerüst wurde makro-retentiv durch Perforationen im Gerüsthergestellt, eine Silanisierung des Metallssollte gleichzeitig eine chemische Bindung

Abb. 1:

Typische

Lückenbil-

dung in der

Front durch

stark erhöhte

Mobilität der

Zähne.

Die Entwicklung der Schmelzätztechnik eröffneteWege zu minimalinvasiven konservierenden und in der Folge auch prothetischen Maßnahmen. Sehrviel Forschung wurde in die Verbesserung der Klebetechnik investiert, dauerhafte Erfolge in derProthetik konnten jedoch erst durch die Präparationretentiver Formen erreicht werden. ZahntechnischeGeschiebefräsungen können dabei als Vorbild dienen.

Parodontologie

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nik heute in ihrer Zuverlässigkeit den kon-ventionellen Präparationen gleichgestelltwerden kann.

Fallbeschreibung

Der hier gezeigte Fall soll die Möglichkei-ten der aktuellen Adhäsivprothetik demon-strieren.Bei dem 67-jährigen Patienten war ein weit-gehender parodontaler Knochenabbau imOber- und Unterkiefer mit Exversion derOK-Front und Lückenbildung zu verzeich-nen. Die noch vorhandenen Oberkiefersei-tenzähne sind nur bedingt als erhaltungs-würdig einzustufen, am Zahn 26 war diepalatinale Wurzel bereits alio loco amputiertworden.

Nach konservativer parodontaler Vorbe-handlung stellte sich bei der Lappenopera-

tion am Zahn 24 ein Furkationdefekt Grad 3heraus, dieser Zahn wurde zur späteren Ex-traktion vorgesehen und vorübergehend anZahn 23 geschient. Die alte Brücke wurdezum Provisorium umgearbeitet (Abb. 3).

Da die Seitenzähne als Anker für einen defi-nitiven festsitzenden Zahnersatz nicht inFrage kamen, wurde von vornherein einesichere Stabilisierung der Front- und Eck-zähne geplant, mit Erweiterungsmöglichkeitzum herausnehmbaren Ersatz der Seiten-zähne.

Die Zähne 13 bis 23 wurden jeweils mesialund distal mit leicht konischen Rillen (etwazwei Grad) in einer gemeinsamen Einschub-richtung versehen. Die palatinalen Flächenwurden unter Einbeziehung aller Füllungensoweit schonend präpariert, daß dem Tech-niker Platz für eine sichere Verbindung derapproximalen Anteile der Konstruktion ent-stand. Als Hilfsmittel wurden in den beidenersten Rillen schwarze Kohlerfaserstifte mitComposite befestigt, die die Einschubrich-tung für jeweils mesiale bzw. distale Rillenanzeigte (Abb. 4). Die erste Präparation derRillen erfolgte mit einem leicht konischenHartmetall-Fissurenbohrer aus der Zahn-technik im geraden Handstück unter Was-serkühlung. Die weitere Präparation erfolgte mit leichtkonischen Feinkorndiamanten im rotenWinkelstück.

Zur Kontrolle der Einschubrichtung ist einFotospiegel für ganze Kiefer sehr hilfreich.

Die Abformung hatte mit Hydrocolloid zuerfolgen, ein anderes Material hätte es demTechniker nicht ermöglicht, das Modellbruchfrei aus dem Abdruck zu entnehmen.Die Zahnkränze wurden sofort in der Praxishergestellt, wodurch eine sofortige Kontrol-le der gemeinsamen Einschubrichtung er-folgen konnte (Abb. 6 und 7).

Im Labor (Zahntechnik Woerner, Freiburg)wurde das Metallgerüst für die Schienungauf einem doublierten Einbettmassemodellmodelliert und in einem Stück gegossen.Jeweils distal der Zähne 13 und 23 wurdenPreci-Vertix-Geschiebe in gemeinsamerEinschubrichtung anmodelliert, welche zu-nächst als Einsetzgeschiebe für die langzeit-

Abb. 3: Zustand nach Abheilung der parodon-

talen Vorbehandlung.

Abb. 2: Fortgeschrittene Parodontitis mit Attachment-

verlust größer 50%.

Zur Kontrolle

der Einschub-

richtung ist

ein Fotospie-

gel für ganze

Kiefer sehr

hilfreich.

Parodontologie

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provisorischen Seitenzahnbrücken dienen. Bei Verlust der Seitenzähne können diePatritzen der Geschiebe als Attachment füreinen herausnehmbare Ersatz der Seiten-zähne genutzt werden.

Der zu extrahierende Zahn 24 wurde vomTechniker radiert und durch ein Brücken-

glied ersetzt. Die sichtbaren Interdentalräu-me in der Front wurden schon im Labor miteinem Composite-Opaker versehen, um dasDurchscheinen des Gerüstes bei der Ver-kleidung mit Composite zu verhindern(Abb. 8).Die Frontzahnschiene wurde nach entspre-chender Konditionierung der Zähne Schmelz-ätzung, ED-Primer) mit Panavia (Kuraray,Japan) eingeklebt, die Lücken in der gleichenSitzung durch Verbreiterung der Zahnkro-nen mit Composite verschlossen.Nach Abnahme des Kofferdam wurde derZahn 24 extrahiert und die langzeitprovi-sorischen Seitenzahnbrücken konventionellzementiert (Ketac Cem).

Der Patient konnte aus beruflichen Gründendas festgelegte Recallintervall von 3 Mona-ten nicht einhalten und erschien erst nachüber einem Jahr wieder in der Praxis. Die Konstruktion befindet sich heute, 15Monate nach Eingliederung, einschließlichder Seitenzahnbrücken in einwandfreiemZustand. Der parodontale Befund zeigt nachwie vor Defekte, die jedoch entzündungsfreisind.

Diskussion

Bei der Planung der Rekonstruktion mußtenmehrere Anforderungen berücksichtigt wer-den: Die erhöhte Mobilität der Zähne durchweitgehenden Attachmentverlust sollte be-seitigt werden. Zweitens sollte die Ästhetikder Frontzähne durch Lückenschluß wieder-hergestellt werden. Von der Behandlerseite

Abb. 6: Nur aus Hydrokolloid lassen sich Model-

le entnehmen, ohne die stark unter sich gehenden

Zähne abzubrechen.

Abb. 7: Die Herstellung der Zahnkränze in der

Praxis ermöglicht die Kontrolle der Einschub-

richtung vor dem Verschicken ins Labor.

Abb. 5: Fertige Präparation vor der Abformung.

Abb. 4: Kohlefaserstifte aus dem Modellbau als Indika-

toren für die anzulegenden Friktionsrillen.

Parodontologie

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wurde zusätzlich eine Erweiterbarkeit derKonstruktion zum Ersatz der Seitenzähnewegen deren fraglicher Prognose ange-strebt. Um den Lückenschluß in der Front präpro-thetisch herbeizuführen, wurde vor der dar-gestellten Versorgung versucht, die Front-zahnlücken auf kieferorthopädischem Wegezu schließen oder wenigstens zu verklei-nern. Ein entsprechendes herausnehmbaresKFO-Gerät wurde angefertigt, was der Pa-tient jedoch auf Grund extremen Würge-reizes nicht tragen konnte. Eine festsitzendeKFO-Apparatur lehnte er ab.Die Präparation der Frontzähne für konven-tionelle verblockte Kronen erschien nichtmöglich, ohne die Vitalität der Pfeilerzähnezu gefährden. Die divergierende Achsennei-gung der Zähne und die langen klinischenKronen hätten eine „Streichholzpräparati-on“ zur Folge gehabt, dabei vermutlich die

soforige Devitalisation der Zähne erfordertmit den entsprechenden Risiken. Bei derPräparation war daher eine sorgfältige Ab-wägung zwischen sicherer Verblockung derZähne und minimaler Präparation zu treffen.Eine alleinige Schienung der Zähne mitComposite wäre nur als temporäre Maß-nahme zu verstehen, der Bruch einer Ver-bindung wäre kaum dauerhaft zu beheben.

Resümee

Die gewählte Konstruktion erscheint alseine befriedigende Lösung des Falles, vorallem in Abwägung anderer Optionen. Diegewählte Konstruktion bedient sich über-wiegend additiver Maßnahmen unter weit-gehender Erhaltung der natürlichen Zahn-substanz gegenüber stark subtraktiven undinvasiven Maßnahmen bei einer konventio-nellen Präparation.

Abb. 8: Die komplette Konstruktion, die Gerüste

sind aus NE (Heraenium, Heraeus-Kulzer,

Hanau), die Verblendungen Composite (3M

ESPE, Seefeld).

Abb. 9: Einprobe der Frontzahnretainer.

Abb. 10: Die fertig eingesetzte Arbeit nach dem Schließen der Interdentalräume mit Composite.

Die gewählte

Konstruktion

bedient sich

überwiegend

additiver

Maßnahmen

unter Erhal-

tung der

natürlichen

Zahnsub-

stanz.

Parodontologie

Dent Implantol 10, 2, 106 - 111 (2006)

Die Hygienefähigkeit ist gewährleistet, so-wohl bei der häuslichen Zahnpflege als auchbei der professionellen Zahnreinigung, dadie Interdentalräume nicht von Kronenrän-dern und gingival reichenden Verblockun-gen belastet sind.Die Ästhetik der Frontzähne ist wiederher-gestellt ohne große Teile der Zahnsubstanzdurch artifizielle Materialien ersetzen zumüssen.Im Seitenzahngebiet konnte dem Patienteneine herausnehmbare Versorgung vorerst er-spart bleiben, ohne diese Option vollständigzu verbauen. Ein Umbau der Konstruktion zu einemkombinierten Zahnersatz ist möglich, ohnedie Rekonstruktion der Frontzähne anzu-greifen.

Kontakt:

Dr. Mathias JanckeJürgensallee 51, 22609 Hamburg

Literatur:

1. Rochette 1973. Rochette A L: Attachment of a splint to enamel of lower anterior teeth. J prosth Dent. 1973, 30 (4), S.418 - 423,

2. Saunders 1989. Saunders W P: Resin bonded bridgework: a review. J Dent. 1989, 17, S.255- 265

3. Simon 1992. Simon J F, Gartrell R G, Grogono

A G: Improved retention of acid-etched fixed par-tial dentures: A longitudinal study. J prosth Dent.1992, 68, S.611 - 615,

4. Lividitis 1982. Lividitis G J, Thompson V P:

Etched castings: an improved retentive mecha-nism for resin bonded retainers. J prosth Dent.1982, 47, S.52 - 58,

5. Botelho 1999. Botelho M: Resin-bonded prostheses: The current state of development. Quintessence International. 1999, 30, S.525 - 534,

Abb. 11: Nachkontrolle 10 Tage nach Eingliederung.

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