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TITELTHEMA 12 www.mein-pferd.de 11/2013 13 www.mein-pferd.de 11/2013 90 – 60 – 90: Für Pferde gibt es solche fixen Idealmaße nicht. Doch auch bei ihnen kann man schon an der Figur erkennen, ob sie gut oder schlecht trainiert sind. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Schwach- stellen erkennen und Ihr Pferd mit dem richtigen Training stark und fit machen. Mit vielen Übungen für Bauch, Beine, Po und mehr Text: Kerstin Philipp | Fotos: Holger Schupp M ehr als 700 Skelettmuskeln sorgen im Pferdekörper da- für, dass alles hält und sich flüssig bewegen kann. Da- mit diese vielen „Mitarbei- ter“ ihren Job gut machen können, brauchen sie immer ein ausgewo- genes Verhältnis zwischen Arbeit und Ent- spannung. Und sie müssen langsam in neue Aufgabenfelder eingearbeitet werden. Beim Pferdetraining ist also Feingefühl gefragt. Schlechtes Reiten oder eine falsche Ausrü- stung lassen die Muskulatur verkümmern. Oder bestimmte Partien prägen sich falsch aus, und Sehnen, Bänder und Knochen sind gefährdet. Unsere Experten zeigen, worauf es bei der Muskelentwicklung ankommt und wie Ihr Pferd mit den richtigen Übungen der Traumfigur näherkommt. Unterhals unerwünscht Wenn das Training stimmt, sieht man das einem Pferd deutlich an. „Der Hals hat dann eine schöne Oberhalslinie, so wie es Pferde zeigen, wenn sie ein anderes über den Weide- zaun beschnuppern“, beschreibt Ausbilderin Britta Bensch aus Hohenlohe ein Merkmal. Die Unterhalsmuskulatur soll dagegen nicht stark ausgeprägt sein, und die Drosselrinne (die Einsenkung an der Unterseite des Halses zeigt den Verlauf der äußeren Drosselvene) gut erkennbar sein. Pferde mit verspann- tem Unterhals laufen oſt vorne verkürzt und drücken den Rücken weg. Der Unterhals wird von Pferden verstärkt genutzt, wenn sie nicht genug Schub aus der Hinterhand ha- ben. Dann heben sie mit diesem Muskel zum Beispiel in Übergängen den Kopf heraus. Der Weg zur MUSKELN RICHTIG AUFBAUEN Stephanie Klaßen Die Bereiterin und Reitleh- rerin machte vor fünf Jahren die Ausbildung zur Bewe- gungstrainerin nach Eckhart Meyners. Auf dem Lauterhof in Willich (NRW) betreut sie Berittpferde und gibt dort und auch extern Kurse. Für unsere Titelgeschichte hatte Stephanie Klaßen viele passende Pferde zur Hand. Mit ihrer zwölfjährigen Stute Anouk (Foto rechts) zeigte sie uns, wie viel man mit richtigem Training aus einem Pferd trotz Senkrücken und Shivering-Syndrom herausholen kann. Britta Bensch Die Ausbilderin betreibt einen Stall in Hohenlohe (Ostalbkreis, Baden-Württ- emberg) und bildet Pferd und Reiter nach klassischen Grundsätzen aus. Ihr Ziel ist es, Reitern eine feine Hilfen- gebung und einen respekt- vollen Umgang mit dem Pferd zu vermitteln. Als DIPO-Pferdephysiotherapeutin liegt ihr Augenmerk zudem auf der ganzheitlichen Ausbildung von Pferden. Neben Beritt und Unterricht bietet Britta Bensch Seminare an. www.pferdehof-bensch.de UNSERE EXPERTEN Dr. Robert Stodulka Der Allgemeintierarzt und Fachtierarzt für Physiothe- rapie und Rehabilitations- medizin betreibt in Wien eine Praxis und lehrt dort an der Universität. Speziali- siert auf Akupunktur und Osteopathie widmet er sich besonders der Biomechanik und veröffent- lichte mehrere Bücher (z. B. Medizinische Reitlehre, Parey Verlag). Die reiterliche Aus- bildung machte Stodulka unter anderem an der Königlich-Andalusischen Hofreitschule. www.pferdepraxis.co.at Krafttraining pur: Im Galopp werden die Muskeln besonders stark gefordert Traumfigur 13 www.mein-pferd.de 11/2013

MUskeln richtig aUfbaUen krafttraining pur: im galopp ... · TiTelThema 16 11/2013 11/2013 17 Das Nacken-Rücken-Band, das die Muskeln in Hals- und Vorhand bei ihrem Aufbau un-

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90 – 60 – 90: Für Pferde gibt es solche fixen idealmaße nicht. Doch auch bei ihnen kann man schon an der Figur erkennen, ob sie gut oder schlecht trainiert sind. Wir zeigen ihnen, wie Sie Schwach-stellen erkennen und ihr Pferd mit dem richtigen Training stark und fit machen. Mit vielen Übungen für Bauch, Beine, Po und mehrText: Kerstin Philipp | Fotos: holger Schupp

Mehr als 700 Skelettmuskeln sorgen im Pferdekörper da-für, dass alles hält und sich flüssig bewegen kann. Da-mit diese vielen „Mitarbei-ter“ ihren Job gut machen

können, brauchen sie immer ein ausgewo-genes Verhältnis zwischen Arbeit und Ent-spannung. Und sie müssen langsam in neue Aufgabenfelder eingearbeitet werden. Beim Pferdetraining ist also Feingefühl gefragt. Schlechtes Reiten oder eine falsche Ausrü-stung lassen die Muskulatur verkümmern. Oder bestimmte Partien prägen sich falsch aus, und Sehnen, Bänder und Knochen sind gefährdet. Unsere Experten zeigen, worauf es bei der Muskelentwicklung ankommt und wie Ihr Pferd mit den richtigen Übungen der Traumfigur näherkommt.

Unterhals unerwünscht

Wenn das Training stimmt, sieht man das einem Pferd deutlich an. „Der Hals hat dann eine schöne Oberhalslinie, so wie es Pferde zeigen, wenn sie ein anderes über den Weide-zaun beschnuppern“, beschreibt Ausbilderin Britta Bensch aus Hohenlohe ein Merkmal. Die Unterhalsmuskulatur soll dagegen nicht stark ausgeprägt sein, und die Drosselrinne (die Einsenkung an der Unterseite des Halses zeigt den Verlauf der äußeren Drosselvene) gut erkennbar sein. Pferde mit verspann-tem Unterhals laufen oft vorne verkürzt und drücken den Rücken weg. Der Unterhals wird von Pferden verstärkt genutzt, wenn sie nicht genug Schub aus der Hinterhand ha-ben. Dann heben sie mit diesem Muskel zum Beispiel in Übergängen den Kopf heraus.

Der Weg zur MUskeln richtig aUfbaUen

Stephanie KlaßenDie Bereiterin und Reitleh-rerin machte vor fünf Jahren die Ausbildung zur Bewe-gungstrainerin nach Eckhart Meyners. Auf dem Lauterhof in Willich (NRW) betreut sie Berittpferde und gibt dort und auch extern Kurse. Für unsere Titelgeschichte hatte Stephanie Klaßen viele passende Pferde zur Hand. Mit ihrer zwölfjährigen Stute Anouk (Foto rechts) zeigte sie uns, wie viel man mit richtigem Training aus einem Pferd trotz Senkrücken und Shivering-Syndrom herausholen kann.

Britta BenschDie Ausbilderin betreibt einen Stall in Hohenlohe (Ostalbkreis, Baden-Württ-emberg) und bildet Pferd und Reiter nach klassischen Grundsätzen aus. Ihr Ziel ist es, Reitern eine feine Hilfen-gebung und einen respekt-vollen Umgang mit dem Pferd zu vermitteln. Als DIPO-Pferdephysiotherapeutin liegt ihr Augenmerk zudem auf der ganzheitlichen Ausbildung von Pferden. Neben Beritt und Unterricht bietet Britta Bensch Seminare an.www.pferdehof-bensch.de

UNSeRe eXPeRTeN

Dr. Robert StodulkaDer Allgemeintierarzt und Fachtierarzt für Physiothe-rapie und Rehabilitations-medizin betreibt in Wien eine Praxis und lehrt dort an der Universität. Speziali-siert auf Akupunktur und Osteopathie widmet er sich besonders der Biomechanik und veröffent-lichte mehrere Bücher (z. B. Medizinische Reitlehre, Parey Verlag). Die reiterliche Aus-bildung machte Stodulka unter anderem an der Königlich-Andalusischen Hofreitschule. www.pferdepraxis.co.at

krafttraining pur: im galopp werden die

Muskeln besonders stark gefordert

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Schlecht: Durch zum Beispiel eine harte Reiterhand kann sich die Unterhalsmuskulatur zu stark ausprägen (Foto), oder es entsteht der

„falsche Knick“. Der höchste Punkt ist dann nicht das Genick, sondern etwa der dritte Hals-wirbel. In dem Dreieck Wirbelsäule, Halsansatz, Mähnenkamm kann sich eine Mulde bilden und vor dem Widerrist eine Kuhle. Auch Mus-kelverhärtungen im Genick entstehen, wenn Pferde gegen die Reiterhand arbeiten.

Auch vom Sattel aus lässt sich die Halsmus-kulatur beurteilen, wie Tierarzt Dr. Robert Stodulka aus Wien weiß: „Der Reiter muss die Halsmuskulatur von oben wie eine Py-ramide sehen. Vom Sattel ausgehend kommt zunächst der breite Trapezmuskel (Grafik, Nr. 9), zum Genick wird der Hals dann immer schmaler.“ Ist es genau andersherum, hat ein Pferd also mehr Muckis im Genick als am Halsansatz zum Widerrist, spricht das nicht für ein harmonisches Training. Denn diese Pferde kämpfen meist gegen eine harte Rei-terhand oder Hilfszügel an.

In der Vorhand des Pferdes sitzt eine be-sondere Muskelkonstruktion, die die von hinten kommende Last auffängt und Kno-chen, Sehnen und Bänder schützt. Es gibt dabei anders als beim Menschen keine Kno-chenverbindung, denn das Pferd hat kein Schlüsselbein. Vorhand und Wirbelsäule sind nur mit Bändern und Muskeln verbun-den, die einiges aushalten müssen. Sind die Brustmuskeln oder der Brustteil des gesägten Muskels (16, 17) verspannt, reagieren Pferde auf Berührung an der Brust oder der Gurtla-ge empfindlich. „Latschen Pferde zu sehr auf

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Kruppenmuskeln

lange Sitzbeinmuskeln

Gastrocnemius

Zehenstrecker und -beuger

Kniegelenkstrecker

hüftbeuger

langer Rückenmuskel

Breiter Rückenmuskel

trapezmuskel

halsteil des gesägten Muskels

Riemenmuskel

Kopf-Arm-Muskel

Brustbein-Kopf-Muskel

Deltamuskel

Dreiköpfiger Armmuskel (triceps)

Brustteil des gesägten Muskels

tiefer Brustmuskel

Bauchmuskeln

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der Vorhand, ist außerdem oft ihr Triceps-Muskel (15) besonders stark ausgebildet“, be-richtet Dr. Robert Stodulka. Wichtige Mus-keln der Vorhand sind der Trapezmuskel, der sich wie eine Fischflosse über den Widerrist (9a, 9b) spannt, und der breite Rückenmus-kel (8). Der Trapezmuskel leidet besonders unter nicht passenden Sätteln. Oft zeigt sich hier in Form einer Kuhle hinter der Schul-ter richtiger Muskelschwund, der sich bis in den Hals fortsetzen kann. Eine gesunde Hals- und Vorhandmuskulatur bildet sich vor allem durch das Reiten in Dehnungshaltung.

halteapparat sorgt für entlastung

Hier entwickeln sich die richtigen Muskeln von selbst, wenn das Pferd seinen Hals lang macht und korrekt vom Widerrist aus fallen lässt, mit der Nase vor der Senkrechten und einem leicht kauendem Maul. „Das Pferd sollte sein Genick tiefer als den Widerrist tra-gen, die Nüstern in Höhe des Schulterbugge-lenkes“, erklärt Bereiterin Stephanie Klaßen aus Willich die korrekte Position. Die Mus-keln werden so nun durch ein ausgetüffeltes

Haltesystem unterstützt: das Nacken-Rü-cken-Band. Es reicht vom Hinterhauptbein (Verbindung von Kopf und Hals), über den Rücken bis zum Kreuzbein. Ist das Nacken-Rücken-Band korrekt gespannt – was in der Dehnungshaltung erreicht wird –, hält es quasi die Körperteile, Widerrist und Schul-terbereich werden angehoben. Das Pferd braucht dann weniger Muskelkraft, und die Muskeln bauen sich ohne hohe Belastung in der Bewegung auf. Die Vorhand spielt auch eine wichtige Rolle bei der Geraderichtung. Hier sind Übungen zur Schulterkontrolle

sinnvoll. Die Vorhand wird dabei aktiv mit dem äußeren Zügel in eine Richtung geführt. Das Pferd wird so automatisch um den in-neren Schenkel gebogen. So kann der Reiter zum Beispiel immer wieder kurz mit deut-licher Schulterfühung abwenden und direkt wieder geradeaus reiten, etwa beim „Durch die ganze Bahn wechseln“. Oder er reitet mehrere Wendungen hintereinander, zum Beispiel in Schlangenlinien durch die Bahn mit verschiedenen Bögen.

geraderichtung auf dem Prüfstand

In Seitengängen kann man diese Schulter-kontrolle dann besonders gut ausbauen. Britta Bensch empfiehlt dazu Schulterherein ganz langsam im Kreis zu reiten. Am An-fang reichen zwei bis drei Tritte, die Anzahl steigert man dann über mehrere Wochen.

„Wichtig ist, das man langsam reitet. Bewegen sich die Pferde zu schnell seitwärts, ist es für sie weniger anstrengend und sie halten sich dabei fest im Rücken“, betont die Ausbilde-rin.Wie gut es mit der Geraderichtung klappt, darauf lassen auch die Muskeln schließen.

„Bei Pferden, die nicht genug geradegerichtet sind, bilden sich die Muskeln assymetrisch aus“, berichtet Dr. Stodulka. „Die Assyme-trien können sich dabei vom Genick, über Schulter und Rücken bis zur Hinterhand zeigen.“ Auch eine unpassende Ausrüstung kann der Grund für solche unnatürlichen Fehlbildungen in der Muskulatur sein.

halS UND VoRhaNDGut: Der Riemenmuskel (Grafik, Nr. 11) führt vom Widerrist zum Genick und sorgt hier für die gewünschte runde Oberhalslinie. Das Pferd soll seinen Hals vor allem mit diesem Muskel tragen und nicht mit dem Arm-Kopf-Muskel (12) und dem Brustbein-Kopf-Muskel (13) am Unterhals hochstemmen. Die Mus-keln in dem Dreieck zwischen Halswirbelsäu-le, Halsansatz und Mähnenkamm sind schön ausgeprägt, die Drosselrinne gut sichtbar.

ÜBunGen: Oberhalsmuskulatur und Vorhand werden besonders gut trainiert, wenn man den Rahmen des Pferdes regelmäßig verändert. Dazu führt der Reiter die Zügel im Wechsel mal kürzer, mal länger und wechselt zwischen Aufrichtung, Dehnungshaltung und Pausen mit hingegebenem Zügel. Die Wechsel sorgen dafür, dass die Muskeln in Genick und Hals und die Rumpfträgermuskeln, die in der Vorhand als Stoßfänger arbeiten, immer wieder an- und entspannen und sich optimal entwickeln. Wichtig: Mit den Zügeln wird eine elastische Verbin-dung gehalten, ohne den Pferdekopf in eine bestimmte Position zu ziehen oder die Zügel durchhängen zu lassen. Gebogene Linien und das Reiten in Stellung und Biegung stärken zudem das Genick und machen es beweglich.

Wichtig: Die Dehnungshaltung abfragen

Was sitzt wo: Diese Muskeln sind beim reiten besonders wichtig

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Das Nacken-Rücken-Band, das die Muskeln in Hals- und Vorhand bei ihrem Aufbau un-tersützt, entlastet auch besonders den langen Rückenmuskel (7), der rechts und links von der Wirbelsäule verläuft. Er ist ein reiner Be-wegungsmuskel, der den Rumpf anhebt, aber nicht den Reiter tragen darf. „Der Rücken-muskel ist mit den Kruppenmuskeln ver-bunden und sorgt für den Anschub aus der Hinterhand“, erklärt Stephanie Klaßen. „Das Pferd muss den Muskel unverkrampft dehnen und anspannen, um sich schwungvoll von hinten nach vorne fortbewegen zu können.“ Hält ein Reiter sein Pferd aber mit der Hand vorne fest und treibt es gleichzeitig in diese starre Hand hinein, kann sich die Rücken-muskulatur nicht entspannen. „Das Pferd drückt dann den verspannten Rücken nach unten weg, der Widerrist kommt nicht hoch, und der Rückenmuskel muss das gesamte Reitergewicht tragen“, erklärt Britta Bensch.

Wenn es im rücken zwickt

Solche festgehaltenen Rücken sind oft an Taktfehlern zu erkennen, wie Bensch be-schreibt: „Der Schritt wird zum Pass, der Dreitakt im Galopp zum Viertakt, die Pferde hüpfen wie ein Häschen im Galopp.“ Auch der Trab kann leiden: Normalerweise schwingen jeweils die diagonalen Beinpaare gemeinsam nach vorne. Doch ist der Rücken fest, wird diese Diagonale gebrochen, Hin-terhand und Vorhand arbeiten nicht mehr zusammen. Die Rückenmuskeln übertragen die Bewegung nicht nur auf die Vorhand, sondern indirekt auch auf die Bauchmusku-

latur. Denn ist der lange Rückenmuskel an-gespannt, kippt das Becken des Pferdes nach vorne. Die Bauchmuskeln (18) wirken dem entgegen und ermöglichen so erst, dass das Pferd mit der Hinterhand weit untertreten kann. „Gibt der Reiter mit dem Schenkel also diesen Muskeln den richtigen Impuls, wird das Hinterbein angeregt, vorzutreten. Wich-tig ist, dass man dabei mit den Schenkel den Bauch nicht einklemmt, sondern wirklich nur Impulse gibt“, erklärt Stepahnie Klaßen.

Die Bauchmuskeln reichen vom Brust-bein bis zum Schambein und bilden die un-tere Verspannung. Um das Zusammenspiel

von Bauch- und Rückenmuskeln zu trai-nieren, ist es wichtig, das richtige

Tempo zu gehen. Denn reitet man das Pferd zu eilig, schaffen es die Bauchmuskeln nicht mehr, das Becken zu stabilisieren, und die Hinterhand arbeitet nach hin-ten heraus. „Viele Pferde werden

oft zu schnell nach vorne geritten“,

betont Britta Bensch. „Muskeln bauen sich aber vor allem in einem langsamen Tempo richtig auf.“ Das Übertretenlassen der Hin-terhand in einem ruhigen Tempo lockert die Rückenmuskulatur besonders, auch Rück-wärtsrichten wölbt den Rücken schön auf und dehnt so die Oberlinie.

galopp für einen straffen bauch

„Werden Seitengänge und Rückwärtsrichten ruhig ausgeführt und kennt das Pferde die-se Lektionen, sind sie auch schon in der Lö-sungsphase sinnvoll“, erklärt Britta Bensch.

„Ebenso können kurze Übergänge schon früh abgefragt werden.“ Ein Arthrosepferd lässt die Ausbilderin zum Beispiel mal nur zwei Tritte antraben, danach geht es am langen Zügel eine halbe Seite lang, bis sie erneut antrabt. Im Galopp sind dann die Bauch-muskeln besonders gefragt. Langes, ruhiges Galoppieren oder Übergänge zum Galopp können die Zusammenarbeit von Bauch und

RücKeN UND BaUch

ÜBunGen: „Langes, ruhiges Galoppie-ren (Cantern) macht den Rücken stark“, erklärt Britta Bensch. „Denn im Dreitakt wird der Rücken am wenigsten fest-gehalten.“ Häufiges Angaloppieren ist auch sinnvoll, vor allem aus dem Trab heraus. Beim Wechsel zwischen dem Zweitakt Trab und dem Dreitakt Galopp

muss das Pferd die Muskulatur einen Moment deutlich loslassen. Die Expertin empfiehlt für Rücken und Bauch auch, im Gelände bergauf zu galoppieren und Hänge hinauf- und hinabzuklettern.

„Seitengänge sorgen zudem dafür, dass der Lendenbereich rotiert und so ent-spannt“, sagt Dr. Robert Stodulka.

Gut: Die Wirbelsäule ist schön eingebettet vom langen Rückenmuskel (7), dem längsten Muskel des Körpers. Er verläuft rechts und links neben der Wirbelsäule vom Becken bis zum siebten Halswirbel und verbindet so Vor- und Hinterhand. Der Rücken ist gleichmäßig rechts und links bemuskelt. Es zeigen sich keine Dornfortsätze, keine Kuhlen durch zum Beispiel einen zu engen Sattel oder falsche Aufwölbungen durch Muskelverhärtungen.

Schlecht: Ein sehr langer gerader Rücken (Foto rechts oben) oder ein Senkrücken (Foto rechts unten) können das Training erschweren. Beim Senkrücken sind meist die Bauchmus-keln zu schwach. Bei einem Karpfenrücken ziehen sich dagegen im Lendenbereich die verkrampften Muskeln hoch und wölben sich dort auf. Hier sind die Rückenmuskeln meist zu schwach und können den Bauchmuskeln nicht genug entgegenarbeiten. Außerdem neigen sehr kurze Rücken dazu, schnell zu verspannen. Damit die Rückenmuskeln – egal bei welcher Rückenform – richtig arbeiten kön-nen, müssen sie vor allem vor Druck von Sattel oder Reiter geschützt werden. Nur so können sie sich in der Bewegung locker aufbauen.

Rücken sehr verbessern. Gymnastiksprün-ge und Cavaletti-Arbeit stärken außerdem den Rücken und machen gleichzeitig die Hinterhand beweglich. Und die Hinterhand ist schließlich der Motor des Pferdes. Ist sie locker und tritt sie aktiv unter, wirkt sich das bis in den Pferdekopf aus. In der Hinter-hand sorgen große, starke Muskeln für den richtigen Antrieb. Man unterteilt sie in vier Gruppen: innere Lendenmuskeln (entsprin-gen der Unterfläche der Lendenwirbelsäule und setzen innen an Becken und Oberschen-kel an), Kruppenmuskeln (1), lange Sitzbein-muskeln (2) und Kniegelenkstrecker (5).

Bevor diese Muskeln allerdings in der Versammlung mehr Gewicht aufnehmen können, müssen sie erst im Vorwärts die nö-tige Schubkraft entwickeln. Und hier kommt wieder die Dehnungshaltung ins Spiel. Sie sorgt dafür, dass Rücken- und Bauchmus-keln gut zusammenarbeiten und das Hinter-bein weit nach vorne greifen kann. Mit vielen versammelnden Übungen wie Tempoun-

tempounterschiede wie ein Zulegen im trab eignen sich zum Muskelaufbau

seitengänge wie schulter-

herein machen beweglich

bei stangenarbeit sind sind bauch, beine, Po

und rücken gefragt

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Vorher-Nachher-Bilder

zu Rehapferden von

Britta Bensch un-

ter „Service“

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ÜBunGen: Die Hinterhandmuskeln lassen sich von allen Muskeln am besten ausbauen. Allerdings geht es nicht darum, sein Pferd schnellstmög-lich auf die Hinterhand zu setzen und die Hankenbeugung zu trainieren. Durch die Dehnungshaltung, in der Bauch- und Rückenmuskeln optimal zusammen-

arbeiten, kann auch die Hinterhand Schwung und Kraft entwickeln. Klettern, Gymnastiksprünge oder Longenarbeit mit etwa vier Trabcavaletti schulen Koor-dination und Tragkraft. Auch Seitengän-ge, halbe Tritte, Rückwärtsrichten, Tem-pounterschiede und Galoppübergänge machen die Hanken beweglich.

Gut: Gesunde Rundungen sind beim Pferdehintern gewünscht. „Die Muskeln sollen sich gut abzeichnen, die Sitzbeinhöcker nicht herausragen“, beschreibt Britta Bensch die Merkmale. „Die Oberschenkel müssen kräf-tig sein. Wenn Sie den Schweif hochheben, sollen auch die Schenkelinnenseiten gut ausgebildet und nicht flach sein.“ Der Übergang im Lendenbereich zum Rücken soll fließend sein und keine Verhärtungen zeigen. Außerdem müssen die Muskeln von Vor- und Hinterhand in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Schlecht: Diese Hin-terhand ist sehr kurz – vor allem im Verhältnis zu dem

langen Pferd – , mit einem hohen Schweifansatz und schwachen Muskeln. Das erschwert es dem Pferd, die Hanken zu beugen und unterzutreten. Die Hinterhand wirkt kantig. Für die Schubkraft aus der Hinterhand nach vorne sorgen vor allem gut ausgebildete Kruppenmus-keln (1). Damit sind sie aber auch besonders anfällig für Verkrampfungen, wenn das Pferd überfordert wird. Sind sie verspannt, tritt das Pferd hinten deutlich kürzer, auch können die Zehen über den Boden schleifen.

terschieden, Übergängen zwischen den Gangarten und zum Halten, Rückwärtsrich-ten und Seitengängen wird die Hankenbeu-gung immer mehr geschult. Vorausgesetzt, das Pferd fußt dabei mit den Hinterbeinen fleißig ab und tritt schön unter den Schwer-punkt. „Durch Übergänge vom Trab in den Schritt und wieder zurück, in ganz kurzen Wechseln geritten, wird die Hinterhand be-sonders flink“, gibt Britta Bensch als Tipp.

Starke Muskeln machen Pferde nicht nur schön, sie halten sie auch gesund. Denn wenn die Muskeln fleißig mitarbeiten, dann haben auch Fettpölsterchen keine Chance. Ein gute Mischung aus Kraft- und Ausdau-ertraining lässt bei Moppelchen die Pfunde schnell schmilzen, wenn die Fütterung und Haltung entsprechend angepasst werden.

Das Training wird gesteigert nach der De-vise: erst häufiger, dann länger, dann schnel-ler. Denn dicke Pferde sind oft auch träge und wenig von Ausdauertraining im Galopp begeistert. „Hier liegt die Kunst darin, ih-nen in kurzen Trainingseinheiten erst den Spaß am Laufen zurückzugeben“, weiß Brit-

ta Bensch. Unterm Sattel wird dann zunächst im Schritt

und Trab mit vielen Sei-tengängen das Pferd be-weglicher gemacht. „Den Galopp kann man dann

hiNTeRhaND

Voraussetzung für jeden Muskelaufbau: mal tief durchatmen

und entspannen

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zum Beispiel erst im Freilaufen üben. Dabei schon nach drei Sprüngen ausgiebig loben und das dann immer mehr steigern, später an der Longe und unterm Reiter“, beschreibt die Ausbilderin das Vorgehen. Magere Pferde müssen dagegen erst richtig aufgefüttert wer-den, bevor überhaupt ans Reiten gedacht werden kann. Doch stimmt die Fütterung, sieht man bei mageren Pferden meist schnel-ler Erfolge auf dem Weg zur Traumfigur als bei dickeren Kandidaten „Trainiert man sie an der Longe im Vorwärts-abwärts, kann man oft schon nach vier Wochen erkennen, dass zum Beispiel die Halsmuskulatur besser wird“, berichtet Britta Bensch.

Der test: Zu dick oder zu dünn?

Ob ein Pferd zu viel auf die Waage bringt, kann man sehen und fühlen. Diese Pferde sind meist sehr rundlich und „schwabbe-lig“ an Bauch und Hinterhand, die Rippen kann man nicht fühlen, neben und oberhalb der Schweifrübe und des Widerristes haben sich Fettpolster gebildet. Ein dicker Mäh-nenkamm und eine massige Kruppe sind weitere Indizien, dass die Traumfigur noch weit entfernt ist. Je nach Fetteinlagerungen an Hals, Schulter, Rippen, Rücken, Kruppe, Brustwand, Hüfte und Schweifansatz wird der Body Condition Score (BCS) als Richt-

wert für den Gewichtszustand genutzt. Er reicht von einem BCS von 1 (ausgehungert) bis 9 (extrem fett). Ideal ist ein Wert von 5 bis 6. Damit statt Fett Muskeln ausgeprägt sind, kann das Fitnessprogramm unterm Sattel mit gezielter Longen- und Bodenarbeit un-terstützt werden. Sogar viele Zirkuslektionen können die richtigen Muskeln aktivieren. So wird etwa im Kompliment die gesamte Oberlinie gedehnt. Und bei Pferden, die sehr vorhandlastig sind, können ein paar Tritte im Spanischen Schritt die Schulter beweglicher machen. Longiert werden sollte nicht nur auf einem starren Zirkel. Britta Bensch empfiehlt, immer wieder auch mal die ganze Bahn ent-langzulaufen, mal den Zirkel zu vergrößeren und wieder zu verkleinern. „Mit kleinen Im-pulsen mit der Peitsche aufwärts zur Schulter verhindert man dabei, dass das Pferd auf die Schulter fällt und sich so der Biegearbeit ent-ziehen kann“, erklärt die Expertin.

Denn nur wenn Muskeln auch behutsam an ihre Grenzen kommen, können sie sich langsam immer mehr aufbauen. Dabei kann sich der Reiter an der Atmung des Pferdes ortientieren. „Solange das Pferd rhythmisch atmet, weder die Luft anhält, noch vollkom-men außer Atem ist, weiß man, dass das Training für dieses Pferd so genau richtig ist“, erklärt Dr. Robert Stodulka. Um die Leistung seines Pferdes zu steigern, muss aber auch

der Reiter selbst fit genug sein. „Wer selbst schnell aus der Puste ist, kann von seinem Pferd keine Höchstleistungen erwarten“, be-tont Stephanie Klaßen. „Sitzschulungen hel-fen außerdem, dass man den Muskelaufbau nicht durch einen verkrampften Sitz verhin-dert.“ Natürlich lässt sich nicht aus jedem Pferd ein Spitzensportler machen. Manch-mal erschweren Gebäudemängel wie ein tief angesetzter Hals, ein langer Rücken oder eine kurze Hinterhand den Muskelaufbau. Doch eine gewisse Fitness kann jeder mit seinem Pferd erreichen. Bewegung heißt das Zauber-wort. „In freier Wildbahn laufen Pferde bis zu 40 Kilometern, in einer Reitstunde gerade mal acht. Da muss man das Training schon gut gestalten, um Muskeln genügend Anreize zu geben“, erklärt Dr. Robert Stodulka.

klettern für einen knackigen Po

Geländeritte bieten hier die ideale Gele-genheit, viele „Kilometer zu machen“ und gleichzeitig Abwechslung zu bieten. „Un-terschiedliche Bodenverhältnisse und Erhe-bungen sprechen hier alle Sinne von Pferd und Reiter an“, beschreibt Stephanie Klaßen die Vorteile. „Kletterpartien im Gelände

stärken vor allem die Hinterhand und den Rücken.“ Jeden Tag sollte das Pferd in un-terschiedlicher Form bewegt werden, dabei mal stärker gefordert werden und mal ent-spannter unterwegs sein dürfen. Auch reine Koppeltage sind zwischendurch mal erlaubt.

„Denn leistungsfähig wird ein Pferd nicht allein durch Training“, betont Britta Bensch.

„In einer natürlichen Haltung baut es schon allein durch seine tägliche Bewegung in der Herde gewisse ‚Koppelmuskeln‘ auf und ist ingesamter deutlich zufriedener.“

Denn das darf man bei dem harten Weg zur Traumfigur nie außer Acht lassen: die innere Losgelassenheit und Zufriedenheit des Pferdes. Eine angenehme Trainingsat-mosphäre und viele Pausen während des Trainings sind hierzu wichtig. Stress ist pures Gift für Muskeln. „Nach jeder Arbeitsphase sollte man mindestens eine Zirkelrunde mit hingegebenem Zügel reiten“, empfiehlt Britta Bensch. So kann sich das Pferd körperlich und psychisch kurz entspannen.

Und das zahlt sich schließlich aus, wie Dr. Robert Stodulka beschreibt: „Denn nur ein vollkommen entspannter Muskel kann sich auch wieder aufs Neue anspannen und so die volle Leistung bringen.“

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erfühlen