8
316 E. Medina und G. Spiteller Jahrp. 1 12 Chem. Ber. 112, 376-383 (1979) Konstitutionsaufkliung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyrumidatu L. (Sterculiaceae) Ernesto Medina und Gerhard Spiteller * Organisch-Chemischeslnstitut der UniversitHt Gottingen, Tammannstr. 2, D-3400 Gottingen, und Lehrstuhl fur Organische Chemie der Universitat Bayreuth Universitatsstr. 30, D-8580 Bayreuth* Eingegangen am 3. April 1978 Das aus Melochia pyramidata L. isolierte Melochinin gehort einer bisher unbekannten Klasse von Pyridon-Alkaloiden an. Seine Struktur 3 wurde mit spektroskopischen Methoden und mikro- chemischen Abbaureaktionenbestimmt. Structure of Melochinine, a New Type of a Pyridone Alkaloid from Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae) Melochinine, isolated from leafs of Melochia pyrumidata L., is the first representative of a so far unknown class of pyridone alkaloids. Its structure was determined by spectroscopic methods in combination with microchemical degradation reactions to be 3. Einleitung Die Viehbestande mittelamerikanischer Lander werden in Trockenzeiten von der ,,Rinderlahmung" heimgesucht : Die befallenen Tiere zeigen schwere Lihmungserschei- nungen in den Extremitaten und sterben in vielen Fallen. Da die ,,Derrengue" - wie die Rinderlahmung in Nicaragua genannt wird - betracht- liche Verluste im Viehbestand zur Folge hat, wurde 1969 vom Landwirtschaftsministerium in Nicaragua eine Untersuchung zur Ermittlung ihrer Ursachen gestartet 'I. Im Zuge dieser Untersuchungen wurde festgestellt, daI3 die Krankheit nur auftritt, wenn Rinder aus Mange1 an anderem Weidegut Blatter und Zweige des Strauches Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae) fressen. Die Untersuchung des basischen Extraktes der Blitter durch Saenz lieferte zwei Fraktionen '). In der Fraktion, die quartare Basen enthielt, fand Saenz zwei Verbindungen, von denen eine die fur Alkaloide typischen Reaktionen zeigte. Trotz papierchromato- graphischer Trennung gelang keine weitere Charakterisierung. Dem Alkaloid, das Saeiiz Melochin nannte, wurde die beobachtete physiologische Wirkung zugeschrieben. In der Fraktion der schwachen Basen fand er ein weiteres Alkaloid, das ebenfalls nicht weiter charakterisiert wurde. Seither wurden unseres Wissens keine neuen Untersuchungs- ergebnisse bekannt. 0 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1979

Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

316 E. Medina und G. Spiteller Jahrp. 1 12

Chem. Ber. 112, 376-383 (1979)

Konstitutionsaufkliung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyrumidatu L. (Sterculiaceae)

Ernesto Medina und Gerhard Spiteller *

Organisch-Chemisches lnstitut der UniversitHt Gottingen, Tammannstr. 2, D-3400 Gottingen, und

Lehrstuhl fur Organische Chemie der Universitat Bayreuth Universitatsstr. 30, D-8580 Bayreuth*

Eingegangen am 3. April 1978

Das aus Melochia pyramidata L. isolierte Melochinin gehort einer bisher unbekannten Klasse von Pyridon-Alkaloiden an. Seine Struktur 3 wurde mit spektroskopischen Methoden und mikro- chemischen Abbaureaktionen bestimmt.

Structure of Melochinine, a New Type of a Pyridone Alkaloid from Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

Melochinine, isolated from leafs of Melochia pyrumidata L., is the first representative of a so far unknown class of pyridone alkaloids. Its structure was determined by spectroscopic methods in combination with microchemical degradation reactions to be 3.

Einleitung

Die Viehbestande mittelamerikanischer Lander werden in Trockenzeiten von der ,,Rinderlahmung" heimgesucht : Die befallenen Tiere zeigen schwere Lihmungserschei- nungen in den Extremitaten und sterben in vielen Fallen.

Da die ,,Derrengue" - wie die Rinderlahmung in Nicaragua genannt wird - betracht- liche Verluste im Viehbestand zur Folge hat, wurde 1969 vom Landwirtschaftsministerium in Nicaragua eine Untersuchung zur Ermittlung ihrer Ursachen gestartet ' I . Im Zuge dieser Untersuchungen wurde festgestellt, daI3 die Krankheit nur auftritt, wenn Rinder aus Mange1 an anderem Weidegut Blatter und Zweige des Strauches Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae) fressen.

Die Untersuchung des basischen Extraktes der Blitter durch Saenz lieferte zwei Fraktionen '). In der Fraktion, die quartare Basen enthielt, fand Saenz zwei Verbindungen, von denen eine die fur Alkaloide typischen Reaktionen zeigte. Trotz papierchromato-

graphischer Trennung gelang keine weitere Charakterisierung. Dem Alkaloid, das Saeiiz Melochin nannte, wurde die beobachtete physiologische Wirkung zugeschrieben. In der Fraktion der schwachen Basen fand er ein weiteres Alkaloid, das ebenfalls nicht weiter charakterisiert wurde. Seither wurden unseres Wissens keine neuen Untersuchungs- ergebnisse bekannt.

0 Verlag Chemie, GmbH, D-6940 Weinheim, 1979

Page 2: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

1919 Konstitutionsauflclarung des Melochinins 311

Isolierung von Cholin-chlorid Nach der im experimentellen Teil beschriebenen Aufarbeitung erhielten wir ahnlich

wie Saenz ') zwei Fraktionen basischer Verbindungen. Aus der Fraktion der Quartarbasen wurde durch Chromatographie an Cellulose

Cholin-chlorid erhalten, das durch Schmelzpunkt, 'H-NMR- und Massenspektrum sowie Elementaranalyse charakterisiert wurde.

Isolienmg von Melochinin und Bestimmung der funktionellen Gruppen Die Fraktion der schwachen Basen erwies sich als komplexes Gemisch verschiedenster

Alkaloide, von denen eines durch praparative Saulen- und Diinnschichtchromatographie in reiner Form erhalten werden konnte. Dieses Alkaloid wurde von uns in Anlehnung an die Pflanzenbezeichnung ,,Melochinin" genannt. Das Massenspektrum (Abb. 1) zeigt ein Molekiil-Ion der Masse 323, dem die Bruttoformel C,,H,,NO, zukommt.

%

00

80

6 0

LO

W

166

wf.5 180

lgL 208 222 236 250 .?@, 278 f

160 200 240 280 320 "M '

Abb. 1. Massenspektrum yon Melochinin

Aus der Bruttoformel kann das Vorhandensein von vier Doppelbindungsaquivalenten abgeleitet werden.

Hydrierversuche im MikromaDstab (Pd/C in Methanol, Pt in Eisessig) schlugen fehl (Ruckgewinnung unveranderten Ausgangsmaterials), ebenso der Versuch einer LiAlH,- Reduktion. Dieses Verhalten deutet auf das Vorhandensein eines aromatischen oder heteroaromatischen Ringsystems hin.

Das Hauptspaltstiick irn Massenspektrum mit der Masse 153 und der Bruttoformel C,H, lNO, wird durch Verlust eines Teilchens C 1H220 gebildet. Solche Spaltreaktionen sind insbesondere fur Pyridinderivate mit einer Seitenkette in u-Stellung typisch 3 9 4,

(Gl. 1):

H/L\C,H,,O mfe = 153

Page 3: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

378 E . Medina und G. Spiteller Jahrg. 112

Begleitet wird diese massenspektrometrische Abbaureaktion von der Bildung eines um 13 Masseneinheiten(ME) schwereren Teilchens(m/e 166). Es entsteht durch Abstraktion eines Wasserstoffes von einer gerade zufallig in raumlicher Nachbarschaft stehenden CH-Gruppe mit nachfolgender Ruckumlagerung eines Wasserstoffes aus der aktivierten %-Position und anschlieoende Bindungsspaltung (2).

' 9 C H2-CH2-i-IC H& -5H-R' - -H

m/e = 166

Aus dem 'H-NMR-Spektrum la& sich neben der Anwesenheit einer Methoxygruppe (Singulett bei 6 = 3.78), einer offenbar an einem Aromaten oder einem Heterocyclus ge- bundenen Methylgruppe (Singulett bei 6 = 2.38) und einer -CHOH -CH,-Gruppe (Dublett der Methylprotonen bei 6 = 1.15) die Gegenwart eines Aromaten an einem Sin- gulett bei 6 = 6.26 erkennen.

Diese Befunde weisen also auf das Vorliegen eines tetrasubstituierten Pyridinderivates mit einer a-standigen Alkylkette hin.

Die Seitenkette mu13 insgesamt 12 C-Atome umfassen und gesattigt sein, da das Haupt- spaltstuck der Masse 153 durch Verlust von C, ,H,,O unter gleichzeitiger Verschiebung eines Wasserstoffs und Verbleib des a-standigen C-Atoms am Ringgeriist entsteht [siehe Gleichung (l)].

Aus dem 'H-NMR-Spektrum laRt sich ableiten, da8 diese Seitenkette unverzweigt ist (neben den beiden erwahnten Methylgruppen sind im NMR-Spektrum keine weiteren CH,-Gruppen erkennbar) und am Kettenende die Gruppierung CH,CH(OH)CH, - tragt (Signale bei 6 = 1.15, 3H, d, J = 3Hz; 6 = 3.73, l H , m; 6 = 1.37, 2H, m).

Dieser Befund wird weiter durch das Auftreten eines M - 15-1011s (Verlust von CH,) und eines M - 45-Spaltstuckes (Verlust von CH,eHOH) gestutzt. Bewiesen wird das Vorliegen der CH,CHOH-Gruppe durch das Massenspektrum des durch Umsetzung von Melochinin mit MSTFA [N-Methyl-N-(trimethylsilyl)trifluoracetamid] erhaltenen Bis(trimethylsily1)-Derivates (M + m/e = 467). Es zeigt ein intensives Schlussel-Ion der Masse 117, das die Gegenwart des Strukturelementes CH, - k H - OSi(CH,), erkennen la&. AuRerdem entstand bei der Mikrooxidation mit CrO,/Pyridin erwartungsgemal3 eine urn 2 ME leichtere Verbindung (Oxidation der CH,CHOH-Gruppe zu CH,CO -).

Die durch das Ergebnis des Trimethylsilylierungsversuches angedeutete Gegenwart einer zweiten OH-Gruppe (Bildung eines bis-trimethylsilylierten Derivates) lielj sich durch Acetylierung weiter stiitzen: Im Massenspektrum des Diacetates (M + m/e = 407, Anstieg der Molmasse gegenuber dem Ausgangsmaterial um 84 ME) ist das Schlussel-Ion der Masse 153 zur Masse 195 (Zunahme um 42 ME) verschoben. Daraus ist ableitbar, dal3 diese funktionelle Gruppe im heteroaromatischen Teil zu lokalisieren ist. Die Abspaltung

Page 4: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

1919 Konstitutionsaufkldrung des Melochinins 319

von Keten aus dem Ion der Masse 195 laDt auf die Gegenwart einer phenolischen oder einer N-Acetylgruppe schlieI3en.

Das Vorhandensein einer phenolischen Hydroxygruppe wird durch Bildung eines Monomethylderivates (M m/e = 337) unter gleichzeitiger Verschiebung des Schliissel- Ions der Masse 153 zur Masse 167 durch Umsetzung von Melochinin rnit Diazomethan bestatigt.

Aus dem Ergebnis der Trimethylsilylierung ergibt sich weiter die Abwesenheit eines sekundlren oder primaren Amins. Der Stickstoff in Melochinin muB somit tertiar gebun- den sein, ein Befund, der durch die Riickgewinnung unversehrten Ausgangsmaterials beim Versuch der Methylierung nach Leukart-Wallach untermauert wird.

Nach Aussage des Protonenresonanzspektrums muate der Pyridinring vierfach sub- stituiert sein. Die beschriebenen Versuche und die Auswertung der Spektren lassen folgende Substituenten erkennen :

1. eine [CH,] - CHOHCH,-Seitenkette 2. eine phenolische OH-Gruppe 3. eine Methoxygruppe ('H-NMR-Signale bei 6 = 3.78) 4. eine Methylgruppe ('H-NMR-Signale bei 6 = 2.38)

Bestimmung der Stellung der Substituenten am Pyridinkern Das '3C-NMR-Spektrum zeigt die Anwesenheit von funf Kohlenstoffsignalen bei

6 = 173.7, 150.3, 145.1, 140.8 und 114.6. Das Signal bei 6 = 173.7 liegt bei sehr tiefem Feld. Derartig starke Tieffeldverschiebungen beobachtet man bei Pyridinderivaten mit einer OH-Gruppe in y-Stellung 'I, weil diesem Kohlenstoff durch Pyridonbildung teil- weise Carbonylcharakter zukommen kann. In ubereinstimmung damit steht das Auf- treten einer Bande bei 1670 cm-' im IR-Spektrum6). Der Pyridoncharakter der Ver- bindung lie13 sich durch Austausch der OH-Gruppe gegen Chlor bei Umsetzung mit SOCl, bestatigen '. 'I. Durch Reduktion mit Pt/H, in Essigsaure konnte das Chloratom aus dem Molekiil entfernt werden. Das so erhaltliche Pyridinderivat lieD sich mit Pt/H, in Essigsaure zu einer Piperidinverbindung hydrieren (s. exp. Teil).

Ein 4-OH-Pyridin der Konstitution 1, das Piericidin A, wurde vor einigen Jahren als Insektizid aus Streptomyces mobaraensis isoliert 9, lo).

1 zeigt in Methanol ein sehr charakteristisches UV-Spektrum mit einem Maximum bei 267 nm, das in alkalischer Losung zu 250 nm verschoben wird 'I). Im UV-Spektrum des Melochinins ist ein Maximum bei 265 nm zu erkennen, das in ebenso charakteristi-

Page 5: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

380 E. Medina und G. Spiteller Jahrg. 11 2

scher Weise in alkalischer Losung zu 245 nrn verschoben wird. Damit ist wahrscheinlich. daB Melochinin ein 4-Hydroxy-3-methoxypyridin ist. Zur Sicherstellung dieser Annahme wurde 3-Methoxy-2-methyl-4( 1 H)-pyridon (2) nach Fischer und Hodge synthetisiert 13).

Das UV-Spektrum von 2 ist deckungsgleich in neutraler methanolischer und alkalischer Losung rnit dem von Melochinin. Aus der Lage des Pyridinprotonensignals im 'H-NMR- Spektrum laDt sich ausschlieBen, daB das Proton in =-Stellung steht 14). Demnach ergeben sich als mogliche Formeln f i r die Verbindung nur noch 3 und 4.

Um zwischy diesen beiden Formeln unterscheiden zu konnen, wurden die 'H-NMR- und 13C-NMR-Spektren von Melochinin rnit denen von 2 und dem ebenfalls als Modell- verbindung synthetisierten 5-Methoxy-2-methyl-4( 1 H)-pyridon 5.16) (5) verglichen.

Das 13C-Spektrum von 2 ist sehr lhnlich dem des Melochinins (s. exp. Teil), wahrend das von 5 stark abweicht. Demnach ist Melochinin die Konstitution 3 zuzuordnen.

Verbindungen dieses Typs wurden unseres Wissens bisher noch nicht als Pflanzen- inhaltsstoffe isoliert. Das Melochinin ist also Vertreter einer neuen Klasse von Alkaloiden.

Der Deutschen Forschungsyetneinschaft und dem Fonds der Chemischen lndustrie danken wir fur Sachmittel. Ernesto Medina dankt dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) fur ein Stipendium.

Experimenteller Teil

Das Pflanzenmaterial wurde im Valle de Godel, 14 km siidostlich von Managua, Anfang Dezember 1976 gesammelt.

Die Massenspektren wurden rnit einem Varian-MAT-CH 4-Massenspektrometer (E-4B- lonenquelle) durch Direkteinfuhrung der Proben in die Ionenquelle sowie rnit einem Varian- MAT-CH 7-Massenspektrometer, kombiniert rnit einem Varian 1700 Gaschromatographen, stets bei 70 eV, aufgenommen. Alle Bruttoformeln wurden durch ,,peak matching"mit einem Varian- MAT 731-Massenspektrometer bestimmt.

'H-NMR-Spektren: Varian HA 100, TMS als interner Standard. - 13C-NMR-Spektren: Varian XL 100. - IR-Spektren: Perkin Elmer PE 621. - UY-Spektren: Cary 14-Spektrometer. - Schmelzpunkte (unkorrigiert): Kofler-Block. - Optische Drehung: Perkin Elmer 141-Polarimeter (Mikrokiivette).

Zur gaschromatographischen Trennung bei der Aufarbeitung von Reaktionsprodukten wurde der Varian-1700-Gaschromatograph des GC-MS-Kombinationsgerates eingesetzt: 1.50-m-Glas- siiule (Innendurchmesser 2 mm, 3% SE-30 auf Chromosorb W, AW, DMCS 80 - 100 mesh), Injektortemp. 270"C, Saulentemp. von 150 bis 300°C rnit 8 "C/min programmiert, Tragergas Helium, 20 ml/min, Temperatur des Separators (Biemann-Watson-Typ) und der GC-MS-Ver- bindungskapillare 240 "C. Als GC-Detektor diente die Totalionenstromanzeige des Massenspektro- meters.

Zur Diinnschichtchromatographie wurde Kieselgel Polygram Sil G/UVlS4 (Macherey & Nagel), zur praparativen Schichtchromatographie Kieselgel PFZs4 (Macherey & Nagel) und zur Saulenchromatographie Kieselgel Woelm 0.05 -0.2 mm verwendet.

Gewinnung der Rohafkaloide: 1 500 g luftgetrocknete und zermahlene Blatter von Mclochia pyramidata wurden 20 h im Soxhlet mit Methanol extrahiert. Der erhaltene Extrakt wurde nach Abdampfen des Losungsmittels in 1 1 5 proz. wakiger Weinsaurelosung aufgenommen. Die kalte Losung wnrde filtriert, der dunkelgriine harzartige Riickstand in 500 ml Chloroform gelost und die Losung dreimal mit .je 200 ml 5 proz. Weinsaurelosung ausgeschiittelt. Die vereinigten Wein- saureausziige wurden zur Entfernung von Neutralstoffen (z.B. Chlorophyll) 12 h bei 20°C mit 11

Page 6: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

1979 Konstitutionsaufklarung des Melochinins 381

Ether extrahiert, dann rnit konz. Ammoniak auf pH 9 gestellt und viermal mit ie 1 1 Chloroform ausgeschiittelt. Durch Zugabe von Ammoniak wurde der pH-Wert bei allen Operationen uber 8 gehalten. Die vereinigten Chloroformausziige wurden rnit Wasser gewaschen und nach dem Trocknen (Natriumsulfat) eingedampft. Der Riickstand wurde zur weiteren Reinigung (Entfernung beigemengter Farbstoffe) in 400 ml Chloroform aufgenommen und die Losung funfmal rnit .je 100 ml5proz. w a k . Salzsaure ausgeschiittelt. Die salzsauren Ausziige wurden unter Kiihlung rnit einem starken UberschuB konz. Ammoniak geschiittelt und rnit Chloroform erschopfend extra- hiert. Die Chloroformauszuge lieferten nach Trocknen und Eindampfen 4.3 g Ruckstand (schwache Basen).

Die rnit Salzsaure auf pH 2 eingestellte waRrige Phase, die von den schwachen Basen befreit war, wurde zur Abtrennung der vorhandenen quartaren Basen einer Reineckat-Fallung unter- worfen. Die auf diese Weise erhaltenen Reineckate wurden nach Kapfiammer und Bischolf' " auf Hydrochloride aufgearbeitet.

fsolierung i'on Melochinin (3): 4.0 g Rohalkaloide (schwache Basen) wurden in wenig Methanol gelost, an ca. 2 g Kieselgel (Woelm 0.05-0.2 mm) adsorbiert und die Masse getrocknet. 600g Kieselgel wurden, in Chloroform aufgeschlammt, in eine Saule (5 x 100 cm) gebracht und darauf das trockene Kieselgel rnit der adsorbierten Substanz gegeben. Die Entwicklung wurde mit Chlo- roform begonnen und rnit Chloroform fortgefuhrt, dem 0.25, 0.5, 0.75, 1.0, 1.5, 2.0, 2.5, 3.0, 3.5, 4.0,4.5,5.0,6.0,7.0,8.0,9.0, 10.0, 12.0,14.0, 16.0, 18.0,20.0% Methanol zugesetzt wurden, wobei die Polaritat des Losungsmittels in 500-ml-Stufen gesteigert wurde. Kurz vor dem Erscheinen von Farbstoffen am Ende der Saule wurde begonnen, jeweils 100-ml-Fraktionen aufzufangen. Die Mischfraktionen 29 -43 enthielten Melochinin. Die Trennung mittels prap. Schichtchromato- graphie ergab bei viermaliger Entwicklung rnit Essigester/Aceton/Methanol (60:30: 10) Melo- chinin als kristalline Verbindung. Durch Umkristallisieren aus MethanolFther erhielt man 26 mg (0.0017%, bezogen auf das trockene Material) farblose Nadeln mit Schmp. 147'C; [a];' = 11.2 (c = 10 mg/lO ml Ethanol).

CI9H3,N0, Ber. 323.2460 Get 323.2456 (Hochauflosung) Ber. C 70.54 H 10.28 N 4.33 Gef. C 70.67 H 10.13 N 4.21

IR(KBr):3425(OHoderNH),3325(0H),2840(OCH3), 1670(C=O), 1630,16lO(C=CimHete- rocyclus), 1265cm-' ( C - 0 Methoxygruppe). -UV(Methanol): A,,, (Ig E) = 261, 265 nm (4.13); Qjproz. methanolische HCI): h,,, (Ig E) = 261 (3.7), 240 nm(3.75): 25pror. methanolische NaOH): h,,, ( Ig4 = 245nm (3.99). - 'H-NMR (CDCI,): 6 = 1.15 (3H, d, J = 3Hz, CHOH-CH,), 1.29 (16H, m, mittelstandige CH2-Protonen der Seitenkette), 1.60 (2H, m, P-CH,), 2.38 (3H, s, CH, am Pyridinkern), 2.55 (2H, t, J = 3.5, a-CH,), 3.73 (1 H, m, CHOH), 3.78 (3H, s, OCH,), 6.26 (1 H, s, Proton in Stellung 3 des Pyridinkerns). - "C-NMR (CDCI,): 6 = 13.7 (CH, am Pyridinkern), 23.5 (CH,CH,CHOHCH,), 25.7 (CHOH - CH,), 29.1 - 29.5 (6C, CH, mittelstlndig in der Seitenkette), 32.9, 39.4 (CH2 -CHOH), 59.4 (OCH3), 67.8 (CHOH), 114.6 (C-5), 140.8 (C-2).

Trimethylsilylierung uon Melochinin: 0.5 mg Melochinin wurden mit 100 PI N-Methyl-N- (trimethylsi1yl)trifluoracetamid in einem zugeschmolzenen Rohrchen 1 h auf 100°C erhitzt. Nach dem Abkuhlen wurde das Reaktionsgemisch direkt auf die Saule des GC-MS-Kombinations- gerates gespritzt Is).

GC: 1 symmetrischer Peak. - MS (Varian-MAT-CH 7-GC-MS-Kombination, Ionenquellen- temp. 150°C): m/e = 467(4%, M'),452(11), 377(1),362(2), 351 (6), 322(1),308(2),294(2),280(4), 266(4), 252(7), 238(16), 225(100), 210(8), 195(9), 182(5), 153(9), 117(52), 75(30), 73(75).

Acetylierung con Melochinin: 0.5 mg Melochinin wurden rnit 1 ml Pyridin und 1 ml Acetan- hydrid iiber Nacht im Dunkel stehengelassen. Danach verdarnpfte man das Reagenz im N,-Strom und trocknete das Produkt 5 h im Vakuumexsikkator bei 503C'9'.

145.1 (C-3), 150.3 (C-6), 173.7 (C-4).

Page 7: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

382 E. Medina und G. Spiteller Jahrg. 1 12

MS (Varian-MAT-CH 4, Ionenquellentemp. 1 l O T , Probenverdampfungstemp. 110°C): m/e = 407 (6%, M+), 364(8), 348(7), 322(17), 306(13), 278(7), 264(9), 250(10), 236(11), 222(14), 208 (40), 195(100), 180(35), 166(53), 153 (100). 138(42), 110(9), 87(18), 60 (60), 59 (86), 42(83).

(&H3,N05 Bet. 407.2671 Gef. 407.2670 (Hochauflosung)

Methylierung uon Melochinin: 0.5 mg Melochinin in 0.5 ml Methanol wurden bis zur bleibenden Gelbfarbung rnit verdiinnter, frisch hergestellter ether. Diazomethanlosung behandelt. Dann wurde das Losungsmittel bei Raumtemperatur im N,-Strom eingedampft und getrocknet I*).

MS (Varian-MAT-CH 4, Ionenquellentemp. 1 10°C, Probenverdampfungstemp. 120°C): m/e = 337 (17%, M '), 322 (6), 292 (5), 278 (25), 277 (30), 264 (4), 250 (3, 236 (7), 222 (9), 208 (10). 194(16), 181 (42), 180(34), 167(100), 152(40), 137(7).

Oxidation uon Melochinin: Die Losung von 2mg Melochin in 2ml Pyridin wurde mit einer Losung von 10 mg Chrom(V1)-oxid in 1 ml Pyridin bei 0°C versetzt. Die Mischung ruhrte man zuerst 8 h rnit dem Magnetriihrer bei 0°C und anschlieflend 14 h bei Raumtemperatur. Danach wurde das Reaktionsgemisch in ca. 10 ml 2 N Ammoniak gegossen und rnit Chloroform ausge- schuttelt 'O). Die Chloroformausziige wurden getrocknet und eingedampft und der Ruckstand auf einer Kieselgeiplatte (5 x 20 cm, Schichtdicke 0.25 mm, Polygram Sil G/UV,,,, Macherey & Nagel) rnit Chloroform/Methanol(8: 2) chromatographiert. Das Oxidationsprodukt (RF = 0.68) wurde mit absol. Ethanol eluiert und nach Abdampfen des Lijsungsmittels 10 h bei 40°C getrocknet.

MS (Varian-MAT-CH 4, Ionenquellentemp. 1 lO"C, Probenverdampfungstemp. 1 10°C): m/e = 321 (4%, M+), 306(2), 278(7), 264(13), 250(2), 236(3), 222(5), 208(7), 194(9), 180(13), 166(20), 153(100), 138(39), 57(19), 43(25).

Cl,H,1N03 Ber. 321.2303 Gef. 321.2312 (Hochauflosung)

Reaktion von Melochinin rnit Thionylchlorid: 3 mg Melochinin wurden rnit der Sfachen Ge- wichtsmenge Thionylchlorid 3 h bei 120°C erhitzt. Der UberschuB an Thionylchlorid wurde unter vermindertem Druck abgedampft und der Ruckstand 6 h bei 50°C getrocknet.

MS (Varian-MAT-CH 4, Ionenquellentemp. 110 "C, Probenverdampfungstemp. l0O'C): m/e = 359 (3%, M+), 324 (5), 184 (lo), 171 (loo), 156 (14).

Reduktion des Chlorierungsproduktes uon Melochinin. 2 mg des vorstehend erhaltenen Chlorie- rungsproduktes wurden in 3 ml Eisessig bei Normaldruck uber 1 mg PtO, ca. 30 h hydriert. Man filtrierte vom Katalysator ab und dampfte i. Vak. ein. Massenspektrometrisch wurde die vollstandige Reduktion und der Verlust eines Chloratoms festgestellt.

3-Methoxy-2-methyl-4( I H)-pyridon (2) wurde nach Fisher und Hodge hergestellt. Schmp. 155-156°C (Lit.',) 155-1565°C). - 'H-NMR (CD,OD): 6 = 2.32 (s, 3H, 2-CH3), 3.78 (s,

(off-resonance): 6 = 13.7 (s, 2-CH3), 59.8 (s, OCH,), 116.9 (s, C-5), 136.1 (s, C-6), 142.5 (s, C-2), 3H, OCH,), 6.44 (d, J = ~ H z , lH , 5-H), 7.58 (d, J = Hz, 1 H, 6-H). - "C-NMR (CDSOD)

147.6 (s, C-3), 175.4 (s, '2-4).

5-Methoxy-2-methyl-4(1H)-pyridon (5) wurde nach Yabuta 16) hergestellt. Schmp. 104- 105°C (Lit.") 102- 103°C). - 'H-NMR (CD30D): 6 = 2.3 (s, 3H, 2-CH3), 3.83 (s, 3H, OCH,), 6.34 (s. lH , 3-H), 7.62 (s, l H , 6-H). - "C-NMR (CD,OD) (off-resonance): 6 = 18.71 (s, 2-CH3), 56.5 (s, OCH,), 114.6 (s, C-3). 119.6 (s, C-6). 147.1 (s, C-5), 149.5 (s, C-2), 173.3 (s, C-4).

Page 8: Konstitutionsaufklärung des Melochinins, eines Pyridon-Alkaloids neuen Typus aus Melochia pyramidata L. (Sterculiaceae)

1979 Konstitutionsaufklarung des Melochinins 383

Literatur Landwirtschaftsministerium von Nicaragua: Die ,,Rinderlahmung" oder ,,Derrengue" in den Viehbestanden von Nicaragua und die Vergiftung mit ,,Escoba morada", Rundschreiben N. 72, Managua 1970. 3. A. Saenz, Rev. Bid. Trop. 12, 67 (1964).

3, M . Spitellcr-Friedmann und G. Spiteller, Monatsh. Chem. 96, 104 (1965). 4, H. Budzikiewicz, C. Djerassi und D. H. Williams, Mass Spectrometry of Organic Compounds,

5 , U. Vogeli und W von Philipsborn, Org. Magn. Reson. 5, 551 (1973). 6 , A. R. Katritzky und R. A. Jones, J. Chem. Soc. 1960, 2947.

J . A. Joule und G. F. Smitz, Heterocyclic Chemistry, Van Nostand Reinhold, London 1972. ') K. Heyns und G. Vogelsang, Chem. Ber. 87, 13 (1954). 9, S. Tamura, N. Takahashi, S. Miyamoto, R. Mori, S. Suzuki und J . Nagatsu, Agric. Bid. Chem.

Holden-Day Inc., San Francisco 1967.

27, 576 (1963). lo) S. Yoshida, S. Shiraishi, K . Fujita und N . Takahashi, Tetrahedron Lett. 1975, 1863. ' I ) N . Takahashi, A. Suzuki und S. Tamura, Agric. Bid. Chem. 27, 798 (1963).

1 3 ) B. E. Fisher und J . E. Hodge, J . Org. Chem. 29, 776 (1964). 14) P. Clerc und S. Simon, Tabellen zur Strukturaufklarung organischer Verbindungen, Springer

S. F. Mason, J. Chem. Soc. 1959, 1253.

- - Verlag, Heidelberg 1976.

Is) M. G. Brown, J . Chem. Soc. 1956, 2558. 16) T Yabuta, J . Chem. SOC. 1924, 575.

Is) H. Obermann und G. Spiteller, Chem. Ber. 108, 1093 (1975). 19) H. Obermann, G. Spiteller und G. A. Hoyer, Chem. Ber. 106, 3506 (1973). 'O) W A. Ayer und K . Piers, Can. J . Chem. 45,451 (1967). 2 1 ) K . N. Campbell, J . F . Ackerman und B. K . Campbell, J . Org. Chem. 15,221

3. Kapfhammer und C. Bischojr, Hoppe Seyler's Z. Physiol. Chem. 191, 179 1930).

1950).

[139/78]