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1 In: Willems, Klaas / Coene, Anne / Van Pottelberghe, Jeroen (Hgg.) Valenztheorie: Neuere Perspektiven. Sonderheft Studia Germanica Gardensia, 115-141. BEATRICE PRIMUS Kasus und Struktur Universität zu Köln Abstract The present article focusses on the relationship between two dimensions of valency: Case and struc- tural relations. On the basis of grammatical and neurolinguistic evidence from German, the article challenges the assumption that structural Case assignment (or „checking“) is universal in the sense of Chomsky (1981) and subsequent work. Whereas grammatical evidence pertains only to a subset of the verbal lexicon, the neurolinguistic evidence is more general and suggests that German does not have any structural Cases. Furthermore, it is shown that „structural“ and „lexical“ Cases obey the same cross-linguistic constraints and that this distinction is an epiphenomenon of Case markedness asym- metries. In order to capture this insight, an alternative approach to Case is proposed within the frame- work of Optimality Theory which takes Case markedness asymmetries as the basis for several Case markedness constraints which are ranked on an invariant universal hierarchy. Language variation (e. g. English vs. German) is shown to arise by ranking markedness constraints and functional constraints differently in different types of languages. This is in conformity with the major assumption of Opti- mality Theory that language variation arises solely by different rankings of violable universal con- straints. 1. Einleitung In der modernen Valenzforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Valenzbeg- riff mehrere Dimensionen hat (vgl. Helbig 1992; Jacobs 1994, 2003; Àgel 2000). Auf der se- mantischen Ebene gibt es mindestens zwei Parameter: Argumentzahl und semantische Rollen („Theta-Rollen“), die ein Prädikat wählt. Auf der syntaktischen Ebene sind insbesondere Zahl und Form (z. B. Kasus) der syntaktischen Argumente („Ergänzungen“) zu berücksichtigen. Die neuere Syntaxforschung beachtet dabei auch die syntaktische Strukturposition der Argu- mente, die von ihrem Valenzstatus abhängt. Neben semantischen und syntaktischen Aspekten berücksichtigen einige Forscher (z. B. Heringer 1984) auch eine diskurspragmatische Dimen- sion. Die multidimensionale Valenzkonzeption lässt eine prinzipielle Unabhängigkeit der ver- schiedenen Parameter erwarten, schließt jedoch nicht aus, dass eine Valenzdimension von einer anderen ableitbar ist (vgl. Jacobs (1994, 2003) für verschiedene unilaterale Implikatio- nen zwischen Valenzdimensionen). Der folgende Beitrag thematisiert die Ableitungsbeziehung zwischen dem Kasus eines Verbarguments und seiner syntaktischen Strukturposition. Während in der traditionellen und dependenzgrammatischen Valenzforschung diese Frage vernachlässigt wurde, geriet sie ins Zentrum des Interesses der generativen Grammatik. Hier herrscht weitgehend Konsens dar- über, dass bestimmte Kasus von einer spezifischen strukturellen Position universell ableitbar sind. Diese Kasus werden folgerichtig als strukturell klassifiziert. Ihnen stehen die lexikali- schen Kasus gegenüber. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, anhand grammatischer und neurophysiologischer Evidenz aus dem Deutschen zu zeigen, dass die Annahme struktureller Kasus und unverletz-

Kasus und Struktur AC - IDSL 1idsl1.phil-fak.uni-koeln.de/.../Primus_Kasus_und_Struktur_2003.pdf · Kasus und Struktur Universität zu Köln Abstract The present article focusses

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In: Willems, Klaas / Coene, Anne / Van Pottelberghe, Jeroen (Hgg.) Valenztheorie: Neuere Perspektiven. Sonderheft Studia

Germanica Gardensia, 115-141.

BEATRICE PRIMUS

Kasus und Struktur Universität zu Köln

Abstract

The present article focusses on the relationship between two dimensions of valency: Case and struc-tural relations. On the basis of grammatical and neurolinguistic evidence from German, the article challenges the assumption that structural Case assignment (or „checking“) is universal in the sense of Chomsky (1981) and subsequent work. Whereas grammatical evidence pertains only to a subset of the verbal lexicon, the neurolinguistic evidence is more general and suggests that German does not have any structural Cases. Furthermore, it is shown that „structural“ and „lexical“ Cases obey the same cross-linguistic constraints and that this distinction is an epiphenomenon of Case markedness asym-metries. In order to capture this insight, an alternative approach to Case is proposed within the frame-work of Optimality Theory which takes Case markedness asymmetries as the basis for several Case markedness constraints which are ranked on an invariant universal hierarchy. Language variation (e. g. English vs. German) is shown to arise by ranking markedness constraints and functional constraints differently in different types of languages. This is in conformity with the major assumption of Opti-mality Theory that language variation arises solely by different rankings of violable universal con-straints.

1. Einleitung

In der modernen Valenzforschung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass der Valenzbeg-riff mehrere Dimensionen hat (vgl. Helbig 1992; Jacobs 1994, 2003; Àgel 2000). Auf der se-mantischen Ebene gibt es mindestens zwei Parameter: Argumentzahl und semantische Rollen („Theta-Rollen“), die ein Prädikat wählt. Auf der syntaktischen Ebene sind insbesondere Zahl und Form (z. B. Kasus) der syntaktischen Argumente („Ergänzungen“) zu berücksichtigen. Die neuere Syntaxforschung beachtet dabei auch die syntaktische Strukturposition der Argu-mente, die von ihrem Valenzstatus abhängt. Neben semantischen und syntaktischen Aspekten berücksichtigen einige Forscher (z. B. Heringer 1984) auch eine diskurspragmatische Dimen-sion. Die multidimensionale Valenzkonzeption lässt eine prinzipielle Unabhängigkeit der ver-schiedenen Parameter erwarten, schließt jedoch nicht aus, dass eine Valenzdimension von einer anderen ableitbar ist (vgl. Jacobs (1994, 2003) für verschiedene unilaterale Implikatio-nen zwischen Valenzdimensionen).

Der folgende Beitrag thematisiert die Ableitungsbeziehung zwischen dem Kasus eines Verbarguments und seiner syntaktischen Strukturposition. Während in der traditionellen und dependenzgrammatischen Valenzforschung diese Frage vernachlässigt wurde, geriet sie ins Zentrum des Interesses der generativen Grammatik. Hier herrscht weitgehend Konsens dar-über, dass bestimmte Kasus von einer spezifischen strukturellen Position universell ableitbar sind. Diese Kasus werden folgerichtig als strukturell klassifiziert. Ihnen stehen die lexikali-schen Kasus gegenüber. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, anhand grammatischer und neurophysiologischer Evidenz aus dem Deutschen zu zeigen, dass die Annahme struktureller Kasus und unverletz-

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barer struktureller Kasuszuweisungsprinzipien keine universelle Gültigkeit hat. Desweiteren soll demonstriert werden, dass lexikalische und strukturelle Kasus weitgehend denselben Be-schränkungen unterliegen und dass diese Unterscheidung eine Folgeerscheinung der Mar-kiertheitsasymmetrie zwischen Kasus ist. Der Nachweis wird im Rahmen der Optimalitätsthe-orie (OT) geführt, weil dieses Modell eine theoretische Präzisierung der traditionellen Mar-kiertheitstheorie bietet und zwei zentrale Annahmen vertritt, die eine sprachenübergreifend konsistente, einfache und oberflächenorientierte Behandlung von Kasus erlauben: Universelle Beschränkungen sind verletzbar und relativ zueinander geordnet. Genau genommen können Beschränkungen nur dann verletzt werden, wenn sie von einer höheren konkurrierenden Be-schränkung dominiert werden.

Die Vorgehensweise im vorliegenden Beitrag ist folgende. Im zweiten Abschnitt wer-de ich die Unterscheidung zwischen strukturellen und lexikalischen Kasus und die wichtigsten kasustheoretischen Annahmen von Chomsky und anderen Vertretern seines Modells einfüh-ren. Die zentrale empirische Evidenz für diese Annahmen wird im dritten Abschnitt bespro-chen. Der vierte Abschnitt stellt in Frage, dass das Deutsche über strukturelle Kasus verfügt. Der fünfte Abschnitt stellt eine alternative optimalitätstheoretische Lösung kasustheoretischer Probleme vor. Der sechste Abschnitt fasst die Ergebnisse zusammen.

2. Strukturelle vs. lexikalische Kasus in der generativen Grammatik

Mit seiner einflussreichen Monographie Lectures on Government and Binding (1981) hat Chomsky die Unterscheidung zwischen lexikalischen und strukturellen Kasus im Rahmen der generativen Grammatik etabliert. Den Kern seiner Kasustheorie (1981: 170f.) bilden die uni-versellen Kasuszuweisungsprinzipien in (1): (1) (i) NP is nominative if governed by AGR

(ii) NP is objective if governed by V with the subcategorization feature: -NP (i.e., transitive)

(iii) NP is oblique if governed by P (iv) NP is genitive in [NP - X’] (v) NP is inherently Case-marked as determined by properties of its [-N] governor

Zu den [-N]-Kategorien gehören Verben und Adpositionen. Die Kasus, die durch (i)-(iv) zu-gewiesen werden, klassifiziert Chomsky als strukturell (Abk. S-Kasus) und den Kasus in (v) als inhärent bzw. lexikalisch (Abk. L-Kasus). Die Leistung der Kasuszuweisungsprinzipien hängt in entscheidendem Maße vom strukturellen Rektionsbegriff ab. Ich werde zur Illustrati-on eine übliche Variante heranziehen (Chomsky 1981: 164; Aoun / Sportiche 1983: 228): (2) Ein Knoten α regiert einen Knoten β genau dann, wenn

(i) α eine Kopfkategorie ist (X°), (ii) α und β einander nicht dominieren und von denselben maximalen Projektionen dominiert werden (für jede maximale Projektion gilt, sie dominiert α genau dann, wenn sie β dominiert).

Auf der Grundlage dieses Rektionsbegriffs weist ein Kopfelement Kasus innerhalb seiner Phrase („maximalen Projektion“) zu und kann weder in eine höher eingebettete noch in eine tiefer eingebettete maximale Projektion hineinregieren. Vgl. (3):

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(3) [AgrP .... Agr0 ... [VP ... V0 ... ]] Allgemein: [FP .... F

0 ... [VP ... V0 ... ]] Ein Verbargument kann nur innerhalb von AgrP („Agreement Phrase“) den S-Nominativ er-halten, während ein Verbargument in der VP („Verbalphrase“) und nur in ihr den S-Akkusativ erhält, sofern der verbale Kopf im Lexikon als transitiv subkategorisiert ist. Das allgemeine Strukturschema trägt der Tatsache Rechnung, dass Agr0 ein funktionale Kategorie (allgemein F0) mit der maximalen Projektion AgrP (allgemein FP) ist.

Vieles hat sich im Rahmen der generativen Grammatik seit Chomskys Arbeit (1981) geändert. Man arbeitet heutzutage mit mehr funktionalen Köpfen als früher. Im Zuge dieser Entwicklung hat die DP („Determiner Phrase“) die NP („Noun Phrase“) als maximale „nomi-nale“ Projektion abgelöst. Die verbalmorphologischen funktionalen Köpfe wurden immer weiter ausdifferenziert. Pollock (1989) folgend hat man den Knoten Infl0 (inflection) in Agr0 (agreement) und T0 (tense) gespalten. Mit der Einführung von AgrS und AgrO (vgl. Chomsky 1991) hat man auch den Akkusativ an einen spezifischen funktionalen Kopf gebunden. Schließlich haben einige Linguisten (z. B. Dürscheid 1999) für den Dativ AgrO in AgrDO und AgrIO ausdifferenziert. Wichtig ist festzuhalten, dass der nominativzuweisende funktionale Kopf den akkusativ- oder dativzuweisenden Kopf unilateral c-kommandiert.1

Trotz der zahlreichen theoretischen Entwicklungen haben sich die Annahmen über strukturelle Kasuszuweisung in (4) - die schon in den Kasuszuweisungsprinzipien (1) von 1981 angelegt sind -, im Rahmen der generativen Grammatik als konsensfähig etabliert: (4) (i) Strukturelle Ableitbarkeit: Jeder S-Kasus ist von einer bestimmten strukturellen

Position eindeutig ableitbar. (ii) Universalität: Die strukturellen Kasuszuweisungsprinzipien sind Teil der Uni-versalgrammatik und somit angeboren. (iii) Strukturelle Nominativsuperiorität: Die strukturelle Position des S-Nominativs c-kommandiert unilateral die strukturelle Position der anderen Kasus. (iv) Funktionale Regenten: Für strukturelle Kasuszuweisung, insbesondere die des S-Nominativs, sind verbalmorphologische funktionale Köpfe verantwortlich. (v) Kasusdependenz: Die Zuweisung des S-Akkusativs (S-Objektivs) setzt die Zuweisung des S-Nominativs voraus (vgl. u. a. Yip et al. 1987; Haider 1983, 1993, 2000). Die Zuweisung des S-Dativs setzt die Zuweisung des S- Ak-kusativs voraus (vgl. u. a. Wegener 1991).

„Kasusdependenz“ bedeutet, dass die strukturelle Dativzuweisung von der strukturellen Ak-kusativzuweisung abhängt, die ihrerseits strukturelle Nominativzuweisung voraussetzt. Der letzte Fall ergibt sich aus Chomskys Kasuszuweisungprinzipien und dem „Erweiterten Projek-tionsprinzip“ (EPP). Das EPP verlangt, dass jeder Satz über eine sichtbare oder unsichtbare DP in Subjektposition verfügen muss; die Kasuszuweisungprinzipien garantieren, dass diese DP in Sätzen mit flektierten Prädikaten im Nominativ steht. Daraus ergibt sich ein strukturel-les Nominativgebot in Sätzen mit flektiertem Prädikat. Der S-Akkusativ hingegen wird nur dann vergeben, wenn das Prädikat transitiv ist.

1 Ein Knoten α c-kommandiert einen Knoten β genau dann, wenn α und β einander nicht dominieren, und

jeder Knoten, der α dominiert, auch β dominiert. Da nach dieser Definition Schwesterkonstituenten einander c-kommandieren, garantiert nur ein unilaterales c-Kommando die strukturelle Nominativsuperiorität.

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Man kann die Ableitung der S-Kasus in einem seriellen Modell wie folgt auffassen: die betreffende DP erhält aufgrund ihrer Theta-Rolle zuerst ihre strukturelle Position und dann ihren Kasus, und diese Ableitung führt zu einem eindeutigen Ergebnis für S-Kasus:

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(5) Lexikon: Theta-Rolle ↓

Syntax: Strukturposition (ggf. durch Bewegung geändert) ↓ S-Kasus

In minimalistischen Arbeiten wird ein Kasus einer DP nicht mehr zugewiesen, sondern an einer bereits kasusmarkierten DP überprüft (vgl. Chomsky 1995, 1998). In diesem Fall ist die Überprüfung an eine bestimmte strukturelle Position gekoppelt. Wie das Modell in der Praxis funktioniert, kann man an einem Beispiel demonstrieren; Dabei werden die allgemein akzeptierten einfachsten Hypothesen über die syntaktische Pro-jektion lexikalischer Argumentstrukturen angenommen. Ein Agens wird in die höchste struk-turelle Argumentposition, die Subjektposition, projiziert. Diese ist SpecIP in älteren Arbeiten und SpecVP in neueren Arbeiten (vgl. u. a. Sportiche 1988). Ein Patiens wird in den meisten Ansätzen in die strukturelle Komplementposition projiziert (vgl. Radford 1997: 328), obwohl es auch differenziertere Analysen gibt (vgl. Hale / Keyser 1993; Baker 1996). Die lexikalische Argumentstruktur wird hier im Lambda-Prädikatenkalkül (vgl. Projektgruppe Verbvalenz 1981; Bierwisch 1988; Haider 1993) notiert: (6) Lexikalische Argumentstruktur: λyλx[werf(x, y)] (7) Semantische Struktur (Argumenteinsetzung und Lambda-Elimination) werf’(peter’, den-ball’) peter’ λx[werf’(x, den-ball’)] den-ball’ λyλx[werf'(x, y)] (8) Syntaktische Struktur VP DP V’

Peter DP V den Ball warf (9) Anhebung nach SpecFP und Nominativzuweisung FP DP F’

Peteri VP F0 ti den Ball warf [3SgPrät]

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Diese Fallstudie verdeutlicht, dass die lexikalische Argumentstruktur sowohl die semantische Strukturposition als auch die syntaktische Grundposition der Verbargumente eindeutig deter-miniert und zwar so, dass Agens-Argumente Patiens-Argumente unilateral c-kommandieren. Subjekte werden in die Spezifikatorposition eines funktionalen Kopfes angehoben, damit der Nominativ lizenziert werden kann. Objekte können ihren Kasus innerhalb der VP lizenzieren. Es gibt − wie bereits erwähnt − auch komplexere Analysen, aber die hier präsentierte ein-fachste Lösung reicht aus, um die strukturelle Ableitbarkeit der S-Kasus zu veranschaulichen. Aus der Universalitätshypothese folgt, dass bei erfüllten Kasuszuweisungsbedingungen in jeder Sprache strukturelle Kasus vergeben werden. Der evidente Vorteil der S-Kasus ist die Entlastung des Lexikons. S-Kasus brauchen im Lexikoneintrag lexikalischer Köpfe nicht gespeichert werden, sondern sind aus der Struk-turposition der betreffenden DP vorhersagbar.

3. Evidenz für strukturelle Kasus

Das spezifischere Verhalten der S-Kasus, das in diesem Abschnitt vorgestellt wird, erklärt sich aus der Hypothese der strukturellen Ableitbarkeit. Dieses Verhalten liefert neben den Beobachtungen über die Strukturposition kasustragender DPs die zentrale empirische Evidenz für S-Kasus.

Ein S-Kasus kann losgelöst, ein L-Kasus kann hingegen nicht losgelöst von der Theta-Rolle des Arguments zugewiesen werden (vgl. Chomsky 1981: 171; Chomsky / Lasnik 1993: 558, Woolford 2001: 512f.). Die rollensemantische Variabilität der S-Kasus ergibt sich aus der Hypothese der strukturellen Ableitbarkeit unter der Voraussetzung, dass einigen struktu-rellen Kasuspositionen keine bestimmten Theta-Rollen entsprechen. In neueren Arbeiten wer-den S-Kasus durch funktionale Köpfe zugewiesen bzw. überprüft und funktionale Köpfe wei-sen keine Theta-Rollen zu.

Chomsky (1981: 171) illustriert die rollensemantische Variabilität der S-Kasus durch die Beispiele in (10a-b), in denen die unterstrichene DP den S-Objektiv bzw. S-Akkusativ, aber − wie in Klammern angegeben − unterschiedliche Theta-Rollen trägt:

(10) (a) John gave Bill a book. (Rezipient) (b) John gave a book to Bill. (Patiens bzw. Thema)

Auch das nominativische Patiens-Subjekt passivischer Sätze und der akkusativische Agens in einer AcI-Konstruktion demonstrieren die rollensemantische Variabilität der S-Kasus. Vgl. (11):

(11) (a) The booki was given ti to Bill. (b) They saw him give the book to Bill.

Die Hypothese der strukturellen Ableitbarkeit erklärt auch die Tatsache, dass strukturelle Ka-suszuweisung konstruktionsabhängig wechselt, vgl. (10b) mit (11a).

Im Gegensatz zu S-Kasus bleiben L-Kasus, z. B. der L-Dativ im Deutschen, bei Trans-formationen, die die betreffende DP in eine andere Strukturposition bewegen, notwendiger-

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weise erhalten. Dies garantiert das Projektionsprinzip, wonach alle lexikalischen Eigenschaf-ten eines Kopfes auf allen Strukturebenen erhalten bleiben müssen. Vgl. im Deutschen den Kontrast zwischen einem S-Akkusativ in (12a) und einem L-Dativ und L-Genitiv in (12b, c):

(12) (a) Die Eltern küssen den Jungen. *Den Jungen wird geküsst. Der Junge wird geküsst. (b) Man hilft dem Jungen. Dem Jungen wird geholfen. *Der Junge wird geholfen. (c) Man gedenkt der Toten. Der Toten wurde gedacht. *Die Toten wurde gedacht.

Neben dieser sprachenübergreifenden allgemein akzeptierten Evidenz für S-Kasus sei die sprachspezifische Beobachtung von Dürscheid (1999) erwähnt, dass im Deutschen ein Argu-ment mit S-Kasus einem Argument mit L-Kasus in der Grundabfolge vorangeht. Vgl. die Grundabfolge S-Akkusativ vor L-Genitiv in (13):

(13) weil ein Gericht einen Jugendlichen des Mordes bezichtigte.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich die wichtigsten sprachenübergreifenden Eigenschaften von S-Kasus aus ihrer strukturellen Ableitbarkeit ergeben. Bei der Kritik an dieser Kasustheorie beschränke ich mich deshalb auf den Nachweis, dass eine strukturelle Ableitung der Kasus der Verbargumente für Sprachen wie das Deutsche äußerst problematisch ist.

4. Das Deutsche als Problem

Haider (1983, 1993) hat mit Daten aus dem Deutschen die wohl überzeugendste Kritik an der Kasustheorie Chomskys hervorgebracht. Hier beschränke ich mich auf die Wiedergabe seiner Argumente gegen die herkömmliche Auffassung über das Zusammenspiel von Strukturpositi-on und Kasuszuweisung. Die einschlägigen Daten sind so genannte „ergative“ Verben wie in (14a), Passivsätze wie in (14b) und psychische Verben wie in (14c):

(14) (a) weil einem Kind ein Krug zerbrochen ist. (b) weil einem Kind ein Apfel geschenkt wurde. (c) weil einem Kind ein Auto gefällt.

Diese Beispiele zeigen die Normalabfolge, in der das Nominativargument entgegen den Er-wartungen der Kasustheorie die Strukturposition eines direkten Objekts aufweist und von ei-nem nicht-nominativischen Argument c-kommandiert wird.

Weniger beachtet, aber wegen der Kongruenz mit dem VP-internen Prädikativargu-ment genauso problematisch sind die Beispiele in (15a), wie der Vergleich mit den unproble-matischen englischen Beispielen in (15b) zeigt:

(15) (a) Das sind Studenten. Das bin ich. *Das ist ich. (b) *This are students. *It am me. It’s me.

Eine einfache Lösung dieser kasustheoretischen Probleme verbietet sich aufgrund zweier zent-raler Annahmen, die im Deutschen in Konflikt zueinander geraten: die Nominativrektion durch einen funktionalen Kopf außerhalb der VP und die Annahme eines VP-Knotens bzw.

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die Annahme, dass ein Regens nur innerhalb seiner maximalen Projektion regiert. Allgemei-ner formuliert steht die strukturell eindeutige Ableitbarkeit struktureller Kasus in Frage. Of-fensichtlich reicht es im Deutschen im Gegensatz zum Englischen nicht aus, die strukturelle Position der betreffenden DP zu kennen, um ihren Kasus eindeutig zu bestimmen. Die Zahl der Veröffentlichungen, die Lösungen für dieses Dilemma bieten, ist sehr umfangreich (vgl. den Überblick in Harbert / Toribio 1991). Einflussreich sind die Arbeiten von Haider (op. cit.), Grewendorf (1989) und Czepluch (1996). Die angebotenen Lösungen fallen im Detail sehr unterschiedlich aus und können hier nicht im Einzelnen referiert werden. Als Tendenz kann man jedoch festhalten, dass nicht die Hypothese der Nominativrektion durch einen VP-externen funktionalen Kopf aufgegeben wird, sondern der VP-Knoten selbst (so etwa Haider 1983) oder die Undurchlässigkeit der VP für die Nominativrektion (so etwa Grewendorf 1989; Chomsky 1998). Im Minimalistischen Programm bietet sich als alternative Lösung eine nur auf der Ebene der Logischen Form manifeste verdeckte Bewegung an (vgl. Schmidt 1995): Nicht die ganze DP bewegt sich in die Rektionsdomäne des nominativregie-renden funktionalen Kopfes, sondern nur ihr Kasusmerkmal. Ob eine Bewegung sichtbar oder unsichtbar ist, entscheidet im Minimalistischen Programm der starke vs. schwache Merkmals-typ des betroffenen Lexems. Starke Merkmale können nicht vom Lexem abgetrennt werden und lösen Konstituentenbewegung aus, schwache Merkmale können abgetrennt werden und bewegen sich ohne DP. M. a. W. kann sich im Deutschen das schwache Kasusmerkmal ohne DP und somit unsichtbar bewegen, wie z. B. in (14a) - (14c). Das Problem dieser minimalisti-schen Lösung ist, dass es − außer den zu erklärenden Fakten − keine unabhängige Evidenz für die Tatsache gibt, dass die Kasusmerkmale im Englischen stark und im Deutschen schwach sind. Die hier referierte Kritik und die Alternativlösungen betreffen nur einen Teilbereich des verbalen Lexikons des Deutschen, nicht jedoch „unergative“ intransitive Verben wie in (16a) oder kanonische transitive Sätze wie in (16b):

(16) (a) weil ein Kind im Garten schreit. (b) weil ein Detektiv im Garten einen Kommissar beobachtet.

Die Strukturposition der Verbargumente in (16) scheint Chomskys Kasustheorie zu bestäti-gen. Dieser Eindruck trügt, wie neuere neurolinguistische Evidenz zeigt. Die einschlägigen Experimente wurden mit ereigniskorrelierten Hirnpotenzialen (EKP) u. a. von Coulson et al. (1998) für das Englische und von Friederici, Frisch und Schlesewsky für das Deutsche durch-geführt (vgl. Frisch 2000; Frisch / Schlesewsky 2001; Schlesewsky / Friederici / Frisch 2001). Wegen der guten zeitlichen Auflösung handelt es sich um die zurzeit zuverlässigste Methode, elektrische Hirnaktivität auf einen bestimmten sprachlichen Stimulus zurückzuführen. Vier Parameter sind dabei ausschlaggebend: die negative oder positive Polarität, die Latenzzeit in Millisekunden (ms) nach dem Stimulusbeginn, die Amplitude und die Lokalisierung, die al-lerdings an der Hirnoberfläche gemessen wird und somit nur einen indirekten Aufschluss über die neuronale Quelle gibt.

Einschlägige Daten sind u. a. ungrammatische Sätze, die aus einer doppelten Kasus-zuweisung resultieren. Der sprachliche Stimulus wird in den folgenden Beispielen unterstri-chen. (17) zeigt ein englisches Testbeispiel, (18) zwei deutsche:

(17) they took we to the airport

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(18) (a) Welchen Detektiv beobachtet den Kommissar? (b) welchen Detektiv den Kommissar beobachtet

Englische Sätze wie in (17) zeichneten sich im Test durch ein EKP aus (vgl. Coulson et al. 1998), das in der Neurolinguistik als LAN abgekürzt wird (engl. left anterior negativity). Es handelt sich um eine frühe, 300 - 500 ms post Stimulus manifeste Negativität im linken vorde-ren Hirnareal. EKPs vom Typ LAN werden aufgrund anderer Experimente auf syntaktisch-strukturelle Parsingprobleme zurückgeführt, die z. B. bei Sätzen wie der Freund wurde im besucht oder bei Subjekt-Verb-Kongruenzfehlern auftreten (vgl. Friederici 1999: 286f.). Bei den doppelten ungrammatischen Kasus im Englischen wird daher LAN als Indiz dafür gewer-tet, dass Strukturposition und Kasus nicht zueinander passen (vgl. Coulson et al. 1998). Die neurolinguistischen Befunde bestätigen somit die Standardannahmen der generativen Kasus-theorie. Im Gegensatz zu den Befunden des Englischen haben die deutschen Testsätze kein LAN hervorgerufen, sondern ein N400. Bei N400 handelt sich um ein EKP mit negativer Po-larität und einer Latenzzeit von 300 - 600 ms, das sich im hinteren Bereich beider Hirnhälften verteilt. N400 wird aufgrund verschiedener anderer Experimente auf Parsingprobleme in der lexikalisch-semantischen Komponente zurückgeführt, z. B. wenn ein Wort semantisch nicht in den Kontext passt oder semantische Selektionsrestriktionen des Verbs verletzt sind (vgl. Friederici 1999: 285f.). Schlesewsky und Frisch (vgl. Frisch 2000; Frisch / Schlesewsky 2001) schließen aus der Absenz von LAN und der Präsenz von N400, dass die Kasus des Deutschen nicht mit bestimmten Strukturpositionen korrelieren, sondern direkt mit den im Lexikon zu-gewiesenen semantischen Theta-Rollen assoziiert sind. Die referierten neurolinguistischen Befunde zum Deutschen weisen für die erwähnten Autoren außerdem darauf hin, dass der menschliche Parser inkrementell arbeitet. Sprachliche Information wird sofort verarbeitet. Bei Ambiguitäten wird aufgrund allgemeiner sprachlicher Präferenzen sofort eine Option gewählt und ggf. später verworfen, d. h. reanalysiert. Auf Ka-sus angewandt bedeutet dies, dass diese sofort verarbeitet werden und zwar noch vor dem finiten Verb, wie die Experimente mit Verbletztsätzen im Deutschen demonstrieren (vgl. (18b)). N400 zeigte sich unabhängig von der Position des finiten Verbs. Gegen die Relevanz der Unterscheidung von S-Kasus und L-Kasus sprechen für Schlesewsky und Frisch auch die-se Befunde. Denn die Testpersonen reagieren mit N400 auch bei Verbletztsätzen, ohne vorher wissen zu können, ob der Akkusativ von einem Verb wie in welchen Detektiv der Kommissar anödet oder von einem kanonischen transitiven Verb wie beobachten vergeben wird. Für den ersten Verbtyp nimmt man im Rahmen generativer Kasustheorien einen L-Akkusativ, für den zweiten Verbtyp einen S-Akkusativ an. Ich fasse zusammen. Es gibt grammatische Evidenz gegen die strukturelle Ableitbar-keit des Nominativs im Deutschen, die nur einen Teilbereich des verbalen Lexikons betrifft. Die neurolinguistische Gegenevidenz erfasst auch kanonische transitive Sätze und stellt die Annahme struktureller Kasus für das Deutsche generell in Frage.

Neben diesen empirischen Problemen gibt es aber auch einige prinzipielle Erklärungs-lücken für die Kasustheorie Chomskyscher Prägung. Die Tatsache, dass der Nominativ und nicht etwa der Akkusativ vom höchsten funktionalen Kopf zugewiesen wird, sowie die damit korrelierende Nominativsuperiorität, Kasusdependenz und Verbkongruenz werden nicht er-klärt, sondern stipuliert. M. a. W. gibt es kein übergeordnetes Prinzip, das ausschließt, dass der Akkusativ oder ein beliebiger anderer Kasus das Verhalten aufweist, das dem Nominativ zugeschrieben wird. Diesen Einwand könnte man mit rollensemantischen Prinzipien entkräf-

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ten. Die Agensrolle wird, wie bereits in (8) illustriert, in eine strukturell höhere Argumentpo-sition projiziert als die Patiensrolle. Und da ein Agens in der Grunddiathese im Nominativ erscheinen muss, ergibt sich daraus die strukturelle Nominativsuperiorität zumindest partiell. Ein schwerwiegendes Problem dieser rollensemantischen Lösung ist, dass die meisten Erga-tivsprachen den Nominativ dem Patiens zuweisen, ohne diesen als strukturell ranghöchstes Argument zu realisieren. M. a. W. erscheint in der Mehrzahl der Ergativsprachen das nicht-nominativische Agens in der strukturell ranghöchsten Position. Erschwerend kommt hinzu, dass trotz unterschiedlicher Zuordnung zwischen Kasus und Theta-Rolle Ergativsprachen die-selbe Kasusdependenz und dasselbe Kongruenzverhalten zeigen wie Akkusativsprachen (vgl. Primus 1999).

Eine weitere Erklärungslücke betrifft die L-Kasus. Da Chomsky und viele Vertreter der generativen Grammatik die Hypothese vertreten, dass das Lexikon ausschließlich nicht vorhersagbare Information enthält, kann es allgemeine Beschränkungen und universelle Prin-zipien speziell für L-Kasus nicht geben. Trotz der weiter oben besprochenen Unterschiede zwischen den nicht-strukturellen („lexikalischen“) Kasus des Deutschen und den strukturellen Kasus des Englischen gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen ihnen. Die Konsequenz für eine allgemeine Kasustheorie ist, dass strukturelle und nicht-strukturelle („lexikalische“) Ka-suszuweisung möglichst einheitlich zu behandeln sind. Die Theorie muss außerdem flexibel genug sein, auch Unterschiede zwischen „lexikalischer“ und struktureller Kasuszuweisung zu erfassen. Ein Modell, das sich dafür besonders eignet, ist die Optimalitätstheorie. Der nächste Abschnitt wird zeigen, dass die allgemeinen Hypothesen über Kasus mit Ausnahme des Universalitätsanspruchs struktureller Kasuszuweisung (vgl. (4) weiter oben) mit folgenden Zusatzqualifikationen zutreffend sind: Sie sind verletzbar und gelten unabhän-gig von der Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus. Diese Unterscheidung erweist sich als Folgeerscheinung der Tatsache, dass S-Kasus weniger markiert sind als L-Kasus.

5. Kasusselektion in der Optimalitätstheorie

Eine alternative Kasustheorie, die typologischen Daten besser gerecht wird, kann im Rahmen der Optimalitätstheorie formuliert werden. Die Optimalitätstheorie (OT) bietet einen geeigne-ten, von spezifischen empirischen Annahmen unabhängigen Formalismus für die traditionelle-re Markiertheitstheorie. Die Grundannahmen der OT sind folgende: Was grammatisch ist oder nicht, wird aus der Menge aller möglichen Kandidaten durch eine sprachspezifische Ordnung von universellen, verletzbaren Beschränkungen determiniert. Zu den Vorzügen der OT gehört, dass sie mit oberflächenorientierten Repräsentationen auskommt. Die Kasus verbaler Argumente werden durch mehrere konkurrierende Faktoren deter-miniert (vgl. Primus 1999, 2002). Die wichtigsten sind die Rollensemantik der Verben, die Markiertheitsskala der Kasus und Kasusdistinktheit (das Verbot, identische Kasus zu verge-ben). Die strukturelle Position des Arguments ist nur einer von mehreren Faktoren. Auf eine OT-Rekonstruktion rollensemantischer Kasusbeschränkungen und der Kasusdistinktheit muss hier aus Platzgründen verzichtet werden. Im Zentrum der Diskussion stehen Markiertheitsbe-schränkungen, ihre Interaktion mit rollensemantischen Beschränkungen sowie die Erklärung der Erscheinungen, für die in generativen Arbeiten die Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus bemüht wurde. Diese Unterscheidung wird hier konsequenter als in bisherigen OT-Arbeiten über Kasus2 auf die Markiertheitsskala der Kasus zurückgeführt und auf Beschrän-

2 Mit Kasus im Rahmen der OT beschäftigen sich z. B. Legendre et al. 1993; Woolford 1997, 2001, 2002;

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kungen, die direkt auf sie zugreifen.

5.1 Das allgemeine Schema für skalenbasierte Beschränkungen

Markiertheitsbeschränkungen setzen typischerweise eine Markiertheitsskala voraus bzw. kor-relieren mit dieser. Eine natürliche Skala von sprachlichen Subkategorien (allg. x > y) indu-ziert eine invariante Ordnung von Beschränkungen, die sich auf die Elemente dieser Skala beziehen (vgl. Prince / Smolensky 1993: 129f. in einem anderen Zusammenhang mit Bezug auf zwei Skalen): (19) Wenn x > y, dann C(x) >> C(y) bzw. *C(y) >> *C(x) C ist ein beliebiges Gebot, *C die Verbotsvariante von C. C(x) >> C(y) bedeutet, dass die Beschränkung C(x) die Beschränkung C(y) dominiert. Die invariante Ordnung in (19) erklärt das aus der Markiertheitstheorie bekannte verletzbare Universal, dass weniger markierte Ele-mente gegenüber markierteren bevorzugt verwendet werden (vgl. Greenberg 1966). Es ist somit ausgeschlossen, dass eine Sprache das markiertere Element y zulässt und das weniger markierte Element x verbietet. Markiertheitsbeschränkungen wie diese werden dem Prinzip der formalen Ökonomie zugeordnet (vgl. Kager 1999), weil weniger markierte Formen im Allgemeinen auch formal einfacher sind und weniger Verarbeitungsaufwand benötigen als markiertere.

5.2 Markiertheitsskala der Kasus und allgemeine Markiertheitsbeschränkungen der Ka-susselektion

Seit den Arbeiten von Roman Jakobson (1936) ist bekannt, dass auch die Kasus einer Sprache nach dem Grad ihrer Markiertheit angeordnet sind. Formale Komplexität, grammatische Evi-denz sowie Daten aus dem Spracherwerb motivieren die Annahme der Kasusskala in (20): (20) Nominativ / Absolutiv > Akkusativ / Ergativ > Dativ > anderer Kasus

1K 2K 3K 4K Nicht die Kasus selbst, sondern die Tatsache, dass sie geordnet sind, ist ein universelles Ord-nungsprinzip. Da die eingeführten Beschränkungen nur auf den relativen Rang der Kasus Be-zug nehmen, kann man bei ihrer Formulierung das Problem einzelsprachlicher Skalen umge-hen, indem man − wie in (20) − auf den Rang der Kasus mit Hilfe der nummerischen Skala (1 > 2 > 3 usw.) zurückgreift.

Wenn man das allgemeine Schema skalenbasierter Beschränkungen auf die Kasusskala anwendet, ergibt sich folgende invariante Ordnung von Verboten (vgl. Woolford 2001) bzw. Geboten (vgl. Primus 1999; Wunderlich 1999), die angegebenen Kasus zu verwenden: (21) Verbotsvariante: *DAT >> *AKK >> *NOM Allgemein: *nK >> *n-1K

Gebotsvariante: NOM! >> AKK! >> DAT! Allgemein: n-1K! >> nK!

Wunderlich 1999; Burzio 2000; Fanselow 2000; Vogel 2001 und Stiebels 2002. Burzio (2000) verdient besondere Beachtung, weil er die Unterscheidung zwischen lexikalischen und strukturellen Kasus zu eliminieren versucht (vgl. Abschnitt 5.4 dieser Arbeit).

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Beschränkungen werden gemäß der Notationskonventionen der OT abgekürzt und in Kapitäl-chen gesetzt. Das Gebot, den ersten Kasus zu verwenden, NOM! (im Folgenden auch „Nomi-nativgebot“), dominiert in jeder Sprache, das Gebot, den zweiten Kasus zu verwenden, AKK!, usf. für alle distinktiven Kasusunterscheidungen in einer Sprache. Die Rangordnungen in (21) sind logisch äquivalent. Wenn man, wie in diesem Abschnitt, die Nominativselektion im Au-ge hat, verkürzt man die Evaluation, wenn man sie mit der dominantesten einschlägigen Be-schränkung NOM! beginnt. Wenn man die Dativselektion (vgl. Woolford 2001) überprüft, ist es ökonomischer, die Evaluation mit *DAT zu beginnen.

Wenn das Nominativgebot in einer Sprache undominiert bleibt, dann muss jeder Satz ein Nominativsubjekt aufweisen. Der Unterschied zwischen der OT und den generativen Standardansätzen ist, dass die OT-Beschränkung verletzbar ist, und zwar genau dann, wenn sie von einer konkurrierenden Beschränkung dominiert wird. Ein weiterer Unterschied ist, dass NOM! im Hinblick auf Sprachen wie das Deutsche nicht an eine bestimmte strukturelle Position gekoppelt ist.

Eine Beschränkung, die NOM! dominiert, ist im Deutschen und anderen Sprachen EXP/OBL, das rollensemantische Gebot, dem Zustandsträger eines psychischen Verbs (dem Experiencer) einen obliquen, d. h. nicht-nominativischen Kasus zuzuweisen. Wenn EXP/OBL über NOM! steht, werden oblique Experiencer wie im Isländischen und Deutschen zugelassen (Bsp. Isl. henni (Dat.) var kalt; Dt. ihr ist kalt). In diesen Sprachen kommen auch Nominativ-Experiencer vor, wobei dieses Muster statistisch dominiert und somit als Default behandelt werden muss. Die obliquen Experiencer werden durch lexemspezifische Beschränkungen3 lizenziert, womit ihr Sonderstatus in diesen Sprachen erfasst wird. Vgl. Tableau 1: Tab. 1 Input: Experiencer

LEX-EXP/DAT (kalt / ü-bel / schwindlig sein, ...)

NOM!

�mir ist kalt * ich bin kalt *! Das Tableau-Verfahren dient in der OT der Datenüberprüfung und soll nun kurz erläutert werden. Beschränkungen werden gemäß ihrer relativen Ordnung von links nach rechts in Spalten angeordnet und überprüft. Der Input ist die Vorgabe für den Generator, der alle im Wettbewerb befindlichen Kandidaten erzeugt. Der Input erscheint in der ersten Zeile der ers-ten Spalte. Als Vorgabe dient hier die Rollensemantik des Verbs. In Tab. 1 wird sie auf die Angabe des Experiencers reduziert. Dieser Rolle weist der Generator als Output alle mögli-chen Kasus zu, so dass alle möglichen Experiencer-Kasus-Zuordnungen im Evaluationsver-fahren, der OT-spezifischen Grammatikkomponente, bewertet werden. Die Kandidaten er-scheinen in der ersten Spalte unter dem Input. Zur Illustration kann man sich auf zwei Output-Kandidaten, Dativ und Nominativ, beschränken. Wenn ein Kandidat A eine Beschränkung verletzt, und es mindestens einen weiteren Kandidaten B gibt, der diese Beschränkung nicht oder weniger oft verletzt, so wird A aus dem Wettbewerb sofort eliminiert (Abk. *! für eine fatale Verletzung). Wenn ein Gewinner feststeht, sind untergeordnete Beschränkungen irrele-vant (s. Schattierung).

Derjenige Kandidat gewinnt (Abk. �), der relativ zu den anderen Kandidaten die we-nigsten Verletzungen der dominantesten einschlägigen Beschränkung aufweist. In Tab. 1 ge-

3 Vgl. Hammond (1995), der solche Beschränkungen für nicht vorhersagbare Akzentzuweisung einführt.

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winnt aufgrund der angegebenen Beschränkungsordnung und Vorgabe mir ist kalt (Beachte: ich bin kalt ist im Deutschen nur bei einer anderen Rollenvorgabe ohne Experiencer gramma-tisch). Die Ordnung in Tab. 1 duldet eine Verletzung des Nominativgebots nur bei den Ver-ben, die in der lexikalischen Beschränkung aufgelistet sind, z. B. mir ist kalt; mir ist übel. Für alle anderen Verben (z. B. arbeiten, tanzen, Angst haben) greift NOM! zuerst und verbietet einen obliquen Kasus.

Kasus, die durch eine lexemspezifische Beschränkung lizenziert und somit als nicht vorhersagbar ausgewiesen werden, sind nicht gleichzusetzen mit den lexikalischen Kasus in generativen Standardansätzen, und Kasus, die aufgrund allgemeiner Beschränkungen vorher-sagbar sind, kann man nicht mit strukturellen Kasus gleichsetzen. Im vorliegenden OT-Ansatz sind Vorhersagbarkeit und strukturelle Ableitbarkeit unabhängig voneinander. Vorhersagbare sowie nicht vorhersagbare Kasus unterliegen im vorliegenden Ansatz denselben strukturellen Beschränkungen (cf. Abschnitt 5.5 weiter unten).

Im Englischen und Französischen dominiert das Nominativgebot konkurrierende rol-lensemantische Kasusbeschränkungen. Vgl. Tab. 2: Tab. 2 Input: Experiencer

NOM! EXP/OBL

Me feels cold *! �I feel cold * Der Unterschied zwischen den beiden Sprachtypen ist wie von der OT vorhergesagt. Für beide Sprachtypen gilt ein universelles Nominativgebot. Im Deutschen und Isländischen wird dieses von (mindestens) einer rollensemantischen Beschränkung dominiert. Ein Vorteil der OT-Behandlung ist, dass für nominativlose Konstruktionen kein unsichtbares Nominativsubjekt angenommen werden muss. Die Repräsentationen sind oberflächentreu. Im Englischen und Französischen hat das Nominativgebot keinen höherrangigen rollensemantischen Konkurren-ten. Undominierte Beschränkungen wirken strikt. Nicht die Beschränkung selbst ist sprach-spezifisch, sondern ihre Platzierung in der Beschränkungsordnung. Vgl. (22), wo anstelle der spezifischen Beschränkung LEX-EXP/DAT die allgemeinere Beschränkung Θ/OBL gewählt wird, um anzudeuten, dass nicht nur Experiencer, sondern auch andere Rollen (Θ) einen obli-quen Kasus favorisieren: (22) Deutsch, Isländisch: Θ/OBL >> NOM!

Englisch, Französisch: NOM! >> Θ/OBL Der Wettbewerb zwischen rollensemantischen und markiertheitsbasierten Kasusbeschränkun-gen erklärt auch die Beobachtung, dass S-Kasus rollensemantisch variabler sind als L-Kasus. S-Kasus sind relativ zu L-Kasus weniger markiert, so dass ihre Selektion schon aufgrund von dominanten Markiertheitsbeschränkungen erfolgen kann, während die Selektion eines mar-kierten Kasus, z. B. des Dativs, einem schwächeren Markiertheitsgebot (bzw. einem stärkeren Markiertheitsverbot) unterliegt und nur durch rollensemantische Beschränkungen legitimiert ist.

Auch die weiter oben erwähnte Kasusdependenz ist aus der Markiertheitsskala der Ka-sus in (19) ableitbar. Vgl. (23): (23) nK⇒n-1K Bsp. DAT⇒AKK, AKK⇒NOM

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Eine solche Beschränkung schließt aus, dass ein markierterer Kasus ohne einen weniger mar-kierten Kasus gewählt wird. Die Dependenzbeschränkung DAT⇒NOM ergibt sich aufgrund der Transitivität der logischen Implikation aus AKK⇒NOM und DAT⇒AKK.

Ich beschränke mich bei der Illustration der Kasusdependenz auf die für generative Stan-dardansätze problematische Dependenz des Dativs vom Akkusativ und Nominativ. Die all-gemeinen Markiertheitsbeschränkungen verbieten den Dativ generell. Dependenzbeschrän-kungen verbieten den Dativ nur, wenn er ohne Akkusativ und Nominativ vorkommt. Bei ein-stelligen Verben verstößt ein Dativ somit nicht nur gegen die Dependenzbeschränkung DAT⇒NOM, sondern auch gegen die generellen Gebote NOM! >> AKK! >> DAT! und hat − wie Tab. 1 zeigt − einen lexikalischen Ausnahmestatus. Auch bei zweistelligen Verben ver-letzt ein Dativ ohne Akkusativ beide Beschränkungstypen und ist somit ein Sonderfall (vgl. Details im Abschnitt 5.4 weiter unten). Im Gegensatz dazu ist der Dativ bei dreistelligen Ver-ben mit Akkusativ und Nominativ kein Sonderfall. Um dies zu erfassen, braucht man die De-pendenzbeschränkungen DAT⇒AKK und AKK⇒NOM, die den Dativ genau für mehrstellige Verben mit Akkusativ und Nominativ zulassen.

Während solche Kasusdependenzen aus der Markiertheitsskala der Kasus und darauf beruhenden Beschränkungen ableitbar sind, muss Wegener (1991) im Rahmen der Standard-theorie die Hypothese aufstellen, dass der Dativ, den sie bei dreistelligen Verben als struktu-rell analysiert, nicht − wie per Rektionsdefinition gefordert − von einer Kopfkategorie X0 zu-gewiesen wird (vgl. (2)), sondern von Verb + Akkusativkomplement, also von der mittleren Projektion V’, sofern diese einen transitiven Kopf enthält.4 Als Zwischenfazit kann man festhalten, dass wichtige Annahmen der generativen Grammatik − das Nominativgebot, Kasusdependenzen und die geringere rollensemantische Variabilität der L-Kasus − auf die Markiertheitsskala der Kasus und auf verletzbare skalenbe-zogene Beschränkungen der Kasusselektion zurückgeführt werden können. Die Unterschei-dung zwischen L- und S-Kasus ist zu grobmaschig und in ihrer strukturellen Fundierung fehl-geleitet. So gibt es systematische sprachenübergreifende Unterschiede in der Selektion des Nominativs und Akkusativs, die nicht strukturell erklärt werden können. Der Akkusativ setzt im optimalen Fall einen Nominativ voraus unabhängig davon, ob es sich um einen „strukturel-len“ Akkusativ wie bei kanonisch transitiven Sätzen oder um einen „lexikalischen“ Akkusativ wie beim Experiencer eines psychischen Verbs handelt. Dass auch ein „lexikalischer“ Akku-sativ im optimalen Fall ein Nominativargument voraussetzt, zeigt sich u. a. in der Geschichte des Deutschen. Nominativlose Experiencer-Konstruktionen wie mich dürstet > ich dürste und mich friert > ich friere, es friert mich wurden fast vollständig abgebaut, während Akkusativ-Experiencer mit Nominativ-Thema weiterhin sehr produktiv sind, vgl. mich kratzt das nicht (in der psychischen Lesart), mich nervt das u. a.

Während andere Ansätze die Präferenz für die Nominativselektion mit der Markiert-heitsskala der Kasus in Verbindung bringen (vgl. sprachenübergreifend Tsunoda 1981), zögert man in der OT, die weitgehend der Kasustheorie von Chomsky verpflichtet ist, dies zu tun (vgl. Fußnote 2 und Abschnitt 6 dieser Arbeit). Auch was die Vorhersagbarkeit der Kasus und die Entlastung des Lexikons betrifft, so zeigt sich, dass in den Standardansätzen Vorhersagbarkeit und strukturelle Ableitbarkeit zu voreilig gleichgesetzt wurden. Einige der hier diskutierten OT-Beschränkungen garantieren 4 Dass Kasusdependenzen nicht auf strukturellen Verhältnissen beruhen, sondern auf einem allgemeineren

Ökonomieprinzip, wird auch außerhalb der OT u. a. von Haider (2000) erkannt: Auch bei zwei strukturellen Kasus ist es ökonomischer, den Nominativ vor dem Akkusativ zu verwenden.

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eine Vorhersagbarkeit von Kasus ohne Rekurs auf satzstrukturelle Gegebenheiten.

5.3 Kasusbezogene Verbkongruenz

Die für die generative Grammatik zentrale Kopplung des Nominativs an die verbale Kon-gruenzflexion kann ebenfalls aus der Markiertheitsskala der Kasus und dem skalenbasierten Beschränkungsschema (19) abgeleitet werden. Vgl. (24): (24) AGR-1K >> AGR-2K >> AGR-3K (24) stuft Verbkongruenz mit einem weniger markierten Kasus höher ein als Verbkongruenz mit einem markierteren Kasus. Es verbietet eine Sprache, in der das finite Verb ausschließlich mit dem Akkusativ- oder Ergativargument kongruiert unter Ausschluss der Verbargumente im Nominativ bzw. Absolutiv. Für dieses in der Sprachtypologie schon vielfach formulierte im-plikationale Universal hat man bisher noch keine Gegenbeispiele gefunden (vgl. Moravcsik 1988; Primus 1999: Kap. 6). Für Akkusativsprachen im Allgemeinen und das Deutsche im Besonderen ergibt sich als Spezialfall von (24) AGR-NOM >> AGR-AKK >> AGR-DAT usf. 5

In den Standardansätzen der generativen Grammatik ist die Kopplung des Nominativs an den Kongruenzknoten ein unverletzbares universelles Prinzip. Als verletzbar erweist es sich jedoch im Isländischen, wo Nominativargumente in infiniten Konstruktionen vorkommen (vgl. Jónsson 1994). Im Dyirbal (Australisch) und Lesgisch (Kaukasisch) gibt es trotz Nomi-nativzuweisung generell keine Verbkongruenz.

Um eine Verbkongruenz mit mehreren Argumenten zu erfassen, werden in generativen Standardansätzen weitere ggf. an der Oberfläche unsichtbare Agr-Knoten (AgrDO, AgrIO) in die UG (Universalgrammatik) eingeführt. Im Rahmen solcher Ansätze gibt es zwischen dem Deutschen, in dem das finite Prädikat nur mit dem Nominativargument kongruiert, dem Unga-rischen, das Kongruenz mit dem Nominativ- und Akkusativargument aufweist, und dem Bas-kischen, in dem das finite Prädikat mit dem Nominativ-, Ergativ- und Dativargument kon-gruiert, keinen grundlegenden Unterschied. Die Beobachtung, dass Sprachen mit sichtbarer Objekt-Kongruenz eine Untermenge der Sprachen mit sichtbarer Subjekt-Kongruenz bilden, kann nur unter Zusatzannahmen erfasst werden.

5.4 Kasusalternation im Passiv

Die Kasusalternation im Passiv ist in generativen Standardansätzen ein wichtiges Argument für die Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus. L-Kasus bleiben im Gegensatz zu struktu-rellen Kasus bei Transformationen, die die betreffende DP in eine andere Strukturposition bewegen, notwendigerweise erhalten. Vgl. (12) weiter oben, hier wiederholt als (25):

(25) (a) Die Eltern küssen den Jungen. *Den Jungen wurde geküsst. Der Junge wird geküsst. (b) Man hilft dem Jungen. Dem Jungen wird geholfen. *Der Junge wird geholfen. (c) Man gedenkt der Toten. Der Toten wurde gedacht. *Die Toten wurde gedacht.

5 Vgl. Wunderlich (1999) im Rahmen der OT in der Verbotsvariante *AGRNONOM >> *AGRNOM (die

Kongruenz mit einem Nicht-Nominativ ist ein stärkeres Verbot als die Kongruenz mit einem Nominativ).

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Charakteristisch für das Passiv ist die als Burzios Generalisierung (1986) bekannte Tatsache, dass das Agens der transitiven Valenzvariante nicht mehr als syntaktisches Argument im No-minativ erscheint („Agensblockade“) und dass die Passivmorphologie den Akkusativ blockiert („Akkusativblockade“). Wichtig für die folgende Analyse ist nur, dass aus der Valenzvariante im Aktiv, z. B. λyλx[küss(x, y)], eine um die Agensstelle x reduzierte Valenzvariante entsteht, z. B. λy[küss(x, y)]. Das verbleibende Patiensargument erscheint im Nominativ, wobei im Deutschen − im Gegensatz zum Englischen − eine Bewegung in die strukturelle Subjektposi-tion unterbleibt (vgl. die Diskussion für (14b) weiter oben).

Erklärungsbedürftig ist die Alternation des Akkusativs mit dem Nominativ und die Konstanz des Dativs beim kanonischen Passiv mit werden oder sein im Deutschen und ande-ren Sprachen. Die Dativalternation bei bekommen (Der Junge bekam ein Buch geschenkt; Der Junge bekam geholfen) ist als Evidenz für die diskutierte Kasusunterscheidung umstritten (vgl. z. B. Haider 1983 vs. Wegener 1991). Wenn man − wie Wegener − beide Konstruktio-nen als Evidenz für Kasusalternation zulässt, so verschiebt sich das Problem um eine Kasus-position nach rechts auf der Markiertheitsskala der Kasus: nicht alternierender Genitiv vs. alternierender Akkusativ und Dativ. Die zu erklärende allgemeinere Beobachtung ist, dass sich ein markierter Kasus für die Alternation weniger gut eignet als ein unmarkierter. Ich wer-de mich im Folgenden auf den Unterschied zwischen Akkusativ und Dativ und das kanoni-sche werden-Passiv konzentrieren.

Für den Alternationsunterschied zwischen Akkusativ und Dativ gibt es in der OT meh-rere miteinander verwandte Lösungswege: die Akkusativblockade wie bei Woolford (1997), eine Konsistenzbeschränkung wie bei Burzio (2000) oder eine Sichtbarkeitsbeschränkung wie bei Wunderlich (1999). Woolford (1997) geht von der Beobachtung aus, dass der Akkusativ im Passiv blockiert ist, eine Beschränkung, die hier als *A KK-PASS übersetzt wird.6 Wool-ford selbst hat diese Analyse aufgegeben mit dem Argument, dass es für die Akkusativblo-ckade im Passiv kein übergeordnetes konstruktionsunabhängiges Prinzip gäbe (vgl. Woolford 2002).

Burzio (2000) hat für die Kasusalternation im Passiv und für die Unterscheidung zwi-schen L- und S-Kasus eine überzeugendere Lösung. Er geht von einer festen Ordnung von Beschränkungen aus, die eine Konsistenz zwischen dem Nominativ und der zugeordneten grammatischen Relation (GR) Subjekt, direktes Objekt und indirektes Objekt fordern: NOM⇒SUBJ >> NOM⇒DIR-O >> NOM⇒INDIR-O. Die Beschränkungen sind wie folgt zu le-sen: Wenn eine grammatische Relation im Nominativ erscheint, dann ist sie Subjekt, direktes Objekt bzw. indirektes Objekt. Die „Kasus-GR-Konsistenz“ wird global, d. h. aufgrund eines Vergleichs aller Sätze und aller verbaler Lexikoneinträge des Sprachsystems ermittelt. Mit Bezug auf NOM⇒DIR-O >> NOM⇒INDIR-O lautet Burzios Erklärung für die feste Beschrän-kungsordnung wie folgt (2000: 221): „The number of such entailments [Nom ⇒ indirect ob-ject] will be smaller, however, hence translating into a lower-ranked constraint, or weaker attractor. The reason is that, across a typical lexicon, the number of indirect objects is gener-ally much smaller than the number of direct ones, as many of the verbs that take indirect ob-jects also take direct ones.“

Wunderlich (1999: 82) erklärt das Alternationsproblem mit einer Sichtbarkeitsbedin-gung, wonach nur L-Kasus bei allen Ableitungen erhalten bleiben müssen. Es geht nicht um die Sichtbarkeit der Kasussuffixe, sondern um die der Kasusfunktion. 6 Die Akkusativblockade im Passiv ist verletzbar, vgl. Sobin (1985) zum Ukrainischen und Goodall

(1993) mit Daten aus weiteren Sprachen. Das bedeutet, dass das Patiens oder Thema eines passivischen Verbs den Akkusativ behalten kann.

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Die hier präsentierte Lösung des Alternationsproblems geht von einem allgemeinen Prinzip der Lexikonökonomie aus (vgl. Primus 2002). Dieses Prinzip erklärt u. a., dass Ver-ben im Normalfall für mehrere semantische Valenzvarianten nur einen Kasusrahmen wählen (vgl. Er gibt der Frau eine Blume; Er gibt der Tür einen Tritt). Das bedeutet, dass auch die Aktivvariante und die um die Agensstelle reduzierte Passivvariante soweit wie möglich das-selbe Kasusmuster aufweisen. Da ich die Kasus der Passivkonstruktion nicht seriell-derivationell aus einer Struktur ohne Kasus ableiten möchte, werde ich die Alternationsbe-schränkungen als paradigmatische, Valenzvarianten vergleichende Korrespondenzbeschrän-kungen auffassen. In der OT gibt es einflussreiche Arbeiten (vgl. Kager 1999, Kap. 6), die paradigmatische Einheitlichkeit als Korrespondenzbeschränkung über Outputformen (OO-IDENT) auffassen. In der hier zur Diskussion stehenden spezifischen Anwendung erhält man (26): (26) OO-IDENT(KASUS): Kasus bleiben bei Valenzvarianten eines Verblexems (z. B. Va-

lenzreduktion, Valenzerhöhung) konstant. Markiertheitsbeschränkungen der Kasusselektion erzwingen für das Passiv OO-IDENT(GEN) >> OO-IDENT(DAT) >> OO-IDENT(AKK) >> OO-IDENT(NOM)

Die Erklärung für die in (26) angegebene invariante Beschränkungsordnung lehnt sich an die oben besprochene Erklärung von Burzio (2000) an. Auch wenn er den Markiertheitbegriff nicht ausdrücklich bemüht, fußt seine Erklärung auf der Markiertheitsskala Subjekt > direktes Objekt > indirektes Objekt7 und darauf basierenden Selektionspräferenzen. Die grammati-schen Relationen und den Funktionswechsel im Passiv fasst Burzio strukturell auf, was − wie bereits erwähnt − für das Englische, nicht jedoch für das Deutsche angebracht ist. Für das Deutsche muss man für das Passiv die syntaktischen Funktionen als Kasusfunktionen auffas-sen und die Markiertheitsskala der Kasus Nom >> Akk >> Dat heranziehen. Burzios Erklä-rung für die Tatsache, dass eine Dativ-Nominativ-Korrespondenz gegegenüber einer Akkusa-tiv-Nominativ-Korrespondenz dispräferiert ist, kann übernommen werden. Einschlägig ist die bereits besprochene Beobachtung, dass der Akkusativ viel häufiger gewählt wird als der Dativ und dass die Selektion des Dativs die Wahl des Akkusativs einseitig impliziert.8 So wählen unter den zweistelligen Verben des Deutschen ca. 4600 Verben den Akkusativ (92,6%), nur ca. 350 den Dativ (7%) und lediglich ca. 15 den Genitiv (0,3%). Bei Verben mit drei Kasusar-gumenten kommt der Dativ nicht ohne Akkusativ vor (einzige Ausnahme: dessen bin ich mir bewusst). Daraus ergibt sich für das Passiv Folgendes. Wenn das Deutsche die Dativ-Nominativ- oder Genitiv-Nominativ-Alternation zuließe und die Akkusativ-Nominativ-Alternation verbieten würde, würden im Passiv viel mehr Verben das Nominativgebot verlet-zen als de facto.

In der OT kann man diese Beobachtungen wie folgt erfassen. Das Nominativgebot NOM! konkurriert im Passiv mit den Korrespondenzbeschränkungen OO-IDENT(GEN), OO-IDENT(DAT) und OO-IDENT(AKK). Bei der Ordnung OO-IDENT(AKK) >> NOM! >> OO-IDENT(DAT) würden viel mehr Verben NOM! verletzen als bei der Ordnung OO-IDENT(DAT) >> NOM! >> OO-IDENT(AKK). Sprachen werden sich somit nicht durch eine Variation der Ordnung von Korrespondenzbeschränkungen unterscheiden, sondern dadurch, wo das Nomi-nativgebot NOM! in der Hierarchie OO-IDENT(GEN) >> OO-IDENT(DAT) >> OO-IDENT(AKK) 7 Die GR-Skala wurde durch die sprachtypologische Arbeit von Keenan / Comrie (1977) bekannt. In der

OT findet man sie außer bei Burzio u. a. auch bei Aissen (1999). 8 Als Basis der folgenden Zahlenangaben dient Mater (1971).

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platziert ist. Für das werden-Passiv im Deutschen gilt OO-IDENT(GEN) >> OO-IDENT(DAT) >> NOM! >> OO-IDENT(AKK). Vgl. Tab. 3 und 4: Tab. 3 Referenz-Output: die El-tern den Jungen küssen

OO-IDENT

(DAT) NOM! OO-IDENT

(AKK)

� der Junge geküsst wird - * den Jungen geküsst wird - *! dem Jungen geküsst wird - *! * Die Kandidaten erscheinen in der Grundwortstellung. Das Verb küssen wählt in der unmar-kierten Valenzvariante, die als Referenz-Output gilt, keinen Dativ, so dass OO-IDENT(DAT) leer läuft (vgl. den waagerechten Strich). Das Korrespondenzgebot für den Akkusativ wird durch das höhere Nominativgebot außer Kraft gesetzt. Das Verb helfen wählt in der grundlegenden Valenzvariante einen Dativ, so dass OO-IDENT(DAT) aktiv wird. Vgl. Tab. 4: Tab. 4 Referenz-Output: die Eltern dem Jungen helfen

OO-IDENT

(DAT) NOM! OO-IDENT

(AKK)

der Junge geholfen wird *! - den Jungen geholfen wird *! * - �dem Jungen geholfen wird * - Als Fazit kann man festhalten, dass auch das Alternationsproblem, das in den Standardansät-zen als zentrale Rechtfertigung für die Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus dient, auf der Grundlage der Markiertheitsskala der Kasus und darauf beruhenden Beschränkungsord-nungen erklärt werden kann. Die Diskussion in den letzten Abschnitten könnte den Verdacht nahelegen, dass struk-turelle Beschränkungen im vorliegenden Ansatz keine Rolle spielen. Der nächste Abschnitt, der sich ihnen widmet, soll diesen Verdacht entkräften.

5.5 Kasus und Struktur

Was die Beziehung zwischen strukturellen Relationen und Kasus betrifft, so sind die Stan-dardannahmen der generativen Grammatik, wie bereits im Abschnitt 2 weiter oben bespro-chen, folgende. Kasus werden nur in der maximalen Projektion ihres Regens zugewiesen bzw. überprüft (vgl. (1) und den strukturellen Rektionsbegriff in (2)). Bestimmte strukturelle Re-genspositionen determinieren bestimmte Kasus (strukturelle Ableitung). Von Interesse für die laufende Diskussion ist, dass in der Spezifikatorposition des Agr-Knotens (SpecArg) und nur hier der Nominativ lizenziert wird (wobei in anderen Ansätzen speziell dafür AgrS eingeführt wird). Die Nominativposition c-kommandiert unilateral die strukturelle Position anderer Ka-sus („strukturelle Nominativsuperiorität“). Jeder Satz hat ein strukturelles Subjekt („Erweiter-tes Projektionsprinzip“, EPP). M. a. W. muss SpecAgr gefüllt werden. Aus der Kopplung des Nominativs an SpecAgr und aus dem EPP ergibt sich ein strukturelles Nominativgebot.

Die Hypothese der vorliegenden Arbeit ist, dass es sich um verletzbare strukturelle Be-schränkungen handelt, die unabhängig von der Einteilung in S- und L-Kasus gelten. Wie die

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strukturelle Ableitbarkeit des Nominativs in der OT modelliert werden kann, soll hier exem-plarisch an Nominativ und SpecAgr demonstriert werden. In Modellen mit mehreren Agr-Knoten ist AgrS gemeint. Die einschlägige Beschränkung ist NOM-SPECAGR, das Gebot, Spe-cAgr mit einem Nominativ zu füllen. Dieses strukturelle Nominativgebot konkurriert im Pas-siv mit der rollensemantischen Beschränkung PAT-VP, eine bestimmte, aber hier nicht näher bestimmte VP-interne Position für das Patiens im weitesten Sinne zu reservieren (vgl. auch (8) weiter oben). Passivkonstruktionen lassen − wie bereits im Abschnitt 4 besprochen − den Unterschied zwischen Deutsch und Englisch besonders deutlich erkennen. Vgl. (27):

(27) (a) [AgrP the booki was [VP given ti to Bill]] (b) weil [AgrP [VP dem Willi das Buch gegeben] wurde]

Die Beschränkungsordnung für das Englische, die (27a) als Gewinner determiniert, zeigt Tab. 5: Tab. 5 NOM-SPECAGR PAT-VP �[AgrP the book was [VP given ti to Bill]] * [AgrP was [VP given the book to Bill]] *! Der nicht-optimale Kandidat gewinnt auch dann nicht, wenn die präverbale Position gefüllt ist (z. B. *there / today was given the book to Bill). Für das Englische ist es plausibel, Chomsky in der Annahme zu folgen, dass die grundlegende Beschränkung die Füllung der strukturellen Subjektposition gebietet, diese strukturelle Position an die Verbflexion koppelt und ihre Fül-lung mit einem Nominativ erzwingt. Dies kann man in der OT durch die undominierte und somit strikt wirkende Beschränkung NOM-SPECAGR erzielen. Das nicht-strukturelle, allge-meinere Nominativgebot NOM! kann man dann eliminieren oder als niedrigere Beschränkung einführen (vgl. Müller (2000) für Defaultnominative).

Die Beschränkungsordnung für das Deutsche, die (27b) als Gewinner ausweist, zeigt Tab. 6: Tab. 6 PAT-VP NOM-SPECAGR weil [AgrP das Buch [VP dem Willi ti gegeben] wurde] *! � weil [AgrP [VP dem Willi das Buch gegeben] wurde] * Ob man eine Bewegung, wie in Tab. 5 und 6 angedeutet, ansetzt oder nicht, ist für die laufen-de Argumentation irrelevant. Überprüft wird die Position der DP und nicht die Position der Spur. Wichtig ist die in der OT formulierbare Erkenntnis, dass das strukturelle Nominativ-gebot in beiden Sprachen gleichermaßen greift, aber unterschiedlich geordnet ist. Im Engli-schen ist es undominiert und wirkt somit strikt. Derselbe Effekt entsteht im Deutschen, wenn PAT-VP, die NOM-SPECAGR dominierende Beschränkung, von allen Kandidaten gleicherma-ßen erfüllt wird. Dies ist in den folgenden Aktivsätzen der Fall (z. B. weil der Hans dem Willi das Buch gab). Vgl. Tab. 7: Tab. 7 PAT-VP NOM-SPECAGR �weil der Hans dem Willi das Buch gab

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weil dem Willi der Hans das Buch gab *! Der nicht-optimale Kandidat ist im Deutschen grammatisch, aber nur wenn er durch eine kon-kurrierende, hier nicht zur Diskussion stehende pragmatische Beschränkung lizenziert wird.

Fazit ist, dass im Deutschen das allgemeine Nominativgebot NOM! und das strukturelle Gebot NOM-SPECAGR voneinander getrennt werden müssen, wie u. a. Passivsätze demonstrie-ren. Beide Gebote sind im Deutschen unabhängig voneinander wirksam, was man schon daran erkennt, dass sie unter anderen Bedingungen verletzt werden. Verletzungen von NOM! sind durch höhere lexemspezifische rollensemantische Beschränkungen (vgl. Tab. 1) oder eine höhere Korrespondenzbeschränkung für den Dativ (vgl. Tab. 4) legitimiert. Die strukturelle Nominativbeschränkung NOM-SPECAGR wird aufgrund höherer struktureller Beschränkungen verletzt, wobei hier nur PAT-VP erwähnt wurde.9 Die Kopplung der strukturellen Subjektposition an den Nominativ (und nicht an einen anderen Kasus) ist aus der Markiertheitsskala der Kasus ableitbar. In der Begrifflichkeit der OT handelt es sich um eine harmonische Ausrichtung zweier Skalen: der Kasusskala und der strukturellen, über c-Kommando definierten Satzhierarchie. Daraus ergibt sich das folgende universelle strukturelle Beschränkungsschema für kasustragende Argumente (vgl. Primus 1996, 1999: 155f. als allgemeine, u. a. auf Kasusdependenz beruhende Dependenzbeschrän-kung): (28) Ein Argument mit mK c-kommandiert ein Argument mit nK (wobei mK > nK auf der

Kasusskala). Dieses Beschränkungsschema erklärt die Tatsache, dass der Nominativ und nicht ein anderer Kasus für die strukturelle Subjektposition in Frage kommt. Wie diese strukturelle Subjektpo-sition zu definieren ist, lässt das Beschränkungsschema bewusst offen. In Anlehnung an Spor-tiche (1988) wird in neueren Arbeiten das Subjekt zuerst in der Spezifikatorposition der VP generiert und erst dann nach SpecAgr angehoben. Das heißt, dass das Subjekt sowohl vor der Bewegung als auch danach alle anderen Argumente c-kommandiert. Nach Müller (2000: 60) gilt nämlich folgende allgemeinere Beschränkung der Parallelverschiebung: wenn α β auf der Ebene Ln c-kommandiert, dann c-kommandiert α β auch auf der Ebene Ln+1 (wobei α β Ar-gumente sind).

Das Beschränkungsschema (28) erklärt auch die von Müller (2000: 238) für das Deut-sche angenommene Grundabfolge Subjekt - direktes Objekt (= Akkusativobjekt) - indirektes Objekt (= Dativobjekt) (vgl. auch Primus 1996, 1999). Diesem Schema folgt als Spezialfall auch die oben erwähnte Generalisierung von Dürscheid (1999), dass ein „struktureller“ Akku-sativ einem „lexikalischen“ Genitiv vorangeht (vgl. (13) weiter oben).

6. Zusammenfassung der Ergebnisse

Im Rahmen der OT wurde eine Kasusselektionstheorie vorgestellt, die konsequenter als in

9 Die Tatsache, dass das strukturelle Subjektgebot (EPP) kein striktes universelles Prinzip ist, wird mit

Daten aus dem Deutschen und anderen Sprachen auch in generativen Standardansätzen anerkannt (vgl. Bayer 2002). Im Gegensatz zum Prinzipien-und-Parameter-Modell, in welchem ein Parameter entweder existent oder nicht-existent ist, kann − wie Tab. 7 zeigt − eine dominierte Beschränkung in der OT zum Zuge kommen, wenn die dominierende konkurrierende Beschränkung den Wettbewerb nicht entscheidet.

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bisherigen Ansätzen Markiertheitsunterschiede zwischen den Kasus eines Sprachsystems als Grundlage für verletzbare Kasusbeschränkungen heranzieht. Aus einer abstrakteren Kasusska-la 1K > 2K > 3K usf., die im Deutschen und anderen Akkusativsprachen als Nominativ > Ak-kusativ > Dativ ausbuchstabiert wird, wurden mehrere Beschränkungsschemata abgeleitet. Im Folgenden werden sie durch Angabe einer Kurzbeschreibung und der Anwendung des Sche-mas auf die dreiteilige Kasusskala einer Akkusativsprache zusammengefasst: • Das Gebot, einen weniger markierten Kasus zu verwenden, dominiert das Gebot, einen

markierteren Kasus zu verwenden (allgemeine Markiertheitsbeschränkungen): NOM! >> AKK! >> DAT!

• Die Wahl eines markierten Kasus impliziert einseitig die Wahl eines weniger markierten Kasus („Kasusdependenz“): AKK⇒NOM, DAT⇒AKK

• Verbkongruenz mit einem weniger markierten Kasus steht über Verbkongruenz mit einem markierteren Kasus: AGR-NOM >> AGR-AKK >> AGR-DAT

• Kasus bleiben bei Valenzvarianten konstant (OO-IDENT(KASUS)). Beim Passiv erzwingen Markiertheitsbeschränkungen OO-IDENT(GEN) >> OO-IDENT(DAT) >> OO-IDENT(AKK) >> OO-IDENT(NOM).

• Ein Argument mit einem weniger markierten Kasus c-kommandiert ein Argument mit einem markierteren Kasus. Unter Zusatzannahmen ergibt sich als Spezialfall NOM-SPECAGR (SpecAgr muss mit einem Nominativargument besetzt werden).

Es wurden nur Gebotsvarianten verwendet. In der OT werden auch Verbotsvarianten formu-liert. Diese haben die gegenläufige Ordnung. Die wichtigsten Erscheinungen, die in alternativen Ansätzen auf die Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus zurückgeführt werden, konnten als Folgeerscheinungen von Mar-kiertheitsunterschieden zwischen Kasus ausgewiesen werden. Dies liegt daran, dass S-Kasus weniger markiert sind als L-Kasus.

Mehrere Aspekte erweisen sich bei der Chomskyschen Unterscheidung zwischen L- und S-Kasus als besonders problematisch: Sie ist in ihrer Zweiteilung zu grobmaschig, sie postuliert eine für das Deutsche unhaltbare strikte strukturelle Ableitbarkeit für eine Subklasse der Kasus und sie schließt L-Kasus von einigen einschlägigen formalen universellen Kasus-zuweisungsprinzipien aus. Im Gegensatz dazu kann eine markiertheitsbasierte Theorie die Kasus einer Sprache weiter auffächern (oder darauf verzichten, wenn Kasus mit gleichem Markiertheitsgrad angenommen werden). So können einerseits auch zwischen Kasus, die bei der L/S-Unterscheidung zusammenfallen, Unterschiede etabliert werden. Andererseits kann erfasst werden, dass „lexikalische“ und „strukturelle“ Kasus denselben formalen Beschrän-kungen unterliegen. So setzt z. B. die Selektion eines Dativs die Selektion eines Akkusativs und diese wiederum die Wahl eines Nominativs voraus. Diese Dependenzen gelten innerhalb der Klasse der „strukturellen“ Kasus zwischen Nominativ und Akkusativ und darüber hinaus auch für „lexikalische“ Akkusative und Dative (die man u. a. bei psychischen Verben im Deutschen findet).

Auch die größere rollensemantische Variabilität „struktureller“ Kasus erwies sich als eine Folgeerscheinung ihrer geringeren Markiertheit und der Tatsache, dass weniger markierte Kasus durch hochrangige Markiertheitsbeschränkungen auch dann lizenziert werden, wenn aus rollensemantischen Gründen ein anderer Kasus in Frage kommt. Umgekehrt ergibt sich die geringere rollensemantische Variabilität „lexikalischer“ Kasus daraus, dass sie markierter sind, schwächeren Markiertheitsbeschränkungen unterliegen und nur durch rollensemantische

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Beschränkungen lizenziert werden. Ferner konnte das unterschiedliche Alternationsverhalten des Dativs und Akkusativs

beim Passiv damit begründet werden, dass sie mit der markiertheitsgesteuerten Kasusselektion korreliert. Wenn das Deutsche die Dativalternation anstelle der Akkusativalternation für das Passiv grammatikalisiert hätte, dann würden viel mehr Sätze das Nominativgebot verletzen als de facto. Dies liegt daran, dass die Menge der dativregierenden Verben viel kleiner ist als die Menge der akkusativregierenden Verben. Außerdem ist die überwiegende Mehrzahl der dativ-regierenden Verben in der Menge der akkusativregierenden Verben inkludiert.

Hinsichtlich der strukturellen Ableitbarkeit der Kasus konnte gezeigt werden, dass die Standardtheorie für das Deutsche falsche Vorhersagen trifft und wichtige Generalisierungen unerklärt lässt. Das strukturelle Nominativgebot NOM-SPECAGR ist für das Englische undomi-niert und wirkt somit strikt. Es erzwingt die Besetzung der strukturellen Subjektposition mit einem Nominativargument und koppelt diese Position an die Verbkongruenz. Im Deutschen wird NOM-SPECAGR von anderen strukturellen Beschränkungen wie z. B. PAT-VP, dem Ge-bot, das Patiens in der VP-internen Grundposition zu belassen, dominiert. NOM-SPECAGR ist somit verletzbar im Deutschen. Für diesen Unterschied zwischen Englisch und Deutsch gibt es nicht nur grammatische, sondern auch neurolinguistische Evidenz. Auch was die Erklärung der strukturellen Ableitbarkeit betrifft, so erwies sich eine markiertheitsbasierte OT überlegen, weil sie das strukturelle Nominativgebot auf eine harmonische Ausrichtung zwischen Kasus-skala und struktureller Satzhierarchie zurückführen kann: Ein weniger markierter Kasus c-kommandiert einen markierteren, und zwar unabhängig davon, ob im Sinne der Standardtheo-rie L- oder S-Kasus vorliegen. Das strukturelle Nominativgebot NOM-SPECAGR ist die Gram-matikalisierung einer harmonischen Ausrichtung zwischen Kasusskala, struktureller Satzhie-rarchie und Verbkongruenz. Die markiertheitsbasierte Kasusskala ist seit Roman Jakobson (1936) bekannt. Die Markiertheitstheorie hat eine Fülle von implikationalen Universalien aufgestellt, die die Rele-vanz von Markiertheitsunterschieden in allen Bereichen der Grammatik aufdeckt. Die im vor-liegenden Ansatz getroffene Entscheidung, die markiertheitsbasierte Kasusskala als Erklä-rungsgrundlage für die weiter oben diskutierten Beschränkungen und für ihre invariante Ord-nung heranzuziehen, ist der Markiertheitstheorie verpflichtet. Der vorliegende Ansatz unter-scheidet sich durch diese markiertheitstheoretische Fundierung grundlegend von anderen OT-Arbeiten über Kasus (vgl. Fußnote 2 für einen Überblick), die der Kasusskala einen abgeleite-ten Status bescheinigen (vgl. explizit u. a. Fanselow 2000: 174). Wie gezeigt werden konnte, ist es ökonomischer, eine Skala zu postulieren und mehrere invariante Beschränkungsordnun-gen damit zu erklären, als umgekehrt eine Skala von mehreren ad hoc stipulierten invarianten Beschränkungsordnungen abzuleiten. Unabhängig davon sind Bemühungen zu werten, Markiertheitsskalen zu vereinfachen und zu systematisieren, indem man ihre Elemente in Merkmale zerlegt (vgl. für die Kasusska-la Bierwisch (1967) sowie Fanselow (2000) und Woolford (2002) in der OT). So leitet Wool-ford (2002) die Kasusskala aufgrund der Markiertheitskonvention, dass steigende Markiertheit mit einer steigenden Zahl von positiven Merkmalswerten einhergeht, wie folgt ab: [-oblique, -lex. Regens] > [-oblique, +lex. Regens] > [+oblique, +lex. Regens] = Nominativ = Akkusativ = Dativ Solche Versuche widerlegen die Hypothese, dass die hier diskutierten Kasusbeschränkungen markiertheitsbasiert sind, keineswegs. Sie sind unter folgenden Voraussetzungen auch über-

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zeugend: die Ableitung muss dem Gebot der Ökonomie gehorchen und die zugrunde liegen-den Begriffe müssen überzeugend sein. Keine der mir bekannten merkmalbasierten Ableitun-gen erfüllt diese Bedingungen. Mithilfe von n-Merkmalen und den zwei Werten +/- kann man eine Markiertheitsskala mit n+1 Elementen erzeugen. Dies ist eine zu geringe Einsparung an-gesichts der Tatsache, dass die verwendeten zugrunde liegenden Merkmale inhaltlich nicht überzeugen. Zu grundlegenden Begriffen muss man einen direkten, intuitiven Zugang haben. Die oben genannten Merkmale direkt vs. oblique und lexikalischer vs. funktionaler Regens kann man jedoch nicht direkt, ohne Kenntnis der zu erklärenden Fakten verstehen. Solange kein besserer Lösungsvorschlag in Sicht ist, kann man − wie in diesem Aufsatz − bei der nummerischen Ordnung 1 > 2 > 3 usf. bleiben und steigende Markiertheit durch steigende Zahlen anzeigen.

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Kurzbiographie Beatrice Primus, Jahrgang 1953, hat seit 1998 einen Lehrstuhl für Sprachwissenschaft des Deutschen an der Universität zu Köln. Sie wurde 1986 in München promoviert und 1995 e-benda habilitiert. Sie erhielt anschließend Rufe auf Professuren in Heidelberg und Stuttgart. Sie war im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft und ist Stellvertretende Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. Sie war in der Redaktion der „Zeitschrift für Sprachwissenschaft“ und ist Mitherausgeberin der Reihe „Linguistische Arbeiten“ bei Niemeyer in Tübingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Valenz (bes. Kasus, semantische Rollen, Typologie der Aktantenfunktionen), Wortstel-lung im Deutschen und Wortstellungstypologie, Diachronie (bes. Morphosyntax) und das Schriftsystem.