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Ergänzungsgutachten im Auftrag von Oesterreichs Energie Brahmsplatz 3, A-1041 Wien Abschlussbericht 15.1.2016 Erzeugungsseitige Aspekte einer Weiterentwicklung der Systemnutzungs-/entgelte/-regelungen im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsnetze Consentec GmbH Grüner Weg 1 D-52070 Aachen Tel. +49. 241. 93836-0 Fax +49. 241. 93836-15 E-Mail [email protected] www.consentec.de

Erzeugungsseitige Aspekte einer Weiterentwicklung der ... · 3.2 Grundsätze der Kostenallokation auf Verbraucher, Erzeuger und Speicherbetreiber 13 3.2.1 Betrachtete Netznutzerkategorien

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Ergänzungsgutachten im Auftrag von

Oesterreichs Energie

Brahmsplatz 3, A-1041 Wien

Abschlussbericht

15.1.2016

Erzeugungsseitige Aspekte einer

Weiterentwicklung der

Systemnutzungs-/entgelte/-regelungen im

Bereich der öffentlichen Elektrizitätsnetze

Consentec GmbH

Grüner Weg 1 D-52070 Aachen

Tel. +49. 241. 93836-0 Fax +49. 241. 93836-15 E-Mail [email protected]

www.consentec.de

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 i

Inhalt

Abkürzungen ii

1 Hintergrund und Ziel 1

2 Höhe erzeugungsseitiger Systemnutzungsentgelte in Österreich und anderen

europäischen Ländern 2

2.1 Tarifüberblick von ENTSO-E 2

2.2 Detailanalyse ausgewählter Länder 6

2.3 Umgang mit Bezug von Pumpstrom in Österreich, Deutschland und der Schweiz 9

2.4 Zusammenfassender Überblick 10

3 Ableitung von Empfehlungen zur Weiterentwicklung der

Systemnutzungsentgeltsystematik hinsichtlich erzeugungsseitiger Entgelte 12

3.1 Zielsetzung und Zielkonflikte 12

3.2 Grundsätze der Kostenallokation auf Verbraucher, Erzeuger und Speicherbetreiber 13

3.2.1 Betrachtete Netznutzerkategorien 13

3.2.2 Verbrauch vs. Erzeugung 14

3.2.3 Speicherung 16

3.3 Ausgewählte Empfehlungen zu Entgelt- bzw. Kostenkomponenten 18

3.3.1 Vorbemerkungen 18

3.3.2 Netzverluste 18

3.3.3 Systemdienstleistungen 19

3.3.4 Messentgelt 21

3.3.5 Sonderregelung für negative Regelenergie 21

4 Zusammenfassung 24

Literatur 26

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ii Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Abkürzungen

EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz

EnWG Energiewirtschaftsgesetz

KWK-G Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz

OE Oesterreichs Energie

PSW Pumpspeicherkraftwerk

StromNEV Stromnetzentgeltverordnung

vNNE vermiedene Netznutzungsentgelte

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 1

1 Hintergrund und Ziel

Wir, die Consentec GmbH, haben, gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Prof. Bogner,

im Juni 2015 das Gutachten „Evaluierung der Grundlagen und Weiterentwicklung der

Systemnutzungs-/entgelte/-regelungen im Bereich der öffentlichen Elektrizitätsnetze“ im Auf-

trag von Oesterreichs Energie (OE) abgeschlossen [1]. Darin haben wir eine wissenschaftliche,

von den Positionen des Branchenverbandes sowie einzelner Interessengruppen der Branche un-

abhängige Analyse und Herleitung von Empfehlungen für die Weiterentwicklung der österrei-

chischen Systemnutzungsentgeltsystematik vorgenommen. Der Schwerpunkt dieser Analyse

lag auf den tarifstrukturellen Gestaltungsoptionen im Hinblick auf die Allokation der durch die

Regulierungsbehörde festgestellten und anerkannten Netzkosten auf die Netznutzer. Im Sinne

einer grundsätzlichen und umfassenden Analyse waren die Prinzipien der Kostenallokation auf

die Netznutzergruppen (Verbraucher, Erzeuger, Speicherbetreiber) ein wesentlicher, jedoch ne-

ben vielfältigen weiteren Aspekten betrachteter Untersuchungsaspekt.

Die Erzeugungssparte von OE hat uns vor diesem Hintergrund gebeten, im vorliegenden Er-

gänzungsgutachten die auf erzeugungsseitige Aspekte bezogenen Empfehlungen des Hauptgut-

achtens dezidiert herauszuarbeiten, zu konkretisieren und um eine Untersuchung zu ergänzen,

die deren Relevanz illustriert. Das Ergänzungsgutachten ist wie folgt gegliedert:

Da das Hauptgutachten als wesentliches Kriterium die Wirkung erzeugerseitiger Systemnut-

zungsentgelte auf die internationale Wettbewerbssituation nennt, werden in Kapitel 2 zunächst

die von Erzeugern in Österreich zu entrichtenden Entgelte mit denen in anderen europäischen

Ländern verglichen, um die Relevanz der Entgelte für die Wettbewerbssituation darzustellen.

Anschließend erfolgt in Kapitel 3 eine Zusammenstellung und Detaillierung derjenigen As-

pekte des Hauptgutachtens, die sich direkt oder indirekt mit Systemnutzungsentgelten für Er-

zeuger und/oder Speicher befassen. Die Empfehlungen werden dabei in den umfassenderen

Kontext des Hauptgutachtens eingeordnet, um ihre Sachgerechtigkeit und nicht zuletzt auch die

Kongruenz mit dessen Tenor zu dokumentieren. Um eine knappe Darstellung zu erreichen, wird

an geeigneter Stelle auf jeweils thematisch zugehörige Passagen des Hauptgutachtens verwie-

sen, in denen sich weitergehende Ausführungen finden. Eine Zusammenfassung der Empfeh-

lungen findet sich in Kapitel 4.

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2 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

2 Höhe erzeugungsseitiger Systemnutzungsentgelte in

Österreich und anderen europäischen Ländern

Die Belastung der Erzeugung durch Systemnutzungsentgelte (sogenannte G-Komponente, ab-

geleitet vom englischen Begriff „generation“ für Erzeugung) ist länderspezifisch deutlich un-

terschiedlich ausgestaltet und hat somit einen maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbspo-

sition von Erzeugungsanlagenbetreibern im europäischen Binnenmarkt. Im Folgenden werden

die erzeugungsseitigen Systemnutzungsentgelte in Österreich denen in weiteren europäischen

Ländern vergleichend gegenübergestellt. Der Vergleich beruht auf einem durch ENTSO-E, den

Verbund europäischer Übertragungsnetzbetreiber, veröffentlichten Überblick der Netzent-

geltstrukturen in 35 Ländern sowie auf weiteren Detailanalysen für einzelne Länder. Er umfasst

darüber hinaus einen Vergleich der auf den Bezug von Pumpstrom bezogenen Systemnutzungs-

entgelte für die Länder Österreich, Schweiz und Deutschland.

2.1 Tarifüberblick von ENTSO-E

ENTSO-E, veröffentlicht im jährlichen Turnus einen Vergleich der Systemnutzungsentgelte

zwischen allen teilnehmenden Ländern Europas auf Basis öffentlich verfügbarer Daten. Dieser

umfasst u. a. auch eine Gegenüberstellung der erzeugungsseitigen Entgelte.

In 14 der insgesamt 35 teilnehmenden Länder wird derzeit eine G-Komponente erhoben (Bild

2.1).

Aus der Grafik ist ersichtlich, dass mit Ausnahme der Slowakei in keinem Nachbarland Öster-

reichs die Erzeuger mit einem Systemnutzungsentgelt (G-Komponente) belastet werden. Dies

belegt bereits eine strukturelle Benachteiligung der Wettbewerbsposition von Erzeugern in Ös-

terreich, deren Relevanz jedoch selbstverständlich von der Höhe der Entgelte abhängt.

Die genaue Ausgestaltung der Netzentgeltstrukturen, insbesondere auch hinsichtlich der G-

Komponenten, ist länderspezifisch zum Teil deutlich unterschiedlich ausgeprägt. So bestehen

beispielsweise Unterschiede in der Zusammensetzung aus einer Leistungs- und einer Arbeits-

komponente sowie bezüglich regionen- und standortspezifischer Differenzierungen.

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 3

Bild 2.1: Überblick über europäische Länder mit bzw. ohne G-Komponente

(Quelle: Eigene Darstellung nach [2])

Um einen direkten Vergleich der Entgelthöhen trotz dieser strukturellen Unterschiede zu errei-

chen, definiert ENTSO-E im Rahmen des Ländervergleichs einen als „Base-Case“ bezeichne-

ten Netznutzungsfall, für den sich die jeweils in den Ländern ergebenden Gesamtentgelte in

€/MWh ausweisen lassen. Für den Vergleich der erzeugungsseitigen Entgelte betrachtet dieser

Base-Case ein Kraftwerk mit Anschluss auf der höchsten Netzebene bei einer jährlichen Aus-

lastung von 5.000 Vollbenutzungsstunden. Bei Ländern, die darüber hinaus über eine regionen-

oder standortspezifische Differenzierung verfügen, wird der Mittelwert über diese Merkmale

abgebildet.

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4 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Bild 2.2 gibt einen länderspezifischen Vergleich der jeweiligen Höhen der G-Komponenten1

für den von ENTSO-E definierten Base-Case.

Bild 2.2: Vergleich der Höhe der G-Komponenten für den Base-Case (5.000 h/a)

(für Länder mit * wurden einige Kostenbestandteile aufgrund vorläufiger Daten-

basen geschätzt; Quelle: ENTSO-E [2]; ** Österreich ergänzt um Entgelt für

Primärregelung)

Bei den betrachteten Ländern ist eine sehr große Bandbreite der Höhe der G-Komponente er-

kennbar: In Frankreich fällt diese mit etwa 0,2 €/MWh am geringsten aus, während sie in Groß-

britannien über 3 €/MWh liegt. Für Österreich beträgt die erzeugungsseitige Systemnutzungs-

entgeltkomponente im Base-Case (Anschluss in Höchstspannungsebene2, 5.000 Vollbenut-

zungsstunden) etwa 3,2 €/MWh, was im Vergleich den zweithöchsten Wert darstellt. Neben

1 Im Rahmen des ENTSO-E-Vergleichs werden evtl. Kosten der Erzeuger für eine Teilnahme an der Spannungs-

/Blindleistungsregelung sowie Kosten/Erlöse aus der Engpassbewirtschaftung (einschließlich Redispatch)

nicht berücksichtigt, da es sich hierbei nicht um erzeugungsseitige Entgeltkomponenten im eigentlichen Sinn

handelt. Darüber hinaus werden verbrauchsseitige Netzentgelte aufgrund von Kraftwerkseigenverbrauch ver-

nachlässigt, da sich diese üblicherweise in einer Größenordnung weit unterhalb der hier schwerpunktmäßig

analysierten Systemnutzungsentgelte befinden.

2 Die Höhe der G-Komponente nimmt in Österreich mit sinkender Anschlussspannung noch zu, siehe Detailana-

lyse in Abschnitt 2.2)

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 5

Österreich überschreitet die G-Komponente lediglich bei vier weiteren Ländern eine Grenze

von 1,5 €/MWh. Vernachlässigt man die beiden Inselstaaten Irland und Großbritannien, die

aufgrund ihrer relativ schwachen Netzanbindung nur nachgelagert im direkten Wettbewerb zur

österreichischen Erzeugung stehen, weist Österreich die höchsten Entgelte auf. Insbesondere

im Nachbarland Slowakei, in dem die G-Komponente vor kurzem eingeführt wurde, sowie in

Frankreich, mit dem Österreich (insbesondere auch durch die gemeinsame Gebotszone mit

Deutschland und Luxemburg) eine enge Marktkopplung aufweist, betragen die erzeugungssei-

tigen Entgelte nur einen Bruchteil des österreichischen Niveaus.

Neben der absoluten Höhe der G-Komponente vergleicht ENTSO-E auch je Land das Verhält-

nis von verbrauchs- und erzeugungsseitigen Netzentgelten. Für die 14 Länder mit G-Kompo-

nente ist dieses, bezogen auf den Base-Case, in Tabelle 2.1 dargestellt.

Land Anteil Erzeugung Anteil Verbrauch

Österreich 43 % 57 %

21 weitere Länder 0 % 100 %

Slowakei 3 % 97 %

Frankreich 2 % 98 %

Belgien 7 % 93 %

Dänemark 5 % 95 %

Schweden 39 % 61 %

Finnland 18 % 82 %

Norwegen 40 % 60 %

Portugal 9 % 91 %

Spanien 10 % 90 %

Rumänien 19 % 81 %

Nord-Irland 25 % 75 %

Irland 25 % 75 %

Großbritannien

27 % (Übertragungsnetzentgelt)

50 % (Ausgleichsenergieentgelt)

73 % (Übertragungsnetzentgelt)

50 % (Ausgleichsenergieentgelt)

Tabelle 2.1: Länderspezifische relative Aufteilung der Netzentgelte auf Erzeuger und Ver-

braucher für den Base-Case (Quelle: ENTSO-E [2])

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6 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Es zeigt sich, dass der relative Anteil der Erzeuger in Österreich mit 43 % im Vergleich am

höchsten ausfällt. Insbesondere in den aus Wettbewerbssicht wichtigen direkten Nachbarlän-

dern liegt der Anteil der Erzeugung bei Null bzw. in der Slowakei bei lediglich 3 %. In den

Ländern Frankreich, Belgien und Dänemark – als elektrischen Nachbarn der deutsch-österrei-

chisch-luxemburgischen Gebotszone – liegt der Anteil der Erzeugung an den Netzentgelten

durchweg unter 10 %. Auch aus dieser Darstellung geht somit der klare Wettbewerbsnachteil

der österreichischen Erzeuger im Vergleich zu den umliegenden Ländern aufgrund der Unter-

schiede der Netzkostentragung hervor.

2.2 Detailanalyse ausgewählter Länder

Der Entgeltvergleich von ENTSO-E weist eine hohe geografische Abdeckung auf, basiert je-

doch auf einer Reihe von Pauschalierungen, um die systematische und formale Vergleichbar-

keit der Entgeltniveaus zu erleichtern. Daher werden im Folgenden ergänzend für eine in Ab-

stimmung mit dem Auftraggeber getroffene Auswahl von Ländern die Zusammensetzung und

Höhe der erzeugerseitigen Systemnutzungsentgeltkomponenten – ggf. einschließlich von Net-

zebenenabhängigkeiten – näher untersucht. Neben Österreich werden dabei die Slowakei,

Deutschland, Schweiz, Italien, Schweden und Frankreich betrachtet. Zusätzlich erfolgt ein Ver-

gleich der Netzentgeltregularien hinsichtlich des Bezugs von Pumpstrom für die Länder

Deutschland, Österreich und Schweiz. Alle Zahlenwerte beziehen sich auf das Jahr 2015.

Österreich

Die erzeugungsseitigen Systemnutzungsentgelte sind in Österreich nach Netzbereichen sowie

nach Netzebenen differenziert.

Alle Erzeugungseinheiten mit einer Leistung größer 5 MW müssen unabhängig von ihrer Netz-

anschlussebene ein bundesweit einheitliches Systemdienstleistungsentgelt in Höhe von

2,51 €/MWh zahlen. Hinzu kommt das Netzverlustentgelt, das nach Netzbereichen und Netz-

ebenen gestaffelt ist und zwischen 0,37 und 3,2 €/MWh beträgt. Zusätzlich sind die Kosten für

die Bereitstellung von Primärregelleistung von Erzeugern mit einer Leistung über 5 MW im

Verhältnis ihrer Jahreserzeugungsmengen zu tragen, deren quartalsweise angepasste Höhe der-

zeit in einer Größenordnung von ca. 0,3 €/MWh liegt.

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Deutschland

Deutschland besitzt ein ausschließlich letztverbraucherbasiertes Tarifsystem ohne Beteiligung

von Erzeugungsanlagen. Infolgedessen fallen keine erzeugungsseitigen Systemnutzungsent-

gelte an.

Im Gegenteil besitzen in Deutschland die Kraftwerksbetreiber die Möglichkeit, vermiedene

Netznutzungsentgelte (vNNE) nach § 18 StromNEV (Stromnetzentgeltverordnung) geltend zu

machen. Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen (das sind alle Anlagen mit Anschluss

unterhalb der Netzebene 1) erhalten vom Netzbetreiber ein Entgelt, das den gegenüber den vor-

gelagerten Netz- oder Umspannebenen durch die jeweilige Einspeisung vermiedenen Netzent-

gelten entspricht und somit faktisch eine „negative G-Komponente“ darstellt. Von dieser Re-

gelung sind Anlagen ausgenommen, die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz

(EEG) oder das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWK-G) erhalten. Gemäß aktuellem Ent-

wurf des sog. Strommarktgesetzes sollen die vNNE für ab 2021 in Betrieb gehende Neuanlagen

wegfallen. Aufgrund des Bestandsschutzes für Bestands- und vor 2021 in Betrieb gehende An-

lagen wird allerdings auf absehbare Zeit ein nennenswerter Anteil der Erzeugungsanlagen von

vNNE profitieren.

Schweiz und Italien

In den direkten Nachbarländern Schweiz und Italien werden die Netzkosten vollständig von

den Letztverbrauchern getragen, so dass in Bezug auf erzeugungsseitige Systemnutzungsent-

gelte keine Belastung der schweizerischen und italienischen Erzeuger besteht.

Schweden

In Schweden bestehen erzeugungsseitige Entgeltkomponenten, die teils nach Breitengrad und

teils nach konkreten Einspeiseorten differenziert sind.

Die erzeugungsseitigen Tarife setzen sich dabei aus einem leistungs- und einem energieabhän-

gigen Bestandteil zusammen. Der leistungsabhängige Anteil dient zur Deckung der Kosten für

Ausbau, Betrieb und Instandhaltung des Übertragungsnetzes, während der energieabhängige

Anteil Kosten zur Verlustdeckung abbilden soll.

Eine leistungsabhängige Entgeltkomponente ist geographisch nach Breitengrad des Anschluss-

punkts an das Übertragungsnetz differenziert und variiert für Erzeuger zwischen 22 SEK/kW/a

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8 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

im Süden und 51 SEK/kW/a im Norden (ca. 2 bis 5,6 €/kW/a3). Hierdurch sollen Anreize für

die Ansiedlung von Kraftwerken im Süden des Landes geschaffen werden.

Zur Deckung von Verlustkosten besteht in Schweden ein auf einspeiseortabhängigen Verlust-

faktoren basierendes System. Die Verlustfaktoren werden symmetrisch für Einspeisungen und

Entnahmen bestimmt, wobei je nach Lage im Netz auch Zahlungen an den Kraftwerksbetreiber

möglich sind (wenn eine Verlustabsenkung durch Einspeisung festgestellt wird). Die Gesamt-

höhe des energieabhängigen Entgeltanteils ergibt sich durch Multiplikation des anschlusskno-

tenspezifischen Verlustfaktors mit dem gebotszonenzonenspezifischem Verlustentgelt, der Ein-

speisemenge und einem zusätzlichen Korrekturelement in Höhe von derzeit 80 %.

Die Verlustfaktoren werden individuell je Einspeise- bzw. Entnahmeknoten bestimmt und lie-

gen momentan in einer Bandbreite zwischen -6 und +8 %. Dabei steht ein negativer Wert für

eine Zahlung an den Kraftwerksbetreiber, während ein positiver Wert eine zusätzliche Belas-

tung des Kraftwerksbetreibers darstellt. Das spezifische Verlustentgelt wird ex ante je Gebots-

zone festgelegt und orientiert sich an den Spotmarktpreisen. In 2015 beträgt es 380 SEK/MWh

(ca. 41,8 €/MWh) in den nördlichen Gebotszonen SE1 und SE2, 385 SEK/MWh (ca.

42,4 €/MWh) in der Gebotszone SE3 und 395 SEK/MWh (ca. 43,5 €/MWh) in der südlichen

Gebotszone SE4.

Frankreich

Die erzeugungsseitigen Systemnutzungsentgelte in Frankreich werden hinsichtlich der An-

schlussebene der Kraftwerksbetreiber, nicht jedoch nach weiteren Merkmalen wie z. B. der ge-

ografischen Lage differenziert. Für Anschlussspannungen von 90 kV oder weniger werden die

Kraftwerksbetreiber von den Entgelten befreit. Erzeuger mit Anschluss in höheren Spannungs-

ebenen müssen ein Entgelt in Höhe 0,18 €/MWh sowie eine jährliche Verwaltungsgebühr von

7.700 € je Anschlusspunkt entrichten.

Slowakei

In der Slowakei müssen Erzeuger mit Anschluss an das Übertagungsnetz ein leistungsbezoge-

nes Entgelt in Höhe von 2,979 €/kW/a zahlen.

3 bei Umrechnungskurs von 0,11 €/SEK (27.11.2015)

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 9

Für Erzeugungseinheiten, die an unterlagerten Netzebenen angeschlossen sind, gelten hiervon

abweichende Tarifstrukturen. Je nach Anschlussspannung liegen die Netzentgelte bei einem

hierfür exemplarisch untersuchten Regionalnetzbetreiber4 zwischen 0,89 und 2,3 bzw. in der

höchsten Stufe 5,87 €/kW/Monat. Aus dem untersuchten Tarifdokument wird allerdings nicht

genau ersichtlich, auf welche Anlagen der letztgenannte, vergleichsweise hohe Tarif angewen-

det wird.

Die G-Komponente entfällt jedenfalls für Erzeuger, die ausschließlich Systemdienstleistungen

erbringen, sowie für hydraulische Einheiten mit einer installierten Leistung von maximal

5 MW.

2.3 Umgang mit Bezug von Pumpstrom in Österreich, Deutschland und

der Schweiz

PSW-Betreiber werden in Österreich grundsätzlich mit einem landesweit einheitlichen Netz-

entgelt für Pumpstrombezüge belastet. Dieses setzt sich sowohl aus einer Leistungs- als auch

aus einer Arbeitskomponente zusammen und beträgt aktuell 1,00 €/kW/a bzw. 0,70 €/MWh.

Bis Ende 2020 in Betrieb gehende Neuanlagen sind hiervon befreit.

Auch in Deutschland müssen PSW-Betreiber grundsätzlich verbrauchsseitige Netzentgelte für

die Energieentnahme aus dem Netz zahlen. Dabei können sie von zwei Sonderregelungen Ge-

brauch machen:

Atypische Netznutzung (§ 19 StromNEV)

Ausnahmeregelung für neu gebaute oder vergrößerte PSW (§ 118, VI EnWG)

Bei der atypischen Netznutzung wird ein vermindertes Netzentgelt gewährt, das mindestens

20 % der regulären Netzentgelte betragen muss. Voraussetzung hierfür ist, dass der Maximal-

bezug der PSW außerhalb der vom Anschlussnetzbetreiber vorab veröffentlichten Hochlast-

zeitfenster liegt.

Zusätzlich gibt es im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) die Ausnahmeregelung, dass neu ge-

baute Pumpspeicher für 20 Jahre ab Inbetriebnahme von den Netzentgelten befreit sind. Für

bestehende PSW ist eine Netzentgeltbefreiung über 10 Jahre möglich, wenn die elektrische

4 Východoslovenská distribučná, a.s.

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10 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Pump- oder Turbinenleistung um mindestens 15 % und die speicherbare Energiemenge um

mindestens 5 % erhöht wird.

In der Schweiz ist der Bezug von Pumpstrom generell von einer Zahlung von Netznutzungs-

entgelten befreit.

2.4 Zusammenfassender Überblick

Der Vergleich der erzeugungsseitigen Systemnutzungsentgelte in Österreich mit den hier näher

untersuchten europäischen Ländern weist schon beim Tarifüberblick von ENTSO-E mit ver-

einfachter Betrachtung nur der Höchstspannungsebene erhebliche Unterschiede aus (Bild 2.3).

Bild 2.3: Vergleich der Höhe der G-Komponenten in Österreich und ausgewählten weite-

ren Ländern für den Base-Case (5.000 h/a)

(*einige Kostenbestandteile wurden aufgrund vorläufiger Datenbasen geschätzt;

Quelle: ENTSO-E [2]; ** Österreich ergänzt um Entgelt für Primärregelung)

Die detailliertere Betrachtung verdeutlicht, dass es länderspezifisch tatsächlich erhebliche Aus-

gestaltungs- und Niveauunterschiede gibt (Tabelle 2.2), wobei Österreich insbesondere in den

oberen Spannungsebenen das mit Abstand höchste Niveau aufweist.

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 11

Land

Leistungskomponente

[€/kW/a]

Energiekomponente

[€/MWh] Bemerkungen

Österreich - 3,18 bis 6,01

Entgelt region- und netzebenenab-

hängig, P > 5 MW;

inkl. Berücksichtigung von Primärre-

gelreserve

Deutschland - -

vermiedene Netznutzungsentgelte für

nicht an das Höchstspannungsnetz

angeschlossene Erzeuger

Frankreich - > 90 kV: 0,18

90 kV: 0 zzgl. Jahresgebühr (7.700 €/a)

Italien - -

Schweden5 ca. 2 bis 5,6 -2,09 bis +2,78 Energiekomponente umfasst variab-

les Verlustentgelt

Schweiz - -

Slowakei 2,97 bis 27,87

(bzw. 70,47)6 -

Entfällt für Erzeuger, die ausschließ-

lich Systemdienstleistungen erbrin-

gen; entfällt für hydraulische Einhei-

ten mit P < 5 MW

Tabelle 2.2: Tabellarischer Überblick über erzeugungsseitige Entgeltkomponenten in den be-

trachteten Ländern

5 bei Umrechnungskurs von 0,11 €/SEK (27.11.2015)

6 Tarife Verteilnetzebenen: 1. gelten für einen exemplarischen Netzbetreiber; 2. auf Basis Monatsleistung hoch-

gerechnet; 3. Anwendungskriterien für höchste Tarifstufe unbekannt

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12 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

3 Ableitung von Empfehlungen zur Weiterentwicklung der

Systemnutzungsentgeltsystematik hinsichtlich

erzeugungsseitiger Entgelte

3.1 Zielsetzung und Zielkonflikte

Die Erfahrung zeigt, dass es keine eindeutig und einzig richtige Methodik der Netzentgelter-

mittlung gibt. Vielmehr sind vielfältige Zielsetzungen und Wirkungen zu berücksichtigen und

teilweise auch gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen des Haupt- und auch des vorliegenden

Ergänzungsgutachtens werden folgende Aspekte als führende Ziele und Bewertungskriterien

betrachtet:7

Vollständige Deckung der zugestandenen Erlöse über die Gesamtheit der Entgelte in einer

Betrachtungsperiode als Randbedingung;

Verursachungs- und Verteilungsgerechtigkeit in dem Sinne, dass Netzentgelte gegenüber

den Netznutzern die Kostenwirkungen von deren Entscheidungen im Hinblick auf die Netz-

inanspruchnahme möglichst gut reflektieren sollen; sowie

Praktikabilität und Nachvollziehbarkeit

Aus diesen Zielsetzungen und Bewertungskriterien ergeben sich verschiedene Zielkonflikte. So

würde etwa Verursachungsgerechtigkeit im engeren Sinne zumindest theoretisch das Setzen

kosteneffizienter Anreize mittels grenzkostenbasierter Tarife bedingen. Dies liefe jedoch nicht

nur der Randbedingung der Kostendeckung zuwider, sondern würde in der Praxis aufgrund

hoher Fixkostenanteile und starker Überlappung der Wirkungen individueller Netznutzer oh-

nehin nur in begrenztem Maße zu tatsächlicher Gerechtigkeit führen. Verursachungsgerechtig-

keit ist daher hier nicht bzgl. der von individuellen Netznutzern konkret verursachten (margi-

nalen) Kosten zu verstehen, sondern vielmehr im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit anzustre-

ben, bei der die Gesamtkosten auf Gruppen von Netznutzern entsprechend deren durchschnitt-

licher Kostenwirkung umgelegt werden. Ein weiterer, sich daraus ergebender Zielkonflikt be-

steht zwischen der mit dem Ziel der Verursachungsgerechtigkeit einhergehenden Forderung

7 Siehe [1], S. 8f.

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 13

nach Vermeidung fremdartiger, nicht der Netzsphäre zuzuordnender Einflüsse und dem mitun-

ter bestehenden Wunsch nach der Vermittlung von Handlungsanreizen zur Bereitstellung

marktdienlicher Flexibilitätsbeiträge durch Netznutzer.8

Ausgehend von den obigen Prämissen werden im Hauptgutachten Empfehlungen für eine sach-

gerechte Weiterentwicklung der derzeitigen Systemnutzungsentgeltsystematik9 abgeleitet. Die

auf Erzeugung (einschließlich Speicher) bezogenen Aspekte dieser Diskussion werden nach-

folgend dargestellt und teils vertieft.

3.2 Grundsätze der Kostenallokation auf Verbraucher, Erzeuger und

Speicherbetreiber

3.2.1 Betrachtete Netznutzerkategorien

Hinsichtlich der Art der Netzinanspruchnahme werden hier drei Kategorien unterschieden:10

Stromverbrauch (d. h. Entnahme aus dem Netz)

Stromerzeugung (d. h. Einspeisung ins Netz)

Speicherung von Strom durch Stromentnahme und spätere Wiedereinspeisung (Zwischen-

speicherung)

Derzeit tragen in Österreich Netznutzer aller drei Kategorien Netzentgelte. Wie der internatio-

nale Vergleich in Kapitel 2 zeigt, sind dabei die für Erzeugung und Zwischenspeicherung an-

fallenden Entgelte vergleichsweise hoch.

8 Für weitere Ausführungen zu Zielkonflikten siehe [1], S. 9f.

9 Die Kenntnis der derzeitigen Systemnutzungsentgeltsystematik wird im Folgenden vorausgesetzt. Für eine

überblicksartige Beschreibung siehe [1], S. 3ff.

10 Zur genauen Abgrenzung insbesondere bzgl. Speichern siehe [1], S. 18f.

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14 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

3.2.2 Verbrauch vs. Erzeugung

Aus Sicht der Verursachungsgerechtigkeit gibt es keine objektiv „richtige“ Kostenzuordnung

zwischen Verbrauchern und Erzeugern, da beide das Netz nur gemeinsam nutzen können.

Gegen eine Tragung von Netzkostenanteilen durch Erzeuger spricht jedenfalls die länderweise

uneinheitliche Praxis der Kostenzuordnung im internationalen europäischen Kontext. Während

nur in wenigen Ländern – und auch in Österreich – erzeugungsseitige Entgelte (sog. G-Kom-

ponenten) erhoben werden, werden die Netzkosten in der Mehrzahl der Länder – insbesondere

in fast allen Nachbarländern Österreichs – vollständig durch Verbraucher getragen.11

Durch diese uneinheitliche Handhabung werden Entscheidungen sowohl zur internationalen

Standortwahl neuer Erzeugungsanlagen als auch zum betrieblichen Einsatz bestehender Anla-

gen verzerrt und damit tendenziell ökonomisch ineffizient.

In Österreich wirkt sich dies aufgrund der starken erzeugungsseitigen Netzkostentragung zum

Nachteil der Erzeuger aus, indem der Kraftwerkseinsatz mit einem Kostenelement belastet

wird, das in Ländern ohne erzeugungsseitige Entgelte nicht auftritt (sondern von den Verbrau-

chern mit getragen wird). Die Angemessenheit dieser Belastung österreichischer Erzeuger im

internationalen Wettbewerb erscheint den Gutachtern vor dem Hintergrund einer mangelnden

EU-weiten Harmonisierung der Kostenallokationsprinzipien fragwürdig. Nur wenn es gelingt,

die Höhe der G-Komponente europaweit näherungsweise zu harmonisieren, lässt sich eine

Netzkostenbeteiligung der Erzeuger ohne wettbewerbsverzerrende Wirkung erreichen. Diese

Auffassung deckt sich im Grundsatz mit der von ACER, unter deren Ägide ein entsprechender

Harmonisierungsprozess bereits gestartet wurde [3] 12.

11 Beispielsweise werden in den Nachbarländern Italien, Tschechien, Schweiz und Slowenien keine G-Kompo-

nenten erhoben. Im für österreichische Strommarktteilnehmer besonders wichtigen deutschen Marktgebiet

wird darüber hinaus sogar ein Entgelt an Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen ausgezahlt (vNNE, siehe

Abschnitt 2.2), um hierdurch erzielte Einsparungen an Netzentgeltzahlungen für die Nutzung vorgelagerter

Netze an die Erzeuger weiterzuwälzen.

12 Dort heißt es z. B.: „The Agency notes a potential for the current absence of harmonised tariff structures

to impact negatively on the efficiency of the IEM, potentially distorting the market participants’ investment

and operational decisions.“

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 15

Zwar gibt es auch Argumente, die theoretisch dennoch für eine anteilige Netzkostentragung

durch Erzeuger sprechen könnten. Allerdings sind diese aus unterschiedlichen Gründen, jeden-

falls im konkreten österreichischen Kontext, nicht ausschlaggebend:13

Unterschiede in der Kostentragung entstehen prinzipiell durch die Unterteilung der Netz-

nutzer nach Ländern und Netzbereichen, Netzebenen und evtl. weiteren Kriterien. Relevant

würde dies bei großräumigem Auseinanderfallen von Last- und Erzeugungsschwerpunkten.

Dies ist in Österreich allerdings nicht in kritischem Umfang erkennbar. Zudem bestehen als

Abhilfe Alternativen, durch die die oben beschriebenen wettbewerbsverzerrenden Neben-

wirkungen einer G-Komponente vermieden werden könnten.

Der oben aus dem internationalen Blickwinkel angesprochene Aspekt der Standortwahl für

neue Erzeugungsanlagen wird häufig im nationalen Kontext als Argument für eine teilweise

erzeugungsseitige – und dann regional differenzierte – Tragung der Netzkosten angeführt.

In Österreich sind diesbezüglich jedoch weder eine Notwendigkeit noch ein entsprechendes

Wirkungspotenzial gegeben. Darüber hinaus bestehen auch hier Alternativen außerhalb der

Netzentgeltsystematik.

Im Lichte dieser Überlegungen, insbesondere mit Blick auf die internationale Praxis, erscheint

den Gutachtern der derzeit hohe Beitrag der Erzeuger zur Netzkostentragung in Österreich kri-

tisch, da er die Wettbewerbsposition der österreichischen Erzeuger belastet bzw. den Neubau

von Anlagen behindert und keine starken Argumente für seine Aufrechterhaltung erkennbar

sind. Es ist insbesondere nicht zu erkennen, dass die gegenwärtigen erzeugungsseitigen Ent-

geltkomponenten strukturell so angelegt sind, dass sie den o. g. potenziellen Zielen solcher

Komponenten dienen. Daher empfehlen die Gutachter eine deutliche Reduktion des Beitrags

der Erzeuger zur Netzkostentragung. Bei der Darstellung der konkret empfohlenen diesbezüg-

lichen Maßnahmen in Abschnitt 3.3 wird jeweils deutlich gemacht, wie diese sich in den grö-

ßeren Kontext der Weiterentwicklung der Systemnutzungsentgeltsystematik einfügen.

Im Hauptgutachten wird darüber hinaus erwähnt, dass die Erhebung eines – einmalig zu zah-

lenden – Netzbereitstellungsentgelts von Erzeugern als allfällige Kompensation für die Reduk-

tion erzeugungsseitiger periodischer Entgelte erwogen werden könnte. Es sei betont, dass ein

solcher zusätzlicher Beitrag zur G-Komponente keinesfalls als isolierte Maßnahme, sondern

wirklich nur dann in Betracht zu ziehen wäre, wenn die empfohlenen Streichungen periodischer

13 Siehe auch [1], S. 20ff.

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16 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

erzeugungsseitiger Entgelte als insgesamt zu weit gehend angesehen würden. Dass dieser

Schritt keineswegs zwingend ist, zeigt sich daran, dass, wie noch ausgeführt wird, selbst bei

vollständiger Umsetzung der gutachterlichen Empfehlungen noch eine gewisse Benachteili-

gung österreichischer Erzeuger gegenüber Erzeugern in anderen Ländern verbliebe.

3.2.3 Speicherung

Die Zwischenspeicherung von Strom durch Entnahme aus dem Netz, Umwandlung in eine spei-

cherbare Energieform und spätere Rückwandlung in Strom dient nicht unmittelbar dem Letzt-

verbrauch, sondern der Optimierung des Stromversorgungssystems durch verbesserte zeitliche

Abstimmung von Angebot und Nachfrage oder durch zeitliche Verschiebung von Netzbelas-

tungen zur Behebung technischer Restriktionen.

Wenn für den Bezug von Strom zur Einspeisung in Speicher und die Rückspeisung von Strom

aus Speichern ins Netz die gleichen verbrauchs- bzw. erzeugungsseitigen Netzentgelte erhoben

werden wie von Endverbrauchern und Erzeugern, so werden die Strommengen, die innerhalb

der Versorgungskette zwischengespeichert werden, mehrfach mit diesen Entgelten belastet.

Dies könnte allenfalls dann als sachgerecht angesehen werden, wenn diese Entgelte inkremen-

telle Kosten reflektieren würden, die im Netz durch die Zwischenspeicherung dieser Strom-

mengen tatsächlich zusätzlich entstehen. Dies ist jedoch überwiegend nicht der Fall. Vielmehr

ist davon auszugehen, dass die Speichernutzung in der Regel nicht zu dimensionierungsrele-

vanten Spitzenbelastungen der Netzinfrastruktur führt. Insbesondere führt der Bezug von Strom

zur Speicherfüllung nicht zu einer höheren Netzbelastung als die Entnahme aus dem Speicher,

und letztere würde in Analogie zu Erzeugungsanlagen ohnehin zumindest nicht mit dem Netz-

nutzungsentgelt belastet.

Die Netzverluste können durch Speichereinsatz im Einzelfall zu- oder abnehmen, aber auch

dies wird durch das Netzverlustentgelt nicht adäquat abgebildet, da es nicht grenzkostenorien-

tiert gestaltet ist.

Es erscheint daher nicht sachgerecht, die Zwischenspeicherung von Strom durch netzseitige

Entgelte zu belasten. Insbesondere vor dem Hintergrund der großen Bedeutung, die der Bereit-

stellung von Flexibilitäten im zunehmend regenerativ und damit von verstärkten Fluktuationen

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 17

geprägten Stromversorgungssystem zukünftig zukommen wird, sollten ökonomisch schwach

oder nicht begründbare Hemmnisse für den Speichereinsatz möglichst abgebaut werden.14

Die Gutachter sprechen sich aufgrund der obigen Überlegungen dafür aus, die Belastung von

Speichern15 mit netzseitigen Entgelten möglichst weitgehend zu reduzieren, etwa indem die

derzeit bis 2020 geltende Aussetzung der verbrauchsseitigen Netzentgelte für neue Speicheran-

lagen auch auf Bestandsanlagen (unabhängig von der verwendeten Speichertechnologie) aus-

gedehnt und zeitlich unbefristet fortgeführt wird. Allenfalls wäre eine Entgeltbelastung erwä-

genswert, die sich an den Wirkungsgradverlusten von Speichern orientiert.16 Hinsichtlich der

Entgeltbelastung für die Rückspeisung von Strom ins Netz ist die obige Empfehlung konform

zu der in Abschnitt 3.2.2 ausgesprochenen Empfehlung einer weitgehenden Reduktion der er-

zeugungsseitigen Entgelte.

14 Diese Überlegung wird auch nicht durch die Tatsache in Frage gestellt, dass im Rahmen des internationalen

Stromgroßhandels Stromflüsse in Österreich durch die Nutzung österreichischer Speicherkraftwerke zum Nut-

zen ausländischer (z. B. deutscher) Akteure auftreten. Diesen Netzbelastungen stehen entsprechende Netzbe-

lastungen im Ausland durch Importe österreichischer Versorgungsunternehmen gegenüber, denn der grenz-

überschreitende Stromaustausch ist auf den Nutzen beider bzw. aller beteiligten Seiten hin ausgerichtet, so dass

hier keine einseitige Belastung der Länder, die über große Speicherkapazitäten verfügen, stattfindet. Zudem

wurde auf der Übertragungsebene in Europa ein separates System von Ausgleichszahlungen für Netzbelastun-

gen durch den internationalen Stromaustausch etabliert (die „Inter TSO Compensation“, ITC), so dass dieser

Aspekt keiner zusätzlichen Berücksichtigung in den nationalen Entgeltsystemen bedarf.

15 Es ist hervorzuheben, dass die Überlegungen und Empfehlungen in diesem Abschnitt ausschließlich die Spei-

cherung von Strom zum Zweck der späteren Wiedereinspeisung ins Netz betreffen (s. Abschnitt 3.2.1 bzw. [1],

S. 18f) und nicht die Nutzung von Speichern durch Netzkunden zur Optimierung ihrer Eigenerzeugung oder

zur Zwischenspeicherung von Strom zur späteren Deckung ihres eigenen Bedarfs (d. h. Speichern am Ende der

Versorgungskette).

16 Soweit Strom nicht zwischengespeichert wird, sondern aufgrund von Wirkungsgradverlusten nicht wieder ein-

gespeist wird, könnte man auf diesen Anteil evtl. Netzentgelte erheben, weil man die Auffassung vertreten

könnte, dass es sich dabei um Letztverbrauch handelt. Hierbei wäre zu überlegen, eine solche Komponente

allenfalls netzebenenunabhängig auszuführen, um Verzerrungen zwischen Speichern mit unterschiedlichen

Anschlussebenen zu vermeiden.

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18 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

3.3 Ausgewählte Empfehlungen zu Entgelt- bzw. Kostenkomponenten

3.3.1 Vorbemerkungen

In diesem Abschnitt werden auf erzeugungsseitige Aspekte bezogene Empfehlungen des

Hauptgutachtens zu konkreten Anpassungen der derzeitigen Systemnutzungsentgeltsystematik

zusammengefasst, punktuell ergänzt um Anmerkungen zu weiteren erzeugungsseitigen Entgel-

ten außerhalb der formalen Systemnutzungsentgelte. Die Anpassungen tragen zur Umsetzung

der in Abschnitt 3.2 abgeleiteten Grundsatzempfehlungen, insbesondere zur Reduktion des Bei-

trags der Erzeugung zur Netzkostentragung, bei. Es sei betont, dass dies jedoch keineswegs das

einzige oder auch nur das führende Ziel der im Hauptgutachten insgesamt empfohlenen Anpas-

sungen ist. Vielmehr zeigen die dortigen umfangreichen Ausführungen, dass sich die erzeu-

gungsseitigen Aspekte in einen größeren Katalog von Empfehlungen einfügen, wobei teilweise

mit einzelnen Maßnahme mehreren Zielen gedient wird (z. B. stärkere Gewichtung leistungs-

abhängiger Komponenten und Vereinfachung der Entgeltsystematik).

3.3.2 Netzverluste

Die Gutachter sprechen sich dafür aus, das Netzverlustentgelt abzuschaffen, die damit gedeck-

ten Verlustkosten in die allgemeinen Netzkosten zu integrieren und somit über das Netznut-

zungsentgelt zu wälzen.

Das Netzverlustentgelt stellt in Anbetracht seiner Pauschalität kein auf marginale Verlustbe-

einflussung gerichtetes effizientes Preissignal dar, sondern eine reine Kostenumlage. Eine sol-

che kann aber, was die verbraucherseitige Tragung angeht, problemlos auch durch das Netz-

nutzungsentgelt erfolgen, denn sowohl die Bezugsgröße (Arbeit) als auch die Differenzierung

nach Netzebenen bestehen auch dort.

Der wesentliche Unterschied gegenüber dem Netznutzungsentgelt besteht somit darin, dass das

Netzverlustentgelt auch von Erzeugern zu zahlen ist. Gerade diese Eigenschaft wird von den

Gutachtern aber als problematisch angesehen, da das Entgelt einen nicht durch ökonomisch

effiziente Anreizsetzung begründbaren Einfluss auf Standortwahl und Einsatzweise von Erzeu-

gungsanlagen im internationalen Wettbewerb ausübt. Dieser Einfluss ist zusätzlich deswegen

als besonders kritisch anzusehen, weil die Höhe des Entgelts von der Netzebene abhängt, ohne

jedoch die jeweiligen Grenzkosten zu reflektieren.

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 19

Über die erzeugungsseitige Wirkung hinaus stellt die Eingliederung der Netzverlustkosten in

die allgemeine Netzkostenbasis, die über das Netznutzungsentgelt gedeckt wird, einen Beitrag

zur Vereinfachung der Systemnutzungsentgeltsystematik dar.

3.3.3 Systemdienstleistungen

Die Tragung der Kosten der Leistungs-/Frequenzregelung im österreichischen Regelblock ist

nach den Reservearten differenziert. Die Kosten der Primärregelung werden vollständig von

den Erzeugern, die Kosten der Tertiärregelung vollständig von den Bilanzgruppen und die Kos-

ten der Sekundärregelung im Verhältnis 78:22 (Erzeuger : Bilanzgruppen) von beiden Nutzer-

gruppen getragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Erzeuger über ihre Mitgliedschaft in

Bilanzgruppen auch an deren Kosten beteiligt werden.

Die Abstufung dahingehend, dass der von Erzeugern zu tragende Anteil von der Primär- über

die Sekundär- zur Tertiärregelung hin abnimmt, ist angesichts der Verursachungseigenschaften

der drei Regelleistungsarten im Grundsatz sachgerecht.

Im Detail ist allerdings zu hinterfragen, ob das im ElWOG festgelegte Kostenallokationsver-

hältnis für die Sekundärregelungskosten angemessen ist. Der durch die Erzeuger zu tragende

Anteil von 78 % erscheint den Gutachtern sehr hoch, wenn berücksichtigt wird, dass der be-

triebliche Einsatz der Sekundärregelung ganz überwiegend zur Ausregelung von Prognosefeh-

lern der Bilanzgruppen erfolgt und die Höhe der vorgehaltenen Sekundärregelleistung sowohl

von diesen Prognosefehlern als auch von Eigenschaften des Erzeugungssystems in signifikan-

tem Umfang getrieben wird. Aus Sicht der Verursachungsgerechtigkeit wäre es daher sachge-

rechter, einen deutlich höheren Kostenanteil über die Ausgleichsenergiepreise an die Bilanz-

gruppen zu verrechnen. Hierdurch würde das Systemdienstleistungsentgelt abgesenkt, das – da

es arbeitsbezogen verrechnet wird – unmittelbaren Einfluss auf Kraftwerkseinsatzentscheidun-

gen hat. Im Sinne der Ausführungen in Abschnitt 3.2.2 wäre dies zu begrüßen, zumal auch hier

keine international harmonisierte Praxis vorherrscht.17

17 In Deutschland werden z. B. die Regelleistungsvorhaltungskosten über die verbrauchsseitigen Netzentgelte

und die Einsatzkosten über die Ausgleichsenergiepreise verrechnet, so dass die Erzeuger überhaupt nicht un-

mittelbar an der Kostentragung beteiligt werden.

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20 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Zur Vereinfachung der Entgeltsystematik könnte sogar eine vollständige Tragung der Sekun-

därregelungskosten durch die Bilanzgruppen erwogen werden. Allein aus Sicht der Verursa-

chungsgerechtigkeit könnte diese Zuordnung zwar als zu einseitig angesehen werden; jedoch

ist, wie oben bereits erwähnt, zu berücksichtigen, dass Erzeuger über die Bilanzgruppen, deren

Mitglieder sie sind, auch in diesem Fall mittelbar weiterhin an der Tragung der Sekundärrege-

lungskosten beteiligt wären.

Die Kosten der Primärregelung werden formal außerhalb der Systemnutzungsentgelte durch

separate Verrechnung an die Erzeuger gedeckt. Auch wenn der Betrag (gegenwärtig ca.

0,3 €/MWh) deutlich geringer ist als der des Systemdienstleistungsentgelts (2,51 €/MWh), hat

er aufgrund seiner arbeitsbezogenen und zeitlich verzögerten Verrechnung Einfluss auf Kraft-

werkseinsatzentscheidungen. Aus Verursachungssicht ist hier, wie oben erwähnt, grundsätzlich

ein höherer Erzeugungsanteil als bei den Kosten der Sekundärregelung zu vertreten. Jedoch

kommt auch diese Regelleistungsart anteilig auch zum Ausgleich von Bilanzgruppenungleich-

gewichten – beispielsweise durch das sog. Lastrauschen – zum Einsatz.

Sowohl das Systemdienstleistungsentgelt als auch das Entgelt für die Kompensation der Kosten

der Primärregelung sind derzeit von Erzeugern mit einer Anschlussleistung von mehr als 5 MW

zu zahlen. Unabhängig vom insgesamt auf Erzeugung entfallenden Kostenanteil sollte diese

Schwelle auf Sachgerechtigkeit geprüft werden. Hierbei sollte berücksichtigt werden, in wel-

cher Weise sich Eigenschaften von Erzeugungsanlagen wie Blockgröße und Steuerbarkeit auf

Vorhaltung und Einsatz der Regelleistungsqualitäten auswirken und welche diesbezüglichen

Änderungen im Erzeugungspark in den vergangenen Jahren aufgetreten bzw. für die Zukunft

zu erwarten sind. Eine eingehendere Untersuchung dieser Fragestellung ist nicht Gegenstand

dieses bzw. des Hauptgutachtens. Insofern als eine Entwicklung hin zu kleineren dezentralen

Erzeugungsanlagen zu beobachten wäre, dürfte jedoch bei gleich bleibender Größenschwelle

tendenziell eine Entsolidarisierung der Kostentragung eintreten, wenn ein zunehmender Anteil

der Gesamterzeugung auf Anlagen unterhalb der Schwelle entfällt und man davon ausgeht, dass

auch kleine Anlagen einen Beitrag zum Regelleistungsbedarf beisteuern. Dies spräche, in Ver-

bindung mit der Tatsache, dass der konkrete Betrag der Schwelle vermutlich eher aufgrund von

Praktikabilitätserwägungen als aufgrund von technischen Eigenschaften festgelegt wurde, für

eine Absenkung des Schwellenwerts.

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 21

3.3.4 Messentgelt

Zur Vereinfachung der Entgeltstruktur erscheint den Gutachtern eine Abschaffung des Mess-

entgelts erwägenswert.18 Die darüber bisher gedeckten Kosten würden dann in die allgemeine

Netzkostenbasis integriert und über das Netznutzungsentgelt abgegolten. Durch dessen Diffe-

renzierung nach Netzebenen würde ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Messein-

richtungen damit weiterhin erfasst.

Ein solcher Schritt würde zu einer in Anbetracht der Ausführungen in Abschnitt 3.2.2 wün-

schenswerten Entlastung der Erzeuger führen. Es würde allerdings keine vollständige Befreiung

der Erzeuger von der Tragung der Messkosten eintreten, denn durch das Netznutzungsentgelt

auf zeitweise anfallende Stromentnahme (z. B. für Eigenbedarf bei Stillstand oder Anfahrt)

würde eine gewisse Kostenbeteiligung weiterhin erfolgen.

3.3.5 Sonderregelung für negative Regelenergie

Zu Beginn des Jahres 2014 wurde die Entgeltsystematik um eine Regelung ergänzt, die für

Verbraucher, die negative Regelenergie erbringen, ein reduziertes Netznutzungsentgelt (für den

auf die Regelenergie entfallenden Mehrverbrauch) vorsieht.19 Als Begründung wurde vom Ver-

ordnungsgeber angeführt, dass hierdurch die Liquidität des Regelenergiemarkts erhöht werden

soll.

Die Erbringung von Regelenergie ist allerdings keine netzdienliche, sondern eine markt- bzw.

systemdienliche Dienstleistung. Damit ist gemeint, dass die Erbringung von Regelenergie nicht

dazu dient, die Belastung des Netzes zu steuern, um beispielsweise dessen lokale Überlastung

zu vermeiden. Vielmehr dient sie dazu, die Frequenzhaltung und damit die globale Systemsta-

bilität zu gewährleisten. Die Belastung des Netzes kann dadurch sogar ansteigen, etwa durch

Synchronisierungseffekte. Die genannte Regelung erscheint daher nicht sachgerecht, da die

Netzentgelte insoweit zweckentfremdet werden.

18 Für eine ausführlichere Diskussion siehe [1], S. 69 ff.

19 Obgleich diese Regelung Verbraucher adressiert, wird sie im vorliegenden Ergänzungsgutachten mit betrach-

tet, denn erstens ist die Regelleistungserbringung weiterhin überwiegend Sache der Erzeuger, und zweitens

handelt es sich bei den von dieser Sonderregelung betroffenen Anlagen vielfach nicht um „normale“ Letztver-

brauchsanlagen, sondern um dezidiert zur Flexibilitätserbringung von Erzeugungs- bzw. Versorgungsunter-

nehmen errichtete (z. B. Power-to-Heat-)Anlagen.

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22 Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016

Die praktische Umsetzung erweist sich darüber hinaus als aufwendig, weil die Zeitreihen der

Abnahme jedes betroffenen Regelenergieanbieters viertelstundenscharf in regelenergiebe-

dingte und residuale, also dem Letztverbrauch dienende, Anteile zerlegt und getrennt weiter-

verarbeitet bzw. zwischen Netzbetreibern ausgetauscht werden müssen. Perspektivisch könnte

es darüber hinaus als diskriminierend und/oder ökonomisch suboptimal und damit generell als

fragwürdig erscheinen, dass gerade die negative Regelenergie eine derartige Sonderbehandlung

erfährt. Denn im Kontext der „Energiewende“ sind zukünftig vielfältige Flexibilitätsdienstleis-

tungen denkbar, die kaum alle aus der residualen Netznutzung herausgerechnet werden können

oder sollten.

Es wird daher empfohlen, die Sonderregelung für Verbraucher, die negative Regelenergie er-

bringen, aufgrund fehlender Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit abzuschaffen. Ggf.

vorhandene Hemmnisse für das Angebot von Regelenergie sollten bzw. müssten an anderer

Stelle abgebaut oder kompensiert werden, z. B. bei den unmittelbaren Regelungen für die Re-

gelenergiemärkte.

Es sei darauf hingewiesen, dass diese Empfehlung aus den in Abschnitt 3.1 genannten Prämis-

sen und Zielen folgt, insbesondere der Forderung nach Verursachungs- bzw. Verteilungsge-

rechtigkeit und Praktikabilität sowie dem Ansatz, im Status Quo bestehende Inkonsistenzen im

Sinne dieser Ziele zu beheben. Bei Vorgabe zusätzlicher oder anders gewichteter Zielsetzungen

könnte man zu anderen Schlüssen kommen, die dann jedoch nicht nur auf die Sonderregelung

für negative Regelenergie beschränkt blieben. Würde man beispielsweise das Setzen von An-

reizen zu volkswirtschaftlich effizienten Bau- und Einsatzentscheidungen von Erzeugungs- und

Verbrauchsanlagen gegenüber einer gerechten Umlage der Netzkosten priorisieren, dann würde

der Nutzen von kostengünstig erbringbarer Regelenergie – etwa durch Power-to-Heat-Anlagen

mit geringen Fixkosten – stärker gewichtet, jedoch mit der Folge, dass andere Ziele in geringe-

rem Maße erfüllt würden, wie z. B. die Ausgestaltung der Netzentgelte abhängig von der Höhe,

jedoch unabhängig von der Art der Netznutzung. Es würde also eine Senkung der insgesamt

anfallenden Systemdienstleistungskosten angereizt unter der Voraussetzung, dass hierdurch ein

Anstieg der Netzkosten nicht oder jedenfalls in im Erwartungswert geringerem Umfang ein-

träte.

In der Konsequenz stünde damit allerdings eine Entlastung sämtlicher verbrauchsseitiger Fle-

xibilitäten (einschließlich Speicherung) im Raum. Je stärker deren Anteil zunähme, desto stär-

ker wären die Verteilungseffekte der Netzentgelte für die restlichen Verbraucher. Dies könnte

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Ergänzungsgutachten für Oesterreichs Energie, 15.1.2016 23

letztlich eine grundsätzliche Umstellung der Netzkostentragung erfordern. Ein derartiger Para-

digmenwechsel könnte langfristig in Betracht kommen, läge jedoch außerhalb des zeitlichen

und inhaltlichen Horizonts des Haupt- wie auch des vorliegenden Ergänzungsgutachtens.

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4 Zusammenfassung

In Österreich wird die Stromerzeugung in starkem Maße zur Tragung netz- und systemseitiger

Kosten herangezogen. Die aus der internationalen Wettbewerbssicht besonders relevanten

Nachbarländer Österreichs bzw. der deutsch-österreichisch-luxemburgischen Gebotszone wei-

sen dagegen keine oder teils erheblich geringere G-Komponenten auf.

Die Angemessenheit dieser Belastung österreichischer Erzeuger im internationalen Wettbe-

werb erscheint den Gutachtern vor dem Hintergrund einer mangelnden EU-weiten Harmonisie-

rung der Kostenallokationsprinzipien zumindest fragwürdig. Auch ACER konstatiert aufgrund

uneinheitlicher Tarifstrukturen eine Gefahr verzerrter Investitions- und Einsatzentscheidungen

und fordert den Verzicht auf – jedenfalls energiebezogene – G-Komponenten.20

Im Rahmen eines wissenschaftlichen, von den Positionen des Branchenverbandes sowie ein-

zelner Interessengruppen der Branche unabhängigen Gutachtens [1] zur Weiterentwicklung der

österreichischen Systemnutzungsentgeltsystematik sprechen sich die Gutachter daher – neben

einer Vielzahl weiterer Empfehlungen – für eine deutliche Reduktion des Beitrags der Erzeuger

zur Netzkostentragung aus. Im vorliegenden Ergänzungsgutachten werden die hierauf bezoge-

nen konkreten Empfehlungen dezidiert herausgearbeitet:

Abschaffung des Netzverlustentgelts und des Messentgelts bei Integration der darüber ver-

rechneten Kosten in die Kostenbasis des Netznutzungsentgelts;

Deutliche Erhöhung des über die Ausgleichsenergiepreise an die Bilanzgruppen verrechne-

ten Anteils der Sekundärregelungskosten; sowie

Reduktion der Belastung von Strom-Zwischenspeichern mit netzseitigen Entgelten, etwa

indem die derzeit bis 2020 geltende Aussetzung der verbrauchsseitigen Netzentgelte für

neue Speicheranlagen auf Bestandsanlagen (unabhängig von der verwendeten Speicher-

technologie) ausgedehnt und zeitlich unbefristet fortgeführt wird. Allenfalls wäre eine Ent-

geltbelastung erwägenswert, die sich an den Wirkungsgradverlusten von Speichern orien-

tiert.

Des Weiteren plädieren die Gutachter im Rahmen der Prämissen und Zielsetzungen des Haupt-

gutachtens (insbesondere der Forderung nach Verursachungs- bzw. Verteilungsgerechtigkeit

20 Siehe [3], S. 10

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und Praktikabilität) für die Abschaffung der Sonderregelung für Verbraucher, die negative Re-

gelenergie erbringen. Bei Vorgabe abweichender Zielsetzungen könnte man zu anderen Schlüs-

sen kommen, die dann jedoch nicht nur auf die Sonderregelung für negative Regelenergie be-

schränkt blieben, sondern alle verbrauchsseitigen Flexibilitäten umfassen würden und letztlich

in eine grundsätzliche Umstellung der Netzkostentragung münden könnten.

Bei der Beurteilung der obigen Empfehlungen ist zu beachten, dass selbst bei deren vollständi-

ger Umsetzung eine gewisse Benachteiligung österreichischer Erzeuger gegenüber Erzeugern

in anderen Ländern verbliebe, beispielsweise im Vergleich zu Deutschland aufgrund der dorti-

gen vermiedenen Netzentgelte.

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Literatur

[1] Consentec und Prof. Bogner

Evaluierung der Grundlagen und Weiterentwicklung der

Systemnutzungs-/entgelte/-regelungen im Bereich der öffentlichen Elektrizitäts-

netze

Gutachten im Auftrag von Oesterreichs Energie, Aachen/Wien, 19.6.2015, http://oes-

terreichsenergie.at/branche/stromnetze/weiterentwicklung-der-tarifstruktur.html (abge-

rufen am 23.11.2015)

[2] European Network of Transmission System Operators – ENTSO-E

ENTSO-E Overview of Transmission Tariffs in Europe: Synthesis 2015

Brüssel, Juni 2015, https://www.entsoe.eu

[3] Agency for the Cooperation of Energy Regulators – ACER

Scoping towards potential harmonisation of electricity transmission tariff struc-

tures – Conclusions and next steps

Ljubljana, December 2015, http://www.acer.europa.eu