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Eisen Brief 3

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Aktuelle Empfehlungen zur Therapieder Eisenmangelanämie– Update 2005

Die Eisenmangelanämie ist eine häufige Komplikation bei chronisch krankenPatienten, aber auch bei menstruierenden Frauen und in der Schwangerschaft.Der Eisenhaushalt läßt sich heute mittels Bestimmung von Serum-Ferritin,Transferrin-Sättigung und ggf. von hypochromen Erythrozyten und CHr exakt undrelativ unaufwändig charakterisieren. Geringe Resorption und mangelndeVerträglichkeit limitieren in vielen Fällen eine orale Substitution. Inwieweit hierorale Hämeisen-Präparate eine effizientere und verträglichere Alternative darstel-len, muss noch durch weitere klinische Studien geklärt werden. Zur parenteralenEisentherapie stehen eine Reihe von intravenösen Präparaten zur Verfügung. Dieneugefassten European Best Practice Guidelines empfehlen Eisensaccharose(Venofer®) als Präparat der Wahl zur parenteralen Eisentherapie, da hiermit einehochdosierte Eisensubstitution ohne Anaphylaxie (wie bei Cosmofer®) oder aku-ter Eisentoxizität (wie bei Ferrlecit®) möglich ist.

Pathophysiologie, Symptomatologie undEpidemiologie des EisenmangelsDer Eisenbestand des Menschen beträgt etwa 3000 - 5000 mg. Im Säugetierorganis-mus kommen dem Eisen 3 wichtige Funktionen zu: 1.) Als Zentralatom im Porphy-ringerüst spielt Eisen im Hämoglobin und Myoglobin eine wichtige Rolle beim Sauer-stofftransport, 2.) In den Speicher- bzw.Transportformen liegt Eisen an Ferritin oderHämosiderin bzw.Transferrin gebunden vor und 3.) Als Bestandteil der Cytochrome istEisen für den Elektronentransport innerhalb der Atmungskette verantwortlich. DieEisenmangelanämie ist das klinisch vorherrschende Symptom eines Eisenmangels.Neben den Erythropoese-assoziierten Symptomen kann es bei Eisenmangel durchAktivitätsminderung eisenabhängiger Enzyme zu Schleimhautatrophie, neurogenerDystonie und Muskelschwäche kommen. Weltweit leiden mehr als 1,5 MilliardenMenschen an einer Eisenmangelanämie. Selbst in Westeuropa ist auch heute noch derEisenmangel die häufigste Ursache einer Anämie. Normalerweise beträgt derEisenverlust nur etwa 1 mg pro Tag, und bei einer täglichen Eisenzufuhr mit derNahrung von 10 – 20 mg ist eine ausreichende Eisenversorgung trotz der relativ gerin-gen Resorptionsrate (10%) des Nahrungseisens in der Regel gewährleistet. GrößereEisenverluste im Rahmen von Blutungen oder bei verminderter Resorption können rela-tiv rasch zu einem Eisenmangel und einer Eisenmangelanämie führen. HäufigsteUrsache einer Eisenmangelanämie ist der durch die Menstruation bedingte Blutverlust,aber auch persisitierende gastrointestinale Blutverluste können einen Eisenmangelbedingen (1).

Diagnostik des Eisen-MetabolismusZur diagnostischen Beurteilung des Eisenhaushalts können heute alle drei Kompartimen-te des Eisenstoffwechsels relativ unaufwändig überwacht werden: das Speichereisendurch Bestimmung des Serum-Ferritins, der Eisentransport in der Zirkulation mittelsTransferrinsättigung und die Eisenutilisation im Knochenmark als prozentualer Anteil derhypochromen Erythrozyten oder als Hämoglobingehalt der Retikulozyten (CHr).

FerritinSerumferritin ist ein relativ spezifischen Indikator für die Eisenspeicherung im retiku-loendothelialen System. Die Normalwerte für Ferritin liegen für Frauen bei 20 - 100 µg/l,für Männer zwischen 30 und 300 µg/l, wobei eine Serumferritinkonzentration von 100 µg/l etwa 1 g Speichereisen repräsentiert. Werte unter 15 µg/l gelten als Zeicheneines absoluten Eisenmangels. Bei ausgeprägter Eisenüberladung (Hämosiderose,Hämochromatose) können Ferritinwerte von über 10.000 µg/l vorkommen. Allerdings

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kann das Serum- Ferritin bei Lebererkrankungen, Malignomen und Infektionen bzw.Entzündungsreaktionen erhöht gefunden werden, ohne dass eine vermehrte Eisenspei-cherung vorliegt (2).

Transferrin-Sättigung (TSAT)Die Transferrin-Sättigung ist ein Maß für die Eisenbeladung des zirkulierenden Trans-ferrins, welches für den Transport von Eisen aus den Speichern zum Knochenmark ver-antwortlich ist. Bei einer Sättigung von weniger als 20% geht man von einer Unter-versorgung des Knochenmarks mit Eisen aus, d.h. es kommt zu einer eisendefizitärenErythropoese. Eine erniedrigte Transferrin-Sättigung (<20%) hat eine relativ hohe Sen-sitivität (90%) für das Erkennen von Eisenmangelzuständen, jedoch nur eine relativniedrige Spezifität (40%) (2).

Prozentsatz hypochromer ErythrozytenDas Auftreten von hypochromen Erythrozyten in der Zirkulation gilt als sensitiver Para-meter für das Vorliegen einer eisendefizitären Erythropoese. Der Prozentsatz der hypo-chromen Erythrozyten ermöglicht also – anders als die indirekten Parameter Ferritin undTransferrinsättigung – eine direkte quantitative Abschätzung der Eisenversorgung desKnochenmarks. Allerdings kann dieser Parameter nur von speziellen Blutbildanalysa-toren bestimmt werden: Technikon-H*3 System oder Advia 120 (Bayer Diagnostics). Alshypochrome Erythrozyten gelten solche, deren Hämoglobinkonzentration unter 28 g/dlliegt. Normalerweise finden sich in der Zirkulation weniger als 2,5% hypochromeErythrozyten, Werte über 10% zeigen mit hoher Sensivität eine eisendefizitäre Erythro-poese an. Bei langanhaltender eisendefizitärer Blutbildung unter rhEPOTherapie kannes zu einem Anstieg dieser hypochromen Subpopulation auf mehr als 50% kommen (3).

CHrModerne Blutbildanalysatoren sind heute in der Lage, individuelle Retikulozyten hin-sichtlich ihres Volumens (MCVr) und Hämoglobingehalts (CHr) zu beurteilen. Ein CHr-Wert <29 pg (Technikon-H*3 System oder Advia 120) gilt als eindeutiger Hinweis für dasVorliegen einer eisendefizitären Erythropoese.Vergleichbar mit dem Prozentsatz hypo-chromer Erythrozyten ist auch der CHr-Wert ein direkter Indikator für die Eisenversor-gung des Knochenmarks, der in der Lage ist, eine eisendefizitäre Erythropoese inner-halb weniger Tage zu detektieren (4).

Absoluter EisenmangelBei einem absoluten Eisenmangel besteht eine ausgeprägte Verminderung des Spei-chereisens. Die Ferritinwerte liegen unter 15 – 20 µg/l, in schweren Fällen bestehtAferritinämie. In der Regel geht der absolute Eisenmangel auch mit einer Eisenmangel-anämie einher. Es gibt allerdings auch Patienten mit relativ niedrigen Ferrtinwerten, dienoch keine Anämie entwickelt haben. In solchen Fällen spricht man auch von einemlatenten Eisenmangel (Tab. 1).

EisenmangelanämieEine Eisenmangelanämie liegt vor, wenn es bei einer Verminderung des Speichereisenszum Abfall der Hämoglobin-Konzentration kommt. Die Erythrozyten sind typischerwei-se hypochrom und mikrozytär.

Eisenmangel undEisenmangelanämie

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Funktioneller EisenmangelVon einem funktionellen Eisenmangel spricht man, wenn es bei adäquatem Speicher-eisen (Ferritin normal) zu einer unzureichenden Eisenversorgung der Erythropoese(eisendefizitäre Erythropoese) kommt. Inwieweit eine ausreichende Eisenversorgungder Erythropoese vorliegt, läßt sich durch Bestimmung des Prozentsatzes an hypo-chromen Erythrozyten (Normwert < 2,5%) oder durch Messung des retikulozytärenHämoglobingehalts CHr (Normwert: >29 pg) eindeutig feststellen. Steigt der Anteil derhypochromen Erythrozyten deutlich über 2,5% oder kommt es zu einem Abfall des CHrunter 29 pg, ist die Erythropoese eisendefizitär. Ein funktioneller Eisenmangel tritt inpraxi häufig bei pharmakologisch stimulierter Erythropoese auf, wenn bei Verwendungsehr hoher Epoetindosen die begrenzte Transportkapaztät des Transferrins nicht mehrausreicht, den gesteigerten Eisenbedarf des Knochenmarks zu decken. Im Labor findetsich typischerweise ein normales Ferritin, während die Transferrin-Sättigung deutlicherniedrigt ist. Ein funktioneller Eisenmangel findet sich darüber hinaus auch bei chro-nisch entzündlichen oder malignen Erkrankungen, wo Eisen aus der Zirkulation zurückin die Speicher verlagert wird. Im Labor findet man Ferritin normal oder erhöht, dieTransferrin-Sättigung ist häufig nur gering erniedrigt, da Transferrin und Serumeisenbeide als negative Akutphasen- Parameter erniedrigt sind (Tab. 1).

Renale Anämie und EisenbedarfZur Entwicklung einer Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz kommt es, sobald dieglomeruläre Filtrationsrate unter 60 ml/min abfällt. Patienten mit einer GFR von wenigerals 30 ml/min sind in der überwiegenden Mehrzahl anämisch. Pathogenetisch liegt derrenalen Anämie in erster Linie ein relativer Erythropoetinmangel durch Minderpro-duktion in der erkrankten Niere zugrunde. Eine Therapie der renalen Anämie mit Epoetinwird heute empfohlen, wenn ein Hämoglobinwert von 11 g/dl unterschritten wird. Füreinen ökonomischen Einsatz von Epoetin ist es entscheidend, dass stets eine adäqua-te Eisenversorgung der Erythropoese gewährleistet ist (5). Bei einer Epoetin-Therapie ist der Eisenbedarf in der Korrekturphase größer als bei derdarauf folgenden Erhaltungstherapie. Zur Anämiekorrektur benötigt man für einenHämoglobinanstieg um 1 g/dl schätzungsweise 150 mg Eisen. Bei einer beabsichtigtenKorrektur von z.B. 3 g/dl sind zur Hämoglobinsynthese 450 mg Eisen erforderlich. Auchin der Erhaltungsphase der Epoetinbehandlung besteht nach wie vor ein gewisserEisenbedarf, der bei Prädialysepatienten, nach Nierentransplantation und beiPeritonealdialysepatienten relativ gering ist, bei Hämodialysepatienten dagegen 1- 3 gpro Jahr betragen kann. Die Substitution solcher Eisenmengen ist in der Regel nurintravenös möglich, da die meisten Patienten eine höher dosierte orale Eisentherapiewegen intestinaler Nebenwirkungen nicht toleriert. Bei parenteraler Substitution musswegen des Risikos einer iatrogenen Eisenüberladung eine regelmäßige Kontrolle desSerum-Ferritins erfolgen (6).

Eisentherapie bei EpoetinbehandlungZu Beginn einer Behandlung mit Epoetin sollten Ferritin und Transferrin-Sättigung be-stimmt werden. Optimale Voraussetzung für ein Ansprechen auf Epoetin sind ein Serum-ferritin von mehr als 200 µg/l und eine Transferrin-Sättigung von über 20%. BeideParameter sollten in der Erhaltungsphase einer Epoetin-Behandlung einmal pro Quartalkontrolliert werden. Zur Erkennung eines funktionellem Eisenmangels hilft die Bestimm-ung der hypochromen Erythrozyten oder des Hämoglobingehalts der Retikulozyten(CHr) diagnostisch weiter. Liegt der Anteil der hypochromen Erythrozyten über 10% bzw.findet sich ein CHr-Wert von weniger als 29 pg, ist Eisensubstitution indiziert (6).

Orale EisentherapieIn der Regel ist der Bedarf an Eisen in der Prädialysephase und bei Peritonealdialyse-patienten wegen der weniger ausgeprägten Anämie und wegen des fehlenden Blutver-lusts deutlich geringer als bei Hämodialysepatienten. Dies gilt sowohl für die Korrektur-wie auch für die Erhaltungsphase der Epoetin-Therapie. Deshalb ist es hierbei durch-aus vertretbar, den Effekt einer oralen Eisentherapie abzuwarten, bevor man mit einerparenteralen Eisensubstitution beginnt. In diesem Zusammenhang soll noch auf eine

I. Nephrologie

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neuartige orale Therapieoption, nämlich Hämeisen-Polypeptid verwiesen werden.Hämeisen-Polypeptid wird aus Rinder- oder Schweineblut gewonnen. Im Intestinumwird Hämeisen über einen speziellen Rezeptor aufgenommen, ohne dass dabei freieEisenionen enstehen. Erste Studien am Menschen weisen darauf hin, dass Hämeiseneine wesentlich bessere Bioverfügbarkeit hat als herkömmliche Eisensalze (7). In einerUntersuchung an 37 Hämodialysepatienten über 6 Monate konnte man bei der Mehr-zahl der Patienten unter Therapie mit Hämeisen-Polypeptid vollständig auf eine paren-terale Eisensubstitution verzichten. Vier Patienten mussten von Hämeisen auf parente-rales Eisen umgestellt werden, da sie entweder über gastrointestinale Unverträglichkeitklagten, oder es zu einer Unterversorgung mit Eisen kam (8).

Parenterale EisentherapieBei Hämodialysepatienten muss die Eisentherapie bedingt durch Blutverluste imRahmen der extrakorporalen Therapie in der Regel intravenös erfolgen. Dabei empfiehltes sich in der Korrekturphase, insgesamt 1000 mg Eisen (über 6 – 12 Wochen) zurSicherstellung der Eisenversorgung der durch Epoetin stimulierten Erythropoese undzur Auffüllung der Eisenspeicher zu verabreichen. Bei der Eisensubstitution in der Er-haltungsphase werden sehr unterschiedliche Applikationsregime durchgeführt. DasSpektrum reicht dabei von der Gabe kleinster Eisenmengen (10 - 20 mg) bei jederDialysebehandlung bis hin zur monatlichen Einmalgabe von 250 mg Eisensaccharoseals Kurzinfusion (9). Mit Eisensaccharose ist eine sichere Eisensubstitution möglich, solange die Applikationstreng intravenös und ausreichend langsam erfolgt. Je höher die applizierteEinzeldosis, desto langsamer sollte injiziert werden. Bei Hämodialysepatienten ist diesin praxi relativ unproblematisch, da in der Regel ein sicherer intravenöser Zugangbesteht, die Eisengabe langsam während der Dialysebehandlung erfolgen kann und nurselten höhere Einzeldosen appliziert werden müssen (10). Nur durch parenteraleEisensubstitution ist es möglich, depletierte Eisenspeicher in kurzer Zeit wieder aufzu-füllen und gleichzeitig genügend Eisen für die gesteigerte Hämoglobinsynthese beiEpoetintherapie zur Verfügung zu stellen. Dass eine adäquate Eisensubstitution (in derRegel parenteral) der entscheidende Faktor für eine optimale Nutzung von Epoetin ist,ist inzwischen durch zahlreiche Studien belegt. Im Schrifttum wurde ein Einsparpoten-tial bei der Epoetindosis von bis zu 70% berichtet (11).

Pathogenese des EisenmangelsBlutverlust ist in der westlichen Welt die häufigste Ursache für Eisenmangel. Neben derMonatsblutung sind es in der Regel gastrointestinale Erkrankungen, die einen patholo-gischen Blut- und damit Eisenverlust verursachen. Darüber hinaus können auch Eisen-resorptionstörungen, wie sie z.B. bei Zöliakie oder anderen Formen der Malabsorptionvorkommen können, zu einem Eisenmangelzustand führen.

Monitoring des Eisenhaushaltseines gastrointestinalen Blutungverlusts erfolgt mittels Gastroduodeno- und Colosko-pie. In der gastroenterologischen Praxis unterscheidet man Patienten, die nur vorüber-gehend Blut verlieren von solchen, die an einem chronischen Blutverlust leiden. NachAuffinden einer umschriebenen Blutungsquelle, z.B. ein blutendes Magen- oder Duo-denalulcus, führt die Ulcus-Behandlung in der Regel zu einem dauerhaften Sistieren derBlutung. Beim Vorliegen eines Morbus Crohn, einer Colitis ulzerosa oder von Angiodys-plasien steht häufig keine umgehend kurative Therapie nicht zur Verfügung, so dass esbei diesen Patienten zu einem chronischen Blutverlust kommt. In solchen Fällen kanndie Blutungsanämie die Lebensqualität stärker als die zugrundeliegende Darmer-krankung beeinträchtigen. Neben dem Blutverlust können Patienten mit chronisch ent-zündlichen Darmerkrankungen auch aufgrund anderer Ursachen, z.B. im Rahmen derchronischen Inflammation oder durch einen Vitamin B12-Mangel eine Anämie ent-wickeln (Tabelle 2).

II. Gastroenterologie

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Indikationen zur intravenösen Eisen-SubstitutionBei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen führt die orale Eisensub-stitution besonders häufig zu schweren gastrointestinalen Nebenwirkungen. Im Vorder-grund stehen dabei abdominelle Krämpfe und eine Zunahme der Diarrhoe. Ferner weißman aus Untersuchungen an Tiermodellen und auch bei Morbus Crohn, dass oraleFe2+ Salze lokal im Darmlumen oxidativen Stress induzieren und dadurch die intesti-nale Entzündungsaktivität steigern können. Dies macht insofern Sinn, da nur 5-10%einer oral verabreichten Eisendosis im oberen Dünndarm resorbiert werden und derRest das terminale Ileum und das Colon passiert, und dort ggf. die Entzündungs-areaktion verstärken kann. Aus diesen Gründen wird heute die parenterale Eisen-substitution bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen der oralenEisentherapie vorgezogen.

TherapieschemaIn Deutschland stehen derzeit drei intravenös applizierbare Eisenpräparate zurVerfügung: Ferrlecit®, Cosmofer® und Venofer®. Zwischen diesen Präparaten bestehenaufgrund der verschiedenen Kohlehydrat-Komplexe wesentliche Unterschiede hin-sichtlich ihrer Stabilität und Inzidenz an anaphylaktischen Reaktionen (12). Im Vergleichder drei Präparate zeigt sich für Venofer® ein deutlich positives Verträglichkeitsprofil. Beiden verwendeten Einzeldosen von 200mg (verdünnt in 250 ml NaCl) wurden keine rele-vanten Nebenwirkungen beobachtet (13). Venofer® führt bei bis zu 80% der Betroffenenzu einer Normalisierung der Hämoglobinwerte. In manchen Fällen kann eineKombination mit einem Epoetin sinnvoll sein, was aus Kostengründen aber nur beiunzureichender Anämiekorrektur unter alleiniger Eisentherapie empfohlen wird (14). ZurWirksamkeit und Verträglichkeit der anderen parenteralen Eisenpräparate liegen bislangkeine Evidenzen bei Magen/Darmerkrankungen vor.

ZusammenfassungDie Eisenmangelanämie ist eine häufige Komplikation bei Erkrankungen des Magen-/Darmtrakts. Besonders bei chronisch rezidivierenden Blutverlusten, wie sie bei M.Crohn oder Colitis ulcerosa nicht selten vorkommen, kann eine parenterale Eisensub-stitution geboten sein. Hier hat sich die parenterale Eisentherapie mit Venofer® hin-sichtlich Effektivität und Verträglichkeit als besonders günstig erwiesen.

Pathogenese des EisenmangelsIn westlichen Industrieländern ist der Eisenmangel die häufigste Mangelsituation beiFrauen im gebärfähigen Alter. Während das Problem nach der Menopause (rund 5%) undbei Männern (unter 3%) selten ist, beträgt die Prävalenz bei jungen Frauen 10–30% (1).Gründe sind in erster Linie die heutigen Ernährungsgewohnheiten und die monatlichenRegelblutungen der Frau. Verstärkte Regelblutungen, wie sie bei Antikonzeption mit einem

III. Geburtshilfe

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intrauterinen Device (IUD) vorkommen können, erhöhen das Risiko für einen Eisenmangel. In der Schwangerschaft nehmen Häufigkeit und Bedeutung eines Eisenmangels zu.Durch Wachstum und Entwicklung der feto-plazentaren Einheit und durch mütterlicheGewebeneubildung, Uteruswachstum und ausgeprägte Expansion des mütterlichenBlutvolumens steigt der Eisenbedarf der schwangeren Frau um ein Mehrfaches.Ausgehend von einem Tagesbedarf im nichtschwangeren Zustand von 1 mg steigt die-ser auf 4–5 mg, möglicherweise in der Spätschwangerschaft sogar auf 6–7 mg an.Selbst bei optimaler Nahrungsauswahl und einer gesicherten Steigerung der intestina-len Absorption in der Schwangerschaft kommt es in jeder Schwangerschaft zu einernegativen Eisenbilanz. Die Folgen sind eine Entleerung der Eisenspeicher (Serumferritin< 15 µg/l) und eine qualitative und quantitative Störung der mütterlichen Erythropoesemit hypochromen und mikrozytären Erythrozyten bis zum Auftreten einer Anämie. DieWHO definiert die Schwangerschaftsanämie als Hämoglobinwert unter 11 g/dl (postpartum im Wochenbett unter 10 g/dl), die Centers of Disease Control (CDC) in den USAberücksichtigen für ihre Definition den Nadir des physiologischen Hämoglobinabfalls im2. Trimenon (Schwangerschaftsanämie: Hb < 11 g/dl im 1. und 3.Trimenon, Hb < 10,5g/dl im 2.Trimenon). Die Prävalenz von Eisenmangel und Eisenmangelanämie ist ent-sprechend hoch und am ausgeprägtesten am Ende der Schwangerschaft vor der Ge-burt. Post partum kommt der Eisenverlust durch den Blutverlust bei Geburt hinzu. Nacheiner neuen niederländischen Studie kommt ein für den Eisenhaushalt relevanter Blut-verlust von mehr als 1000 ml bereits in einem Niedrig-Risikokollektiv in 4,2% der Ge-burten vor (15).

Ohne Eisensupplementierung fällt das Serumferritin in der Schwangerschaft kontinu-ierlich ab (16) (Abb. 2). Auch in unserem Spital (Zürich) hat eine Querschnittunter-suchung gezeigt, dass 50% der Frauen bei Geburt einen Serumferritinwert unter 15 µg/laufweisen. Noch höhere Prävalenzen sind in einer europäischen Metaanalyse berichtetworden, wo gezeigt wurde, dass eine Anämie bei bis zu 30% aller Schwangeren auf-treten kann (1). Der Zusammenhang zwischen ausgeprägter Eisenmangelanämie (Hb <9 g/dl) und fetalen Entwicklungsstörungen sowie Schwangerschaftskomplikationen isterwiesen. Aborthäufigkeit, Frühgeburtlichkeit, fetale Wachstumsretardierungen, mütter-liche Infektionen, insbesondere Harnweginfektionen, und Risiken einer geringeren Tole-ranz gegenüber Blutverlusten bei Geburt nehmen zu. Obwohl die Notwendigkeit einerEisensupplementierung klar auf der Hand liegt, scheitern zahlreiche Empfehlungen undProgramme an der mangelnden Compliance der Schwangeren, unter anderem weilorales Eisen die ohnehin vorhandene Obstipationsneigung in der Schwangerschaft ver-größert, und an dem Umstand, dass Serumferritin nur selten routinemäßig bestimmtwird, also frühe Signale eines Eisenmangels Wochen vor dem Auftreten einer Anämienicht erkannt werden.

Diagnostik/ Monitoring des EisenhaushaltsHämatologische Parameter wie Hämoglobin, mittleres korpuskuläres Volumen (MCV) odermittlerer korpuskulärer Hämoglobingehalt (MCH) besitzen nur eine geringe Sensitivität zurDiagnostik einer Eisenmangelanämie. Goldstandard zur Feststellung ist dieFerritinbestimmung. Ein erniedrigter Wert (< 15 µg/l) ist beweisend für das Vorliegen einesEisenmangels (bzw. einer Eisenmangelanämie, wenn auch das Hämoglobin erniedrigt ist).Bei normalen respektive erhöhten Werten ist die zusätzliche CRP-Bestimmung obligat, umeine Entzündungsreaktion (und damit falsch normale/erhöhte Ferritinwerte) auszusch-ließen. Dies gilt in besonderem Maße für die Diagnostik postpartal, da durch die Geburteine Entzündungsreaktion ausgelöst wird, die durch erhöhte Akutphasenproteine (CRP,Ferritin) einen bestehenden Eisenmangel maskieren kann. Es ist empfehlenswert, in derFrühschwangerschaft die Eisenspeicher zu evaluieren. Wenn vorhanden, können mittelsFlowzytometrie (Advia®, Bayer Diagnostics) zusätzliche Informationen über dieErythrozyten- und Retikulozytenpopulationen gewonnen und die Diagnostik verfeinert wer-den. Vitamin-B12- und Folsäurebestimmungen empfehlen sich, um (seltene)Mangelzustände dieser Vitamine auszuschließen. Bei ausgeprägter Mikrozytose imBlutbild (MCV < 75 fl) und Nichtansprechen auf eine Eisentherapie sollte eine Hb-Chromatographie zum Ausschluss einer Hämoglobinopathie (z. B. Thalassämie) erfolgen.Im positiven Fall ist dann auch eine Familienabklärung obligat.

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Eisentherapie in der SchwangerschaftAufgrund der oben beschriebenen physiologischen Verhältnisse empfehlen wir, in derSchwangerschaft eine Eisensubstitution durchzuführen. Bei einem Hb von 11–13 g/dlist eine orale Substitution mit 80 mg Eisen-II-Sulfat (oder Äquivalent) oder 100 mg Fe3+als Eisen-III-Polymaltose-Komplex pro Tag indiziert. Bei Hämoglobinwerten zwischen10 und 11 g/dl sollte die Dosierung verdoppelt werden. Fällt das Hämoglobin trotz ora-ler Therapie unter 10 g/dl, ist auf Grund der deutlich höheren Effektivität eine intra-venöse Eisentherapie mit Eisensaccharat (Venofer®) indiziert. Das Zielhämoglobin be-trägt 11,0 g/dl. Idealerweise werden 200 mg Eisensaccharat in 200 ml NaCl 0,9% ver-dünnt und als Kurzinfusion verabreicht. Eisensaccharose in der angegebenen Do-sierung kann aber auch als langsame Bolusinjektion verabreicht werden (10 min). Wirdbei zweimal wöchentlicher Gabe kein adäquater Hämoglobinanstieg erzielt, kann einezusätzliche intravenöse Epoetintherapie in Betracht gezogen werden. Bei schwerenEisenmangelanämien (Hb < 8,5 g/dl) kann auch primär eine Kombinationstherapie ausEisensaccharose und einem Epoetin begonnen werden. Insgesamt sollten nicht mehrals 1600 mg Eisensaccharose verabreicht werden. Das Schema zur Therapie der Eisen-mangelanämie in der Schwangerschaft ist in Abb. 2 dargestellt (16).

Eisentherapie im WochenbettIm Wochenbett empfehlen wir ebenfalls eine Stufentherapie, angepasst an den Schwe-regrad der Anämie. Bei einem Hämoglobin zwischen 9,5 und 11,0 g/dl ist in der Regeleine orale Substitution mit 80 mg Eisen-II-Sulfat (oder Äquivalent) oder 100 mg Fe3+als Eisen-III-Polymaltose-Komplex ausreichend. Bei einem Hämoglobinwert zwischen8,5 und 9,5 g/dl empfehlen wir, an zwei Tagen jeweils 200 mg Eisensaccharose alsKurzinfusion (s. o.) zu verabreichen. Bei einem Hämoglobin < 8,5 g/dl sind an 4 au ein-anderfolgenden Tagen jeweils 200 mg Eisensaccharose als Kurzinfusion indiziert. Jenach Schweregrad und Symptomatik der Anämie kann auch die zusätzliche Therapiemit einem Epoetin indiziert sein (17).

NebenwirkungsprofilIn der Klinik für Geburtshilfe des Universitätsspitals Zürich wird seit über 10 Jahren Eisen-saccharose bei den oben beschriebenen Indikationen angewendet. Die Verträglichkeit istallgemein sehr gut. Anaphylaktische Reaktionen auf Eisensaccharose wurden bisher nichtbeschrieben. In einer ersten Analyse bei 500 Patientinnen (insgesamt 2500 Ampullen zujeweils 100 mg) wurden bei 7 Patientinnen milde generalisierte Hauteffloreszenzen oderFlushreaktionen registriert (18). Ebenfalls können Patientinnen über Kopfschmerzen amTag der Infusion berichten. Eine zusätzlich möglicherweise auftretende Nebenwirkung, diemeist nicht registriert wird, ist ein metallischer Geschmack während der Zeitdauer derInfusion. Weitere Erfahrungen liegen in der Geburtshilflichen Klinik in Zürich bis heute beirund 1000 weiteren Patientinnen und 3000 angewendeten Ampullen vor. DieNebenwirkungsrate bewegt sich in der gleichen Größenordnung wie in unserer erstenAnalyse. Auch in diesem neuen Kollektiv gab es keine Anaphylaxie. In Tabelle 2 haben wiralle bislang publizierten Studien zum Gebrauch von Eisensaccharose in derSchwangerschaft bzw. im Wochenbett hinsichtlich der beobachteten Nebenwirkungs-inzidenz aufgelistet.

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Pathophysiologie des Eisenmangels bei älteren MenschenEine besonders hohe Prävalenz des Eisenmangels – selbst in den sogenanntenIndustrieländern – findet sich in der älteren Bevölkerungsschicht (23). Ein entscheiden-der Grund hierfür dürfte die bei älteren Menschen nicht selten zu beobachtende man-gelhafte gastrale Resorptionsfähigkeit für Eisen auf dem Boden einer atrophischenGastritis sein. In einer Studie von Saltzman und Russell aus dem Jahre 1998 konnteeine atrophische Gastritis mit der Folge einer unzureichenden intestinalen Enzym-sekretion und Eisenabsorption bei ca. einem Drittel der geriatrischen Patienten in denUSA festgestellt werden (24). Als weitere Ursachen einer Eisenmangelanämie geriatri-scher Patienten sind ein vermehrter Abbau von Erythrozyten durch das retikulo-endo-theliale System und eine altersabhängige Verminderung der eisenabhängigen Erythro-poese zu nennen.

Gerontopsychiatrische Symptomatologie bei EisenmangelDie damit einhergehenden klinischen Symptome sind vielfältig. Hauptsymptome einerEisenmangelanämie aus geriatrisch/ gerontopsychiatrischer Sicht sind ein allgemeinesSchwächegefühl, eine chronische Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Kopfschmerzensowie Defizite in der Konzentrations- und Gedächtnisleistung. Selbst affektive Stö-rungen sowie akute und chronische Verwirrtheitszustände können sich unter einerEisenmangelanämie entwickeln (25 – 27). Eine jüngst im American Journal of Medicineveröffentlichte prospektive Longitudinalstudie über 4 Jahre (26) zeigte sogar, dassnicht-anämische, geriatrische Patienten mit grenzwertig niedrigen Hb-Konzentrationenein um den Faktor 1.5 erhöhtes Risiko hatten, eine reduzierte Alltagsaktivität und ver-minderte physische Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Anhand verschiedener Kasuis-tiken gerontopsychiatrischer Patienten wurde bereits dargestellt, dass sich unter einerintravenösen Eisensubstitution die kognitive Leistung und die Befindlichkeit besserte,auch wenn - wie bei einem Patienten - keine manifeste Eisenmangelanämie, sondern„nur“ ein latenter Eisenmangel vorlag (28).

Pathophysiologische AspekteEinbußen in der kognitiven Leistungsfähigkeit lassen sich aus pathophysiologischerSicht einerseits durch eine intrazerebrale Eisendefizienz und einen Abfall in derHämoglobin-Konzentration erklären, die zu einer verminderten Sauerstofftransport-kapazität und einer zerebralen Sauerstoffunterversorgung führen (29). Der zerebraleEffekt einer Eisendefizienz könnte besonders bei älteren Menschen mit einem höherenGrad an arteriosklerotischen Gefäßveränderungen auch durch eine verminderteSauerstoffabgabe an das Gehirngewebe hervorgerufen werden. Seit langem ist zudembekannt, dass das mittlere erythrozytäre Volumen vor allem im Alter ansteigt. Als Ur-sache hierfür wird der steigende Anteil einer unausgereiften Erythozytensubpopulationangenommen, welche ein größeres Volumen besitzt (30). Das größere Erythrozyten-volumen, die geringere Dichte und die verminderte Flexibilität dieser Erythrozyten-population wiederum führt zu einer eingeschränkten Passage vor allem in arteriosk-lerotisch vorgeschädigten kapillären Gefäßen des Gehirns (31).

IV. Geriatrie/Gerontopsychiatrie

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Dr. med.Jochen Ennen

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Andererseits scheint eine Eisendefizienz aber auch eine unmittelbare Beeinträchtigungder zerebralen Neurotransmission – vor allem des dopaminergen Neurotransmitter-systems – zu induzieren. Interessanterweise sinken zunächst die zerebralen Eisenspei-cher, noch bevor die Erythropoese betroffen ist. Aus diesem Grund kann der Mangel anzerebralem Eisen die eisenabhängigen zerebralen Enzymsysteme wie beispielsweise dieSynthese und die Funktion von Neurotransmittern wie Dopamin beeinträchtigen (32).

Therapie des Eisenmangels beim älteren MenschenGeriatrische und gerontopsychiatrische Patienten, die über kognitive Störungen (MCI =Mild Cognitive Impairment) vor allem im Aufmerksamkeitsbereich, aber auch im Bereichdes Gedächtnisses klagen, und bei denen ein chronisches Müdigkeitssyndrom sowieein chronisch progredienter, körperlicher Leistungsabfall vorliegen, sollten eine Eisen-substitutionstherapie erhalten, wenn gleichzeitig ein latenter Eisenmangel oder abereine manifeste Eisenmangelanämie vorliegt. Die orale Eisensubstitutionstherapie gilt alsTherapie der ersten Wahl und erfolgt üblicherweise mit zweiwertigen Eisensalzen odermit dreiwertigem Eisen als Eisen-III-Polymaltose-Komplex, welches zusammen mit derNahrung eingenommen werden kann. Allerdings ist die Compliance für eine oraleEisensubstitution gerade bei geriatrischen Patienten aufgrund der altersabhängigenEisenresorptionsstörungen und den daraus resultierenden gastrointestinalen Neben-wirkungen wie Übelkeit, Magenschmerzen und Obstipationen oft niedrig. In diesenFällen empfiehlt sich eine intravenöse Eisensubstitutionstherapie. Hinsichtlich einerintravenösen Eisentherapie bestehen für geriatrische bzw. gerontopsychiatrische Pa-tienten keine Anwendungsbeschränkungen. In der Praxis hat Eisensaccharose(Venofer®) gegenüber dem Eisengluconat den Vorteil, dass höhere Dosierungen (maxi-mal 500 mg bzw. 7 mg pro kg Körpergewicht) appliziert werden können (6), wodurchden gerontopsychiatrischen Patienten häufige Injektionen erspart werden können. ImRahmen der differentialdiagnostischen Erwägungen sollten unbedingt andere Ursachenals die der Eisenverwertungsstörung bzw. des vermehrten erythrozytären Abbaus desgeriatrisch-gerontopsychiatrischen Patienten ausgeschlossen werden. Hierbei sind u.a. endoskopische Maßnahmen in Betracht zu ziehen, um z. B. tumoröse Erkrankungendes Magen-Darm-Traktes als Ursache von okkulten Blutungen auszuschließen.

In Europa sind derzeit 3 intravenös applizierbare Eisenpräparate zugelassen: Ferrlecit®,Venofer®und CosmoFer®. Bei Ferrlecit® handelt es sich um Eisen-(III)-Gluconat, Venofer®

ist Eisen-(III)-hydroxid-Saccharose und CosmoFer® stellt einen Eisen-(III)-hydroxid-Dextran-Komplex dar. Zwischen diesen Präparaten bestehen wesentliche Unterschiedehinsichtlich Stabilität der Eisenkomplexe und Inzidenz an anaphylaktoiden Reaktionen.

Eisenkomplex-Stabilität und akute EisentoxizitätEine relativ hohe Stabilität weisen Eisendextran und Eisensaccharose auf, währendEisengluconat als Präparat mit der geringsten Stabilität angesehen wird. Dies ist kli-nisch relevant, da Eisenpräparate mit hoher Komplexstabilität (Eisendextran und Eisen-saccharose) mit weniger akuter Eisentoxizität einhergehen als solche mit geringer Sta-bilität (Eisengluconat), was auch in den von den Herstellern angegebenen maximalenEinzel-Dosierungen seinen Niederschlag gefunden hat: Eisendextran 1000 mg, Eisen-saccharose 500 mg und Eisengluconat 62,5 mg (6).

Anaphylaktische Reaktionen bei Eisendextran-PräparatenWas das Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen anbelangt, ist die Datenlage imSchrifttum eindeutig: Es besteht für alle Eisendextranverbindungen, so auch für dasCosmo-Fer®‚ ein erhöhtes Risiko, lebensgefährliche anaphylaktische Reaktionen zuerleiden (33-35). Von Fishbane wird eine Inzidenz für schwere anaphylaktische Reaktio-nen im Rahmen der Applikation von Eisendextran von 0,6% angegeben (12). Ferner istes nicht möglich vorherzusagen, welcher Patient anaphylaktisch reagieren wird. Selbstbei „negativer Testdosis“ und nach vielen gut tolerierten Applikationen kann es zu eineranaphylaktischen Reaktion kommen (36). In der Produktinformation von CosmoFer®

wird deshalb darauf hingewiesen, dass bei jeder Verabreichung von CosmoFer® Vor-richtungen zur kardiopulmonalen Reanimation bereitgehalten werden müssen (37). Inden USA darf Eisendextran nur in Anwesenheit eines Arztes appliziert werden (38). Auf

V. Sicherheit von parenteralenEisenpräparaten

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der anderen Seite steht mit Eisensaccharose eine stabile Eisenkomplex-Verbindung zurVerfügung, für die praktisch keine anaphylaktischen Reaktionen beschrieben sind (39),und die in den USA speziell bei Patienten mit vorbekannten anaphylaktischen Reaktio-nen auf Eisendextran eingesetzt wird (40). Vor diesem Hintergrund wundert es nicht,dass in den neuen European Best Practice Guidelines vor der Gabe von Eisendextranbei Patienten mit renaler Anämie ausdrücklich gewarnt wird (5).

Eisen und InfektionsrisikoBasierend auf Mitteilungen aus den 80er Jahren (41), dass Dialysepatienten mitTransfusionssiderose (Ferritin: >1000 µg/l) eine signifikant höhere Inzidenz bakteriellerInfektionen aufwiesen als solche mit einem Ferritin unter 330 µg/l, besteht die Sorge,dass auch bei intensivierter Eisensubstitution ein gesteigertes Infektionsrisiko bestehenkönnte. In einer multizentrischen französischen Studie von Kessler et al (42) fand sich einehöhere Inzidenz von Bakteriämien (23%) bei Hämodialysepatienten mit einemSerumferritin von mehr als 1000 µg/l gegenüber Patienten, die Ferritinwerte von wenigerals 500 µg/l aufwiesen. In einer prospektiven Studie konnten dieselbe Arbeitsgruppe mit-tels Multivarianzanalyse drei unabhängige Riskofaktoren für das Auftreten einer bakteriel-len Infektion bei Dialysepatienten aufdecken: 1) Anamnestisch vorausgegangener Infekt, 2)Dialyse über Kunststoffkatheter, 3) Ferritinwerte >500 µg/l (43). Auf der anderen Seite gibtes aber auch Befunde, die darauf hinweisen, dass die unbehandelte Anämie beiDialysepatienten ebenfalls mit einem erhöhten Infektionsrisiko einhergeht (44). In diesem Zusammenhang soll noch auf eine kürzlich publizierte US-amerikanischeStudie an Hämodialysepatienten, die mit Eisensaccharose behandelt wurden, aufmerk-sam gemacht werden. In dieser Untersuchung kam es in der Gruppe mit Eisensac-charose zu 21 tödlich verlaufenden Infektionen pro 1000 Patientenjahre im Vergleich zu34 infektionsbedingten Todesfällen pro 1000 Patientenjahren bei Dialysepatienten ohneEisentherapie (gematchte Patienten aus dem US Renal Data System) (p = 0,08).Hinsichtlich infektionsbedingter Hospitalisierung mussten Dialysepatienten mit Eisen-saccharose- Therapie signifikant (p<0,001) weniger häufig (226 vs. 422 Kranken-hausaufenthalte pro 1000 Patientenjahre) stationär behandelt werden als entsprechen-de Vergleichspatienten aus dem US Renal Data System (44) (Abb. 3).

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