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Deutschland 2030: Herausforderungen als Chancen für Soziale Innovationen Autoren Dr. Susan Müller Dominik Rüede Kathrin Lurtz Dr. Hartmut Kopf Prof. Dr. Peter Russo Die Durchführung der Delphi-Studie wurde unterstützt von Dr. Heiko von der Gracht Stefanie Mauksch

Deutschland 2030: Herausforderungen als Chancen für ... · Inhalt 3 1. Executive Summary 4 2. Einleitung 6 2.1 Herausforderungen und Chancen Sozialer Innovationen in Deutschland

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Deutschland 2030:Herausforderungen als Chancen für Soziale Innovationen

Autoren

Dr. Susan Müller

Dominik Rüede

Kathrin Lurtz

Dr. Hartmut Kopf

Prof. Dr. Peter Russo

Die Durchführung der Delphi-Studie wurde unterstützt von

Dr. Heiko von der Gracht

Stefanie Mauksch

2 Autoren

Autoren

Unterstützt von:

Dr. Susan Müller

Associate Director Research World Vision Center for Social Innovation

Dr. Heiko von der Gracht

Director Institut für Zukunftsforschung und Wissensmanagement

Dominik Rüede

Research Assistant World Vision Center for Social Innovation

Stefanie Mauksch

Research Assistant Institut für Zukunftsforschung und Wissensmanagement

Kathrin Lurtz

Research Assistant World Vision Center for Social Innovation

Dr. Hartmut Kopf

Associate Director World Vision Center for Social Innovation

Prof. Dr. Peter Russo

Director Institute for Transformation in Business and Society

© World Vision Center for Social Innovation, Wiesbaden, 2013

Bitte verwenden Sie zur Zitation dieses Beitrags folgende Angaben:Müller, Susan; Rüede, Dominik; Lurtz, Kathrin; Kopf, Hartmut; Russo, Peter (2013): „Deutschland 2030: Herausforderungen als Chancen für Soziale Innovationen“

Herausgeber: World Vision Center for Social Innovation Institute for Transformation in Business and Society EBS Universität für Wirtschaft und Recht Rheingaustraße 1 65375 Oestrich-Winkel

Gestaltung: Annette Viehoever

Bildmaterial: istockphoto

3Inhalt

1. Executive Summary 4

2. Einleitung 6

2.1 Herausforderungen und Chancen Sozialer Innovationen in Deutschland 6

2.2 Die 7 Begriffsverständnisse von „Sozialen Innovationen“ 9

3. Methodik 11

3.1 Die Delphi-Methode 11

3.2 Die Thesengenerierung 12

3.3 Die Expertenauswahl 14

3.4 Der Delphi-Ablauf 15

3.5 Die Auswertung 15

4. Ergebnisse im Detail: Experteneinschätzungen der Thesen 16

These 1: Langzeitarbeitslosigkeit weiterhin ein Problem 16

These 2: Potenzial bestimmt Bildungserfolg 18

These 3: Sozialversicherungssysteme zusammengebrochen 20

These 4: Regenerative Energien auf 60% gestiegen 22

These 5: Fehlende gesellschaftliche Teilhabe 24

These 6: Work-Life-Balance für alle realisierbar 26

These 7: Vereinsamung Älterer 28

These 8: Wohlstandsindikatoren ergänzen Bruttoinlandsprodukt 30

These 9: Größere Unterschiede zwischen Arm und Reich 32

These 10: Zivilisationskrankheiten sind gestiegen 34

These 11: Lebenszufriedenheit resultiert zunehmend aus Nichtmateriellem 36

These 12: Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch nicht entkoppelt 38

These 13: Fachkräftemangel als branchenübergreifende Herausforderung 40

These 14: Hervorragende Gesundheitsversorgung 42

These 15: Einkommen nicht existenzsichernd 44

5. Übergreifende Ergebnisse 46

5.1 Zusammenhänge zwischen den Thesen 46

5.2 Ansätze für Soziale Innovationen 47

5.3 Die wichtigsten Herausforderungen 48

6. Für zukünftige Sozialinnovatoren: Der Soziale Innovationen Generator 50

7. Experten 52

8. Literatur 53

Inhalt

4 Executive Summary

Was sind die großen Herausforderungen, denen sich Deutschland in den kommenden Jahren stellen muss? Und inwiefern können Soziale Innovationen diese Herausforderungen meistern?

Diese beiden Fragen standen bei der vorlieg-enden Studie im Mittelpunkt. Die Studie ist Teil des Forschungsprojekts „Soziale Inno-vationen in Deutschland“, das derzeit vom World Vision Center for Social Innovation der EBS Business School durchgeführt wird.

In einer Literaturrecherche wurden zunächst Herausforderungen identifiziert, die für das Gemeinwohl der Bevölkerung von Bedeu-tung sind und die sich zukünftig noch ver-schärfen könnten. Das Resultat: 15 Thesen, die beschreiben, wie das Jahr 2030 in den Lebensbereichen Bildung, Arbeit, Einkom-men, Gesundheit etc. aussehen könnte. In einem nächsten Schritt nahmen fast 50 Experten an einer onlinegestützten Delphi-Studie teil. Für die Delphi-Studie wur-den die Thesen zugespitzt und teilweise positiv formuliert. Die Experten wurden dann gebeten, ihre Einschätzungen und Argumente zu den Eintrittswahrscheinlich-keiten der Thesen sowie zu deren ver-mutetem Einfluss auf das Gemeinwohl ab-zugeben. Abbildung 1 zeigt die Thesen und Ergebnisse im Überblick. Zudem wurden die Teilnehmer der Delphi-Studie um ihre Mein-ung gebeten, inwiefern Soziale Innovationen zur Lösung der jeweiligen Herausforderung beitragen können.

Das Ergebnis: Acht Herausforderungen in fünf verschiedenen Lebensbereichen. Allen ist gemeinsam, dass die Eintrittswahrschein-lichkeit und/oder der Einfluss auf das Ge-meinwohl von den Experten als hoch ein-geschätzt werden und Soziale Innovationen die Herausforderungen besonders gut adres-sieren können.

• Herausforderungen: 1. Langzeitarbeits-losigkeit als Problem | 2. Fachkräfteman-gel als branchenübergreifende Heraus-forderung

Lebensbereich: Arbeit und Beschäftigung

• Herausforderung: 3. Die Entkopplung von sozio-demografischem Hintergrund und Bildungserfolg

Lebensbereich: Bildung

• Herausforderungen: 4. Zunehmende Un-terschiede zwischen Arm und Reich | 5. Fehlendes existenzsicherndes Einkommen

Lebensbereich: Einkommen und Vermögen

• Herausforderung: 6. Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenver-brauch

Lebensbereich: Umwelt

• Herausforderungen: 7. Zivilisations-krankheiten nehmen zu | 8. Sicherung der Gesundheitsversorgung

Lebensbereich: Gesundheit

Die schlechte Nachricht der Studie zuerst: Jede einzelne Herausforderung ist komplex und vielschichtig. Einfache Lösungen, und vor allem die eine Lösung, sind nicht zu er-warten.

Die gute Nachricht: Soziale Innovationen, d.h. neue Lösungen, die gesellschaftliche Herausforderungen kontextbezogen, zielge-richtet und das Gemeinwohl fördernd adres-sieren, können bei der Bewältigung der Probleme helfen. Dabei kann nicht nur der Staat als Akteur auftreten. Sozialinno vatoren können Einzelpersonen, Teams, Gruppen, bestehende Unternehmen und Neugrün-dungen, Wohlfahrtsorganisationen oder Kommunen sein. Zur Umsetzung ihrer Ideen können sie eine Bewegung starten, sich für ein Gesetz einsetzen, eine Genossenschaft

oder eine GmbH gründen. Die wichtigste Botschaft lautet damit: Soziale Innovationen können – und sollen! – von allen kommen, und die Zivilgesellschaft soll daran – anders als bisher – intensiv beteiligt werden.

Die Studie zeigt, wie vielfältig die An-satzpunkte für Soziale Innovationen sind.

• Zielgruppe: Generell können Soziale Inno-vationen auf marginalisierte Zielgruppen ausgerichtet sein (z.B. Reintegration von Langzeitarbeits losen) oder die Gesamt-gesellschaft im Blick haben (z.B. bedin-gungsloses Grundeinkommen).

• Wirkungsrichtung: Soziale Innovationen können präventiv wirken (z.B. Kinder für gesunde Ernährung und Bewegung be-geistern), sie können darauf ausge richtet sein, ein Problem abzumildern bzw. es zu lösen (z.B. Einführung von Min-destlöhnen) oder dabei helfen, mit den Auswirkungen eines Problems umzuge-hen, wenn es nun einmal eingetreten ist (z.B. neue Therapien für Diabetiker).

• Wirkungsmechanismus: Im Bereich der Wirkungsmechanismen lassen sich grob vier Typen unterscheiden. Soziale In-novationen können Menschen unter-stützen und helfen (z.B. neue Pflege-konzepte) oder sie dazu befähigen, sich selbst zu helfen (z.B. Migranten unter-stützen Migranten im Sprachunterricht). Sie können neue Möglichkeiten schaffen (z.B. elternunabhängige Studienkredite), oder durch neue Verbindungen, Netz-werke oder Interaktionen Mehrwert schaffen (z.B. Bürgerwindkraftanlagen).

1. Executive Summary

5Executive Summary

Abbildung 1: Gesamtüberblick Ergebnisse

Projektionen für das Jahr 2030 EW E IQA

1 Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konnte nicht gelöst werden. 65 3,9 35

2 Das Potenzial eines Menschen – nicht die Herkunft – entscheidet über den Bildungserfolg. 48 3,9 30

3 Die Sozialversicherungssysteme sind zusammengebrochen. 25 4,4 20

4 Der Anteil der regenerativen Energien ist in Deutschland auf 60% gestiegen (2012: 20%). 59 3,5 50

5 Ein Großteil der Bevölkerung nimmt weder am politischen noch am kulturellen Leben teil. 32 3,9 35

6 Eine Work-Life-Balance ist für Bürger aller Einkommensschichten realisierbar. 35 3,6 30

7 Die Vereinsamung älterer Menschen hat zugenommen. 59 3,7 28

8 Alternative Wohlstandsindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt bei der Entscheidungsfindung der Politik. 60 3,1 20

9 Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen. 69 4,3 20

10 Die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Adipositas/ Fettleibigkeit, Depressionen) hat zugenommen.

66 3,9 20

11 Sehr viel mehr Menschen ziehen ihre Lebenszufriedenheit aus nichtmateriellen Dingen (Freunde, Familie, Kultur, Freizeitaktivitäten) und stehen einem übermäßigen materiellen Konsum skeptisch gegenüber.

52 3,6 33

12 Das Wirtschaftswachstum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden. 61 4,2 25

13 Der Fachkräftemangel ist zur branchenübergreifenden Herausforderung für die deutsche Wirtschaft geworden. 66 3,7 30

14 Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend. 44 3,9 30

15 Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend. 56 4,3 28

Projektionen für das Jahr 2030 EW E IQA

1 Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konnte nicht gelöst werden. 65 3,9 35

2 Das Potenzial eines Menschen – nicht die Herkunft – entscheidet über den Bildungserfolg. 48 3,9 30

3 Die Sozialversicherungssysteme sind zusammengebrochen. 25 4,4 20

4 Der Anteil der regenerativen Energien ist in Deutschland auf 60% gestiegen (2012: 20%). 59 3,5 50

5 Ein Großteil der Bevölkerung nimmt weder am politischen noch am kulturellen Leben teil. 32 3,9 35

6 Eine Work-Life-Balance ist für Bürger aller Einkommensschichten realisierbar. 35 3,6 30

7 Die Vereinsamung älterer Menschen hat zugenommen. 59 3,7 28

8 Alternative Wohlstandsindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt bei der Entscheidungsfindung der Politik. 60 3,1 20

9 Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen. 69 4,3 20

10 Die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Adipositas/Fettleibigkeit, Depressionen) hat zugenommen.

66 3,9 20

11 Sehr viel mehr Menschen ziehen ihre Lebenszufriedenheit aus nichtmateriellen Dingen (Freunde, Familie, Kultur, Freizeitaktivitäten) und stehen einem übermäßigen materiellen Konsum skeptisch gegenüber.

52 3,6 33

12 Das Wirtschaftswachstum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden. 61 4,2 25

13 Der Fachkräftemangel ist zur branchenübergreifenden Herausforderung für die deutsche Wirtschaft geworden. 66 3,7 30

14 Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend. 44 3,9 30

15 Eine Vielzahl von Menschen verfügt nicht über einen existenzsichernden Lohn (bzw. Rente) und lebt in prekären Verhältnissen.

56 4,3 28

EW = durchschnittliche Eintrittswahrscheinlichkeit in % (0-100)

E = durchschnittlich erwarteter Einfluss auf das Gemeinwohl (Skala von 1: niedrig – 5: hoch)

IQA = Interquartilsabstand, Streuungsmaß, hellgrau >25 (Dissens), dunkelgrau <=25 (Konsens)

6 Einleitung

Deutschland im Jahr 2030: Wirtschaftswachs-tum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch. Ein Großteil der Arbeit - nehmenden arbeitet im Niedriglohnbereich und kann sich kaum über Wasser halten. Viele Bundesbürger nehmen weder am politischen noch am kulturellen Leben teil. Der Bildungsabschluss eines Kindes hängt weiterhin in hohem Maße vom Elternhaus ab…

Oder kommt doch alles ganz anders?! Viel-leicht eher so:

Deutschland im Jahr 2030: Emissionen und Umweltinanspruchnahme konnten weitge-hend vom Wirtschaftswachstum entkop-pelt werden. Der Niedriglohnsektor ist geschrumpft. Bürgerliches Engagement be-reichert in den unterschiedlichsten Facetten

das Leben in Deutschland. Der Einfluss des sozialen Hintergrundes auf den Bildungsab-schluss eines Kindes ist weitgehend zurück-gegangen.

Worin bestehen die größten Herausforderun-gen, denen sich Deutschland in den kom-menden Jahren stellen muss? Und inwiefern können Soziale Innovationen helfen, diese Herausforderungen anzugehen? Mit diesen Fragen hat sich das World Vision Center for Social Innovation der EBS Business School in der vorlie genden Delphi-Studie auseinandergesetzt. Die Studie ist Teil des Forschungs projektes „Soziale Innovationen in Deutschland“ das vom Bundesminis-terium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Das Projekt „Soziale Innovationen in Deutschland“Das Ziel des Forschungsprojektes „Soziale Innovationen in Deutschland“ besteht darin, Grundlagenwissen zu schaffen und Soziale Innovationen als Werkzeug zur Bewälti-gung gesellschaftlicher Herausforderungen für den öffentlichen, privatwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Sektor zugäng-lich zu machen. Dies bedeutet auch einen Perspektivenwechsel: In den vergangenen Jahren wurde in der Innovationsforschung hauptsächlich von Technologien und Märk-ten her gedacht. Nun stellen gesellschaft-liche Herausforderungen den Ausgangspunkt für Innovationsüberlegungen dar.

2. Einleitung2.1 Herausforderungen und Chancen Sozialer Innovationen in Deutschland

Abbildung 2: Überblick Forschungsprojekt

1

Wie können wir Soziale Innovationen definieren?Status: fertig

• Kein einheitliches Begriffsverständnis von Sozialen Innovationen• Sieben verschiedene Begriffsverständnisse von Sozialen Innovationen• Die zwei häufigsten Verständnisse sind: – Soziale Innovationen als am Gemeinwohl orientierte Innovationen – Innovationen in den gesellschaftlichen Praktiken und/oder Strukturen

2

Wie bewerten Experten das Feld der Sozialen Innovationen?Status: fertig

• Experten sind sich einig über… – Wichtigkeit der Wirkungsmessung – Bedeutung der Skalierbarkeit – Verbesserungspotenzial bei Rahmenbedingungen (z.B. Finanzierung)• Experten sind uneins darüber, inwiefern Soziale Innovationen „Bottom-up“

entwickelt werden

Foku

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3

Welches sind die dringlichsten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland?

• Identifizierung potenzieller gesellschaftlicher Herausforderungen in 2030• Generierung entsprechender Thesen für eine Delphi-Studie• Bewertung der Thesen durch Experten hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit,

Einfluss auf das Gemeinwohl und Potenzial für Soziale Innovationen• Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse

4

Wie funktionieren Soziale Innovationen?Status: geplant

• Hauptfragestellungen – Was macht Soziale Innovationen erfolgreich? – Warum scheitern Soziale Innovationen? – Welches sind bedarfsfeld(un)abhängige Einflussfaktoren? • Methodisches Vorgehen: Vergleichende, qualitative Fallstudien

5Wie können wir mehr Soziale Innovationen schaffen?Status: laufend

• Workshops für Unternehmen und Non-Profits

• Aufbau der Online-Plattform OurSocialInnovation.org• Buchpublikation zum Thema Soziale Innovationen

7Einleitung

Das Forschungsprojekt „Soziale Innova-tionen in Deutschland“ besteht aus insge-samt fünf Arbeitspaketen, die von Herbst 2011 bis Frühjahr 2014 durchgeführt werden (siehe Abbildung 2). Im ersten Arbeitspaket wurde die Frage beantwortet, wie der Be-griff „Soziale Innovation“ bisher in der wis-senschaftlichen Literatur verwendet wird. Die Analyse von 318 Beiträgen zeigte, dass es kein einheitliches Verständnis des Be-griffes gibt. Vielmehr existieren sieben un- terschiedliche Begriffsverständnisse, von denen zwei, der „normative“ und der „sozio-logische“ Ansatz, dominieren (siehe Kapitel 2.2 sowie Rueede und Lurtz, 2012).

Im zweiten Arbeitspaket wurde der Stand des Feldes „Soziale Innovationen“ in Forschung und Praxis untersucht. Hierzu wurden

Interviews mit Vertretern meinungsführender Organisationen aus Wissenschaft und Praxis geführt. Die interviewten Experten schrieben vor allem der Wirkungsmessung Sozialer In-novationen, der Skalierbarkeit sowie der lokalen Einbettung Sozialer Innovationen eine große Bedeutung zu (siehe Kapitel 2.2).

Die vorliegende Delphi-Studie ist Teil des dritten Arbeitspaketes. Im Vordergrund steht die Frage, welche Herausforderungen Deutschland mit seinen Bürgern in den nächsten Jahren zu bewältigen hat. Zudem werden bereits erste Ansatzpunkte für Sozi-ale Innovationen diskutiert.

Die Studie bildet die Grundlage für das vierte Arbeitspaket „Mechanismen Sozi-aler Innovationen“. In diesem Arbeitspaket werden Soziale Innovationen identifiziert

und analysiert, die genau die Herausforder-ungen adressieren, die im Arbeitspaket drei ermittelt wurden. Die Fragestellungen: Wie funktionieren wirkungsvolle Soziale Innova-tionen, die sich beispielsweise dem Thema Bildungsgerechtigkeit annehmen? Welche Mechanismen sind besonders wirkungsvoll? Inwiefern können diese Beispiele als Vor-bilder oder Anregungen für weitere Soziale Innovationen dienen?

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde zudem die Innovationsplattform ourSocialInnovation.org ins Leben gerufen. Die Internetplattform gibt der Zivilge-sellschaft die Möglichkeit, sich an der Initiierung und Umsetzung von Sozialen Innovationen zu beteiligen. (siehe Kasten „ourSocialInnovation.org“)

8 Einleitung

Abbildung 3: ourSocialInnovation.org

ourSocialInnovation.org

Große Unterschiede zwischen Arm und Reich, Bildungsgerechtigkeit, Umwelt-schutz, Armut trotz Einkommen – Heraus-forderungen gibt es genug. Organisationen, die an Lösungen für ein bestimmtes ge-sellschaftliches Problem interessiert sind, können auf der Innovations-Plattform ourSocialInnovation.org einen Ideenwett-bewerb starten. Die Nutzer können sich an den Ideenwettbewerben beteiligen und ihre Lösungsvorschläge einreichen bzw. an-dere Nutzer dabei unterstützen, ihre Ideen zu verbessern.

Auf www.ourSocialInnovation.org finden in regelmäßigen Abständen Ideenwettbe-werbe, sogenannte „Challenges“ statt. Die Challenges werden jeweils gemeinsam mit einem Wirtschaftsunternehmen oder einer Non-Profit-Organisation, dem „Praxis-partner“, gestartet. Gemeinsam mit dem Praxis partner formuliert das OurSocialInno-

vation-Team eine konkrete Fragestellung zu einer gesellschaftlichen Herausforderung. Registrierte User können dann Ideen zur Lösung der Herausforderung einreichen und diese mit Hilfe der Bewertungen und Kommentare anderer Nutzer zu einem Konzept weiterentwickeln. Die besten Ideen und Konzepte werden mit Preisen ausgezeichnet und können vom Ideen-geber mit Unterstützung des Praxispartners umgesetzt werden.

Welche Ideenwettbewerbe ha-ben bisher stattgefunden?Die erste Challenge auf ourSocialInnova-tion.org wurde im April 2012 vom World Vision Institut für Forschung und Innova-tion gestellt. Die Aufgabe lautete: „Finde Lö sungen, um das Vorlesen für Eltern und Kinder wieder attraktiver zu gestalten, damit auch in Zukunft Kinder von ihren

Eltern vorge lesen bekommen und Spaß am Lesen finden!“ In der zweiten Challenge wurden für den Verein TransFair neue Ideen für die Verbreitung, Akzeptanz und Nutzung von Fairtrade-Produkten in Deutschland ge-sucht. Die Fragestellung lautete: „Wie kann das Kaufverhalten von Konsumentinnen und Konsumenten dauerhaft so verändert werden, dass sie Fairtrade-Schokolade und andere Fairtrade-Produkte kaufen?“ Die dritte Challenge beschäftigte sich mit der finanziellen Unterstützung von gemein-nützigen und sozialen Organisationen im Internet und wurde gemeinsam mit der Online-Charity-Plattform clicks4charity aus geschrieben. Die Frage lautete: „Wie kann Charity Shopping zum Standard beim Einkauf im Internet werden?“ Weitere Chal-lenges werden im Zwei-Monats-Rhythmus auf ourSocialInnovation.org gestartet.

9Einleitung

Die Diskussion um den Begriff „Soziale In-novationen“ hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und findet sich in verschiedenen Disziplinen, wie beispiels-weise der Soziologie, den Wirtschaftswis-senschaften, der sozialen Arbeit oder den Politikwissenschaften wieder. So kann es in Diskussionen über „Soziale Innovationen“ schnell zu Verwirrungen kommen, wenn im Gespräch unterschiedliche Dinge unter ein und demselben Begriff angesprochen werden. Problematisch wird dies, wenn sich die Gesprächspartner der Unterschiede nicht bewusst sind und die unterschiedlichen Be-griffsverständnisse durcheinandergebracht werden. Um eine gemeinsame Gesprächs-basis zu schaffen, stand die Untersuchung der unterschiedlichen Begriffsverständnisse im Vordergrund des ersten Teils des vom BMBF geförderten Projektes.

Insgesamt wurden über 300 Bücher, Artikel und Studien analysiert, die sich mit Sozialen Innovationen beschäftigen und die sieben unterschiedlichen Begriffsverständnissen zugeordnet werden können (Rueede und Lurtz, 2012). Dabei dominieren zwei Begriffs-verständnisse die Literatur: Zum einen ein normativer Ansatz, der sich am Gemeinwohl orientiert und als Ziel eine bessere Gesell-schaft vor Augen hat (siehe Kasten „Nor-matives Verständnis“). Zum anderen ein soziologischer Ansatz, bei dem primär die Änderung von gesellschaftlichen Praktiken und Strukturen in den Vordergrund gestellt wird, ohne eine Aussage darüber zu treffen, ob dies für die Gesellschaft nun „gut“ oder „schlecht“ ist (siehe Kasten „Soziologisches Verständnis“).

Darüber hinaus finden sich in der Literatur noch fünf weitere Verständnisse, die mit dem Begriff „Soziale Innovation“ in Verbin-dung gebracht werden (siehe Abbildung 4 für eine Aufstellung der Begriffsverständnisse nach Häufigkeit in der Literatur): Eine explizit am Menschen orientierte Stadtentwicklung (z.B. partizipative Haushaltsbudgets); Innova-tionen am Arbeitsplatz bzw. im Organisieren der Arbeit (z.B. Projektorganisation); Soziale Innovation als Prozess, in dem technolo-gische Innovationen gesellschaftliche Bedeu-tung erlangen (z.B. eine technologische Inno-vation in einen speziellen kulturellen Kontext einführen); Innovationen, die im Rahmen der sozialen Arbeit entstehen (z.B. Street Worker) oder Soziale Innovationen, die im Kontext einer digitalen vernetzten Welt entstehen (z.B. Crowdsourcing).

2.2 Die 7 Begriffsverständnisse von „Sozialen Innovationen“

Abbildung 4: Sieben Begriffsverständnisse von Sozialen Innovationen

1. Am Gemeinwohl orientierte Innovationen

2. Innovationen in den gesellschaftlichen Praktiken und/oder Strukturen

3. Innovationen im Rahmen der Regional- und Stadtentwicklung

4. Innovationen am Arbeitsplatz bzw. im Organisieren von Arbeit

5. Die Bedeutungsvermittlung technischer Erfindungen

6. Innovationen im Bereich sozialer Arbeit

7. Innovationen im Kontext einer digital vernetzten Welt

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Begriffsverständnis

Anza

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in d

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itera

tur

10 Einleitung

„Normatives Verständnis“: Am Gemeinwohl orientierte Innovationen

„Soziologisches Verständnis“:Innovationen in den gesellschaftlichen Praktiken und/oder Strukturen

Eine grundlegende Annahme dieser Ka-tegorie besteht darin, dass Soziale In-novationen gesellschaftliche Herausfor - derungen adressieren und damit insbeson-dere benachteiligte Mitglieder der Gesell-schaft besser gestellt werden. Ein passen-der Ausgangspunkt dieser Kategorie ist die Frage: „Welche Innovationen braucht es für eine bessere Gesellschaft?“

Beispielhaft für diese Kategorie ist die folgende Definition:Eine Soziale Innovation ist „eine neue Lösung für ein gesellschaftliches Problem, welche effektiver, effizienter, nachhaltiger oder gerechter ist als bestehende Lösun-gen und für die der kreierte Wert primär der Gesellschaft als Ganzes zugutekommt und nicht einzelnen Individuen” (Phills et al., 2008: 36).

Innerhalb dieser Kategorie gibt es unter-schiedliche Auffassungen darüber, auf was

sich das „sozial“ in Sozialen Innovationen bezieht. So legen manche Wissenschaftler den Schwerpunkt darauf, dass die Gestal-tung des Entstehungsprozesses Sozialer Innovationen „sozial“ ist, während an-dere das „soziale“ vor allem anhand der Wirkung Sozialer Innovationen zeigen wol-len. Der Nutzen von Sozialen Innovationen kann dabei sowohl auf der individuellen als auch der gesellschaftlichen Ebene erfasst werden. Ersteres könnte beispielsweise bessere Arbeitsplätze für eine bestimmte Gruppe bedeuten, während ein Beispiel für eine gesamtgesellschaftliche Wirkungs-weise politische Stabilität wäre.

Bei der Frage, was eigentlich eine „bessere“ Gesellschaft bedeutet, gibt es vor allem zwei Ansätze. Beim ersten Ansatz wird meist auf essentielle Bedürfnisse abgestellt, die bisher noch nicht für alle Mitglieder einer Gesellschaft erfüllt sind. Beispiele hierfür wären, dass alle Bürger eines Staates über

ausreichende Nahrung verfügen oder eine angemessene Gesundheitsvorsorge für alle gewährleistet ist. Beim zweiten Ansatz ste-hen bestimmte Werte im Vordergrund, die sich durch eine breite Akzeptanz und Wün-schbarkeit auszeichnen. Beispiele hierfür sind breit akzeptierte Ideale wie Freiheit, Sicherheit oder Gerechtigkeit.

Prinzipiell können Soziale Innovationen in jedem gesellschaftlichen Sektor geschaf-fen werden. Im öffentlichen Bereich sind dies oft Gesetze, im privatwirtschaftlichen Be reich soziale Unternehmensgründungen und im zivilgesellschaftlichen Bereich so-ziale Bewegungen oder Organisationen, die sich beispielsweise für Menschenrechte oder Umwelt- und Tierbelange einsetzen. Häufig wird auch betont, dass gerade durch sektorübergreifendes Zusammenarbeiten die besten Sozialen Innovationen hervorge-bracht werden können.

Der Hauptaspekt dieser Kategorie liegt in der Änderung sozialer Praktiken und ge-sellschaftlicher Strukturen. Ein passender Ausgangs punkt dieser Kategorie ist die Frage: „Was kann man über Änderungen in der Interaktion von Menschen sagen?“

Beispielhaft für diese Kategorie ist die folgende Definition:„Eine soziale Innovation ist eine von bestimmten Akteuren bzw. Akteurskonstel-lationen ausgehende intentionale, zielge-richtete Neu konfiguration sozialer Prakti-ken in bestimmten Handlungsfeldern bzw. sozialen Kontexten, mit dem Ziel, Probleme oder Bedürfnisse besser zu lösen bzw. zu befriedigen, als dies auf der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist.” (Howaldt und Schwartz, 2010: 89)

In diesem Falle wird „sozial“ als ein Handeln mit Bezug zu anderen Menschen

verstanden. Beispiele umfassen ganz un-terschiedliche Phänomene, wie den Wandel von einer Agrargesellschaft hin zu einer ur-banen Gesellschaft, die nicht-eheliche Le-bensgemeinschaft oder die Einführung von Geld- und Eigentumsrechten.

Soziale Innovationen sind in dieser Katego-rie explizit keine technologischen Innova-tionen, während nach dem normativen Verständnis auch technologische Innova-tionen als Soziale Innovationen bezeich-net werden können – sofern sie auf eine Steigerung des Gemeinwohls abzielen. Soziale und technische Innovationen kön-nen sich jedoch gegenseitig bedingen. Beispielsweise hängt die technologische Innovation des „Autos“ eng mit der Frage zusammen, wie wir uns im Straßenverkehr verhalten, also welche Strukturen und Praktiken nötig sind, damit Mobilität statt-finden kann.

Eine der Hauptkontroversen innerhalb die-ser Kategorie dreht sich um die Bedeutung von „besser“ in der oben genannten Defini-tion und darum, ob dies normativ gemeint ist. Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten. Erstens kann der normative Aspekt explizit bejaht werden. Zweitens kann dieser nor-mative Aspekt verneint werden, also eine Wertneutralität betont werden. Eine dritte Möglichkeit ist auf einen anderen Aspekt zu verweisen und Soziale Innovationen als ein Bestandteil der Modernisierung zu sehen. Um das spezifisch Soziologische herauszu-stellen, haben wir uns dafür entschieden, im Bezug auf diese Kategorie dem wertneu-tralen Standpunkt zu folgen. Damit wird be-tont, dass Sozialen Innovationen nichts nor-mativ Besseres innewohnt, sondern dass grundsätzlich soziale und technologische Innovationen (je nach Standpunkt) gut oder schlecht für eine Gesellschaft sein können.

11Methodik

Die vorliegende Studie wurde mit Hilfe der Delphi-Methode erstellt. Die Delphi-Methode wurde in den 50er Jahren des letzten Jahr-hunderts im Rahmen des RAND-Projektes (RAND steht für Research ANd Develop-ment) entwickelt. Dieses Projekt wurde im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg in den Vereinigten Staaten von Amerika initiiert. Damals war es die Kernaufgabe von RAND das Potential zukünftiger Technologien für die Kriegsführung abzuschätzen. Bis dahin fußten Vorhersagen methodisch meist auf Simulationen oder Meinungen einzelner Ex-perten bzw. Ergebnissen von Gruppendiskus-sionen zwischen Experten. Gerade letzteres Verfahren ist jedoch anfällig dafür, dass das Gruppenergebnis durch die Dominanz ein-zelner Teilnehmer oder anderer Faktoren, die nicht unmittelbar mit der Expertenmei-nung zusammenhängen, beeinflusst wird.

Aus diesem Grund wurde das Delphi-Ver-fahren entwickelt, welches darauf ausgelegt ist, durch einen Kreis von Experten Vorher-sagen zu einem Thema zu treffen. Die Ergeb-nisse daraus werden anonymisiert und als Gruppeneinschätzung allen Experten zurück-gespiegelt, die dann wiederum dazu Stellung nehmen können. Speziell die Argumente, die extreme Standpunkte darstellen, werden thematisiert. So kommt es dann über den Zeitverlauf hinweg entweder zu einer Konver-genz der Expertenmeinung oder aber es blei-ben unterschiedliche Auffassungen bestehen, die dann aber klar zu erkennen sind.

Dadurch, dass Einschätzungen über die Zukunft getätigt werden, findet die Delphi-Methode vor allem dann Anwendung, wenn Meinungen abzugeben und Urteile zu fällen sind. Der hohe Zeitaufwand ist ein weiterer Nachteil der Delphi-Methode. Einen Frage-

bogen auszuteilen, auszufüllen, auszuwer-ten und die Ergebnisse dann noch weitere Male in weiteren Fragebögen zu zirkulieren, kann sich leicht über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstrecken.

Um diese Nachteile aufzufangen, wurde im Rahmen dieser Studie ein online basiertes Echtzeit-Delphi verwendet. Hierfür haben wir 15 Thesen zu den gesellschaftlichen Heraus-forderungen Deutschlands entwickelt (siehe auch Abschnitt 3.2 Thesengenerierung) und Experten eingeladen, diese zu bewerten (siehe auch Abschnitt 3.3 Expertenauswahl). Das Echtzeit-Delphi hat den Vorteil, dass die Experten direkt nach dem Bewerten einer These sehen, welche Einschätzung die anderen Experten zu der These abgegeben haben.

Quelle: Gordon (2009), Gordon und Pease (2006), http://www.rand.org/

3. Methodik3.1 Die Delphi-Methode

12 Methodik

Wie findet man heraus, worin die größten Herausforderungen für Deutschland beste-hen? Und wie identifiziert man Heraus-forderungen, die einen besonders großen Einfluss auf das Gemeinwohl haben?

Die Organization for Economic Co-operation and Development (OECD) stand vor ganz ähnlichen Fragen: Welche Bereiche sind, neben ökonomischen Messgrößen, für das Wohlergehen der Menschen verantwortlich? Basierend auf umfangreichen Recherchen wurden schließlich elf Lebensbereiche iden-tifiziert, die für das „well-being“ der Men-schen in einem Land ausschlaggebend sind (siehe Kasten OECD „Your Better Life Index“). Der Index stellt damit einen umfassenden Ansatz dar, das Wohlergehen von Bürgern einzelner Länder miteinander zu vergleichen. Die elf Lebensbereiche des Indexes wurden aus diesen Gründen zur Strukturierung der Recherche herangezogen.

In allen elf Lebensbereichen wurde nach möglichen Herausforderungen gesucht. Dazu wurden sowohl eine empirische Erhebung als auch eine umfangreiche Dokumentenanalyse

durchgeführt. Die empirische Erhebung fand im Rahmen des Vision Summit 2012 (siehe Kasten „Vision Summit“) statt. Die Teilneh-mer wurden aufgefordert, eine Einschätzung dazu abzugeben, welche gesellschaftlichen Herausforderungen sie innerhalb der elf Lebensbereiche aus dem OECD-Index sehen. Von den 268 verteilten Bögen erhielten wir 55 wieder zurück, was im Hinblick auf die zu kalkulierende Bearbeitungszeit von ungefähr 30-45 Minuten eine gute Quote darstellt. Im Anschluss wurden, mit den Umfrageergebnis-sen als Basis, die einzelnen Lebensbereiche des OECD-Indexes detaillierter recherchiert. Hierzu wurden Berichte, Studien und Reports gesichtet und die Ergebnisse verdichtet. Als Indikatoren für eine hohe Glaubwürdigkeit der Quelle dienten z.B. Wissenschaftlichkeit der Studie (im Vergleich zu Streitschriften oder Essays), politische Neutralität der Insti-tution (z.B. Einbezug der Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung) und Objektivität der zugrunde liegenden Daten (z.B. Einbezug von Publikationen der statis-tischen Ämter).

Innerhalb der elf Lebensbereiche konnten auf diese Weise viele einzelne konkrete Herausforderungen identifiziert werden, die in einem Folgeschritt zu größeren Themen-komplexen zusammengefasst wurden. Als besonders relevant wurden Herausforde-rungen mit folgenden Merkmalen eingestuft:

• Nennung in unterschiedlichen Quellen

• Weitere Entwicklung wird überwiegend negativ bewertet

• Beeinflusst mehrere OECD-Lebensbereiche

• Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist gefährdet

• Unklar, wie die Herausforderung adressiert werden kann

Insgesamt wurden so 33 Herausforde rungen aus den elf Lebensbereichen formuliert, die nach Berücksichtigung von Überschneidun-gen zu 26 Thesen formuliert wurden. An-schließend wurden die 15 Thesen ausge wählt, die von den Wissenschaftlern als essen tiell bewertet wurden (siehe Abbildung 5).

3.2 Die Thesengenerierung

13Methodik

Abbildung 5: Gesamtüberblick Thesen

Projektionen für das Jahr 2030

1 Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konnte nicht gelöst werden.

2 Das Potenzial eines Menschen – nicht die Herkunft – entscheidet über den Bildungserfolg.

3 Die Sozialversicherungssysteme sind zusammengebrochen.

4 Der Anteil der regenerativen Energien ist in Deutschland auf 60% gestiegen (2012: 20%).

5 Ein Großteil der Bevölkerung nimmt weder am politischen noch am kulturellen Leben teil.

6 Eine Work-Life-Balance ist für Bürger aller Einkommensschichten realisierbar.

7 Die Vereinsamung älterer Menschen hat zugenommen.

8 Alternative Wohlstandsindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt bei der Entscheidungsfindung der Politik.

9 Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen.

10 Die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Adipositas/ Fettleibigkeit, Depressionen) hat zugenommen.

11 Sehr viel mehr Menschen ziehen ihre Lebenszufriedenheit aus nichtmateriellen Dingen (Freunde, Familie, Kultur, Freizeitaktivitäten) und stehen einem übermäßigen materiellen Konsum skeptisch gegenüber.

12 Das Wirtschaftswachstum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden.

13 Der Fachkräftemangel ist zur branchenübergreifenden Herausforderung für die deutsche Wirtschaft geworden.

14 Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend.

15 Eine Vielzahl von Menschen verfügt nicht über einen existenzsichernden Lohn (bzw. Rente) und lebt in prekären Verhältnissen.

Wie bereits erwähnt, wurden Thesen nur dann ausgewählt, wenn davon auszugehen war, dass die beschriebene Herausforderung sich verschärfen wird, sprich: eine negative Entwicklung zu erwarten ist. Für die Befragung wurden jedoch bewusst einige Thesen positiv formuliert. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass sich bestimmte Antworttendenzen durch einseitige Fragenformulierung verstärken.

14 Methodik

OECD „Your Better Life Index”

Seit ungefähr 10 Jahren berichtet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen der OECD Better Life-Initiative über den Fortschritt in verschiedenen Ländern. Gestartet als eine Ergänzung zu rein ökonomischen Kennzahlen, wie dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) bietet der „Your Better Life Index“ ein umfassenderes Bild des Wohlstands in den jeweiligen Ländern.

Dem Index liegen 11 Kategorien zu Grunde, die einen hohen Einfluss auf das Wohlbefinden haben. Dabei werden sowohl materielle Lebensbedingungen wie Arbeit & Beschäftigung, Einkommen & Vermögen und die Wohnverhältnisse als auch eher qualitative Aspekte wie Soziale Kontakte & die Einbindung in Gemeinschaften, Bildung, Umwelt, Politische Führung & Beteiligung, Gesundheit, Lebenszu-friedenheit, Sicherheit & Kriminalität, sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Beruf & Privatem beachtet.

www.oecdbetterlifeindex.org

„Vision Summit“

Veranstaltet vom Genisis Institute unter der Leitung von Peter Spiegel ist der Vision Summit die jährlich stattfindende Konferenz zu Sozialen Innovationen und Sozialem Unternehmertum in Deutschland. Jährlich kommen hier über 1.000 Menschen im Rahmen von Vorträgen, Präsentationen, Workshops, Podiumsdiskussionen und einer Fachmesse für drei Tage zusammen. Im Vordergrund der Veran-staltung steht der Austausch über bestehende Projekte und neue Ideen.

www.visionsummit.org

Die Experten wurden aus unterschiedlichen Gruppen rekrutiert. So wurden beispielsweise Personen angefragt, die bei den vorangegan-gen Recherchearbeiten als Autoren ein-schlägiger Studien oder Analysen gefunden wurden. Zudem wurden Experten aus den Be-reichen „Soziale Innovationen“ und „Soziales

Unternehmertum“ eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Zusätzlich wurden neben Wis-senschaftlern unterschiedlicher Disziplinen auch Vertreter bedeutender gesellschaftli-cher Institutionen kontaktiert. Hierunter fallen ganz unterschiedliche Organisationen wie Wohlfahrtsverbände, Arbeitgeber- und

Arbeitnehmervertreter, Parteien, Stiftungen und religiöse sowie atheistische Verbände. Insgesamt wurden 322 Personen eingeladen, von denen schließlich 47 an der Studie teil-genommen haben (Rücklaufquote 15%; siehe Abbildung 6).

3.3 Die Expertenauswahl

Abbildung 6: Experten nach Gruppen

Teilnehmerkategorie Anzahl

Wissenschaft 15

Stiftungen 14

Politik, Verbände, Kirchen, NGOs 8

Wirtschaft 8

Medien 2

Gesamt 47

Einladungen = 322, Rücklaufquote = 15 %

15Methodik

Die Experten wurden durch die Versendung eines Links zum Online-Delphi-Verfahren eingeladen. Die Experten wurden dort ge-beten die 15 Thesen anhand der folgenden drei Fragen zu bewerten:

1. „Wie hoch schätzen Sie die Eintrittswahr-scheinlichkeit der These ein (von 0-100%)?“

2. „Wie hoch schätzen Sie den Einfluss auf das Gemeinwohl (bei Eintritt der These) ein (Skala von 1-5)?“

3. „Wie können Soziale Innovationen zur Lösung beitragen (Freitext)?“

Zusätzlich konnten Experten Argumente für eine hohe bzw. niedrige Eintrittswahrschein-lichkeit, sowie Argumente für einen hohen bzw. niedrigen Einfluss auf das Gemeinwohl anführen.

Nach jeder These wurde den Experten auf-gezeigt, wie die Expertengemeinschaft als Ganzes die These bewertet. Zudem konnten die entsprechenden Argumente eingesehen werden. Im gleichen Zuge hatten die Experten dann die Möglichkeit, ihre Einschätzung an-zupassen oder zusätzliche Argumente für ihre Einschätzung abzugeben.

Nach einem kompletten Durchlauf erhielten die Experten Zugang zum sogenannten Kon-sensportal, in dem alle Thesen im Kurzüber-blick angezeigt wurden und eine farbliche Markierung aufzeigte, bei welchen Thesen der Experte wie weit vom Gruppenkonsens abweicht. Die Experten hatten dann erneut die Möglichkeit ihre bisherigen Einschätzun-gen anzupassen.

Die Auswertung des Delphi erfolgte in zwei Schritten. Erstens wurden die quantitativen Einschätzungen zur Eintrittswahrschein-lichkeit (EW) und zum Einfluss auf das Ge-meinwohl (E) statistisch ausgewertet. Zudem gibt der Interquartilsabstand (IQA) an, inwie-weit die Einschätzungen der Experten zur

Eintrittswahrscheinlichkeit auseinanderliegen (eher Dissens) bzw. homogen sind (eher Konsens). Zweitens wurden die abgege-benen Argumente genauer analysiert und zu größeren Themenbereichen zusam-mengefügt, um entsprechende Zusammen-hänge gut darstellen zu können.

Auf den nächsten Seiten werden die Auswer-tungen zu jeder These auf einer Doppelseite dargestellt. Zu jeder These werden der Prob-lemhintergrund, eine quantitative Auswer-tung, eine Zusammenfassung der Expertenar-gumente sowie die Einschätzungen in Bezug auf Soziale Innovationen aufgeführt.

3.4 Der Delphi-Ablauf

3.5 Die Auswertung

16 Ergebnisse im Detail

Arbeit und Beschäftigung gelten als eine der zentralen Säulen unserer Gesellschaft. Dabei dient Arbeit nicht nur dem Broter-werb, sondern trägt auch zur persönlichen Entwicklung des Individuums bei. Ebenso hat Arbeit einen identitätsstiftenden Charak-ter und bettet den Menschen in ein soziales Beziehungssystem ein.

Arbeitslosigkeit kann aus ganz unter-schiedlichen Gründen auftreten, wobei man z.B. konjunkturelle und strukturelle Arbeits-losigkeit unterscheidet. Erstere ist das Re-sultat einer schwachen Wirtschaftslage, letz-tere das Zusammenspiel diverser anderer Faktoren (z.B. Strukturwandel von einer Industriegesellschaft zu einer Dienstleis-tungsgesellschaft). Kurz gesagt: es macht einen Unterschied, ob jemand zwischen einem Stellenwechsel ein bis zwei Monate beschäftigungslos ist, oder ob er seit Jahren keine Anstellung mehr finden kann.

Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es in Deutschland relativ viele Langzeit ar -beitslose. So waren beispielsweise in 2006 und 2007 über 40% aller Arbeitslosen Lang-zeitarbeitslose (Oschmiansky, 2010a). Von der strukturellen Arbeitslosigkeit sind vor allem weniger gut ausgebildete Personen

betroffen, bei denen die Reintegrations-chancen in den Arbeitsmarkt über die Jahre hinweg gesunken sind. Neben individuel-len Qualifikationsmerkmalen spielen auch strukturelle Bedingungen eine Rolle (Protsch, 2008). Die Folgen der Arbeitslosigkeit äußern sich nicht nur in der finanziellen Not der betroffenen Person, sondern ziehen eine Reihe anderer Probleme nach sich. So sind Langzeitar beitslose in schlechterer ge-sundheitlicher Verfassung, haben häufiger psychologische Probleme und sind zudem gesellschaftlich stärker isoliert (Oschmiansky, 2010b).

Es zeichnet sich nicht ab, dass das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit in absehbarer Zeit gelöst werden kann. Studien zeigen beispielsweise, dass die Hartz-Reformen keinen positiven Effekt für die Wiederbe-schäftigung von Langzeitarbeitslosen hatten (Protsch, 2008). Langzeitarbeitslosigkeit lässt sich also nicht einfach durch verschärfte Zu-mutbarkeitsregeln oder Sanktionen lösen. Stattdessen liegt ein Schlüssel zum Erfolg im Ausbau der Betreuung von Langzeitarbeitslo-sen; es kommt also hauptsächlich darauf an, individueller auf die Bedürfnisse von Lang-zeitarbeitslosen einzugehen und ihnen Per-s pektiven aufzuzeigen (Bäcker et al., 2011).

Werden wir das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit bis 2030 in den Griff bekommen? – Eher nein.Mit 65% Zustimmung erhält die These, dass das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit auch 2030 noch nicht gelöst sein wird, im Vergleich zu anderen Thesen eine relativ hohe Zustimmung. Interessant ist, dass der Interquartilsabstand mit 35 Punkten relativ hoch ist. Dies deutet darauf hin, dass die Einschätzungen recht breit gestreut sind, es also auch viele „extreme“ Antworten gibt. Der Einfluss auf das Gemeinwohl liegt mit 3,9 genau im Durchschnitt über alle Thesen hinweg.

Argumente der ExpertenEntsprechend der hohen Zustimmung, dass auch in 2030 weiterhin Langzeitarbeits-losigkeit herrschen wird, ist es auch nicht weiter erstaunlich, dass mehr Argumente zur Unterstützung dieser These geäußert wurden als dagegen. Diese bezogen sich vor allem auf die weiterhin zu erwartende Lücke zwischen den angebotenen Arbeits-plätzen und der nötigen Qualifikation der Langzeitarbeitslosen. Eine zunehmende

4. Ergebnisse im Detail: Experteneinschätzungen der ThesenThese 1 – 2030: Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konnte nicht gelöst werden.

17Ergebnisse im Detail

Automatisierung der Arbeitsabläufe, sowie weitere Werksverlagerungen ins Ausland im Zuge der Globalisierung sind dabei die Hauptargumente für einen Rückgang an Ar-beitsplatzangeboten für Langzeitarbeitslose. Bezüglich der Qualifikation der Langzeitar-beitslosen wiesen viele Experten auf präven-tive Maßnahmen hin. Vor allem im Bereich des Bildungs- und Schulsystems, seien nicht die notwendigen Anstrengungen zu sehen, um einen Rückgang der Langzeitarbeitslosig-keit zu erwirken. Ingesamt wird das Problem Langzeitarbeitslosigkeit also eher als ein Mangel an Fähigkeiten und Können gesehen und nicht so sehr als ein Arbeitsunwillen der Langzeitarbeitslosen.

Neben Argumenten, die betonen, dass eine Diskrepanz zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage besteht, die man beispielsweise durch Qualifikationsmaßnahmen verringern kann, scheinen viele Experten auch ganz prinzipiell keine Lösung in dem bestehen-den System zu erwarten. Dementsprechend treten Experten, die der These eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit zuschreiben, häufig für einen Umbau des Systems ein. Einigen fehlt es beispielsweise an einer ge-samtgesellschaftlichen Anstrengung, andere Lebens- und Arbeitsmodelle zu schaffen. Ebenso kommt im bestehenden System vor allem dem Wachstum, den Exporten und der Wettbewerbsfähigkeit eine höhere Relevanz zu als z.B. dem Ziel, Beschäftigung für alle zu schaffen.

Ein weiterer Punkt, in dem eine strukturelle Benachteiligung der Langzeitarbeitslosen gesehen wird, ist die fehlende gesellschaft-liche Repräsentanz. Im Vergleich zu Gewerk-

schaften für Arbeitnehmer gibt es keine Interessenvertretung von Arbeitslosen, die sich öffentliches Gehör verschafft oder an Verhandlungstischen präsent ist.

Bezüglich der Argumente, die dafür spre-chen, dass 2030 das Problem der Langzeitar-beitslosigkeit keine Rolle mehr spielt, wurde vor allem auf den demografischen Wandel verwiesen. Prinzipiell gab es hier zwei Argu-mentationsstränge. Eine Gruppe war der An-sicht, dass sich „das Problem auswächst“, dass es also mehr oder weniger automatisch zu einem Rückgang der Langzeitarbeitslosen kommt. Andere Experten betonten vor allem, dass sich mit dem demografischen Wandel das Bewusstsein und die Anstrengung in der Bevölkerung ändern werden. Durch ver-stärke Investitionen in Bildung kommt es dann somit über die Zeit hinweg zu einem Rückgang der Langzeitarbeitslosen.

Und wie steht es mit dem Einfluss auf das Gemeinwohl? Diejenigen, die einen rela-tiv geringen Einfluss auf das Gemeinwohl sehen, argumentieren meist damit, dass es zwar für den Einzelnen individuell belastend sei, dass Langzeitarbeitslosigkeit gesamt-gesellschaftlich finanziell aber tragbar sei. Jedoch gibt es mindestens genauso viele Experten, die die finanzielle Tragbarkeit in Zukunft schwinden sehen. Problematischer als die finanzielle Belastbarkeit ist für einige Experten jedoch die Tatsache, dass Langzeit-arbeitslose häufig isoliert sind. Diese Ar-gumente zielen auf die Frage des sozialen Friedens, der gesellschaftlichen Grundsoli-darität und auf eine glückende Sozialinte-gration ab.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Das Potential Sozialer Innovationen wird in verschiedenen Bereichen gesehen. Da sind zum einen Ideen, die sich mit der Präven-tion von Langzeitarbeitslosigkeit beschäfti-gen, die also vor allem im frühkindlichen Bereich, dem Bildungssystem bzw. am Übergang Bildungssystem-Arbeitsmarkt an-setzen. Relativ wenige Kommentare bezie-hen sich überraschender Weise auf konven-tionelle Qualifikationsmaßnahmen oder auf eine intensivere Betreuung von Langzeitar-beitslosen. Vielmehr steht hier die Idee im Vordergrund, alternative Tätigkeiten zur Er-werbsarbeit zu ermöglichen oder zumindest die gesellschaftliche Teilhabe der Langzeit-arbeitslosen zu unterstützen und auszubau-en, zum Beispiel durch die Schaffung einer stärkeren politischen Repräsentation der Langzeitarbeitslosen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, Langzeitarbeitslosen ähnliche Erfahrungen wie Erwerbstätigen zu ermöglichen, die vor allem mit Wertschät-zung und Anerkennung zu tun haben. Die finanzielle Ausstattung der Betroffenen steht hier nicht im Vordergrund, sondern eher der hohe identitätsstiftende Charakter der Er-werbsarbeit und die Frage, welche Alterna-tiven es für Langzeitarbeitslose geben kann. Des Weiteren empfehlen die Experten, sich auch damit auseinanderzusetzen, wie Arbeit gesellschaftlich verteilt wird. Langzeitar-beitslosigkeit sei, so einige Experten, eher eine Folge dessen, wie Arbeit verteilt wird, und nicht so sehr ein individuelles Problem, welches in der Person des Langzeitarbeits-losen zu finden sei.

1. 2030: Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit konnte nicht gelöst werden. EW: 65 E: 3,9 IQA: 35

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Demografischer Wandel führt automatisch zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit

• Verstärkte Anstrengungen im Bildungsbereich verhindern präventiv Langzeitarbeitslosigkeit

• Weitere Automatisierung im Produktionsprozess• Weitere Werksverlagerungen ins Ausland• Langzeitarbeitslosigkeit ist systemisch bedingt• Langzeitarbeitslose haben keine eigene Interessenvertretung/

Lobbygruppe

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Individuell belastend, aber gesellschaftlich tragbar • Mögliche Gefahr für sozialen Frieden• Desinteresse an Langzeitarbeitslosen ist Zeichen für Mangel an

Solidarität

Ansätze für Soziale Innovationen

• Präventiv: schon im Bildungssystem ansetzen, besondere Aufmerksamkeit auf den Übergang von Schule in Ausbildungs- und Erwerbsleben legen• Ergänzend: neben der Erwerbsarbeit andere Formen von Tätigkeit entwickeln, Wertschätzung und Anerkennung auf andere Art und Weise ermöglichen• Verteilend: gesamtgesellschaftlich das Arbeitspensum anders auf die zu tragenden Schultern verteilen

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

18 Ergebnisse im Detail

Ein Zeichen einer offenen Gesellschaft besteht darin, dass der Bildungserfolg nicht davon abhängt wie arm oder reich, gebildet oder ungebildet die eigenen Eltern sind, sondern hauptsächlich davon, welches Potenzial der Einzelne mitbringt. Wenn dagegen ein hoher Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund der Eltern und den Bildungs- und Berufschancen von Kindern besteht, ist die soziale Mobilität eingeschränkt. Ebenso wirkt dann das Bildungssystem segregierend, an-statt seiner integrierenden Aufgabe nachzu-kommen (Autorengruppe Bildungsberichter-stattung, 2010). Manche gehen sogar so weit, neben der genetischen Vererbung und der Vererbung von Vermögen auch von der „Ver-erbung von Bildung“ zu sprechen. Vergleicht man beispielsweise Kinder aus Akademiker-haushalten mit Kindern aus Nicht-Akademi-kerhaushalten, so fällt auf, dass nur 23% der Kinder aus Nicht-Akademikerhaushalten im Vergleich zu 83% aus Akademikerhaushalten später studieren werden (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2008).

Im Bildungsbericht von 2010 werden haupt-sächlich drei Risikolagen identifiziert, die die Bildungschancen von Kindern negativ be-einflussen. Dies sind erstens eine fehlende Integration der Eltern ins Erwerbsleben

(soziales Risiko), zweitens ein geringes Haus-haltseinkommen (finanzielles Risiko) und drit-tens ein geringes Ausbildungsniveau der Eltern (Risiko der Bildungsferne). Insgesamt sehen sich deutschlandweit fast 30% der Kinder mindestens einer Risikolage ausgesetzt, wobei dieser Wert bei Kindern mit Migrationshinter-grund im Vergleich zu Kindern ohne Migra-tionshintergrund noch höher ist (Autoren-gruppe Bildungsberichterstattung, 2010).

Dieser hohe Zusammenhang hat zur Folge, dass Kinder aus sozial schwierigeren Ver-hältnissen in der Entfaltung ihres Potenzials eingeschränkt sind und somit sowohl indi-viduell mögliches als auch gesellschaftlich nötiges Potenzial verschenkt wird. Problema-tisch ist dies auch deswegen, weil der Bil-dungserfolg einen hohen Einfluss auf weitere wichtige Lebensbereiche hat. So steigt bei höherem Abschluss sowohl die Erwerbsquote als auch das durchschnitt liche monatliche Einkommen, während die Gefahr arbeitslos zu werden sinkt. Darüber hinaus besteht auch ein Zusammenhang zur gesellschaft-lichen Teilhabe, denn mit dem Bildungsstand nehmen normalerweise auch das gesell-schaftliche Engagement und die politische Beteiligung zu (Autorengruppe Bildungsbe-richterstattung, 2012).

Entscheidet in 2030 vor allem das Potenzial eines Menschen über des sen Bildungserfolg? – Eher nicht.Mit 48% Zustimmung gehört diese These eher zu den Thesen, denen die Experten skeptisch gegenüberstehen. Die Experten gehen also eher davon aus, dass das Pro-blem bestehen bleibt. Die Streuung der Ant-worten bewegt sich hier mit 30 Punkten für den Interquartilsabstand im durchschnitt-lichen Bereich. Ebenso wird der Einfluss auf das Gemeinwohl mit 3,9 Punkten zwar absolut eher hoch, im Vergleich jedoch zu den anderen Thesen als durchschnittlich bewertet.

Argumente der ExpertenDie Experten sind sich einig, dass das Pro-blem des hohen Zusammenhangs zwischen der Herkunft und des Bildungserfolges er-kannt worden ist. Viele Experten beobachten jedoch bereits seit Jahren, dass Deutschland mit seinem traditionell starren und seg-mentierenden Bildungssystem, der Heraus-forderung nicht gewachsen ist. Lösungen, um das Problem zu entschärfen, fehlen. Entsprechend der bestehenden Skepsis zum

These 2 – 2030: Das Potenzial eines Menschen – nicht die Herkunft – entscheidet über den Bildungserfolg.

19Ergebnisse im Detail

Eintritt der These haben die Experten auch mehr Argumente für eine niedrige (anstatt für eine hohe) Eintrittswahrscheinlichkeit genannt.

Ein wesentlicher Grund, warum die Experten weiterhin der Herkunft einen großen Ein-fluss auf den Bildungserfolg zuschreiben, liegt darin, dass sich die Ressourcen der Eltern für den Bildungserfolg einsetzen las-sen. So können gut situierte Eltern eher eine Nachhilfe und in den Ferien Sprachurlaube finanzieren. Auch außerschulische Aktivi-täten, die sich positiv auf die Ausbildung der Sozialkompetenz auswirken, spielen hier eine Rolle. Ebenso wird gesehen, dass Eltern, die selbst gut ausgebildet sind, ten-denziell mehr darauf achten, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung genießen.

Neben diesen Faktoren, die eher auf eine positive fürsorgliche Einstellung gut ausge-statteter Eltern zurückzuführen ist, sind einige Experten der Ansicht, dass es auch um einen Verteilungskampf von Bildungschan-cen geht, bei dem die Bessergestellten ihre Interessen zu verteidigen wissen. Ebenso sehen einige Experten eine Stigmatisierung von Kindern, die aus sozial schwächeren Familien kommen. Die Stigmatisierung könnte letztlich zu einer sich selbst erfül-lenden Prophezeiung werden: Wenn Kinder merken, dass andere der Meinung sind, aus ihnen könne nichts werden, verlieren sie letztlich den Glauben an sich selbst, um sich

dann genau in die Richtung zu entwickeln, die andere von ihnen erwarten.

Einige Experten sehen zwar durchaus die Möglichkeit, dass das Potenzial im Vergleich zur Herkunft eine stärkere Rolle spielen wird, bezweifeln allerdings, dass dies be-reits bis 2030 möglich sein wird.

Für das Eintreten der These spricht aus Sicht der Experten vor allem der Handlungsdruck, der sich aus dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel ergibt. Es sei gesellschaftlich schlichtweg nicht leistbar, dass die Herkunft weiterhin einen so hohen Einfluss habe; weshalb sich etwas ändern müsse. Hoffnung gibt dabei, dass es zuneh-mend positive Beispiele von Bildungsauf-steigern mit Migrationshintergrund gibt. Diese fungieren als Vorbilder für andere Kinder und Jugendliche mit einem ähnlichen Hintergrund.

Bezüglich des Einflusses auf das Gemein-wohl ist wenig erstaunlich, dass Experten vor allem mögliche negative Konsequenzen hervorheben. Ein hoher Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg för-dere nicht den gesellschaftlichen Zusam-menhalt, sondern wirke eher „fragmentie-rend“. So wird Bildung als ein sehr starker Faktor für eine gelungene Integration an-gesehen. Darüber hinaus wurden auch die negativen wirtschaftlichen Konsequenzen betont, die entstehen, wenn Deutschland

weiterhin Potenzial ungenutzt lässt. Kluge Köpfe sind schließlich die entscheidende Ressource in Deutschland.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Das Potenzial Sozialer Innovationen kann nach Meinung der Experten auf verschiedene Art und Weise ausgeschöpft werden. Nach Ansicht vieler Experten muss zum Beispiel im Rahmen der frühkindlichen Förderung wesentlich mehr getan werden, da Kinder bereits mit sehr unterschiedlichen Voraus-setzungen in den Kindergarten oder die Schule kämen. Ebenso sehen viele Experten dieses Thema nicht nur als Aufgabe des Staates an, sondern vielmehr als ein gesell-schaftliches Anliegen, bei dem viele Akteure zusammenarbeiten und gemeinsam die Herausforderung angehen sollten. Hier wäre also der Staat nicht nur als Bildungsanbieter, sondern auch als „Bildungsermöglicher“ für andere Akteure gefordert. Zudem vermis-sen einige Experten eine direkte Talentsuche und –förderung, die darauf ausgerichtet ist, individuelle Potenziale gezielt zu erkennen und weiter zu entwickeln. Nicht zuletzt wird technologischen Möglichkeiten (z.B. Lernen durch die neuen Medien) eine hohe Fähig-keit beigemessen, um den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg auf-zubrechen.

2. 2030: Das Potenzial eines Menschen – nicht die Herkunft – entscheidet über den Bildungserfolg.

EW: 48 E: 3,9 IQA: 30

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Starres und segmentierendes Bildungssystem• Gut situierte Eltern können ihre Kinder (auch materiell) besser

unterstützen• Bisherige Profiteure des Bildungssystems werden ihre Pfründe zu

verteidigen wissen

• Handlungsdruck aufgrund des demografischen Wandels und erwartetem Fachkräftemangel

• Wachsende Anzahl an Bildungsaufsteigern fungieren als Rollenvorbilder

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Ökonomische Verhältnisse sind bedeutender als Bildungssituation• Neben formaler Bildung gibt es auch einen großen Anteil informeller

Bildung, der außerhalb des Bildungssystems gelernt wird

• Sozialer Zusammenhalt gefährdet, da das Bildungssystem eine segregierende Wirkung hat

• Ungenutztes Potential verschenkt Wohlstandsmöglichkeiten

Ansätze für Soziale Innovationen

• Frühkindlich: Ansetzen, schon bevor die Kinder ins Bildungssystem kommen• Ermöglichend: Staat sollte nicht nur als Bildungsanbieter auftreten, sondern als „Bildungsermöglicher“, Bildungssystem für nicht-staatliche Akteure öffnen• Entfaltend: Potentialentfaltung – nicht Wissensvermittlung – muss im Vordergrund stehen• Unterstützend: technische Möglichkeiten stellen neue Möglichkeiten für bisher vernachlässigte und isolierte Schüler dar

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

20 Ergebnisse im Detail

Das deutsche Sozialversicherungssystem besteht aus der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherung. Finanziert wird dieses System vorwiegend aus sozialversicherungspflichtigen Beschäf-tigungsverhältnissen. Herausforderungen können nun aus Entwicklungen auf der Ein-nahmen- oder der Ausgabenseite des Sozial-versicherungssystems entstehen. Erstens können die zu erbringenden Leistungen steigen, d.h. dass höhere Ausgaben notwen-dig werden. Zweitens können die erforder-lichen Mittel sinken, so dass niedrigere Einnahmen zu erwarten sind. Für beide Ent-wicklungen gibt es gute Gründe.

Zunächst einmal sind in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern die Kosten für das Gesundheitssystem in Relation zum Bruttoinlandsprodukt relativ hoch (Destatis und WZB, 2011). Des Weiteren lassen Prog-nosen über die Bevölkerungsentwicklung erwarten, dass die Bevölkerungsanzahl der über 60-jährigen bis 2030 (im Vergleich zu 2009) um 7,3 Millionen Menschen zunimmt, was einem Anstieg von gut einem Drittel entspricht. Damit würden dann 37% der Bevölkerung dieser Altersgruppe zugehören im Vergleich zu ca. 25% in 2009 (Statistische

Ämter des Bundes und der Länder, 2008). Wenig überraschend nehmen Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Osteoporose, Schlagan-fall und Demenz mit steigendem Lebensalter zu, d.h. für die Kranken- und Pflegever-sicherung ist die zunehmende Alterung der Gesellschaft mit höheren Ausgaben verbun-den (Robert-Koch-Institut und Statistisches Bundesamt, 2006).

Mit Blick auf die Einnahmenseite muss fest-gestellt werden, dass in den letzten Jahren zwar die atypischen Beschäftigungsverhält-nisse (z.B. Teilzeitbeschäftigte <20h/Woche, geringfügig und befristet Beschäftigte, sowie Leiharbeiter) zugenommen haben, dafür aber die sozialversicherungspflichtigen Normal-arbeitsverhältnisse abgenommen haben. Laut Mikrozensus nahmen die Normalbeschäf-tigungsverhältnisse im Zeitraum von 1991 bis 2010 um 3,8 Millionen Arbeits plätze ab, während 3,5 Millionen neue atypische Be-schäftigungsverhältnisse geschaffen wurden (Statistisches Bundesamt, 2012a).

Bisher zeichnen sich weder im Hinblick auf die Finanzierungs-, noch im Hinblick auf die Ausgabenseite entscheidende Ände-rungen ab, die den Druck auf die Sozialver-sicherungssysteme mildern würden.

Sind bis 2030 unsere Sozial-versicherungs systeme zusam-mengebrochen? – Nein, so weit wird es nicht kommen.Mit nur 25% Zustimmung gilt die These vom Zusammenbrechen der Sozialver-sicherungssysteme als diejenige, die die geringste Zustimmung erfahren hat. Glück-licherweise sehen dies Experten so, denn gleichzeitig schätzen sie den Einfluss auf das Gemeinwohl bei Eintritt der These mit 4,4 Punkten als sehr hoch an. Mit einem In-terquartilsabstand von 20 Punkten ist auch der Streuindikator sehr gering ausgeprägt.

Argumente der ExpertenDie Argumente, die für einen niedrigen Ein-tritt der These sprechen, können drei ver-schiedenen Gruppen zugeordnet werden. Erstens haben Experten eine eher allgemein gehaltene begründete Hoffnung, dass die Herausforderungen im Bezug auf die Sozial-versicherungssysteme lösbar sind. Zweitens nennen sie konkrete Vorschläge, die die finanzielle Ausstattung betreffen. Drittens wird auch die Leistungsseite der Sozialver-sicherungssysteme thematisiert.

These 3 – 2030: Die Sozialversicherungssysteme sind zusammengebrochen.

21Ergebnisse im Detail

Bezüglich der allgemein begründeten Hoff-nung sehen viele Experten, dass sich viele Menschen bereits mit dieser Thematik be-schäftigen und dass mit der Sozialversi-cherung ein wesentlicher Bereich unseres Selbstverständnisses betroffen ist. Wenn für uns also Werte wie Solidarität und Gerech-tigkeit wichtig sind und sich zudem viele Menschen an verschiedenen Stellen im Sys-tem mit der Thematik beschäftigen, müsse letztlich auch eine Lösung gefunden werden, die unsere Sozialversicherungssysteme vor dem Kollaps bewahre.

Mit Blick auf die Finanzierungsseite lässt sich sagen, dass die überwiegende Anzahl der Experten neben der Beitragsfinanzierung auch eine zunehmende Steuerfinanzierung sieht. Ebenso werden die Bürger verstärkt Eigenvorsorge betreiben müssen, in dem sie private Versicherungen abschließen. Nicht zuletzt wurde auch ein einheitliches Versi-cherungskonzept diskutiert, welches nicht nur die sozialversicherungspflichtigen Be-schäftigten umfasst, sondern um die Grup-pen der Selbständigen, Beamten und Rent-ner erweitert wird.

Einheitlicher Tenor der Experten ist, dass das aktuelle Leistungsniveau der Sozialver-sicherungen auf längere Frist nicht mehr tragbar ist, es also zu einer Kürzung oder zu Einschränkungen der Leistungen kommen muss. Hiermit verwandt ist die Erwartung, dass in 2030 die Sozialversicherungssysteme hauptsächlich eine Grundsicherung darstel-len und der Rest privat zu regeln sei.

Darüber hinaus wird auch erwartet, dass weitere Akteure wie Unternehmen oder Stif-tungen Aufgaben übernehmen werden (müs-sen), die von den Sozialversicherungssyste-

men nicht mehr getragen werden können. Ähnlich ist die Erwartung einzuschätzen, dass „das Subsidiaritätsprinzip das Versi-cherungsprinzip teilsubstituieren wird“, wie es ein Experte formuliert. Damit ist gemeint, dass wir neue Formen des Organisierens von Sozialversorgung bekommen, die weder zentral staatlich noch individuell vorsorgend organisiert sind, wir also Systeme benöti-gen, die sich beispielsweise auf Landes-, Gemeinde-, Städte-, Bezirks-, oder Nachbar-schaftsebene organisieren.

Zudem sehen manche Experten die größte Gefahr für ein Zusammenbrechen des Sozial-versicherungssystems in einer Blockade-haltung von Bürgern. Dieses Argument hat seine Wurzel in der Befürchtung, dass in einer demokratischen Gesellschaft, diejeni-gen Gruppen, die vom aktuellen System profitieren und bei Veränderungen verlieren würden, ihre Ansprüche politisch durch-setzen können, bis irgendwann beispiels-weise die Finanzierung des Systems zusam-menbricht.

Hinsichtlich des Einflusses auf das Gemein-wohl ist es wenig überraschend, dass die Experten fast ausschließlich dramatische Folgen bei einem Zusammenbruch der So-zialversicherungssysteme erwarten. Einzig das schon oben erwähnte Argument, dass sich neue Versorgungssysteme zwischen staatlicher Fürsorge und individueller Vor-sorge etablieren könnten, spräche dafür, dass ein Zusammenbruch der zentral or-ganisierten Sozialversicherungssysteme ab-gefedert werden könnte.

Ansonsten gehen die Bedenken vor allem in zwei Richtungen. Erstens die Befürch-tung einer zunehmenden Isolation von

schwächeren, kränkeren und ärmeren Men-schen. Zweitens eine ernstzunehmende Ge-fahr für den sozialen Frieden. Hier werden die Sozialversicherungssysteme als kon - s titutionell für unser Gesellschaftssystem gesehen, d.h. gäbe es keine Sozialversi-cherungssysteme mehr, dann bräuchten wir auch eine andere Gesellschaftsform, die ohne größte soziale Verwerfungen nicht denkbar ist.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Abgesehen von Vorschlägen für Soziale Inno-vationen, die die Finanzierbarkeit der Sozial-versicherungssysteme verbessern, drehten sich die restlichen Vorschläge um den Auf-bau alternativer Versorgungssysteme oder, wie es ein Experte nannte, um „zivilgesell-schaftliche Hilfsstrukturen“. Diese unter-scheiden sich hauptsächlich hinsichtlich der Akteure, die solche zivilgesellschaftlichen Hilfsstrukturen aufbauen könnten. Dies sind entweder kleinere Verbünde wie Nachbar-schaften oder größere pluralistische Organi-sationen. Des Weiteren wurden als wichtige Akteure Sozialunternehmer genannt, die ihre Tätigkeit darauf ausrichten, die Heraus-forderungen im Sozialbereich unternehme-risch zu lösen. Vom Staat und den lokalen politischen Institutionen wurde hauptsäch-lich gefordert, einen Rahmen zu schaf-fen, der es den oben erwähnten Akteuren ermöglicht aktiv zu werden. Dies umfasst sowohl Aspekte der Finanzierbarkeit, als auch die Möglichkeit eine Austausch- und Diskursplattform zu stellen, innerhalb derer sich die Akteure formen und organisieren können.

3. 2030: Die Sozialversicherungssysteme sind zusammengebrochen. EW: 25 E: 4,4 IQA: 20

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Es beschäftigen sich schon viele mit dem Thema• System wird auf breitere Füße gestellt: Steuern, erhöhte Eigenvorsorge,

Erweiterung Beitragszahler• Bürger und Staat werden neue Formen eines Versicherungssystems

entwickeln

• Blockadehaltung derjenigen, die bei notwendigen Reformen verlieren würden

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Alternative Unterstützungs- und Versorgungssysteme werden sich etablieren

• Zunehmende Isolation der Schwachen• Gefahr für den sozialen Frieden

Ansätze für Soziale Innovationen

• Neue Finanzierungsmöglichkeiten• Alternative zivilgesellschaftliche Hilfsstrukturen: informelle Nachbarschaftshilfe, Stärkung Sozialunternehmertum, lokale Zusammenschlüsse

und Unterstützungsmodelle

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

22 Ergebnisse im Detail

Am 30. Juni 2011, weniger als vier Monate nach der Nuklearkatastrophe von Fuku-shima, beschlossen Bundestag und Bun-desrat, dass das letzte Atomkraftwerk im Jahr 2022 vom Netz gehen solle. Die Abkehr von Erdöl und Atomkraft bei gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren Energien wurde in Deutschland bereits seit den 80er Jahren diskutiert und vorangetrieben, aber erst das Unglück in Japan brachte ein Gesetz zum endgültigen und schnellen Atomausstieg.

Bereits im Kyoto-Protokoll, das 1997 un-terzeichnet wurde und 2005 in Kraft trat, ver pflichtete sich Deutschland dazu, seine Emissionen in den Jahren 2008-2012 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um durch-schnittlich 21% zu reduzieren (Bundesminis-terium für Umwelt, Naturschutz und Reak-torsicherheit, 2012). Das Ziel wurde erreicht. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt das „Ge-setz für den Vorrang Erneuerbarer Energien“ (kurz Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG). Es wurde im Jahr 2000 verabschiedet und gilt international als eines der wirksamsten Ge-setze zum Ausbau erneuerbarer Energien. Das EEG basiert auf zwei Grundmechanis-men: Einer Abnahmeverpflichtung von Öko-strom durch die Stromnetzbetreiber und auf 20 Jahre festgeschriebene, jährlich sinkende Vergütungssätze.

Zusammen führten diese beiden Maßnah-men dazu, dass immer mehr Strom aus Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft oder anderen erneuerbaren Energien gewonnen wird. Im Jahr 2011 lag der Anteil der erneu-erbaren Energien am deutschen Strom-Mix bereits bei etwa 20% (Umweltbundesamt, 2012a). Im EEG wurde festgeschrieben, den Anteil erneuerbarer Energien an der Strom-versorgung im Jahr 2030 auf mindestens 50% zu erhöhen (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2011). Dies setzt nicht nur den stetigen Ausbau neuer Anlagen für erneuerbare Energien voraus, sondern macht zudem den Ausbau von Speicherkapazitäten und den Auf- und Ausbau einer intelligenten Netzinfrastruktur notwendig. Wird Deutschland in der Lage sein, das im EEG festgeschriebene Ziel zu er-reichen? Oder wird Deutschland, wie in der obenstehenden Projektion angedeutet, 2030 sogar bereits 60% des Strombedarfs aus er-neuerbaren Energien gewinnen?

Kann der Anteil regenerativer En-ergien am deutschen Strom-Mix bis 2030 auf 60% erhöht werden? Durchaus. Die Mehrheit der Experten, immerhin 59% der Befragten, erwartet, dass der Anteil der

regenerativen Energien in Deutschland im Jahr 2030 bei 60% liegen wird. Allerdings gehen die Meinungen hier weit auseinander (IQA: 50). Der geschätzte Einfluss auf die Ge-sellschaft wird mit durchschnittlich 3,5 von 5 Punkten eingeschätzt.

Argumente der ExpertenViele der Experten, die von einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit der Projektion ausgehen, nennen die damit verbundenen Chancen als ausschlaggebende Kraft. So ge-hen sie davon aus, dass die Wirtschaft die Chancen einer „grünen“ Ökonomie entdecken wird. Technologien zur Erzeugung regenera-tiver Energien könnten zu einem wichtigen Exportgut werden und Deutschland könnte sich als High-Tech-Land für erneuerbare Ener-gien positionieren. Vorteile werden auch im Hinblick auf die Lärm- und Umweltbe lastung gesehen, da Elektro- oder Erdgasautos, die dann selbstverständlich mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben werden, leiser sind und die Stadtluft weniger belasten.

Einige der Experten gehen zudem davon aus, dass „grüne“ Energie billiger wird, weil sich die Wirtschaftlichkeit regenerativ er-zeugter Energie aufgrund des technischen Fortschritts kontinuierlich verbessern wird. Die Kosten für fossile Energien würden

These 4 – 2030: Der Anteil der regenerativen Energien ist in Deutschland auf 60% gestiegen (2012: 20%).

23Ergebnisse im Detail

dagegen eher steigen, auch wenn neue Fördermethoden wie Fracking-Bohrungen die Preissteigerungen eventuell etwas ver-langsamen werden. Zudem sei der Wille in Politik und Öffentlichkeit vorhanden, da die Energiewende viel Potenzial freigesetzt habe. Entsprechende politische Beschlüsse und För-derprogramme seien verabschiedet und viele Projekte im Bereich der dezentralen Energie-versorgung bereits auf den Weg gebracht.

Andere Experten halten den Eintritt der These schlichtweg aufgrund von man-gelnden Alternativen für wahrscheinlich: Angesichts des Klimawandels und der zu Ende gehenden Ära von Spaltungsreaktoren sei der Ausbau der Erneuerbaren die einzige Möglichkeit.

Experten, die davon ausgehen, dass der 60%ige Anteil erneuerbarer Energien am Strom-Mix eher nicht erreicht werden wird, führen zum einen eine Reihe von techni-schen Argumenten an. So werden beispiels-weise Zweifel geäußert, dass Stromange-bot und –verbrauch zur Deckung gebracht werden können. Entsprechende Speicher und Smart Grid-Technologien sind aus Sicht einiger Experten hierfür noch nicht ausgereift genug. Derselben Argumentation folgend wird angezweifelt, dass die Sicherung der Grundlastfähigkeit mit erneuerbaren Ener - gien gewährleistet werden kann.

Des Weiteren wird der Ausbau des Strom-netzes als problematisch angesehen. So werden beispielsweise große Widerstände in der Gesellschaft bei der Planung von

Durchleitungstrassen erwartet. Einige Ex-perten sind zudem der Meinung, dass die Politik die Energiewende noch nicht konse-quent genug durchsetzt und es angesichts der Skepsis in der Bevölkerung zu weiterem Streit in der Regierung und zu Verzögerungen kommen könnte. Die mit der Energiewende verbundenen Kosten (z.B. Subventionierung der erneuerbaren Energien) werden als wei-teres Argument gegen einen hohen Anteil der Erneuerbaren am Strom-Mix aufgeführt.

Der Einfluss auf die Gesellschaft wird eben-falls sehr unterschiedlich gesehen. Experten, die den Einfluss auf die Gesellschaft für eher gering halten, argumentieren, dass die Wirkungen eher klein und langfristig spür-bar seien. Deutschland habe zudem auf die globale Klimaveränderung lediglich einen geringen Einfluss. Und sollte das Ausbauziel nicht erreicht werden, könne eben immer auf Energien aus anderen Quellen zurück-gegriffen werden.

Andere Experten schätzen den Einfluss auf das Gemeinwohl dagegen als sehr hoch ein. Sie erwarten positive Effekte durch steigende Luftqualität, sinkende Importabhängigkeit, das Durchbrechen von Energiemonopolen und eine steigende Anzahl von heimischen Arbeitsplätzen, z.B. wenn deutsche Umwelt-technologien zum Exportschlager werden. Es werden aber auch negative Effekte genannt, aufgrund derer ein hoher Einfluss auf das Gemeinwohl erwartet wird, darunter Ener-giearmut und „Landschaftsverschandelung“.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Die Experten sehen verschiedene Ansätze für Soziale Innovationen im Bereich der er-neuerbaren Energien. Viele davon werden bereits umgesetzt. Ein wichtiges Thema da-bei sind sogenannte „Off Grid-Lösungen“, die eine autarke Stromversorgung gewähr-leisten. Dabei können sich verschiedene Ein-heiten zusammenschließen. In Frage kom-men beispielsweise Haushalte, Wohnblöcke, Kommunen, Städte oder Kreise. Die Umset-zung kann in Energiegenossenschaften oder in kleinen, dezentralen Social Business-Projekten erfolgen. Zur Finanzierung können neue Finanzierungsmodelle genutzt werden, die speziell auf den Bau von dezentralen, regenerativen Anlagen ausgerichtet sind. Als wichtige Punkte wurden in diesem Zusam-menhang lokale und partizipative Hand-lungsansätze und zielorientierte Beteili-gungsverfahren genannt.

Den Energieverbrauch zu senken, ist ein weiterer Stellhebel, der von den Experten genannt wurde. Hier können technische Verbesserungen und energieeffizientere Geräte einen Beitrag leisten. Ein weiterer Ansatzpunkt, der ganz ohne technische Neuerungen auskommt, besteht in der breiten Information der Bevölkerung über Energieeinsparmöglichkeiten. Zudem kön-nen Soziale Innovationen initiiert werden, die zu Veränderungen von Mobilitäts- und Arbeitsmustern und einem genügsame-ren Lebensstil oder zur gemeinschaftlichen Nutzung energieintensiver Geräte führen.

4. 2030: Der Anteil der regenerativen Energien ist in Deutschland auf 60% gestiegen (2012: 20%).

EW: 59 E: 3,5 IQA: 50

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Notwendige Technologien wie Speicher- und Smart Grid-Technologien noch nicht ausgereift genug

• Ausbau des Stromnetzes und der Durchleitungstrassen stellen große Herausforderung dar

• „Grüne“ Ökonomie als wirtschaftliche Chance• Erneuerbare Energien sind mittelfristig günstiger• Energiewende hat viel Potential freigesetzt, in Politik und in der

Bevölkerung

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Deutschland hat nur einen geringen Einfluss auf globale Klimaveränderungen

• Wird das Ausbauziel nicht erreicht, wird auf konventionelle Energien zurückgegriffen

• Positive Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft• Energiearmut und „Landschaftsverschandelung“

Ansätze für Soziale Innovationen

• Auf regenerative Energien umstellen: Finanzierungsmodelle für dezentrale, regenerative Anlagen; Entwicklung zielorientierter Beteiligungsverfahren; Energiegenossenschaften, Energienachbarschaften; Förderung von „Prosumenten“ (Prosumenten werden Konsumenten genannt, die gleichzeitig als Produzenten aktiv sind) im regenerativen Bereich

• Energie sparen: z.B. energiearme Mobilitätskonzepte; neue Wohnformen; Veränderung von Arbeitsmustern; breite Information der Bevölkerung über Energieeinsparmöglichkeiten; genügsamere Lebensstile; gemeinschaftliche Nutzung energieintensiver Geräte

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

24 Ergebnisse im Detail

Alle Bürger haben in Deutschland Zugang zu Kultur. Auch politisch kann sich jeder, der dies möchte, informieren und mit-gestalten. Längst nehmen jedoch nicht alle Menschen in gleichem Maße am kulturel-len und politischen Leben teil. Personen, die weniger gut integriert sind, einen gerin-geren Bildungsabschluss oder ein niedriges Einkommen haben, nehmen seltener an kulturellen Veranstaltungen teil, sind weni-ger in politische Prozesse eingebunden und engagieren sich seltener ehrenamtlich. Oder, anders gesagt, es gibt einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Hintergrund und gesellschaftlicher Teilhabe (Brömme und Strasser, 2001).

Einige Trends verstärken diesen Zusam-menhang. So hat sich beispielsweise in den letzten Jahren eine Vielfalt an Engagement-formen entwickelt, die von Elterninitiativen und Kooperativen zu Genossenschaften und Bürgerinitiativen reichen. Die Zivilgesellschaft lebt. Die Beteiligten weisen jedoch hohe schicht- und milieuspezifische Merkmale auf, sprich sie sind häufig sozial exklusiv (Dathe et al., 2010). Nicht, weil es unüberwindbare Eintrittshürden oder horrende Mitglieder-beiträge geben würde. Vielmehr, weil die

neuen Formen des Engagements bestimmter Voraussetzungen bedürfen, weil bestimmte Kompetenzen und das Vertrauen in die ei-genen Kompetenzen erforderlich sind oder weil die Teilnehmer aus dem eigenen Be-kanntenkreis rekrutiert werden. Damit weißt die Bildungs schicht einen sehr viel höheren Organisationsgrad auf als andere Schichten. Die Anzahl von Mitgliedern in Gewerkschaf-ten, Kirchen und Parteien nimmt dagegen kontinuierlich ab. Zu einem gewissen Grad haben Beteiligungsprozesse damit ihre gesamt gesellschaftliche Integrationsfunktion verloren (Brömme und Strasser, 2001).

Eine weitere gesellschaftliche Gruppierung, die ebenfalls unterrepräsentiert ist, ist die Gruppe der 18 bis 29-jährigen. Ihr Interesse an Politik liegt deutlich unter dem Be-völkerungsdurchschnitt, was sich auch daran zeigt, dass die Wahlbeteiligung bei den jungen Wählern zwischen 18 und 29 Jahren am niedrigsten ist (Destatis und WZB, 2011).

Wird sich der Trend, dass Bevölkerungsgrup-pen kaum am kulturellen Leben teilnehmen und sich nicht als Teil der politischen Ge-staltung verstehen, bis zum Jahr 2030 weiter fortsetzen?

Nimmt ein Großteil der Bevöl-kerung zukünftig weder am politischen noch am kulturellen Leben teil? Eher nicht.Die Experten halten die Eintrittswahrschein-lichkeit dieser These mit 32% für eher un-wahrscheinlich. Die Meinungen gingen auch hier weit auseinander (IQA = 35), dennoch bewerten lediglich ein Fünftel der Experten die Wahrscheinlichkeit mit einem Wert von über 50%. Der Einfluss der Projektion auf das Gemeinwohl wird mit 3,9 von 5 Punkten als hoch eingeschätzt.

Argumente der ExpertenExperten, die von einer hohen Eintritts-wahrscheinlichkeit der Projektion ausge-hen, nennen eine Vielzahl an Argumenten. Ein Rückzug aus dem politischen Leben wird aufgrund des Vertrauensverlustes in staat liche und politische Institutionen für möglich gehalten. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass viele Menschen ihre eigene Teilhabe nicht als sinnvoll oder erfolgsversprechend erleben. Zudem habe sich das politische Leben zunehmend von den Bedürf nissen der Menschen entkoppelt.

These 5 – 2030: Ein Großteil der Bevölkerung nimmt weder am politischen noch am kulturellen Leben teil.

25Ergebnisse im Detail

Einen weiteren Grund sehen die Experten darin, dass ein großer Teil der Bevölkerung mit dem Notwendigsten beschäftigt ist, so dass schlichtweg keine Zeit mehr für bürger-schaftliches Engagement bleibt. So seien viele damit beschäftigt, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften oder den All-tag „als Familie zwischen Kindererziehung, Beruf, Betreuung der Elterngeneration“ zu organisieren. Die Anforderungen an Flexi-bilität und Mobilität erfordern zudem einen hohen Aufwand von jedem Einzelnen, was wiederum wenig Zeit für bürgerschaftliches Engagement lasse.

Ein weiteres Argument weist Verbindungen zu anderen Thesen auf: So führt ein Experte aus, dass Herausforderungen wie Langzeit-arbeitslosigkeit oder herkunftsabhängiger Bildungserfolg fast zwangsläufig zu einer Entkopplung der Betroffenen vom politischen und kulturellen Leben führe.

Experten, die der Meinung sind, dass dieses Szenario nicht eintritt, bringen vielfältige Ar-gumente vor, die gegen einen Rückzug der Menschen sprechen. So glauben viele, dass die Dringlichkeit zur Teilnahme und der Wille zur Gestaltung aufgrund von größer wer-denden Problemlagen den Menschen umso bewusster werden. Hier wurden beispiels-weise folgende Themen genannt: Demo-grafischer Wandel, höhere Verteilungskon-flikte, Globalisierung, Euro-Thematik.

Als weiteres wichtiges Argument werden neue Beteiligungsformen und neue Mög-lichkeiten des Engagements genannt, die

es einfacher machen zu kommunizieren. Sprich, politische und kulturelle Teilhabe wird vielleicht über andere Formate und Me-dien erfolgen, sie wird jedoch nach wie vor stattfinden.

Des Weiteren spräche die Vitalität der Men-schen, das Bildungsniveau, die Investitionen in politische und kulturelle Bildung sowie die demokratische Tradition in Deutschland gegen einen Eintritt der These.

Der Einfluss auf das gesellschaftliche Ge-meinwohl bei Eintreten der These wird als sehr hoch eingeschätzt. Gründe hierfür se-hen die Experten in der Manipulierbarkeit von Menschen, die sich von Politik und Kul-tur abgewandt haben. Des Weiteren sehen viele Experten, dass ein Rückzug aus Politik die politischen und staatlichen Institutionen – und damit die Demokratie – untergraben und aushöhlen würde. Zudem wäre eine positive Gestaltung von ökonomischen und kulturellen Veränderungen ohne lebendige demokratische Prozesse nicht denkbar. Es wird die Gefahr beschrieben, dass ganze Bevölkerungsgruppen auf „die politische Gestaltung ihrer Lebenswelten“ verzichten würden, sollte die Gruppe der Nichtwähler weiter ansteigen.

Experten, die den Einfluss der Projektion als gering ansehen, gehen davon aus, dass es zu einer Neudeutung oder Neuschaffung von politischen und staatlichen Institutionen kommen würde oder sehen das Thema ge-nerell eher als „Elitenthema“ an.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Politische und kulturelle Bildung wird von den Experten als ein wichtiger Ansatzpunkt für Soziale Innovationen angesehen. So kön-nen Kinder beispielsweise bereits in frühem Alter mit Ansätzen der Partizipation bekannt gemacht werden. Das Thema kann in Kitas, Schulen oder in Kommunen (z.B. durch Ju-gendräte, Jugendbeiräte) gefördert werden. Soziale Innovationen, die das Interesse an Politik und Kultur wecken, könnten also einen wichtigen Beitrag leisten. Ebenso könnten So-ziale Innovationen, die die Inklusion fördern, dem Eintreten der These entgegenwirken.

Des Weiteren könnte der Bevölkerung durch neue politische Prozesse, neue Formen der Kommunikation oder neue staatliche In-stitutionen aufgezeigt werden, dass ihre Beteiligung relevant ist und etwas bewe-gen kann. Als Beispiel wurden direktdemo-kratische Formen der Selbstverwaltung und Kontrolle genannt. Transparenz ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ein wichtiges Thema. Durch fehlende Transparenz und Nachvollzieh barkeit fühlen sich Bürger ohn-mächtig und sind weniger gewillt, sich ein-zubringen. Soziale Innovationen wie Parlia-ment Watch können hier Abhilfe schaffen. Und letztlich geht es auch darum „weniger ermüdende Formen politischer Kommunika-tion“ zu ermöglichen.

5. 2030: Ein Großteil der Bevölkerung nimmt weder am politischen noch am kulturellen Leben teil.

EW: 32 E: 3,9 IQA: 35

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Große Problembereiche wie Verteilungskonflikte, Globalisierung, Euro-Thematik etc. werden die Menschen zur Teilhabe zwingen

• Politische und kulturelle Teilhabe findet nach wie vor statt, wenn auch mit anderen Formaten und Medien

• Vertrauensverlust in staatliche und politische Institutionen• Eigene Teilhabe wird nicht als sinnvoll oder erfolgversprechend erlebt

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Neudeutung oder Neuschaffung von politischen und staatlichen Institutionen

• Es handelt sich generell um ein Elitenthema

• Manipulierbarkeit von Menschen, die sich von Kultur und Politik abgewandt haben

• Aushöhlung der Demokratie, wenn ganze Bevölkerungsgruppen auf die aktive Mitwirkung verzichten

Ansätze für Soziale Innovationen

• Politische und kulturelle Bildung: Bereits Kinder Ansätze verschiedener Formen der Partizipation erleben lassen.• Inklusion ermöglichen• Neue politische Prozesse und Kommunikationsformen: Betonen von Partizipation und Transparenz

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

26 Ergebnisse im Detail

Arbeit war in früheren Gesellschaften meist Teil des Familienlebens. Die Industria-lisierung trennte diesen Zusammenhang in Arbeit und Familie oder z.B. Freizeit. Was früher also zusammengedacht wurde, wurde fortan als etwas zu Vereinendes gedacht, das in Balance gebracht werden musste. Im fordistischen Industriezeitalter mit plan-baren Arbeitsabläufen wurde dieses Ver-hältnis zwischen Arbeit und Familie/Freizeit dann entweder über gesetzliche Vorschriften geregelt oder durch Arbeitgeber- und Arbeit-nehmervertreter ausgehandelt.

Mit der Auflösung der Großfamilie, dem Übergang in das Dienstleistungszeitalter und die damit häufig verbundene Arbeitszeit-flexibilisierung ergeben sich neue Heraus-forderungen. Besonders stark betroffen sind Arbeitnehmer, die außerhalb der Normal-arbeitszeit arbeiten (z.B. Nacht-, Schicht-, Wochenendarbeitende), aber auch Projektar-beitende oder Teilzeitangestellte, die wenig Einfluss auf ihre Dienstpläne haben. Neben dieser Pluralisierung der Arbeitsverhältnisse ist zudem eine Polarisierung zu beobachten, bei der es sowohl Menschen gibt, die sehr viel arbeiten, als auch solche, die kaum Ar-beit finden (Seifert, 2007). Richtet sich nun das Leben hauptsächlich nach den Arbeits-erfordernissen, ist es wenig überraschend,

dass andere familiäre oder gesellschaftliche Verpflichtungen zu kurz kommen können. Auf dem Arbeitsmarkt wird der Mensch vor-wiegend als Arbeitskraft gesehen. Ausge-blendet werden dabei weitere Bedürfnisse und Anforderungen, die vornehmlich außer-halb des Arbeitslebens befriedigt werden (z.B. Familie, Freundschaft, Gemeinschaft, Geborgenheit).

Die konkreten Herausforderungen, die unter dem Stichwort Work-Life-Balance diskuti-ert werden, beziehen sich vornehmlich auf den Bereich der Erziehung. Dagegen werden Pflegeaufgaben häufig außen vorgelassen (Deutsche Seniorenliga e.V., 2011). Genannt werden oft die individuellen Herausfor-derungen von zwei gut ausgebildeten und gut verdienenden jungen Eltern, anstatt strukturell die Möglichkeit zu schaffen, un-abhängig von hierarchischer Stellung und Einkommen die Vereinbarkeit von Beruf und privaten Anliegen zu ermöglichen (Resch, 2003). Sollte dies strukturell nicht zu lös-en sein, so besteht die Befürchtung, dass sich so neue Quellen sozialer Ungleichheit bilden. Wenn es an der Verhandlungsmacht und am Verhandlungsgeschick des Einzel-nen liegt, für ein ausgewogenes Verhältnis von beruflichen und privaten Ansprüchen zu sorgen – so werden dies manche eher

durchzusetzen wissen als andere. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass ein Gutver-diener sich eine private Kinderbetreuung leisten kann, eine Alleinerziehende aber ein erhöhtes Langzeitarbeitslosigkeitsrisiko auf-weist (Jürgens und Voß, 2007).

Ist bis 2030 eine gute Work-Life-Balance für Bürger aller Einkom-mensschichten realisierbar? – Eher nicht.Mit 35% durchschnittlicher Eintrittswahr-scheinlichkeit ist diese These eine derjeni-gen Thesen, welche nur geringe Zustimmung fand (lediglich These 3 und 5 hatten geringere Werte). Dagegen ist die Streuung mit einem Interquartilsabstand von 30 Punkten eher noch im durchschnittlichen Bereich zu se-hen. Der Einfluss auf das Gemeinwohl wird mit 3,6 Punkten leicht unterdurchschnittlich eingeschätzt.

Argumente der ExpertenBeide Gruppen, sowohl die Hochqualifi-zierten als auch die Geringqualifizierten, werden zukünftig mehr arbeiten. Dies sind die Hauptargumente, die dagegen sprechen, dass eine Work-Life-Balance für Bürger aller Einkommensschichten in 2030 realisierbar

These 6 – 2030: Eine Work-Life-Balance ist für Bürger aller Einkommensschichten realisierbar.

27Ergebnisse im Detail

sein wird. Für die Bezieher niedriger Einkom-men wird prophezeit, dass ein Job alleine nicht mehr ausreichen wird, sondern Zweit-arbeitsverhältnisse eingegangen werden müssen, um sich über Wasser zu halten. Die Ursache hierfür sehen viele Experten in der Verdichtung und Beschleunigung der Arbeits-prozesse, die wiederum mehrere Ursachen haben. So sind z.B. die Öffnung der Märkte und Globalisierungsprozesse Gründe dafür, warum Arbeitnehmer in Deutschland nicht nur mit ihren Mitbürgern, sondern auch mit den Bewohnern der restlichen Welt um Arbeit konkurrieren. Dies wird auch zuneh-mend die gut Ausgebildeten betreffen. Diese werden sich stärkeren Flexibilitätsanfor-derungen ausgesetzt sehen und sich ent-sprechend der Auftragslage und der aktu-ellen Projekte auf ein unterschiedliches Arbeitspensum einstellen müssen.

Die gut Ausgebildeten haben zwar das Po-tenzial bei der Arbeitgeberwahl auf ein aus-geglichenes Verhältnis von beruflichen und privaten Ansprüchen zu achten. Allerdings wird dies nach Meinung der Experten eher die Ausnahme bleiben, da die Arbeit und die dazugehörige Entlohnung weiterhin für Identifikation und Status bedeutsam sein werden. Die gut Ausgebildeten bleiben also auch deswegen im Hamsterrad, weil dies die soziale Messlatte ist, die ihnen Anerken-nung verleiht.

Allerdings könnten sich die Grundlagen zur Verleihung von Status und gesellschaft-licher Anerkennung zukünftig auch in eine Richtung verändern, die eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen würde. So bringen

die Experten z.B. Argumente dafür an, dass sich bis 2030 neue Entwürfe eines „guten Lebens“ etabliert haben werden – solche, die Arbeits- und Lebensmodell in Einklang bringen. Technische Entwicklungen werden bezüglich ihres Potenzials gemischt gese-hen, denn einerseits erlauben sie eine stän-dige Erreichbarkeit, andererseits erlauben sie ortsunabhängigeres Arbeiten, welches sich mit privaten Vorhaben leichter verbin-den lässt. Die Experten gehen zudem davon aus, dass die steigende Anzahl psychischer Erkrankungen durch negative Einflüsse am Arbeitsplatz die Arbeitgeber zu einem Um-denken bewegen werden. Dies würde dann für eine bessere Work-Life-Balance im Jahr 2030 sprechen.

Bezüglich des Einflusses auf das Gemein-wohl heben viele Experten hervor, dass es weniger um die Quantität, als vielmehr um die erlebte Qualität der Arbeit geht und wie diese mit dem jeweils gewünschten Lebens-modell in Einklang steht. Die Argumente für einen hohen Einfluss auf das Gemeinwohl betreffen hauptsächlich die Vielarbeiter. Hier wird vor allem auf die positiven gesund-heitlichen Folgen verwiesen, sollten diese ihr Arbeitspensum zurückfahren. Ebenso könnten diese Personen sich dann mehr in das politische und kulturelle Leben einbrin-gen und sich auf diese Weise gesellschaftlich engagieren. Nicht zuletzt betonten die Ex-perten auch, dass sich durch vermehrte so-ziale Kontakte im privaten Bereich sowohl die Vielarbeiter, als auch diejenigen, um die sich die Vielarbeiter kümmern würden, profitieren.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Die anvisierten Sozialen Innovationen lassen sich hauptsächlich in drei Gruppen unterteilen. Erstens die passenden Instrumente, zweitens die passenden Rahmenbedingungen und drit-tens die passende Geisteshaltung.

Bei den passenden Instrumenten wurden vor allem Arbeitszeitregelungen (z.B. Teil-zeit), Arbeitsunterbrechungen (z.B. Bil-dungs- und Familienzeiten, ebenso wie Auszeiten vom Berufsleben) und die un-terstützende Möglich keit der technischen Hilfsmittel, die Heimarbeit ermöglichen, genannt. In Bezug auf die Rahmenbedin g ungen wurde hauptsächlich erwähnt, dass für diejenigen, die nicht die Markt- und Machtposition haben, ihre Anliegen indi-viduell zu verhandeln, entsprechende Ver-besserungen geschaffen werden müssten. Dies kann z.B. eine öffentlich garantierte und finanzierte Kinderbetreuung sein. Im Hin-blick auf die passende Geisteshaltung wün-schen sich viele Experten einen stärkeren gesellschaftlichen Diskurs zu dieser Thematik (der durchaus bereits in der Schule geführt werden kann). Dies beinhaltet auch, eine passende Work-Life Balance als nicht-mone-täre Entlohnung zu begreifen (die dann evtl. auftretende finanzielle Einbußen leichter verkraften lassen). Dies kann sogar soweit führen, eine gelungene Work-Life-Balance als Statussymbol zu begreifen (wobei das sicher nicht unproblematisch für diejenigen ist, die gerne mehr Balance hätten, es sich aber schlichtweg nicht leisten können).

6. 2030: Eine Work-Life-Balance ist für Bürger aller Einkommensschichten realisierbar. EW: 35 E: 3,6 IQA: 30

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Hochqualifizierte definieren sich weiterhin über ihre Arbeit • Geringqualifizierte brauchen mehr als einen Job• Zunehmende Projektarbeit erschwert private Planbarkeit• Ständige berufliche Verfügbarkeit schränkt Privatleben ein

• Verhandlungsmacht gut Ausgebildeter verbessert sich• Neue technische Möglichkeiten ermöglichen orts- und zeitunabhängiges

Arbeiten• Erhöhte Anzahl an psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz erfordern

Umdenken

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Work-Life-Balance ist eher eine persönliche Angelegenheit • Gesundheitliche Folgekosten der Vielarbeit belastet Sozialversicherung• Falls Vielarbeiter weniger arbeiten würden, hätten Sie mehr Zeit für

gesellschaftliche Aktivitäten oder Beziehungspflege im privaten Bereich

Ansätze für Soziale Innovationen

• Instrumente: (vom Arbeitnehmer bestimmte) flexible Arbeitszeitregelungen, Arbeitsunterbrechungen für z.B. Erziehungs- und Pflegearbeit• Rahmenbedingungen: öffentlich finanzierte Kinderbetreuung• Geisteshaltung: Thematisierung schon im Rahmen von Erziehungs- und Bildungsaufgaben, Stärkung nicht-monetärer Entlohnung, auf alternative Weise

Status vermitteln

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

28 Ergebnisse im Detail

Einsamkeit beschreibt ein subjektives Er-leben von zu wenig emotionaler Nähe oder ein empfundener Mangel an sozialer Einge-bundenheit. Im Vergleich zum neutralen Be-griff des Alleinseins, d.h. Abwesenheit von anderen Menschen, beinhaltet Einsamkeit das negative Erleben dieses Zustandes. Ähn-liche Begriffe sind das Alleinleben, welches auf die Wohnsituation abzielt, und die soziale Isolation, welche die geringe Anzahl der so-zialen Kontakte meint – unabhängig davon, wie der jeweilige Mensch diesen Zustand em-pfindet. Wie weit nun Vereinsamung schon heute ein Problem älterer Menschen ist, ist schwer zu sagen, weil entsprechende Stu-dien zu unterschiedlichen Ergebnissen kom-men. Jedoch weiß man, dass es verschiedene Risikofaktoren gibt, die das Erleben von Ein-samkeit wahrscheinlicher machen. Diese sind bei älteren Menschen z.B. der Verlust eines Lebenspartners, nicht vorhandene oder nur schwer erreichbare Kinder oder gesundheit-liche Einschränkungen (Petrich, 2011).

Gerade die Wechselwirkungen mit gesund-heitlichen Beeinträchtigungen spielen zwar eine nur geringe Rolle für die „jungen Alten“, die am Übergang vom Berufs- zum Renten-leben stehen, betreffen dafür aber umso mehr die Hochbetagten. Gerade auch ältere Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, können sich nicht mehr wie früher auf eine familiäre Pflege verlassen. Während früher meist Frauen diese Aufgabe übernahmen, ist dies heutzutage aufgrund der beruflichen Aktivitäten (die ja häufig auch räumlich ent-fernt vom Wohnort der Eltern stattfinden) nicht mehr in diesem Ausmaß zu erwarten (und eine Kompensation durch die Männer ebenso nicht) (Statistische Ämter des Bun-des und der Länder, 2010). Zudem sind auch die informellen Unterstützungsmaßnahmen, die von Nachbarn oder Bekannten erbracht werden, in Deutschland in den letzten Jah-ren rückläufig (Bundesministerium für Fami-lie, Senioren, Frauen und Jugend, 2010). Ebenso kann die Trennung von ambulanter

und stationärer Pflege dazu führen, dass der Übergang von ersterem zu letzterem die jeweilige Person aus ihrem bisherigen Lebens umfeld herausnimmt und dadurch dann bisherige Bezugspersonen verloren ge-hen können (Blinkert und Klie, 2008).

Werden 2030 ältere Menschen in Einsamkeit leben? – Tendenziell ja.Die These bewerten die Experten mit 59% als leicht überdurchschnittlich wahrschein-lich. Der Interquartilsabstand in Höhe von 28 Punkten bewegt sich im durchschnitt-lichen Bereich. Die Experten sind sich also weder besonders einig oder uneinig in ihrer Einschätzung. Der Einfluss auf das Ge-meinwohl bei Eintritt der These wurde mit 3,7 Punkten als recht durchschnittlich im Vergleich zu den anderen Thesen bewertet.

These 7 – 2030: 2030: Die Vereinsamung älterer Menschen hat zugenommen.

29Ergebnisse im Detail

Argumente der ExpertenVor allem für „junge Alte“ sehen die Ex-perten kaum Veranlassung, dass diese ver-einsamen werden. So wird beispielsweise der medizinische Fortschritt weiter dafür sorgen, dass ältere Menschen besser einge-bunden werden können. Auch technolo-gische Entwicklungen wie soziale Netzwerke im Internet werden zunehmend von älteren Menschen genutzt werden. Zusätzlich wird Deutschland auch mehr auf die Kompeten-zen der älteren Generation angewiesen sein. Darüber hinaus sehen manche Experten eine zunehmende Familienorientierung in der Bevölkerung und eine gestiegene Wertschät-zung der Interaktion mit älteren Menschen. Zu guter Letzt betonten auch viele Experten, dass durch die Zunahme an älteren Men-schen diese auch untereinander mehr Aus-tausch, Unterstützung und Verbindungen haben werden.

Für eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit der These spricht nach Ansicht der Experten, dass sich die familiäre Unterstützung durch Kinder unter anderem durch deren beruf-liche Anforderungen weiter verringern wird. Die Experten gehen auch davon aus, dass nun vermehrt Menschen in das hohe Alter kommen, die im Wirtschaftsleben eher als Individuen sozialisiert wurden und die es gewohnt sind, sich durchzusetzen statt kooperativ in Gemeinschaften tätig gewesen zu sein. Zusätzlich dürfte es aufgrund von erhöhten Mobilitätserfordernissen im Beruf diesen Menschen auch schwieriger gefallen

sein, während des Berufslebens entsprech-ende Beziehungen aufzubauen, die nun im Alter gepflegt werden könnten.

Ebenso wird es speziell für ältere Menschen mit geringen zur Verfügung stehenden Res-sourcen schwierig werden, eingebunden zu bleiben und soziale Aktivitäten zu unterneh-men. Darüber hinaus ist auch für das Ge-sundheitssystem mit weiteren Leistungs-rückgängen zu rechnen, so dass dadurch auch Angebote wegfallen könnten, die äl-tere Menschen einsamer werden lassen. Zudem wird speziell für die Hochbetagten und schwer Pflegebedürftigen erwartet, dass deren Einsamkeitsempfindungen keine ökono mischen oder politischen Konsequen-zen hat, was den Handlungsdruck verringert.

Sollte die These eintreten, ist unter den Experten umstritten, ob die Vereinsamung und Verbitterung der älteren Menschen sich auch auf das Gemeinwohl auswirkt. Parallel zu der Diskussion bezüglich These 1 (Lang-zeitarbeitslosigkeit) stellt sich auch hier die Frage, inwieweit es nur eine spezielle Gruppe betrifft oder ob dies als gesamt-gesellschaftliches Problem wahrgenommen werden wird. Unstrittig ist, dass durch die Vereinsamung Folgekosten im Gesund-heitssystem entstehen. Eher offen bleibt auch die Frage, wie stark eine staatlich or-ganisierte und möglicherweise wegfallende Betreuung durch das private Umfeld oder durch informelle Unterstützungsnetzwerke kompensiert werden muss.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Vor allem neue Wohnkonzepte sehen die Experten als eine geeignete Form an, der Vereinsamung älterer Menschen entgegen-zutreten. Häufig werden hierbei die Integra-tion solcher Projekte in den Stadtplanungs-prozess und der generationenübergreifende Charakter solcher Konzepte betont. Wichtig wäre hier, dass dieses Zusammenleben auch bis zum Lebensende möglich ist.

Zudem wird speziell den gut gestellten äl-teren Menschen auch eine hohe Selbstver-antwortung für ihr Vereinsamungsrisiko zugewiesen, denn wer allein in einem Haus im Grünen lebt, hat nun mal weniger Leute um sich, als dies im städtischen Umfeld möglich wäre. Diese Selbstverantwortung wird auch dahingehend gesehen, dass man eben auch in früheren Jahren nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine soziale Al-tersvorsorge betreiben sollte, indem man Beziehungen, Kontakte und Netzwerke ent-sprechend pflegt.

Zu guter Letzt sehen manche Experten neben dem generationenübergreifenden Wohnen auch in sonstigen altersklassen-übergreifenden Kooperationen ein großes Poten zial, der Vereinsamung älterer Men-schen entgegenzutreten. Warum gibt es beispielsweise meist nur Altenheime und Kindergärten, aber kein integriertes Er-ziehungs- und Pflegezentrum, in dem so-wohl die jungen als auch die alten Men-schen zusammen sind?

7. 2030: Die Vereinsamung älterer Menschen hat zugenommen. EW: 59 E: 3,7 IQA: 28

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Ältere Menschen sind länger fit• Deutschland wird mehr auf die älteren Menschen angewiesen sein und

sie stärker einbinden• Wertschätzung gegenüber älteren Menschen steigt• Mehr ältere Menschen = mehr Kontaktmöglichkeiten

• Zusammenhalt der Kernfamilie nimmt ab• Individualsozialisation und abnehmende Ressourcenausstattung

erschweren Kontaktpflege• Gesundheitliche Einschränkungen werden steigen• Zahl der Hochbetagten & Pflegebedürftigen wird steigen

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Individuell belastend, aber gesellschaftlich tragbar • Gesellschaftliche Solidarität würde sich mindern• Folgekosten entstehen zum Beispiel im Gesundheitssystem

Ansätze für Soziale Innovationen

• Wohnen: generationenübergreifendes Wohnen, Wohnkonzepte, die ambulante und stationäre Pflege vereinen• Kontaktpflege: auch im Alter, aber auch schon davor

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

30 Ergebnisse im Detail

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist kein zu-verlässiger Indikator für Wohlstand oder Le-bensglück. Steigt das BIP, werden die Men-schen in Deutschland nicht zwangs läufig glücklicher. Während die Wirtschaftsleistung Deutschlands in den letzten Jahr zehnten stieg, hat sich die mittlere Zufriedenheit der Deutschen nicht erhöht. Seit Beginn der 1990er Jahre ist die Lebenszufriedenheit sogar leicht zurückgegangen (van Suntum, 2010).

Das „glücksfreie Wirtschaftswachstum“ (Deutsche Post, 2011) hängt damit zusam-men, dass Wohlstand und Glück von Faktoren abhängen, die im BIP gar nicht erfasst werden. Dazu gehören beispiels-weise Einkommensverteilung, Arbeitsplatz-sicherheit, Familienstatus, Vermögen oder Gesundheit (van Suntum, 2010). Hinzu kommt, dass viele Aktivitäten das BIP er-höhen, obwohl sie offensichtlich Mensch und Natur schaden. So gehen beispielsweise der Abbau von Rohstoffen und die Produk-tion umweltschädlicher Stoffe als positive Faktoren ins BIP ein. Andere Aktivitäten, die das Gemeinwohl dagegen eindeutig mehren (nachbarschaftliche Hilfe, die Pflege von

Angehörigen, die Betreuung von Kindern), fließen immer erst dann in das BIP ein, wenn sie ökonomisiert werden, d.h. wenn sie von anderen für andere in Form einer abrechenbaren Leistung erbracht werden.

Wenn nun aber Zufriedenheit und Glück nicht vom Wirtschaftswachstum abhängen, ist es dann richtig, dass das BIP eine zen-trale Rolle bei politischen Entscheidungen spielt? Angesichts dieser Zweifel erscheint es folgerichtig, dass sich verschiedene Initia tiven mit der Entwicklung von Alterna-tiven beschäftigen.

So beschäftigt sich beispielsweise die vom Deutschen Bundestag im November 2010 eingesetzte Enquete-Kommission „Wachs-tum, Wohlstand, Lebensqualität“ mit der Entwicklung von Wohlstandsindikatoren, die über das BIP hinausreichen und die neben den ökonomischen Aspekten auch den sozi-alen und ökologischen Wohlstand der Gesell-schaft widerspiegeln sollen. Erste Schritte für alternative Wohlstandsindikatoren wurden also bereits unternommen. Werden solche Indikatoren also zukünftig ein echtes Gegen-gewicht zum BIP darstellen?

Ergänzen in 2030 alternative Wohl - standsindikatoren die Entschei-dungsfindung der Politik? Eher ja.Die Experten sind sich weitgehend einig (IQA = 20), dass die Politik neben dem Bruttoinlandsprodukt alternative Wohl-standsindikatoren zur Entscheidungsfindung hinzuziehen wird und bewerten die Eintritts-wahrscheinlichkeit der These mit durch-schnittlich 60%. Der Einfluss der These auf das Gemeinwohl wird mit 3,1 von 5 Punkten bewertet. Dies ist die niedrigste Bewertung aller Thesen.

Argumente der ExpertenViele Experten, die von einer hohen Eintritts-wahrscheinlichkeit ausgehen, argumen-tieren, dass es bereits jetzt klare Anzeichen für die beschriebene Situation gibt. Sie führen an, dass die Debatten eindeutig in diese Richtung zeigen, und es bereits vor-liegende Konzepte gibt. Zudem werden der Expertendialog der Bundeskanzlerin, die Arbeiten der Enquete-Kommission „Wachs-tum, Wohlstand, Lebensqualität“ sowie der Armuts- und Reichtumsbericht der

These 8 – 2030: Alternative Wohlstandsindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt bei der Entscheidungsfindung der Politik.

31Ergebnisse im Detail

Bundesregierung als wichtige Schritte hin zu alternativen Wohlstandsindikatoren wie Verteilungs- und Umweltindikatoren an-gesehen. Einige Experten halten die in der These beschriebene Situation bereits für (teilweise) erreicht.

Die Zuversicht der Experten wird zudem von einem wahrgenommenen Bewusstseinswan-del gestützt. So glauben Experten, dass die Nachhaltigkeitsdebatte zu der Erkenntnis beigetragen habe, dass Wachstum und ma-terieller Besitz alleine nicht glücklich machen. Bereits heute seien soziale Aspekte für die Menschen wichtiger als ökonomische Fak-toren. So werden rein materielle Werte wie beispielsweise das Auto als Statussymbol weiter an Bedeutung verlieren. Soziale Faktor-en treten dagegen zunehmend in den Vorder-grund. Die Politik würde dieser Entwicklung Rechnung tragen müssen. Auch die Finanz-krise wird als möglicher Grund gesehen, wes-halb die Bedeutung des Ökonomischen in der Gesellschaft zurückgehen wird.

Die meisten Experten, die sich für eine niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit aus-gesprochen haben, sehen die in der These beschriebene Situation als durchaus wün-schenswert an und sehen die Fokussierung auf das BIP und dessen Wachstum als Aus-laufmodell an. Einige Experten glauben jedoch, dass ein fehlendes Problembe-wusstsein in der Politik sowie starke Interes-sensgruppen, die die alten Strukturen beibe-halten wollen, Veränderungen erschweren.

Zudem halten viele Experten die Einigung auf alternative Indikatoren sowie deren Erhebung und Quantifizierung für enorm schwierig. Des Weiteren wird befürchtet, dass die Staatsverschuldung dazu führen wird, dass sich die Politik in den nächsten Jahren weiterhin auf das BIP konzentriert. Auch das Eingebettetsein in eine globali-sierte Wirtschaft wird als Hinderungsgrund genannt.

Ergänzende Wohlstandsindikatoren könnten aus Sicht von Experten zu einer breiteren Fundierung, zu neuen Politikfeldern und zu einer systematischen Ausrichtung der Politik am Gemeinwohl führen. Neben diesen direk-ten Wirkungen rechnen Experten mit indi-rekten Auswirkungen auf die Gesell schaft. Erwartet wird ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltig-keit und Wertschätzung sozialer Aspekte. So könne beispielsweise das Verständnis der Bevölkerung bezüglich Nachhaltigkeit durch das „Einpreisen der Natur in die Preisstruk-turen“ beeinflusst werden. Zudem würden generell sozialere Verhaltensweisen und Einstellungen gefördert werden, sprich die „seelische Temperatur“ in der Gesellschaft könnte sich erhöhen.

Experten, die den Einfluss auf das Gemein-wohl als gering einschätzen, führen an, dass Indikatoren zwar für politische Entscheidun-gen relevant seien, diese jedoch keinen di-rekten Einfluss auf das Gemeinwohl haben. Des Weiteren wird angeführt, dass Indika-toren selbst relativ wenig bewirken und die dahinter stehenden Themen letztlich auch

so diskutiert werden, auch ohne entsprech-ende Formalisierung. Zudem wird angefügt, dass es bereits heute ein breites Instrumen-tarium gebe und sich insofern zur jetzigen Situation auch nicht viel ändern würde.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Soziale Innovationen können aus Sicht der Experten vor allem bei der Entwicklung und Erprobung alternativer Wohlstandsindika-toren zum Tragen kommen. So könnten die Debatten mit möglichst hoher Partizipation geführt werden. Zudem wurde Crowdfunding als eine Methode genannt, um die Interes-sen der Bürger und damit Wohlstandsindika-toren zu identifizieren. Des Weiteren könnten Soziale Innovationen angewandt werden um alternative Steuerungsgrößen pilothaft zu er-proben. Würde der Prozess der Indikatoren-entwicklung partizipativ gestaltet werden, könnte dies zudem die Verhaltensweisen der Bevölkerung positiv prägen.

Ein zweites Handlungsfeld für Soziale Inno-vationen ergibt sich im Bereich Bildung. So-ziale Innovationen könnten dazu beitragen, das Bewusstsein für ökologische und soziale Aspekte zu erhöhen. Als eine Möglichkeit wurden in diesem Zusammenhang Plan-spiele genannt, die in Science Centern oder Pfadfindergruppen angeboten werden und im Rahmen derer die Teilnehmer mit ihren Ressourcen auskommen müssen. Letztlich müsste es also darum gehen, bürgerschaft-liches Engagement in allen gesellschaft-lichen Bereichen zu fördern und auszubauen.

8. 2030: Alternative Wohlstandsindikatoren ergänzen das Bruttoinlandsprodukt bei der Entscheidungsfindung der Politik.

EW: 60 E: 3,1 IQA: 20

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Fehlendes Problembewusstsein in der Politik sowie starke Interessensgruppen, die die alten Strukturen beibehalten wollen, Veränderungen erschweren

• Einigung, Erhebung und Quantifizierung alternativer Indikatoren schwierig

• Wichtige Schritte hin zu alternativen Wohlstandsindikatoren sind bereits getan

• Bewusstseinswandel in der Gesellschaft bereits erfolgt, die Politik muss dieser Entwicklung Rechnung tragen

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Indikatoren alleine haben keinen Einfluss auf das Gemeinwohl• Die relevanten Themen werden bereits heute diskutiert, auch ohne

explizite Formalisierung• Bereits heute wird ein breites Instrumentarium angewandt

• Systematische Ausrichtung der Politik am Gemeinwohl• Bewusstseinswandel in der Gesellschaft hin zu einer stärkeren

Gewichtung von Nachhaltigkeit und sozialen Faktoren

Ansätze für Soziale Innovationen

• Partizipative Entwicklung alternativer Wohlstandsindikatoren: z.B. Anwenden von Crowdinnovation-Prozessen• Bildung: z.B. Planspiele, die die Notwendigkeit eines bewussten Umgangs mit der Natur verdeutlichen, Förderung bürgerschaftlichen Engagements

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

32 Ergebnisse im Detail

Deutschland ist bekannt als Land mit einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft. Die Grundidee: Das Prinzip einer freien Wettbewerbswirtschaft soll verbunden werden mit sozialem Fortschritt und so-zialem Ausgleich. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Ausgestaltung einer sozialen Marktwirtschaft ständig neu ausgehandelt werden muss. Wie viele Unterschiede in-nerhalb einer Gesellschaft sind tolerierbar? Inwiefern können und sollen Bildungsini-tiativen, Steuern oder Umverteilungs-maßnahmen ein etwaiges Ungleichgewicht ausgleichen helfen? Dabei entscheidet die richtige Balance von Leistungsgerechtigkeit und Bedürfnisgerechtigkeit über die Wettbe-werbsfähigkeit und den sozialen Frieden.

OECD-Studien legen nahe, dass sich Deutschland im Bereich der Einkom-mensverteilung dem OECD-Durchschnitt immer weiter annähert (OECD, 2008). Auch der von der Bundesregierung veröffentlichte

Armuts- und Reichtumsbericht 2012 kommt zu dem Schluss, dass sich die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland verschärft hat (Bundesmin-isterium für Arbeit und Soziales, 2012). Als Ursachen zunehmender Einkommensun-gleichheiten werden meist die Erosion von Normalarbeitsverhältnissen, ein größer wer-dender Niedriglohnbereich, sinkende Real-Bruttolöhne, und eine zunehmende Einkom-mensdifferenzierung genannt. Die ungleiche Vermögensverteilung wird häufig damit in Verbindung gebracht, dass reiche Unterneh-mer und reiche Familien genügend Möglich-keiten zur Verfügung haben, vorhandene Ver mögen weiter zu vergrößern und zu ver-erben, ohne dass Erbschaftssteuern für einen ausreichenden Ausgleich sorgen würden.

Kritiker halten dagegen, dass die tatsäch-lichen Ungleichheiten weit geringer seien, als es die erwähnten Statistiken vermuten ließen. So blieben beispielsweise beim

Armuts- und Reichtumsbericht Renten- und Pensionsansprüche von Arbeitnehmenden und Beamten unberücksichtigt, während private Versicherungen von Unternehmern und Selbständigen dagegen hinzugerechnet würden (Schroeder, 2012).

Wird die Schere zwischen Arm und Reich im Jahr 2030 größer sein als heute? Ja.Diese These wird von den Experten mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 69% bewertet. Dies ist die höchste durchschnitt-liche Eintrittswahrscheinlichkeit in dieser Studie. Zudem sind sich die Experten in ihrer Einschätzung eher einig: Der Interquar-tilsabstand beträgt 20. Als sehr hoch wird auch der Einfluss auf die Gesellschaft einge-schätzt, den die Experten mit durchschnitt-lich 4,3 von 5 Punkten bewerten.

These 9 – 2030: Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen.

33Ergebnisse im Detail

Argumente der ExpertenEin Großteil der Experten sieht die Ursache für eine mögliche wachsende Kluft zwischen Arm und Reich als Ergebnis eines struk-turellen Problems unseres Wirtschaftssys-tems. Eine wichtige Rolle spiele hier die Globalisierung. So würden in einer globali-sierten Wirtschaft, die Möglichkeiten von Monopolstellungen großer Konzerne gefördert. Eine globalisierte Wirtschaft biete zudem Vorständen, Managern und Unternehmern die Chance, hohe Gehälter zu erzielen, beziehungsweise große Ver-mögen anzusammeln. Angestellte, deren Gehalt sich am Wettbewerb und am Welt-markt orientieren, seien dagegen eher im Nachteil. Deren Einkommen würden ver-mutlich nicht oder nur gering steigen, was aufgrund der Inflation jedoch de facto einen sinkenden Wohlstand bedeute. Zudem trü-gen die Vererbung großer Vermögen und fehlende Bildungsaufstiege zur Verstetigung der Unterschiede bei. Sinke dazu noch die Umverteilungskapazität des Sozialstaates, wäre ein zunehmendes Auseinanderdriften von Arm und Reich unausweichlich.

Nur wenige Experten halten es für wahr-scheinlich, dass die Unterschiede zwi-schen Arm und Reich zukünftig geringer werden. Einige von ihnen äußern die Ver-mutung, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung in den nächsten Jahren so groß werden könne, dass sie unweiger-lich eine Trendwende durch die Politik zur

Folge hätte. Andere Experten halten es für möglich, dass sich die Einsicht durchsetzen könne, eine egalitäre Gesellschaft sei letzt-lich stabiler und zufriedener. Zudem könne Engagement – anstatt materieller Reichtum – den sozialen Status bestimmen.

Der Einfluss einer zunehmenden Ungleich-heit von Einkommens- und Vermögensver-hältnissen auf das Gemeinwohl wird als sehr hoch eingeschätzt. Experten befürchten, dass dies zu Spannungen in der Gesell-schaft, zu sozialen Unruhen und zur Isola-tion bestimmter Gruppen führen würde. Sozialneid und Missgunst würden letztlich das gesellschaftliche Klima vergiften.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Die Experten nennen verschiedene Maßnah-men, um die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen. Eine ganze Reihe der Vorschläge bezieht sich auf steuerliche und politische Maßnahmen. So werden z.B. eine stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen, Erbschaftssteuern, die Förderung von betrieblicher Altersvor-sorge, bessere Anrechnungsmöglichkeiten für Kindererziehungszeiten, Investitionen in soziale Sicherungssysteme und gleiche Bil-dungschancen genannt. Auch die Lohnpolitik und das Ausschöpfen von Verteilungsspiel-räumen wurden als Ideen vorgebracht.

Daneben wurden Vorschläge präsentiert, die ein grundlegend anderes Verständnis von Erwerbsarbeit propagieren: Beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine geringere Fokussierung auf die bezahl-te Erwerbsarbeit. Dies könne dazu führen, dass soziale Anerkennung, Bestätigung und Zufriedenheit auch jenseits hoher Einkom-men möglich wäre. Zeitwohlstand, Lebens-qualität, philanthropisches Engagement und soziale Beziehungen könnten stattdessen Quellen für Lebenszufriedenheit werden. Ein weiterer Vorschlag bezog sich auf eine ökosoziale Marktwirtschaft, also eine Wei-terentwicklung der sozialen Marktwirtschaft, die nachhaltiges Wirtschaften und Umwelt-schutz als politisches Ziel ausdrücklich mit einbezieht.

Während die bereits erwähnten Vorschläge ein Handeln auf politischer Ebene sowie grundlegendes Umdenken auf gesellschaft-licher Ebene notwendig machen, wurden auch Ideen genannt, die von einzelnen So-zialunternehmern und –innovatoren initiiert werden könnten. So wurde beispielsweise die Einführung neuer Tauschformen (Leis-tung gegen Leistung) oder eine weitere Verbreitung von Tauschmodellen, sprich die Ausweitung der Car-Sharing-Idee auf an-dere Bereiche, vorgeschlagen. Eine weitere Möglich keit wird zudem in Beteiligungen von Unternehmen wie BASF oder OTTO an Sozialunternehmern gesehen.

9. 2030: Die Schere zwischen Arm und Reich ist weiter auseinandergegangen. EW: 69 E: 4,3 IQA: 20

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Unzufriedenheit in der Bevölkerung wird Politik zur Trendwende zwingen• Verschiebung der Prioritäten innerhalb der Gesellschaft: Stabilität,

Zufriedenheit und Engagement gewinnen an Bedeutung

• Globalisierte Ökonomie führt zu Ansammlung großer Vermögen und benachteiligt Lohnempfänger

• Vererbung großer Vermögen und fehlende Bildungsaufstiege verfestigen die Unterschiede

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Keine Argumente • Spannungen, soziale Unruhen, Sozialneid und Missgunst innerhalb der Gesellschaft

• Isolation von ärmeren gesellschaftlichen Gruppen

Ansätze für Soziale Innovationen

• Steuerliche und politische Maßnahmen: Stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen und Erbschaften, Förderung betrieblicher Altersvorsorge, verbesserte Anrechnungsmöglichkeiten für Kindererziehungszeiten, Investitionen in soziale Sicherungssysteme, Lohnpolitik, Ausschöpfen von Verteilungsspielräumen

• Neugestaltung von Arbeit und Wirtschaft: Bedingungsloses Grundeinkommen, geringere Fokussierung auf die bezahlte Erwerbsarbeit, Zeitwohlstand, Lebensqualität und soziale Beziehungen als Quelle für Lebenszufriedenheit, Ökosoziale Marktwirtschaft

• Tauschen und kooperativer Konsum: Leistung gegen Leistung anstatt Ware gegen Geld, Ausweitung von Tauschmodellen

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

34 Ergebnisse im Detail

Circa neun Millionen Deutsche leben mit Diabetes. Man geht davon aus, dass weitere neun Millionen erkrankt sind, ohne es zu wissen. Krebs, Demenz, Herz-Kreislauf-Er-krankungen sind ebenfalls Krankheiten, an denen Millionen von Menschen leiden. Die steigende Lebenserwartung, eine überaus positive Entwicklung in Industrieländern, lässt die Zahl der Betroffenen weiter an-steigen, da viele der erwähnten Krankheiten verstärkt im Alter auftreten.

Der demografische Wandel ist jedoch nicht die einzige Entwicklung, die die Anzahl der Betroffenen in die Höhe schnellen lässt. Die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten spie-len ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Ent-wicklung von Zivilisationskrankheiten. So sind die Risikofaktoren Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel für einen Großteil der Krankheitsbelastung der Deutschen verant-wortlich (Robert-Koch-Institut und Statistisches Bundesamt, 2006). Bedenklich ist, dass bereits viele Jugendliche erheblichen Risiken ausge-setzt sind. So leiden beispielsweise 15% der Kinder an Übergewicht (Bundesministerium für Gesundheit, 2008), ein Faktor, der maßgeb-lich an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Gelenkschäden beteiligt ist (Statistisches Bundesamt, 2012b).

Gesund alt werden. Wer möchte das nicht? Daher werden große Hoffnungen auf Ergebnisse in der Forschung gesetzt: auf neue Diag noseverfahren, die Krankheiten frühzeitig erkennen, auf patientenindi-viduelle Arzneimittel, auf minimalinvasive Medizin. Forschung ist jedoch nicht der einzige Weg um Krankheiten zu verhindern. Wie bereits erwähnt, trägt das eigene Ver-halten maßgeblich zur Entwicklung viel-er Zivilisationskrankheiten bei – was die Lösungsmöglichkeiten enorm erweitert.

Wird die Verbreitung von Zivili-sationskrankheiten in 2030 zuge-nommen haben? Wahrscheinlich.Mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 66% wurde die These, dass die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen weiter zunehmen wird, mit der zweithöchsten Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet. Zu-dem waren sich die Experten bei der Ein-schätzung dieser These weitgehend einig (IQA = 20%). Den Einfluss der These be-werten die Befragten durchschnittlich mit 3,9, was leicht über dem Durchschnitt liegt.

Argumente der ExpertenEin häufig genanntes Argument für das Ein-treten der These ist Bewegungsmangel, der durch sitzende Berufe (Computer- und Büroarbeitsplätze) und sitzendes Freizeitver-halten gefördert wird. Hinzu kommen Stress sowie steigende Flexibilitätsansprüche der modernen Arbeitswelt. Als weitere Gründe für eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit werden ungesunde Ernährungsgewohnheiten genannt, und dies vor allem als ein Problem von bildungsfernen Menschen, denen es an Wissen oder auch an den finanziellen Mög-lichkeiten mangelt, gutes Essen zu kaufen. Zudem erkennen die Experten an, dass Wis-sen alleine längst nicht dazu führen muss, eine gesunde Lebensweise im täglichen Le-ben auch tatsächlich umzusetzen.

Viele Experten gehen davon aus, dass der Trend von zunehmenden Zivilisations-krankheiten, zumindest kurzfristig, nicht um-kehrbar ist, trotz verbesserter Therapien und trotz Gesundheitskampagnen. Krankheiten wie beispielsweise Diabetes Typ 2, der soge-nannte Altersdiabetes, ist eine schleichende Krankheit, die sich oft über Jahre entwickelt und die durch Bewegungsmangel und fal-sche Ernährung befördert wird. Hier können

These 10 – 2030: Die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Herz- Kreislauf-Krankheiten, Adipositas/Fettleibigkeit, Depressionen) hat zugenommen.

35Ergebnisse im Detail

selbst erfolgreiche Gesundheitskampagnen, die zu einem veränderten Verhalten in der Bevölkerung führen, nur langfristig Wirkung zeigen. Ein alarmierendes Signal wird zudem darin gesehen, dass sich einige Zivilisations-krankheiten bereits bei Kindern bemerkbar machen. Zusätzlich verstärkt die demogra-fische Entwicklung das Auftreten von Zivili-sationskrankheiten, da viele Krankheiten vor allem ältere Menschen betreffen.

Der Einfluss von finanziellen Möglichkeiten wird in diesem Zusammenhang an zwei Stellen genannt: Zum einen sind gesunde Lebensmittel häufig teurer, was finanziell schlechter Gestellte benachteiligt. Zum an-deren wird die Befürchtung geäußert, dass Einschränkungen der Leistungen der gesetz-lichen Krankenkassen einen Anstieg von chronischen Krankheiten befördern könnten.

Experten, die die Eintrittswahrscheinlichkeit der These als gering einschätzen, gehen vor allem davon aus, dass die Aufklärung in der Bevölkerung zunimmt und präventive Maßnahmen wichtiger werden. Dazu ge-hören eine gesunde Lebensführung, Bewe-gung und eine bewusste Ernährung sowie die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchun-gen. Da gerade bei Zivilisationskrankheiten jeder Einzelne gegensteuern kann, sind die Experten hier der Meinung, dass Wis-sen und Aufklärung zur Übernahme von Ei-genverantwortung führen werden. Letztlich könnte eine gesunde Lebensführung, so einer der Experten, als Teil des Nachhaltig-keitskonzeptes, zur gesellschaftlichen Norm werden. Einige Experten gehen jedoch davon aus, dass die genannten positiven Entwick-

lungen vor allem für das Bildungsbürgertum gelten werden und ärmere Menschen davon ausgenommen sein werden.

Als weiteres Argument für eine niedrige Ein-trittswahrscheinlichkeit werden Forschungs-bemühungen genannt, die helfen werden, diese Krankheiten besser zu verstehen. Aufgrund der demografischen Entwicklung werden aus Sicht der Experten sowohl die Politik als auch die Wirtschaft ein großes In-teresse daran haben, in diesem Bereich Mit-tel zur Verfügung zu stellen.

Die meisten Experten gehen von einem ho-hen negativen Einfluss auf das Gemeinwohl aus. Ein Grund hierfür wird in den steigen-den Gesundheitskosten gesehen. Die hohen Versorgungskosten könnten die Gesund-heitssysteme so belasten, dass es größere Finanzierungsprobleme und Mängel bei der Krankenversorgung geben könnte, wenn immer mehr Kranke von immer weniger Gesunden finanziell unterstützt und ver-sorgt werden müssten. Die Befürchtungen gehen bis zu dem Punkt, dass bestimmte Leistungen nur noch für wenige Menschen bezahlbar sein werden. Zudem wirken sich Zivilisationskrankheiten negativ auf die Le-bensqualität der Betroffenen aus, die z.B. mit Mobilitätseinschränkungen leben müssen.

Nur wenige Experten gehen von einer ge-ringen Wirkung auf das Gemeinwohl aus. Ein Grund, der hier genannt wurde, sind zu erwartende therapeutische Möglichkeiten, die dazu führen könnten, dass Betroffenen letztlich ohne größere Einschränkungen leben können.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Aufklärung, Verhaltensänderungen und Prävention: Ein Großteil der Experten sieht darin die wesentlichen Ansatzpunkte für Soziale Innovationen, die dazu beitragen sollen die Ausbreitung von Zivilisationskrankheiten zu verhindern. In Kindergarten und Schule könnten Kinder an eine gesunde Ernährung und viel Bewegung herangeführt werden, was die Chance erhöht, dass sie das Verhalten auch in späteren Jahren beibehalten. Aber auch in späteren Jahren, in der Arbeitswelt und in Seniorenheimen, können Aufklärungs-kampagnen und Bewegungsprogramme Nutzen stiften.

Um Verhaltensänderungen im Bereich der Ernährung zu erreichen, schlägt ein Experte vor, die Angebotsstruktur so zu verändern, dass verstärkt gesunde Produkte konsumiert werden. Er bezieht sich dabei auf den vom Verhaltensökonomen Richard Thaler geprägten „Nudge“-Ansatz: Anstatt Verbote auszuspre-chen, sollen positive Anreize oder „Nudges“ (=Schubs) dafür sorgen, dass Kunden häufiger zu gesunden Produkten greifen. Dabei können bereits kleine Maßnahmen zu Veränderungen führen. Wird beispielsweise Obst in der Fir-menkantine in Griffnähe präsentiert, während ungesunde Produkte schwerer zu erreichen sind, greifen Mitarbeiter häufiger zu Obst.

Als weiteren Ansatzpunkt wird die Förderung von humanen und gesunden Arbeitsbedin-gungen genannt, was im besten Fall darüber hinaus noch einen positiven Einfluss auf die Beschäftigungs- und Freizeitkultur in den Milieus hat.

10. 2030: Die Verbreitung von Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten, Adipositas/ Fettleibigkeit, Depressionen) hat zugenommen.

EW: 66 E: 3,9 IQA: 20

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Aufklärung führt zu gesunder Lebensführung und Teilnahme an präventiven Maßnahmen

• Forschungsbemühungen werden helfen, die Krankheiten besser zu verstehen

• Zunahme von Risikofaktoren wie Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und Stress

• Demografischer Wandel sorgt für Zunahme, da Zivilisationskrankheiten häufig Ältere betreffen

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten: Betroffen können ohne größere Einschränkungen mit bestimmten Krankheiten leben

• Hohe Versorgungskosten führen zu Finanzierungsproblemen und Mängeln bei der Krankenversorgung

• Negativer Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen

Ansätze für Soziale Innovationen

• Aufklärung und Prävention: Ermutigung und Ertüchtigung zu gesunder Lebensweise in öffentlichen Einrichtungen -von der Kita bis zum Seniorenheim, Durchführung innovativer Präventionsprogramme

• Ernährung und Bewegung: Bewegungsunterricht in Kindergärten und Grundschulen, Veränderungen in der Angebotsstruktur, d.h. gesunde Produkte prominenter platzieren

• Arbeitswelt: Gestaltung von humanen, gesunden Arbeitsbedingungen

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

36 Ergebnisse im Detail

1974 beschrieb Richard Easterlin den Zusam-menhang zwischen Geld und Glücksempfin-den. Er stellte dabei in seinen Studien fest, dass dieser Zusammenhang bis zu einem gewissen Grad besteht, dass aber ab einer bestimmten Höhe von Einkommen zusätz-liches Einkommen nicht glücklicher macht. Dieses sogenannte Easterlin-Paradoxon ist eines der bekanntesten Beiträge der soge-nannten Glücksforschung. Münchner Sozio-logen konnten so zeigen, dass Einkommen und Glück im unteren Einkommensbereich stark korrelieren, während dies bei höherem Einkommen nicht der Fall ist. Dies würde für die Grundbedürfnisthese sprechen, die be sagt, dass sofern die materiellen Grund-bedürfnisse gedeckt sind, Einkommen einen sehr geringen Einfluss auf das Wohlbefinden hat (Keuschnigg et al., 2010).

Ebenso haben Glücksforscher herausge-funden, dass die Glückserwartungen an Konsum häufig überschätzt werden. Dage-gen unterschätzen Menschen häufig, wie stark beispielsweise Freundschaften ihr Glück beeinflussen. Man kann also durch-aus sagen, dass Menschen a) nicht immer

wissen, was sie glücklich macht und b) auch manchmal nicht so handeln, wie dies für ihre Lebenszufriedenheit zuträglich wäre (Deutsche Post, 2011).

Der übermäßige Konsum ist nicht nur ein Problem für die Umwelt. Vielmehr scheint er auch nicht mehr zur Lebensumwelt in Deutschland zu passen. Traditionell gilt der Mensch als Jäger und Sammler, bei dem ein „mehr von etwas“ größere Versorgungs-sicherheit, bessere Entwicklungsmöglich-keiten und nicht zuletzt verbesserte Über-lebenschancen bedeuteten. Allerdings gibt es viele Anzeichen dafür, dass wir in Deutschland nicht mehr in einer Welt vol-ler materieller Mängel leben, wie dies für unsere Vorfahren der Fall war. Stattdessen leben wir im materiellen Überfluss. Kritisch wird es nun, wenn wir weiterhin in den al-ten Jäger-und-Sammler-Verhaltensmustern verharren, denn dies erfordert eine stetige Steigerung des Konsums. Gerade aus der Be-fragung auf dem Vision Summit ging hervor, dass mit einer Zunahme von Lebensprin-zipien wie Bescheidenheit und Genügsam-keit eine Bewusstseinänderung einhergeht,

die eine Abkehr vom individuellen Konsum zum wertschätzenden Miteinander bedeu-tet. Kurz gesagt sind neue Verhaltensmuster nötig, die für den Umgang mit Überfluss und nicht mit Mangel geeignet sind.

Beziehen Menschen in 2030 ihre Lebenszufriedenheit aus nicht-materiellen Dingen? – Vielleicht.Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser These wird mit 52% durchschnittlich bewertet. Bezüglich des erwarteten Einflusses kom-men die Experten auf einen leicht unter-durchschnittlichen Wert von 3,6 Punkten. Der Streuwert liegt mit einem Interquar-tilsabstand in Höhe von 33 Punkten leicht über dem Durchschnitt aller Thesen.

Argumente der ExpertenKurz gesagt sind sich die Experten einig, dass übermäßiger materieller Konsum zurückge-hen wird. Dies liegt vor allem an zwei zu erwartenden Tendenzen: Erstens sehen die Experten zukünftig weniger Spielraum für „übermäßigen“ materiellen Konsum, weil

These 11 – 2030: Sehr viel mehr Menschen ziehen ihre Lebenszufriedenheit aus nichtmateriellen Dingen (Freunde, Familie, Kultur, Freizeitaktivitäten) und stehen einem übermäßigen materiellen Konsum skeptisch gegenüber.

37Ergebnisse im Detail

die Menschen eher mit dem Halten als dem Ausbau ihres jeweiligen Lebensstils beschäftigt sein werden. Gerade für diese Menschen wird der materielle Konsum eher noch wichtiger werden, denn ihre materielle Ausstattung wird geringer und die daraus entstehende Not eher größer werden. Hier ist es also so, dass der „übermäßige“ ma-terielle Konsum zurückgehen wird, aber die Bedeutung des „normalen“ materiellen Kon-sums eher zunehmen wird.

Zweitens sehen die Experten im „Bildungs-bürgertum“ eine Präferenzverschiebung, weg vom unreflektierten Konsum, hin zu bewussterem Handeln in der jeweiligen Um-welt. Schon heute ist zu beobachten, dass sich Menschen nicht nur für das Produkt an sich interessieren, sondern auch dafür, unter welchen Bedingungen es hergestellt wurde. So ist beispielsweise heute der Diskurs über Nachhaltigkeit wesentlich ausgeprägter und näher am Menschen, als noch vor ein paar Jahren. Zu unterscheiden gilt hierbei aller-dings das subjektive Empfinden von der objektiven Realität. So kann es durch aus sein, dass Menschen sich zwar als Post-materialisten bezeichnen, ihr tatsäch liches Konsumverhalten jedoch keine Abkehr von übermäßigem Konsum erkennen lässt.

Neben diesem erwarteten Rückgang des „übermäßigen“ materiellen Konsums gibt es allerdings auch Stimmen, die dies weiterhin erwarten. So werden weitere technologische Entwicklungen, die Marketingabteilungen und auch Pfadabhängigkeiten im System

(einmal eingeschlagene Richtungen lassen sich zum Teil nur schwer ändern) dafür sor-gen, dass nicht jedes neue Produkt auch unbedingt gebraucht, aber trotzdem kon-sumiert werden wird. Gerade für die Be-völkerungsschichten, bei denen zu erwarten ist, dass sie sich auch weiterhin einen „übermäßigen“ Konsum leisten könnten, kommt es darauf an, welche Mechanismen für die Verleihung von sozialem Status von Bedeutung sind. Anders gesagt: Wird das Statussymbol darin bestehen, fünf überdi-mensionierte Autos zu besitzen oder einen verbrauchsarmen Wagen zu benutzen?

Bei dem Einfluss auf das Gemeinwohl sind zwei Argumentationen zu unterscheiden. Die einen erwarten vor allem einen posi-tiven Einfluss auf das Gemeinwohl, denn alle nicht-materiellen Elemente, die ein-en Einfluss auf die Zufriedenheit haben, werden aufgewertet und stärker verfolgt. Ebenso würden negative Umwelteffekte oder sonstige sozial unerwünschte Folgen von Konsum vermindert werden. Auf der anderen Seite ist unklar, wie das aktuelle Wirtschaftssystem funktioniert, wenn weni-ger konsumiert werden würde. Während im bestehenden System dem Wachstum – häufig verbunden mit einem erhöhten Kon-sum – ein hoher Stellenwert zukommt, ist unklar, welche Auswirkungen nun ein stark-er Rückgang des materiellen Konsums auf das Wirtschaftssystem, die Unternehmen und auch die Arbeitsplätze hätte.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Die Experten sehen vor allem in einer ver-stärkten Auseinandersetzung mit dem Thema die Chance auf einen Wandel. Grob gesagt sind dies die drei folgenden Themen-felder: Herstellung von Transparenz über bestehendes Konsumverhalten, Änderung des Bewusstseins bzw. Perspektive auf das Leben und die konkrete Entwicklung von Al-ternativen. In dem ersten Themenfeld wird vor allem darauf hingewiesen, dass die „wahren“ Kosten des Konsums sichtbar und bestenfalls auch eingepreist werden. Dann würden die negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die im Herstellungsprozess verursachten sozialen Kosten transparent werden. Bezüglich der Bewusstseinsbil-dung teilen viele Experten die Einschät-zung, dass das Thema an sich stärker the-matisiert werden könnte. Warum also nicht schon in der Schule ein gelungenes Leben thematisieren oder auch im Medienbereich neue Austauschmöglichkeiten schaffen, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen. Schließlich halten die Experten auch die Ent wicklung von Alternativen für wichtig, die einen Lebensstil abseits des materiellen Konsums aufzeigen können. Neben staatli-chen Akteuren, die dieses Angebot schaffen sollen, wird auch eine lokale Selbstorgani-sation der Bürger genannt. Hiervon erhoffen sich die Experten dann eine Signalwirkung, die in die breitere Gesellschaft ausstrahlt.

11.2030: Sehr viel mehr Menschen ziehen ihre Lebenszufriedenheit aus nichtmateriellen Dingen und stehen einem übermäßigen materiellen Konsum skeptisch gegenüber.

EW: 52 E: 3,6 IQA: 33

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Menschen werden zwar skeptischer gegenüber materiellem Konsum, verharren aber in alten Verhaltensmuster

• Technologische Entwicklungen und Marketingabteilungen werden auch weiterhin dafür sorgen, dass es übermäßigen Konsum gibt

• Übermäßigen Konsum werden sich viele nicht mehr leisten können• Bewusster Konsum und Präferenzverschiebung weg vom Konsum wird

zunehmen

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Individuell belastend, aber gesellschaftlich tragbar • Zufriedenheitsstiftende Tätigkeiten erhalten einen höheren Stellenwert• Unklar, wie das Wirtschaftssystem reagiert, wenn weniger konsumiert

werden würde

Ansätze für Soziale Innovationen

• Transparenz: Einpreisung externer Kosten, Darstellung unintendierter Nebenfolge von Konsum• Bewusstsein: Stärkeres Thematisieren der Frage nach einem gelungenen Leben in Schule und Öffentlichkeit• Alternativen: Lokale Initiativen, die einen Lebensstil ermöglichen, der weniger auf materielle Dinge ausgerichtet ist

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

38 Ergebnisse im Detail

Inzwischen besteht breiter wissenschaft-licher und gesellschaftlicher Konsens darüber, dass sich das Klima (auch) auf-grund von menschlichem Einfluss erwärmt. Hierfür verantwortlich sind der Ausstoß von klimarelevanten Gasen, z.B. Kohlenstoff-dioxid (CO2) in der Herstellung und Kon-sumption von Produkten und Dienstleistun-gen. Deutschland hat es sich hier zum Ziel gesetzt, bis 2020 die Emissionen um 40% im Vergleich zu 1990 und bis 2050 um 80-95% im Vergleich zu 1990 zu senken (Statistisch-es Bundesamt, 2012b).

Neben diesem Fokus auf klimarelevante Gase umfasst das Thema Ressourcenverbrauch noch weitere Aspekte, wie die Nutzung weit-erer begrenzter Rohstoffe, sowie um die Nut-zung und den Verbrauch von Wasser, Boden und Luft im Wirtschaftskreis lauf. Insgesamt kann man sagen, dass Klima themen im Be-wusstsein der Bevölkerung schon stärker verankert sind als das breitere Feld der Res-sourcenschonung (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und Umweltbundesamt, 2010).

Zurzeit verbraucht ein durchschnittlicher Bun-desbürger 2,5-mal so viele Ressourcen, wie ihm aufgrund der Biokapazität zur Verfügung

stehen. Für eine Erde voller Deutschen bräu-chte man also zweieinhalb Erden (WWF, 2012).

Als mögliche Auswege aus dem hohen Ressourcenverbrauch werden Effizienzan-sätze und grüne Wachstumsstrategien dis-kutiert. Bezüglich der Effizienzvorhaben hat sich beispielsweise die Bundesregierung im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie vorgenommen, die Energieproduktivität bis 2020 im Vergleich zu 1990 zu verdoppeln bzw. den Primärenergieverbrauch bis 2020 im Vergleich zu 2008 um 20% zu senken (Statistisches Bundesamt, 2012b). Diese Ef-fizienzvorhaben sollen dann meist durch grüne Technologien erreicht werden, was dazu geführt hat, dass Umweltschutz nicht mehr nur als Kostenfaktor, sondern als wachsender Zukunftsmarkt angesehen wird (Umweltbundesamt, 2012b).

Neben dieser technologieoptimistischen Perspektive werden allerdings auch Beden-ken angeführt. Diese werden häufig un-ter den Stichwörtern Rebound-Effekte und Backfire diskutiert. Unter Rebound-Effekten versteht man unerwünschte Nebenfolgen von Effizienzsteigerungen. Man unter-scheidet verschiedene Arten von Rebound-Effekten. Finanzielle Rebound-Effekte führen

beispielsweise dazu, dass Verbraucher das Geld, welches sie durch Effizienzsteigerun-gen gespart hatten, wiederum für Konsum ausgeben. Und Konsum bedeutet eben meist auch Ressourcenverbrauch. Bei materiellen Rebound-Effekten wird Energie zwar in der Nutzungsphase eingespart, dafür wird aber in der Herstellung mehr verbraucht. Ein psychologischer Rebound-Effekt führt dazu, dass ein „ökologisches Auto“ als Statussym-bol gilt und dann auch mehr genutzt wird. Schließlich lassen sich noch sogenannte Cross-Factor-Rebound-Effekte erkennen, die auftreten wenn durch die Substitution von Kapital durch Arbeit die Produktion automa-tisiert wird.

Aufgrund dieser komplexen Wirkungs-mechanismen ist es schwierig, das Ausmaß von Rebound-Effekten zu quantifizieren. Man geht davon aus, dass mindestens die Hälfte aller Einsparungen, die durch Ef-fizienzsteigerungen gewonnen werden, wieder verloren geht. Zum Teil können die Effekte sogar so hoch sein, dass es zu einer Überkompensation kommt, sprich, dass Effi-zienzsteigerungen zu einem Mehrverbrauch führen, was dann als Backfire bezeichnet wird (Santarius, 2012).

These 12 – 2030: Das Wirtschaftswachstum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden.

39Ergebnisse im Detail

Wird in 2030 unser Wirtschaft-swachstum weiterhin mit er-höhtem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden einherge-hen? – Tendenziell ja.Die These wird von den Experten als relativ wahrscheinlich eingeschätzt. Mit einer Ein-trittswahrscheinlichkeit von 61% ist dies die fünftwahrscheinlichste These. Mit 4,2 von 5 Punkten kommt diese These auf den vier-ten Platz in Bezug auf den erwarteten Ein-fluss auf das Gemeinwohl. Der Streuwert ist mit einem Interquartilsabstand von 25 Punk-ten eher unterdurchschnittlich ausgeprägt.

Argumente der ExpertenAuch wenn sich die Erhebung nur auf Deutschland bezieht, so unterscheiden die Experten doch zwischen Deutschland und dem Rest der Welt. Farblich gesprochen sehen die Experten für Deutschland dun-kelgrau und für die Welt tiefschwarz. Hoff-nungen für Deutschland speisen sich aus potenziell eintretenden Quantensprüngen in der Ressourceneffizienz, der Einsicht in die Notwendigkeit zum Wandel und mögliche deutsche Produkte, die zu Exportschlagern im Umweltbereich werden und dazu führen, dass Deutschland als Vorbild in der Welt wahrgenommen wird. Ebenso rechnen die Experten mit neuen Lösungen in Bezug auf die schon angerichteten Schäden. Eine weitere Möglichkeit, das Wirtschaftswachs-tum vom Ressourcenverbrauch abzukop-peln, sehen die Experten darin, dass Um-weltkatastrophen, und Grenzerfahrungen ein Umdenken erzwingen werden. Zudem

spricht die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland dafür, dass Deutschland insge-samt nicht mehr wachsen wird, also dass zumindest kein zusätzlicher Ressourcenver-brauch anfallen wird.

Global gesehen sind die Experten relativ skeptisch, dass aufstrebende Nationen wie China, Russland und Indien es schaffen werden, ihren Wohlstandshunger ressour-censchonend stillen zu können. Hier spielen vor allem Nachholeffekte hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung eine Rolle.

Insgesamt sehen die Experten wenig Hoff-nung, dass sich die Wirtschaftsaktivität vom Ressourcenverbrauch abkoppeln lässt. Vereinzelt erwarten die Experten ein Um-denken hin zu einem Lebensstil, der nicht darauf ausgerichtet ist, immer mehr zu kon-sumieren, sondern der auch das bewusste Verzichten beinhaltet (ohne einschränkend zu wirken). Allerdings sind die Experten eher skeptisch in Bezug auf einen breiten Bewusstseinswandel und die Entwicklung neuer Technologien, die den Ressourcenver-brauch senken oder alternative, geschlos-sene Stoffkreisläufe entstehen lassen.

Beim Einfluss auf das Gemeinwohl sehen die Experten vor allem, dass Kosten, die im Produktionsprozess durch den Verbrauch von Ressourcen entstehen, auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Damit sind jedoch nicht die direkt zuordenbaren Produktkosten ge-meint (z.B. die Kosten der Extraktion von Rohstoffen), sondern die mit dem Abbau, der Nutzung und dem Verbrauch verbundenen Kosten wie beispielsweise CO2-Emissionen. Vor allem für die Umwelt werden negative

Entwicklungen erwartet, die letztlich sogar zum Kollaps ganzer Ökosysteme führen können. Mittelbare Folgen können dann z.B. höhere Steueraufwendungen für die Schadensbeseitigung sein. Insgesamt sehen die Experten vor allem dadurch das Gemein-wohl gefährdet, dass der Mensch nicht mehr in einer intakten, sondern einer zerstörten Umwelt leben muss.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Neben Sozialen Innovationen, die den Res-sourcenverbrauch direkt durch entsprechende Technologien verringern, sehen die Experten vor allem eine korrekte Bepreisung (Internali-sierung externer Effekte), das Schaffen von Transparenz und ein Umdenken in der Be-völkerung als die Hauptthemen an. Die Ver-antwortung für eine korrekte Bepreisung (d.h. negative externe Kosten machen ein Produkt teurer und positive externe Effekte machen ein Produkt billiger) wird dabei vornehmlich beim Staat gesehen. Hier sollten durch eine entsprechende Rahmensetzungsfunktion des Staates die Märkte besser gelenkt werden. In eine ähnliche Richtung gehen die Ideen bezüglich der erhöhten Transparenz. Hier sehen die Experten vor allem Nachholbedarf in der Darstellung des ökologischen Fußabdruck-es, so dass der potenzielle Käufer stärker in die Lage versetzt wird, Produkte mit geringem Ressourcenverbrauch zu kaufen. Nicht zuletzt ist eine Abkopplung der Wirtschaftstätigkeit vom Ressourcenverbrauch nach Ansicht der Experten auch dahingehend zu schaffen, dass sich die Bürger freiwillig selbst zurücknehmen und weniger konsumieren.

12. 2030: Das Wirtschaftswachstum geht unvermindert einher mit hohem Ressourcenverbrauch und Umweltschäden.

EW: 61 E: 4,2 IQA: 25

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Quantensprüngen in der Ressourceneffizienz • Einsicht für die Notwendigkeit zum Wandel • Entwicklung neuer Produkte

• Weltweite Entwicklungen stimmen skeptisch• Breitenwirksamer Bewusstseinwandel nicht absehbar• Geschlossene Stoffkreisläufe und technologische Durchbrüche

nicht absehbar

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Deutschland wird weltweit betrachtet noch relativ verschont bleiben • Entstehende Kosten (z.B. Umweltschäden) müssen von Gemeinschaft getragen werden

• Kollabierende Umweltsysteme mindern Lebensqualität• Migrationsströme aus Krisenzonen in unkalkulierbarem Ausmaß

Ansätze für Soziale Innovationen

• Ressourcenschonung: Mechanismen, die zu weniger Ressourcenverbrauch führen• Internalisierung: Einpreisung externer Effekte• Transparenz: Schaffung von Sichtbarkeit über die entstehenden Kosten• Bewusstseinwandel: Umdenken in der Bevölkerung

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

40 Ergebnisse im Detail

Der Fachkräftemangel gilt als einer der anste-henden Herausforderungen auf dem Arbeits-markt und damit auch im Gesell schafts- und Wirtschaftssystem allgemein. Ein Fachkräfte-mangel kann nicht nur bei geringer Arbeits-losigkeit bestehen, sondern auch davon unabhängig bestehen. Dies liegt daran, dass die Arbeitslosigkeit qualifikations-unabhängig berechnet wird, der Fachkräfte-mangel sich aber dadurch ergibt, dass für bestimmte Tätigkeiten nicht genügend Er-werbspersonen vorhanden sind. Tritt nun also eine hohe Arbeitslosigkeit mit einem hohen Fachkräftemangel auf, steht man vor einem besonders hohen „mismatch“ von Angebot und Nachfrage der Arbeit. Als Ur-sachen des anstehenden Fachkräfte mangels werden vor allem die demografische Ent-wicklung, der Strukturwandel, sowie eine zunehmende Technologisierung und auch die Globalisierung genannt (Destatis und WZB, 2011). Diese Ursachen führen mit un-terschiedlicher Intensität und Zielrichtung dazu, dass weniger Erwerbspersonen zur Verfügung stehen und sich auch die An-

forderungen an die Erwerbspersonen hin zu wissensintensiveren Berufen verändert. Aufgrund des demografischen Wandels ist z.B. zu erwarten, dass die Anzahl der Er-werbstätigen ab 2015 in Ostdeutschland und ab 2020 in Westdeutschland sinken wird (Bundeszentrale für politische Bildung, 2010a).

Diese Entwicklungen können dazu führen, dass für zukünftige Arbeiten in Deutschland Arbeitnehmer nachgefragt werden, für die keine entsprechenden Arbeitskräfte vorhanden sind. Üblicherweise denkt man bei Fachkräftemangel an Computerexperten oder sonstige hochqualifizierten Tätigkeit, doch das Problem ist weitläufiger. So gibt es beispielsweise schon heute einen Engpass in Metall- und Pflegeberufen (Bundeszen-trale für politische Bildung, 2010b). Dieser Engpass wird sich noch weiter verstärken, wobei speziell Berufe aus dem MINT-Umfeld (Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwis-senschaften und Technik) und dem Gesund-heits- und Pflegebereich davon betroffen sein werden (Hans Böckler Stiftung, 2012).

Negative Folgen eines Fachkräfteman-gels sind vor allem der Rückgang von In-vestitionen, eine Arbeitsverdichtung und –automatisierung sowie die negativen Auswirkungen auf die Innovations- und Wachstumspotenziale (Bundesagentur für Arbeit, 2011). Im schlimmsten Fall kommt also auf schon vollzeitbeschäftigte Arbeit-nehmer mehr Arbeit zu. Firmen wandern in andere Länder ab, in denen sie entsprech-ende Fachkräfte einstellen können.

Ist in 2030 der Fachkräftemangel zu einem branchenübergreifen-den Problem angewachsen? – Ja.Die Experten schätzen den Eintritt der These zum Fachkräftemangel mit 66% als die dritt-wahrscheinlichste These innerhalb dieses Delphi ein. Jedoch wird der Einfluss auf das Gemeinwohl mit 3,7 Punkten nur durch-schnittlich gesehen. Der Streuwert ist mit einem Interquartilsabstand von 30 Punkten als durchschnittlich anzusehen.

These 13 – 2030: Der Fachkräftemangel ist zur branchenübergreifenden Herausforderung für die deutsche Wirtschaft geworden.

41Ergebnisse im Detail

Argumente der ExpertenDie hohe Zustimmung zur These schlägt sich auch in den Argumenten nieder. Dabei führen die Experten vor allem Argumente an, die die Qualität, Quantität und Interes-senlage der Erwerbspersonen thematisieren. Bezüglich der Qualität führen die Experten an, dass es bisher nicht gelungen ist, schon früh in der Bildungskarriere anzusetzen und dafür zu sorgen, dass eine gute Ausbil-dung gewährleistet wird und beispielsweise jeder Schulabgänger einen Abschluss hat. So sehen einige Experten, dass man sich zukünftig um Bevölkerungsgruppen stärker kümmern muss, die bisher nicht oder nur unzureichend in den Arbeitsmarkt integriert sind bzw. nicht die passende Qualifikation aufweisen. Bezüglich der Quantität werden von den Experten vor allem zwei Aspekte thematisiert: Will Deutschland auslän -dische Fachkräfte und wollen ausländische Fachkräfte nach Deutschland? Bisher sehen die Experten Deutschland nicht als typisches Einwanderungsland an. So werden beispiels-weise Vorbehalte innerhalb der Bevölkerung für eine vermehrte Einwanderung gesehen, ebenso wird ein ungeklärtes Verhältnis zu den ausländischen Fachkräften gesehen. Diese Einschätzung wird ergänzt durch Be-denken, ob denn Deutschland überhaupt ein attraktiver Standort für ausländische Fachkräfte wäre. Hier haben die Experten vor allem im Bezug auf international gesuchte Fachkräfte Bedenken. Nicht zuletzt wird der

Fachkräftemangel auch als ein Problem der Zusammenführung von Angebot und Nach-frage betrachtet. Dies trifft vor allem für Berufe mit hohem Technologiebezug zu, die nicht in dem Maße für junge Menschen at-traktiv sind, wie es nötig wäre.

Argumente, die dafür sprechen, dass der Fachkräftemangel nicht kommen wird, waren eher allgemeiner Natur: Das lässt sich schon meistern, denn das Problem sei ja erkannt. Ein anderes Argument gegen den Fachkräfte-mangel ist das Vertrauen in kapitalistische Märkte: Sobald Knappheiten entstehen, wird der Markt für einen Ausgleich sorgen.

Die Auswirkungen auf das Gemeinwohl werden von den Experten recht einheitlich und nicht besonders positiv beschrieben. Dabei sehen sie die aktuelle gute wirtschaft-liche Lage Deutschlands als gefährdet an. Die Folge davon wäre eine geringere Inno-vationskraft der Unternehmen und damit eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf internationalen Märkten. Als Folge davon wären sinkende Steuereinnahmen oder geringere Einzahlun-gen für die Sozialversicherung zu erwarten. Dies wiederum würde die zur Verfügung stehenden Mittel für die Infrastruktur oder das Gesundheitswesen verringern, was wiederum das Gemeinwohl beeinflusst. Aus diesem Grund ist es auch nicht erstaunlich, dass der Fachkräftemangel als das zentrale Wirtschaftsthema Deutschlands von einem Experten benannt wurde.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Soziale Innovationen erwarten die Experten sowohl in Bezug auf den Ausbau des Er-werbspotenzials als auch in der besseren Qualifikation von (zukünftigen) Arbeitneh-mern. Neben besseren Rahmenbedingungen für Arbeitskräfte aus dem Ausland spielen beim Ausbau des Erwerbspotenzials vor allem ältere Menschen eine Rolle. Gerade in der (längeren) Einbindung von älteren Menschen, die ihre Expertise und ihren Er-fahrungsschatz einbringen können, sehen die Experten Potenzial. Hiermit verbunden ist auch die Diskussion um das gesetzliche Renteneintrittsalter. Insgesamt erwarten die Experten eine differenziertere Arbeitnehmer-schaft, die entsprechend ihren Wünschen oder Lebenslagen im Rahmen unterschied-licher Beschäftigungsmodelle tätig sein wird. Bezüglich der Qualifikationsmaßnah-men haben die Experten sowohl die jetzigen als auch die zukünftigen Arbeitnehmer im Blick. Erstere werden sollen vor allem mit dem Thema des lebenslangen Lernens er-reicht werden. Hier sind also neue Ansätze im Bereich der Weiter- und Erwachsenenbil-dung zu erwarten. Im Bezug auf die nächste Generation von Arbeitnehmern betonen die Experten wie wichtig es sein wird, Kinder mit entsprechenden Bildungsangeboten ab-zuholen, um sicherzustellen, dass sie ihr Potenzial voll entfalten können.

13. 2030: Der Fachkräftemangel ist zur branchenübergreifenden Herausforderung für die deutsche Wirtschaft geworden.

EW: 66 E: 3,7 IQA: 30

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Problem ist vielen Akteuren bekannt, es wird bereits an vielen Stellen an Gegenmaßnahmen gearbeitet

• In einem kapitalistischen System werden Knappheiten signalisiert, so dass es zu entsprechenden Entwicklungen und Anpassungs-maßnahmen kommt

• Schulabbrecher wird es weiterhin geben• Deutschland ist kein bevorzugtes Einwanderungsland

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Keine Argumente • Gute wirtschaftliche Lage Deutschlands ist in Gefahr• Geringere Steuereinnahmen verkleinern den Handlungsspielraum

für staatliches Handeln

Ansätze für Soziale Innovationen

• Quantität: Gelungene Integration in den Arbeitsmarkt von ausländischen Fachkräften, älteren Menschen und Menschen, die gerne mehr arbeiten würden• Qualität: Lebenslanges Lernen, entsprechende verbesserte Bildungsangebote

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

42 Ergebnisse im Detail

In Deutschland geht es uns gut. Die große Mehrheit der Bevölkerung schätzt ihren Ge-sundheitszustand als sehr gut oder gut ein (68% der Frauen, 73% der Männer) (Robert-Koch-Institut, 2011). Der Grund hierfür ist ein gut funktionierendes Gesundheitssystem. Dennoch sind, nach den USA und der Schweiz, die Kosten unseres Gesundheitssystems im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt sehr hoch. Die Qualität unserer Gesundheitsver-sorgung hingegen nimmt keinen der vor-deren Rangplätze im internationalen Ver-gleich ein (Destatis und WZB, 2008).

Zudem werden in der Zukunft weitere Prob-leme für unsere Gesundheitsversorgung prognostiziert. Eine Herausforderung stellt beispielsweise die drohende Kostenex-plosion dar. Auch wenn die Kostentreiber unseres Gesundheitssystems mehrere Ur-sachen haben, ist der demografische Wan-del der größte Treiber. Dieser wirkt sich auf die Struktur unseres Gesundheitssystems in zweierlei Hinsicht aus. Zum einen schrumpft

die Finanzierungsbasis (eine alternde Be-völkerung geht mit einer sinkenden Anzahl an Beitragszahlern einher). Zum anderen ist Gesundheit auch eine Frage des Alters. Das heißt, je größer der Anteil der älteren Menschen an unserer Bevölkerung ist, desto höher sind die Kosten des Gesundheitssys-tems. Während 2009 noch jeder vierte Bürg-er über 60 Jahre alt war, wird für 2030 mit einem Anteil von 37% gerechnet, für 2050 sogar mit einem Anteil von 40% (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2010). Mit steigendem Lebensalter nehmen nicht nur Krebserkrankungen, sondern auch Lei-den wie Osteoporose, Demenz, Diabetes und Schlaganfälle zu. Besorgnis erweckend sieht auch ein Blick auf die Pflegestatistik aus. Während im Jahr 2005 rund 33% der Pflegebedürftigen 85 Jahre oder älter waren, läge dieser Anteil im Jahr 2030 bei 48%. Statistiker erwarten, dass immer mehr ältere Menschen mit chronischen Krankheiten eine gute Behandlung und Pflege benötigen.

Veränderte Lebensbedingungen erschwe-ren die Situation: War es früher üblich, Pflegefälle in der Familie zu versorgen, wird zunehmend auf Fachpersonal in Pflegeein-richtungen zurückgegriffen. Erhöhte Mobil-ität und Erwerbstätigkeit von Frauen ver-stärken diesen Trend.

Wird unsere Gesundheitsver-sorgung auch noch in 2030 her-vorragend sein? – Tendenziell nein.Mit 44% Eintrittswahrscheinlichkeit ten-dieren die Experten dazu, diese These eher abzulehnen. Es zeigt sich jedoch, dass die Meinungen über die Zukunft unseres Ge-sundheitssystems auseinander gehen. Auch der leicht erhöhte Interquartilsabstand mit 30 Punkten bestätigt dieses Bild. Der Einfluss auf das Gemeinwohl liegt trotz intensiver Debatte mit 3,9 Punkten im Durchschnitt.

These 14 – 2030: Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend.

43Ergebnisse im Detail

Argumente der Experten„Allgemeine Gesundheit gehört in Europa zu den Grundwerten“, so das Zitat eines Experten. Dieses Grundprinzip nimmt ein Teil der Experten zur Veranlassung, der Ge-sundheitsversorgung eine rosige Zukunft vorherzusagen. Da Gesundheit eben zu un-seren Grundwerten gehört, so die Meinung einiger Experten, genieße sie eine hohe Pri-orität, auch im politischen Handeln und aller Schwierigkeiten zum Trotz. Gerade da das Thema auch für die Wählerinnen und Wähler wichtig ist, wird sich die Politik danach rich-ten müssen.

Der wissenschaftliche Fortschritt werde zu-dem kostenreduzierte Behandlungsmög-lichkeiten zur Folge haben und die Heilung von Krankheiten ermöglichen, die heute nur symptomatisch versorgt werden kön-nen. Zudem wird Deutschland, komme was wolle, im internationalen Vergleich trotzdem gut dastehen.

Ein anderer Teil der Experten sieht dies je-doch skeptisch. Auch wenn wir uns eine gute Gesundheitsversorgung leisten kön-nen, dann sicher nicht für alle. So wird sich ohne grundlegende Reform ein quantitativer und qualitativer Rückgang in der Gesund-heitsversorgung abzeichnen, das heißt, die gesetzlichen Kassen werden ihre Leistungen weiter einschränken müssen, aber auch qualitativ hochwertige und meist kostspielige Behandlungen nicht übernehmen können.

Gerade für Menschen mit einem geringen Durchschnittseinkommen wird sich eine Grundversorgung nicht finanzieren lassen. Die Trends der vergangenen Jahre werden sich schlichtweg fortsetzen. Auch medizini-scher Fortschritt als Wundermittel wird hier eher skeptischer diskutiert. Jener Fortschritt bräuchte zu lange, um dem strukturellen Wandel entgegen zu wirken.

Der Einfluss auf das Gemeinwohl wird bei Eintritt der These größtenteils als hoch erachtet. Eine gute Gesundheit steigert persönliches Wohlergehen sowie die Lebens-qualität jedes Einzelnen. Zudem reduziert eine gute Gesundheitsversorgung die Angst vor den Risiken einer möglichen Erkrankung und deren Folgen, z.B. Arbeitsplatzverlust oder Folgeschäden.

Der große Einfluss auf unser Gemeinwohl spiegelt sich jedoch nicht nur in dem persönlichen Wohlergehen wider, sondern auch in der Volkswirtschaft insgesamt. Wer gesund ist, kann arbeiten, und in einer gesunden Gesellschaft können Senioren lange aktiv sein und bis ins hohe Alter erwerbstätig sein.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Experten sehen zwei grundsätzliche Ausrich-tungen, wie die Eintrittswahrscheinlichkeit der These erhöht werden kann: zum einen durch das Verbessern und Umstrukturieren

unseres traditionellen Gesundheitssystems, zum andern durch Maßnahmen außerhalb des bestehenden Systems.

Konkrete Vorschläge für die Verbesserung oder Umgestaltung des bestehenden Sys-tems werden jedoch kaum genannt, vermut-lich weil sich Soziale Innovationen hier nur schwer umsetzen lassen. Generell werden hier ein Umbau unseres Krankenkassenver-sicherungssystems sowie mehr Mittel für die medizinische Forschung gefordert.

Lösungsvorschläge außerhalb des Systems sind weitaus vielfältiger. Experten schla-gen hier vor, den Fokus vom „Heilen von Krankheiten“ auf Prävention zu setzen. Von den Kassen werde meist nur das Be-handeln von Krankheiten bezahlt, weniger jedoch präventive Maßnahmen. So soll in der Be völkerung ein Bewusstsein dafür ge-schaffen werden, wie wichtig und hilfreich Prävention ist. Diese kann auch durch ein-fache Dinge wie ausreichend Sport oder eine Ernährungs umstellung geschehen.

Im Zuge dessen fordern Experten auch eine dezentrale Versorgung, welche auf gemein-schaftlichem und gegenseitigem Helfen basiert, anstatt auf dem „Größenwahn“ der Apparatemedizin.

14. 2030: Die Gesundheitsversorgung ist – trotz demografischem Wandel – hervorragend.

EW: 44 E: 3,9 IQA: 30

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Demografischer Wandel und die alternde Gesellschaft• Rückgang der qualitativen und quantitativen Gesundheitsversorgung

durch Finanzierungsprobleme

• Gesundheitsversorgung als Grundwert unserer Gesellschaft und damit Kernthema der Politik

• Fortschritte in der Gesundheitsforschung

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Keine Argumente • Gesundheitliche Situation hat positive Auswirkung auf Lebensqualität• Gute gesundheitliche Konstitution nimmt Angst vor Erkrankungen• Volkswirtschaftlich gesehen sind gesunde Bürger produktiver und

verursachen weniger Kosten

Ansätze für Soziale Innovationen

• Verbesserung des bestehenden Gesundheitssystems: Umbau des Krankenversicherungssystems, Förderung der Medizinforschung• Alternativen zum bestehenden System: verstärkte präventive Angebote, alternative Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

44 Ergebnisse im Detail

Ein Fünftel der Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnbereich und verdient damit weniger als 10 EUR pro Stunde (Destatis und WZB, 2011). Es gibt Branchen, die davon besonders betroffen sind: Im Gastgewerbe beziehen beispielsweise über die Hälfte aller Beschäftigten einen Bruttostundenver-dienst, der unterhalb der Niedriglohngrenze liegt. Beschäftigte in Friseur- und Kosmetik-salons und Taxifahrer gehören ebenfalls häufig zu den Niedriglohnverdienern (Desta-tis und WZB, 2011). Einen branchenübergrei-fenden gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland derzeit nicht. Es gibt lediglich Mindestlöhne, die für einzelne Branchen verbindlich sind.

Keine Frage: Gibt es zusätzliche Arbeitsange-bote im Niedriglohnbereich, ist dies für viele

Menschen eine Chance, aus der Arbeitslosig-keit herauszufinden. Wenn Menschen von ihrer Arbeit aber kaum leben können und trotz Arbeit von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sind, ist dies eine kritische Entwicklung.

Neben Beschäftigten im Niedriglohnsektor gibt es die Befürchtung, dass in Zukunft viele Rentner mit niedrigen Renten rech-nen müssen. So wird unter anderem die demografische Entwicklung dafür sorgen, dass immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner finanzieren müssen. Niedrige Einkommen drohen vor allem Menschen mit lückenhaften Erwerbsbiographien, die durch Phasen mit geringer Beschäftigung, Arbeits-losigkeit, familienbedingten Unterbrechun-gen oder ähnlichem geprägt sind. Dies wird

durch die Betonung von betrieblicher und privater Vorsorge im Vergleich zur gesetz-lichen Renten noch verstärkt (Bundesminis-terium für Arbeit und Soziales, 2008).

Wird eine Vielzahl von Menschen trotz Einkommen oder Renten im Jahr 2030 in prekären Verhältnis-sen leben? Tendenziell schon.Die Eintrittswahrscheinlichkeit der These wird von den Experten mit durchschnitt-lich 56% bewertet. Zwar gab es auch bei dieser These unterschiedlichste Meinungen (IQA = 28), aber immerhin 70% aller Experten gaben eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 50% oder mehr an. Der Einfluss der Projek-tion auf das Gemeinwohl wird mit 4,3 von 5 Punkten als sehr hoch eingeschätzt.

These 15 – 2030: Eine Vielzahl von Menschen verfügt nicht über einen existenzsichernden Lohn (bzw. Rente) und lebt in prekären Verhältnissen.

45Ergebnisse im Detail

Argumente der ExpertenExperten, die die Eintrittswahrscheinlichkeit der These für hoch erachten, nennen die Lohnentwicklung als mögliche Ursache. In diesem Zusammenhang werden ausei-nanderlaufende Lohnentwicklungen, tenden-ziell abnehmende Einkommen und geringe Löhne bei ungelernten Arbeitskräften auf-gezählt. Ein Grund für schlecht bezahlte Ar-beitsplätze wird in der Globalisierung gese-hen, die zunehmenden Druck auf die Löhne in Deutschland ausübe.

Ein weiteres wichtiges Argument, das die Experten anführen, betrifft die Rentenent-wicklung. Hier gehen viele Experten davon aus, dass die gesetzlichen Renten aufgrund des demografischen Wandels, sinkender Steuereinahmen oder unter Druck geratener Sicherungssysteme weiter sinken werden, während die private Vorsorge nicht ausrei-chend sei, um diese Entwicklungen auszu-gleichen. Zudem könnten unterbrochene Erwerbsbiografien, prekäre Arbeitsverhält-nisse und Mini-Jobs zu niedrigen Renten-ansprüchen führen.

Experten, die die Eintrittswahrscheinlichkeit für niedrig erachten, gehen davon aus, dass Politik und Gesellschaft bei einer Ent-wicklung, wie sie in der oben stehenden These beschrieben wird, gegensteuern würde. Es wird angeführt, dass der Staat in Deutschland von Bürgern als Versorgungs-einrichtung wahrgenommen würde, der für die soziale Sicherung seiner Bürger aufkom-men müsse. Auch die Gewerkschaften würden dieses Verständnis teilen.

Einige Experten argumentieren, dass es Deutschland immer noch gut ginge und prekäre Einkommen kein Phänomen sei, das die Mehrheit der Bevölkerung beträfe. Zudem könnten viele Rentner neben der staatlichen Rente auf betriebliche Ren-tenansprüche und weitere Versorgungs-maßnahmen wie beispielsweise Wohneigen-tum zurückgreifen.

Des Weiteren werden Erfolge im Bildungs-bereich, sowie ein wachsender Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte als mögliche Fakto-ren genannt, die das Eintreten der These verhindern.

Die meisten Experten gehen von einem hohen Einfluss auf das Gemeinwohl aus. Hauptgrund hierfür ist, dass die Gefahr einer sozialen Spaltung gesehen wird. Wenn viele Gruppen nicht mehr über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen würden, könnte dies zu „sozialen Spannun-gen in für Deutschland unbekanntem Maß“ führen. Würde eine wachsende Anzahl an Rentnern nur noch wenigen Arbeitnehmern gegenüberstehen, könnte zudem ein wach-sender Sozialneid die Folge sein, der den Generationendialog verschärfen könnte.

Ein weiterer hoher Einfluss auf das Gemein-wohl wird aufgrund notwendiger höherer Sozialtransfers gesehen, die eine hohe Be-lastung für die Sozialsysteme bedeuten. Des Weiteren könnte die Wirtschaft durch einen Konsumrückgang belastet werden.

Inwiefern können Soziale Innova-tionen zur Lösung beitragen?Ansatzpunkte für Soziale Innovationen werden im Bereich der Politik gesehen. So werden beispielsweise die Lohnpolitik und hier vor allem Ansätze wie die Abschaffung der Minijobs und die Einführung von Min-destlöhnen genannt. Des Weiteren werden das Grundeinkommen, die bessere Berück-sichtigung von Kindererziehungszeiten oder die Auflösung der Altersgrenze beim Ren-teneintritt genannt, um dem Eintreten der These entgegenzusteuern.

Weitere Ansätze beziehen sich darauf, dass auch Menschen mit wenig Einkommen gut leben können, z.B. indem Tauschbörsen oder Tauschringe geschaffen werden oder neue Formen der nachbarschaftlichen Hilfe entdeckt werden. Soziale Innovationen, die eine kostengünstige Betreuung von Älteren ermöglicht, werden ebenfalls als wichtige Ansätze erachtet, um trotz sinkender Renten ein gutes Leben zu ermöglichen.

Wie bei einigen anderen Handlungsfeldern, wird auch hier Bildung und Qualifizierung als wichtiger Schlüssel zum Erfolg gesehen. So-ziale Innovationen, die die Entwicklung von Innovationen fördern, exzellente Forschung sichern oder es schaffen, hochqualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, erscheinen den Experten erfolgversprechend.

15. 2030: Eine Vielzahl von Menschen verfügt nicht über einen existenzsichernden Lohn (bzw. Rente) und lebt in prekären Verhältnissen.

EW: 56 E: 4,3 IQA: 28

Niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit Hohe Eintrittswahrscheinlichkeit

• Politik und Gesellschaft würden gegensteuern• Prekariat ist kein Massenphänomen• Rentnern stehen neben der gesetzlichen Rente weitere Einnahmen wie

betriebliche Rentenansprüche oder Wohneigentum zur Verfügung

• Tendenziell abnehmende Löhne und auseinanderlaufende Lohnentwicklung

• Gesetzliche Renten sinken aufgrund des demografischen Wandels, sinkender Steuereinnahmen, unterbrochener Erwerbsbiographien etc.

Niedriger Einfluss auf das Gemeinwohl Hoher Einfluss auf das Gemeinwohl

• Betroffene leben abgekoppelt von der Gesellschaft • Soziale Spannungen nehmen zu• Sozialneid verschärft den Generationendialog

Ansätze für Soziale Innovationen

• Politische Interventionen: Abschaffung von Minijobs, Einführung von Mindestlöhnen, Einführung Grundeinkommen, bessere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, Auflösung der Altersgrenze bei Renteneintritt

• Wertschöpfung ohne monetäre Mittel: Tauschringe und Tauschbörsen, nachbarschaftliche Hilfe, die mit Anerkennung oder mit materiellen Gegenleistungen bezahlt wird (anstatt mit monetärer Gegenleistung)

• Neue und kostengünstigere Betreuungsmodelle für ältere Menschen• Bildung und Qualifizierung: Innovationen und exzellente Forschung stärken, hochqualifizierte Arbeitskräfte ausbilden und im Land halten

EW = Eintrittswahrscheinlichkeit in %, E = Einfluss auf das Gemeinwohl IQA = Interquartilsabstand

46 Übergreifende Ergebnisse

Die Diskussion der Thesen durch die Ex-perten hat eines gezeigt: Die in den Thesen bewusst pointiert dargestellten Heraus-forderungen weisen oftmals ähnliche Ur-sachen auf und bedingen sich gegenseitig. Dies soll im Folgenden anhand einiger Beispiele gezeigt werden.

So führt beispielsweise die geringe soziale Mobilität von Kindern, die in schwierigen sozialen Umfeldern aufwachsen (These 2) dazu, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht schließt, sondern sich eher weiter öffnet (These 9). Eine zuneh-mende Schere zwischen Arm und Reich hat wiederum Auswirkungen auf die gesund-heitliche Konstitution (These 10) und die materielle Versorgung im Alter (These 15). Bildungsgerechtigkeit ist damit ein zentrales Thema, das in viele Bereiche ausstrahlt.

Ein Zusammenhang besteht auch zwischen These 5 (Fehlende Teilnahme am politischen und kulturellen Leben) und These 6 (Work-Life-Balance für Bürger aller Einkommens-schichten realisierbar). Gut ausgebildete, besser situierte Menschen nehmen eher am kulturellen und politischen Leben teil und sind eher in der Lage, eine ihren Wünschen entsprechende Balance zwischen Beruf und Privatem zu realisieren. Dies wirkt sich dann wiederum auf die Gesundheit aus (These 10).

Ein weiteres Kernthema ist der Zustand unseres Gesundheitssektors, der mehrere Themen beeinflusst. Zwar werden die So-zialversicherungssysteme nicht zusam-menbrechen (These 3), eine Zunahme an

Zivilisationskrankheiten wird jedoch für wahrscheinlich erachtet (These 10). Auch die Gesundheitsversorgung wird voraus sichtlich unter den Standards liegen, die wir uns heute leisten (These 14). Zudem sind die negativen gesundheitlichen Auswirkungen bekannt, die mit Langzeitarbeitslosigkeit einhergehen (These 1). Zwar erwarten Ex-perten, dass die jungen Senioren in Zu kunft agiler sein werden, aber der Pflegebedarf für die alten Senioren nimmt aufgrund der demo grafischen Entwicklung zu (These 7), was wiederum die Sozialversicherungssys-teme belastet.

Im Hinblick auf das Thema „Arbeiten“ er-warten die Experten, dass das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit (These 1) nicht gelöst wird. Gleichzeitig ist davon auszuge-hen, dass es zu einer Arbeitsverdichtung für diejenigen kommt, die Arbeit haben (These 6). Dies steht auch im Einklang mit den hohen Werten für die Eintrittswahrschein-lichkeit des Fachkräftemangels (These 13). Zusätzlich scheint das Normalarbeitsverhält-nis, bestehend aus einer Vollzeitstelle und fester Anstellung, auf dem Rückzug zu sein, während atypische Beschäftigungsverhält-nisse zunehmen (These 3). Dies wiederum führt dazu, dass eine höhere Anzahl an Menschen in prekären Verhältnissen leben wird (These 15).

In dem Themenkomplex „Umwelt“ sehen die Experten „Zwänge“, die im Wirtschaftssys-tem verankert sind. Was würde es beispiels-weise nützen, weniger Ressourcen zu

verbrauchen, wenn dadurch die wirtschaft-liche Wettbewerbsfähigkeit, Absatzmärkte, Einkommen und Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen (These 12)? Die Experten sehen jedoch auch, dass der Zusammenhang von Ressourcenverbrauch und wirtschaftlichen Aktivitäten das Gemeinwohl negativ beein-flusst (These 12). Zudem sind die Experten davon überzeugt, dass – wenn nicht sogar heute schon zutreffend, so doch zumindest in 2030 – zur politischen Steuerung verstärkt alternative Wohlstandsindikatoren Anwen-dung finden werden (These 8). Alternative Wohlstandsindikatoren können dann aufzei-gen, dass gesellschaftlicher Wohlstand nicht immer mit einem steigenden Bruttoinlands-produkt einhergeht.

Die geschilderten Zusammenhänge und Wechselwirkungen machen die Komplexität gesellschaftlicher Problemstellungen deut-lich. Das macht zwar Angst, weil die Viel-schichtigkeit das Gefühl hervorrufen kann, man könne in einem so vernetzten System kaum Einfluss nehmen. Es kann aber auch Mut machen, weil bestimmte Bereiche (auf die wir durchaus positiv einwirken können!) immer wieder als Ursache für Probleme auftauchen. Bildung ist hierfür ein klas-sisches Beispiel: Wer mit Sozialen Inno-vationen Kindern oder Erwachsenen die Chance gibt, ihre Potenziale zu entfalten, kann damit auf ihre Gesundheit, auf ihre Berufsaussichten, auf ihr Einkommen, auf ihre Rente und ihre Lebenszufriedenheit Ein-fluss nehmen.

5. Übergreifende Ergebnisse5.1 Zusammenhänge zwischen den Thesen

47Übergreifende Ergebnisse

Die Komplexität und Vielschichtigkeit ist auch bei der Gestaltung von Lösungen von Bedeutung, schließlich sollen nicht nur Symptome sondern auch die Problem-ursachen behandelt werden.

Dies zeigt sich beispielsweise bei These 13 (Fachkräftemangel). Experten sehen hier durchaus das Potenzial, durch präven-tive Maßnahmen dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Ähnlich verhält sich dies bei These 1 (Langzeitarbeitslosigkeit) und 2 (Bildungserfolg unabhängig vom Elternhaus). Lösungsmöglichkeiten müs-sen hier bereits im Bildungssystem gesucht werden. Auch These 8 (alternative Wohl-standsindikatoren) zeigt, dass bereits im Bildungssystem entsprechende Verständ-nisse von Wohlstand thematisiert werden können. Weiter finden sich auch mit Blick auf These 10 (Zivilisations krankheiten) und These 14 (Gesundheitsversorgung) präven-tive Ansatzpunkte, die die Entstehung dieser Krankheiten reduzieren sollen. Aus diesem Grund ist es gerade bei der Problemanalyse wichtig, Wirkungsketten zu identifizieren und möglichst bei der Ursachenbekämpfung – und weniger bei der Symptombehandlung – anzusetzen.

Die Identifizierung von Wirkungsketten und Ursachen ist auch deshalb von Bedeutung, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass sich Risiken in bestimmten Bereichen kul-minieren. Beispiele hierfür sind, dass Lang-zeitarbeitslose (These 1) eben nicht nur ohne Arbeit sind. Auch gesundheitlich geht es Menschen, die lange ohne Arbeit sind schlecht. Zudem fehlt häufig die gesell-schaftliche Integration und Teilhabe (These 5) wenn nur eine geringe materielle Aus-stattung besteht (These 15). Hier gilt es also dafür zu sorgen, dass Personen, die sich in schwierigen Situationen befinden, mög-lichst nicht noch zusätzlichen Herausforder-ungen ausgesetzt werden. Ähnlich denken die Experten, die ein hohes Innovationspo-tenzial im Bezug auf alternative Tätigkeiten als Ergänzung zur traditionellen Erwerb-

stätigkeit sehen. Diese Vorschläge wurden z.B. als Lösung für die in These 1 (Lang-zeitarbeitslosigkeit) und These 9 (Schere zwischen Arm und Reich) beschriebenen Herausforderungen genannt. Hier sehen Ex-perten vor allem in alternativen Tätigkeiten (anstatt regulärer Erwerbsarbeit) die Mög-lichkeit, dass Erwerbslose weiterhin eine gesellschaftlich integrierende Anerkennung erfahren können, obwohl ihnen der Bezug eines Einkommens über den Markt viel-leicht verwehrt wird. Zudem könnten alter-native Formen des ökonomischen Handelns (z.B. Tauschwirtschaften, bei denen bei spiels-weise eine Stunde Arbeit gegen eine Stunde einer anderen Tätigkeit getauscht werden kann) fehlendes Einkommen kompensieren.

Ein weiteres Kernthema im Bereich der So-zialen Innovationen, ist ein verändertes Bewusstsein oder zumindest die Schärfung des Verständnisses für größere Zusammen-hänge. Die Schaffung von Transparenz, die dieses Erkennen erst ermöglicht, ist dabei von essentieller Bedeutung. Eine erhöhte Transparenz sollte nach Meinung der Ex-perten beispielsweise bezüglich politischer Prozesse gegeben sein. Mehr Transparenz, so hoffen die Experten, könnte die Partizipa-tion erhöhen (These 5). Auch im Konsum-verhalten könnten mehr Transparenz und Wissen über die aus dem Konsum resultier-enden Auswirkungen für Mensch und Natur positive Auswirkungen nach sich ziehen (These 11). Eng damit verwandt sind auch Bestrebungen in Bezug auf gesundheit-liche Aspekte (These 10). Eine Bewusst-seinsänderung durch Aufklärung bzw. das Initiieren gesamtgesellschaftlicher Denk-anstöße und Diskurse, die sich mit einer lebens dienlichen Aufteilung von beruf-licher und privater Zeit befassen (These 6), wirken sich positiv auf die Gesundheit aus. Geänderte Geisteshaltungen, die eine andere Perspektive auf das Leben erlauben (These 11), könnten es den Menschen er-lauben, mit weniger Produkten und Konsum zufriedener zu leben (These 12).

Anhand der von den Experten vorgeschla-genen Sozialen Innovationen lassen sich auch Aussagen über deren Staats- und Bürgerverständnis treffen. Zwar gibt es auch Vorschläge, die ein starkes Staatseingreifen notwendig machen, wie z.B. steuerliche Änderungen zur Minderung von Einkom-mens- und Vermögensungleichheiten (These 9). Im Großen und Ganzen vermitteln die Expertenbeiträge aber eher das Bild eines Staates, der als Garant korrekter Preis signale oder als „Ermöglicher“ von zivilgesell-schaftlichem Engagement auftritt.

Korrekte Preissignale erwarten die Experten beispielsweise bei der Einpreisung negativer externer Effekte auf die Umwelt (These 12). Die Rolle des Staates als Ermöglicher wird u.a. im Bildungsbereich gesehen (These 2). Hier erwarten Experten, dass der Zusam-menhang zwischen dem sozio-demogra -fischen Hintergrund und dem Bildungserfolg eines Kindes nicht nur durch die staatliche Schulversorgung gemindert werden kann, sondern dass vor allem private Akteure die Initiative ergreifen können. Ebenso wird in der Gesundheitsversorgung (These 3) der Aufbau alternativer Hilfsstrukturen (abseits von Sozialversicherung, Privatvorsorge und Familienunterstützung) erwartet, die auf nachbarschaftlicher, kommunaler, Gemeinde- oder Bundesland-Ebene stattfinden. Eine ak-tive Form des Ermöglichens ist zudem bei These 10 (Zivilisationskrankheiten) erkennbar: Der Staat kann hier versuchen, Entscheidun-gen der Bürger zu leiten, ohne deren Freiheit einzuschränken. In diesem ermöglichenden Staatsverständnis werden Bürger dazu er-mutigt, entweder für sich selbst besser vorzusorgen (siehe beispielsweise These 7), in Gemeinschaften tätig zu werden oder in Zusammenarbeit mit dem Staat Wohlstand zu schaffen (These 8).

5.2 Ansätze für Soziale Innovationen

48 Übergreifende Ergebnisse

Worin bestehen die größten Herausforderungen, denen sich Deutschland in den kommenden Jahren stellen muss? Dies herauszufinden, war die Zielsetzung der vorliegenden Studie. Die Experteneinschätzungen zu Eintrittswahrscheinlichkeit und Einfluss auf das Gemeinwohl haben es uns ermöglicht, die wichtigsten Thesen herauszufiltern. So sind vor allem die Thesen relevant, für die eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit vorausgesagt wird und die einen hohen Einfluss auf das Gemeinwohl haben.

Abbildung 7: Gesamtüberblick Thesenergebnis

5.3 Die wichtigsten Herausforderungen

2

3

4

5

20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Einf

luss

auf

das

Gem

einw

ohl

Eintrittswahrscheinlichkeit

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T15 T12

T1

T9

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T10

T7

T4

T8

Projektionen für das Jahr 2030

1 Langzeitarbeitslosigkeit weiterhin ein Problem.

2 Potenzial bestimmt Bildungserfolg.

3 Sozialversicherungssysteme zusammengebrochen.

4 Regenerative Energien auf 60% gestiegen.

5 Fehlende gesellschaftliche Teilhabe.

6 Work-Life-Balance für alle realisierbar.

7 Vereinsamung Älterer.

8 Wohlstandsindikatoren ergänzen Bruttoinlandsprodukt.

9 Größere Unterschiede zwischen Arm und Reich.

10 Zivilisationskrankheiten sind gestiegen.

11 Lebenszufriedenheit resultiert zunehmend aus Nichtmateriellem.

12 Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch nicht entkoppelt.

13 Fachkräftemangel als branchenübergreifende Herausforderung.

14 Hervorragende Gesundheitsversorgung.

15 Einkommen nicht existenzsichernd.

◆ Positiv formulierte These

◆ Negativ formulierte These

49Übergreifende Ergebnisse

In einer Matrix dargestellt (siehe Abbildung 7), finden sich diese Thesen in der rech-ten oberen Ecke (bei negativ formulierten Thesen) bzw. in der linken oberen Ecke (bei positiv formulierten Thesen). So findet sich beispielsweise These 9 (Unterschiede zwi-schen Arm und Reich nehmen zu), sehr weit rechts und sehr weit oben wieder, weil so-wohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Auswirkungen bei Eintritt der These als hoch erachtet wurden.

Bei der Auswahl der Herausforderungen wurde zudem noch ein weiterer Aspekt herangezogen: Inwiefern können Soziale Innovationen bei der Lösung des Problems helfen? Hier sind sowohl die Expertenmei-nungen als auch die Einschätzungen des Autorenteams eingeflossen.

Das Ergebnis: Acht Herausforderungen in fünf verschiedenen Lebensbereichen. Al-len ist gemeinsam, dass die Eintrittswahr-scheinlichkeit und/oder der Einfluss auf das Gemeinwohl von den Experten als hoch ein-geschätzt werden und Soziale Innovationen die Herausforderungen besonders gut adres-sieren können.

• Herausforderungen: 1. Langzeitarbeitslosig -keit als Problem | 2. Fachkräftemangel als branchenübergreifende Herausforderung

Lebensbereich: Arbeit und Beschäftigung

Mehr als 40% aller Arbeitslosen sind Langzeitarbeitslose; auch die Hartz-Refor-men konnten das Problem nicht mildern. Während auf der einen Seite Menschen keine Arbeit finden, werden auf der an-deren Seite hochqualifizierte Fachkräfte gesucht. Wo sollen zukünftig gut ausge-bildete Computerexperten, Pflegekräfte oder Ingenieure herkommen, wenn Glo-balisierung und Strukturwandel die Nach-frage nach Fachkräften weiter in die Höhe treiben werden, während gleichzeitig der demografische Wandel dafür sorgen wird, dass immer weniger Menschen im Er-werbsleben stehen?

• Herausforderung: 3. Die Entkopplung von sozio-demografischem Hintergrund und Bildungserfolg

Lebensbereich: Bildung

Wenn Kinder aus sozial schwierigen Ver-hältnissen ihr Potenzial nicht nutzen kön-nen, ist dies ein Verlust – für jedes ein-zelne Kind und für die Gesellschaft. Für jedes einzelne Kind, weil Bildungserfolg einen hohen Einfluss auf Einkommen, gesellschaftliche Teilhabe, Glück und Ge-sundheit hat. Für die Gesellschaft, weil dringend gut ausgebildete Menschen ge-braucht werden, die sich für die Gesell-schaft engagieren, die innovative Ideen entwickeln und dem Arbeitsmarkt als Fachkräfte zur Verfügung stehen.

• Herausforderungen: 4. Zunehmende Un-terschiede zwischen Arm und Reich | 5. Fehlendes existenzsicherndes Einkommen

Lebensbereich: Einkommen und Vermögen

Deutschland ist nach wie vor bekannt als Land, das den sozialen Ausgleich sucht, unter anderem mit hohen Steuern und etlichen Umverteilungsmaßnahmen. Und doch: Die derzeitige Ausgestaltung des Wirtschafts- und Steuersystems scheint dafür zu sorgen, dass die Unterschiede in Einkommen und Vermögen größer werden und die Aufstiegsmobilität abnimmt. Da-bei finden sich nicht nur diejenigen in finanziell schwierigen Situationen wieder, die keine Arbeit haben. Menschen, die im wachsenden Niedriglohnsektor beschäf-tigt sind, kommen trotz Arbeit kaum über die Runden. Zukünftige Rentner, die lück-enhafte Erwerbsbiographien aufweisen, müssen ebenfalls damit rechnen, dass ihre Bezüge unter dem Existenzniveau liegen werden.

• Herausforderung: 6. Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenver-brauch

Lebensbereich: Umwelt

Wenn die Wirtschaft wächst, gibt es höhere Steuereinnahmen – und damit mehr Geld, das investiert oder umverteilt werden kann. Es gibt mehr Menschen in Beschäftigung. Der derzeitige Preis dafür: mehr Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, verstärkter Abbau fossiler Brenn-stoffe, ein höherer Verbrauch von Was-ser, Boden und Luft. Würden alle Men-schen auf der Welt den Lebensstil eines durchschnittlichen Deutschen anneh-men, bräuchten wir zweieinhalb Erden. Lässt sich Wirtschaftswachstum von Um-weltschäden und höherem Ressourcen-verbrauch entkoppeln?

• Herausforderungen: 7. Zivilisationskrank-heiten sind gestiegen | 8. Sicherung der Gesundheitsversorgung

Lebensbereich: Gesundheit

Auch wenn es den Deutschen im inter-nationalen Vergleich gut geht und die Gesundheitsversorgung hervorragend ist: die großen Zivili sationskrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, Diabe-tes oder Demenz betreffen Millionen von Menschen. Verstärkt wird die Tendenz durch ungesunde Ernährungs- und Le-bensgewohnheiten, durch Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht und Bewe-gungsmangel. Der demografische Wandel trägt ebenfalls zu einem erhöhten Auftreten der Krankheiten bei, da mit steigendem Lebens alter die Krankheitszahlen vieler Leiden zunehmen. Die Pflege älterer Men-schen, die immer häufiger außerhalb der Familie stattfindet, muss ebenfalls finan-ziert und organisiert werden. Die Gesund-heitsversorgung trotz dieser Belastungen sicherzustellen, wird nicht alleine durch technische Neuerungen möglich sein.

50 Für zukünftige Sozialinnovatoren

In diesem letzten Kapitel, das bereits über die Studie hinausblickt, wollen wir ein Werkzeug zur Entwicklung von Sozialen Innovationen vorstellen: den „Soziale Innovationen Gene-rator“. Ausgehend von einer bestimmten gesellschaftlichen Herausforderung hilft der „Soziale Innovationen Generator“ mit einem strukturierten Prozess bei der spielerischen Generierung von Ideen. Insgesamt werden vier Schritte durchlaufen:

Schritt 1: Eingrenzung der konkreten gesell-schaftlichen Herausforderung.

Welche konkrete gesellschaftliche Heraus-forderung soll angegangen werden? Zu beachten ist, dass die Herausforderung weder zu allgemein noch zu spezifisch for-muliert ist.

Schritt 2: Identifizierung der Zielgruppe, die mit der Sozialen Innovation erreicht werden soll.

Geht es beispielsweise um eine bestimmte marginalisierte gesellschaftliche Gruppe oder um die Gesellschaft als Ganzes?

Schritt 3: Festlegung, wie sich die Wirkung der Sozialen Innovation entfalten soll.

Prinzipiell kann man unterscheiden, ob die Ursache des Problems adressiert wird (entwe-der präventiv, abmildernd oder lösend), ob der Umgang mit dem bestehenden Problem im Vordergrund steht, oder ob die Ausstrahlung des Problems auf andere Bereiche einge-schränkt wird.

Schritt 4: Bestimmung des Wirkungsmecha-nismus der Sozialen Innovation.

Zu unterscheiden ist hier, ob man jemanden befähigt, sich selbst zu helfen, jemandem neue Optionen verschafft, jemanden ver-sorgt oder ob man neue Verbindungen und Netzwerke herstellt, die es vorher schlicht-weg nicht gab.

Ausgehend von den Ergebnissen dieser Delphi-Studie finden sich in Abbildung 8 die acht Herausforderungen aus den fünf Le-bensbereichen. Exemplarisch sind nun zwei Soziale Innovationen dargestellt, in dem die jeweiligen vier Elemente mit Strichen ver-bunden werden. Im Detail bedeutet dies folgendes:

Beispiel 1: Nachhilfe von erfolgreichen Mi-granten für Kinder mit Migrationshinter-grund

Wie im Rahmen von These 2 aufgezeigt wurde, haben es speziell Kinder aus Fami-lien mit Migrationshintergrund schwerer, einen Bildungs abschluss entsprechend ihres Potenzials zu erreichen. Um diese potenzielle Benachteiligung zu mildern, können ältere erfolgreiche Jugendliche mit Migrations-hintergrund den Kindern als Rollenmodell zur Seite stehen und sie dabei unterstützen, einen guten Bildungsabschluss zu erreichen. Dieses Programm würde dann die jüngeren Kinder befähigen – entgegen ihrer strukturel-len Benachteiligung – einen höheren Ab-schluss erreichen zu können.

Beispiel 2: Urban Gardening – Gemeinsames Gärtnern in der Stadt

Anhand von These 12 konnte man sehen, dass (derzeit) Wirtschaftswachstum mit höherem Ressourcenverbrauch gekop-pelt ist. Eine Mög lichkeit, diesem Ressour-cenverbrauch entgegen zu wirken, wäre z.B. durch eine höhere Selbstversorgung und den Anbau von Lebensmitteln zu er-reichen. Die kann entweder alleine oder in nachbarschaftlicher Gemeinschaft erfolgen. So könnte das Problem des Ressourcenver-brauchs abgemildert werden, in dem man anderen Bürgern Fläche zu Verfügung stellt, auf denen diese sich dann vermehrt selbst versorgen können.

Falls Sie die Studie dazu inspiriert hat, an der Lösung gesellschaftlicher Probleme in Deutschland mitzuwirken, dann stellen Sie sich am besten folgende Fragen:

• Welches Problem sehe ich?• Wen betrifft das Problem?• Möchte ich die Ursache oder die Aus-

wirkung des Problems angehen?• Wie soll die Innovation wirken?

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

6. Für zukünftige Sozialinnovatoren: Der Soziale Innovationen Generator

51Für zukünftige Sozialinnovatoren

Abbildung 8: Der Soziale Innovationen Generator

Schritt 1: Bedarfsfeld

Arbeit & BeschäftigungT1: LangzeitarbeitslosigkeitT13: Fachkräftemangel

BildungT2: Potenzial statt Herkunft

UmweltT12: Ressourcenverbrauch & Wirtschaftswachstum

GesundheitT10: ZivilisationskrankheitenT14: Gesundheitsversorgung

Beispiel 1: Nachhilfe von erfolgreichen Migranten für Kinder mit Migrationshintergrund

Beispiel 2: Urban Gardening – Gemeinsames Gärtnern in der Stadt

Einkommen und VermögenT9: Schere Arm und ReichT15: Prekäre Verhältnisse

Schritt 2: Zielgruppe

Auf eine spezielle marginalisierte Gruppe bezogen

Gesamtgesell-schaftlich; keine spezielle Gruppe im Blick

Schritt 3: Wirkungsrichtung

Problem präventiv verhindern

Problem abmildern

Mit Auswirkungen des Problems umgehen

Auswirkungen des Problems begrenzen

Problem lösen

Schritt 4: Wirkungsmechanismus

Jemanden befähigen sich selbst zu helfen

Jemandem Möglichkeiten schaffen

Verbindungen und Netzwerke schaffen

Jemanden versorgen

1

1

2

2

52 Experten

Prof. Dr. Christian Berg, SAP Deutschland, Global Head Sustainability für das Busi-ness Consulting / Honorarprofessor „Nach-haltigkeit und globaler Wandel” an der TU Clausthal

Dr. Stefan Bergheim, Zentrum für gesell-schaftlichen Fortschritt, Direktor

Bert Beyers, Journalist, Koautor der Bücher „Welt mit Zukunft“ und „Der Ecological Foot-print“

Prof. Dr. Inka Bormann, Philipps-Universität Marburg

Karl Brenke, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, Wissen-schaftlicher Referent

Prof. Dr. Georg Cremer, Deutscher Caritasver-band, Generalsekretär, Vorstand Sozial- und Fachpolitik

Dr. Daniel Dirks, Allianz SE, Leiter Allianz-4Good/Corporate Responsibility

Lorenz Erdmann, Fraunhofer Institut für Sys-tem- und Innovationsforschung ISI, Wissen-schaftler und Projektleiter

Prof. Dr. Günter Faltin, Leiter des Arbeitsbe-reichs Entrepreneurship an der Freien Uni-versität Berlin und Gründer der Teekampagne

Alexander Farenholtz, Kulturstiftung des Bundes, Verwaltungsdirektor und Vorstand

Michael Fischer, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bereich Arbeit-Betrieb-Politik und Dienstleis-tungen, Referent

Dr. Armin Frey, Entrepreneur im Bereich Er-neuerbare Energien

Thomas Friemel, enorm, Chefredakteur

Dr. Nora Gaupp, Deutsches Jugendinstitut e.V., Department „Transitions to Work“

Prof. Dr. Rupert Gerzer, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Leiter des In-stituts für Luft- und Raumfahrtmedizin

Carl-August Graf von Kospoth, Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG, Geschäfts-führender Vorstand

Stefan Haas, Pastoralreferent, Katholischer Seelsorger im Erzbistum Köln

Dr. Olaf Hahn, Robert Bosch Stiftung GmbH, Bereichsdirektor „Bildung, Gesellschaft und Kultur”

Prof. Dr. Andreas Heinecke, Dialogue Social Enterprise GmbH, Gründer und Geschäfts-führer / Inhaber des Danone Chair of Social Business an der EBS Business School

Dr. Beate Hentschel, Siemens Stiftung, Grundversorgung & Social Entrepreneurship

Bernd Hüttemann, Europäische Bewegung Deutschland, Generalsekretär

Regina Konle-Seidl, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Forschungsbe-reich Internationale Vergleiche und Euro-päische Integration

Roland Krüger, Generali Deutschland, Leiter des Generali Zukunftsfonds

Peter Kusterer, IBM Deutschland GmbH, Leiter Corporate Citizenship & Corporate Affairs

Andrea Meyer, Bundesministerium für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Referat „Grundsatzangelegenheiten des Klimaschutzes“

Dr. Georg Mildenberger, Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI), Leiter Forschung

Uwe Möller, Ehemaliges Mitglied des Club of Rome

PD Dr. André Munzinger, Universität Olden-burg, Coach für Forschungsorientierte Lehre und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Insti-tut für Evangelische Theologie

Dr. Thomas Osburg, Intel Corporation, Direc-tor Europe – Corporate Affairs

Frank Oschmiansky, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB), Abteilung „Arbeitsmarktpolitik und Beschäf-tigung“

Birgit Pfitzenmaier, Baden-Württemberg Stiftung gGmbH, Abteilungsleiterin Gesells-chaftlicher Wandel & Kultur, Soziale Verant-wortung

Armin Piálek, BMW Stiftung Herbert Quandt, Project Manager Social Innovation

Daniel Rahaus, PHINEO gAG, Strategie- & Or-ganisationsentwicklung

Burkhard Rappl, Bayerisches Staatsministe-rium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Ministerialdirigent

Dr. Saskia Richter, Stiftung Universität Hildesheim, Lehrkraft am Institut für Sozial-wissenschaften

Dr. Andreas Rickert, PHINEO gAG, Vorstands-vorsitzender

Dr. Peter Rösner, Stiftung Haus der kleinen Forscher, Vorstandsvorsitzender

Prof. Manuela Rousseau, Beiersdorf AG, Lei-terin Global Corporate Social Responsibility

Dr. Jana Rückert-John, Institut für Sozial-innovation e.V.

Holger Schwannecke, Zentralverband des Deutschen Handwerks, Generalsekretär

Dr. Felix Streiter, Stiftung Mercator, Stellver-tretender Leiter Kompetenzzentrum Wissen-schaft und Leiter Rechtsabteilung

Dr. Julika Weiß, Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung

Bruno Wenn, DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Sprecher der Geschäftsführung

Hans Wietert-Wehkamp, Institut für Soziale Innovation, Leiter

Dr. Indra Willms-Hoff, VolkswagenStiftung, Mitglied der Geschäftsleitung, Bereich „Förderung“

Prof. Dr. Frieder Otto Wolf, Humanistischer Verband Deutschland, Präsident / Freie Uni-versität Berlin

Lars Zimmermann, Stiftung neue Verantwor-tung, Sprecher des Vorstandes

7. Experten

53Literatur

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2010): Bildung in Deutschland 2010. Online zugänglich unter: http://www.bildungsbericht.de/daten2010/bb_2010.pdf

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland 2012. Online zugänglich unter: http://www.bildungsbericht.de/daten2012/wichtige_ergebnisse_presse2012.pdf

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Bundesministerium für Gesundheit (2008): Strategie der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesundheit. Online zugänglich unter: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/redaktion/pdf_misc/psychische-Gesundheit_01.pdf

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Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2012): Kyoto-Protokoll. Online zugänglich unter: http://www.bmu.de/themen/klima-energie/klimaschutz/internationale-klimapolitik/kyoto-protokoll/

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Bundeszentrale für politische Bildung (2010b): Deutschland: Fortsetzung der Debatte über Fachkräftemangel. Dossier Migration. Online zugänglich unter: http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56953/deutschland-fortsetzung-der-debatte-ueber-fachkraeftemangel

Dathe, Dietmar; Priller, Eckhard; Thürling, Marleen (2010): Mitgliedschaften und Engagement in Deutschland. In WZBrief Zivil-Engagement. Online zugänglich unter: http://bibliothek.wzb.eu/wzbrief-zivilengagement/WZBriefZivilengagement022010_dathe_priller_thuerling.pdf

Destatis; WZB (2008): Datenreport 2008. Online zugänglich unter: http://www.gesis.org/fileadmin/upload/forschung/publikationen/datenreport/2008/Datenreport2008-Gesamt.pdf

Destatis; WZB (2011): Datenreport 2011. Online zugänglich unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Datenreport/Downloads/Datenreport2011?__blob=publicationFile

Deutsche Post AG (2011): Glücksatlas Deutschland 2011

Deutsche Seniorenliga e.V. (2011): Familienpflegezeit – Eine Information für Beschäftigte. Online zugänglich unter: http://www.familien-pflege-zeit.de/fileadmin/familienpflegezeit/redaktion/publikationen/405_Familienpflegezeit_Beschaeft.pdf

Gordon, Theodore J. (2009): The Delphi Method. In The Millenium Project – Futures Research Methodology Version 3.0. Online zugänglich unter: http://millennium-project.org/FRMv3_0/04-Delphi.pdf

Gordon, Theodore; Pease, Adom (2006): RT Delphi: An efficient, “round-less” almost real time Delphi method. In Technological Forecasting & Social Change 73, S. 321–333.

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8. Literatur

54 Literatur

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Keuschnigg, Marc; Negele, Eva; Wolbring, Tobias (2010): Münchener Studie zur Lebenszufriedenheit. Arbeitspapier des Instituts für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München Nr. 4. Online zugänglich unter: http://www.ls4.soziologie.uni-muenchen.de/forschung/arbeitspapiere_lsbr/pdfs/papier_04_keusch_et_al.pdf

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Oschmiansky, Frank (2010b): Folgen der Arbeitslosigkeit. In Dossier Arbeitsmarktpolitik der Bundeszentrale für politische Bildung. Online zugänglich unter: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/54992/folgen-der-arbeitslosigkeit

Petrich, Dorothea (2011): Einsamkeit im Alter – Notwendigkeit und (ungenutzte) Möglichkeiten Sozialer Arbeit mit allein lebenden alten Menschen in unserer Gesellschaft. Jenaer Schriften zur Sozialwissenschaft Band Nr. 6. Online zugänglich unter: http://www.sw.fh-jena.de/dat/publikationen/Schriftenreihe_6_Einsamkeit_im_Alter.pdf

Phills, James A.; Deiglmeier, Kriss; Miller, Dale T. (2008): Rediscovering Social Innovation. In Stanford Social Innovation Review 6 (4), S. 34–43.

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Resch, Marianne (2003): Work-Life Balance – neue Wege der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben? Online zugänglich unter: http://piza.org/mediabig/2470A.pdf

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Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 2. Online zugänglich unter: http://www.statistikportal.de/statistik-portal/demografischer_wandel_heft2.pdf

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Umweltbundesamt (2012a): Daten zur Umwelt. Online zugänglich unter: http://www.umweltbundesamt-daten-zur-umwelt.de/umweltdaten/public/theme.do?nodeIdent=2850

Umweltbundesamt (2012b): Schwerpunkte 2012. Online zugänglich unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4213.pdf

van Suntum, Ulrich (2010): Zur Konstruktion eines Lebenszufriedenheitsindikators (“Glücks-BIP”) für Deutschland. SOEP paper 258. Online zugänglich unter: http://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.346192.de/diw_sp0258.pdf

WWF (2012): Living Planet Report – Biodiversity, biocapacity and better choices. Online zugänglich unter: http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF_LPR_2012.pdf

55World Vision Center

Das World Vision Center for Social Innovation wurde im Jahr 2010 gemeinsam von der EBS Universität und dem World Vision Deutschland e.V. gegründet. Die Vision des Centers ist es, durch Forschung und Praxisprojekte dazu beizutragen, dass unternehmerische Ressourcen von Profit- und Non-Profit-Organisationen für die Beantwortung gesellschaftlicher Fragen neu und nachhaltig eingesetzt werden können. Seit 2011 arbeitet das Center-Team im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zum Thema „Soziale Innovationen in Deutschland“.

Das World Vision Center for Social Innovation ist Teil des 2013 gegründeten Institute for Transformation in Business and Society. Das Institut beschäftigt sich mit der Rolle von (sozialen) Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei sind beide Richtungen wichtig: Wie können Organisationen und Entrepreneure mit Hilfe von sozialen und technischen Innovationen positive Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft bewirken? Und wie können Organisationen und Entrepreneure auf den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft reagieren?

www.ebs-init.de

Das Institut für Zukunftsforschung und Wissensmanagement (IFK) ist ein branchen- und themenübergreifender Think Tank im Bereich der Zukunftsforschung und strategischen Vorausschau. Die Qualitätssicherung durch wissenschaftliche Fundierung von Methoden wie beispiels-weise der Delphi-Expertenbefragung und der Szenario-Technik steht bei allen Untersuchungen im Vordergrund. Das IFK entwickelt zudem Zukunftsforschung für die strategische Unternehmenspraxis (Corporate Foresight) weiter.

Gemeinsam mit Unternehmenspartnern werden Industrie-, Markt- und Technologie-Szenarien für Strategie, Innovations- und Risikomanage-ment entworfen.

www.ebs.edu/ifk

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die an der Studie mitgewirkt haben. Ein großes Dankeschön geht an Dr. Heiko von der Gracht und Stefanie Mauksch vom Institut für Zukunftsforschung und Wissensmanagement, die uns bei der Durchführung der Delphi-Studie mit metho-dischem Know-how unterstützt haben und die sich immer Zeit genommen haben unsere Fragen zu beantworten. Ein herzlicher Dank geht zudem an Torsten Bollweg und Leonie Reuss, die uns im Rahmen ihrer Tätigkeit beim World Vision Institut für Forschung und Entwicklung mit Recherchen unterstützt haben. Vielen Dank auch an Eva Kesternich und Benedikt Alt, die uns, ebenfalls als Mitarbeiter des World Vision Instituts für Forschung und Entwicklung auf dem Vision Summit 2012 bei der Durchführung der Befragung geholfen haben. Ebenfalls bedanken möchten wir uns bei Kerstin Barthels für die Übernahme des Lektorats und bei Annette Viehoever für das Layouten der Studie. Und last but not least bedanken wir uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie, die sich die Zeit genommen haben die einzelnen Thesen zu bewerten und zu diskutieren.

World Vision Center for Social Innovation

Institute for Futures Studies and Knowledge Management (IFK)

Dank an Mitwirkende

Herausgeber

World Vision Center for Social Innovation

Institute for Transformation in Business and Society

EBS Universität für Wirtschaft und Recht

Rheingaustraße 1

65375 Oestrich-Winkel