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Der neue Vorstand handelte rasch und gab bereits am 15. Mai 1933 „Richtlinien“ hinsichtlich des Umgangs mit jüdischen Anwälten und Mandanten heraus. Jegliche Zusammenarbeit mit den nun auch aus den bestehenden Anwaltsvereinigungen ausgeschlossenen jüdischen Anwälten galt als standeswidrig. Die Vertretungsverbote der jüngeren Anwälte, keine Neuzulassungen zur Anwaltschaft und die zunehmende Emigration führte zu einer schnellen Überalterung der jüdischen Anwaltschaft. Als ihr im November 1938 end- gültig die Anwaltszulassung entzogen wurde, gab es im OLG-Bezirk Düsseldorf noch 41 jüdische Anwälte. © Dr. Susanne Mauss Durch das „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das gleichzeitig mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April 1933 erlassen worden war, wurde Anwälten, die nicht „arischer Abstammung“ waren, die Zulassung entzogen. Unter die Ausnahmeregelung fielen die „Altanwälte“, die vor 1914 zugelassen waren, „Frontkämpfer“ im Ersten Weltkrieg oder direkte Angehörige von im Ersten Weltkrieg Gefallenen. Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Düs- seldorf und der Düsseldorfer Anwalts- vereins zollten diesen immensen Verän- derungen durch Rücktritt ihrer Vorstän- de schnellstens Rechnung. Der Vorstand der RAK tat dies in vorauseilendem Gehorsam bereits am 25. März 1933 und kündigte Neuwahlen an. Der 22. April 1933 wurde jedoch vom Preußischen Justizministerium zentral für alle Kam- mern festgesetzt. Ziel der Berliner neuen Politik war die „Gleichschaltung“ der Anwaltskammern. In Düsseldorf erschienen zu dieser Kammerversammlung zwar nur etwa die Hälfte der „arischen“ Mitglieder, jedoch alle Würdenträger aus Justiz (Oberlandesgerichtspräsident, Generalstaatsanwalt, fast alle Landgerichts- präsidenten u.a.), Stadtverwaltung (Oberbürgermeister, Polizeipräsident u.a.) und Partei. Ferner hatten auch SA, SS und Stahlhelm Abordnungen in den mit Hakenkreuzfahnen und Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot geschmückten Ver- sammlungssaal geschickt, die den Raum umstellten. Die Wahl der neuen Vor- standsmitglieder war einstimmig NSDAP-dominiert: 13 Vorstandsmitglieder wurden abgewählt, die beiden jüdischen Mitglieder waren bereits vorher abgesetzt worden. Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Düsseldorf Joseph Adler 23. November 1895 Frankfurt/M. – 1995 (USA) Rechtsanwalt; Syndicus Dr. Benjamin Baer 21. Mai 1875 Düsseldorf – 5. Februar 1943 Auschwitz Rechtsanwalt LG Düsseldorf Leopold Behrendt 26. Februar 1886 Stühm – keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Bernhard Blumenreich 26. April 1898 Magdeburg – 13. Oktober 1933 Düs- seldorf (Suizid) Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Leopold Braunschweig 7. Dezember 1877 Feudingen – 28. Oktober 1941 Düs- seldorf (Suizid) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Hans Cappel 23. März 1908 Düren – (Israel) Rechtsanwalt Justizrat Stephan Cohen-Altmann 22. Oktober 1861 Haltern – 3. November 1942 Genf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Edgar Cohn 27. September 1905 Recklinghausen – 16. Juli 1943 Sobibor Rechtsanwalt Dr. Max Dannenbaum 11. Januar 1881 Lippstadt – 31. März 1942 Minsk Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dagobert David 1889 – 30. Mai 1934 Rheydt Rechtsanwalt LG Düsseldorf Erich Davids 21. Juni 1901 Fischeln/Krefeld – 8. Mai 1945 Izbica Rechtsanwalt LG Düsseldorf; LG Krefeld Ludwig Dorpalen 11. Dezember 1876 Liegnitz – (Großbritannien) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Rudolf Edler 17. August 1903 Düren – 22. Januar 1991 Malta Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Arthur Eichengrün 6. August 1890 Witten – 4. September 1939 Stuttgart (Suizid) Rechtsanwalt LG Düsseldorf, Justiziar Dr. Julius Ellenbogen 7. April 1878 Bruchsal – (Freiburg) Rechtsanwalt Dr. Friedrich Falk 2. Dezember 1907 Düsseldorf – 15. September 2003 Großbritannien Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Herbert Felsenthal 30. September 1902 Düsseldorf – 30. März 1945 Bergen- Belsen Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Ossip Kurt Flechtheim 5. März 1909 Nikolajew/RUSSL. – 4. März 1998 Klein- machnow Referendar Düsseldorf Dr. Kurt Frank 25. April 1888 Düsseldorf – 24. Februar 1945 Ausch- witz Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Marcel Frenkel (Marcellius Fraenkel) 24. Mai 1907 Berlin – 18. November 1960 Düsseldorf Referendar Düsseldorf Dr. Erich Gerson 31. Dezember 1888 Frankfurt/O. – (Großbritannien) Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Max Goldberg 1. April 1881 Arnsberg – 29. August 1958 (Düsseldorf) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Josef Gottlieb 3. Juni 1885 Neustadt – (Mülheim/Ruhr) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Leo Gottschalk 21. März 1888 Düsseldorf – (Niederlande) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Friedrich Grünberg keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Karl Heimann 12. November 1891 Duisburg – (Brasilien) Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Hans-Hermann Herz (John H. Herz) 23. September 1908 Düsseldorf – 26. Dezember 2005 Scarsdale/USA Referendar Düsseldorf Der Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 Z ur Zeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 besaß die Stadt Düsseldorf 498.600 Einwohner und war Sitz des Oberlandesgerichts (OLG) an der Cecilien- allee 3 in Düsseldorf-Pempelfort. Das OLG war damals wie heute zuständig für die Landge- richtsbezirke (LG) Düsseldorf, Duisburg, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal. Die jüdische Bevölkerung Düsseldorfs machte Anfang 1933 mit 5.053 Personen lediglich 1 % der städtischen Gesamtbevölkerung aus; 141 von 858 zugelassenen Rechtsanwälten (16,4 %) des OLG Bezirks wurden als „nichtarisch“ eingestuft. (Ein kleiner Prozentsatz, wenn man sich vor Augen führt, dass in Berlin die Hälfte der Anwälte jüdischer Herkunft war.) Die Ausgrenzung der jüdischen Bürger und hier speziell die Säuberung der Justiz begann mit dem groß angelegten „Judenboykott“ am 1. April 1933, bei dem auch in Düsseldorf jüdische Rechtsanwälte diskriminiert und terrorisiert wurden. Der Büroleiter des bekannten Anwalts Justizrat Stephan Cohen-Altmann schilderte die Vorgänge in der Kanzlei in der Königstraße nach 1945 so: „Bei dem Judenboykott am 1.4.1933 wurden die Büroräume des Herrn Justizrat Cohen-Altmann in der Königstrasse 4 mit den bekannten Hetzplakaten beklebt, die der Unterzeichnete mit Hilfe Büroangestellter wiederholt entfernte, sodaß sogar die Wache der SA vor dem Haus aufgestellt wurde. Die Maßnahme des Unterzeichneten brachten die SA und SS in Rage. Der Bürogehilfe Neppl und der Unterzeichnete machten daraufhin Bekanntschaft mit dem ,Heldenkeller‘ der SA im Getreidehaus in der Bismarckstrasse. (...) Herr Justizrat Cohen-Altmann blieb wochenlang dem Büro fern, da er ständig mit Telefonanrufen von PG‘s (Parteigenossen) belästigt wurde, die ihn mit dem Tode bedrohten.“ Schreiben der RAK Düsseldorf vom 15. Mai 1933 an die Kammermitglieder hinsichtlich des Verhaltens gegenüber „nichtarischen“ Kollegen RAK Düsseldorf Das Gebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf an der Cecilienallee in den 20er/30er Jahren Stadtarchiv Düsseldorf 036-123-002 Nationalsozialistische Hetze gegen die Anwälte Stern und Traumann in der „Volksparole“ vom 1. April 1933 Zerstörte Einrichtungsgegenstände nach der Pogromnacht im November 1938 in der Hüttenstrasse 81 MuG Düsseldorf Rechtsanwalt Heinz Motulski reiht sich am 6.4.1933 selbst in die Liste der jüdischen Anwälte ein LA NRW-Abt.Rhl.-Ger.Rep.86 Nr.158 Bl.5 Wolfgang Heymann keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Hirsch keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Erich Horn 8. Mai 1905 Düsseldorf – (Israel) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Gerhard (Gerald) Jonas 27. Mai 1909 München-Gladbach – (USA) Referendar Düsseldorf Joseph Jonas 21. Dezember 1876 Borken – (Großbritannien) Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Siegfried Kann 10. Oktober 1882 – 21. Mai 1936 Düsseldorf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Rudolf Kaufmann 9. Februar 1902 Gelsenkirchen – keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Friedrich Kramer 22. Mai 1890 Greiz – 28. September 1963 Paso Robles/ USA Rechtsanwalt LG Düsseldorf Ernst Landau 9. August 1903 Berlin – (Mexiko) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Leo Levy (Levy-Ries) 29. Dezember 1871 Osnabrück – (Großbritannien) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Richard Levy 12. September 1902 Frankfurt/M. – keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Käthe Levy-Fränkel 6. Februar 1902 Düsseldorf – keine Angaben Rechtsanwältin LG Düsseldorf Julius Lewinsohn 11. Dezember 1873 Graudenz – 1944 London Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Leonhard Leyser 5. September 1879 Görlitz – (Stockholm) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Isaak Emil Lichtigfeld 4. Januar 1894 Bursztyn/Kr.Lemberg – 24. Dezember 1967 Frankfurt/M. Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Leo Lichtigfeld 20. Juni 1889 Bursztyn/Kr.Lemberg – 29. Juli 1942 Lodz Rechtsanwalt LG Düsseldorf Herbert Liebermann keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Georg Lindemeyer 5. August 1887 Elberfeld – (1943) Minsk Rechtsanwalt G Düsseldorf Ludwig Loeb (Lobe) 10. Januar 1909 Warburg – (USA) Referendar Düsseldorf Siegfried Löb 23. Oktober 1886 Scherfede – 14. November 1957 USA Rechtsanwalt LG Düsseldorf Paul Löwe 1883/1884 – 7. März 1937 Düsseldorf (Suizid) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Fritz Löwenstein 11. Dezember 1901 – keine Angaben Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Kurt Löwenstein 10. Juni 1904 Elberfeld – 30. November 1943 Dorohusk Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Ludwig Löwenstein 11. März 1903 Grevenbroich – 1990er Jahre Israel Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Ludwig Löwenwarter keine Angaben Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Viktor Loewenwarter 4. Mai 1887 Köln – 8. Februar 1973 Chile Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Fritz Marcus 19. Februar 1889 Münster – 2. Juli 1940 auf dem Weg nach Kanada Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Siegfried Marcus 16. September 1891 Rees – (Peru) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Otto Markus 8. Oktober 1889 Krefeld – (USA) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Erich Massmann keine Angaben Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Fritz Mayer 9. März 1904 Duisburg – 25. Februar 1945 Auschwitz Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Max Mendel 18. September 1886 Borken – 1940/1941 Lyon Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Richard Mendel keine Angaben – (vor 1950 Großbritannien) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Berthold Mosheim 25. Mai 1904 Adorf/Waldeck – 15. September 1964 London Rechtsanwalt LG Düsseldorf Heinz Motulski keine Angaben Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Dr. Josef Neuberger 11. Oktober 1902 Antwerpen – 12. Januar 1977 Düsseldorf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Rudolf Oestreich keine Angaben – (Suizid) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Arthur Oppenheimer (Arthur Opton) 4. Oktober 1875 München-Gladbach – 3. November 1941 New York Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Gerd Franz Oppenheimer (Frank Opton) 25. Februar 1906 Düsseldorf – 20. Juni 1989 Meadow Lakes/USA Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Margarethe Oppenheimer keine Angaben Rechtsanwältin LG Düsseldorf Dr. Siegfried Orzegow 30. Oktober 1881 Düsseldorf – nach 1941 Riga Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Bernhard Pagener 23. Juli 1876 Espe – 8. November 1940 Düsseldorf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Karl-Heinz Pfeffer 27. Januar 1906 Düsseldorf – 28. Februar 1945 Ausch- witz Rechtsanwalt LG Düssedorf Richard Selo 23. Juli 1896 Düsseldorf – 9. September 1947 Forest Hills/USA Rechtsanwalt; Syndicus Dr. Emil Simon 1. Februar 1881 Werden – 14. April 1973 Los Angeles Rechtsanwalt LG Düsseldorf Sally Willy Simon 1. November 1879 Havixbeck – 18. Februar 1938 Düs- seldorf Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Hugo Simons 25. November 1892 Neuss – (Kanada) Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Karl Stern 29. September 1881 Oberhausen – 6. August 1937 Utrecht Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Friedrich Traumann 7. Mai 1877 Posen – keine Angaben Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Dr. Philipp Vohssen 4. September 1889 Hochneukirch – 17. Juli 1942 Lodz (Suizid) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Hans Wedell 19. Juni 1881 Düsseldorf – 1. April 1964 Düsseldorf Rechtsanwalt OLG Düsseldorf Hans Wetzler 27. Juni 1909 Düsseldorf – (Großbritannien) Referendar Düsseldorf Dr. Dagobert Weyl 1. Juni 1879 Haltern – 5. September 1942 Düsseldorf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Emil Weyl keine Angaben – (Palästina) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Julius Winter 1887 Gelsenkirchen – (USA) Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Arthur Wolff 29. April 1888 Köln – 8. April 1962 Düsseldorf Rechtsanwalt LG Düsseldorf Dr. Jakob Zuckermann 18. April 1908 Düsseldorf – 10. Januar 1993 (Frank- reich) Referendar Düsseldorf Adolf Hitler spricht am 8.4.1932 auf den Düsseldorfer Rheinwiesen Stadtarchiv Düsseldorf 106-100-028 D1

Der Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf in der Zeit des … · 2014. 4. 30. · Dr. Ossip Kurt Flechtheim 5. März 1909 Nikolajew/RUSSL. – 4. März 1998 Klein-machnow Referendar

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Der neue Vorstand handelte rasch und gab bereits am 15. Mai 1933 „Richtlinien“ hinsichtlich des

Umgangs mit jüdischen Anwälten und Mandanten heraus. Jegliche Zusammenarbeit mit den nun

auch aus den bestehenden Anwaltsvereinigungen ausgeschlossenen jüdischen Anwälten galt als

standeswidrig.

Die Vertretungsverbote der jüngeren Anwälte, keine Neuzulassungen zur Anwaltschaft und die

zunehmende Emigration führte zu einer schnellen Überalterung der jüdischen Anwaltschaft. Als

ihr im November 1938 end-

gültig die Anwaltszulassung

entzogen wurde, gab es im

OLG-Bezirk Düsseldorf noch

41 jüdische Anwälte.

© Dr. Susanne Mauss

Durch das „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das gleichzeitig mit dem

„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April 1933 erlassen worden war,

wurde Anwälten, die nicht „arischer Abstammung“ waren, die Zulassung entzogen. Unter die

Ausnahmeregelung fielen die „Altanwälte“, die vor 1914 zugelassen waren, „Frontkämpfer“ im

Ersten Weltkrieg oder direkte Angehörige von im Ersten Weltkrieg Gefallenen.

Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Düs-

seldorf und der Düsseldorfer Anwalts-

vereins zollten diesen immensen Verän-

derungen durch Rücktritt ihrer Vorstän-

de schnellstens Rechnung. Der Vorstand

der RAK tat dies in vorauseilendem

Gehorsam bereits am 25. März 1933 und

kündigte Neuwahlen an. Der 22. April

1933 wurde jedoch vom Preußischen

Justizministerium zentral für alle Kam-

mern festgesetzt. Ziel der Berliner neuen Politik war die „Gleichschaltung“ der

Anwaltskammern.

In Düsseldorf erschienen zu dieser Kammerversammlung zwar nur etwa

die Hälfte der „arischen“ Mitglieder, jedoch alle Würdenträger aus Justiz

(Oberlandesgerichtspräsident, Generalstaatsanwalt, fast alle Landgerichts-

präsidenten u.a.), Stadtverwaltung (Oberbürgermeister, Polizeipräsident u.a.)

und Partei. Ferner hatten auch SA, SS und Stahlhelm Abordnungen in den

mit Hakenkreuzfahnen und Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot geschmückten Ver-

sammlungssaal geschickt, die den Raum umstellten. Die Wahl der neuen Vor-

standsmitglieder war einstimmig NSDAP-dominiert: 13 Vorstandsmitglieder

wurden abgewählt, die beiden jüdischen Mitglieder waren bereits vorher

abgesetzt worden.

Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Düsseldorf

Joseph Adler23. November 1895 Frankfurt/M. – 1995 (USA)

Rechtsanwalt; Syndicus

Dr. Benjamin Baer21. Mai 1875 Düsseldorf – 5. Februar 1943 Auschwitz

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Leopold Behrendt26. Februar 1886 Stühm – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Bernhard Blumenreich26. April 1898 Magdeburg – 13. Oktober 1933 Düs-

seldorf (Suizid)

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Leopold Braunschweig7. Dezember 1877 Feudingen – 28. Oktober 1941 Düs-

seldorf (Suizid)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Hans Cappel23. März 1908 Düren – (Israel)

Rechtsanwalt

Justizrat Stephan Cohen-Altmann22. Oktober 1861 Haltern – 3. November 1942 Genf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Edgar Cohn27. September 1905 Recklinghausen – 16. Juli 1943

Sobibor

Rechtsanwalt

Dr. Max Dannenbaum11. Januar 1881 Lippstadt – 31. März 1942 Minsk

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dagobert David1889 – 30. Mai 1934 Rheydt

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Erich Davids21. Juni 1901 Fischeln/Krefeld – 8. Mai 1945 Izbica

Rechtsanwalt LG Düsseldorf; LG Krefeld

Ludwig Dorpalen11. Dezember 1876 Liegnitz – (Großbritannien)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Rudolf Edler17. August 1903 Düren – 22. Januar 1991 Malta

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Arthur Eichengrün6. August 1890 Witten – 4. September 1939 Stuttgart

(Suizid)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf, Justiziar

Dr. Julius Ellenbogen7. April 1878 Bruchsal – (Freiburg)

Rechtsanwalt

Dr. Friedrich Falk2. Dezember 1907 Düsseldorf – 15. September 2003

Großbritannien

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Herbert Felsenthal30. September 1902 Düsseldorf – 30. März 1945 Bergen-

Belsen

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Ossip Kurt Flechtheim5. März 1909 Nikolajew/RUSSL. – 4. März 1998 Klein-

machnow

Referendar Düsseldorf

Dr. Kurt Frank25. April 1888 Düsseldorf – 24. Februar 1945 Ausch-

witz

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Marcel Frenkel (Marcellius Fraenkel)24. Mai 1907 Berlin – 18. November 1960 Düsseldorf

Referendar Düsseldorf

Dr. Erich Gerson31. Dezember 1888 Frankfurt/O. – (Großbritannien)

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Max Goldberg1. April 1881 Arnsberg – 29. August 1958 (Düsseldorf)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Josef Gottlieb3. Juni 1885 Neustadt – (Mülheim/Ruhr)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Leo Gottschalk21. März 1888 Düsseldorf – (Niederlande)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Friedrich Grünbergkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Karl Heimann12. November 1891 Duisburg – (Brasilien)

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Hans-Hermann Herz (John H. Herz)23. September 1908 Düsseldorf – 26. Dezember 2005

Scarsdale/USA

Referendar Düsseldorf

Der Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945

Zur Zeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 besaß die Stadt

Düsseldorf 498.600 Einwohner und war Sitz des Oberlandesgerichts (OLG) an der Cecilien-

allee 3 in Düsseldorf-Pempelfort. Das OLG war damals wie heute zuständig für die Landge-

richtsbezirke (LG) Düsseldorf, Duisburg, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal.

Die jüdische Bevölkerung Düsseldorfs machte Anfang 1933 mit 5.053 Personen lediglich 1 % der

städtischen Gesamtbevölkerung aus; 141 von 858 zugelassenen Rechtsanwälten (16,4 %) des OLG

Bezirks wurden als „nichtarisch“ eingestuft. (Ein kleiner Prozentsatz, wenn man sich vor Augen

führt, dass in Berlin die Hälfte der Anwälte jüdischer Herkunft war.) Die Ausgrenzung der jüdischen

Bürger und hier speziell die Säuberung der Justiz begann mit dem groß angelegten „Judenboykott“

am 1. April 1933, bei dem auch in Düsseldorf jüdische Rechtsanwälte diskriminiert und terrorisiert

wurden.

Der Büroleiter des bekannten Anwalts Justizrat Stephan Cohen-Altmann schilderte die Vorgänge

in der Kanzlei in der Königstraße nach 1945 so: „Bei dem Judenboykott am 1.4.1933 wurden die Büroräume des Herrn Justizrat

Cohen-Altmann in der Königstrasse 4 mit den bekannten Hetzplakaten beklebt, die der Unterzeichnete mit Hilfe Büroangestellter

wiederholt entfernte, sodaß sogar die Wache der SA vor dem Haus aufgestellt wurde. Die Maßnahme des Unterzeichneten brachten

die SA und SS in Rage. Der Bürogehilfe Neppl und der Unterzeichnete machten daraufhin Bekanntschaft mit dem ,Heldenkeller‘ der

SA im Getreidehaus in der Bismarckstrasse. (...) Herr Justizrat Cohen-Altmann blieb wochenlang dem Büro fern, da er ständig mit

Telefonanrufen von PG‘s (Parteigenossen) belästigt wurde, die ihn mit dem Tode bedrohten.“

Schreiben der RAK Düsseldorf vom 15. Mai 1933 an die Kammermitglieder hinsichtlich des Verhaltens gegenüber „nichtarischen“ Kollegen

RAK

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Das Gebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf an der Cecilienallee in den 20er/30er Jahren

Stad

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Nationalsozialistische Hetze gegen die Anwälte Stern und Traumann in der „Volksparole“ vom 1. April 1933

Zerstörte Einrichtungsgegenstände nach der Pogromnacht im November 1938 in der Hüttenstrasse 81

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Rechtsanwalt Heinz Motulski reiht sich am 6.4.1933 selbst in die Liste der jüdischen Anwälte ein

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Nr.1

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Wolfgang Heymannkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Hirschkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Erich Horn8. Mai 1905 Düsseldorf – (Israel)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Gerhard (Gerald) Jonas27. Mai 1909 München-Gladbach – (USA)

Referendar Düsseldorf

Joseph Jonas21. Dezember 1876 Borken – (Großbritannien)

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Siegfried Kann10. Oktober 1882 – 21. Mai 1936 Düsseldorf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Rudolf Kaufmann9. Februar 1902 Gelsenkirchen – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Friedrich Kramer22. Mai 1890 Greiz – 28. September 1963 Paso Robles/

USA

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Ernst Landau9. August 1903 Berlin – (Mexiko)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Leo Levy (Levy-Ries)29. Dezember 1871 Osnabrück – (Großbritannien)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Richard Levy12. September 1902 Frankfurt/M. – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Käthe Levy-Fränkel6. Februar 1902 Düsseldorf – keine Angaben

Rechtsanwältin LG Düsseldorf

Julius Lewinsohn11. Dezember 1873 Graudenz – 1944 London

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Leonhard Leyser5. September 1879 Görlitz – (Stockholm)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Isaak Emil Lichtigfeld4. Januar 1894 Bursztyn/Kr.Lemberg – 24. Dezember

1967 Frankfurt/M.

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Leo Lichtigfeld20. Juni 1889 Bursztyn/Kr.Lemberg – 29. Juli 1942 Lodz

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Herbert Liebermannkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Georg Lindemeyer5. August 1887 Elberfeld – (1943) Minsk

Rechtsanwalt G Düsseldorf

Ludwig Loeb (Lobe)10. Januar 1909 Warburg – (USA)

Referendar Düsseldorf

Siegfried Löb23. Oktober 1886 Scherfede – 14. November 1957 USA

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Paul Löwe1883/1884 – 7. März 1937 Düsseldorf (Suizid)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Fritz Löwenstein11. Dezember 1901 – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Kurt Löwenstein10. Juni 1904 Elberfeld – 30. November 1943 Dorohusk

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Ludwig Löwenstein11. März 1903 Grevenbroich – 1990er Jahre Israel

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Ludwig Löwenwarterkeine Angaben

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Viktor Loewenwarter4. Mai 1887 Köln – 8. Februar 1973 Chile

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Fritz Marcus19. Februar 1889 Münster – 2. Juli 1940 auf dem Weg

nach Kanada

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Siegfried Marcus16. September 1891 Rees – (Peru)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Otto Markus8. Oktober 1889 Krefeld – (USA)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Erich Massmannkeine Angaben

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Fritz Mayer9. März 1904 Duisburg – 25. Februar 1945 Auschwitz

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Max Mendel18. September 1886 Borken – 1940/1941 Lyon

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Richard Mendelkeine Angaben – (vor 1950 Großbritannien)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Berthold Mosheim25. Mai 1904 Adorf/Waldeck – 15. September 1964

London

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Heinz Motulskikeine Angaben

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Dr. Josef Neuberger11. Oktober 1902 Antwerpen – 12. Januar 1977 Düsseldorf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Rudolf Oestreichkeine Angaben – (Suizid)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Arthur Oppenheimer (Arthur Opton)4. Oktober 1875 München-Gladbach – 3. November

1941 New York

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Gerd Franz Oppenheimer (Frank Opton)25. Februar 1906 Düsseldorf – 20. Juni 1989 Meadow

Lakes/USA

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Margarethe Oppenheimerkeine Angaben

Rechtsanwältin LG Düsseldorf

Dr. Siegfried Orzegow30. Oktober 1881 Düsseldorf – nach 1941 Riga

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Bernhard Pagener23. Juli 1876 Espe – 8. November 1940 Düsseldorf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Karl-Heinz Pfeffer27. Januar 1906 Düsseldorf – 28. Februar 1945 Ausch-

witz

Rechtsanwalt LG Düssedorf

Richard Selo23. Juli 1896 Düsseldorf – 9. September 1947 Forest

Hills/USA

Rechtsanwalt; Syndicus

Dr. Emil Simon1. Februar 1881 Werden – 14. April 1973 Los Angeles

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Sally Willy Simon1. November 1879 Havixbeck – 18. Februar 1938 Düs-

seldorf

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Hugo Simons25. November 1892 Neuss – (Kanada)

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Karl Stern29. September 1881 Oberhausen – 6. August 1937

Utrecht

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Friedrich Traumann7. Mai 1877 Posen – keine Angaben

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Dr. Philipp Vohssen4. September 1889 Hochneukirch – 17. Juli 1942 Lodz

(Suizid)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Hans Wedell19. Juni 1881 Düsseldorf – 1. April 1964 Düsseldorf

Rechtsanwalt OLG Düsseldorf

Hans Wetzler27. Juni 1909 Düsseldorf – (Großbritannien)

Referendar Düsseldorf

Dr. Dagobert Weyl1. Juni 1879 Haltern – 5. September 1942 Düsseldorf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Emil Weylkeine Angaben – (Palästina)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Julius Winter1887 Gelsenkirchen – (USA)

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Arthur Wolff29. April 1888 Köln – 8. April 1962 Düsseldorf

Rechtsanwalt LG Düsseldorf

Dr. Jakob Zuckermann18. April 1908 Düsseldorf – 10. Januar 1993 (Frank-

reich)

Referendar Düsseldorf

Adolf Hitler spricht am 8.4.1932 auf den Düsseldorfer Rheinwiesen

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Düsseldorf - Holland - Bergen-Belsen

Herbert Felsenthal

Herbert Felsenthal wuchs behütet in Düsseldorf auf und besuchte vor Ort das

Hohenzollern-Gymnasium auf der Königsallee (heute Görres-Gymnasium). Sein

Vater, Kaufmann Erich Felsenthal, war von 1922 bis 1939 Vorsitzender der

Jüdischen Gemeinde.

Sohn Herbert engagierte sich über Jahre im Vorstand des Düsseldorfer Jüdischen Jugend-

vereins. 1930 war der Sprechchor des Jugendvereins unter Felsenthals Leitung mit einer

Aufführung des Stückes „Jeremias“ von Stefan Zweig besonders hervorgetreten.

Herbert Felsenthal studierte in Heidelberg, München

und Berlin Jura. Von 1932 bis zum 8. Mai 1933 war er

am Landgericht Düsseldorf als Anwalt zugelassen. 1932

heiratete er Margarethe (Gretel) Sophie Haymann aus

Bad Kreuznach.

Unmittelbar nach der Machtübernahme emigrierte Herbert Felsenthal am 5. März 1933

in die Niederlande. Seine Frau folgte ihm nach Den Haag, wo im April 1933 Sohn Stefan

geboren wurde. Die Familie Felsenthal zog nach Brüssel in Belgien, um 1938 nach der

Geburt des zweiten Sohnes René (28. Juli 1938) wieder nach Den Haag zurückzukehren. In

Folge des Novemberpogroms 1938 flüchteten auch die Eltern Herbert Felsenthals, Erich und

Antonie Felsenthal, am 21. Februar 1939 nach Den Haag. Erich Felsenthal war vom 10. bis

22. November 1938 im Düsseldorfer Polizeigefängnis inhaftiert gewesen.

Nach dem Überfall Hitlers auf die Niederlande im Mai 1940 geriet die Familie Felsenthal

erneut in den Machtbereich der Nazis. Als alle deutschen Juden im Oktober 1940 die holländische Küstenzone verlassen

mussten, zog die Familie nach Arnheim,

1941 nach Amsterdam. Dort wurde sie

im Zuge der großen Razzien am 21. Juni

1943 verhaftet und in das von den Nazis

in den Niederlanden errichtete Durch-

gangslager Westerbork verbracht. Die

Eltern Felsenthal wurden drei Monate

später in das Vernichtungslager Ausch-

witz deportiert und ermordet.

Herbert, Margarethe, Stefan und René

Felsenthal wurden am 2. Februar 1944 in

das Konzentrationslager Bergen-Belsen

deportiert, wo Herbert Felsenthal zwei

Wochen vor der Befreiung des Lagers

1945 an Typhus starb. Seine Frau und

Söhne überlebten und zogen in die Nie-

derlande zurück.

© Dr. Susanne Mauss

30. September 1902 Düsseldorf – 30. März 1945 Bergen-Belsen

Transport von Juden aus Amsterdam nach Westerbork 1943-1945

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Hochzeit von Herbert und Margarethe Felsenthal 1932

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Herbert Felsenthals Todesanzeige im Sommer 1945

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Herbert Felsenthal

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D3

Christ jüdischer Herkunft

Dr. Georg Lindemeyer

Georg Lindemeyer wuchs als Sohn des Kaufmanns Moritz Lindemeyer und seiner Frau

Mathilde in Wuppertal auf. Nach dem frühen Tod des Vaters 1892 wurde Georg

Lindemeyer nach der Wiederverheiratung der Mutter mit dem protestantischen

Geschäftspartner des Vaters, Georg Hobbie, getauft.

Nach dem Abitur auf dem Huma-

nistischen Gymnasium Wuppertal

studierte er in Bonn und Heidel-

berg Jura. 1915 heiratete er die

Tochter eines bekannten Berliner

Anwalts, Frieda Lewinsky, die sich

ebenfalls 1916 taufen ließ. Das

Ehepaar Lindemeyer lebte in der

Salierstr. 4 in Düsseldorf-Ober-

kassel und gehörte zur Gemeinde

der Auferstehungskirche an der Arnulfstraße. Ihre drei Kin-

der Eva-Maria (*1917), Edith (*1921) und Wolfgang (*1922)

wurden hier getauft.

Georg Lindemeyer war seit dem 12. Januar 1915 am Amts-

und Landgericht Düsseldorf als Anwalt mit Kanzlei in der

Bismarckstr. 39 zugelassen. Mit der Machtergreifung der

Nationalsozialisten im Januar 1933 waren aus den Christen

jüdischer Herkunft plötzlich „Nichtarier“ geworden – Georg Lindemeyer wurde im April 1933 mit dem Vertretungs-

verbot belegt. Der zuständige Präsident des Landes- bzw. Oberlandesgerichts wollte bei Lindemeyer hinsichtlich der

Wiederzulassung jüdischer Rechtsanwälte eine Ausnahme erwirken.

„Nach Auskunft der von mir gehörten Richter national gesinnt, immer anständig und gewissenhaft in der Berufs-

ausübung. Der Anwaltschaft, die derselben Auffassung ist, ist er angenehm, weshalb sie seine Wiederzulassung

befürwortet. Auch mir ist der Gesuchsteller als durchaus anständig bekannt, sodass ich mich der Stellungnahme der

Anwaltschaft anschliesse.“

Das Preußische Justizministerium in Berlin verneinte jedoch das Gesuch. Georg Lindemeyer wurde am 5. Juli 1933 aus

der Anwaltsliste gelöscht.

Den Lebensunterhalt der Familie konnte Georg Lindemeyer vorerst mit Nachhilfestunden in Fremdsprachen, Geschichte

und Philosophie und der juristischen Vertretung einer Düsseldorfer Kohlefirma bis Mitte der 30er Jahre erwirtschaf-

ten. Ab 1935 mussten Frieda Lindemeyer und die Kinder mithelfen, indem sie Waren kauften und verkauften und

Büroarbeiten annahmen. 1937 schickten die Eltern Edith und Wolfgang zum Schulbesuch nach England, Eva-Maria

folgte nach dem Novemberpogrom 1938. (Die ergreifenden Briefe zwischen Eltern und Kindern sind in Buchform

veröffentlicht worden.)

Die Auswanderungsversuche der Eltern scheiterten. Georg und Frieda Lindemeyer mussten in ein „Judenhaus“ in der

Yorckstr. 42 ziehen und ab September 1941 den Judenstern tragen. Georg Lindemeyer hat wohl auf einem Friedhof

Zwangsarbeit leisten müssen.

Am 10. November 1941 wurde

das Ehepaar Lindemeyer nach

Minsk deportiert.

© Dr. Susanne Mauss

5. August 1887 Wuppertal-Elberfeld – (1943) Minsk (8. Mai 1945)

Stolperstein für Georg und Frieda Lindemeyer an der Salierstr. 4 in Düsseldorf-Oberkassel

„Wir vertrauen fest auf Gott und hoffen, dass er uns wie bisher an sei-ner Hand führt und dass er auch uns

alle fünf wieder zusammenführt.“ Georg Lindemeyer an seine drei Kinder

am Abend vor seiner Deportation

Dr. Georg und Frieda Lindemeyer mit den Kindern Eva-Maria, Edith und Wolfgang

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D4

Materieller Verlust durch Arisierung und Raub – die Familie war gerettet

Dr. Otto Markus

Otto Markus war 1933 als Rechtsanwalt am Amts- und Landge-

richt Düsseldorf zugelassen. Er stand im April 1933, trotz der

Auszeichnung mit dem EK I im I. Weltkrieg, auf der Liste der

Anwälte, die mit einem Vertretungsverbot belegt wurden.

Otto Markus war mit Hildegard (Hilde) Leonie, geborene Freundlich,

verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder, Else Anneliese (*1921) und

Hansheinz Bernd (*1927). Hilde Markus war die Tochter von Abraham

Freundlich, der im Jahre 1888 eine Firma in Düsseldorf-Bilk gegründet

hatte und durch eigene Erfindungen und Patente zu einem der führen-

den Kühlanlagen-Hersteller Deutschlands wurde.

Otto Markus war bis zur Arisierung 1936 persönlich haftender Gesell-

schafter dieser Maschinenfabrik A. Freundlich KG mit Sitz in der Suit-

bertusstr. 137/139. Ebenso bekleidete er bis zur Arisierung 1938 den

Direktorenposten der Gesellschaft „Freundlichs Kaltlagerhäuser“ in der

Suitbertusstr. 127/129.

Die Familie Markus wohnte in der Cheruskerstr. 44 in Düsseldorf-Oberkassel. In der Nacht des Novemberpogroms 1938 wurde die

Wohnung vollständig verwüstet, sogar teilweise zerstört. Sohn Hansheinz erinnerte sich Ende der 90er Jahre: „Es war etwa gegen

3 Uhr morgens, als ich durch einen fürchterlichen Krawall aufwachte. (...), der nichts Besseres zu tun hatte, als die Anzüge meines

Vaters an den Ärmeln und Nähten zu trennen und sie mit Rasierseife zu beschmieren. (...) Sie haben uns nichts getan, aber die

Wohnung war völlig verwüstet. Meine Eltern hatten viele Bekannte im Malerkreis. Hans Kohlschein, Rübsam und andere, und viele

Bilder wurden mit Degen zerschnitten, Büsten wurden auf die Straße geschmissen, ein Bild von einer Karfreitagsprozession in Sor-

rent wurde in Stücke geschnitten und ebenso auf die Straße geschmissen. Unsere Wohnung sah fürchterlich danach aus.“

(Der beteiligte SA-Mann Karlheinz Libbertz wurde im Mai 1950 nach Erstattung von Strafanzeige durch Otto Markus für diese Tat

wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.)

Otto Markus entging in dieser Nacht einer Verhaftung durch Flucht zu Freunden nach Bonn, wo er zehn Tage im Versteck auf dem

Speicher verbrachte.

Nach dieser Erfahrung emigrierte das Ehepaar Markus einige Tage vor Ausbruch des II. Weltkrieges, am 28. August 1939, nach Lon-

don. Die beiden Kinder hatten Deutschland bereits im

März 1939 verlassen.

Nachdem Reichsfluchtsteuer, Judenabgabe und Auswan-

derungsabgabe entrichtet und Gold, Silber und Schmuck

beim Städtischen Leihamt abgegeben worden waren,

musste die Familie Markus ihre gesamte Wohnungsein-

richtung in so genannte Liftvans (Überseekisten) zum

Transfer ins Ausland packen. Durch die Kriegswirren

sollten sie nie ankommen...

Die Spur dieser Liftvans konnte im späteren Rückerstat-

tungsverfahren bis in den Hafen von Antwerpen zurück-

verfolgt werden, von wo sie Ende 1942 zurück ins Deut-

sche Reich nach Neuwied gelangten. Wahrscheinlich

wurde das Umzugsgut von der Oberfinanzdirektion Köln

versteigert bzw. an Bombengeschädigte und Flüchtlinge

veräußert.

Von 1950 bis zu ihrem Verkauf 1955 übernahmen

Dr. Otto Markus und sein Schwager Erich Freundlich

nochmals die Firma A. Freundlich in Düsseldorf.

© Dr. Susanne Mauss

8. Oktober 1889 Krefeld – 25. Oktober 1965 Düsseldorf

Familie Abraham Freundlich mit Dr. Otto Markus und Frau Hilde und Tochter ganz links im Bild

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D5

Josef Neuberger, Sohn des aus

Krakau nach Antwerpen über-

gesiedelten Apothekers Juda

Leib Neuberger und seiner Frau Sara

Feigel, war mit seinen Eltern und

zwei Geschwistern nach dem Aus-

bruch des I. Weltkrieges nach Düs-

seldorf gezogen. Hier besuchte er

das Prinz-Georg-Gymnasium (heute

Max-Planck-Gymnasium), um dann

von 1922 bis 1929 in Köln Jura und

Nationalökonomie zu studieren. Das

Doppelstudium schloss er mit dop-

pelter Promotion ab.

Bereits als Gymnasiast von 18 Jahren war Neuberger als

Bewunderer Ferdinand Lassalle‘s der SPD beigetreten. Auch

der zionistisch-sozialdemokratischen Arbeiterorganisation „Poale Zion“ und dem zionistischen Jugendbund „Blau-Weiß“

schloß sich Neuberger Ende der 20er Jahre in Düsseldorf an.

Nachdem Neuberger bereits als Referendar bei Dr. Arthur Wolff Erfahrungen

gesammelt hatte, wurde er am 30. August 1932 am Amts- und Landgericht

Düsseldorf als Anwalt zugelassen und richtete seine Kanzlei in der Schadowstr.

37 ein. Schnell avancierte Neuberger zum „Hausanwalt“ der Düsseldorfer

SPD, der Düsseldorfer „Volkszeitung“ etc., aber auch „bürgerliche“ Mandanten

suchten seinen Rat. Seine anwaltliche Karriere wurde mit dem Vertretungsver-

bot vom 5. Mai 1933 beendet. Daraufhin gründete Neuberger gemeinsam mit

Dr. Max Mendel im Juni 1933 ein „Treuhänderbüro für Auswanderungsange-

legenheiten“.

Seinen politischen Zielen blieb er ebenso treu: als „Devisenberater“ mit Reisetätigkeit

übernahm Neuberger Kurierdienste für die inzwischen verbotene SPD und auch die Zio-

nistische Ortsgruppe Düsseldorf, deren Mitgliederzahl sich bis Ende 1934 vervierfachte,

forderte sein Engagement. Hier lernte er seine Frau Ilse kennen, die er am 16. April 1935

heiratete. 1936 wurde er zum Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen

Gemeinde Düsseldorf gewählt.

Nachdem das Haus in der Prinz-Georg-Str. 32 „judenrein“ gemacht werden sollte, zogen

Neubergers in die Brehmstr. 67, wo am 19.9.1937 Sohn Michael geboren wurde. Hier

erlebte die junge Familie am 10. November 1938 die Pogromnacht, in der Josef Neuber-

ger von SA-Leuten zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde. Durch die Courage

eines Düsseldorfer Arztes überlebte Neuberger und emigrierte mit Frau und Sohn im

Dezember 1938 über die Niederlande nach Palästina. Josef Neuberger studierte in Tel

Aviv erneut Jura auf Englisch und Hebräisch mit dem Abschluß Ende 1943. Nach meh-

reren Stationen waren Neubergers im Sommer 1942 nach Nahariya gezogen, wo Ilse die

Pension „Tutti Loewy“ übernommen hatte und am 26.12.1943 Sohn Ralph Benyamin zur

Welt gekommen war. 1944 wurde Josef Neuberger als Anwalt in Nahariya zugelassen.

Trotz der vorerst ablehnenden Haltung seiner Frau kehrte Josef

Neuberger 1952 endgültig nach Düsseldorf zurück und wurde

am 25.9.1952 wieder beim Amts- und Landgericht Düsseldorf

als Anwalt zugelassen. Zeitgleich in der Jüdischen Gemeinde

und der SPD aktiv, wurde Neuberger bereits 1956 zum Vorsit-

zenden des SPD-Ortsverbands Düsseldorf und in den Rat der

Stadt gewählt, 1959 zum Landtagsabgeordneten des Landes

Nordrhein Westfalen. Nach den NRW-Landtagswahlen im Juli

1966 wurde Josef Neuberger als Krönung seiner juristischen

Laufbahn am 8.12.1966 zum Justizminister des Landes Nord-

rhein Westfalen ernannt – die grundlegende Neugestaltung

(organisatorisch wie inhaltlich) des Strafvollzugs wurde zum

ersten Ziel seiner Justizpolitik.

© Dr. Susanne Mauss

Jude, Sozialdemokrat, Zionist – vom verfolgten Anwalt zum Justizminister

Dr.jur. Dr.rer.pol. Josef Neuberger11. Oktober 1902 Antwerpen – 12. Januar 1977 Düsseldorf

Josef und Ilse Neuberger 1936

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Josef Neuberger mit Ehefrau Ilse bei seiner Verabschiedung im Jahr 1972

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„Rechtsanwalt Dr. Neuberger ist kein angesehener Vertreter des Anwalt-standes und Sozialdemokrat. Seine Wiederzulassung ist nach Auffas-

sung der befragten Richter und des Anwaltsvereins nicht zu empfehlen.

Dieser Stellungnahme trete ich bei.“ LG Präsident Alfons Krey, 8. April 1933

Josef Neuberger als Justizminister des Landes Nord-rhein-Westfalen

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Jüdische Gemeindezeitung 1936

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D6

Arthur Oppenheimer, Sohn des Kaufmanns Lebrecht Oppenheimer aus Uedem

und seiner Frau Elisabeth aus Vlissingen in Holland, war bereits 1901 am

Düsseldorfer Landgericht als Anwalt zugelassen. Seit 1911 arbeitete er mit

Rechtsanwalt Dr. Heinrich Wirtz in einer erfolgreichen Sozietät zusammen. Wäh-

rend des I. Weltkrieg war Oppenheimer in der Reichsgetreidestelle in Berlin leitend

tätig. Zwar musste die Kanzlei nach 1918 unter veränderten Bedingungen wieder

neu aufgebaut werden, doch schon bald war sie in und um Düsseldorf als eine der

führenden Kanzleien im Bank-, Handels-, Zivil- und Gesellschaftsrecht bekannt.

1925 schlossen sich Friedrich Kramer, 1931 Rudolf Edler und 1932 Oppenheimer II,

Sohn Gerd Franz, der Sozietät mit Sitz an der Benrather Str. 29 an. Im Düsseldor-

fer Anwaltsverein, dessen Vorstand Oppenheimer angehörte, ging der Spruch um:

„Oppenheimer, Wirtz und Kramer, sind der Anwaltschaft Entrahmer!“

Oppenheimer lebte mit seiner aus der Wedell-Familie stammenden Frau Ilse und

seinen vier Kindern seit 1910 an der Dorfstraße 52 im linksrheinischen Büderich. Hier wurde am 1. April 1933 vor seiner Haustür

ein SA-Mann postiert. Die Sozien trafen sich daraufhin bis auf Edler, der schon nach London abgereist war, am 2. April 1933 zu

einer geheimgehaltenen Besprechung in Köln, in der sie angesichts des von den Nationalsozialisten erzwungenen Auftrittsver-

bots jüdischer Anwälte vor Gericht und des drohenden Berufsverbots die Auflösung der Sozietät rückwirkend zum 1. April 1933

beschlossen. Die Prozessmandate wurden im Zuge der Auseinandersetzung der Sozietät auf den einzigen nichtjüdischen Partner

Heinrich Wirtz übertragen. So blieb eine Vertretung der Mandanten gesichert.

Da Oppenheimer unter die Ausnahmeregelungen des „Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom 7. April 1933 fiel,

konnte er seine Praxis bis zur Auswanderung 1937 in den alten Räumen weiter betreiben.

Bereits vor 1933 konnte Oppenheimer einen Teil seines Vermögens in Holland in Sicherheit bringen und noch 1937 einen Bau-

ernhof im Bergischen Land mit erheblichem Verlust gegen eine Farm in den USA tauschen. So blieb ihm das entbehrungsreiche

Schicksal der meisten Emigranten erspart. In New York arbeitete er in dem von seinem Sohn Gerd Franz gegründeten Außenhan-

delsunternehmen. 1938 änderten beide Oppenheimer ihren Namen als „Zeichen des Bruchs mit der Vergangenheit

und als Symbol eines Neustarts in einem neuen Land“ in Opton um.

Welche Bedeutung Oppenheimer auch nach seiner Emigration noch in der Düsseldorfer Anwaltschaft hatte, ver-

deutlicht der „vertrauliche“ Brief eines Anwaltskollegen beim OLG, in dem dieser den Düsseldorfer RA Eulenberg

im August 1942 (Oppenheimer war bereits verstor-

ben) bei der Gestapo denunzierte:

„Ich erfahre durch Zufall, dass der Rechtsanwalt

Eulenberg in Düsseldorf vor einiger Zeit in einer

Vormundschaftssache in Amerika (USA) war und

dort den emigrierten Juden, den früheren Düssel-

dorfer Rechtsanwalt Dr. Arthur Oppenheimer in New

York aufgesucht hat, um sich von ihm Geld geben

zu lassen. (...) Der frühere Rechtsanwalt Dr. Arthur

Oppenheimer ist einer der gefährlichsten und fanatischsten Juden

und Todfeind des Dritten Reiches.“

Eine Sozietät handelt vorausschauend und schnell

Dr Arthur Oppenheimer I4. Oktober 1875 München-Gladbach – 3. November 1941 New York/USA

Dr. Arthur Oppenheimer gemalt von Arthur Kaufmann Ende der 20er Jahre

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Volksparole vom 30.3.1933

Düsseldorfer Tageblatt vom 7.4.1933

In Düsseldorf als Sohn des Anwalts Dr. Arthur Oppenheimer geboren, besuchte Gerd Oppenheimer

das Hindenburg-Gymnasium (heute Humboldt-Gymnasium), wo er 1924 das Abitur ablegte. Nach

dem Jurastudium in Freiburg, München, Berlin und Köln wurde er 1932 Sozius in der väterlichen

Kanzlei. Im Mai 1933 musste er seine Zulassung am LG Düsseldorf zurückgeben. Rudolf Edler schrieb

er daraufhin verklausuliert nach England: „Heute ist auch die meine Scheidung betreffende Verfügung

eingetroffen. Die Ihrige habe ich Ihnen gestern übersandt.“ Bis zu seiner Auswanderung am 4. Januar

1934 mit Frau Eva und Tochter Ilse in die USA arbeitete er als Anwaltsgehilfe bei seinem Vater.

In den USA konnte Oppenheimer II durch den alten Mandantenkreises bei befreundeten Firmen

arbeiten, studierte amerikanisches Recht und wurde bereits 1939 nach seiner Naturalisation als Anwalt

in New York zugelassen.

Frank Opton, wie sich Oppenheimer seit 1938 nannte, lebte bis zu seinem Tod im Juni 1989 mit seiner

Frau und den Nachkommen seiner vier Kinder in New York. Der Kontakt zu den Sozien aus und in Düs-

seldorf blieb ein Leben lang erhalten.

Friedrich Kramer, Sohn des Textilfabrikanten Hugo Kramer aus Greiz in Thüringen, wurde

1925 Partner in der Sozietät Oppenheimer/Wirtz in Düsseldorf. Mit seiner aus wohlha-

benden Berliner Hause stammenden Frau Helene und den drei Kindern lebte er in der

Grimmstr. 19 in Düsseldorf-Grafenberg.

Da Kramer Frontkämpfer im I. Weltkrieg war, wurde ihm 1933 die Anwaltszulassung zum LG

Düsseldorf nicht sofort aberkannt. Nach Auflösung der Sozietät führte er seine Tätigkeit als

Einzelanwalt in seinem Privathaus weiter. Helene Kramer vermietete zwei Etagen des Hauses,

woraufhin die Familie in den Räumen des Erdgeschosses lebte. Nach dem Verkauf des Hauses

zur Hälfte seines Wertes emigrierten Kramers Ende 1936 über Holland und Belgien in die USA.

Helene Kramers Schmuck war von einem Rhein-

schiffer nach Holland geschmuggelt worden.

Nach dem Versuch, sich als einer von vielen

Emigranten-Versicherungsagenten in New York

zu etablieren, zog Friedrich Kramer mit seiner

Familie in das kalifornische Paso Robles, wo er mit seiner Frau als Fred und Helen

Kramer aus einem kleinen Laden ein gut gehendes kleines Kaufhaus machte.

© Dr. Susanne Mauss

Dr. Gerd Franz Oppenheimer II25. Februar 1906 Düsseldorf - 20. Juni 1989 Meadow Lakes/USA

Dr. Rudolf Edler17. August 1903 Düren - 22. Januar 1991 Malta

Friedrich Kramer22. Mai 1890 Greiz - 28. September 1963 Santa Barbara/USA

Dr. Arthur und Dr. Gerd Franz Oppenheimer, Anfang der 30er Jahre

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Abschiedsfeier in der Grimmstraße vor der Emigration, 1936

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Friedrich und Helene Kramer mit den Kindern Doris, Stephen und Henry, 1936

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Rudolf Edler, der in Bonn, Berlin und Freiburg Jura studiert hatte, trat

nach kurzer Beschäftigung als Gerichtsassessor in Aachen am 1.4.1932

in die Sozietät Oppenheimer, Wirtz und Kramer als am OLG Düsseldorf

zugelassener Anwalt ein. Eine Sozietät von erst- und zweitinstanzlichen Anwäl-

ten war in den 30er Jahren ein Novum.

Die Abläufe des Frühjahrs 1933

ließ er in den 80er Jahren Revue passieren:

„Mir war das viel klarer, und als der berühmte Boykott-Tag vom

1. April 1933 vor der Tür stand und Flugblätter mit der Aufschrift:

‚von morgen ab sind die Gerichte judenrein’ an der Strassen-

ecke verteilt wurden, packte ich meinen Handkoffer und traf am

1. April morgens in London ein.“

Von der Auflösung der Düsseldorfer Sozietät erfuhr er durch ein

Telegramm seines Vaters am 2. April 1933.

Edler begann sofort mit dem Studium des englischen Rechts an

der Londoner School of Economics. Obwohl er bereits nach drei

Jahren zum LL.B. graduierte und 1938 das Solicitor-Schlußexamen

bestand, konnte er erst nach fünfjährigem Militärdienst in der

britischen Armee und seiner Naturalisation nach Kriegsende 1945

seine eigene Solicitor-Firma in London gründen.

Telegramm: Auflösung der Sozietät am 2. April 1933

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sitz Dr. Rudolf Edler

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„Kommunistenfreund“, Emigrant der ersten Stunde – Rückkehrer

Dr. Arthur Wolff

Arthur Wolff, Sohn von Rudolf und Clara Wolff, hatte u.a. Jura in Breslau studiert

und war bis zu seiner Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte am 7. Juli 1933 am

Amts- und Landgericht Düsseldorf zugelassen. Er lebte – von seiner ersten Frau Adele

getrennt – in der Brend‘amourstr. 51 in Düsseldorf-Oberkassel. Nach der Machtergreifung im

Januar 1933 floh Wolff in die Schweiz.

Die Gestapo hatte großes Interesse an dem Anwalt, der schon in den 20er Jahren als Ver-

teidiger von Kommunisten – wenn nicht gar selbst als Funktionär in der Kommunistischen

Partei – aufgefallen war.

Tatsächlich war Arthur

Wolff im Frühjahr 1925

einer der Verteidiger, die

vor dem Staatsgerichts-

hof für das Deutsche Reich beim Reichsgericht

in Leipzig in einem der spektakulärsten Pro-

zesse der Weimarer Republik auftraten – dem

so genannten „Tscheka-Prozess“. (Die Deutsche

Tscheka war eine kommunistische Untergrund-

organisation, der verübte und geplante Atten-

tate sowie terroristische Aktionen, z.B. Spreng-

stoffanschläge, zur Last gelegt wurden. Der KPD

gelang es, sich in den Prozessen glaubhaft von

Terrorakten per se zu distanzieren.)

Der Polizeipräsident in Düsseldorf wusste am

21. Februar 1934 zu berichten: „Rechtsanwalt

Dr. Arthur Wolff war bis ungefähr 1927 Funk-

tionär in der kommunistischen Partei. In dem

Tscheka-Prozess beim Reichsgericht in Leipzig

trat Wolff als Verteidiger der kommunistischen Angeklagten auf. Durch diesen Prozess soll Wolff wegen finanzieller

Angelegenheiten Auseinandersetzungen mit der kommunistischen Partei gehabt haben. Daraufhin wurde ihm die

Verteidigung der kommunistischen Angeklagten, deren Finanzierung durch die Partei erfolgte, entzogen. Trotzdem

blieb Wolff Mitglied der KPD und hat diese auch finanziell bis in die Zeit vor dem Umsturz unterstützt. Er hat sich

bei der Verteidigung der Angeklagten bei den hiesigen Gerichten als äusserst fanatischer Kommunist gezeigt. Sein

gesamtes Aktenmaterial wurde beschlagnahmt.“

Im April 1934 vermerkte die Gestapo Düsseldorf, dass „sich in Paris ein

Rechtsanwalt Arthur Wolf, 29.4.88 zu Köln geboren, als Mitarbeiter des

,Pariser Tageblatt‘„ betätige. Der Gestapoakte Wolff wurden daraufhin

im Sommer 1934 eine Personalbeschreibung des W. mit fünf Fotos bei-

gefügt.

Arthur Wolff hielt sich nachweislich in Fran-

kreich auf; er promovierte 1936 nochmals in

Strassburg. In den Kriegsjahren gelang ihm

über Manila die Flucht in die USA.

1950 kehrte er mit seiner zweiten Frau Ger-

trud nach Düsseldorf zurück, wo er wieder als

Rechtsanwalt zugelassen wurde. Beide liegen

auf dem neuen Jüdischen Friedhof an der

Ulmenstraße begraben.

© Dr. Susanne Mauss

29. April 1888 Köln – 8. April 1962 Düsseldorf

Artikel von Arthur Wolff im „Pariser Tageblatt“ über das deutsche Devisenstrafrecht, 25. Juni 1934

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Eines der fünf Fotos aus Arthur Wolffs Gestapo-Akte

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Arthur Wolff mit dem befreundeten Arzt Dr. Georg Gold-stein 1932

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Arthur Wolff an seinem 65. Geburtstag im April 1953 in Düsseldorf

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„... deutsche Rechtswahrer – jüdische Konsulenten...“

Die Düsseldorfer Konsulenten 1938 – 1944

Durch die „Fünfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 27. Septem-

ber 1938 wurden schließlich alle 1933 im Beruf verbliebenen jüdischen

Anwälte bis zum 30. November 1938 aus der Anwaltschaft ausgeschlos-

sen. Um jedoch weiterhin eine rechtliche Vertretung in „jüdischen Belangen“

(Arisierungen, Auswanderungen etc.) zugunsten des Deutschen Volkes zu ge-

währleisten, sollten an jedem Landgericht „jüdische Rechtskonsulenten“ ent-

sprechend eines Schlüssels hinsichtlich der verbliebenen jüdischen Bevölkerung

eingeführt werden.

Der Nationalsozialistische Rechtswahrerbund kommentierte diese neuerliche

Ausgrenzung folgendermassen: „Der jüdische Konsulent darf unter keinen

Umständen als Rechtswahrer oder auch nur anwaltsähnliche Institution

angesprochen werden. Er ist nichts weiter als ein Interessenvertreter für eine

jüdische Partei. Recht wahren können nur die Richter und Rechtsanwälte als

gerichtliches Organ. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung ist ein würdiger,

weltanschaulich bedingter Ausgleich. Dem deutschen Volksgenossen der deut-

sche Rechtswahrer! Dem Juden der jüdische Konsulent! Mit Stolz kann der

deutsche Anwalt sich wieder Rechtsanwalt nennen!“

Die Bezeichnung Rechtsanwalt durften die jüdischen Konsulenten nicht mehr

führen und mussten ausschließlich jüdische Mandanten vertreten (in Düsseldorf

waren bis November 1938 noch 12 jüdische Anwälte beim Landgericht sowie

drei am Oberlandesgericht zugelassen).

Landgerichtspräsident Krey ging bei seinen peniblen Berechnungen von einer

Personenzahl von 5770 im Landgerichtsbezirk Düsseldorf ansässigen Juden

aus, die Jüdische Gemeinde von etwa 4000, die Statistik des Deutschen Reichs

gab bei Kriegsausbruch im Sommer 1939 noch etwa 1800 jüdische Personen

in Düsseldorf an. Ganze zwei Konsulenten sollten für den Landgerichtsbezirk

Düsseldorf zugelassen werden; der Vorstand der Jüdischen Gemeinde errechnete

mindestens acht bis zehn.

Zunächst wurden mehr Konsulenten zugelassen als vorgesehen. Ihre Auswahl

richtete sich primär nicht nach fachlicher Kompetenz, sondern nach sozialem

Wohlverhalten. Das zuständige Gericht, die Rechtsanwaltskammer und die

Gestapo mussten jeweils ein Gutachten pro Konsulent beim Oberlandesgericht

zur Prüfung vorlegen. Die Zulassungen wurden nur monateweise erteilt und

immer erst kurz vor Ablauf der Frist verlängert oder zurückgenommen. Die „offi-

zielle“ Konsulentenliste sah für Düsseldorf die Rechtsanwälte Dr. Benjamin Baer,

Dr. Max Dannenbaum, Kurt Frank, Dr. Leo Lichtigfeld, Dr. Siegfried Orzegow und

Dr. Dagobert Weyl vor.

Als im Herbst 1941 die ersten Deportationen der jüdischen Bevölkerung von Düs-

seldorf aus nach Osten gingen, wurden auch die Konsulenten nicht verschont.

1943 war lediglich der mit einer Nichtjüdin verheiratete RA Kurt Frank in Düs-

seldorf verblieben. Er wurde im Oktober 1943 wegen angeblicher Vermögens-

verschiebungen von der Gestapo verhaftet und am 8. Mai 1944 nach Auschwitz

deportiert.

© Dr. Susanne Mauss

Die Anzahl der für Düsseldorf zuständigen Konsulenten wird „ermittelt“

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Der letzte Konsulent Düsseldorfs, Kurt Frank, wird 1944 deportiert

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Ein „unbequemer Anwalt“ bis zum Schluss

Dr. Max Dannenbaum

Max Dannenbaum, Sohn von Heinemann und Florenti-

ne Dannenbaum aus Lippstadt, war bereits seit 1913

zugelassener Anwalt beim Amts- und Landgericht

Düsseldorf. Im Ersten Weltkrieg wurde ihm das Eiserne Kreuz II.

Klasse verliehen, so dass er im April 1933 nicht unter das Vertre-

tungsverbot der neuen Machthaber fiel.

Dannenbaum praktizierte in der Klosterstr. 34/36. Mit seiner „arischen“ Frau Toni lebte er mit den Kindern Rolf Günther

(*1916) und Ilse Lore (*1920) in der Wildenbruchstr. 114 in Düsseldorf-Oberkassel. Mitte der 30er Jahre zog die Familie

Dannenbaum in das Praxishaus an der Klosterstraße.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden nach Aussage

der früheren Hausgehilfin „die Möbel im Büro sowie die Herrenzimmermöbel

fast restlos zerstört. Der Geschädigte (RA Dannenbaum) sagte mir noch, daß

u.a. auch sein von den Eltern ererbtes Silberbesteck abhandengekommen sei.“

Am 3. Mai 1939 wurde die Ehe der Dannenbaums geschieden, die Kinder rei-

sten nach Großbritannien aus.

Als im Herbst 1938 mögliche jüdische Anwälte für die Konsulenten-Zulassung

beurteilt wurden, äußerte sich LG Präsident Krey:

„Nach den hier angestellten Ermittlungen ist Dr. Max Dannenbaum nicht als

Konsulent geeignet, da seine Berufsausübung zu wünschen übrig läßt. Er wird

dahin geschildert, daß er wenig begabt, in seinen Schriftsätzen ungewandt

und unklar sei und in seinem Auftreten vor Gericht wenig angenehm wirke.“

Trotzdem wurde Max Dannenbaum als einer der sechs jüdischen Konsulenten

für Düsseldorf zugelassen.

Max Dannenbaum fiel jedoch bei der Gestapo Düsseldorf immer wieder auf.

Am 1. Oktober 1940 wurde er wegen Äußerungen über das KZ in einer Vertei-

digungsrede vor Gericht ernstlich verwarnt, bereits am 16.10.1940 musste er

wegen einer ihm nicht zustehenden Forderung „belehrt“ werden und „wurde

nachdrücklichst zur Auswanderung angehalten“.

Im Dezember 1940 wandte sich Dannenbaum gar an das Rote

Kreuz, um Nachricht über und von seinen Kindern zu erhalten, was

ein klarer Verstoß gegen die VO über den Nachrichtenverkehr vom

2. April 1940 darstellte.

Nach einer Vorladung bei der Gestapo im Oktober 1941, bei der

ihm die kommende Deportation eröffnet worden war, verwendete

sich OLG Präsident Schwister schriftlich und recht deutlich für den

Konsulenten Dannenbaum.

Auf der „Liste der am

10. November 1941 Ausrei-

senden (Bezirk Süd)“ wurde

er als „Klosterstrasse 34/6:

Dannenbaum, Max Israel,

1 Person“ weiter geführt.

OLG Präsident Wilhelm

Schwister erhielt von der Gestapo lediglich den Einzeiler: „Der Jude Dr. Max Israel

Dannenbaum ist am 10.11.41 mit dem Judentransport aus Düsseldorf nach Minsk

abgeschoben worden.“

Mit Beschluss vom 20.11.1951 wurde als offizielles Todesdatum des Rechtsanwalts

Dr. Max Dannenbaum der 31. März 1942 festgesetzt.

© Dr. Susanne Mauss

Max Dannenbaums bat am 17.12.1940 das Rote Kreuz um Kontaktaufnahme mit seinen Kindern in England

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OLG Präsident Schwister setzte sich für Max Dannenbaums Zurückstellung von der Deportation ein

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„Warnung – Beim Durchklettern des Zaunes wird geschossen” – Schild am Ghetto Minsk auf deutsch und russisch

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11. Januar 1881 Lippstadt – nach 1941 Minsk

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Leo Lichtigfeld wuchs als einer von sechs Söhnen des

Eiergroßhändlers Josua Lichtigfeld und seiner Frau Klara

im österreichischen Ostgalizien auf. Wo er zur Schule

ging und studierte, ist nicht bekannt. Seit 1914 lebte die

Familie in Düsseldorf, u.a. in der Leopoldstr. 48.

Lichtigfeld kämpfte im I. Weltkrieg und wurde mit dem

Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. (Als er 1941 von Düs-

seldorf aus ins Ghetto Lodz deportiert wurde, nahm er diese

Auszeichnung mit. So blieb er als Frontkämpfer im Mai 1942

von der weiteren „Aussiedlung“ ins Vernichtungslager Kulm-

hof/Chelmno verschont.)

Als Rechtsanwalt war Lichtigfeld seit dem 10. Oktober 1921 am Düsseldorfer Amts- und Landgericht mit einer Kanzlei auf der Ost-

str. 115/117 zugelassen. 1931 heiratete er Sala (Helene) Weissberg aus Rohatyn und lebte mit ihr erst in der Prinz-Georg-Str. 114.

Nach der Machtergreifung 1933 war Lichtigfeld durch die Ausnahmeregelung für Frontkämpfer des I. Weltkriegs weiterhin als Anwalt

zugelassen. Auch sein Bruder, Dr. Emil Lichtigfeld, war aus diesem Grunde weiterhin am OLG Düsseldorf zugelassen. Die Beiden fir-

mierten in Düsseldorf als Lichtigfeld I (Leo) und II (Emil). Emil Lichtigfeld emigrierte bereits im Dezember 1933 nach London, wo er

nochmals studierte und 1937 das Rabbinerexamen ablegte. Leo Lichtigfeld I war von ihm als Vertreter seines Anwaltsbüros, Königs-

allee 86, eingesetzt worden. Dieser Tatbestand der doppelten Vertretung bei Land- und Oberlandesgericht rief harsche Kritik bei den

Nazis hervor. Nicht nur in der Düsseldorfer „Volksparole“ wurden die beiden Brüder vehement angegriffen. Sogar die Fachzeitschrift

„Deutsches Recht“ griff am 10.3.1935 in einem Artikel den Fall auf und resümierte: „Es gibt eine Art von Gesetzeskunst, die man

ohne weiteres als Gesetzesumgehungskunst kennzeichnen kann. In dieser Kunst ist der Jude Meister. Seit Jahrtausenden bedeutet

die reine Gesetzlichkeit das theologische System seiner Rasse, und wir wissen, daß jenes Buch, welches der vollkommene Ausdruck

der Technik des Buchstabens ist, der Talmud, keinem anderen Zwecke dient, als dem Nutzen des jüdischen Volkes und dem Schaden

aller anderen Völker. (...) Inzwischen ist dafür gesorgt, daß der zukünftige Rabbiner seine deutsche Einkommensquelle nicht verliert.

Lichtigfeld aber hat nun schon bald zwei Jahre lang den Vorzug vor seinen

arischen Kollegen, seine Prozesse zwei Instanzen hindurch in seiner eigenen

Person führen zu können. (...) Daß die Volksschädlichkeit mit dem Nutzen

des Juden zusammenfällt, dafür dient der hier geschilderte Fall als ein-

drucksvolles Beispiel."

Emil Lichtigfeld wurde da-

raufhin am 1. April 1935 von

der Liste der OLG-Anwälte

gestrichen. Nach seiner Rück-

kehr nach Deutschland 1954

wurde er langjähriger Rabbi-

ner der Jüdischen Gemeinde

Frankfurt a.M., Landesrabbi-

ner Hessens und Vorsitzender

der Konferenz der Rabbiner

in Deutschland.

Trotz dieses Vorfalles war

Leo Lichtigfeld I nach der

Pogromnacht 1938, in der

seine Wohnung in der Prinz-

Georg-Str.114 und seine

Kanzlei in der Schadowstr. 26

verwüstet und ihm mehrere

Zähne eingeschlagen worden waren, ab dem 25.11.1938 als Konsulent weiter in Düs-

seldorf zugelassen. Zwei Paßanträge für ihn und seine Frau wurden 1939 abgelehnt.

Im Juli 1941 schrieb der Oberfinanzpräsident Düsseldorf an die Gestapo:

„... M.E. setzt der Beschuldigte seine frühere Anwaltstätigkeit unberechtigterweise

fort. Als Helfer in Steuersachen ist Lichtigfeld abgelehnt worden. Eine Zulassung als

Helfer in Devisensachen für Auswanderer käme ebenfalls nicht in Frage, da mir Lich-

tigfeld unzuverlässig erscheint und mit bekannten jüdischen Fertigkeiten Tatsachen

nach seinem Sinne auszulegen und zu drehen versteht....“ Die lakonische Antwort der

Gestapo lautete nur: „Dr. Leo Israel Lichtigfeld wurde mit dem Judentransport am

27.10.41 nach Litzmannstadt evakuiert. Es ist daher nichts mehr zu veranlassen. Der

Vorgang kann abgeschlossen werden.“

Leo Lichtigfeld überlebte das Ghetto Litzmannstadt/Lodz ganze neun Monate. Eine Postkarte an seinen Kollegen, Dr. Siegfried Orze-

gow, vom 4.12.1941 ist eines der letzten Lebenszeichen Leo Lichtigfelds. Dieser erhielt die Karte mit Poststempel vom 12.12.1941

jedoch nicht mehr – auch er war am 11. Dezember 1941 mit einem Transport nach Riga „ausgesiedelt“ worden.

© Dr. Susanne Mauss

Mit dem EK II ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert

Dr. Leo Wolf Lichtigfeld20. Juni 1889 Bursztyn – 29. Juli 1942 Lodz

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Postkarte von Leo Lichtigfeld vom 4.12.1941 aus dem Ghetto Litzmannstadt/Lodz an RA Siegfried Orzegow

Familie Josua Lichtigfeld: v.l.n.r. stehend Jacob, Leo, Simon, Emil und Lorenz, sitzend Adolf, Klara, Josua

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Volksparole vom 9.2.1935

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Duisburg

Dagobert Bleiweiss26. August 1906 Mülheim/Ruhr – (Chile)

Referendar Duisburg

Walter Bongartz24. November 1901 Wesel – 8. Mai 1945 Auschwitz

Rechtsanwalt AG Wesel; LG Duisburg; Notar

Hugo Bonwit28. August 1873 Essen – 23. Dezember 1960 San Fran-

cisco

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Siegbert Cohn11. November 1876 Kolmar/Posen – 24. März 1944 The-

resienstadt

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Harry Epstein26. August 1879 Duisburg – 25. August 1973 Jerusalem

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Richard Goldbaum4. Mai 1887 Duisburg – 12. April 1935 Wien

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Rudolf Grünberg8. Juni 1901 Dortmund – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Duisburg

Ernst Heumann27. April 1908 Homberg – (Frankreich)

Referendar Duisburg

Erwin Heymann20. August 1906 Oberhausen – (Afrika)

Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg

Walter Siegfried Jacob13. September 1903 Duisburg-Hamborn – (Brasilien)

Rechtsanwalt LG Duisburg

Im Frühjahr der nationalsozialistischen Machtergrei-

fung 1933 sah sich die Justiz in Duisburg bereits vor

dem 1. April 1933 („Judenboykott“) mit antisemi-

tischen Angriffen auf jüdische Richter und Rechtsanwäl-

te konfrontiert. Besonders wurde die Stimmung vor Ort

durch die „National-Zeitung“ manipuliert, die schon am

22. Februar die Juden als „plattfüssige Jordanplantscher“

und „krummnasige, asiatische Gewächse“ bezeichnete.

Der jüdische Anwalt Dr. Moritz Kolski, Sohn des Fabrikan-

ten, Stadtverordneten und Branddirektors Max Kolski

und nicht nur seit 1919 SPD-Mitglied, sondern auch

Vorsitzender der zionistisch-orientierten Arbeiterbe-

wegung „Poale Zion“, tauchte direkt nach der Machtergreifung unter. Daraufhin hetzte die „National-Zeitung“ am

17. März 1933: „Diese Leuchte unter den jüdischen Verteidigern der Kommune hat es nämlich fertiggebracht, sein Fell

in Sicherheit zu bringen, bevor es vorschriftsmäßig gegerbt wurde. Nach dem Muster vieler roter und rötlicher Bonzen

ist er nach ,Unauffindbar‘ verzogen.“

Bereits am 23. März kam es am Duisburger Landgericht zu Tumulten; eine SA-Abteilung verbrannte im Innenhof Ebert-

Bilder und schwarz-rot-gelbe Fahnen. Am 1. April 1933, also vor dem Erlaß des „Gesetzes über die Zulassung zur Rechts-

Das Amtsgericht Duisburg, Königsstraße, in den 20er/30er Jahren

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sitz

Aribert de Jonge17. Dezember 1900 Essen – (Frankreich)

Rechtsanwalt LG Duisburg

Dr. Robert Katzenstein4. Juli 1886 Eschwege – (Tegucigalpa/Honduras)

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Sally Martin Kaufmann5. März 1886 Duisburg – 1944 Auschwitz

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Wilhelm Kaufmann20. November 1895 Witten – (USA)

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Eduard Koenigsberger17. Mai 1882 Lissa/Posen – 31. Mai 1948 Mülheim/Ruhr

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Moritz Kolski9. Mai 1885 Duisburg – 25. Oktober 1960 Tel Aviv

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Erich Leffmann24. Juni 1908 Kleve – (Australien)

Referendar Duisburg

Eduard Leven19. Mai 1906 Duisburg – 20. März 1933 Bussum/NL

Referendar Duisburg

Dr. Otto Levy10. Februar 1890 Oberhausen – 16. Mai 1969 Tel Aviv

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Karl Liebreich4. Januar 1911 Duisburg – (Südafrika)

Referendar Duisburg

Otto Löwenberg3. August 1886 Wuppertal-Barmen – (Israel)

Rechtsanwalt LG Duisburg

Max Löwenstein29. August 1898 Dortmund – (USA)

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Justizrat Dr. Heinrich Mannheimer22. Mai 1869 Beuthen – 15. November 1942 Theresi-

enstadt

Rechtsanwalt AG Mülheim/Ruhr; Notar

Dr. Werner Marx19. September 1910 Mülheim/Ruhr – (Israel)

Referendar AG Wesel

Berthold Meyer2. August 1875 Greifswald – 7. März 1943 Theresi-

enstadt

Rechtsanwalt LG Duisburg

Dr. Josef Meyersberg(30. Juli 1890) – 8. Mai 1945 Izbica

Rechtsanwalt LG Duisburg

Jakob Moses23. November 1901 Mülheim/Ruhr – 21. Mai 1984

Düsseldorf

Rechtsanwalt AG Mülheim/Ruhr; LG Duisburg

Dr. Max Münchhausen5. August 1880 Warburg – (Israel)

Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg; Notar

Dr. Walter Oppenheimer6. November 1897 Oberhausen – 4. April 1967 Israel

Rechtsanwalt LG Duisburg

Herbert Pless26. Oktober 1909 Mülheim/Ruhr – (Algerien)

Referendar Duisburg

Dr. Adolf Rosenberg26. Oktober 1897 München-Gladbach – (Israel)

Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg; Notar

Dr. Dr. Heinrich Rosenblatt23. September 1898 Nürnberg – (USA)

Rechtsanwalt

Dr. Richard Rosenthal21. September 1886 Duisburg – 1. Juli 1957 Teaneck/USA

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Dr. Siegfried Rottenstein10. Dezember 1881 Nieheim/Höxter – 8. Mai 1945 Izbica

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Hugo Ruben20. September 1882 Duisburg – 11. November 1933 Duis-

burg

Rechtsanwalt LG Duisburg

Max Simon25. Februar 1883 Altenkirchen – 9. April 1954 Tel Aviv

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

Rudolf Strauss3. Januar 1911 Duisburg – 11. Juli 1958 Atlantic City/USA

Referendar Duisburg

Dr. Wilhelm Tiemann2. März 1908 Rotterdam – (Barcelona)

Referendar Duisburg

Louis Traugott8. September 1882 Niedermarsberg – 29. Mai 1956 New

York

Rechtsanwalt LG Duisburg

Dr. Fritz Wallach21. Dezember 1907 Duisburg – (USA)

Referendar Duisburg

Justizrat Dr. Hermann Wallach4. August 1868 Wiedenbrück – 18. März 1934 Stuttgart

Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar

anwaltschaft“ am 7. April 1933, wurde am Duisburger Landgericht den jüdischen Anwälten das Auftreten vor Gericht

verboten und nur noch ein jüdischer Anwalt, Dr. Siegbert Cohn, zugelassen. SA- und SS-Trupps drangen ins Landgericht

ein und störten die Verhandlungen mit jüdischen Beteiligten. Als im Mai 1933 die jüdischen Anwälte, die unter die Aus-

nahmeregelungen fielen, wieder zugelassen worden waren, kam es im Duisburger Gericht erneut zu Ausschreitungen.

„Volksprotest gegen jüdische Rechtsverdreher. Jüdische Juristen

aus dem Landgericht gefegt“ hieß es am folgenden Tag in der

„National-Zeitung“, die freudig berichtete: „Gegen 10 Uhr dran-

gen die Demonstranten spontan in das Gebäude ein und durch-

zogen die Korridore mit lauten Protestrufen, in die sich immer

wieder die Forderung mischte: ,Juden heraus!‘ (...) Einzelne,

darunter die Rechtsanwälte Levy, Simon, Dr. Kaufmann I, Kat-

zenstein und Löwenberg, wurden durch die sich immer mehr ver-

größernden Menschenmassen aus den Sitzungssälen gefegt.“

Bei einer Gesamtbevölkerung von 440.419 Einwohnern im Jahr

1933 wurden in der Stadt Duisburg 2.560 Juden gezählt. Am

Landgericht Duisburg waren folgende Rechtsanwälte und Refe-

rendare zugelassen: Das Landgericht Duisburg am Königsplatz in den 20er/30er Jahren

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Duisburg

23. März 1933: Rabbiner Mordechai Bereisch wird durch Duisburg getrieben

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Zionist - von Duisburg nach Jerusalem

Dr. Harry Epstein

Harry Epstein, Sohn des Kaufmanns

Siegmund Epstein und seiner Frau

Hermine, wuchs in Duisburg auf

und machte 1898 am Königlichen Gym-

nasium (heute: Landfermann-Gymnasium)

sein Abitur. Nach dem Studium in Bonn,

Hamm und Berlin wurde er am 10. April

1907 beim Duisburger Landgericht als

Rechtsanwalt zugelassen, kurze Zeit später

auch als Notar.

Bereits während des Studiums war er mit dem Zionismus in Verbindung gekommen

– einer Bewegung, der er ab 1903 einen Großteil seiner Schaffenskraft widmete. Von 1903 bis 1927 war Epstein

Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Zionistischen Vereinigung Duisburgs, von 1909 bis 1929 Vorsitzender des

Zionistischen Gruppenverbandes Rheinland-Westfalen (später Gruppenverband Rechts-Rheinland und Westfalen)

und 1932 Mitglied des Landesvorstandes der Zionistischen Vereinigung für Deutschland.

Im August 1907 heiratete Epstein die Duisburgerin Bertha Löwe, die ihm bei seiner zionistischen Arbeit und in der

Jüdischen Gemeinde aktiv zur Seite stand. Sie betreute ab 1904 die Bibliothek der Zionistischen Ortsgruppe und

gründete 1906 mit Martha Neumark, Ehefrau des Rabbiners, den Jüdischen Kinderhort in Duisburg. Das Ehepaar

Epstein zog in die Parkstraße 13 am Kaiserberg, wo es vier Kinder bekam:

Theodor (*1908), Hannah (*1910), Emanuel (*1916) und Gabriel (*1918).

Beide setzten sich besonders für die Gleichstellung der so genannten „Ost-

juden“ ein, die – während des Ersten Weltkrieges vermehrt ins Ruhrgebiet

eingewandert – vom liberalen deutsch-jüdischen Bürgertum als Gefahr

ihrer sozialen Stellung angesehen und ausgegrenzt wurden. Harry Epstein

war nicht nur Initiator der Jüdischen Arbeiterfürsorgestelle in Duisburg

(„Jüdisches Arbeitsamt“), sondern auch der Jüdischen Volksschule, die 1927

in Duisburg ins Leben gerufen wurde, und des Gemeindeblatts, deren erste

Nummer er im November 1929 redaktionell betreute.

Bis 1922 übte Epstein seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar aktiv aus.

Die Kanzlei war – auch in Folge seiner zeitraubenden politischen Aktivi-

täten – nicht sonderlich erfolgreich. Zum 1. Januar 1924 trat er daher als

Gesellschafter in das Familienunternehmen „Cohen & Epstein“ Beekstraße/

Ecke Brunnengasse ein, das sein Bruder Fritz innerhalb seiner 20-jährigen

Tätigkeit zu einem florierenden Kaufhaus mit 300 Angestellten ausgebaut

hatte. Epstein gab 1925 seine Tätigkeit als Notar auf, blieb jedoch als

Anwalt weiter zugelassen. Finanziell abgesichert, konnte er sich nun den

Aufgaben in den Zionistischen Organisationen wie auch in der Repräsen-

tantenversammlung in der Gemeinde vermehrt widmen.

Als die Nationalsozialisten Anfang 1933 an die Macht kamen, wurde bereits

während der Misshandlungen des Rabbiners Bereisch auf dem Königsplatz in Duisburg im März 1933 der Ruf laut:

„Und jetzt kommt der Ostjudenbeschützer Epstein dran!“ Harry Epstein floh daraufhin noch in der Nacht des

23. März 1933 nach Brüssel. Nach seiner Rückkehr nach Duisburg erfuhr er erneut von einer drohenden Verhaf-

tung und floh über Aachen zurück nach Belgien. Noch am selben Tag fand eine Hausdurchsuchung statt, bei der

ein Großteil seiner zionistischen Akten beschlagnahmt wurden. Harry Epstein kehrte noch einmal nach Duisburg

zurück, um sein Haus in der Parkstraße zu veräußern. Seine Frau und Kinder waren teilweise bereits im März 1933

nach Belgien bzw. im März 1934 nach Palästina ausgewandert. Harry Epstein folgte ihnen im September 1934.

Seine Zulassung als Anwalt am Landgericht Duisburg hatte Epstein beibehalten – seine Löschung aus der Anwalts-

liste erfolgte am 22. September 1934. Das Kaufhaus „Cohen & Epstein“ wurde in seinem 100. Jubiläumsjahr 1935

„arisiert“.

Harry Epstein nahm in Palästina keine neue Berufstätigkeit mehr auf; auch in den zionistischen Gremien seiner

neuen Heimat konnte er als Pazifist und Befürworter einer jüdisch-arabischen Koexistenz nicht an die alten Erfolge

aus Duisburger Zeiten anknüpfen. Zurückgezogen lebte er bis einen Tag vor seinem 94. Geburtstag in Jerusalem.

© Dr. Susanne Mauss

26. August 1879 Duisburg – 25. August 1973 Jerusalem

Parkstr. 13 - hier wohnte Familie Epstein bis 1934

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„Harry Epstein war so etwas wie ein enfant terrible der Familie

und der Gemeinde, dadurch, daß er zu den alten Familien zählte, der

deutschen Bildungswelt angehörte, aber auf Seiten der Ostjuden stand.“

Yehoshua Amir, 1982

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Dr. Harry Epstein

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Vom erfolgreichen Rechtsanwalt zum Fischverkäufer in Honduras

Dr. Robert Katzenstein

In Eschwege als Sohn des Michaelis Katzenstein geboren, kam Dr. Robert Katzenstein nach Studium in München,

Freiburg, Göttingen und Promotion in Jena nach Duisburg, wo er seit 1913 als Rechtsanwalt zugelassen war.

Nach dem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg wurde er 1920 auch als Notar in Duisburg zugelassen und heiratete

1922 Helga Kauders aus Hamburg. Das Ehepaar wohnte in der Ludgeristr. 16 und hatte zwei Söhne: Kurt (*1924)

und Edgar (*1927).

Robert Katzenstein führte eine umfangreiche und angesehene Praxis an der Königstr. 32. Sein Klientel setzte sich

zum größten Teil aus Handel und Industrie zusammen; seit etwa 1920 war er Justitiar der Darmstädter & National-

bank, der Danat-Bank und später der Dresdner Bank. Robert Katzenstein war Mitglied der Deutsch-Demokratischen

Partei in Duisburg und engagierte sich als Mitgründer und Präsident der Duisburger B‘nai B‘rith-Loge „Zur Treue“.

Weiterhin war er von 1919 bis 1933 Vorstandsmitglied des Duisburger Anwaltsvereins (hier richtete er u.a. eine

Sterbekasse ein). Dass er Ende 1933 mit nur einer Gegenstimme wiedergewählt wurde, verdeutlicht sein außeror-

dentliches Ansehen im Kreis seiner Kollegen.

Umso mehr erschütterte diesen Vertreter des liberalen deutsch-jüdischen Bürgertums die Machtergreifung der

Nationalsozialisten im Jahr 1933 mit ihrer systematischen Ausgrenzung der Juden aus dem alltäglichen Leben. Im Zuge der antisemi-

tischen Maßnahmen wurde Katzenstein bereits am 1. Juli 1933 das Notariat aberkannt. Während des Novemberpogroms 1938 wurde

die Wohnung der Familie Katzenstein demoliert, Robert Katzen-

stein selbst in „Schutzhaft“ genommen und vom 16. November bis

8. Dezember 1938 ins KZ Dachau eingeliefert.

„Kahlgeschoren wie ein Zuchthäusler“ nahm er seine Anwaltstätig-

keit im Dezember 1938 als Konsulent wieder auf. Sohn Kurt konnte

im April 1939 mit einem „Kindertransport“ nach England ausreisen.

Durch persönliche Verbindungen

nach Honduras gelang dem Ehepaar

Katzenstein im Mai 1939 mit dem

jüngeren Sohn Edgar noch die Emi-

gration in das mittelamerikanische

Land. Hier versuchte sich Katzen-

stein als Textilwarenhändler, doch

nach dem Kriegseintritt Honduras‘

im Jahr 1941 musste Katzenstein als

Deutscher diese Tätigkeit aufgeben.

Zehn Jahre musste er daraufhin

als Fischverkäufer auf einem Markt

in Tegucigalpa, der Hauptstadt von

Honduras, seinen Lebensunterhalt verdienen. Anfang der 50er Jahre eröffnete er mit seiner Frau einen

kleinen Gemischtwarenladen.

Als Dr. Robert Katzenstein 1949 einen Antrag auf Rückerstattung stellte, beschrieb er die Zeit vor

seiner Auswanderung folgendermaßen:

„Ich, der Ehemann, kam im November 1938 im Verfolg der von der kochenden Volksseele angeblich

verlangten Novemberaktion nach Dachau. Bei unserer Entlassung daselbst hielt der Lagerkomman-

dant folgende Ansprache an uns: ,Der Zweck ,Eures‘ Hierseins war es, Euch zu zwingen, Deutschland so

rasch wie moeglich zu verlassen. Dieses Mal kommt Ihr noch lebend heraus. Wer aber ein zweites Mal

wieder hierherkommt, braucht nicht damit zu rechnen, dass er jemals lebend zurueckkommt.‘ Durch

diese, unter Todesdrohung erzwungene, Auswanderung waren wir genoetigt, Hals ueber Kopf, alles

irgendwie draussen nicht unbedingt Benoetigte zu verkaufen oder richtiger gesagt, zu verschleudern,

teilweise auch herzuschenken, da sich nicht genuegend Kaeufer fanden.“

Das Wiedergutmachungsamt Duisburg verlangte von Robert Katzenstein daraufhin im Jahr 1951 die

Namen der „Käufer“ von 1939, worauf dieser konterte:

„Es ist eine probatie diabolica, wenn man jetzt von uns die Namen der Kaeufer unserer Sachen ver-

langt. Ganz abgesehen davon, dass die meisten Kaeufer gegen bar zahlten und wir sie dem Namen

nach garnicht kannten, wollten auch die meisten unter allen Umstaenden sicher sein, dass niemand

erfuehre, dass sie bei Juden etwas gekauft haetten. Bekannt ist uns nur, dass unser Schlafzimmer

der Bahnhofswirt des dortigen Hauptbahnhofs kaufte, dessen Namen uns nicht bekannt war oder

ist. Die Gruende fuer die Veranlassung des Verkaufs duerften dem Herrn Sachbearbeiter wohl zur

Genuege bekannt sein. Zum Vergnuegen habe ich nicht

den Wanderstab ergriffen, sondern nur um den Todes-

drohungen der damaligen deutschen Regierung und

ihren unmenschlichen Methoden zu entgehen. Weder

hatte ich die Moeglichkeit, den gesamten Hausrat mit

in die voellig ungewisse Zukunft mitzunehmen, noch

die Notwendigkeit, in den Tropen, in einer Umgebung

spanischer Sprache, eine juristische deutsche Bibliothek

zu unterhalten. Diese Fragen sind wohl nur gestellt, um

irgendetwas zu sagen.“

Mit den Wiedergutmachungs- bzw. Rentenzahlungen

konnte sich das Ehepaar Katzenstein im hohen Alter

endlich Mitte der 50er Jahre zur Ruhe setzen.

© Dr. Susanne Mauss

4. Juli 1886 Eschwege – (keine Angaben) Tegucigalpa/Honduras

„Unter normalem Verlauf unseres Lebens waren wir nie

auf den Gedanken gekommen, auszuwandern, zumal ich als Rechtsanwalt nirgendwo im Auslande eine Aussicht auf

Erlangung der Berufsaus-übung hatte.“

Robert Katzenstein, 1949

Quittung über einen Teil der „Sühneleistung“, die Dr. Katzenstein 1939 zu entrichten hatte. Hierfür wurden seinem Depot Wertpapiere entnommen und an die Reichsbank Berlin versandt.

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Tegucigalpa/Honduras in den 30er Jahren

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Gestapo-Personalbogen von Dr. Robert Katzenstein

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Sally Kaufmann, Sohn des Kaufmanns Julius

und seiner Frau Helene Kaufmann, war

als gebürtiger Duisburger nach seinem

Besuch des Städtischen Realgymnasiums (heute:

Steinbart-Gymnasium) und dem Jurastudium als

Rechtsanwalt und Notar mit einer Kanzlei Am

Buchenbaum 4, seit 1936 auf der Düsseldorfer

Str. 1 in Duisburg tätig. Kaufmann hatte im

Ersten Weltkrieg gekämpft und war mit dem

Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden – noch am 25. Februar 1935 bekam er

das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen. Im November 1935 wurde ihm

dann die Ausübung seiner Notartätigkeit verboten...

Kaufmann war mit der aus Düsseldorf stammenden Johanna Hartoch verheiratet; 1924 adoptierten sie den im Januar

des Jahres geborenen Sohn Walter. Sie wohnten seit 1929 in der Prinz-Albrecht-Str. 17.

Sally Kaufmann war 1928 Gründer und Vorsitzender des Jüdisch-liberalen Gemeindevereins, 1930 Vorstandsstellver-

treter und schließlich ab dem 23. Januar 1936 letzter Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Duisburg. 1937 war es zum

Zusammenschluß der bis dahin selbständigen Gemeinden Duisburg, Ruhrort und Hamborn unter Kaufmanns Leitung

gekommen – zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 1.100 Juden in Duisburg.

Während des Novemberpogroms 1938 kam es im Hause Kaufmann zu schweren Verwüstungen, Sally Kaufmann wurde

misshandelt und verhaftet. Sohn Walter beschrieb diese Nacht in seinem autobiographischen Roman „Stefan – Mosaik

einer Kindheit“ später folgendermassen: „Unser Haus mit der steinernen Treppe, vor der Ein-

gangstür – das Schloss gesprengt, die Tür eingeschlagen, sie hängt lose in den Angeln; neben

der Tür die elektrische Klingel – aus der Wand gerissen, an zwei Drähten baumelnd. (...) Vaters

Bibliothek – ein wüstes Durcheinander von zerstörten Möbeln; die Bücherregale mit den Glas-

scherben umgekippt, juristische Werke und Romane auf den Boden geworfen. ,Der Zauberberg‘,

,Krieg und Frieden‘, die ,Deutsche Justiz‘ mit zerrissenen Einbänden in die Ecke geschleudert.“

Sally Kaufmann wurde am 17. November

in das KZ Dachau eingeliefert. Erst am

8. Dezember 1938 entließ man ihn als

Vorsitzenden der Gemeinde, da er als An-

sprechpartner für die Gestapo-Außenstel-

le Duisburg fungierte. Kaufmann erhielt in

Duisburg die Zulassung als „Konsulent zur

rechtlichen Beratung und Vertretung von

Juden“, die er bis zu seiner Deportation

1943 in Duisburg ausübte.

Im Januar 1939 konnte Sohn Walter Kauf-

mann mit einem „Kindertransport“ nach

England geschickt werden – die Eltern

zogen 1940 in zwei notdürftig einge-

richtete Zimmer des „Judenhauses“ in der

Junkernstr. 2 ein.

Sally Kaufmann musste im Laufe der Jahre der Gestapo bei der

Durchführung der Organisation der Transporte zuarbeiten. So

wurde er als Gemeindevorsitzender im Juli 1942 genötigt, die Aufforderung zur „Evakuierung“ von 147 Duisburger

Juden nach Theresienstadt zu unterzeichnen und für die „Abwicklung“ des jüdischen Vermögens zu sorgen. Ihm war

„von der nationalsozialistischen Leitung die Aufgabe zugefallen (..), die Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde bzw.

Abwanderung korrekt zu erledigen, bis er 1943 mit seiner Frau als letzte Verbliebene als besondere Vergünstigung

nach Theresienstadt deportiert wurden.“ (Schwä-

gerin Jeanette Kaufmann, 1970)

Sally und Johanna Kaufmann wurden am 25. Juni

1943 nach Theresienstadt deportiert; von dort

wurde Sally Kaufmann am 28. Oktober 1944 mit

dem Transport Ev nach Auschwitz transportiert.

Sally und Johanna Kaufmann wurden beide in

Auschwitz ermordet.

© Dr. Susanne Mauss

Der letzte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Duisburg

Dr. Sally Martin Kaufmann I5. März 1886 Duisburg – Ende 1944 Auschwitz (8. Mai 1945)

Dr. Sally Kaufmann

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„Wir reisen heute nach Theresienstadt und senden Dir

innige Abschiedsgrüße und Küsse. Hoffen auf ein Wiedersehen.“

Sally Kaufmann, 24. Juni 1943

Dr. Sally, Johanna und Walter Kaufmann

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Nachricht an den Sohn über die „Reise“ nach Theresienstadt, Juni 1943

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Unbedenklichkeitsbescheinigung der Gestapo 1940 für RA Kaufmann

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Kleve

Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Kleve

Kurt Levi Neuwahlkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Kleve

Günter Nordheim7. Dezember 1908 Geldern – keine Angaben

Referendar LG Kleve

Paul Oster26. Juni 1900 Alpen – 31. März 1944 (Polen)

Rechtsanwalt AG Moers; LG Kleve

Die niederrheinische Stadt Kleve zählte im Jahr 1933 etwa 200 jüdische Personen zu ihrer Gesamtbevölkerung von

22.000 Einwohnern, also noch nicht einmal 1 %. Die Juden zählten zu den Kaufleuten, Gastwirten und Metzgern;

Akademiker (Ärzte, Juristen) waren an einer Hand abzuzählen.

Der Antisemitismus, der in der ländlichen Region schon vor 1933 weiter verbreitet war als in den größeren Städten des

Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf, nahm nach der nationalsozialistischen Machtergreifung weiter zu. Lediglich von

einem Viertel der 200 jüdischen Bürger ist eine rechtzeitige Emigration belegt.

Beim Landgericht in Kleve wurde nach dem „Gesetz

über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom

7. April 1933 lediglich einem Rechtsanwalt, RA Paul Oster

aus Moers, die Zulassung entzogen.

Paul Oster hatte seine Kanzlei in Moers und war sowohl

beim Amtsgericht Moers wie auch beim Landgericht

Kleve zugelassen. Nachdem er in die Niederlande emi-

griert war, wurde er dort verhaftet und 1943 nach Polen

deportiert, wo sich seine Spur verliert. Das offizielle

Todesdatum wurde auf den 31. März 1944 festgesetzt.

© Dr. Susanne Mauss

Die Schwanenburg mit dem Amts- und Landgericht Kleve in den 30er Jahren (StA Kleve 4708)

April 1933: Vertretungsverbot für Paul Oster in Moers und Kleve

Das Amtsgericht Moers in den 20er/30er Jahren

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Krefeld

Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Krefeld

Dr. Kurt Alexander13. August 1892 Krefeld – 18. Februar 1962 New York

Rechtsanwalt LG Krefeld

Erich Davids21. Juni 1901 Fischeln/Krefeld – 8. Mai 1945 Izbica

Rechtsanwalt LG Düsseldorf; LG Krefeld

Dr. Richard Bernhard Hertz11. Mai 1908 Krefeld – (USA)

Referendar Krefeld

Dr. Alfred Hiller28. April 1895 Mussbach – (USA)

Rechtsanwalt; Syndicus IHK Krefeld

Justizrat Dr. Hugo Kaufmann27. September 1873 Krefeld – 17. Februar 1943 There-

sienstadt

Rechtsanwalt und Notar LG Krefeld

Im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933

waren in Krefeld 1.626 Juden ansässig. (Dies entsprach

etwa 1 % der Gesamtbevölkerung.)

Die Stadt Krefeld selbst galt mit ihrer rheinischen Mentali-

tät als offen und tolerant. Jüdische Bürger alteingesessener,

assimilierter Familien bekleideten hier Posten in Stadtrat,

Handelsgerichten, Handelskammern und Vereinsvorständen.

Als Kaufleute waren die jüdischen Krefelder größtenteils im

Textilbereich (Seidenhandel und Krawattenbranche) tätig.

Die so genannten „Ostjuden“, eine kleine Gemeinde strenggläu-

biger Juden, wurden vom jüdischen Bürgertum als „Außensei-

ter, als eine Bedrohung des guten Zusammenlebens mit der

übrigen Bevölkerung“ gesehen.

Beim Krefelder Landgericht waren im Frühjahr 1933 lediglich

19 % der Anwaltschaft jüdischer Herkunft.

© Dr. Susanne Mauss

Amts- und Landgericht Krefeld am Nordwall 131

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Personenstandskarten der Krefelder Anwälte jüdischer Herkunft

Dr. Jacob Kaufmann26. November 1892 Hüls/Krefeld – 24. September 1942

Auschwitz

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Ernst Levy14. Februar 1900 Krefeld – 1978 Südafrika

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Ludwig Levy15. März 1901 Beckerath – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Paul Levy18. Juli 1904 Krefeld – 1974/1975 Südafrika

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Kurt Löwenthal12. März 1894 Krefeld – (Israel)

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Sally Reiss18. Juni 1879 Krefeld – 23. Juli 1937 Nassau/Lahn

Rechtsanwalt LG Krefeld

Justizrat Dr. Gustav Simon9. Oktober 1857 Werden – 11. Juli 1939 auf dem

Schiff nach Chile

Rechtsanwalt LG Krefeld

Josef Wilczek31. August 1877 Czarnikau – 21. Januar 1943 Lodz

Rechtsanwalt LG Krefeld

Dr. Karl Winter6. Juli 1892 Kempen – 16. September 1959 Israel

Rechtsanwalt AG Kempen; LG Krefeld

Einzug des Aufklärungsregiments VI in Krefeld, Westwall am Rathaus 14.8.1938" (Stadtarchiv Krefeld 8629)

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D17

Kurt Alexander wuchs als Sohn des Lehrers Natan

Alexander und seiner Frau Dina in Krefeld auf. Wäh-

rend seines Jurastudiums in Heidelberg, Bonn und

Berlin war Alexander aktives Mitglied, später im Vorstand

des Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten

jüdischen Glaubens (K.C.) – eine Aufgabe, die er auch in der

Emigration als Vorstand des K.C. in New York bis zu seinem

Tod wahrnahm. In der Öffentlichkeit trat Kurt Alexander am

27. Januar 1914 in Bonn zum ersten Mal als überragender

Redner hervor, als er als erster deutscher jüdischer Student

überhaupt bei der allgemeinen Bonner Studentenfeier die

„Kaiserrede“ halten durfte.

Nach seiner Promotion in Heidelberg im Dezember 1914 und

dem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg, ging Alexander als Syndikus und Schriftführer zum

Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens nach

Berlin. Obwohl er 1922 nach Krefeld zurückkehrte und als Anwalt

beim Landgericht Krefeld zugelassen wurde, blieb er weiterhin

Hauptvorstandsmitglied und von 1937 bis 1938 Vizevorsitzender

des Central-Vereins.

Kurt Alexander ging bereits 1922 eine Sozietät mit dem älteren

Justizrat Dr. Gustav Simon mit Kanzleiräumen an der König-

str. 140 ein. Er wohnte in der Dürerstr. 42. Seine bis 1939 erfolg-

reiche Anwaltstätigkeit ging jedoch immer einher mit dem von

seinem „rheinisch-frohen Gemüt“ getragenen Engagement für

seine Mitmenschen: vom 22. Mai 1924 bis 15. Oktober 1929 war

Kurt Alexander Stadtverordneter in Krefeld, bis zu seiner Emigration

1939 war er im Vorstand der „Niederrhein-Loge“ des Unabhängigen

Ordens B‘nai B‘rith und der Jüdischen Gemeinde Krefelds aktiv, im

Juni 1933 firmierte er als Gründer des Jüdischen Kulturbundes in

Krefeld und auch in der Reichsvereinigung der Juden in Deutsch-

land besetzte er von 1937 bis 1938 einen Präsidiumsposten neben

den führenden Persönlichkeiten des deutschen Judentums wie

Rabbiner Leo Baeck.

Um so mehr erschütterte es Kurt Alexander, als er im Zuge des

Novemberpogroms am 10. November 1938 als einer von etwa

60 Krefelder Juden verhaftet und am 17. November ins Konzentra-

tionslager Dachau

eingeliefert wurde.

Obwohl er Ende

1938 als Konsu-

lent am Krefelder

Landgericht zuge-

lassen worden war,

forcierte er nach

seiner Entlassung aus dem KZ im Dezember 1938 mit seiner zweiten

Frau Agathe die Auswanderung.

Im März 1939 emigrierte das Ehepaar Alexander nach London, wo Kurt

Alexander von 1939 bis 1943 beim Jewish Central Information Office

(später Wiener Library) und von 1943 bis 1949 als Geschäftsführer der

Association of Jewish Refugees arbeitete. Nach der Gründung der Uni-

ted Restitution Organization (URO) und seiner Tätigkeit beim Council

of Jews from Germany in London, übernahm er 1949 den Direktorenpo-

sten der URO New York, der Hilfsorganisation für Wiedergutmachungs-

berechtigte im Ausland.

Während der von ihm gehaltenen Traueransprache für einen K.C.-

Freund brach Kurt Alexander im Februar 1962 tot zusammen – er starb

wie er gelebt hatte: aktiv und seinen Mitmenschen zugewandt.

© Dr. Susanne Mauss

Rheinischer Aktivist für die jüdische Gemeinschaft

Dr. Kurt Alexander13. August 1892 Krefeld – 18. Februar 1962 New York

November 1938: Bittbrief Agathe Alexanders um Haftentlassung ihres Ehemannes aus dem KZ Dachau

„Wir sollten nicht sprechen von Hass und wir sollten nicht sprechen von kollektiver Schuld. (...) Aber es gibt so etwas wie eine Gesamtver-

pflichtung zur Erinnerung. Diese unsere Gruppe und jede Gruppe von jüdischen Menschen, die durch das

Erlebnis in Deutschland hindurchge-gangen sind, darf nicht vergessen.“

Kurt Alexander, Mai 1956 Dr. Kurt Alexander

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Informationen über Kurt Alexander werden an die Gestapo weitergeleitet

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Justizrat Dr. Hugo Kaufmann wuchs im rheinischen Krefeld als Sohn des

Seidenfabrikanten Isaak Kaufmann und seiner Frau Josephine (Sophie)

Julie auf. Nach dem Studium in Berlin und Bonn wurde er am 26. Mai

1899 in Krefeld als Anwalt zugelassen. 1913, 1914 und 1919 wurde Hugo

Kaufmann zum Stadtverordneten der Liberalen Partei gewählt; er war außer-

dem Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg. Hugo Kaufmann wurde 1917 als

einem der letzten preußischen Anwälte der Titel „Justizrat“ verliehen. Zusätz-

lich führte er die Bezeichnung „Fachanwalt für Staats- und Verwaltungsrecht“.

Neben seiner erfolgreichen Anwaltstätigkeit engagierte sich Kaufmann als Vorstandsmitglied in der

Synagogengemeinde Krefeld – von November 1938 bis zu seiner Deportation im Juli 1942 sollte er

der letzte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde sein.

Als die jüdischen Anwälte im Frühjahr 1933 mit dem Vertretungsverbot bedroht wurden, schrieb Kaufmann an das Preußische

Justizministerium: „Ich bin seit dem 26. Mai 1899 ununterbrochen als Rechtsanwalt in Krefeld zugelassen und bin im Weltkriege

vom 8. November 1916 bis zum 1. Mai 1917 Soldat gewesen, und zwar vom 10. Januar 1917 ab an der Front. Meine Zulassung

und Tätigkeit bei Gericht ist auch anläßlich der jetzigen politischen Ereignisse nicht unterbrochen worden: all dies erhellt aus

meinen Personalakten. Daß ich mich niemals kommunistisch betätigt habe, bedarf sonach wohl nicht noch der Hervorhebung.

Eine Rücknahme meiner Zulassung als Rechtsanwalt kann somit nicht stattfinden.“

Hugo Kaufmann blieb weiterhin als Rechtsanwalt in Krefeld zugelassen.

Im November 1938 stellte ihm die Gestapo Krefeld beim OLG-Präsidenten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus: „Der Jude

Justizrat Dr. Hugo Kaufmann ist bereits vor dem Kriege beim hiesigen Amts- und Landgericht als Rechtsanwalt zugelassen worden

und hat mit den Gerichtsbehörden in zurückhaltender Weise gearbeitet. Auch sonst ist er in der Öffentlichkeit nicht unliebsam

aufgetreten, obwohl er in jüdischen Kreisen eine führende Rolle spielt. Gegen die Zulassung des Kaufmann als jüdischer Konsulent

bei den hiesigen Gerichten bestehen in krimineller und polizeilicher Hinsicht keine Bedenken. Von den unlängst getroffenen Mass-

nahmen (Novemberpogrom) gegen

die Juden ist Kaufmann nicht be-

rührt worden.“ Hugo Kaufmann

wurde daraufhin als Konsulent am

Krefelder Landgericht zugelassen.

Hugo Kaufmann und seine Frau Erna

blieben am Nordwall 75 in Kre-

feld wohnen. Der knapp 18-jährige

Sohn Georg Eduard wanderte jedoch

am 11. Februar 1939 nach Groß-

britannien aus. Georg wurde nach

Ausbruch des Zweiten Weltkrieges

von den Engländern 1940 inter-

niert und als Zivilinternierter nach

Australien gebracht. Durch diesen

Umstand war eine Korrespondenz

zwischen Eltern und Sohn auf dem

Wege der Kriegsgefangenenpost

möglich. Hugo Kaufmann litt unter

den Demütigungen des Konsulen-

tendaseins (Verbot des Tragens der

Anwaltsrobe vor Gericht, kein Zugang zu den Anwaltsräumen...), sah jedoch

für sich persönlich nicht die Notwendigkeit der Emigration („Was kann mir

geschehen, ich habe keiner Fliege etwas zuleide getan!“).

Im Frühjahr 1939 musste Kaufmann nach der „Verordnung über den Einsatz

des jüdischen Vermögens“ vom 3.12.1938 unter anderem seine Münzsammlung

für 200,- RM bei der Städtischen Pfandleihanstalt abgeben. Die 289 silbernen

Reichsmünzen und Jubiläumsmünzen gingen Ende 1939 für den tatsächlichen

Schätzwert von 800,- RM an das Stadtmuseum Burg Linn in Krefeld, dem

Hugo Kaufmann im März 1940 auch noch den „mir verbliebenen Rest meiner

Münzsammlung“ übergab.

Am 25. Juli 1942 wurde

das Ehepaar Kaufmann

mit Hugo Kaufmanns

alter Mutter Sophie, die

auf einer Bahre getragen werden musste, mit dem Transport Nr.VII/2, Zug

Da 71 von Aachen nach Theresienstadt deportiert. Nachdem Hugo Kaufmann

sieben Monate Steine klopfen musste, starb er dort im Februar 1944. Seine

Frau Erna wurde am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz transportiert und dort

ermordet.

© Dr. Susanne Mauss

Vom Nordwall nach Theresienstadt

Justizrat Dr. Hugo Kaufmann27. September 1873 Krefeld – 17. Februar 1943 Theresienstadt

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Justizrat Dr. Hugo Kaufmann

Inhaftierungsbescheinigung des Roten Kreuzes von 1959

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Der letzte Brief an Sohn Georg vor der Deportation nach Theresienstadt

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1939: Abgabe der Kaufmann'schen Münsammlung bei der Städtischen Leihanstalt Krefeld

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„Was kann mir geschehen, ich habe keiner Fliege etwas

zuleide getan.“Hugo Kaufmann

Page 19: Der Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf in der Zeit des … · 2014. 4. 30. · Dr. Ossip Kurt Flechtheim 5. März 1909 Nikolajew/RUSSL. – 4. März 1998 Klein-machnow Referendar

D19

Gustav Simon war das jüngste

von acht Kindern des Textil-

kaufmanns Herz Simon und

seiner Frau Bella aus Werden. Seit

1906 war er neben seiner Anwaltstä-

tigkeit in Krefeld Mitgesellschafter

und Rechtsberater des Simon‘schen

Holzverarbeitungswerkes Döllken &

Co. in Werden, das sein Bruder Leo-

pold maßgeblich aufgebaut hatte.

Gustav Simon war seit etwa 1885 als

Anwalt in Krefeld zugelassen. Anläß-

lich seines 70. Geburtstag schrieb die

„Krefelder Zeitung“ im Oktober 1927:

„Während seiner mehr als 40jährigen Anwaltstätigkeit in unserer Stadt hat er sich überall höchstes Ansehen erwor-

ben. Bei allen, die mit ihm in Berührung kommen, (...) ist er gleichermaßen geschätzt und beliebt. Sein klares Urteil,

seine umfassende Rechtskenntnis, sein energisches Eintreten für die ihm anvertrauten Interessen haben seinen Ruf

begründet und gefestigt.“

Gustav Simons Kanzlei befand sich an der Königstr. 140 (seit 1922 als

Gemeinschaftspraxis mit Dr. Kurt Alexander); er wohnte mit seiner

Frau Elise Sofie und den drei Töchtern in der Hohenzollernstr. 84.

Neben seinen Posten als Vorsitzender des Verbandes der Seidenfärbe-

reien und des Verbandes der Krawattenfabrikanten fungierte Gustav

Simon seit dem 5. April 1917 als Vorsitzender des Krefelder Anwalts-

vereins. (Von 1919 bis 1933 war er der Vertreter der Krefelder Anwalt-

schaft in der RAK Düsseldorf.)

Der spätere Stadtdirektor und Rechtsanwalt Walther Höller beschrieb

Simon als einen „gepflegten älteren Mann, rundlich, grau, nicht weiß,

hatte ein liebenswürdiges Auftreten. (...) Als Vorsitzender war Simon

etwas zeremoniell.“

Bereits in der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins

der Krefelder Anwälte nach der nationalsozialistischen Machtergrei-

fung hatte Justizrat Simon am 9. Februar 1933

seinen Rücktritt vom Posten des Vorsitzenden

aus „Alters- und Gesundheitsgründen“ ange-

kündigt. Auf der ausserordentlichen Mit-

gliederversammlung vom 23. Februar 1933

wurde daraufhin eine Satzungsänderung vor-

genommen und Gustav Simon einstimmig

zum Ehrenvorsitzenden ernannt – eine für

Anfang 1933 ungewöhnliche Geste der Aner-

kennung gegenüber einem Kollegen jüdischer

Herkunft.

Als den jüdischen Anwälten Anfang April

1933 (bis auf Kaufmann und Alexander) die

Zulassung beim Krefelder Landgericht entzo-

gen wurde, setzte sich Landgerichtsdirektor

Schleipen vehement für die Wiederzulassung

Simons ein. Nach dem „Gesetz über die Zulas-

sung zur Anwaltschaft“ vom 7. April 1933

war Gustav Simon jedoch per se weiter als

„Altanwalt“ zugelassen.

Gustav Simon erkannte die zunehmende

Gefahr für die Juden durch den Nationalso-

zialismus, und zollte der fortschreitenden Ausgrenzung der Juden Rechnung. Trotz seines hohen Alters und seiner

immensen Sehbehinderung wollte er Deutschland noch Ende der 30er Jahre verlassen. Im Juni 1938 gab er daher seine

Anwaltszulassung zurück und meldete sich am 20. Mai 1939 mit seiner Frau beim Einwohnermeldeamt mit dem Ziel

Santiago de Chile ab. Auf der Überfahrt nach Chile ist Justizrat Dr. Gustav Simon auf dem Schiff in die Emigration, dem

Weg in die Freiheit gestorben.

© Dr. Susanne Mauss

Vertreter der Krefelder Anwaltschaft bis 1933

Justizrat Dr. Gustav Simon9. Oktober 1857 Werden/Ruhr – 11. Juli 1939 (Schiffsreise nach Chile)

Verein der Rechtsanwälte Krefeld mit seinem Vorsitzenden JR Dr. Gustav Simon 1925 (erste Reihe, 3. von rechts)

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Juni 1938: Gustav Simon beantragt seine Löschung aus der Anwalts-liste

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Der Krefelder LG-Präsident setzt sich für Gustav Simon ein

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Mönchengladbach

Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Mönchengladbach

Grete Baum (Grete Chanachowicz)9. März 1908 Gladbach – (Israel)

Referendarin Gladbach-Rheydt

Karl Bellerstein11. Mai 1909 Wuppertal-Elberfeld – (Schweiz)

Referendar Gladbach-Rheydt

Justizrat Dr. Fritz David2. März 1865 Krefeld – 19. Oktober 1941 Gladbach

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Heinrich Falkenstein7. April 1908 Hochneukirch – Oktober 1972 USA

Referendar Gladbach-Rheydt

Als die Nationalsozialisten Anfang 1933 die Macht im

linksrheinischen Gladbach-Rheydt übernahmen, lebten

in der zusammengesetzten Stadt etwa 1.250 Juden bei

einer Gesamtbevölkerung von 201.987 Personen – nicht einmal

1 %. Zum 31. Juli 1933 wurden die beiden Städte wieder in die

Stadtkreise München Gladbach, kurz M. Gladbach, und Rheydt

aufgeteilt. (Joseph Goebbels, gebürtiger Rheydter, soll an dieser

Trennung interessiert und beteiligt gewesen sein.)

Am Landgericht Glad-

bach-Rheydt waren zu

Beginn des Jahres 1933

rund 50 Rechtsanwälte

zugelassen – von ihnen waren acht Anwälte jüdischer Herkunft. Keiner

dieser acht Anwälte wurde Opfer der nationalsozialistischen „Endlösung“.

Konsulent Isidor Fürst war zwar noch im November 1944 in ein Arbeits-

lager nach Berlin deportiert worden, kehrte aber im August 1945 nach

M. Gladbach zurück. Die anderen Anwälte konnten vor Kriegsbeginn

1939 aus M. Gladbach und Rheydt ins schützende Ausland entkommen.

© Dr. Susanne Mauss

Das Landgericht Gladbach-Rheydt nach 1930

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13. März 1933 Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Gladbacher Rathaus

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Isidor Fürst25. Oktober 1876 Frankenberg – 16. März 1956

Mönchengladbach

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Dr. Ernst Ganz10. Juli 1882 Bünde – 5. Mai 1954 Whitchurch/GB

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Dr. Theo Heymann22. Mai 1895 Odenkirchen – (Brasilien)

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Dr. Erich Jakobsohnkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Josef Joseph9. November 1882 Altenbamberg – 23. November 1945

Philadelphia/USA

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Dr. Hugo Lebach23. Januar 1903 Adorf/Waldeck – (Südafrika)

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

Dr. Ernst Plaut15. Dezember 1899 Kassel – 1945 London

Rechtsanwalt; Syndicus

Sally Vohssen12. April 1883 Hochneukirch – 6. Februar 1939 Haifa

Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt

JR Dr. Fritz David

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Moritz Ernst Ganz

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Dr. Theo Heymann

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24. April 1933 Joseph Goebbels spricht von der Treppe des Rheydter Rathauses

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D21

Isidor Fürst wurde als Sohn des Kaufmanns Falk Fürst in Frankenberg a.d. Eder

(Hessen) geboren, wuchs in Marburg auf und studierte bis 1899 Jura in Kassel.

Nach dem bestandenen Assessorexamen in Berlin wurde Fürst am 5. Dezember

1905 beim Amtsgericht Gladbach zugelassen, am 19. Juni 1906 beim M. Gladba-

cher Landgericht. Im Ersten Weltkrieg wurde er am 5. August 1914 eingezogen und

diente bis zum 9. November 1918 beim Ersatzbataillon des Landwehrinfanteriere-

gimentes Nr. 25.

Nach dem Krieg nahm Fürst seine Rechtsanwaltstätigkeit in der Gladbacher Bis-

marckstr. 39 wieder auf, dann für einige Zeit in der Nr. 102, bis die Familie Fürst

im Haus Bismarckstr. 73 sowohl Kanzlei wie Wohnung fand. Isidor Fürst hatte die

Gladbacher Katholikin Christine (Tinny) Fredloh geheiratet und mit ihr drei Söhne

bekommen. Politisch trat er in Gladbach nicht sonderlich in den Vordergrund –

1924 war er Vorsitzender des „Vereins jüdischer Bürger“ gewesen, seit 1926 Mitglied

im Vorstand der „Walther-Rathenau-Loge“.

1933 blieb Isidor Fürst als Rechtsanwalt zugelassen. Im Februar 1937 musste er sich vor dem M. Gladbacher Amtsge-

richt für zwei Ohrfeigen verantworten, die er einem 9-jährigen „arischen“ Flegel verpasst hatte, der an seinem Haus

den Verschluss des Wasserleitungsrohrs mutwillig beschädigt hatte. Als den jüdischen Rechtsanwälten im Zuge der

„5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 27. September 1938 die Zulassung zum 30.11.1938 entzogen wurde,

konnte Isidor Fürst als einziger Konsulent am Landgericht Gladbach-Rheydt seiner Anwaltstätigkeit weiter nachgehen.

Er vertrat nun die Belange der noch in Gladbach und Rheydt verbliebenen Juden primär in Auswanderungs- und zuneh-

mend auch in Vermögensangelegenheiten vor Deportationen.

Fürst selbst blieb – auch durch die „privilegierte Mischehe“ geschützt – bis zum Jahr 1944 von Verfolgungsmaßnahmen

verschont. Er sollte mit Gustav Brück aus Wuppertal der am längsten zugelassene Konsulent im OLG-Bezirk Düsseldorf

bleiben. Sohn Günter Fürst (*1926) konnte noch im Juli 1941 in die USA emigrieren, der Sohn Heinz (*1919) wurde

jedoch am 22. April 1942 mit seiner Frau Eva nach Izbica deportiert. Der jüngste Sohn, Hanns (*1938), war katholisch

getauft und blieb mit seiner Mutter Christine bis 1945 unbehelligt.

Das Haus Bismarckstr. 73 wurde zu einem der Gladbacher

„Judenhäuser“. Isidor Fürst musste den Judenstern, das öffentlich

sichtbare Zeichen der sozialen Ausgrenzung, tragen. Christine

Fürst hatte sich zwar im Januar 1942 hinsichtlich der „Polizeiver-

ordnung über die Kennzeichnung der Juden“ mit einem Bittbrief

an den Justizminister in Berlin gewandt, um „die Gefühle und

Interessen der Frau und des Kindes des Juden zu schonen“ und

ihrem Mann das Tragen des „Juden-Kennzeichens“ zu erlassen,

war jedoch nicht erfolgreich.

Im Jahr 1942 beschwerte sich ein Rechtsanwalt und „Treuhänder

des jüdischen Grundbesitzes im Kreise Düren“ bei der Gestapo

Aachen über Isidor Fürst und fügte am Ende des Briefes an: „Bei

dieser Gelegenheit verfehle ich nicht, die geheime Staatspolizei

davon in Kenntnis zu setzen, daß der Konsulent Fürst bei allen

Schreiben an mich es unterläßt, seinem Briefaufdruck und seiner

Unterschrift den vorgeschriebenen Zunamen Israel hinzuzufü-

gen. Dasselbe ist der Fall bei Briefen an Pächter von Judengrund-

stücken, die mir von den Empfängern weitergeleitet worden sind.

Heil Hitler!“

Fürst wurde daraufhin von der Gestapo in seine Schranken gewiesen („26.5.42: Hatte Unterlagen über die Bestallung

eines Deutschblütigen als Treuhänder angefordert. Wurde verwarnt.“). Die Gestapostelle Düsseldorf bestätigte aber, dass

Fürst den Zusatz „Israel“ nicht führen musste. („Gleichzeitig bitte ich, die Rechtsanwälte D. in Düren zu unterrichten,

daß der Vorname ,Isidor‘ (..) als jüdischer Vorname gilt und Fürst den zusätzlichen Vornamen ,Israel‘ nicht zu führen

braucht.“)

Kurz vor Kriegsende boten auch die Mischehen

keinen Schutz mehr vor Deportationen. Isidor Fürst

wurde noch am 17. September 1944 verhaftet und

in das Arbeits- und Sammellager „Iranische Str. 2,

Berlin“ (Jüdisches Krankenhaus) deportiert. Nach

der Befreiung durch die Alliierten im Mai 1945

kehrte Isidor Fürst am 1. August 1945 nach M.

Gladbach zurück.

Am 27. September 1945 wurde er wieder als

Rechtsanwalt zugelassen.

© Dr. Susanne Mauss

Der letzte linksrheinische Konsulent

Isidor Fürst25. August 1876 Frankenberg – 16. März 1956 Mönchengladbach

Das Haus der Familie Fürst in der Bismarckstr. 73 im Jahr 1945

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1955 konnte Isidor Fürst auf seine 50jährige Anwaltszulassung in Mönchengladbach zurückblicken

Rechtsanwalt Isidor Fürst

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D22

Josef Joseph, im linksrheinischen Rheydt der „doppelte Jupp“

genannt, wurde als Sohn des Weingutbesitzers Ludwig Joseph

und seiner Frau Elisabeth in Altenbamberg bei Bad Kreuznach

geboren. Er war als Vizefeldwebel im Ersten Weltkrieg an der Front,

später als Richter am Militärgericht in Köln. 1918 ließ er sich als

Anwalt in der Hauptstr. 13 nieder, ab Mitte der 20er Jahre in einer

sehr erfolgreichen Sozietät mit Dr. Theo Heymann in der Strese-

mannstr. 32.

Anfang der 20er Jahre verkehrten in seinem Haus viele junge Künst-

ler und Literaten, u.a. auch der spätere Reichspropagandaminister

Joseph Goebbels, dem der Namensvetter Joseph häufiger unter die

Arme griff. Am 22. August 1927 heiratete Josef Joseph die Tochter

des Textilfabrikanten David Salmon aus Odenkirchen, Lilly Salmon.

Das Ehepaar zog in das Haus Freiheitstr. 31 und bekam im Juni 1928 eine Tochter.

Nach der Machtergreifung 1933 konnte die Kanzlei Joseph/Heymann aufgrund der Tatsache, dass beide Anwälte im Ersten Weltkrieg

für das Deutsche Reich an der Front gekämpft hatten, vorerst weiter existieren. Ende 1933 wurde Joseph dann bei der Anwaltskammer

als „kommunistisch gesinnt“ denunziert, woraufhin er dem Preußischen Justiz-

ministerium einen Brief mit 12 Leumundszeugnissen sandte: „Ich glaube daher

hervorheben zu dürfen, glaube auch durch die überreichten Belege genügend

bewiesen zu haben, dass ich in durchaus staatserhaltendem Sinne – fern von

aller Politik und insbesondere fern aller kommunistischen Gesinnung mich

erwiesen habe. (...) Von alledem (..) kann natürlich der Herr Gewährsmann (der

Anwaltskammer) nichts wissen, weil er nicht von hier ist und mich persönlich

viel zu wenig kennt. Sein Urteil ist ein rein gefühlsmässiges und ist so, wie

man es heutzutage vielfach allgemein über jüdische Akademiker hört.“ Ein

Mandant bezeugte am 12.12.1933: „Ich habe nie etwas Nachteiliges über Sie

gehört und die gute Meinung, die ich von vielen Leuten, auch jetzt führenden

Nationalsozialisten Rheydts hörte, haben Sie vollauf bestätigt. (..) Ich tue dies

(Schreiben des Briefes) nicht als, sondern weil ich Nationalsozialist bin.“

Ins Visier der Staatspolizei geriet Joseph wiederholt als Vorsitzender der

„Walther-Rathenau-Loge“, deren Treffen bespitzelt wurden. Noch bevor die

B‘nai B‘rith-Loge am 28.12.1937 im Gladbacher Vereinsregister gelöscht

wurde, durchsuchte die Gestapo im April 1937 das Haus von Joseph und beschlagnahmte etliche Logen-, aber auch private Unterlagen.

Sie wurden vom SD eingezogen. Nach seinem 56. Geburtstag am 9. November wurde Josef Joseph am 10. 11. 1938 in zweiwöchige

Schutzhaft genommen, das Haus an der Freiheitstrasse verwüstet. Als Joseph die anwaltliche Zulassung zum 30.11.1938 entzogen

wurde, musste die Familie ihre bereits eingeleitete Emigration schnellstens vorantreiben. Tochter Liesl fragte später: „Der 10. Novem-

ber 1938 war das Ende meiner Kindheit. (...) Haben Sie eine Vorstellung davon, was eine Familie durchmachte, wenn ihr Vermögen

beschlagnahmt wurde, alle Wertsachen abgegeben werden mussten, Juden aus ihren Berufen und Arbeitsstellen entlassen wurden

und es ihnen verboten war, ihr Brot zu verdienen?“

Das Affidavit für die Ausreise der Familie Joseph in die USA kam wenige Tage später. Aufgrund einer Mandelentzündung Liesls wurden

die erforderlichen Visa nicht ausgestellt, ein Umweg über Kuba notwendig. Familie Joseph schiffte sich am 13. Mai 1939 im Hamburger

Hafen auf der St. Louis nach Havanna/Kuba ein. Aufgrund des neuen Kubanischen Gesetzes 937 sollte die St. Louis jedoch keine Lan-

deerlaubnis mehr erhalten. An Bord des HAPAG-Liners wurde daraufhin ein Bordkomitee mit Josef Joseph als Vorsitzendem geschaffen.

Dieses Komitee sollte für Ruhe unter den Passagieren sorgen und gemeinsam mit Kapitän Schröder die Verhandlungen von jüdischen

Hilfsorganisationen mit alternativen Einwanderungsländern unterstützen. Die St. Louis ging am 27. Mai 1939 in Havanna vor Anker

– die 907 Juden aus Deutschland wollte kein Land aufnehmen. Goebbels tönte im Rundfunk: „Da niemand die schäbigen Juden der

,St. Louis‘ haben will, werden wir sie zurücknehmen und versorgen müssen.“ Am 11. Juni musste das Schiff nach Deutschland zurück-

kehren. Meuterei- und Selbstmorddrohungen der jüdischen Passagiere verschärften die Stimmung an Bord. Am 14. Juni erklärten sich

die Regierungen Englands, Hollands, Belgiens und Frankreichs bereit, die Flüchtlinge aufzunehmen.

In Antwerpen gelandet, kam die Familie Joseph nach Großbri-

tannien, wo Josef Joseph nach Kriegsbeginn interniert wurde.

Im September 1940 konnten sie endlich in die USA auswan-

dern, wo sie in Philadelphia eine neue Heimat fanden. Die

erste Zeit war schwer. Lilly Joseph musste als Hausmädchen

arbeiten, Josef Joseph in einem Lebensmittelgeschäft Obst und

Gemüse abwiegen. Sein Engagement für andere blieb jedoch

ungebrochen: er schrieb für eine deutschsprachige Zeitung in

Philadelphia, unterstützte die Arbeit des „Central Clubs“ (einer

deutsch-jüdischen Emigrantenvereinigung) und den Aufbau

der Congregation Tikvoh Chadashoh, einer Synagogengemein-

de aus deutschen Emigranten und Überlebenden.

© Dr. Susanne Mauss

Freiheitsstr. 31, das Haus der Familie Josef

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Der „doppelte Jupp“ aus Rheydt

Josef Joseph9. November 1882 Altenbamberg – 23. November 1945 Philadelphia

Josef Joseph mit Ehefrau Lily und Tochter Liesel Ende der 20er Jahre

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Der amerikanische Passagierdampfer "St.Louis", auf dem etwa 900 jüdische Flüchtlinge Mitte 1939 nach Kuba emi-grieren wollten, jedoch eine Irrfahrt über den Atlantik zurück nach Europa erlebten.

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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Wuppertal

Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Wuppertal

Dr. Siegfried Aaron11. Januar 1887 Velbert – 18. April 1945 auf dem

Transport von Bergen-Belsen nach Tröbnitz

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Leo Adlerstein5. Juli 1907 Elberfeld – keine Angaben

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Erich Altgenug24. April 1894 Essen – (Brasilien)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Gustav Brück2. Januar 1877 Bad Kreuznach – 15. Mai 1956

Wuppertal

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Coppelkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Hans FeistWuppertal – London

Referendar Wuppertal

Dr. Walter Fischer8. März 1889 Berlin – (Israel)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Richard Goldbergkeine Angaben

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Hans Goldschmidt10. November 1881 Elberfeld – 12. Februar 1940

Lingfield/GB

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung

1933 lebten in Wuppertal 2.471 Juden (Volkszählung

vom 16.6.1933), etwa 0,6 % der Gesamtbevölkerung.

Diese 0,6 Prozent waren größtenteils alteingesessene Familien

der Stadt im Bergischen Land und setzten sich aus allen Bevöl-

kerungsschichten und Berufsgruppen zusammen.

1934 konstatierte Fritz Jorde, Verfasser der Geschichte der

Juden in Wuppertal: „Die geringe Stärke des jüdischen Bevöl-

kerungsanteils in Barmen ist aus dem Überwiegen (und der

Art) der Industrie in Barmen gegenüber dem Zurücktreten der

Industrie und dem Überwiegen des Handels in Elberfeld erklär-

lich, ist doch der Elberfelder Tex-

tilhandel eine jüdische Domäne

geworden. Über dies hielt sich

ihrer ganzen Art nach die Barmer christliche Bevölkerung den Juden gegenüber mehr

zurück, woraus es sich wiederum erklärt, daß eine Durchsetzung der christlichen Familien

mit jüdischem Blut hier in sehr viel geringerem Grad zu verzeichnen ist als in Elberfeld.“

Zum 1. April 1933 hatte die Wuppertaler NSDAP-Kreisleitung bereits ein Heft (das so

genannte „Boykottheft“) herausgegeben, in dem „nur für den Dienstgebrauch bestimmt“

848 Wuppertaler Juden mit ihren Berufen auf-

gelistet waren – unter ihnen auch 16 Rechts-

anwälte jüdischer Herkunft mit Berufsbezeich-

nung und Anschrift...

Die „Barmer Zeitung“ gab am 3. April 1933

bekannt, dass entsprechend „der Schlüsselzahl

der jüdischen Bevölkerung (..) noch einige

jüdische Anwälte zugelassen werden, und zwar

an den Wuppertaler Gerichten Rechtsanwalt

Goldschmidt, Elberfeld, und daneben für die

Kammer für Handelssachen in Barmen Rechts-

anwalt Orgler.“

© Dr. Susanne Mauss

Landgericht Wuppertal mit Schwebebahn, 20er/30er Jahre

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Das „Boykottheft“ der Wuppertaler NSDAP von 1933

Ludwig Heymann31. Januar 1902 Essen – 22. Januar 1945 Bergen-Belsen

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Hugo Israel29. Juni 1893 Langenberg – 28. September 1944 Au-

schwitz

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Heinrich (Heinz) Gustav Kahn (Henry Kahn)27. April 1902 Eberfeld – (USA)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Alfred Kann10. September 1890 Wuppertal – 1. Oktober 1943

(Minsk)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Fritz Levy23. Mai 1874 in Elberfeld – 7. Mai 1936

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Hans-Joachim Orgler2. Juli 1907 Barmen – (Stockholm)

Referendar Wuppertal

Kurt Orgler30. Dezember 1873 Oppeln/OS – 8.5.1945 Auschwitz

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Paul Rottenstein30. März 1893 Elberfeld – 18. November 1952 Cleve-

land/USA

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Karl Salomon22. April 1902 in Elberfeld – 17. März 1966 Brookline/

USA

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Erich Schlesinger7. März 1901 Hagen – 2. August 1979 Wuppertal

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Hans Simon6. November 1902 Barmen – (Chile)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Adolf Wahl6. Januar 1875 Barmen – 1. Januar 1963 Wuppertal

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Adolf Weinberg21. Mai 1900 Erkelenz – keine Angaben

Rechtsanwalt AG Remscheid; LG Wuppertal

Julius Weinberg19. Oktober 1892 Peckelsheim – (USA)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Dr. Paul Wetzstein20. April 1886 Elberfeld – 11. Januar 1955 Brookline/

USA

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Windmüllerkeine Angaben – (Palästina)

Rechtsanwalt LG Wuppertal

Alter Markt in Barmen, 1938 umbenannt in Horst-Wessel-Platz, Ende der 30er Jahre (Stadtarchiv Wuppertal)

Vertretungsverbot für Wuppertaler Anwälte, April/Mai 1933

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Gustav Brück wurde 1877 in Bad Kreuznach geboren und war seit 1904

beim Wuppertaler Landgericht als Anwalt zugelassen. Seine Anwalts-

kanzlei befand sich auf der „Allee“ 82/84 in Elberfeld, die schon Anfang

1933 in Adolf-Hitler-Straße umbenannt worden war. Gustav Brück wurde als

„Altanwalt“ 1933 nicht von der Anwaltstätigkeit ausgeschlossen. Nach dem

30. November 1938 wurde er am Wuppertaler Landgericht als einer von drei Kon-

sulenten zugelassen.

Verheiratet mit Johanna Maria Brück, geborene Jung, wohnte er in der Wortmann-

str. 38, 1942 in der Stephanstr. 9. Durch die „privilegierte Mischehe“ geschützt,

konnte er bis 1944 als Konsulent tätig bleiben.

Gustav Brück bekleidete seit 1926 das Amt des Vorsitzenden der Jüdischen

Gemeinde Wuppertal. Als solcher musste er am 12. Juli 1942 auf Weisung der

Gestapo Rundschreiben unterzeichnen, die den Empfängern ihren Transport nach Theresienstadt ankündigten. 265 Per-

sonen, darunter 248 Wuppertaler Bürger, mussten sich am 20. Juli 1942 um 8:30 Uhr am Bahnhof Wuppertal-Steinbeck

einfinden, um über Düsseldorf-Derendorf in einem so genannten „Altentransport“ weiter nach Theresienstadt depor-

tiert zu werden. Jeder Person wurde Gepäck von 25 kg zugebilligt, ebenso war für Marschverpflegung für acht Tage zu

sorgen; spätestens bis zum 15. Juli musste bei der Gestapo eine Vermögenserklärung vorgelegt und 65,- RM Fahrgeld

bezahlt werden. Dieses Rundschreiben, das im Namen der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“. Bezirksstelle

Rheinland in Wuppertal-Elberfeld, Straße der SA 73 (heute: Friedrich Ebert-Straße), versandt worden war, endete mit:

„Es ist zwecklos, Rückstellungsanträge einzureichen, da sie nicht berücksichtigt werden können.“

Nachdem mit Kurt Frank im Oktober 1943 der letzte Düsseldorfer Konsulent verhaftet und im Mai 1944 nach Ausch-

witz deportiert worden war, musste Brück auch dessen Aufgaben übernehmen. Gustav Brück wurde jedoch ebenso am

17. September 1944 als einer von 27 Wuppertalern in die Arbeitslager der „Organisation Todt“ verschleppt. Er kam

zunächst in ein Arbeitslager Lenne bei Vorwohle im Weserbergland. Kurz darauf wurde Brück

nach Berlin ins Arbeits- und Zwischenlager „Iranische Straße 2“ des Jüdischen Krankenhauses

gebracht.

Das Jüdische Krankenhaus in Berlin glich

zu diesem Zeitpunkt eher einem Ghetto

als einem Hospital; es war für viele Ber-

liner Juden, für „Untergetauchte“, zur

Zufluchtsstätte geworden. Hier sollen bis

zur Befreiung 1945 durch die sowjetische

Armee 800 bis 1.000 Menschen versteckt

überleben. Im Februar 1945 lebten 5.069

Menschen auf dem Areal des Jüdischen

Krankenhauses. Gustav Brück wurde

schnell in das Leben des Lagers einge-

bunden und für die letzten Monate zum

„Lagerchef“ ernannt.

Nach der Befreiung im Mai 1945 und seiner Rückkehr nach Wup-

pertal gründete Gustav Brück bereits im Herbst 1945 mit 150

Überlebenden die neue „Jüdische Kultusgemeinde Wuppertal“, der

er als Vorsitzender, später als Ehrenvorsitzender vorstand. Brück

engagierte sich trotz seines Alters und seiner angeschlagenen

Gesundheit für die Belange nicht nur seiner jüdischen Gemeinde-

mitglieder, sondern gehörte auch dem ersten Wuppertaler Stadt-

parlament an.

© Dr. Susanne Mauss

Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde für ein Vierteljahrhundert

Dr. Gustav Brück2. Januar 1877 Bad Kreuznach – 15. Mai 1956 Wuppertal

Zulassung als Konsulent im Dezember 1938

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Zulassung als Konsulent im Dezember 1938

Rechtsanwalt Gustav Brück

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Rechtsanwalt Hugo Israel wurde 1893 als

Sohn von Hyman und Regina Israel in Lan-

genberg/Rheinland geboren. Er war beim

Landgericht Wuppertal als Rechtsanwalt zugelas-

sen. Israel heiratete die Lehrerin Hedwig (Hede)

Baruch aus Berlin und lebte von 1933 bis 1941

im Haus Kleine Klotzbahn 12, wo sich auch seine

Kanzlei befand. 1941 musste die Familie Israel in

ein so genanntes „Judenhaus“ an der Brillerstr. 34

ziehen.

Rechtsanwalt Hans Goldschmidt aus Elberfeld,

Vertrauensanwalt der jüdischen Anwälte des OLG-

Bezirks Düsseldorf, hatte bereits am 1. November

1938 hinsichtlich der Zulassung jüdischer Konsu-

lenten nach dem 30.11.1938 beim OLG-Präsidenten vermerkt:

„Dass die Betreuung von Rechtsschutzbedürfnissen durch Juden auch

nach dem 30. November notwendig sein würde, und zwar zum mindesten

vorübergehend – nämlich solange Juden in Deutschland sind – darauf hat

die 5. Verordnung Rücksicht genommen, (...) Die Situation der jüdischen

Bevölkerung in Deutschland und natürlich auch im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf wird gekennzeichnet durch

die behördliche Ausnahme-Gesetzgebung und die damit zusammen hängende Auswanderungs-Tendenz der Juden.

(...) Die Auswanderung ist die von der Staatsführung vorgesehene Lösung der Judenfrage. Unerlässlich ist bei der

Auswanderung die sachgemässe Betreuung des Rechtsberaters. (...) Ich bitte darum, alle auf Grund der 5. Verordnung

ausscheidenden jüdischen Anwälte als Konsulenten zuzulassen, soweit sie einen entsprechenden Antrag

stellen. Die Zeit wird auch ohne weitere behördliche Eingriffe die Zahl der Konsulenten schnell weiter

verringern – durch Tod, Auswanderung und freiwillige Aufgabe, wenn dieser Beruf aufhört, notwendig

zu sein.“

Hugo Israel wurde 1938 als einer von drei Konsulenten beim Landgericht Wuppertal zugelassen. Bereits

am 21. April 1942 wurde seine 18-jährige Tochter Eva mit 63 weiteren Wuppertalern nach Izbica depor-

tiert.

Hugo und Hedwig Israel wurden

im Juli 1942 nach Theresienstadt

deportiert. In der „Teilnehmerliste

Transport Düsseldorf Theresienstadt

20.7.1942“ ist mit einem hand-

schriftlichen Zusatz vermerkt, dass

auch Hedwigs 77-jährige Mutter,

Regina Baruch, „evakuiert“ wurde

(„Israel Rechtsanwalt. Mann, Frau, Schwiegermut-

ter „Baruch“, Wuppertal-Elberfeld, Brillerstr. 34“).

Hedwig Israel starb am 3. August 1943 in There-

sienstadt, Hugo Israel wurde am 28. September

1944 mit der Häftlingsnummer 1219 nach Ausch-

witz weitertransportiert und dort ermordet.

© Dr. Susanne Mauss

Wuppertal - Theresienstadt - Auschwitz

Hugo Israel29. Juni 1891 Langenberg – 28. September 1944 Auschwitz

“Page of Testimony“ der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem für Hugo Israel

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„Die Zeit wird auch ohne weitere behördliche Eingriffe die Zahl

der Konsulenten schnell weiter ver-ringern – durch Tod, Auswanderung

und freiwillige Aufgabe, wenn dieser Beruf aufhört, notwendig zu sein.“

RA Hans Goldschmidt, 1.11.1938

Rechtsanwalt Hugo Israel aus Wuppertal-Elberfeld, 1934

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Tochter Eva, * 4. April 1927 in Wuppertal, wurde am 21. April 1942 nach Izbica deportiert

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Deportiert aus „Heim und Heimat“

Rechtsanwalt Kurt Orgler, Sohn von Jonas und Lina Orgler, war seit 1905/1906 beim Wuppertaler

Landgericht mit Kanzlei an der Uferstr. 6 zugelassen. Er lebte mit seiner Frau Adele, geborene Blu-

menthal, und den vier Kindern Hans-Joachim (*1907), Eva (*1910), Franz (*1914) und Marie-Luise

(*1916) in Barmen, Untere Lichtenplatzer Str. 80.

Kurt Orgler war ab 1931 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Barmen. 1938 wurde

er als Konsulent beim Wuppertaler Landgericht zugelassen. Die vier Orgler-Kinder

konnten noch vor Kriegsbeginn 1939 ins rettende Ausland (Schweden, Großbritannien

und Argentinien) emigrieren, den Eltern gelang die Auswanderung nicht mehr. Noch am

1. Juni 1942 mussten sie in die Emilstr. 3 in eines der Wuppertaler „Judenhäuser“ umzie-

hen. Bereits am 20. Juli 1942 wurden sie dann mit dem Transport VII/1 von Wuppertal

über Düsseldorf nach Theresienstadt deportiert.

Am Tag vor der Abreise verabschiedeten sich Kurt und Adele Orgler von ihren Kindern

mit einem Brief: „Geliebte Kinder! Da man uns nicht die Möglichkeit gegeben hat, zu

Euch zu kommen, so müssen wir heute von Euch Abschied nehmen. Wir verlieren Heim

und Heimat u. Ihr das Elternhaus. Es ist uns schwer ums Herz. Wir haben stets Euer

Glück im Auge gehabt. Darum soll auch in diesem Augenblick das Schwere, welches

uns bevorsteht, hinter die Sorge um Euch zurücktreten. Möge Gott Euch unter seinen

Schutz nehmen. Haltet treu

zusammen, dann wird einer

den andern stützen. (...)

Wir hoffen, dass Ihr die

Möglichkeit haben werdet,

uns zu schreiben u. zu

schicken. (...) nun lebt wohl

geliebte Kinder. Möge Gottes Segen Euch auf

Euren ferneren Wegen begleiten. In inniger

Liebe Vater und Mutter“

Kurt Orgler wurde am 28. Oktober 1944 mit

dem Transport Ev von Theresienstadt in das

Vernichtungslager Auschwitz weitertranspor-

tiert; das genaue Todesdatum von Kurt und

Adele Orgler konnte nicht ermittelt werden.

© Dr. Susanne Mauss

Rechtsanwalt Kurt Orgler aus Wuppertal-Barmen

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Kurt Orgler30. Dezember 1873 Oppeln/OS – 1944/1945 (8. Mai 1945) Auschwitz

“Page of Testimony“ der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem für Kurt Orgler - ausgefüllt von seiner TochterMarie-Luise

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Propaganda-Fotomontage anläßlich der Volksabstimmung über den "Anschluss" Österreichs im April 1938 (Stadtarchiv Wuppertal)

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