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Der neue Vorstand handelte rasch und gab bereits am 15. Mai 1933 „Richtlinien“ hinsichtlich des
Umgangs mit jüdischen Anwälten und Mandanten heraus. Jegliche Zusammenarbeit mit den nun
auch aus den bestehenden Anwaltsvereinigungen ausgeschlossenen jüdischen Anwälten galt als
standeswidrig.
Die Vertretungsverbote der jüngeren Anwälte, keine Neuzulassungen zur Anwaltschaft und die
zunehmende Emigration führte zu einer schnellen Überalterung der jüdischen Anwaltschaft. Als
ihr im November 1938 end-
gültig die Anwaltszulassung
entzogen wurde, gab es im
OLG-Bezirk Düsseldorf noch
41 jüdische Anwälte.
© Dr. Susanne Mauss
Durch das „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“, das gleichzeitig mit dem
„Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 7. April 1933 erlassen worden war,
wurde Anwälten, die nicht „arischer Abstammung“ waren, die Zulassung entzogen. Unter die
Ausnahmeregelung fielen die „Altanwälte“, die vor 1914 zugelassen waren, „Frontkämpfer“ im
Ersten Weltkrieg oder direkte Angehörige von im Ersten Weltkrieg Gefallenen.
Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Düs-
seldorf und der Düsseldorfer Anwalts-
vereins zollten diesen immensen Verän-
derungen durch Rücktritt ihrer Vorstän-
de schnellstens Rechnung. Der Vorstand
der RAK tat dies in vorauseilendem
Gehorsam bereits am 25. März 1933 und
kündigte Neuwahlen an. Der 22. April
1933 wurde jedoch vom Preußischen
Justizministerium zentral für alle Kam-
mern festgesetzt. Ziel der Berliner neuen Politik war die „Gleichschaltung“ der
Anwaltskammern.
In Düsseldorf erschienen zu dieser Kammerversammlung zwar nur etwa
die Hälfte der „arischen“ Mitglieder, jedoch alle Würdenträger aus Justiz
(Oberlandesgerichtspräsident, Generalstaatsanwalt, fast alle Landgerichts-
präsidenten u.a.), Stadtverwaltung (Oberbürgermeister, Polizeipräsident u.a.)
und Partei. Ferner hatten auch SA, SS und Stahlhelm Abordnungen in den
mit Hakenkreuzfahnen und Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot geschmückten Ver-
sammlungssaal geschickt, die den Raum umstellten. Die Wahl der neuen Vor-
standsmitglieder war einstimmig NSDAP-dominiert: 13 Vorstandsmitglieder
wurden abgewählt, die beiden jüdischen Mitglieder waren bereits vorher
abgesetzt worden.
Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Düsseldorf
Joseph Adler23. November 1895 Frankfurt/M. – 1995 (USA)
Rechtsanwalt; Syndicus
Dr. Benjamin Baer21. Mai 1875 Düsseldorf – 5. Februar 1943 Auschwitz
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Leopold Behrendt26. Februar 1886 Stühm – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Bernhard Blumenreich26. April 1898 Magdeburg – 13. Oktober 1933 Düs-
seldorf (Suizid)
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Leopold Braunschweig7. Dezember 1877 Feudingen – 28. Oktober 1941 Düs-
seldorf (Suizid)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Hans Cappel23. März 1908 Düren – (Israel)
Rechtsanwalt
Justizrat Stephan Cohen-Altmann22. Oktober 1861 Haltern – 3. November 1942 Genf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Edgar Cohn27. September 1905 Recklinghausen – 16. Juli 1943
Sobibor
Rechtsanwalt
Dr. Max Dannenbaum11. Januar 1881 Lippstadt – 31. März 1942 Minsk
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dagobert David1889 – 30. Mai 1934 Rheydt
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Erich Davids21. Juni 1901 Fischeln/Krefeld – 8. Mai 1945 Izbica
Rechtsanwalt LG Düsseldorf; LG Krefeld
Ludwig Dorpalen11. Dezember 1876 Liegnitz – (Großbritannien)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Rudolf Edler17. August 1903 Düren – 22. Januar 1991 Malta
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Arthur Eichengrün6. August 1890 Witten – 4. September 1939 Stuttgart
(Suizid)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf, Justiziar
Dr. Julius Ellenbogen7. April 1878 Bruchsal – (Freiburg)
Rechtsanwalt
Dr. Friedrich Falk2. Dezember 1907 Düsseldorf – 15. September 2003
Großbritannien
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Herbert Felsenthal30. September 1902 Düsseldorf – 30. März 1945 Bergen-
Belsen
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Ossip Kurt Flechtheim5. März 1909 Nikolajew/RUSSL. – 4. März 1998 Klein-
machnow
Referendar Düsseldorf
Dr. Kurt Frank25. April 1888 Düsseldorf – 24. Februar 1945 Ausch-
witz
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Marcel Frenkel (Marcellius Fraenkel)24. Mai 1907 Berlin – 18. November 1960 Düsseldorf
Referendar Düsseldorf
Dr. Erich Gerson31. Dezember 1888 Frankfurt/O. – (Großbritannien)
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Max Goldberg1. April 1881 Arnsberg – 29. August 1958 (Düsseldorf)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Josef Gottlieb3. Juni 1885 Neustadt – (Mülheim/Ruhr)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Leo Gottschalk21. März 1888 Düsseldorf – (Niederlande)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Friedrich Grünbergkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Karl Heimann12. November 1891 Duisburg – (Brasilien)
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Hans-Hermann Herz (John H. Herz)23. September 1908 Düsseldorf – 26. Dezember 2005
Scarsdale/USA
Referendar Düsseldorf
Der Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945
Zur Zeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 besaß die Stadt
Düsseldorf 498.600 Einwohner und war Sitz des Oberlandesgerichts (OLG) an der Cecilien-
allee 3 in Düsseldorf-Pempelfort. Das OLG war damals wie heute zuständig für die Landge-
richtsbezirke (LG) Düsseldorf, Duisburg, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal.
Die jüdische Bevölkerung Düsseldorfs machte Anfang 1933 mit 5.053 Personen lediglich 1 % der
städtischen Gesamtbevölkerung aus; 141 von 858 zugelassenen Rechtsanwälten (16,4 %) des OLG
Bezirks wurden als „nichtarisch“ eingestuft. (Ein kleiner Prozentsatz, wenn man sich vor Augen
führt, dass in Berlin die Hälfte der Anwälte jüdischer Herkunft war.) Die Ausgrenzung der jüdischen
Bürger und hier speziell die Säuberung der Justiz begann mit dem groß angelegten „Judenboykott“
am 1. April 1933, bei dem auch in Düsseldorf jüdische Rechtsanwälte diskriminiert und terrorisiert
wurden.
Der Büroleiter des bekannten Anwalts Justizrat Stephan Cohen-Altmann schilderte die Vorgänge
in der Kanzlei in der Königstraße nach 1945 so: „Bei dem Judenboykott am 1.4.1933 wurden die Büroräume des Herrn Justizrat
Cohen-Altmann in der Königstrasse 4 mit den bekannten Hetzplakaten beklebt, die der Unterzeichnete mit Hilfe Büroangestellter
wiederholt entfernte, sodaß sogar die Wache der SA vor dem Haus aufgestellt wurde. Die Maßnahme des Unterzeichneten brachten
die SA und SS in Rage. Der Bürogehilfe Neppl und der Unterzeichnete machten daraufhin Bekanntschaft mit dem ,Heldenkeller‘ der
SA im Getreidehaus in der Bismarckstrasse. (...) Herr Justizrat Cohen-Altmann blieb wochenlang dem Büro fern, da er ständig mit
Telefonanrufen von PG‘s (Parteigenossen) belästigt wurde, die ihn mit dem Tode bedrohten.“
Schreiben der RAK Düsseldorf vom 15. Mai 1933 an die Kammermitglieder hinsichtlich des Verhaltens gegenüber „nichtarischen“ Kollegen
RAK
Düs
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Das Gebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf an der Cecilienallee in den 20er/30er Jahren
Stad
tarc
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036-
123-
002
Nationalsozialistische Hetze gegen die Anwälte Stern und Traumann in der „Volksparole“ vom 1. April 1933
Zerstörte Einrichtungsgegenstände nach der Pogromnacht im November 1938 in der Hüttenstrasse 81
MuG
Düs
seld
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Rechtsanwalt Heinz Motulski reiht sich am 6.4.1933 selbst in die Liste der jüdischen Anwälte ein
LA N
RW-A
bt.R
hl.-
Ger
.Rep
.86
Nr.1
58 B
l.5
Wolfgang Heymannkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Hirschkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Erich Horn8. Mai 1905 Düsseldorf – (Israel)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Gerhard (Gerald) Jonas27. Mai 1909 München-Gladbach – (USA)
Referendar Düsseldorf
Joseph Jonas21. Dezember 1876 Borken – (Großbritannien)
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Siegfried Kann10. Oktober 1882 – 21. Mai 1936 Düsseldorf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Rudolf Kaufmann9. Februar 1902 Gelsenkirchen – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Friedrich Kramer22. Mai 1890 Greiz – 28. September 1963 Paso Robles/
USA
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Ernst Landau9. August 1903 Berlin – (Mexiko)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Leo Levy (Levy-Ries)29. Dezember 1871 Osnabrück – (Großbritannien)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Richard Levy12. September 1902 Frankfurt/M. – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Käthe Levy-Fränkel6. Februar 1902 Düsseldorf – keine Angaben
Rechtsanwältin LG Düsseldorf
Julius Lewinsohn11. Dezember 1873 Graudenz – 1944 London
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Leonhard Leyser5. September 1879 Görlitz – (Stockholm)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Isaak Emil Lichtigfeld4. Januar 1894 Bursztyn/Kr.Lemberg – 24. Dezember
1967 Frankfurt/M.
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Leo Lichtigfeld20. Juni 1889 Bursztyn/Kr.Lemberg – 29. Juli 1942 Lodz
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Herbert Liebermannkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Georg Lindemeyer5. August 1887 Elberfeld – (1943) Minsk
Rechtsanwalt G Düsseldorf
Ludwig Loeb (Lobe)10. Januar 1909 Warburg – (USA)
Referendar Düsseldorf
Siegfried Löb23. Oktober 1886 Scherfede – 14. November 1957 USA
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Paul Löwe1883/1884 – 7. März 1937 Düsseldorf (Suizid)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Fritz Löwenstein11. Dezember 1901 – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Kurt Löwenstein10. Juni 1904 Elberfeld – 30. November 1943 Dorohusk
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Ludwig Löwenstein11. März 1903 Grevenbroich – 1990er Jahre Israel
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Ludwig Löwenwarterkeine Angaben
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Viktor Loewenwarter4. Mai 1887 Köln – 8. Februar 1973 Chile
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Fritz Marcus19. Februar 1889 Münster – 2. Juli 1940 auf dem Weg
nach Kanada
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Siegfried Marcus16. September 1891 Rees – (Peru)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Otto Markus8. Oktober 1889 Krefeld – (USA)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Erich Massmannkeine Angaben
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Fritz Mayer9. März 1904 Duisburg – 25. Februar 1945 Auschwitz
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Max Mendel18. September 1886 Borken – 1940/1941 Lyon
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Richard Mendelkeine Angaben – (vor 1950 Großbritannien)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Berthold Mosheim25. Mai 1904 Adorf/Waldeck – 15. September 1964
London
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Heinz Motulskikeine Angaben
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Dr. Josef Neuberger11. Oktober 1902 Antwerpen – 12. Januar 1977 Düsseldorf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Rudolf Oestreichkeine Angaben – (Suizid)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Arthur Oppenheimer (Arthur Opton)4. Oktober 1875 München-Gladbach – 3. November
1941 New York
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Gerd Franz Oppenheimer (Frank Opton)25. Februar 1906 Düsseldorf – 20. Juni 1989 Meadow
Lakes/USA
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Margarethe Oppenheimerkeine Angaben
Rechtsanwältin LG Düsseldorf
Dr. Siegfried Orzegow30. Oktober 1881 Düsseldorf – nach 1941 Riga
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Bernhard Pagener23. Juli 1876 Espe – 8. November 1940 Düsseldorf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Karl-Heinz Pfeffer27. Januar 1906 Düsseldorf – 28. Februar 1945 Ausch-
witz
Rechtsanwalt LG Düssedorf
Richard Selo23. Juli 1896 Düsseldorf – 9. September 1947 Forest
Hills/USA
Rechtsanwalt; Syndicus
Dr. Emil Simon1. Februar 1881 Werden – 14. April 1973 Los Angeles
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Sally Willy Simon1. November 1879 Havixbeck – 18. Februar 1938 Düs-
seldorf
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Hugo Simons25. November 1892 Neuss – (Kanada)
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Karl Stern29. September 1881 Oberhausen – 6. August 1937
Utrecht
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Friedrich Traumann7. Mai 1877 Posen – keine Angaben
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Dr. Philipp Vohssen4. September 1889 Hochneukirch – 17. Juli 1942 Lodz
(Suizid)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Hans Wedell19. Juni 1881 Düsseldorf – 1. April 1964 Düsseldorf
Rechtsanwalt OLG Düsseldorf
Hans Wetzler27. Juni 1909 Düsseldorf – (Großbritannien)
Referendar Düsseldorf
Dr. Dagobert Weyl1. Juni 1879 Haltern – 5. September 1942 Düsseldorf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Emil Weylkeine Angaben – (Palästina)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Julius Winter1887 Gelsenkirchen – (USA)
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Arthur Wolff29. April 1888 Köln – 8. April 1962 Düsseldorf
Rechtsanwalt LG Düsseldorf
Dr. Jakob Zuckermann18. April 1908 Düsseldorf – 10. Januar 1993 (Frank-
reich)
Referendar Düsseldorf
Adolf Hitler spricht am 8.4.1932 auf den Düsseldorfer Rheinwiesen
Stad
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100-
028
D1
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Düsseldorf - Holland - Bergen-Belsen
Herbert Felsenthal
Herbert Felsenthal wuchs behütet in Düsseldorf auf und besuchte vor Ort das
Hohenzollern-Gymnasium auf der Königsallee (heute Görres-Gymnasium). Sein
Vater, Kaufmann Erich Felsenthal, war von 1922 bis 1939 Vorsitzender der
Jüdischen Gemeinde.
Sohn Herbert engagierte sich über Jahre im Vorstand des Düsseldorfer Jüdischen Jugend-
vereins. 1930 war der Sprechchor des Jugendvereins unter Felsenthals Leitung mit einer
Aufführung des Stückes „Jeremias“ von Stefan Zweig besonders hervorgetreten.
Herbert Felsenthal studierte in Heidelberg, München
und Berlin Jura. Von 1932 bis zum 8. Mai 1933 war er
am Landgericht Düsseldorf als Anwalt zugelassen. 1932
heiratete er Margarethe (Gretel) Sophie Haymann aus
Bad Kreuznach.
Unmittelbar nach der Machtübernahme emigrierte Herbert Felsenthal am 5. März 1933
in die Niederlande. Seine Frau folgte ihm nach Den Haag, wo im April 1933 Sohn Stefan
geboren wurde. Die Familie Felsenthal zog nach Brüssel in Belgien, um 1938 nach der
Geburt des zweiten Sohnes René (28. Juli 1938) wieder nach Den Haag zurückzukehren. In
Folge des Novemberpogroms 1938 flüchteten auch die Eltern Herbert Felsenthals, Erich und
Antonie Felsenthal, am 21. Februar 1939 nach Den Haag. Erich Felsenthal war vom 10. bis
22. November 1938 im Düsseldorfer Polizeigefängnis inhaftiert gewesen.
Nach dem Überfall Hitlers auf die Niederlande im Mai 1940 geriet die Familie Felsenthal
erneut in den Machtbereich der Nazis. Als alle deutschen Juden im Oktober 1940 die holländische Küstenzone verlassen
mussten, zog die Familie nach Arnheim,
1941 nach Amsterdam. Dort wurde sie
im Zuge der großen Razzien am 21. Juni
1943 verhaftet und in das von den Nazis
in den Niederlanden errichtete Durch-
gangslager Westerbork verbracht. Die
Eltern Felsenthal wurden drei Monate
später in das Vernichtungslager Ausch-
witz deportiert und ermordet.
Herbert, Margarethe, Stefan und René
Felsenthal wurden am 2. Februar 1944 in
das Konzentrationslager Bergen-Belsen
deportiert, wo Herbert Felsenthal zwei
Wochen vor der Befreiung des Lagers
1945 an Typhus starb. Seine Frau und
Söhne überlebten und zogen in die Nie-
derlande zurück.
© Dr. Susanne Mauss
30. September 1902 Düsseldorf – 30. März 1945 Bergen-Belsen
Transport von Juden aus Amsterdam nach Westerbork 1943-1945
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Hochzeit von Herbert und Margarethe Felsenthal 1932
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Herbert Felsenthals Todesanzeige im Sommer 1945
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45
Herbert Felsenthal
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Christ jüdischer Herkunft
Dr. Georg Lindemeyer
Georg Lindemeyer wuchs als Sohn des Kaufmanns Moritz Lindemeyer und seiner Frau
Mathilde in Wuppertal auf. Nach dem frühen Tod des Vaters 1892 wurde Georg
Lindemeyer nach der Wiederverheiratung der Mutter mit dem protestantischen
Geschäftspartner des Vaters, Georg Hobbie, getauft.
Nach dem Abitur auf dem Huma-
nistischen Gymnasium Wuppertal
studierte er in Bonn und Heidel-
berg Jura. 1915 heiratete er die
Tochter eines bekannten Berliner
Anwalts, Frieda Lewinsky, die sich
ebenfalls 1916 taufen ließ. Das
Ehepaar Lindemeyer lebte in der
Salierstr. 4 in Düsseldorf-Ober-
kassel und gehörte zur Gemeinde
der Auferstehungskirche an der Arnulfstraße. Ihre drei Kin-
der Eva-Maria (*1917), Edith (*1921) und Wolfgang (*1922)
wurden hier getauft.
Georg Lindemeyer war seit dem 12. Januar 1915 am Amts-
und Landgericht Düsseldorf als Anwalt mit Kanzlei in der
Bismarckstr. 39 zugelassen. Mit der Machtergreifung der
Nationalsozialisten im Januar 1933 waren aus den Christen
jüdischer Herkunft plötzlich „Nichtarier“ geworden – Georg Lindemeyer wurde im April 1933 mit dem Vertretungs-
verbot belegt. Der zuständige Präsident des Landes- bzw. Oberlandesgerichts wollte bei Lindemeyer hinsichtlich der
Wiederzulassung jüdischer Rechtsanwälte eine Ausnahme erwirken.
„Nach Auskunft der von mir gehörten Richter national gesinnt, immer anständig und gewissenhaft in der Berufs-
ausübung. Der Anwaltschaft, die derselben Auffassung ist, ist er angenehm, weshalb sie seine Wiederzulassung
befürwortet. Auch mir ist der Gesuchsteller als durchaus anständig bekannt, sodass ich mich der Stellungnahme der
Anwaltschaft anschliesse.“
Das Preußische Justizministerium in Berlin verneinte jedoch das Gesuch. Georg Lindemeyer wurde am 5. Juli 1933 aus
der Anwaltsliste gelöscht.
Den Lebensunterhalt der Familie konnte Georg Lindemeyer vorerst mit Nachhilfestunden in Fremdsprachen, Geschichte
und Philosophie und der juristischen Vertretung einer Düsseldorfer Kohlefirma bis Mitte der 30er Jahre erwirtschaf-
ten. Ab 1935 mussten Frieda Lindemeyer und die Kinder mithelfen, indem sie Waren kauften und verkauften und
Büroarbeiten annahmen. 1937 schickten die Eltern Edith und Wolfgang zum Schulbesuch nach England, Eva-Maria
folgte nach dem Novemberpogrom 1938. (Die ergreifenden Briefe zwischen Eltern und Kindern sind in Buchform
veröffentlicht worden.)
Die Auswanderungsversuche der Eltern scheiterten. Georg und Frieda Lindemeyer mussten in ein „Judenhaus“ in der
Yorckstr. 42 ziehen und ab September 1941 den Judenstern tragen. Georg Lindemeyer hat wohl auf einem Friedhof
Zwangsarbeit leisten müssen.
Am 10. November 1941 wurde
das Ehepaar Lindemeyer nach
Minsk deportiert.
© Dr. Susanne Mauss
5. August 1887 Wuppertal-Elberfeld – (1943) Minsk (8. Mai 1945)
Stolperstein für Georg und Frieda Lindemeyer an der Salierstr. 4 in Düsseldorf-Oberkassel
„Wir vertrauen fest auf Gott und hoffen, dass er uns wie bisher an sei-ner Hand führt und dass er auch uns
alle fünf wieder zusammenführt.“ Georg Lindemeyer an seine drei Kinder
am Abend vor seiner Deportation
Dr. Georg und Frieda Lindemeyer mit den Kindern Eva-Maria, Edith und Wolfgang
MuG
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Materieller Verlust durch Arisierung und Raub – die Familie war gerettet
Dr. Otto Markus
Otto Markus war 1933 als Rechtsanwalt am Amts- und Landge-
richt Düsseldorf zugelassen. Er stand im April 1933, trotz der
Auszeichnung mit dem EK I im I. Weltkrieg, auf der Liste der
Anwälte, die mit einem Vertretungsverbot belegt wurden.
Otto Markus war mit Hildegard (Hilde) Leonie, geborene Freundlich,
verheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder, Else Anneliese (*1921) und
Hansheinz Bernd (*1927). Hilde Markus war die Tochter von Abraham
Freundlich, der im Jahre 1888 eine Firma in Düsseldorf-Bilk gegründet
hatte und durch eigene Erfindungen und Patente zu einem der führen-
den Kühlanlagen-Hersteller Deutschlands wurde.
Otto Markus war bis zur Arisierung 1936 persönlich haftender Gesell-
schafter dieser Maschinenfabrik A. Freundlich KG mit Sitz in der Suit-
bertusstr. 137/139. Ebenso bekleidete er bis zur Arisierung 1938 den
Direktorenposten der Gesellschaft „Freundlichs Kaltlagerhäuser“ in der
Suitbertusstr. 127/129.
Die Familie Markus wohnte in der Cheruskerstr. 44 in Düsseldorf-Oberkassel. In der Nacht des Novemberpogroms 1938 wurde die
Wohnung vollständig verwüstet, sogar teilweise zerstört. Sohn Hansheinz erinnerte sich Ende der 90er Jahre: „Es war etwa gegen
3 Uhr morgens, als ich durch einen fürchterlichen Krawall aufwachte. (...), der nichts Besseres zu tun hatte, als die Anzüge meines
Vaters an den Ärmeln und Nähten zu trennen und sie mit Rasierseife zu beschmieren. (...) Sie haben uns nichts getan, aber die
Wohnung war völlig verwüstet. Meine Eltern hatten viele Bekannte im Malerkreis. Hans Kohlschein, Rübsam und andere, und viele
Bilder wurden mit Degen zerschnitten, Büsten wurden auf die Straße geschmissen, ein Bild von einer Karfreitagsprozession in Sor-
rent wurde in Stücke geschnitten und ebenso auf die Straße geschmissen. Unsere Wohnung sah fürchterlich danach aus.“
(Der beteiligte SA-Mann Karlheinz Libbertz wurde im Mai 1950 nach Erstattung von Strafanzeige durch Otto Markus für diese Tat
wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu neun Monaten Gefängnis verurteilt.)
Otto Markus entging in dieser Nacht einer Verhaftung durch Flucht zu Freunden nach Bonn, wo er zehn Tage im Versteck auf dem
Speicher verbrachte.
Nach dieser Erfahrung emigrierte das Ehepaar Markus einige Tage vor Ausbruch des II. Weltkrieges, am 28. August 1939, nach Lon-
don. Die beiden Kinder hatten Deutschland bereits im
März 1939 verlassen.
Nachdem Reichsfluchtsteuer, Judenabgabe und Auswan-
derungsabgabe entrichtet und Gold, Silber und Schmuck
beim Städtischen Leihamt abgegeben worden waren,
musste die Familie Markus ihre gesamte Wohnungsein-
richtung in so genannte Liftvans (Überseekisten) zum
Transfer ins Ausland packen. Durch die Kriegswirren
sollten sie nie ankommen...
Die Spur dieser Liftvans konnte im späteren Rückerstat-
tungsverfahren bis in den Hafen von Antwerpen zurück-
verfolgt werden, von wo sie Ende 1942 zurück ins Deut-
sche Reich nach Neuwied gelangten. Wahrscheinlich
wurde das Umzugsgut von der Oberfinanzdirektion Köln
versteigert bzw. an Bombengeschädigte und Flüchtlinge
veräußert.
Von 1950 bis zu ihrem Verkauf 1955 übernahmen
Dr. Otto Markus und sein Schwager Erich Freundlich
nochmals die Firma A. Freundlich in Düsseldorf.
© Dr. Susanne Mauss
8. Oktober 1889 Krefeld – 25. Oktober 1965 Düsseldorf
Familie Abraham Freundlich mit Dr. Otto Markus und Frau Hilde und Tochter ganz links im Bild
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Nr.2
323
Bl.2
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Josef Neuberger, Sohn des aus
Krakau nach Antwerpen über-
gesiedelten Apothekers Juda
Leib Neuberger und seiner Frau Sara
Feigel, war mit seinen Eltern und
zwei Geschwistern nach dem Aus-
bruch des I. Weltkrieges nach Düs-
seldorf gezogen. Hier besuchte er
das Prinz-Georg-Gymnasium (heute
Max-Planck-Gymnasium), um dann
von 1922 bis 1929 in Köln Jura und
Nationalökonomie zu studieren. Das
Doppelstudium schloss er mit dop-
pelter Promotion ab.
Bereits als Gymnasiast von 18 Jahren war Neuberger als
Bewunderer Ferdinand Lassalle‘s der SPD beigetreten. Auch
der zionistisch-sozialdemokratischen Arbeiterorganisation „Poale Zion“ und dem zionistischen Jugendbund „Blau-Weiß“
schloß sich Neuberger Ende der 20er Jahre in Düsseldorf an.
Nachdem Neuberger bereits als Referendar bei Dr. Arthur Wolff Erfahrungen
gesammelt hatte, wurde er am 30. August 1932 am Amts- und Landgericht
Düsseldorf als Anwalt zugelassen und richtete seine Kanzlei in der Schadowstr.
37 ein. Schnell avancierte Neuberger zum „Hausanwalt“ der Düsseldorfer
SPD, der Düsseldorfer „Volkszeitung“ etc., aber auch „bürgerliche“ Mandanten
suchten seinen Rat. Seine anwaltliche Karriere wurde mit dem Vertretungsver-
bot vom 5. Mai 1933 beendet. Daraufhin gründete Neuberger gemeinsam mit
Dr. Max Mendel im Juni 1933 ein „Treuhänderbüro für Auswanderungsange-
legenheiten“.
Seinen politischen Zielen blieb er ebenso treu: als „Devisenberater“ mit Reisetätigkeit
übernahm Neuberger Kurierdienste für die inzwischen verbotene SPD und auch die Zio-
nistische Ortsgruppe Düsseldorf, deren Mitgliederzahl sich bis Ende 1934 vervierfachte,
forderte sein Engagement. Hier lernte er seine Frau Ilse kennen, die er am 16. April 1935
heiratete. 1936 wurde er zum Mitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen
Gemeinde Düsseldorf gewählt.
Nachdem das Haus in der Prinz-Georg-Str. 32 „judenrein“ gemacht werden sollte, zogen
Neubergers in die Brehmstr. 67, wo am 19.9.1937 Sohn Michael geboren wurde. Hier
erlebte die junge Familie am 10. November 1938 die Pogromnacht, in der Josef Neuber-
ger von SA-Leuten zusammengeschlagen und schwer verletzt wurde. Durch die Courage
eines Düsseldorfer Arztes überlebte Neuberger und emigrierte mit Frau und Sohn im
Dezember 1938 über die Niederlande nach Palästina. Josef Neuberger studierte in Tel
Aviv erneut Jura auf Englisch und Hebräisch mit dem Abschluß Ende 1943. Nach meh-
reren Stationen waren Neubergers im Sommer 1942 nach Nahariya gezogen, wo Ilse die
Pension „Tutti Loewy“ übernommen hatte und am 26.12.1943 Sohn Ralph Benyamin zur
Welt gekommen war. 1944 wurde Josef Neuberger als Anwalt in Nahariya zugelassen.
Trotz der vorerst ablehnenden Haltung seiner Frau kehrte Josef
Neuberger 1952 endgültig nach Düsseldorf zurück und wurde
am 25.9.1952 wieder beim Amts- und Landgericht Düsseldorf
als Anwalt zugelassen. Zeitgleich in der Jüdischen Gemeinde
und der SPD aktiv, wurde Neuberger bereits 1956 zum Vorsit-
zenden des SPD-Ortsverbands Düsseldorf und in den Rat der
Stadt gewählt, 1959 zum Landtagsabgeordneten des Landes
Nordrhein Westfalen. Nach den NRW-Landtagswahlen im Juli
1966 wurde Josef Neuberger als Krönung seiner juristischen
Laufbahn am 8.12.1966 zum Justizminister des Landes Nord-
rhein Westfalen ernannt – die grundlegende Neugestaltung
(organisatorisch wie inhaltlich) des Strafvollzugs wurde zum
ersten Ziel seiner Justizpolitik.
© Dr. Susanne Mauss
Jude, Sozialdemokrat, Zionist – vom verfolgten Anwalt zum Justizminister
Dr.jur. Dr.rer.pol. Josef Neuberger11. Oktober 1902 Antwerpen – 12. Januar 1977 Düsseldorf
Josef und Ilse Neuberger 1936
MuG
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Josef Neuberger mit Ehefrau Ilse bei seiner Verabschiedung im Jahr 1972
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„Rechtsanwalt Dr. Neuberger ist kein angesehener Vertreter des Anwalt-standes und Sozialdemokrat. Seine Wiederzulassung ist nach Auffas-
sung der befragten Richter und des Anwaltsvereins nicht zu empfehlen.
Dieser Stellungnahme trete ich bei.“ LG Präsident Alfons Krey, 8. April 1933
Josef Neuberger als Justizminister des Landes Nord-rhein-Westfalen
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Jüdische Gemeindezeitung 1936
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Arthur Oppenheimer, Sohn des Kaufmanns Lebrecht Oppenheimer aus Uedem
und seiner Frau Elisabeth aus Vlissingen in Holland, war bereits 1901 am
Düsseldorfer Landgericht als Anwalt zugelassen. Seit 1911 arbeitete er mit
Rechtsanwalt Dr. Heinrich Wirtz in einer erfolgreichen Sozietät zusammen. Wäh-
rend des I. Weltkrieg war Oppenheimer in der Reichsgetreidestelle in Berlin leitend
tätig. Zwar musste die Kanzlei nach 1918 unter veränderten Bedingungen wieder
neu aufgebaut werden, doch schon bald war sie in und um Düsseldorf als eine der
führenden Kanzleien im Bank-, Handels-, Zivil- und Gesellschaftsrecht bekannt.
1925 schlossen sich Friedrich Kramer, 1931 Rudolf Edler und 1932 Oppenheimer II,
Sohn Gerd Franz, der Sozietät mit Sitz an der Benrather Str. 29 an. Im Düsseldor-
fer Anwaltsverein, dessen Vorstand Oppenheimer angehörte, ging der Spruch um:
„Oppenheimer, Wirtz und Kramer, sind der Anwaltschaft Entrahmer!“
Oppenheimer lebte mit seiner aus der Wedell-Familie stammenden Frau Ilse und
seinen vier Kindern seit 1910 an der Dorfstraße 52 im linksrheinischen Büderich. Hier wurde am 1. April 1933 vor seiner Haustür
ein SA-Mann postiert. Die Sozien trafen sich daraufhin bis auf Edler, der schon nach London abgereist war, am 2. April 1933 zu
einer geheimgehaltenen Besprechung in Köln, in der sie angesichts des von den Nationalsozialisten erzwungenen Auftrittsver-
bots jüdischer Anwälte vor Gericht und des drohenden Berufsverbots die Auflösung der Sozietät rückwirkend zum 1. April 1933
beschlossen. Die Prozessmandate wurden im Zuge der Auseinandersetzung der Sozietät auf den einzigen nichtjüdischen Partner
Heinrich Wirtz übertragen. So blieb eine Vertretung der Mandanten gesichert.
Da Oppenheimer unter die Ausnahmeregelungen des „Gesetzes über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom 7. April 1933 fiel,
konnte er seine Praxis bis zur Auswanderung 1937 in den alten Räumen weiter betreiben.
Bereits vor 1933 konnte Oppenheimer einen Teil seines Vermögens in Holland in Sicherheit bringen und noch 1937 einen Bau-
ernhof im Bergischen Land mit erheblichem Verlust gegen eine Farm in den USA tauschen. So blieb ihm das entbehrungsreiche
Schicksal der meisten Emigranten erspart. In New York arbeitete er in dem von seinem Sohn Gerd Franz gegründeten Außenhan-
delsunternehmen. 1938 änderten beide Oppenheimer ihren Namen als „Zeichen des Bruchs mit der Vergangenheit
und als Symbol eines Neustarts in einem neuen Land“ in Opton um.
Welche Bedeutung Oppenheimer auch nach seiner Emigration noch in der Düsseldorfer Anwaltschaft hatte, ver-
deutlicht der „vertrauliche“ Brief eines Anwaltskollegen beim OLG, in dem dieser den Düsseldorfer RA Eulenberg
im August 1942 (Oppenheimer war bereits verstor-
ben) bei der Gestapo denunzierte:
„Ich erfahre durch Zufall, dass der Rechtsanwalt
Eulenberg in Düsseldorf vor einiger Zeit in einer
Vormundschaftssache in Amerika (USA) war und
dort den emigrierten Juden, den früheren Düssel-
dorfer Rechtsanwalt Dr. Arthur Oppenheimer in New
York aufgesucht hat, um sich von ihm Geld geben
zu lassen. (...) Der frühere Rechtsanwalt Dr. Arthur
Oppenheimer ist einer der gefährlichsten und fanatischsten Juden
und Todfeind des Dritten Reiches.“
Eine Sozietät handelt vorausschauend und schnell
Dr Arthur Oppenheimer I4. Oktober 1875 München-Gladbach – 3. November 1941 New York/USA
Dr. Arthur Oppenheimer gemalt von Arthur Kaufmann Ende der 20er Jahre
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Volksparole vom 30.3.1933
Düsseldorfer Tageblatt vom 7.4.1933
In Düsseldorf als Sohn des Anwalts Dr. Arthur Oppenheimer geboren, besuchte Gerd Oppenheimer
das Hindenburg-Gymnasium (heute Humboldt-Gymnasium), wo er 1924 das Abitur ablegte. Nach
dem Jurastudium in Freiburg, München, Berlin und Köln wurde er 1932 Sozius in der väterlichen
Kanzlei. Im Mai 1933 musste er seine Zulassung am LG Düsseldorf zurückgeben. Rudolf Edler schrieb
er daraufhin verklausuliert nach England: „Heute ist auch die meine Scheidung betreffende Verfügung
eingetroffen. Die Ihrige habe ich Ihnen gestern übersandt.“ Bis zu seiner Auswanderung am 4. Januar
1934 mit Frau Eva und Tochter Ilse in die USA arbeitete er als Anwaltsgehilfe bei seinem Vater.
In den USA konnte Oppenheimer II durch den alten Mandantenkreises bei befreundeten Firmen
arbeiten, studierte amerikanisches Recht und wurde bereits 1939 nach seiner Naturalisation als Anwalt
in New York zugelassen.
Frank Opton, wie sich Oppenheimer seit 1938 nannte, lebte bis zu seinem Tod im Juni 1989 mit seiner
Frau und den Nachkommen seiner vier Kinder in New York. Der Kontakt zu den Sozien aus und in Düs-
seldorf blieb ein Leben lang erhalten.
Friedrich Kramer, Sohn des Textilfabrikanten Hugo Kramer aus Greiz in Thüringen, wurde
1925 Partner in der Sozietät Oppenheimer/Wirtz in Düsseldorf. Mit seiner aus wohlha-
benden Berliner Hause stammenden Frau Helene und den drei Kindern lebte er in der
Grimmstr. 19 in Düsseldorf-Grafenberg.
Da Kramer Frontkämpfer im I. Weltkrieg war, wurde ihm 1933 die Anwaltszulassung zum LG
Düsseldorf nicht sofort aberkannt. Nach Auflösung der Sozietät führte er seine Tätigkeit als
Einzelanwalt in seinem Privathaus weiter. Helene Kramer vermietete zwei Etagen des Hauses,
woraufhin die Familie in den Räumen des Erdgeschosses lebte. Nach dem Verkauf des Hauses
zur Hälfte seines Wertes emigrierten Kramers Ende 1936 über Holland und Belgien in die USA.
Helene Kramers Schmuck war von einem Rhein-
schiffer nach Holland geschmuggelt worden.
Nach dem Versuch, sich als einer von vielen
Emigranten-Versicherungsagenten in New York
zu etablieren, zog Friedrich Kramer mit seiner
Familie in das kalifornische Paso Robles, wo er mit seiner Frau als Fred und Helen
Kramer aus einem kleinen Laden ein gut gehendes kleines Kaufhaus machte.
© Dr. Susanne Mauss
Dr. Gerd Franz Oppenheimer II25. Februar 1906 Düsseldorf - 20. Juni 1989 Meadow Lakes/USA
Dr. Rudolf Edler17. August 1903 Düren - 22. Januar 1991 Malta
Friedrich Kramer22. Mai 1890 Greiz - 28. September 1963 Santa Barbara/USA
Dr. Arthur und Dr. Gerd Franz Oppenheimer, Anfang der 30er Jahre
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Abschiedsfeier in der Grimmstraße vor der Emigration, 1936
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Friedrich und Helene Kramer mit den Kindern Doris, Stephen und Henry, 1936
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Rudolf Edler, der in Bonn, Berlin und Freiburg Jura studiert hatte, trat
nach kurzer Beschäftigung als Gerichtsassessor in Aachen am 1.4.1932
in die Sozietät Oppenheimer, Wirtz und Kramer als am OLG Düsseldorf
zugelassener Anwalt ein. Eine Sozietät von erst- und zweitinstanzlichen Anwäl-
ten war in den 30er Jahren ein Novum.
Die Abläufe des Frühjahrs 1933
ließ er in den 80er Jahren Revue passieren:
„Mir war das viel klarer, und als der berühmte Boykott-Tag vom
1. April 1933 vor der Tür stand und Flugblätter mit der Aufschrift:
‚von morgen ab sind die Gerichte judenrein’ an der Strassen-
ecke verteilt wurden, packte ich meinen Handkoffer und traf am
1. April morgens in London ein.“
Von der Auflösung der Düsseldorfer Sozietät erfuhr er durch ein
Telegramm seines Vaters am 2. April 1933.
Edler begann sofort mit dem Studium des englischen Rechts an
der Londoner School of Economics. Obwohl er bereits nach drei
Jahren zum LL.B. graduierte und 1938 das Solicitor-Schlußexamen
bestand, konnte er erst nach fünfjährigem Militärdienst in der
britischen Armee und seiner Naturalisation nach Kriegsende 1945
seine eigene Solicitor-Firma in London gründen.
Telegramm: Auflösung der Sozietät am 2. April 1933
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sitz Dr. Rudolf Edler
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„Kommunistenfreund“, Emigrant der ersten Stunde – Rückkehrer
Dr. Arthur Wolff
Arthur Wolff, Sohn von Rudolf und Clara Wolff, hatte u.a. Jura in Breslau studiert
und war bis zu seiner Löschung aus der Liste der Rechtsanwälte am 7. Juli 1933 am
Amts- und Landgericht Düsseldorf zugelassen. Er lebte – von seiner ersten Frau Adele
getrennt – in der Brend‘amourstr. 51 in Düsseldorf-Oberkassel. Nach der Machtergreifung im
Januar 1933 floh Wolff in die Schweiz.
Die Gestapo hatte großes Interesse an dem Anwalt, der schon in den 20er Jahren als Ver-
teidiger von Kommunisten – wenn nicht gar selbst als Funktionär in der Kommunistischen
Partei – aufgefallen war.
Tatsächlich war Arthur
Wolff im Frühjahr 1925
einer der Verteidiger, die
vor dem Staatsgerichts-
hof für das Deutsche Reich beim Reichsgericht
in Leipzig in einem der spektakulärsten Pro-
zesse der Weimarer Republik auftraten – dem
so genannten „Tscheka-Prozess“. (Die Deutsche
Tscheka war eine kommunistische Untergrund-
organisation, der verübte und geplante Atten-
tate sowie terroristische Aktionen, z.B. Spreng-
stoffanschläge, zur Last gelegt wurden. Der KPD
gelang es, sich in den Prozessen glaubhaft von
Terrorakten per se zu distanzieren.)
Der Polizeipräsident in Düsseldorf wusste am
21. Februar 1934 zu berichten: „Rechtsanwalt
Dr. Arthur Wolff war bis ungefähr 1927 Funk-
tionär in der kommunistischen Partei. In dem
Tscheka-Prozess beim Reichsgericht in Leipzig
trat Wolff als Verteidiger der kommunistischen Angeklagten auf. Durch diesen Prozess soll Wolff wegen finanzieller
Angelegenheiten Auseinandersetzungen mit der kommunistischen Partei gehabt haben. Daraufhin wurde ihm die
Verteidigung der kommunistischen Angeklagten, deren Finanzierung durch die Partei erfolgte, entzogen. Trotzdem
blieb Wolff Mitglied der KPD und hat diese auch finanziell bis in die Zeit vor dem Umsturz unterstützt. Er hat sich
bei der Verteidigung der Angeklagten bei den hiesigen Gerichten als äusserst fanatischer Kommunist gezeigt. Sein
gesamtes Aktenmaterial wurde beschlagnahmt.“
Im April 1934 vermerkte die Gestapo Düsseldorf, dass „sich in Paris ein
Rechtsanwalt Arthur Wolf, 29.4.88 zu Köln geboren, als Mitarbeiter des
,Pariser Tageblatt‘„ betätige. Der Gestapoakte Wolff wurden daraufhin
im Sommer 1934 eine Personalbeschreibung des W. mit fünf Fotos bei-
gefügt.
Arthur Wolff hielt sich nachweislich in Fran-
kreich auf; er promovierte 1936 nochmals in
Strassburg. In den Kriegsjahren gelang ihm
über Manila die Flucht in die USA.
1950 kehrte er mit seiner zweiten Frau Ger-
trud nach Düsseldorf zurück, wo er wieder als
Rechtsanwalt zugelassen wurde. Beide liegen
auf dem neuen Jüdischen Friedhof an der
Ulmenstraße begraben.
© Dr. Susanne Mauss
29. April 1888 Köln – 8. April 1962 Düsseldorf
Artikel von Arthur Wolff im „Pariser Tageblatt“ über das deutsche Devisenstrafrecht, 25. Juni 1934
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Eines der fünf Fotos aus Arthur Wolffs Gestapo-Akte
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Arthur Wolff mit dem befreundeten Arzt Dr. Georg Gold-stein 1932
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Arthur Wolff an seinem 65. Geburtstag im April 1953 in Düsseldorf
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„... deutsche Rechtswahrer – jüdische Konsulenten...“
Die Düsseldorfer Konsulenten 1938 – 1944
Durch die „Fünfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 27. Septem-
ber 1938 wurden schließlich alle 1933 im Beruf verbliebenen jüdischen
Anwälte bis zum 30. November 1938 aus der Anwaltschaft ausgeschlos-
sen. Um jedoch weiterhin eine rechtliche Vertretung in „jüdischen Belangen“
(Arisierungen, Auswanderungen etc.) zugunsten des Deutschen Volkes zu ge-
währleisten, sollten an jedem Landgericht „jüdische Rechtskonsulenten“ ent-
sprechend eines Schlüssels hinsichtlich der verbliebenen jüdischen Bevölkerung
eingeführt werden.
Der Nationalsozialistische Rechtswahrerbund kommentierte diese neuerliche
Ausgrenzung folgendermassen: „Der jüdische Konsulent darf unter keinen
Umständen als Rechtswahrer oder auch nur anwaltsähnliche Institution
angesprochen werden. Er ist nichts weiter als ein Interessenvertreter für eine
jüdische Partei. Recht wahren können nur die Richter und Rechtsanwälte als
gerichtliches Organ. Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung ist ein würdiger,
weltanschaulich bedingter Ausgleich. Dem deutschen Volksgenossen der deut-
sche Rechtswahrer! Dem Juden der jüdische Konsulent! Mit Stolz kann der
deutsche Anwalt sich wieder Rechtsanwalt nennen!“
Die Bezeichnung Rechtsanwalt durften die jüdischen Konsulenten nicht mehr
führen und mussten ausschließlich jüdische Mandanten vertreten (in Düsseldorf
waren bis November 1938 noch 12 jüdische Anwälte beim Landgericht sowie
drei am Oberlandesgericht zugelassen).
Landgerichtspräsident Krey ging bei seinen peniblen Berechnungen von einer
Personenzahl von 5770 im Landgerichtsbezirk Düsseldorf ansässigen Juden
aus, die Jüdische Gemeinde von etwa 4000, die Statistik des Deutschen Reichs
gab bei Kriegsausbruch im Sommer 1939 noch etwa 1800 jüdische Personen
in Düsseldorf an. Ganze zwei Konsulenten sollten für den Landgerichtsbezirk
Düsseldorf zugelassen werden; der Vorstand der Jüdischen Gemeinde errechnete
mindestens acht bis zehn.
Zunächst wurden mehr Konsulenten zugelassen als vorgesehen. Ihre Auswahl
richtete sich primär nicht nach fachlicher Kompetenz, sondern nach sozialem
Wohlverhalten. Das zuständige Gericht, die Rechtsanwaltskammer und die
Gestapo mussten jeweils ein Gutachten pro Konsulent beim Oberlandesgericht
zur Prüfung vorlegen. Die Zulassungen wurden nur monateweise erteilt und
immer erst kurz vor Ablauf der Frist verlängert oder zurückgenommen. Die „offi-
zielle“ Konsulentenliste sah für Düsseldorf die Rechtsanwälte Dr. Benjamin Baer,
Dr. Max Dannenbaum, Kurt Frank, Dr. Leo Lichtigfeld, Dr. Siegfried Orzegow und
Dr. Dagobert Weyl vor.
Als im Herbst 1941 die ersten Deportationen der jüdischen Bevölkerung von Düs-
seldorf aus nach Osten gingen, wurden auch die Konsulenten nicht verschont.
1943 war lediglich der mit einer Nichtjüdin verheiratete RA Kurt Frank in Düs-
seldorf verblieben. Er wurde im Oktober 1943 wegen angeblicher Vermögens-
verschiebungen von der Gestapo verhaftet und am 8. Mai 1944 nach Auschwitz
deportiert.
© Dr. Susanne Mauss
Die Anzahl der für Düsseldorf zuständigen Konsulenten wird „ermittelt“
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Der letzte Konsulent Düsseldorfs, Kurt Frank, wird 1944 deportiert
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Ein „unbequemer Anwalt“ bis zum Schluss
Dr. Max Dannenbaum
Max Dannenbaum, Sohn von Heinemann und Florenti-
ne Dannenbaum aus Lippstadt, war bereits seit 1913
zugelassener Anwalt beim Amts- und Landgericht
Düsseldorf. Im Ersten Weltkrieg wurde ihm das Eiserne Kreuz II.
Klasse verliehen, so dass er im April 1933 nicht unter das Vertre-
tungsverbot der neuen Machthaber fiel.
Dannenbaum praktizierte in der Klosterstr. 34/36. Mit seiner „arischen“ Frau Toni lebte er mit den Kindern Rolf Günther
(*1916) und Ilse Lore (*1920) in der Wildenbruchstr. 114 in Düsseldorf-Oberkassel. Mitte der 30er Jahre zog die Familie
Dannenbaum in das Praxishaus an der Klosterstraße.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden nach Aussage
der früheren Hausgehilfin „die Möbel im Büro sowie die Herrenzimmermöbel
fast restlos zerstört. Der Geschädigte (RA Dannenbaum) sagte mir noch, daß
u.a. auch sein von den Eltern ererbtes Silberbesteck abhandengekommen sei.“
Am 3. Mai 1939 wurde die Ehe der Dannenbaums geschieden, die Kinder rei-
sten nach Großbritannien aus.
Als im Herbst 1938 mögliche jüdische Anwälte für die Konsulenten-Zulassung
beurteilt wurden, äußerte sich LG Präsident Krey:
„Nach den hier angestellten Ermittlungen ist Dr. Max Dannenbaum nicht als
Konsulent geeignet, da seine Berufsausübung zu wünschen übrig läßt. Er wird
dahin geschildert, daß er wenig begabt, in seinen Schriftsätzen ungewandt
und unklar sei und in seinem Auftreten vor Gericht wenig angenehm wirke.“
Trotzdem wurde Max Dannenbaum als einer der sechs jüdischen Konsulenten
für Düsseldorf zugelassen.
Max Dannenbaum fiel jedoch bei der Gestapo Düsseldorf immer wieder auf.
Am 1. Oktober 1940 wurde er wegen Äußerungen über das KZ in einer Vertei-
digungsrede vor Gericht ernstlich verwarnt, bereits am 16.10.1940 musste er
wegen einer ihm nicht zustehenden Forderung „belehrt“ werden und „wurde
nachdrücklichst zur Auswanderung angehalten“.
Im Dezember 1940 wandte sich Dannenbaum gar an das Rote
Kreuz, um Nachricht über und von seinen Kindern zu erhalten, was
ein klarer Verstoß gegen die VO über den Nachrichtenverkehr vom
2. April 1940 darstellte.
Nach einer Vorladung bei der Gestapo im Oktober 1941, bei der
ihm die kommende Deportation eröffnet worden war, verwendete
sich OLG Präsident Schwister schriftlich und recht deutlich für den
Konsulenten Dannenbaum.
Auf der „Liste der am
10. November 1941 Ausrei-
senden (Bezirk Süd)“ wurde
er als „Klosterstrasse 34/6:
Dannenbaum, Max Israel,
1 Person“ weiter geführt.
OLG Präsident Wilhelm
Schwister erhielt von der Gestapo lediglich den Einzeiler: „Der Jude Dr. Max Israel
Dannenbaum ist am 10.11.41 mit dem Judentransport aus Düsseldorf nach Minsk
abgeschoben worden.“
Mit Beschluss vom 20.11.1951 wurde als offizielles Todesdatum des Rechtsanwalts
Dr. Max Dannenbaum der 31. März 1942 festgesetzt.
© Dr. Susanne Mauss
Max Dannenbaums bat am 17.12.1940 das Rote Kreuz um Kontaktaufnahme mit seinen Kindern in England
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OLG Präsident Schwister setzte sich für Max Dannenbaums Zurückstellung von der Deportation ein
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„Warnung – Beim Durchklettern des Zaunes wird geschossen” – Schild am Ghetto Minsk auf deutsch und russisch
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11. Januar 1881 Lippstadt – nach 1941 Minsk
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Leo Lichtigfeld wuchs als einer von sechs Söhnen des
Eiergroßhändlers Josua Lichtigfeld und seiner Frau Klara
im österreichischen Ostgalizien auf. Wo er zur Schule
ging und studierte, ist nicht bekannt. Seit 1914 lebte die
Familie in Düsseldorf, u.a. in der Leopoldstr. 48.
Lichtigfeld kämpfte im I. Weltkrieg und wurde mit dem
Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. (Als er 1941 von Düs-
seldorf aus ins Ghetto Lodz deportiert wurde, nahm er diese
Auszeichnung mit. So blieb er als Frontkämpfer im Mai 1942
von der weiteren „Aussiedlung“ ins Vernichtungslager Kulm-
hof/Chelmno verschont.)
Als Rechtsanwalt war Lichtigfeld seit dem 10. Oktober 1921 am Düsseldorfer Amts- und Landgericht mit einer Kanzlei auf der Ost-
str. 115/117 zugelassen. 1931 heiratete er Sala (Helene) Weissberg aus Rohatyn und lebte mit ihr erst in der Prinz-Georg-Str. 114.
Nach der Machtergreifung 1933 war Lichtigfeld durch die Ausnahmeregelung für Frontkämpfer des I. Weltkriegs weiterhin als Anwalt
zugelassen. Auch sein Bruder, Dr. Emil Lichtigfeld, war aus diesem Grunde weiterhin am OLG Düsseldorf zugelassen. Die Beiden fir-
mierten in Düsseldorf als Lichtigfeld I (Leo) und II (Emil). Emil Lichtigfeld emigrierte bereits im Dezember 1933 nach London, wo er
nochmals studierte und 1937 das Rabbinerexamen ablegte. Leo Lichtigfeld I war von ihm als Vertreter seines Anwaltsbüros, Königs-
allee 86, eingesetzt worden. Dieser Tatbestand der doppelten Vertretung bei Land- und Oberlandesgericht rief harsche Kritik bei den
Nazis hervor. Nicht nur in der Düsseldorfer „Volksparole“ wurden die beiden Brüder vehement angegriffen. Sogar die Fachzeitschrift
„Deutsches Recht“ griff am 10.3.1935 in einem Artikel den Fall auf und resümierte: „Es gibt eine Art von Gesetzeskunst, die man
ohne weiteres als Gesetzesumgehungskunst kennzeichnen kann. In dieser Kunst ist der Jude Meister. Seit Jahrtausenden bedeutet
die reine Gesetzlichkeit das theologische System seiner Rasse, und wir wissen, daß jenes Buch, welches der vollkommene Ausdruck
der Technik des Buchstabens ist, der Talmud, keinem anderen Zwecke dient, als dem Nutzen des jüdischen Volkes und dem Schaden
aller anderen Völker. (...) Inzwischen ist dafür gesorgt, daß der zukünftige Rabbiner seine deutsche Einkommensquelle nicht verliert.
Lichtigfeld aber hat nun schon bald zwei Jahre lang den Vorzug vor seinen
arischen Kollegen, seine Prozesse zwei Instanzen hindurch in seiner eigenen
Person führen zu können. (...) Daß die Volksschädlichkeit mit dem Nutzen
des Juden zusammenfällt, dafür dient der hier geschilderte Fall als ein-
drucksvolles Beispiel."
Emil Lichtigfeld wurde da-
raufhin am 1. April 1935 von
der Liste der OLG-Anwälte
gestrichen. Nach seiner Rück-
kehr nach Deutschland 1954
wurde er langjähriger Rabbi-
ner der Jüdischen Gemeinde
Frankfurt a.M., Landesrabbi-
ner Hessens und Vorsitzender
der Konferenz der Rabbiner
in Deutschland.
Trotz dieses Vorfalles war
Leo Lichtigfeld I nach der
Pogromnacht 1938, in der
seine Wohnung in der Prinz-
Georg-Str.114 und seine
Kanzlei in der Schadowstr. 26
verwüstet und ihm mehrere
Zähne eingeschlagen worden waren, ab dem 25.11.1938 als Konsulent weiter in Düs-
seldorf zugelassen. Zwei Paßanträge für ihn und seine Frau wurden 1939 abgelehnt.
Im Juli 1941 schrieb der Oberfinanzpräsident Düsseldorf an die Gestapo:
„... M.E. setzt der Beschuldigte seine frühere Anwaltstätigkeit unberechtigterweise
fort. Als Helfer in Steuersachen ist Lichtigfeld abgelehnt worden. Eine Zulassung als
Helfer in Devisensachen für Auswanderer käme ebenfalls nicht in Frage, da mir Lich-
tigfeld unzuverlässig erscheint und mit bekannten jüdischen Fertigkeiten Tatsachen
nach seinem Sinne auszulegen und zu drehen versteht....“ Die lakonische Antwort der
Gestapo lautete nur: „Dr. Leo Israel Lichtigfeld wurde mit dem Judentransport am
27.10.41 nach Litzmannstadt evakuiert. Es ist daher nichts mehr zu veranlassen. Der
Vorgang kann abgeschlossen werden.“
Leo Lichtigfeld überlebte das Ghetto Litzmannstadt/Lodz ganze neun Monate. Eine Postkarte an seinen Kollegen, Dr. Siegfried Orze-
gow, vom 4.12.1941 ist eines der letzten Lebenszeichen Leo Lichtigfelds. Dieser erhielt die Karte mit Poststempel vom 12.12.1941
jedoch nicht mehr – auch er war am 11. Dezember 1941 mit einem Transport nach Riga „ausgesiedelt“ worden.
© Dr. Susanne Mauss
Mit dem EK II ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert
Dr. Leo Wolf Lichtigfeld20. Juni 1889 Bursztyn – 29. Juli 1942 Lodz
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Postkarte von Leo Lichtigfeld vom 4.12.1941 aus dem Ghetto Litzmannstadt/Lodz an RA Siegfried Orzegow
Familie Josua Lichtigfeld: v.l.n.r. stehend Jacob, Leo, Simon, Emil und Lorenz, sitzend Adolf, Klara, Josua
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Volksparole vom 9.2.1935
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Duisburg
Dagobert Bleiweiss26. August 1906 Mülheim/Ruhr – (Chile)
Referendar Duisburg
Walter Bongartz24. November 1901 Wesel – 8. Mai 1945 Auschwitz
Rechtsanwalt AG Wesel; LG Duisburg; Notar
Hugo Bonwit28. August 1873 Essen – 23. Dezember 1960 San Fran-
cisco
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Siegbert Cohn11. November 1876 Kolmar/Posen – 24. März 1944 The-
resienstadt
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Harry Epstein26. August 1879 Duisburg – 25. August 1973 Jerusalem
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Richard Goldbaum4. Mai 1887 Duisburg – 12. April 1935 Wien
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Rudolf Grünberg8. Juni 1901 Dortmund – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Duisburg
Ernst Heumann27. April 1908 Homberg – (Frankreich)
Referendar Duisburg
Erwin Heymann20. August 1906 Oberhausen – (Afrika)
Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg
Walter Siegfried Jacob13. September 1903 Duisburg-Hamborn – (Brasilien)
Rechtsanwalt LG Duisburg
Im Frühjahr der nationalsozialistischen Machtergrei-
fung 1933 sah sich die Justiz in Duisburg bereits vor
dem 1. April 1933 („Judenboykott“) mit antisemi-
tischen Angriffen auf jüdische Richter und Rechtsanwäl-
te konfrontiert. Besonders wurde die Stimmung vor Ort
durch die „National-Zeitung“ manipuliert, die schon am
22. Februar die Juden als „plattfüssige Jordanplantscher“
und „krummnasige, asiatische Gewächse“ bezeichnete.
Der jüdische Anwalt Dr. Moritz Kolski, Sohn des Fabrikan-
ten, Stadtverordneten und Branddirektors Max Kolski
und nicht nur seit 1919 SPD-Mitglied, sondern auch
Vorsitzender der zionistisch-orientierten Arbeiterbe-
wegung „Poale Zion“, tauchte direkt nach der Machtergreifung unter. Daraufhin hetzte die „National-Zeitung“ am
17. März 1933: „Diese Leuchte unter den jüdischen Verteidigern der Kommune hat es nämlich fertiggebracht, sein Fell
in Sicherheit zu bringen, bevor es vorschriftsmäßig gegerbt wurde. Nach dem Muster vieler roter und rötlicher Bonzen
ist er nach ,Unauffindbar‘ verzogen.“
Bereits am 23. März kam es am Duisburger Landgericht zu Tumulten; eine SA-Abteilung verbrannte im Innenhof Ebert-
Bilder und schwarz-rot-gelbe Fahnen. Am 1. April 1933, also vor dem Erlaß des „Gesetzes über die Zulassung zur Rechts-
Das Amtsgericht Duisburg, Königsstraße, in den 20er/30er Jahren
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Aribert de Jonge17. Dezember 1900 Essen – (Frankreich)
Rechtsanwalt LG Duisburg
Dr. Robert Katzenstein4. Juli 1886 Eschwege – (Tegucigalpa/Honduras)
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Sally Martin Kaufmann5. März 1886 Duisburg – 1944 Auschwitz
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Wilhelm Kaufmann20. November 1895 Witten – (USA)
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Eduard Koenigsberger17. Mai 1882 Lissa/Posen – 31. Mai 1948 Mülheim/Ruhr
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Moritz Kolski9. Mai 1885 Duisburg – 25. Oktober 1960 Tel Aviv
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Erich Leffmann24. Juni 1908 Kleve – (Australien)
Referendar Duisburg
Eduard Leven19. Mai 1906 Duisburg – 20. März 1933 Bussum/NL
Referendar Duisburg
Dr. Otto Levy10. Februar 1890 Oberhausen – 16. Mai 1969 Tel Aviv
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Karl Liebreich4. Januar 1911 Duisburg – (Südafrika)
Referendar Duisburg
Otto Löwenberg3. August 1886 Wuppertal-Barmen – (Israel)
Rechtsanwalt LG Duisburg
Max Löwenstein29. August 1898 Dortmund – (USA)
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Justizrat Dr. Heinrich Mannheimer22. Mai 1869 Beuthen – 15. November 1942 Theresi-
enstadt
Rechtsanwalt AG Mülheim/Ruhr; Notar
Dr. Werner Marx19. September 1910 Mülheim/Ruhr – (Israel)
Referendar AG Wesel
Berthold Meyer2. August 1875 Greifswald – 7. März 1943 Theresi-
enstadt
Rechtsanwalt LG Duisburg
Dr. Josef Meyersberg(30. Juli 1890) – 8. Mai 1945 Izbica
Rechtsanwalt LG Duisburg
Jakob Moses23. November 1901 Mülheim/Ruhr – 21. Mai 1984
Düsseldorf
Rechtsanwalt AG Mülheim/Ruhr; LG Duisburg
Dr. Max Münchhausen5. August 1880 Warburg – (Israel)
Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg; Notar
Dr. Walter Oppenheimer6. November 1897 Oberhausen – 4. April 1967 Israel
Rechtsanwalt LG Duisburg
Herbert Pless26. Oktober 1909 Mülheim/Ruhr – (Algerien)
Referendar Duisburg
Dr. Adolf Rosenberg26. Oktober 1897 München-Gladbach – (Israel)
Rechtsanwalt AG Oberhausen; LG Duisburg; Notar
Dr. Dr. Heinrich Rosenblatt23. September 1898 Nürnberg – (USA)
Rechtsanwalt
Dr. Richard Rosenthal21. September 1886 Duisburg – 1. Juli 1957 Teaneck/USA
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Dr. Siegfried Rottenstein10. Dezember 1881 Nieheim/Höxter – 8. Mai 1945 Izbica
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Hugo Ruben20. September 1882 Duisburg – 11. November 1933 Duis-
burg
Rechtsanwalt LG Duisburg
Max Simon25. Februar 1883 Altenkirchen – 9. April 1954 Tel Aviv
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
Rudolf Strauss3. Januar 1911 Duisburg – 11. Juli 1958 Atlantic City/USA
Referendar Duisburg
Dr. Wilhelm Tiemann2. März 1908 Rotterdam – (Barcelona)
Referendar Duisburg
Louis Traugott8. September 1882 Niedermarsberg – 29. Mai 1956 New
York
Rechtsanwalt LG Duisburg
Dr. Fritz Wallach21. Dezember 1907 Duisburg – (USA)
Referendar Duisburg
Justizrat Dr. Hermann Wallach4. August 1868 Wiedenbrück – 18. März 1934 Stuttgart
Rechtsanwalt LG Duisburg; Notar
anwaltschaft“ am 7. April 1933, wurde am Duisburger Landgericht den jüdischen Anwälten das Auftreten vor Gericht
verboten und nur noch ein jüdischer Anwalt, Dr. Siegbert Cohn, zugelassen. SA- und SS-Trupps drangen ins Landgericht
ein und störten die Verhandlungen mit jüdischen Beteiligten. Als im Mai 1933 die jüdischen Anwälte, die unter die Aus-
nahmeregelungen fielen, wieder zugelassen worden waren, kam es im Duisburger Gericht erneut zu Ausschreitungen.
„Volksprotest gegen jüdische Rechtsverdreher. Jüdische Juristen
aus dem Landgericht gefegt“ hieß es am folgenden Tag in der
„National-Zeitung“, die freudig berichtete: „Gegen 10 Uhr dran-
gen die Demonstranten spontan in das Gebäude ein und durch-
zogen die Korridore mit lauten Protestrufen, in die sich immer
wieder die Forderung mischte: ,Juden heraus!‘ (...) Einzelne,
darunter die Rechtsanwälte Levy, Simon, Dr. Kaufmann I, Kat-
zenstein und Löwenberg, wurden durch die sich immer mehr ver-
größernden Menschenmassen aus den Sitzungssälen gefegt.“
Bei einer Gesamtbevölkerung von 440.419 Einwohnern im Jahr
1933 wurden in der Stadt Duisburg 2.560 Juden gezählt. Am
Landgericht Duisburg waren folgende Rechtsanwälte und Refe-
rendare zugelassen: Das Landgericht Duisburg am Königsplatz in den 20er/30er Jahren
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Duisburg
23. März 1933: Rabbiner Mordechai Bereisch wird durch Duisburg getrieben
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Zionist - von Duisburg nach Jerusalem
Dr. Harry Epstein
Harry Epstein, Sohn des Kaufmanns
Siegmund Epstein und seiner Frau
Hermine, wuchs in Duisburg auf
und machte 1898 am Königlichen Gym-
nasium (heute: Landfermann-Gymnasium)
sein Abitur. Nach dem Studium in Bonn,
Hamm und Berlin wurde er am 10. April
1907 beim Duisburger Landgericht als
Rechtsanwalt zugelassen, kurze Zeit später
auch als Notar.
Bereits während des Studiums war er mit dem Zionismus in Verbindung gekommen
– einer Bewegung, der er ab 1903 einen Großteil seiner Schaffenskraft widmete. Von 1903 bis 1927 war Epstein
Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Zionistischen Vereinigung Duisburgs, von 1909 bis 1929 Vorsitzender des
Zionistischen Gruppenverbandes Rheinland-Westfalen (später Gruppenverband Rechts-Rheinland und Westfalen)
und 1932 Mitglied des Landesvorstandes der Zionistischen Vereinigung für Deutschland.
Im August 1907 heiratete Epstein die Duisburgerin Bertha Löwe, die ihm bei seiner zionistischen Arbeit und in der
Jüdischen Gemeinde aktiv zur Seite stand. Sie betreute ab 1904 die Bibliothek der Zionistischen Ortsgruppe und
gründete 1906 mit Martha Neumark, Ehefrau des Rabbiners, den Jüdischen Kinderhort in Duisburg. Das Ehepaar
Epstein zog in die Parkstraße 13 am Kaiserberg, wo es vier Kinder bekam:
Theodor (*1908), Hannah (*1910), Emanuel (*1916) und Gabriel (*1918).
Beide setzten sich besonders für die Gleichstellung der so genannten „Ost-
juden“ ein, die – während des Ersten Weltkrieges vermehrt ins Ruhrgebiet
eingewandert – vom liberalen deutsch-jüdischen Bürgertum als Gefahr
ihrer sozialen Stellung angesehen und ausgegrenzt wurden. Harry Epstein
war nicht nur Initiator der Jüdischen Arbeiterfürsorgestelle in Duisburg
(„Jüdisches Arbeitsamt“), sondern auch der Jüdischen Volksschule, die 1927
in Duisburg ins Leben gerufen wurde, und des Gemeindeblatts, deren erste
Nummer er im November 1929 redaktionell betreute.
Bis 1922 übte Epstein seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar aktiv aus.
Die Kanzlei war – auch in Folge seiner zeitraubenden politischen Aktivi-
täten – nicht sonderlich erfolgreich. Zum 1. Januar 1924 trat er daher als
Gesellschafter in das Familienunternehmen „Cohen & Epstein“ Beekstraße/
Ecke Brunnengasse ein, das sein Bruder Fritz innerhalb seiner 20-jährigen
Tätigkeit zu einem florierenden Kaufhaus mit 300 Angestellten ausgebaut
hatte. Epstein gab 1925 seine Tätigkeit als Notar auf, blieb jedoch als
Anwalt weiter zugelassen. Finanziell abgesichert, konnte er sich nun den
Aufgaben in den Zionistischen Organisationen wie auch in der Repräsen-
tantenversammlung in der Gemeinde vermehrt widmen.
Als die Nationalsozialisten Anfang 1933 an die Macht kamen, wurde bereits
während der Misshandlungen des Rabbiners Bereisch auf dem Königsplatz in Duisburg im März 1933 der Ruf laut:
„Und jetzt kommt der Ostjudenbeschützer Epstein dran!“ Harry Epstein floh daraufhin noch in der Nacht des
23. März 1933 nach Brüssel. Nach seiner Rückkehr nach Duisburg erfuhr er erneut von einer drohenden Verhaf-
tung und floh über Aachen zurück nach Belgien. Noch am selben Tag fand eine Hausdurchsuchung statt, bei der
ein Großteil seiner zionistischen Akten beschlagnahmt wurden. Harry Epstein kehrte noch einmal nach Duisburg
zurück, um sein Haus in der Parkstraße zu veräußern. Seine Frau und Kinder waren teilweise bereits im März 1933
nach Belgien bzw. im März 1934 nach Palästina ausgewandert. Harry Epstein folgte ihnen im September 1934.
Seine Zulassung als Anwalt am Landgericht Duisburg hatte Epstein beibehalten – seine Löschung aus der Anwalts-
liste erfolgte am 22. September 1934. Das Kaufhaus „Cohen & Epstein“ wurde in seinem 100. Jubiläumsjahr 1935
„arisiert“.
Harry Epstein nahm in Palästina keine neue Berufstätigkeit mehr auf; auch in den zionistischen Gremien seiner
neuen Heimat konnte er als Pazifist und Befürworter einer jüdisch-arabischen Koexistenz nicht an die alten Erfolge
aus Duisburger Zeiten anknüpfen. Zurückgezogen lebte er bis einen Tag vor seinem 94. Geburtstag in Jerusalem.
© Dr. Susanne Mauss
26. August 1879 Duisburg – 25. August 1973 Jerusalem
Parkstr. 13 - hier wohnte Familie Epstein bis 1934
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„Harry Epstein war so etwas wie ein enfant terrible der Familie
und der Gemeinde, dadurch, daß er zu den alten Familien zählte, der
deutschen Bildungswelt angehörte, aber auf Seiten der Ostjuden stand.“
Yehoshua Amir, 1982
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Dr. Harry Epstein
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Vom erfolgreichen Rechtsanwalt zum Fischverkäufer in Honduras
Dr. Robert Katzenstein
In Eschwege als Sohn des Michaelis Katzenstein geboren, kam Dr. Robert Katzenstein nach Studium in München,
Freiburg, Göttingen und Promotion in Jena nach Duisburg, wo er seit 1913 als Rechtsanwalt zugelassen war.
Nach dem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg wurde er 1920 auch als Notar in Duisburg zugelassen und heiratete
1922 Helga Kauders aus Hamburg. Das Ehepaar wohnte in der Ludgeristr. 16 und hatte zwei Söhne: Kurt (*1924)
und Edgar (*1927).
Robert Katzenstein führte eine umfangreiche und angesehene Praxis an der Königstr. 32. Sein Klientel setzte sich
zum größten Teil aus Handel und Industrie zusammen; seit etwa 1920 war er Justitiar der Darmstädter & National-
bank, der Danat-Bank und später der Dresdner Bank. Robert Katzenstein war Mitglied der Deutsch-Demokratischen
Partei in Duisburg und engagierte sich als Mitgründer und Präsident der Duisburger B‘nai B‘rith-Loge „Zur Treue“.
Weiterhin war er von 1919 bis 1933 Vorstandsmitglied des Duisburger Anwaltsvereins (hier richtete er u.a. eine
Sterbekasse ein). Dass er Ende 1933 mit nur einer Gegenstimme wiedergewählt wurde, verdeutlicht sein außeror-
dentliches Ansehen im Kreis seiner Kollegen.
Umso mehr erschütterte diesen Vertreter des liberalen deutsch-jüdischen Bürgertums die Machtergreifung der
Nationalsozialisten im Jahr 1933 mit ihrer systematischen Ausgrenzung der Juden aus dem alltäglichen Leben. Im Zuge der antisemi-
tischen Maßnahmen wurde Katzenstein bereits am 1. Juli 1933 das Notariat aberkannt. Während des Novemberpogroms 1938 wurde
die Wohnung der Familie Katzenstein demoliert, Robert Katzen-
stein selbst in „Schutzhaft“ genommen und vom 16. November bis
8. Dezember 1938 ins KZ Dachau eingeliefert.
„Kahlgeschoren wie ein Zuchthäusler“ nahm er seine Anwaltstätig-
keit im Dezember 1938 als Konsulent wieder auf. Sohn Kurt konnte
im April 1939 mit einem „Kindertransport“ nach England ausreisen.
Durch persönliche Verbindungen
nach Honduras gelang dem Ehepaar
Katzenstein im Mai 1939 mit dem
jüngeren Sohn Edgar noch die Emi-
gration in das mittelamerikanische
Land. Hier versuchte sich Katzen-
stein als Textilwarenhändler, doch
nach dem Kriegseintritt Honduras‘
im Jahr 1941 musste Katzenstein als
Deutscher diese Tätigkeit aufgeben.
Zehn Jahre musste er daraufhin
als Fischverkäufer auf einem Markt
in Tegucigalpa, der Hauptstadt von
Honduras, seinen Lebensunterhalt verdienen. Anfang der 50er Jahre eröffnete er mit seiner Frau einen
kleinen Gemischtwarenladen.
Als Dr. Robert Katzenstein 1949 einen Antrag auf Rückerstattung stellte, beschrieb er die Zeit vor
seiner Auswanderung folgendermaßen:
„Ich, der Ehemann, kam im November 1938 im Verfolg der von der kochenden Volksseele angeblich
verlangten Novemberaktion nach Dachau. Bei unserer Entlassung daselbst hielt der Lagerkomman-
dant folgende Ansprache an uns: ,Der Zweck ,Eures‘ Hierseins war es, Euch zu zwingen, Deutschland so
rasch wie moeglich zu verlassen. Dieses Mal kommt Ihr noch lebend heraus. Wer aber ein zweites Mal
wieder hierherkommt, braucht nicht damit zu rechnen, dass er jemals lebend zurueckkommt.‘ Durch
diese, unter Todesdrohung erzwungene, Auswanderung waren wir genoetigt, Hals ueber Kopf, alles
irgendwie draussen nicht unbedingt Benoetigte zu verkaufen oder richtiger gesagt, zu verschleudern,
teilweise auch herzuschenken, da sich nicht genuegend Kaeufer fanden.“
Das Wiedergutmachungsamt Duisburg verlangte von Robert Katzenstein daraufhin im Jahr 1951 die
Namen der „Käufer“ von 1939, worauf dieser konterte:
„Es ist eine probatie diabolica, wenn man jetzt von uns die Namen der Kaeufer unserer Sachen ver-
langt. Ganz abgesehen davon, dass die meisten Kaeufer gegen bar zahlten und wir sie dem Namen
nach garnicht kannten, wollten auch die meisten unter allen Umstaenden sicher sein, dass niemand
erfuehre, dass sie bei Juden etwas gekauft haetten. Bekannt ist uns nur, dass unser Schlafzimmer
der Bahnhofswirt des dortigen Hauptbahnhofs kaufte, dessen Namen uns nicht bekannt war oder
ist. Die Gruende fuer die Veranlassung des Verkaufs duerften dem Herrn Sachbearbeiter wohl zur
Genuege bekannt sein. Zum Vergnuegen habe ich nicht
den Wanderstab ergriffen, sondern nur um den Todes-
drohungen der damaligen deutschen Regierung und
ihren unmenschlichen Methoden zu entgehen. Weder
hatte ich die Moeglichkeit, den gesamten Hausrat mit
in die voellig ungewisse Zukunft mitzunehmen, noch
die Notwendigkeit, in den Tropen, in einer Umgebung
spanischer Sprache, eine juristische deutsche Bibliothek
zu unterhalten. Diese Fragen sind wohl nur gestellt, um
irgendetwas zu sagen.“
Mit den Wiedergutmachungs- bzw. Rentenzahlungen
konnte sich das Ehepaar Katzenstein im hohen Alter
endlich Mitte der 50er Jahre zur Ruhe setzen.
© Dr. Susanne Mauss
4. Juli 1886 Eschwege – (keine Angaben) Tegucigalpa/Honduras
„Unter normalem Verlauf unseres Lebens waren wir nie
auf den Gedanken gekommen, auszuwandern, zumal ich als Rechtsanwalt nirgendwo im Auslande eine Aussicht auf
Erlangung der Berufsaus-übung hatte.“
Robert Katzenstein, 1949
Quittung über einen Teil der „Sühneleistung“, die Dr. Katzenstein 1939 zu entrichten hatte. Hierfür wurden seinem Depot Wertpapiere entnommen und an die Reichsbank Berlin versandt.
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Gestapo-Personalbogen von Dr. Robert Katzenstein
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Sally Kaufmann, Sohn des Kaufmanns Julius
und seiner Frau Helene Kaufmann, war
als gebürtiger Duisburger nach seinem
Besuch des Städtischen Realgymnasiums (heute:
Steinbart-Gymnasium) und dem Jurastudium als
Rechtsanwalt und Notar mit einer Kanzlei Am
Buchenbaum 4, seit 1936 auf der Düsseldorfer
Str. 1 in Duisburg tätig. Kaufmann hatte im
Ersten Weltkrieg gekämpft und war mit dem
Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden – noch am 25. Februar 1935 bekam er
das Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen. Im November 1935 wurde ihm
dann die Ausübung seiner Notartätigkeit verboten...
Kaufmann war mit der aus Düsseldorf stammenden Johanna Hartoch verheiratet; 1924 adoptierten sie den im Januar
des Jahres geborenen Sohn Walter. Sie wohnten seit 1929 in der Prinz-Albrecht-Str. 17.
Sally Kaufmann war 1928 Gründer und Vorsitzender des Jüdisch-liberalen Gemeindevereins, 1930 Vorstandsstellver-
treter und schließlich ab dem 23. Januar 1936 letzter Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Duisburg. 1937 war es zum
Zusammenschluß der bis dahin selbständigen Gemeinden Duisburg, Ruhrort und Hamborn unter Kaufmanns Leitung
gekommen – zu diesem Zeitpunkt lebten noch etwa 1.100 Juden in Duisburg.
Während des Novemberpogroms 1938 kam es im Hause Kaufmann zu schweren Verwüstungen, Sally Kaufmann wurde
misshandelt und verhaftet. Sohn Walter beschrieb diese Nacht in seinem autobiographischen Roman „Stefan – Mosaik
einer Kindheit“ später folgendermassen: „Unser Haus mit der steinernen Treppe, vor der Ein-
gangstür – das Schloss gesprengt, die Tür eingeschlagen, sie hängt lose in den Angeln; neben
der Tür die elektrische Klingel – aus der Wand gerissen, an zwei Drähten baumelnd. (...) Vaters
Bibliothek – ein wüstes Durcheinander von zerstörten Möbeln; die Bücherregale mit den Glas-
scherben umgekippt, juristische Werke und Romane auf den Boden geworfen. ,Der Zauberberg‘,
,Krieg und Frieden‘, die ,Deutsche Justiz‘ mit zerrissenen Einbänden in die Ecke geschleudert.“
Sally Kaufmann wurde am 17. November
in das KZ Dachau eingeliefert. Erst am
8. Dezember 1938 entließ man ihn als
Vorsitzenden der Gemeinde, da er als An-
sprechpartner für die Gestapo-Außenstel-
le Duisburg fungierte. Kaufmann erhielt in
Duisburg die Zulassung als „Konsulent zur
rechtlichen Beratung und Vertretung von
Juden“, die er bis zu seiner Deportation
1943 in Duisburg ausübte.
Im Januar 1939 konnte Sohn Walter Kauf-
mann mit einem „Kindertransport“ nach
England geschickt werden – die Eltern
zogen 1940 in zwei notdürftig einge-
richtete Zimmer des „Judenhauses“ in der
Junkernstr. 2 ein.
Sally Kaufmann musste im Laufe der Jahre der Gestapo bei der
Durchführung der Organisation der Transporte zuarbeiten. So
wurde er als Gemeindevorsitzender im Juli 1942 genötigt, die Aufforderung zur „Evakuierung“ von 147 Duisburger
Juden nach Theresienstadt zu unterzeichnen und für die „Abwicklung“ des jüdischen Vermögens zu sorgen. Ihm war
„von der nationalsozialistischen Leitung die Aufgabe zugefallen (..), die Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde bzw.
Abwanderung korrekt zu erledigen, bis er 1943 mit seiner Frau als letzte Verbliebene als besondere Vergünstigung
nach Theresienstadt deportiert wurden.“ (Schwä-
gerin Jeanette Kaufmann, 1970)
Sally und Johanna Kaufmann wurden am 25. Juni
1943 nach Theresienstadt deportiert; von dort
wurde Sally Kaufmann am 28. Oktober 1944 mit
dem Transport Ev nach Auschwitz transportiert.
Sally und Johanna Kaufmann wurden beide in
Auschwitz ermordet.
© Dr. Susanne Mauss
Der letzte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Duisburg
Dr. Sally Martin Kaufmann I5. März 1886 Duisburg – Ende 1944 Auschwitz (8. Mai 1945)
Dr. Sally Kaufmann
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„Wir reisen heute nach Theresienstadt und senden Dir
innige Abschiedsgrüße und Küsse. Hoffen auf ein Wiedersehen.“
Sally Kaufmann, 24. Juni 1943
Dr. Sally, Johanna und Walter Kaufmann
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Nachricht an den Sohn über die „Reise“ nach Theresienstadt, Juni 1943
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Unbedenklichkeitsbescheinigung der Gestapo 1940 für RA Kaufmann
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Kleve
Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Kleve
Kurt Levi Neuwahlkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Kleve
Günter Nordheim7. Dezember 1908 Geldern – keine Angaben
Referendar LG Kleve
Paul Oster26. Juni 1900 Alpen – 31. März 1944 (Polen)
Rechtsanwalt AG Moers; LG Kleve
Die niederrheinische Stadt Kleve zählte im Jahr 1933 etwa 200 jüdische Personen zu ihrer Gesamtbevölkerung von
22.000 Einwohnern, also noch nicht einmal 1 %. Die Juden zählten zu den Kaufleuten, Gastwirten und Metzgern;
Akademiker (Ärzte, Juristen) waren an einer Hand abzuzählen.
Der Antisemitismus, der in der ländlichen Region schon vor 1933 weiter verbreitet war als in den größeren Städten des
Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf, nahm nach der nationalsozialistischen Machtergreifung weiter zu. Lediglich von
einem Viertel der 200 jüdischen Bürger ist eine rechtzeitige Emigration belegt.
Beim Landgericht in Kleve wurde nach dem „Gesetz
über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ vom
7. April 1933 lediglich einem Rechtsanwalt, RA Paul Oster
aus Moers, die Zulassung entzogen.
Paul Oster hatte seine Kanzlei in Moers und war sowohl
beim Amtsgericht Moers wie auch beim Landgericht
Kleve zugelassen. Nachdem er in die Niederlande emi-
griert war, wurde er dort verhaftet und 1943 nach Polen
deportiert, wo sich seine Spur verliert. Das offizielle
Todesdatum wurde auf den 31. März 1944 festgesetzt.
© Dr. Susanne Mauss
Die Schwanenburg mit dem Amts- und Landgericht Kleve in den 30er Jahren (StA Kleve 4708)
April 1933: Vertretungsverbot für Paul Oster in Moers und Kleve
Das Amtsgericht Moers in den 20er/30er Jahren
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Krefeld
Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Krefeld
Dr. Kurt Alexander13. August 1892 Krefeld – 18. Februar 1962 New York
Rechtsanwalt LG Krefeld
Erich Davids21. Juni 1901 Fischeln/Krefeld – 8. Mai 1945 Izbica
Rechtsanwalt LG Düsseldorf; LG Krefeld
Dr. Richard Bernhard Hertz11. Mai 1908 Krefeld – (USA)
Referendar Krefeld
Dr. Alfred Hiller28. April 1895 Mussbach – (USA)
Rechtsanwalt; Syndicus IHK Krefeld
Justizrat Dr. Hugo Kaufmann27. September 1873 Krefeld – 17. Februar 1943 There-
sienstadt
Rechtsanwalt und Notar LG Krefeld
Im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933
waren in Krefeld 1.626 Juden ansässig. (Dies entsprach
etwa 1 % der Gesamtbevölkerung.)
Die Stadt Krefeld selbst galt mit ihrer rheinischen Mentali-
tät als offen und tolerant. Jüdische Bürger alteingesessener,
assimilierter Familien bekleideten hier Posten in Stadtrat,
Handelsgerichten, Handelskammern und Vereinsvorständen.
Als Kaufleute waren die jüdischen Krefelder größtenteils im
Textilbereich (Seidenhandel und Krawattenbranche) tätig.
Die so genannten „Ostjuden“, eine kleine Gemeinde strenggläu-
biger Juden, wurden vom jüdischen Bürgertum als „Außensei-
ter, als eine Bedrohung des guten Zusammenlebens mit der
übrigen Bevölkerung“ gesehen.
Beim Krefelder Landgericht waren im Frühjahr 1933 lediglich
19 % der Anwaltschaft jüdischer Herkunft.
© Dr. Susanne Mauss
Amts- und Landgericht Krefeld am Nordwall 131
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Personenstandskarten der Krefelder Anwälte jüdischer Herkunft
Dr. Jacob Kaufmann26. November 1892 Hüls/Krefeld – 24. September 1942
Auschwitz
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Ernst Levy14. Februar 1900 Krefeld – 1978 Südafrika
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Ludwig Levy15. März 1901 Beckerath – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Paul Levy18. Juli 1904 Krefeld – 1974/1975 Südafrika
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Kurt Löwenthal12. März 1894 Krefeld – (Israel)
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Sally Reiss18. Juni 1879 Krefeld – 23. Juli 1937 Nassau/Lahn
Rechtsanwalt LG Krefeld
Justizrat Dr. Gustav Simon9. Oktober 1857 Werden – 11. Juli 1939 auf dem
Schiff nach Chile
Rechtsanwalt LG Krefeld
Josef Wilczek31. August 1877 Czarnikau – 21. Januar 1943 Lodz
Rechtsanwalt LG Krefeld
Dr. Karl Winter6. Juli 1892 Kempen – 16. September 1959 Israel
Rechtsanwalt AG Kempen; LG Krefeld
Einzug des Aufklärungsregiments VI in Krefeld, Westwall am Rathaus 14.8.1938" (Stadtarchiv Krefeld 8629)
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Kurt Alexander wuchs als Sohn des Lehrers Natan
Alexander und seiner Frau Dina in Krefeld auf. Wäh-
rend seines Jurastudiums in Heidelberg, Bonn und
Berlin war Alexander aktives Mitglied, später im Vorstand
des Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten
jüdischen Glaubens (K.C.) – eine Aufgabe, die er auch in der
Emigration als Vorstand des K.C. in New York bis zu seinem
Tod wahrnahm. In der Öffentlichkeit trat Kurt Alexander am
27. Januar 1914 in Bonn zum ersten Mal als überragender
Redner hervor, als er als erster deutscher jüdischer Student
überhaupt bei der allgemeinen Bonner Studentenfeier die
„Kaiserrede“ halten durfte.
Nach seiner Promotion in Heidelberg im Dezember 1914 und
dem Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg, ging Alexander als Syndikus und Schriftführer zum
Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens nach
Berlin. Obwohl er 1922 nach Krefeld zurückkehrte und als Anwalt
beim Landgericht Krefeld zugelassen wurde, blieb er weiterhin
Hauptvorstandsmitglied und von 1937 bis 1938 Vizevorsitzender
des Central-Vereins.
Kurt Alexander ging bereits 1922 eine Sozietät mit dem älteren
Justizrat Dr. Gustav Simon mit Kanzleiräumen an der König-
str. 140 ein. Er wohnte in der Dürerstr. 42. Seine bis 1939 erfolg-
reiche Anwaltstätigkeit ging jedoch immer einher mit dem von
seinem „rheinisch-frohen Gemüt“ getragenen Engagement für
seine Mitmenschen: vom 22. Mai 1924 bis 15. Oktober 1929 war
Kurt Alexander Stadtverordneter in Krefeld, bis zu seiner Emigration
1939 war er im Vorstand der „Niederrhein-Loge“ des Unabhängigen
Ordens B‘nai B‘rith und der Jüdischen Gemeinde Krefelds aktiv, im
Juni 1933 firmierte er als Gründer des Jüdischen Kulturbundes in
Krefeld und auch in der Reichsvereinigung der Juden in Deutsch-
land besetzte er von 1937 bis 1938 einen Präsidiumsposten neben
den führenden Persönlichkeiten des deutschen Judentums wie
Rabbiner Leo Baeck.
Um so mehr erschütterte es Kurt Alexander, als er im Zuge des
Novemberpogroms am 10. November 1938 als einer von etwa
60 Krefelder Juden verhaftet und am 17. November ins Konzentra-
tionslager Dachau
eingeliefert wurde.
Obwohl er Ende
1938 als Konsu-
lent am Krefelder
Landgericht zuge-
lassen worden war,
forcierte er nach
seiner Entlassung aus dem KZ im Dezember 1938 mit seiner zweiten
Frau Agathe die Auswanderung.
Im März 1939 emigrierte das Ehepaar Alexander nach London, wo Kurt
Alexander von 1939 bis 1943 beim Jewish Central Information Office
(später Wiener Library) und von 1943 bis 1949 als Geschäftsführer der
Association of Jewish Refugees arbeitete. Nach der Gründung der Uni-
ted Restitution Organization (URO) und seiner Tätigkeit beim Council
of Jews from Germany in London, übernahm er 1949 den Direktorenpo-
sten der URO New York, der Hilfsorganisation für Wiedergutmachungs-
berechtigte im Ausland.
Während der von ihm gehaltenen Traueransprache für einen K.C.-
Freund brach Kurt Alexander im Februar 1962 tot zusammen – er starb
wie er gelebt hatte: aktiv und seinen Mitmenschen zugewandt.
© Dr. Susanne Mauss
Rheinischer Aktivist für die jüdische Gemeinschaft
Dr. Kurt Alexander13. August 1892 Krefeld – 18. Februar 1962 New York
November 1938: Bittbrief Agathe Alexanders um Haftentlassung ihres Ehemannes aus dem KZ Dachau
„Wir sollten nicht sprechen von Hass und wir sollten nicht sprechen von kollektiver Schuld. (...) Aber es gibt so etwas wie eine Gesamtver-
pflichtung zur Erinnerung. Diese unsere Gruppe und jede Gruppe von jüdischen Menschen, die durch das
Erlebnis in Deutschland hindurchge-gangen sind, darf nicht vergessen.“
Kurt Alexander, Mai 1956 Dr. Kurt Alexander
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Informationen über Kurt Alexander werden an die Gestapo weitergeleitet
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Justizrat Dr. Hugo Kaufmann wuchs im rheinischen Krefeld als Sohn des
Seidenfabrikanten Isaak Kaufmann und seiner Frau Josephine (Sophie)
Julie auf. Nach dem Studium in Berlin und Bonn wurde er am 26. Mai
1899 in Krefeld als Anwalt zugelassen. 1913, 1914 und 1919 wurde Hugo
Kaufmann zum Stadtverordneten der Liberalen Partei gewählt; er war außer-
dem Kriegsteilnehmer im Ersten Weltkrieg. Hugo Kaufmann wurde 1917 als
einem der letzten preußischen Anwälte der Titel „Justizrat“ verliehen. Zusätz-
lich führte er die Bezeichnung „Fachanwalt für Staats- und Verwaltungsrecht“.
Neben seiner erfolgreichen Anwaltstätigkeit engagierte sich Kaufmann als Vorstandsmitglied in der
Synagogengemeinde Krefeld – von November 1938 bis zu seiner Deportation im Juli 1942 sollte er
der letzte Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde sein.
Als die jüdischen Anwälte im Frühjahr 1933 mit dem Vertretungsverbot bedroht wurden, schrieb Kaufmann an das Preußische
Justizministerium: „Ich bin seit dem 26. Mai 1899 ununterbrochen als Rechtsanwalt in Krefeld zugelassen und bin im Weltkriege
vom 8. November 1916 bis zum 1. Mai 1917 Soldat gewesen, und zwar vom 10. Januar 1917 ab an der Front. Meine Zulassung
und Tätigkeit bei Gericht ist auch anläßlich der jetzigen politischen Ereignisse nicht unterbrochen worden: all dies erhellt aus
meinen Personalakten. Daß ich mich niemals kommunistisch betätigt habe, bedarf sonach wohl nicht noch der Hervorhebung.
Eine Rücknahme meiner Zulassung als Rechtsanwalt kann somit nicht stattfinden.“
Hugo Kaufmann blieb weiterhin als Rechtsanwalt in Krefeld zugelassen.
Im November 1938 stellte ihm die Gestapo Krefeld beim OLG-Präsidenten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus: „Der Jude
Justizrat Dr. Hugo Kaufmann ist bereits vor dem Kriege beim hiesigen Amts- und Landgericht als Rechtsanwalt zugelassen worden
und hat mit den Gerichtsbehörden in zurückhaltender Weise gearbeitet. Auch sonst ist er in der Öffentlichkeit nicht unliebsam
aufgetreten, obwohl er in jüdischen Kreisen eine führende Rolle spielt. Gegen die Zulassung des Kaufmann als jüdischer Konsulent
bei den hiesigen Gerichten bestehen in krimineller und polizeilicher Hinsicht keine Bedenken. Von den unlängst getroffenen Mass-
nahmen (Novemberpogrom) gegen
die Juden ist Kaufmann nicht be-
rührt worden.“ Hugo Kaufmann
wurde daraufhin als Konsulent am
Krefelder Landgericht zugelassen.
Hugo Kaufmann und seine Frau Erna
blieben am Nordwall 75 in Kre-
feld wohnen. Der knapp 18-jährige
Sohn Georg Eduard wanderte jedoch
am 11. Februar 1939 nach Groß-
britannien aus. Georg wurde nach
Ausbruch des Zweiten Weltkrieges
von den Engländern 1940 inter-
niert und als Zivilinternierter nach
Australien gebracht. Durch diesen
Umstand war eine Korrespondenz
zwischen Eltern und Sohn auf dem
Wege der Kriegsgefangenenpost
möglich. Hugo Kaufmann litt unter
den Demütigungen des Konsulen-
tendaseins (Verbot des Tragens der
Anwaltsrobe vor Gericht, kein Zugang zu den Anwaltsräumen...), sah jedoch
für sich persönlich nicht die Notwendigkeit der Emigration („Was kann mir
geschehen, ich habe keiner Fliege etwas zuleide getan!“).
Im Frühjahr 1939 musste Kaufmann nach der „Verordnung über den Einsatz
des jüdischen Vermögens“ vom 3.12.1938 unter anderem seine Münzsammlung
für 200,- RM bei der Städtischen Pfandleihanstalt abgeben. Die 289 silbernen
Reichsmünzen und Jubiläumsmünzen gingen Ende 1939 für den tatsächlichen
Schätzwert von 800,- RM an das Stadtmuseum Burg Linn in Krefeld, dem
Hugo Kaufmann im März 1940 auch noch den „mir verbliebenen Rest meiner
Münzsammlung“ übergab.
Am 25. Juli 1942 wurde
das Ehepaar Kaufmann
mit Hugo Kaufmanns
alter Mutter Sophie, die
auf einer Bahre getragen werden musste, mit dem Transport Nr.VII/2, Zug
Da 71 von Aachen nach Theresienstadt deportiert. Nachdem Hugo Kaufmann
sieben Monate Steine klopfen musste, starb er dort im Februar 1944. Seine
Frau Erna wurde am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz transportiert und dort
ermordet.
© Dr. Susanne Mauss
Vom Nordwall nach Theresienstadt
Justizrat Dr. Hugo Kaufmann27. September 1873 Krefeld – 17. Februar 1943 Theresienstadt
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Justizrat Dr. Hugo Kaufmann
Inhaftierungsbescheinigung des Roten Kreuzes von 1959
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Der letzte Brief an Sohn Georg vor der Deportation nach Theresienstadt
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1939: Abgabe der Kaufmann'schen Münsammlung bei der Städtischen Leihanstalt Krefeld
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„Was kann mir geschehen, ich habe keiner Fliege etwas
zuleide getan.“Hugo Kaufmann
D19
Gustav Simon war das jüngste
von acht Kindern des Textil-
kaufmanns Herz Simon und
seiner Frau Bella aus Werden. Seit
1906 war er neben seiner Anwaltstä-
tigkeit in Krefeld Mitgesellschafter
und Rechtsberater des Simon‘schen
Holzverarbeitungswerkes Döllken &
Co. in Werden, das sein Bruder Leo-
pold maßgeblich aufgebaut hatte.
Gustav Simon war seit etwa 1885 als
Anwalt in Krefeld zugelassen. Anläß-
lich seines 70. Geburtstag schrieb die
„Krefelder Zeitung“ im Oktober 1927:
„Während seiner mehr als 40jährigen Anwaltstätigkeit in unserer Stadt hat er sich überall höchstes Ansehen erwor-
ben. Bei allen, die mit ihm in Berührung kommen, (...) ist er gleichermaßen geschätzt und beliebt. Sein klares Urteil,
seine umfassende Rechtskenntnis, sein energisches Eintreten für die ihm anvertrauten Interessen haben seinen Ruf
begründet und gefestigt.“
Gustav Simons Kanzlei befand sich an der Königstr. 140 (seit 1922 als
Gemeinschaftspraxis mit Dr. Kurt Alexander); er wohnte mit seiner
Frau Elise Sofie und den drei Töchtern in der Hohenzollernstr. 84.
Neben seinen Posten als Vorsitzender des Verbandes der Seidenfärbe-
reien und des Verbandes der Krawattenfabrikanten fungierte Gustav
Simon seit dem 5. April 1917 als Vorsitzender des Krefelder Anwalts-
vereins. (Von 1919 bis 1933 war er der Vertreter der Krefelder Anwalt-
schaft in der RAK Düsseldorf.)
Der spätere Stadtdirektor und Rechtsanwalt Walther Höller beschrieb
Simon als einen „gepflegten älteren Mann, rundlich, grau, nicht weiß,
hatte ein liebenswürdiges Auftreten. (...) Als Vorsitzender war Simon
etwas zeremoniell.“
Bereits in der ersten ordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins
der Krefelder Anwälte nach der nationalsozialistischen Machtergrei-
fung hatte Justizrat Simon am 9. Februar 1933
seinen Rücktritt vom Posten des Vorsitzenden
aus „Alters- und Gesundheitsgründen“ ange-
kündigt. Auf der ausserordentlichen Mit-
gliederversammlung vom 23. Februar 1933
wurde daraufhin eine Satzungsänderung vor-
genommen und Gustav Simon einstimmig
zum Ehrenvorsitzenden ernannt – eine für
Anfang 1933 ungewöhnliche Geste der Aner-
kennung gegenüber einem Kollegen jüdischer
Herkunft.
Als den jüdischen Anwälten Anfang April
1933 (bis auf Kaufmann und Alexander) die
Zulassung beim Krefelder Landgericht entzo-
gen wurde, setzte sich Landgerichtsdirektor
Schleipen vehement für die Wiederzulassung
Simons ein. Nach dem „Gesetz über die Zulas-
sung zur Anwaltschaft“ vom 7. April 1933
war Gustav Simon jedoch per se weiter als
„Altanwalt“ zugelassen.
Gustav Simon erkannte die zunehmende
Gefahr für die Juden durch den Nationalso-
zialismus, und zollte der fortschreitenden Ausgrenzung der Juden Rechnung. Trotz seines hohen Alters und seiner
immensen Sehbehinderung wollte er Deutschland noch Ende der 30er Jahre verlassen. Im Juni 1938 gab er daher seine
Anwaltszulassung zurück und meldete sich am 20. Mai 1939 mit seiner Frau beim Einwohnermeldeamt mit dem Ziel
Santiago de Chile ab. Auf der Überfahrt nach Chile ist Justizrat Dr. Gustav Simon auf dem Schiff in die Emigration, dem
Weg in die Freiheit gestorben.
© Dr. Susanne Mauss
Vertreter der Krefelder Anwaltschaft bis 1933
Justizrat Dr. Gustav Simon9. Oktober 1857 Werden/Ruhr – 11. Juli 1939 (Schiffsreise nach Chile)
Verein der Rechtsanwälte Krefeld mit seinem Vorsitzenden JR Dr. Gustav Simon 1925 (erste Reihe, 3. von rechts)
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Juni 1938: Gustav Simon beantragt seine Löschung aus der Anwalts-liste
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Der Krefelder LG-Präsident setzt sich für Gustav Simon ein
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Mönchengladbach
Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Mönchengladbach
Grete Baum (Grete Chanachowicz)9. März 1908 Gladbach – (Israel)
Referendarin Gladbach-Rheydt
Karl Bellerstein11. Mai 1909 Wuppertal-Elberfeld – (Schweiz)
Referendar Gladbach-Rheydt
Justizrat Dr. Fritz David2. März 1865 Krefeld – 19. Oktober 1941 Gladbach
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Heinrich Falkenstein7. April 1908 Hochneukirch – Oktober 1972 USA
Referendar Gladbach-Rheydt
Als die Nationalsozialisten Anfang 1933 die Macht im
linksrheinischen Gladbach-Rheydt übernahmen, lebten
in der zusammengesetzten Stadt etwa 1.250 Juden bei
einer Gesamtbevölkerung von 201.987 Personen – nicht einmal
1 %. Zum 31. Juli 1933 wurden die beiden Städte wieder in die
Stadtkreise München Gladbach, kurz M. Gladbach, und Rheydt
aufgeteilt. (Joseph Goebbels, gebürtiger Rheydter, soll an dieser
Trennung interessiert und beteiligt gewesen sein.)
Am Landgericht Glad-
bach-Rheydt waren zu
Beginn des Jahres 1933
rund 50 Rechtsanwälte
zugelassen – von ihnen waren acht Anwälte jüdischer Herkunft. Keiner
dieser acht Anwälte wurde Opfer der nationalsozialistischen „Endlösung“.
Konsulent Isidor Fürst war zwar noch im November 1944 in ein Arbeits-
lager nach Berlin deportiert worden, kehrte aber im August 1945 nach
M. Gladbach zurück. Die anderen Anwälte konnten vor Kriegsbeginn
1939 aus M. Gladbach und Rheydt ins schützende Ausland entkommen.
© Dr. Susanne Mauss
Das Landgericht Gladbach-Rheydt nach 1930
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13. März 1933 Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Gladbacher Rathaus
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Isidor Fürst25. Oktober 1876 Frankenberg – 16. März 1956
Mönchengladbach
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Dr. Ernst Ganz10. Juli 1882 Bünde – 5. Mai 1954 Whitchurch/GB
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Dr. Theo Heymann22. Mai 1895 Odenkirchen – (Brasilien)
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Dr. Erich Jakobsohnkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Josef Joseph9. November 1882 Altenbamberg – 23. November 1945
Philadelphia/USA
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Dr. Hugo Lebach23. Januar 1903 Adorf/Waldeck – (Südafrika)
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
Dr. Ernst Plaut15. Dezember 1899 Kassel – 1945 London
Rechtsanwalt; Syndicus
Sally Vohssen12. April 1883 Hochneukirch – 6. Februar 1939 Haifa
Rechtsanwalt LG Gladbach-Rheydt
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Dr. Theo Heymann
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24. April 1933 Joseph Goebbels spricht von der Treppe des Rheydter Rathauses
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Isidor Fürst wurde als Sohn des Kaufmanns Falk Fürst in Frankenberg a.d. Eder
(Hessen) geboren, wuchs in Marburg auf und studierte bis 1899 Jura in Kassel.
Nach dem bestandenen Assessorexamen in Berlin wurde Fürst am 5. Dezember
1905 beim Amtsgericht Gladbach zugelassen, am 19. Juni 1906 beim M. Gladba-
cher Landgericht. Im Ersten Weltkrieg wurde er am 5. August 1914 eingezogen und
diente bis zum 9. November 1918 beim Ersatzbataillon des Landwehrinfanteriere-
gimentes Nr. 25.
Nach dem Krieg nahm Fürst seine Rechtsanwaltstätigkeit in der Gladbacher Bis-
marckstr. 39 wieder auf, dann für einige Zeit in der Nr. 102, bis die Familie Fürst
im Haus Bismarckstr. 73 sowohl Kanzlei wie Wohnung fand. Isidor Fürst hatte die
Gladbacher Katholikin Christine (Tinny) Fredloh geheiratet und mit ihr drei Söhne
bekommen. Politisch trat er in Gladbach nicht sonderlich in den Vordergrund –
1924 war er Vorsitzender des „Vereins jüdischer Bürger“ gewesen, seit 1926 Mitglied
im Vorstand der „Walther-Rathenau-Loge“.
1933 blieb Isidor Fürst als Rechtsanwalt zugelassen. Im Februar 1937 musste er sich vor dem M. Gladbacher Amtsge-
richt für zwei Ohrfeigen verantworten, die er einem 9-jährigen „arischen“ Flegel verpasst hatte, der an seinem Haus
den Verschluss des Wasserleitungsrohrs mutwillig beschädigt hatte. Als den jüdischen Rechtsanwälten im Zuge der
„5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ vom 27. September 1938 die Zulassung zum 30.11.1938 entzogen wurde,
konnte Isidor Fürst als einziger Konsulent am Landgericht Gladbach-Rheydt seiner Anwaltstätigkeit weiter nachgehen.
Er vertrat nun die Belange der noch in Gladbach und Rheydt verbliebenen Juden primär in Auswanderungs- und zuneh-
mend auch in Vermögensangelegenheiten vor Deportationen.
Fürst selbst blieb – auch durch die „privilegierte Mischehe“ geschützt – bis zum Jahr 1944 von Verfolgungsmaßnahmen
verschont. Er sollte mit Gustav Brück aus Wuppertal der am längsten zugelassene Konsulent im OLG-Bezirk Düsseldorf
bleiben. Sohn Günter Fürst (*1926) konnte noch im Juli 1941 in die USA emigrieren, der Sohn Heinz (*1919) wurde
jedoch am 22. April 1942 mit seiner Frau Eva nach Izbica deportiert. Der jüngste Sohn, Hanns (*1938), war katholisch
getauft und blieb mit seiner Mutter Christine bis 1945 unbehelligt.
Das Haus Bismarckstr. 73 wurde zu einem der Gladbacher
„Judenhäuser“. Isidor Fürst musste den Judenstern, das öffentlich
sichtbare Zeichen der sozialen Ausgrenzung, tragen. Christine
Fürst hatte sich zwar im Januar 1942 hinsichtlich der „Polizeiver-
ordnung über die Kennzeichnung der Juden“ mit einem Bittbrief
an den Justizminister in Berlin gewandt, um „die Gefühle und
Interessen der Frau und des Kindes des Juden zu schonen“ und
ihrem Mann das Tragen des „Juden-Kennzeichens“ zu erlassen,
war jedoch nicht erfolgreich.
Im Jahr 1942 beschwerte sich ein Rechtsanwalt und „Treuhänder
des jüdischen Grundbesitzes im Kreise Düren“ bei der Gestapo
Aachen über Isidor Fürst und fügte am Ende des Briefes an: „Bei
dieser Gelegenheit verfehle ich nicht, die geheime Staatspolizei
davon in Kenntnis zu setzen, daß der Konsulent Fürst bei allen
Schreiben an mich es unterläßt, seinem Briefaufdruck und seiner
Unterschrift den vorgeschriebenen Zunamen Israel hinzuzufü-
gen. Dasselbe ist der Fall bei Briefen an Pächter von Judengrund-
stücken, die mir von den Empfängern weitergeleitet worden sind.
Heil Hitler!“
Fürst wurde daraufhin von der Gestapo in seine Schranken gewiesen („26.5.42: Hatte Unterlagen über die Bestallung
eines Deutschblütigen als Treuhänder angefordert. Wurde verwarnt.“). Die Gestapostelle Düsseldorf bestätigte aber, dass
Fürst den Zusatz „Israel“ nicht führen musste. („Gleichzeitig bitte ich, die Rechtsanwälte D. in Düren zu unterrichten,
daß der Vorname ,Isidor‘ (..) als jüdischer Vorname gilt und Fürst den zusätzlichen Vornamen ,Israel‘ nicht zu führen
braucht.“)
Kurz vor Kriegsende boten auch die Mischehen
keinen Schutz mehr vor Deportationen. Isidor Fürst
wurde noch am 17. September 1944 verhaftet und
in das Arbeits- und Sammellager „Iranische Str. 2,
Berlin“ (Jüdisches Krankenhaus) deportiert. Nach
der Befreiung durch die Alliierten im Mai 1945
kehrte Isidor Fürst am 1. August 1945 nach M.
Gladbach zurück.
Am 27. September 1945 wurde er wieder als
Rechtsanwalt zugelassen.
© Dr. Susanne Mauss
Der letzte linksrheinische Konsulent
Isidor Fürst25. August 1876 Frankenberg – 16. März 1956 Mönchengladbach
Das Haus der Familie Fürst in der Bismarckstr. 73 im Jahr 1945
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1955 konnte Isidor Fürst auf seine 50jährige Anwaltszulassung in Mönchengladbach zurückblicken
Rechtsanwalt Isidor Fürst
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Josef Joseph, im linksrheinischen Rheydt der „doppelte Jupp“
genannt, wurde als Sohn des Weingutbesitzers Ludwig Joseph
und seiner Frau Elisabeth in Altenbamberg bei Bad Kreuznach
geboren. Er war als Vizefeldwebel im Ersten Weltkrieg an der Front,
später als Richter am Militärgericht in Köln. 1918 ließ er sich als
Anwalt in der Hauptstr. 13 nieder, ab Mitte der 20er Jahre in einer
sehr erfolgreichen Sozietät mit Dr. Theo Heymann in der Strese-
mannstr. 32.
Anfang der 20er Jahre verkehrten in seinem Haus viele junge Künst-
ler und Literaten, u.a. auch der spätere Reichspropagandaminister
Joseph Goebbels, dem der Namensvetter Joseph häufiger unter die
Arme griff. Am 22. August 1927 heiratete Josef Joseph die Tochter
des Textilfabrikanten David Salmon aus Odenkirchen, Lilly Salmon.
Das Ehepaar zog in das Haus Freiheitstr. 31 und bekam im Juni 1928 eine Tochter.
Nach der Machtergreifung 1933 konnte die Kanzlei Joseph/Heymann aufgrund der Tatsache, dass beide Anwälte im Ersten Weltkrieg
für das Deutsche Reich an der Front gekämpft hatten, vorerst weiter existieren. Ende 1933 wurde Joseph dann bei der Anwaltskammer
als „kommunistisch gesinnt“ denunziert, woraufhin er dem Preußischen Justiz-
ministerium einen Brief mit 12 Leumundszeugnissen sandte: „Ich glaube daher
hervorheben zu dürfen, glaube auch durch die überreichten Belege genügend
bewiesen zu haben, dass ich in durchaus staatserhaltendem Sinne – fern von
aller Politik und insbesondere fern aller kommunistischen Gesinnung mich
erwiesen habe. (...) Von alledem (..) kann natürlich der Herr Gewährsmann (der
Anwaltskammer) nichts wissen, weil er nicht von hier ist und mich persönlich
viel zu wenig kennt. Sein Urteil ist ein rein gefühlsmässiges und ist so, wie
man es heutzutage vielfach allgemein über jüdische Akademiker hört.“ Ein
Mandant bezeugte am 12.12.1933: „Ich habe nie etwas Nachteiliges über Sie
gehört und die gute Meinung, die ich von vielen Leuten, auch jetzt führenden
Nationalsozialisten Rheydts hörte, haben Sie vollauf bestätigt. (..) Ich tue dies
(Schreiben des Briefes) nicht als, sondern weil ich Nationalsozialist bin.“
Ins Visier der Staatspolizei geriet Joseph wiederholt als Vorsitzender der
„Walther-Rathenau-Loge“, deren Treffen bespitzelt wurden. Noch bevor die
B‘nai B‘rith-Loge am 28.12.1937 im Gladbacher Vereinsregister gelöscht
wurde, durchsuchte die Gestapo im April 1937 das Haus von Joseph und beschlagnahmte etliche Logen-, aber auch private Unterlagen.
Sie wurden vom SD eingezogen. Nach seinem 56. Geburtstag am 9. November wurde Josef Joseph am 10. 11. 1938 in zweiwöchige
Schutzhaft genommen, das Haus an der Freiheitstrasse verwüstet. Als Joseph die anwaltliche Zulassung zum 30.11.1938 entzogen
wurde, musste die Familie ihre bereits eingeleitete Emigration schnellstens vorantreiben. Tochter Liesl fragte später: „Der 10. Novem-
ber 1938 war das Ende meiner Kindheit. (...) Haben Sie eine Vorstellung davon, was eine Familie durchmachte, wenn ihr Vermögen
beschlagnahmt wurde, alle Wertsachen abgegeben werden mussten, Juden aus ihren Berufen und Arbeitsstellen entlassen wurden
und es ihnen verboten war, ihr Brot zu verdienen?“
Das Affidavit für die Ausreise der Familie Joseph in die USA kam wenige Tage später. Aufgrund einer Mandelentzündung Liesls wurden
die erforderlichen Visa nicht ausgestellt, ein Umweg über Kuba notwendig. Familie Joseph schiffte sich am 13. Mai 1939 im Hamburger
Hafen auf der St. Louis nach Havanna/Kuba ein. Aufgrund des neuen Kubanischen Gesetzes 937 sollte die St. Louis jedoch keine Lan-
deerlaubnis mehr erhalten. An Bord des HAPAG-Liners wurde daraufhin ein Bordkomitee mit Josef Joseph als Vorsitzendem geschaffen.
Dieses Komitee sollte für Ruhe unter den Passagieren sorgen und gemeinsam mit Kapitän Schröder die Verhandlungen von jüdischen
Hilfsorganisationen mit alternativen Einwanderungsländern unterstützen. Die St. Louis ging am 27. Mai 1939 in Havanna vor Anker
– die 907 Juden aus Deutschland wollte kein Land aufnehmen. Goebbels tönte im Rundfunk: „Da niemand die schäbigen Juden der
,St. Louis‘ haben will, werden wir sie zurücknehmen und versorgen müssen.“ Am 11. Juni musste das Schiff nach Deutschland zurück-
kehren. Meuterei- und Selbstmorddrohungen der jüdischen Passagiere verschärften die Stimmung an Bord. Am 14. Juni erklärten sich
die Regierungen Englands, Hollands, Belgiens und Frankreichs bereit, die Flüchtlinge aufzunehmen.
In Antwerpen gelandet, kam die Familie Joseph nach Großbri-
tannien, wo Josef Joseph nach Kriegsbeginn interniert wurde.
Im September 1940 konnten sie endlich in die USA auswan-
dern, wo sie in Philadelphia eine neue Heimat fanden. Die
erste Zeit war schwer. Lilly Joseph musste als Hausmädchen
arbeiten, Josef Joseph in einem Lebensmittelgeschäft Obst und
Gemüse abwiegen. Sein Engagement für andere blieb jedoch
ungebrochen: er schrieb für eine deutschsprachige Zeitung in
Philadelphia, unterstützte die Arbeit des „Central Clubs“ (einer
deutsch-jüdischen Emigrantenvereinigung) und den Aufbau
der Congregation Tikvoh Chadashoh, einer Synagogengemein-
de aus deutschen Emigranten und Überlebenden.
© Dr. Susanne Mauss
Freiheitsstr. 31, das Haus der Familie Josef
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Der „doppelte Jupp“ aus Rheydt
Josef Joseph9. November 1882 Altenbamberg – 23. November 1945 Philadelphia
Josef Joseph mit Ehefrau Lily und Tochter Liesel Ende der 20er Jahre
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Der amerikanische Passagierdampfer "St.Louis", auf dem etwa 900 jüdische Flüchtlinge Mitte 1939 nach Kuba emi-grieren wollten, jedoch eine Irrfahrt über den Atlantik zurück nach Europa erlebten.
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Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Wuppertal
Rechtsanwälte jüdischer Herkunft 1933 in Wuppertal
Dr. Siegfried Aaron11. Januar 1887 Velbert – 18. April 1945 auf dem
Transport von Bergen-Belsen nach Tröbnitz
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Leo Adlerstein5. Juli 1907 Elberfeld – keine Angaben
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Erich Altgenug24. April 1894 Essen – (Brasilien)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Gustav Brück2. Januar 1877 Bad Kreuznach – 15. Mai 1956
Wuppertal
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Coppelkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Hans FeistWuppertal – London
Referendar Wuppertal
Dr. Walter Fischer8. März 1889 Berlin – (Israel)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Richard Goldbergkeine Angaben
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Hans Goldschmidt10. November 1881 Elberfeld – 12. Februar 1940
Lingfield/GB
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Zur Zeit der nationalsozialistischen Machtergreifung
1933 lebten in Wuppertal 2.471 Juden (Volkszählung
vom 16.6.1933), etwa 0,6 % der Gesamtbevölkerung.
Diese 0,6 Prozent waren größtenteils alteingesessene Familien
der Stadt im Bergischen Land und setzten sich aus allen Bevöl-
kerungsschichten und Berufsgruppen zusammen.
1934 konstatierte Fritz Jorde, Verfasser der Geschichte der
Juden in Wuppertal: „Die geringe Stärke des jüdischen Bevöl-
kerungsanteils in Barmen ist aus dem Überwiegen (und der
Art) der Industrie in Barmen gegenüber dem Zurücktreten der
Industrie und dem Überwiegen des Handels in Elberfeld erklär-
lich, ist doch der Elberfelder Tex-
tilhandel eine jüdische Domäne
geworden. Über dies hielt sich
ihrer ganzen Art nach die Barmer christliche Bevölkerung den Juden gegenüber mehr
zurück, woraus es sich wiederum erklärt, daß eine Durchsetzung der christlichen Familien
mit jüdischem Blut hier in sehr viel geringerem Grad zu verzeichnen ist als in Elberfeld.“
Zum 1. April 1933 hatte die Wuppertaler NSDAP-Kreisleitung bereits ein Heft (das so
genannte „Boykottheft“) herausgegeben, in dem „nur für den Dienstgebrauch bestimmt“
848 Wuppertaler Juden mit ihren Berufen auf-
gelistet waren – unter ihnen auch 16 Rechts-
anwälte jüdischer Herkunft mit Berufsbezeich-
nung und Anschrift...
Die „Barmer Zeitung“ gab am 3. April 1933
bekannt, dass entsprechend „der Schlüsselzahl
der jüdischen Bevölkerung (..) noch einige
jüdische Anwälte zugelassen werden, und zwar
an den Wuppertaler Gerichten Rechtsanwalt
Goldschmidt, Elberfeld, und daneben für die
Kammer für Handelssachen in Barmen Rechts-
anwalt Orgler.“
© Dr. Susanne Mauss
Landgericht Wuppertal mit Schwebebahn, 20er/30er Jahre
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Das „Boykottheft“ der Wuppertaler NSDAP von 1933
Ludwig Heymann31. Januar 1902 Essen – 22. Januar 1945 Bergen-Belsen
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Hugo Israel29. Juni 1893 Langenberg – 28. September 1944 Au-
schwitz
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Heinrich (Heinz) Gustav Kahn (Henry Kahn)27. April 1902 Eberfeld – (USA)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Alfred Kann10. September 1890 Wuppertal – 1. Oktober 1943
(Minsk)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Fritz Levy23. Mai 1874 in Elberfeld – 7. Mai 1936
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Hans-Joachim Orgler2. Juli 1907 Barmen – (Stockholm)
Referendar Wuppertal
Kurt Orgler30. Dezember 1873 Oppeln/OS – 8.5.1945 Auschwitz
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Paul Rottenstein30. März 1893 Elberfeld – 18. November 1952 Cleve-
land/USA
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Karl Salomon22. April 1902 in Elberfeld – 17. März 1966 Brookline/
USA
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Erich Schlesinger7. März 1901 Hagen – 2. August 1979 Wuppertal
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Hans Simon6. November 1902 Barmen – (Chile)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Adolf Wahl6. Januar 1875 Barmen – 1. Januar 1963 Wuppertal
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Adolf Weinberg21. Mai 1900 Erkelenz – keine Angaben
Rechtsanwalt AG Remscheid; LG Wuppertal
Julius Weinberg19. Oktober 1892 Peckelsheim – (USA)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Dr. Paul Wetzstein20. April 1886 Elberfeld – 11. Januar 1955 Brookline/
USA
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Windmüllerkeine Angaben – (Palästina)
Rechtsanwalt LG Wuppertal
Alter Markt in Barmen, 1938 umbenannt in Horst-Wessel-Platz, Ende der 30er Jahre (Stadtarchiv Wuppertal)
Vertretungsverbot für Wuppertaler Anwälte, April/Mai 1933
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Gustav Brück wurde 1877 in Bad Kreuznach geboren und war seit 1904
beim Wuppertaler Landgericht als Anwalt zugelassen. Seine Anwalts-
kanzlei befand sich auf der „Allee“ 82/84 in Elberfeld, die schon Anfang
1933 in Adolf-Hitler-Straße umbenannt worden war. Gustav Brück wurde als
„Altanwalt“ 1933 nicht von der Anwaltstätigkeit ausgeschlossen. Nach dem
30. November 1938 wurde er am Wuppertaler Landgericht als einer von drei Kon-
sulenten zugelassen.
Verheiratet mit Johanna Maria Brück, geborene Jung, wohnte er in der Wortmann-
str. 38, 1942 in der Stephanstr. 9. Durch die „privilegierte Mischehe“ geschützt,
konnte er bis 1944 als Konsulent tätig bleiben.
Gustav Brück bekleidete seit 1926 das Amt des Vorsitzenden der Jüdischen
Gemeinde Wuppertal. Als solcher musste er am 12. Juli 1942 auf Weisung der
Gestapo Rundschreiben unterzeichnen, die den Empfängern ihren Transport nach Theresienstadt ankündigten. 265 Per-
sonen, darunter 248 Wuppertaler Bürger, mussten sich am 20. Juli 1942 um 8:30 Uhr am Bahnhof Wuppertal-Steinbeck
einfinden, um über Düsseldorf-Derendorf in einem so genannten „Altentransport“ weiter nach Theresienstadt depor-
tiert zu werden. Jeder Person wurde Gepäck von 25 kg zugebilligt, ebenso war für Marschverpflegung für acht Tage zu
sorgen; spätestens bis zum 15. Juli musste bei der Gestapo eine Vermögenserklärung vorgelegt und 65,- RM Fahrgeld
bezahlt werden. Dieses Rundschreiben, das im Namen der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“. Bezirksstelle
Rheinland in Wuppertal-Elberfeld, Straße der SA 73 (heute: Friedrich Ebert-Straße), versandt worden war, endete mit:
„Es ist zwecklos, Rückstellungsanträge einzureichen, da sie nicht berücksichtigt werden können.“
Nachdem mit Kurt Frank im Oktober 1943 der letzte Düsseldorfer Konsulent verhaftet und im Mai 1944 nach Ausch-
witz deportiert worden war, musste Brück auch dessen Aufgaben übernehmen. Gustav Brück wurde jedoch ebenso am
17. September 1944 als einer von 27 Wuppertalern in die Arbeitslager der „Organisation Todt“ verschleppt. Er kam
zunächst in ein Arbeitslager Lenne bei Vorwohle im Weserbergland. Kurz darauf wurde Brück
nach Berlin ins Arbeits- und Zwischenlager „Iranische Straße 2“ des Jüdischen Krankenhauses
gebracht.
Das Jüdische Krankenhaus in Berlin glich
zu diesem Zeitpunkt eher einem Ghetto
als einem Hospital; es war für viele Ber-
liner Juden, für „Untergetauchte“, zur
Zufluchtsstätte geworden. Hier sollen bis
zur Befreiung 1945 durch die sowjetische
Armee 800 bis 1.000 Menschen versteckt
überleben. Im Februar 1945 lebten 5.069
Menschen auf dem Areal des Jüdischen
Krankenhauses. Gustav Brück wurde
schnell in das Leben des Lagers einge-
bunden und für die letzten Monate zum
„Lagerchef“ ernannt.
Nach der Befreiung im Mai 1945 und seiner Rückkehr nach Wup-
pertal gründete Gustav Brück bereits im Herbst 1945 mit 150
Überlebenden die neue „Jüdische Kultusgemeinde Wuppertal“, der
er als Vorsitzender, später als Ehrenvorsitzender vorstand. Brück
engagierte sich trotz seines Alters und seiner angeschlagenen
Gesundheit für die Belange nicht nur seiner jüdischen Gemeinde-
mitglieder, sondern gehörte auch dem ersten Wuppertaler Stadt-
parlament an.
© Dr. Susanne Mauss
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde für ein Vierteljahrhundert
Dr. Gustav Brück2. Januar 1877 Bad Kreuznach – 15. Mai 1956 Wuppertal
Zulassung als Konsulent im Dezember 1938
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Zulassung als Konsulent im Dezember 1938
Rechtsanwalt Gustav Brück
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Rechtsanwalt Hugo Israel wurde 1893 als
Sohn von Hyman und Regina Israel in Lan-
genberg/Rheinland geboren. Er war beim
Landgericht Wuppertal als Rechtsanwalt zugelas-
sen. Israel heiratete die Lehrerin Hedwig (Hede)
Baruch aus Berlin und lebte von 1933 bis 1941
im Haus Kleine Klotzbahn 12, wo sich auch seine
Kanzlei befand. 1941 musste die Familie Israel in
ein so genanntes „Judenhaus“ an der Brillerstr. 34
ziehen.
Rechtsanwalt Hans Goldschmidt aus Elberfeld,
Vertrauensanwalt der jüdischen Anwälte des OLG-
Bezirks Düsseldorf, hatte bereits am 1. November
1938 hinsichtlich der Zulassung jüdischer Konsu-
lenten nach dem 30.11.1938 beim OLG-Präsidenten vermerkt:
„Dass die Betreuung von Rechtsschutzbedürfnissen durch Juden auch
nach dem 30. November notwendig sein würde, und zwar zum mindesten
vorübergehend – nämlich solange Juden in Deutschland sind – darauf hat
die 5. Verordnung Rücksicht genommen, (...) Die Situation der jüdischen
Bevölkerung in Deutschland und natürlich auch im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf wird gekennzeichnet durch
die behördliche Ausnahme-Gesetzgebung und die damit zusammen hängende Auswanderungs-Tendenz der Juden.
(...) Die Auswanderung ist die von der Staatsführung vorgesehene Lösung der Judenfrage. Unerlässlich ist bei der
Auswanderung die sachgemässe Betreuung des Rechtsberaters. (...) Ich bitte darum, alle auf Grund der 5. Verordnung
ausscheidenden jüdischen Anwälte als Konsulenten zuzulassen, soweit sie einen entsprechenden Antrag
stellen. Die Zeit wird auch ohne weitere behördliche Eingriffe die Zahl der Konsulenten schnell weiter
verringern – durch Tod, Auswanderung und freiwillige Aufgabe, wenn dieser Beruf aufhört, notwendig
zu sein.“
Hugo Israel wurde 1938 als einer von drei Konsulenten beim Landgericht Wuppertal zugelassen. Bereits
am 21. April 1942 wurde seine 18-jährige Tochter Eva mit 63 weiteren Wuppertalern nach Izbica depor-
tiert.
Hugo und Hedwig Israel wurden
im Juli 1942 nach Theresienstadt
deportiert. In der „Teilnehmerliste
Transport Düsseldorf Theresienstadt
20.7.1942“ ist mit einem hand-
schriftlichen Zusatz vermerkt, dass
auch Hedwigs 77-jährige Mutter,
Regina Baruch, „evakuiert“ wurde
(„Israel Rechtsanwalt. Mann, Frau, Schwiegermut-
ter „Baruch“, Wuppertal-Elberfeld, Brillerstr. 34“).
Hedwig Israel starb am 3. August 1943 in There-
sienstadt, Hugo Israel wurde am 28. September
1944 mit der Häftlingsnummer 1219 nach Ausch-
witz weitertransportiert und dort ermordet.
© Dr. Susanne Mauss
Wuppertal - Theresienstadt - Auschwitz
Hugo Israel29. Juni 1891 Langenberg – 28. September 1944 Auschwitz
“Page of Testimony“ der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem für Hugo Israel
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„Die Zeit wird auch ohne weitere behördliche Eingriffe die Zahl
der Konsulenten schnell weiter ver-ringern – durch Tod, Auswanderung
und freiwillige Aufgabe, wenn dieser Beruf aufhört, notwendig zu sein.“
RA Hans Goldschmidt, 1.11.1938
Rechtsanwalt Hugo Israel aus Wuppertal-Elberfeld, 1934
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Tochter Eva, * 4. April 1927 in Wuppertal, wurde am 21. April 1942 nach Izbica deportiert
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Deportiert aus „Heim und Heimat“
Rechtsanwalt Kurt Orgler, Sohn von Jonas und Lina Orgler, war seit 1905/1906 beim Wuppertaler
Landgericht mit Kanzlei an der Uferstr. 6 zugelassen. Er lebte mit seiner Frau Adele, geborene Blu-
menthal, und den vier Kindern Hans-Joachim (*1907), Eva (*1910), Franz (*1914) und Marie-Luise
(*1916) in Barmen, Untere Lichtenplatzer Str. 80.
Kurt Orgler war ab 1931 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Barmen. 1938 wurde
er als Konsulent beim Wuppertaler Landgericht zugelassen. Die vier Orgler-Kinder
konnten noch vor Kriegsbeginn 1939 ins rettende Ausland (Schweden, Großbritannien
und Argentinien) emigrieren, den Eltern gelang die Auswanderung nicht mehr. Noch am
1. Juni 1942 mussten sie in die Emilstr. 3 in eines der Wuppertaler „Judenhäuser“ umzie-
hen. Bereits am 20. Juli 1942 wurden sie dann mit dem Transport VII/1 von Wuppertal
über Düsseldorf nach Theresienstadt deportiert.
Am Tag vor der Abreise verabschiedeten sich Kurt und Adele Orgler von ihren Kindern
mit einem Brief: „Geliebte Kinder! Da man uns nicht die Möglichkeit gegeben hat, zu
Euch zu kommen, so müssen wir heute von Euch Abschied nehmen. Wir verlieren Heim
und Heimat u. Ihr das Elternhaus. Es ist uns schwer ums Herz. Wir haben stets Euer
Glück im Auge gehabt. Darum soll auch in diesem Augenblick das Schwere, welches
uns bevorsteht, hinter die Sorge um Euch zurücktreten. Möge Gott Euch unter seinen
Schutz nehmen. Haltet treu
zusammen, dann wird einer
den andern stützen. (...)
Wir hoffen, dass Ihr die
Möglichkeit haben werdet,
uns zu schreiben u. zu
schicken. (...) nun lebt wohl
geliebte Kinder. Möge Gottes Segen Euch auf
Euren ferneren Wegen begleiten. In inniger
Liebe Vater und Mutter“
Kurt Orgler wurde am 28. Oktober 1944 mit
dem Transport Ev von Theresienstadt in das
Vernichtungslager Auschwitz weitertranspor-
tiert; das genaue Todesdatum von Kurt und
Adele Orgler konnte nicht ermittelt werden.
© Dr. Susanne Mauss
Rechtsanwalt Kurt Orgler aus Wuppertal-Barmen
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Kurt Orgler30. Dezember 1873 Oppeln/OS – 1944/1945 (8. Mai 1945) Auschwitz
“Page of Testimony“ der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem für Kurt Orgler - ausgefüllt von seiner TochterMarie-Luise
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Propaganda-Fotomontage anläßlich der Volksabstimmung über den "Anschluss" Österreichs im April 1938 (Stadtarchiv Wuppertal)
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