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1 23 Der Nervenarzt Organ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde Organ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ISSN 0028-2804 Nervenarzt DOI 10.1007/s00115-019-0724-4 Antisense-Therapie neurologischer Erkrankungen Stefan‑M. Pulst

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Der NervenarztOrgan der Deutschen Gesellschaftfür Psychiatrie, Psychotherapie undNervenheilkunde Organ der DeutschenGesellschaft für Neurologie ISSN 0028-2804 NervenarztDOI 10.1007/s00115-019-0724-4

Antisense-Therapie neurologischerErkrankungen

Stefan‑M. Pulst

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Der Nervenarzt

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Nervenarzthttps://doi.org/10.1007/s00115-019-0724-4

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Stefan-M. PulstDepartment of Neurology, University of Utah, Salt Lake City, USA

Antisense-Therapieneurologischer Erkrankungen

Hintergrund

Die genetische Revolution der letztenJahrzehnte hat zur Identifizierung vielerKrankheitsgene geführt. Trotz dieserenormen Erfolge ist die Therapie dieserErkrankungen nur langsam vorange-kommen. Der anfängliche, retrospektivin gewissemMaße naive Glaube, dass dieKlonierung neuer Gene zu ihrer sofor-tigen Einreihung in Stoffwechsel- oderSignaltransduktionswege führen würdeund damit zu klaren Therapien, hat sichim Großen und Ganzen nicht erfüllt.Eine der wenigen Ausnahmen stellt derEnzymersatz dar, z.B. bei Morbus Pom-pe. Krankheitsproteine, insbesonderedie dominant mutierten Proteine, habenoft viele Proteininteraktionspartner undkönnen eineRolle inmehreren zellulärenWegen spielen.

Manche mutierte Proteine erwerbenauch neue oder toxische Funktionen. DieMöglichkeit, den Krankheitsprozess aufder Ebene des Gens und der RNA zumodulieren, führt dazu, dass man dieKrankheit im ersten Schritt der Pathoge-nese beeinflussen kann, ohne dass einegenaue Kenntnis der Funktion des be-treffenden Proteins notwendig ist.

Eine personalisierte Gentherapie be-inhaltet auch, dass wir Erkrankungennicht mehr aufgrund ihres klinischenPhänotyps definieren, sondern auf derBasis des mutierten Gens, des Genotyps.Dabei muss man wissen, ob das mutierteAllel dominante, rezessive, dominantnegative oder haploinsuffiziente Effektehat.

Die Gentherapie erfasst heutzuta-ge ganz verschiedene Technologienund beinhaltet CRISP/Cas9-Editierungvon DNA und RNA, RNA-Interferenz(siRNA, miRNA, shRNA), „antisense

oligonucleotides“ (ASOs) und die viraleTherapie mit Genen oder Minigenen.Im Folgenden werde ich mich auf dieDiskussion von ASOs beschränken, daselbst dieses Spezialgebiet sehr umfang-reich geworden ist und die klinischenASO-Studien in rascher Folge zunehmen[3, 27].

» ASOs können die Biosynthesevon Proteinen bei ihrerEntstehung verändern

Antisense-Oligonukleotide sind kurzeNukleinsäuren, die als einzelsträngi-ge DNA-Moleküle synthetisiert wer-den können mit einer Länge von 18bis 30 Basenpaaren. Antisense nimmtdarauf Bezug, dass die Basensequenzentgegengesetzt („antisense“) zu einerfunktionalen mRNA ist. Das ASO bin-det über Watson-Crick-Basenpaarungan eine komplementäre („Sense“-)RNA.Im Gegensatz zum Wirkmechanismusvieler Arzneistoffe, denen die Funkti-onshemmung von Proteinen zugrundeliegt, können ASOs die Biosynthese vonProteinen bei ihrer Entstehung verän-dern.

Das Konzept, Antisense-Nukleotidezu benutzen, entstand zuerst in den spä-ten 1970er-Jahren für Therapien viralerErkrankungen und in kurzer Folge auchfür die Krebstherapie. 1998 wurde Fomi-virsen für die Therapie der Zytomegalie-virus(CMV)-Retinitis beiHIV-Patientenzugelassen [18]. In den letzten 20 Jah-ren hat die ASO-Therapie für neurolo-gische Erkrankungen große Fortschrittegemacht, hauptsächlichdurchchemischeModifizierungen der ASOs.

ASO-Wirkungsweise

ASOs können grundsätzlich auf 2Wegenwirken (. Abb. 1):4 Durch Bindung in der Nähe einer

„splice-site“ (Spleißstelle) kann einASO den Ein- oder Ausschluss einesExons beeinflussen [5, 11, 13, 17, 21,28]. Dieser Mechanismus ist für dieTherapie der spinalenMuskelatrophie(SMA) und spezifischer Duchenne-Muskeldystrophie(DMD)-Mutatio-nen wichtig.

4 Des Weiteren kann ein ASO dieRNA so binden, dass ein DNA:RNA-Heteroduplex entsteht, der dann vondem Enzym RNAse H erkannt wirdund zur Zerstörung der respektivenRNA führt [2, 4, 9, 15, 19, 20, 24,26, 29]. Das ASO selbst wird nichtzerstört, da RNAse H nur RNAangreifen kann.

Die spezifischeWirkungsweisehängtvonder Zielsequenz („target sequence“) undder chemischen Modifikation des ASOsab [3, 27].

ASO-Modifikationen

Unmodifizierte Nukleinsäuren könnenvon Nukleasen attackiert werden undeine geringe Proteinbindung kann zueiner schlechten Gewebeaufnahme füh-ren. ASOs enthalten oft Modifikationenam Phosphatgerüst, der Zuckereinheitund der Nukleotidbase (. Abb. 2). Al-le 3 Komponenten können modifiziertwerden, sodass theoretisch viele ver-schiedene Moleküle synthetisiert wer-den können [3, 6, 14, 27]. ChemischeModifikationen können die Halbwerts-zeit verlängern, die Aufnahme in Zellenverbessern und die Toxizität verringern.

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Abb. 18 Wirkmechanismus der ASO.ASOAntisense-Oligonukleotid, ESE „exonic splicing enhancer“,ISS „intronic splicing silencer“, lncRNA lange nichtcodierende RNA,NMD „nonsense-mediatedmRNAdecay“ (durch ein zu frühes Stoppcodon vermitteltermRNA-Abbau; Adaptiert nach [27])

Viele RNase-H-ASOs sind als Chimä-ren konzipiert, die eine Phosphorothio-at(PS)-Modifikation an der ASO-Haupt-kette enthalten und die Endnukleotidedurch eine 2’-O-Methoxyethyl(2’MOE)-Gruppe modifizieren.

» Für ZNS-Erkrankungenmüssen ASOs in den Liquorinjiziert werden

Wenn die verschiedenen Basen eine Mi-schung verschiedener Modifikationensind, werden die ASOs als „Mixmers“bezeichnet. Wenn die Basen an bei-den Enden des ASO Modifikationenaufweisen, die den zentralen Basen feh-

len, werden die ASOs als „Gapmers“bezeichnet.

Antisense-Oligonukleotide könnendie Blut-Hirn-Schranke nicht passierenund müssen für Erkrankungen des Zen-tralnervensystems (ZNS) in den Liquorinjiziert werden. Die Aufnahme in Zel-len ist ein aktiver Prozess, der aber imDetail noch nicht genau verstanden ist.Die intrazelluläre ASO-Konzentrationhängt von der Distanz zum Liquorraumund dem Zelltyp ab. PS-modifizierteASOs haben eine Gewebehalbwertszeitvon Tagen, während diese bei GapmersWochen beträgt.

FDA- oder EMA-genehmigteTherapien

Momentan haben 3 ASOs die Zulassungder US-amerikanische Arzneimittelbe-hörde FDA und/oder der EuropäischenArzneimittelagentur (EMA) für neurolo-gische Indikationen erhalten (. Tab. 1).

Nusinersen

Nusinersen ist ein in den USA undEuropa zugelassenes ASO für Kinderwie auch Erwachsene mit SMA [10,11, 21]. SMA wird durch biallelischeMutationen im SMN1-Gen verursacht,die zum Funktionsverlust des Proteinsführen. Durch Genduplikation ist einfast identisches, paraloges Gen, SMN2,entstanden. Die beiden Proteine unter-scheiden sich hauptsächlich durch dieExklusion des Exon 7 im SMN2-Protein.

Nusinersen ist ein vollständig MOE-modifiziertes ASO mit einer Länge von18 Nukleotiden. Nusinersen paart mitdem intronischen Splice-Silencing-Site-1 im Intron 7 der SMN2-prä-mRNA,sodass es zum Einschluss des Exons 7kommt und so zu einem Protein, dasdie Funktion des SMN1-Proteins erset-zen kann.

Nusinersen wird nach einer initia-len Anreicherungsphase in regelmäßi-gen Abständen per Lumbalpunktion indieZerebrospinalflüssigkeit injiziert.Ob-wohl die Therapie im Allgemeinen guttoleriertwird, gebenStrahlungsdosisunddie Entwicklung vonHydrozephalus An-lass zur Vorsicht [22, 25]. Es gilt als einesder teuersten Arzneimittel mit Kostenvon 750.000 US-Dollar im ersten Jahrund danach mit jährlichen Kosten von350.000 US-Dollar.

Etiplirsen

Die DMD wird durch Mutationen imDystrophin-Protein hervorgerufen. Diemeisten DMD-Mutationen führen zumFunktionsverlust des Dystrophin-Prote-ins durch Deletionen, die den Leserah-men („reading frame“) verändern.

Eteplirsen ist einPhosphorodiamidat-Morpholino-Oligomer (PMO), das stattder Ribose einen Morpholinoring undan Stelle des Phosphodiesters – einen

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Phosphorodiamidat-Linker enthält [17].Eteplirsen zielt auf ungefähr 15% derDMD-Mutationen, die den Leserahmenverändern. Bei ungefähr 15% der DMD-Mutationen stellt es die Dystrophin-Ex-pression wieder her, indem das Exon 51in der prä-mRNA beim Splicing ent-fernt wird (Exon-Skipping). Dies stelltden nachgeschalteten Leserahmen wie-der her und bildet so ein verkürztes Dys-trophin mit partieller Funktion. Eteplir-sen wird durch intravenöse Infusion ver-abreicht. Eteplirsen erhielt 2016 eine be-schleunigte und kontroverse Zulassungdurch die FDA, während in Europa dieZulassung verweigert wurde [3, 17].

Inotersen

Die familiäreAmyloidneuropathie (FAP)wird durch dominante Mutationen imTransthyretin(TTR)-Gen hervorgeru-fen. Träger von TTR-Mutationen habenoft auch Kardiomyopathien und gastro-intestinale Symptome. Die Überlebens-zeit nach Symptombeginn reicht von 4bis zu 20 Jahren.

Inotersen ist ein Gapmer mit 5 2’-MOE-Nukleotiden an den 5’- und 3’-Enden und 10 Oligonukleotiden in derMitte, die eine RNase-H1-Wirkung er-möglichen. In klinischen Phase-3-Studi-enmit wöchentlicher subkutaner Injekti-on von Inotersen verbesserten sich Para-meter der Neuropathie [4]. Einige Pati-enten entwickelten ThrombozytopenienundGlomerulonephritiden. Inotersen istin den USA und Europa zugelassen.

ASO-Therapien in Phase-1,-2- oder -3-Studien

Antisense-Oligonukleotide in klinischenStudien sind in der . Tab. 1 aufgelis-tet. Die gerade initiierte Phase-3-Studievon RG6042 mit einem Gapmer-ASOwird testen, ob die Reduzierung mutier-ter Formen von Huntingtin (mHTT) diemotorischen und kognitiven Symptomevon Individuen mit Huntington-Chorea(HD) verbessert.

Ergebnisse der Phase-1/2-Studie beiErwachsenenmitHDhattengezeigt, dassRG6042diemHTT-Liquorkonzentratio-nenum60%reduzierenkonnte [16].Dieskönnte einer Reduktion von 20–50% im

Nucleus caudatus entsprechen. RG6042paart sich auch mit der normalen HTT-RNA, was eventuell zu Nebenwirkungenführen könnte, da HTT wichtige Funk-tionen in Nervenzellen hat.

Wave Life Sciences undTakeda entwi-ckeln ASOs, die spezifisch auf mHTT-RNA zielen. WVE-120101 und WVE-120102 paaren mit SNPs, die im Kopp-lungsgleichgewicht („linkage dysequili-brium“) mit der CAG-Triplett-Wieder-holung sind und so die normale HD-mRNA nicht beeinflussen.

ASOs in präklinischerEntwicklung

Die präklinische Entwicklung beginntnormalerweise mit In-vitro-Screeningin einer Zelllinie. Diese wird so gewählt,dass sie leichtmit einemASO transfiziertwerden kann und eine gute Expressionder Ziel-RNA zeigt. In unserer Arbeits-gruppe haben wir ASO-Technologienfür die Therapie von spinozerebellärerAtaxie (SCA) 2 entwickelt und sekun-där für die amyotrophe Lateralsklerose(ALS; [2, 26]). SCA2 wird durch eineExpansion in einer Triplettwiederho-lung des Codons CAG im ATXN2-Genverursacht. Triplettwiederholungen imoberen Normalbereich sind auch einRisikofaktor für ALS [2, 23].

Nach In-vitro-Tests von 150 ASOsin Hep2-Zellen fanden wir 15, die denATXN2-Spiegel um mehr als 80% senk-ten. Der nächste Schritt beinhaltete dasTesten in vivo durch Injektion von ASOsin den lateralen Ventrikel der Maus undMessen derATXN2-RNA-Menge mittelsder quantitativen Polymerasekettenreak-tion (qPCR). Die In-vivo-Tests erlaubtenauch, die Aktivierung von Glia und Mi-kroglia durch qPCR zu bestimmen, diebeibestimmtenASOsauftretenkannundeine Benutzung des respektiven ASOsausschließt. Wir testeten das beste ASOin 2 SCA2-Maus-Modellen, die einenprogredienten zerebellären Phänotypzeigen [8, 12]. Nach einer einmaligenInjektion in symptomatische Mäuse inder 8. Lebenswoche verlangsamte sichdie Progredienz und in der 23. WochebetrugdieReduktionderATXN2-mRNAnoch über 70%. In Zusammenarbeit mitIonis Pharmaceuticals (Carlsbad, USA)

Zusammenfassung · Abstract

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S. Pulst

Antisense-Therapieneurologischer Erkrankungen

ZusammenfassungIn den letzten Jahrzehnten sind vieleGene neurodegenerativer Krankheitenkloniert worden. Trotzdem wurdenTherapien dafür nur langsam entwickelt.Der vielleicht bedeutendste Vorteil der„antisense oligonucleotide therapeutics“,der sog. ASO-Therapeutika, gegenüberanderen Ansätzen besteht darin, dass dieKenntnis der Genzielsequenz unmittelbarWissen über mögliche Komplementär-Oligonukleotid-Therapeutika vermittelt.In dieser Übersichtsarbeit beschreibenwir die verschiedenen Arten von ASOs,ihre therapeutische Verwendung und diederzeitigen präklinischen Bemühungen zurEntwicklung neuer ASO-Therapien.

SchlüsselwörterAntisense-Oligonukleotide · AmyotropheLateralsklerose · Morbus Alzheimer ·Spinozerebelläre Ataxie · ATXN2

Antisense therapies forneurological diseases

AbstractDespite identification ofmany genes causingneurodegenerative diseases in the lastdecades, development of disease-modifyingtreatments has been slow. Antisenseoligonucleotide (ASO) therapeutics for spinalmuscular atrophy, Duchenne musculardystrophy and transthyretin amyloidosispredict a robust future for ASOs in medicine.Perhaps the most significant advantage ofASO therapeutics over other small moleculeapproaches is that acquisition of the targetsequence provides immediate knowledge ofpossible complementary oligonucleotidetherapeutics. This review article describesthe various types of ASOs, their therapeuticuse and the current preclinical efforts todevelop new ASO treatments.

KeywordsAntisense oligonucleotide · Amyotrophiclateral sclerosis · Alzheimer disease ·Spinocerebellar ataxia · ATXN2

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Abb. 29 ChemischeModifikationen der Anti-sense-Oligonukleotide.cEt „constrained ethyl“ (be-schränkende Ethylgruppe),LNA „locked nucleic acid“(„versperrte“ Nukleinsäu-re),MOE 2’-O-Methoxye-thyl-Rest. (Adaptiert nach[27])

Tab. 1 FDA-zugelassene ASO-Therapeutika für neurologische Erkrankungen undASO-Therapeutika in klinischen Studien

Therapeutikum Indikation Ziel ASO-Chemie Status

Nusinersen Spinale Muskelatrophie SMN2, Exon-7-Inklusion Vollständig 2’-MOE-modifiziertes ASO Zugelassen

Eteplirsen Duchenne-Muskeldystrophie DMD, Exon-51-Skipping Morpholino Zugelassen

RG6042 Huntington-Chorea HTT-Expression ASO-MOE-Gapmer Phase-3-KS

WVE-210201 Duchenne-Muskeldystrophie DMD, Exon-51-Skipping „Stereopure“ ASO Phase-1-KS

WVE-120101 Huntington-Chorea HTT-Expression „Stereopure“ ASO Phase-1/2-KS

WVE-120102 Huntington-Chorea HTT-Expression „Stereopure“ ASO Phase-1/2-KS

IONIS-MAPTRx Morbus Alzheimer Tau-Expression ASO-MOE-Gapmer Phase-1/2-KS

IONIS-C9Rx (BIIB078) Amyotrophe Lateralsklerose C9ORF72-Expression ASO-MOE Phase-1-KS

IONIS-SOD1Rx (BIIB067) Amyotrophe Lateralsklerose SOD1-Eexpression ASO-MOE-Gapmer Phase-1-KS

ASO „antisense oligonucleotide therapeutics“, DMD Duchenne-Muskeldystrophie, FDA U. S. Food and Drug Administration, HTT Huntingtin, KS klinischeStudie,MOEMethoxyethyl

arbeiten wir an einer Verbesserung desATXN2-ASOs mit dem Plan für einePhase-1-Studie in den nächsten Jahren.

Einen sehr ähnlichen Weg nimmtmomentan die präklinische Entwicklungfür C9ORF79-Erkrankungen [15], SCA3[20, 28], SCA7 [24], MAPT [9], LRKK2[29] und SCNA [1]. Die Besonderheitfür SCA7 war, dass der retinale Phä-notyp untersucht wurde. Injektion vonASOs gegen ATXN7 in den Glaskörperkonnte selbst bei schon symptomati-schen Mäusen retinale Veränderungenverbessern.

Entwicklungen in den nächstenJahren

In den nächsten Jahrenwerdenwir ASOsin der präklinischen und klinischen Ent-wicklung für viele neurologische Erkran-kungen sehen.Diemomentan entwickel-ten ASOs werden fast alle intrathekalinjiziert werden müssen, obwohl Kon-jugation der ASOs mit anderen Mole-külen neue Wege öffnen werden [1, 7].Wir werden neue Nebenwirkungen se-hen, die auf Interaktionen von ASOs mitanderen RNAs, Proteinen, Lipiden undzellulären Organellen beruhen. Die un-terschiedliche Aufnahme von ASOs inverschiedenen Neuronengruppen kann

unter Umständen zu neuen Phänotypenführen. Es ist auch möglich, dass neueSymptome außerhalb des ZNS auftreten,die vorher nicht beobachtet wurden, daPatienten nicht lange genug überlebten.Wie die Behandlung der Transtherytin-Amyloidose und der SMA gezeigt hat,werden auch andere Arten der RNAi derASO-TherapieKonkurrenzmachenkön-nen.

Fazit für die Praxis

4 Drei Antisense-Oligonukleotide(ASOs) haben die Zulassung der FDAund/oder der EMA für neurologischeIndikationen erhalten:

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jNusinersen ist für Kinder undErwachsene mit spinaler Muskel-atrophie zugelassen. Die Therapiewird im Allgemeinen gut toleriert.

jEteplirsen zielt auf Mutationen beider Duchenne-Muskeldystrophie(DMD), die den Leserahmen verän-dern. Bei ungefähr 15% der DMD-Mutationen stellt es eine teilweiseDystrophin-Expression wieder her.

jInotersen wird bei familiärerAmyloidneuropathie eingesetzt.

4 Klinische Phase-1/2-Studien be-fassen sich mit der Frage, ob dieReduzierung mutierter Formen vonHuntingtin (mHTT) die motorischenund kognitiven Symptome von Indi-viduen mit Huntington-Chorea (HD)verbessert.

4 In der präklinischen Entwicklungbefinden sich ASO-Technologien fürdie Therapie von spinozerebellärerAtaxie 2 und amyotrophe Lateralskle-rose

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Stefan-M. PulstDepartment of Neurology, University of UtahCNC Building, 5th Floor, 175N Medical Drive E,84132 Salt Lake City, UT, [email protected]

Danksagung. Diese Arbeit wurde unterstützt durchForschungsvorhaben R21NS081182, R37NS033123und U01NS103883 der National Institutes of Health(USA). Der Autor dankt cand. med. T.J. Pulst undDr. Maria C. Wolpers für kritisches Lesen des Manu-skriptes.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. S.-M. Pulst erhält Lizenzgebüh-ren vonderUniversity of Utah, Cedars-SinaiMedicalCenter, und vonder AmericanAcademyofNeurolo-gy. Er istMitbesitzer eines Patentes für ATXN2ASOsmit Ionis Pharmaceuticals. Er istMitbegründer vonProgenitor Lifesciences.

Für diesenBeitragwurden vomAutor keine StudienanMenschenoder Tierendurchgeführt. Für die aufge-führten Studiengelten die jeweils dort angegebenenethischenRichtlinien.

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