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WIESBADEN & RHEINGAU Wasser und Wein Wiesbaden wird auch als »Tor zum Rheingau« bezeichnet. Bei einem Besuch in der Stadt der heißen Quellen haben wir ein paar Ausflüge in die Region unternommen, in der sich kleine und große Weingüter wie Perlen an der Schnur reihen. Wir haben einige von ihnen besucht. Text: Birgit Hamm Blubb: In Wiesbaden dampft und sprudelt der Kochbrunnen- springer [1]. Gluck: Im Kloster Eberbach gibt es riesige, uralte Weingewölbe [2]. 17 mobil 03.2013 16 mobil 03.2013

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WIESBADEN & RHEINGAU

Wasser und Wein

Wiesbaden wird auch als »Tor zum

Rheingau« bezeichnet. Bei einem Besuch in der Stadt der heißen

Quellen haben wir ein paar Ausflüge in die Region unternommen, in der sich kleine und große Weingüter wie Perlen an der Schnur reihen. Wir haben einige von ihnen besucht.

Text: Birgit Hamm

Blubb: In Wiesbaden dampft und sprudelt der Kochbrunnen-

springer [1]. Gluck: Im Kloster Eberbach gibt es riesige,

uralte Weingewölbe [2].

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ein verzweigtes Thermalwassernetz in die 100 Jahre alte Kaiser-Friedrich-Therme und beheizt das Wiesbadener Rathaus.

Diese Stadt ist eine Pracht. Ganze Vier-tel mit Jahrhundertwende-Altbauten ver-sprühen Belle-Époque-Charme. Das Kur-haus mit dem Spielcasino – der Kurort Roulettenburg in Dostojewskis Roman. Der Spieler soll angeblich Wiesbaden sein

– Staatstheater, Hessischer Landtag, alles prunkt. Man lebt hier glänzend, speist edel-italienisch bei »Di Gregorio«, länd-lich-französisch im »Les Deux Dienstbach« und deftig-hessisch im »Bobbeschänkelche«. Genehmigt sich einen »Molekular Rasp-berry Mojito« in der »manoamano«-Bar auf der schicken Taunusstraße oder tri!t sich auf Einspänner und Torte im Traditionscafé »Maldaner«, einem amüsant altmodischen Ort, wo die jungen Damen am Kuchenbuf-fet weiße Spitzenhäubchen tragen.

Wem das mal etwas viel wird, der fährt mit der Nerobergbahn zum Wiesbadener Hausberg. Die Nerobergbahn, eine denk-malgeschützte Kuriosität, feiert dieses Jahr 125. Jubiläum. Sie funktioniert mecha-nisch, mittels Wasserballast: Oben wird der Tank befüllt, unten wieder abgelassen

– zwei verbundene Standseilbahnen bewe-gen sich so rauf und runter. Der Betriebs-leiter Dieter Sahm sorgt dafür, dass alles läuft. Die Nerobergbahn ist ihm Arbeit und Hobby zugleich. »Damit das Prinzip funktioniert, muss die ins Tal fahrende Bahn etwas schwerer sein. Wir zählen zwar die Passagiere ab und füllen entspre-chend Wasser ein, aber wenn mal ein paar richtige Schwergewichte einsteigen, kann es Probleme geben. Manchmal bleibt die Bahn mitten am Hang stehen – dann ren-nen die Kollegen und ich hoch und schie-ben, ungefähr 50 Meter, dann geht’s wie-der«, erzählt Sahm und strahlt.

Am Schiersteiner Hafen erlebt man ein fast dörfliches Wiesbaden. Entlang der Promenade könnte man immer weiter bis in den Rheingau spazieren. Die Weinre-gion mit den sonnigen Steilhängen, an de-nen der berühmte Rheingauer Riesling wächst, liegt vor den Toren der Stadt. Klei-ne und große Weingüter reihen sich hier, alle naslang kann man einkehren, eine Kleinigkeit essen, ein Glas Wein trinken.

Das Kloster Eberbach ist ein Rheingau-Highlight. Jetzt im Frühjahr kann man die beeindruckende Anlage mit Muße besich-tigen. Die Teilnahme an einer Führung ist

Gäbe es eine chemische Formel für Wies-baden, könnte sie vielleicht so aussehen: NaCl + H2O + S + Au WI. Denn Salz-wasser, Schwefel, Gold sind hier allge-genwärtig. Die Goldgasse mit ihren

Goldschmiede-Ateliers, die goldenen Zwiebeltürme der russischen Kirche, die Firma Gold’n art, die vom Smartphone bis zum Auto praktisch alles vergoldet; und, für den schmaleren Geldbeutel, die Curry-Ma-nufaktur, die goldbestäubte Currywurst anbietet. Sie schmeckt sehr gut – es muss am Goldstaub liegen.

Von Gold ist auf dem Kochbrunnenplatz nichts zu sehen. Es ist überhaupt wenig zu sehen, denn hier wa-bern Nebelschwaden wie im Edgar-Wallace-Film. Das liegt am Kochbrunnenspringer, der unaufhörlich heißes, schwefliges, salziges Wasser speit. Das teller-förmige Gebilde, schartig und mit bronzenem Sedi-ment überzogen, wirkt wie etwas großes Außerirdi-sches. Wenn man mit dem Finger darüberfährt, wird der ganz dunkel: »Das sind oxidierte Metalle«, erklärt Stadtführerin Irmgard Knopf, »damit haben sich hier schon die Römer die Haare gefärbt.« Nebenan plät-schert das Kochbrunnenwasser – nur eine von insge-samt 26 heißen Quellen der Stadt – in einem Pavillon aus Wasserhähnen. Es hat 66 Grad, schmeckt schwef-lig, salzig. Es muss sehr gesund sein, denn »viele kom-men mit Thermoskannen und füllen sich Tagesratio-nen ab«, weiß Frau Knopf. Der Rest wandert durch

Himmlisch, der Tropfen: Schwester Thekla beim Verkosten [1]. Gut gelaunt: Graf von Plettenberg, Geschäftsführer der Sekt- manufaktur Schloss Vaux [2]. Winzer und Rebell: Anthony Hammond [3].

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Für die Winzernonnen der Abtei St. Hildegard ist die Arbeit im Klosterwein-gut göttlicher Schöpfungsauftrag: »In den Ordensregeln des heiligen Benedikt heißt es, dass wir von unserer Hände Arbeit le-ben sollen«, erklärt Schwester Thekla. Seit 21 Jahren arbeitet sie im Klosterweingut – nicht immer hat der aus Norddeutschland stammenden Ordensschwester das Spaß gemacht. Doch im Kloster wird die Arbeit zugeteilt. Heute ist sie mit Leidenschaft dabei, hat Erfahrungen gesammelt, Neues probiert und große Erfolge erzielt. Wie den Weißwein Benedictus, der eine Gold-medaille erhielt. »Der 2012er wird richtig gut«, sagt Schwester Thekla, auch wenn es Probleme mit Temperaturschwankungen gab. Noch ruht er im Weinkeller. Abfüllen will sie ihn erst Ende April.

»Alles, außer Tradition« ist der Wahl-spruch von Anthony Hammond, der mit seiner Frau Simone die Garage Winery betreibt. Zu finden in einer der verwinkel-ten Gassen von Oestrich-Winkel. »Kein Schloss, nur die Garage«, werden wir be-grüßt, und nach all den Klöstern und Vil-len ist dies eine angenehm normale Loca-tion: ein Wohnhaus für die sechsköpfige Familie, übern Hof die Garage mit Pro-biertheke, nebenan ein Weinkeller. Dort stehen jetzt 50 Jahre alte Fässer. »Ich woll-te wieder mit Holzfässern arbeiten. Und bin selbst überrascht, wie positiv sich das auf die Weine auswirkt«, sagt Anthony. Bekannt wurde die Garage Winery mit coolen Mini-Weinflaschen, lustigen Eti-ketten und Namen wie Sugar Babe oder Goldmarie. Clubs, Friseure und Bouti-quen sind nach wie vor begeisterte Abneh-mer. Deshalb wird diese Linie beibehalten. Und gleichzeitig werden neue Wege be-schritten: »Wir wollen klein und fein blei-ben und immer unsere persönliche Hand-schrift zeigen.« Gerade befindet sich das Weingut in Umstellung auf Bio. »Unser Riesling Spätlese »Wild Thing« wurde spontan vergoren, das heißt, der Wein gärt von selbst, man hat keine Kontrolle, welche Aromen dabei herauskommen«, sagt Antho-ny. Er gerät ins Schwärmen: »Bei der Spon-tanvergärung lösen die Hefen einander ab, der Wein bekommt viele verschiedene Aromen und ist langlebiger, weil immer neue Nuancen zum Vorschein kommen.«

Und weil er den 2012er-Gutsriesling schon im Januar abgefüllt hat, kann ich bestätigen: Der 2012er scheint wirklich ein sehr guter Jahrgang zu sein.

unbedingt empfehlenswert. 1985 wurden hier die Innenaufnahmen zum Film »Der Name der Rose« ge-dreht. Hauptdarsteller Sean Connery soll in den un-beheizten Klostermauern so gefroren haben, dass man ihm aus dem guten Assmannshäuser Spätbur-gunder Glühwein gekocht hat. Zwei Filmrequisiten hat man augenzwinkernd und nicht ohne Stolz ins Kloster integriert: eine täuschend echte Pappmaché-säule und ein Schreibpult mit Büchern. Der Name Kloster Eberbach ist eng mit dem Begri! »Hessische Staatsweingüter« verbunden, die heute die einstigen Klosterweinberge bewirtschaften. Staatsgüter wer-den zu Forschungszwecken und als Vorbildbetriebe geführt. Nicht weit vom Kloster steht die Anlage, in der aus Trauben Wein wird. Ihre hypermoderne Ar-chitektur erhitzt die Gemüter – gelungen oder dane-ben? Der 2012er soll ein sehr guter Jahrgang sein. We-gen der urigen Atmosphäre sind Weinführungen im Kloster sehr beliebt, es gibt riesige Weingewölbe mit alten Holzfässern und stimmungsvollem Kerzenlicht. Dafür muss man sich anmelden. Den Schlenderwein-proben kann man sich einfach anschließen.

In Eltville hat die Sektmanufaktur Schloss Vaux ihren Sitz. »Wir setzen auf Spitzenqualität, nicht auf Massenproduktion«, sagt Nikolaus Graf von Pletten-berg. Hier finden zu besonderen Anlässen große Di-ners statt, etwa Menüs von Rheingauer Sterneköchen, ausschließlich begleitet von dem erstklassigen Rhein-gauer Lagensekt, der hier produziert wird. Seit zwölf Jahren ist Graf von Plettenberg Geschäftsführer, ein BWLer mit Liebe zu Wein, Sekt und Tradition. Er führt durch die Kellerei: »Unser Lagensekt gärt min-destens neun Monate auf seiner Hefe in der Flasche.« Das gibt ihm Aroma und elegante Perlen. Dieser Sekt ist immer ›extra brut‹, erhält erst durch Zugabe eines Dosagelikörs den gewünschten Geschmacksdreh. Dann bekommt er noch eine feine Kellertafel um den Hals und ist fertig zur Auslieferung, etwa an ge-hobene Gastronomiebetriebe. Aber auch wer spontan vorbeischaut, kann hier Sekt kaufen.

RHEINGAU- ADRESSEN

Kloster EberbachKloster Eberbach 1, Eltville

Termine: geführter Rundgang mit

Weinverkostung: 22.3.O"ene Schlenderprobe:

5.4., kloster-eberbach.de

Sektmanufaktur Schloss Vaux

Kiedricher Straße 18a, Eltville, schloss-vaux.de

Klosterweingut Abtei St. Hildegard

Klosterweg 1, Rüdesheim, abtei-st-hildegard.de

Garage WineryFriedensplatz 12, Oestrich-Winkel,garagewinery.de

Blick von einem Weinberg der Garage Winery am Rüdesheimer Schlossberg auf die andere Rheinseite nach Bingen.

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