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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. DAS HERZFELDSCHE METALLKRITERIUM 527 Das Herzfeidsche Metallkriterium und die Frage nach der Existenz einer nichtleitenden, amorphen Modifikation aller Metalle Von HERBERT MAYER* (Z. Naturforschg. 4 a, 527—533 [1940]; eingegangen am 15. März 1949) H e r z f e l d hat aus der Dispersionstheorie als Bedingung dafür, daß beim Zusammen- treten von Atomen eines Elementes zu einem flüssigen oder festen Körper ein Metall entsteht, abgeleitet, daß das molekulare Breehungsvermögen größer sein muß als der Quotient Molekulargewicht/Dichte. Es wird gezeigt, daß diese Bedingung neuere Ergeb- nisse über die elektrische Leitfähigkeit dünner Metallschichten zu erklären vermag. K ramer und Zahn 1 haben 1932 auf Grund der Ergebnisse eigener und fremder, aller- dings unter nicht einwandfreien Bedingungen durchgeführter Widerstandsmessungen an dünnen Metallschichten die Hypothese aufgestellt, daß es grundsätzlich möglich sei, jedes Metall unterhalb einer bestimmten Temperatur in einem amorphen, nichtleitenden Zustand herzustellen, und zwar nicht nur in dünnsten Schichten 2 , sondern auch in Schichten beliebiger Dicke. Seither ist diese Frage wiederholt Gegenstand experimenteller L T n- tersuchungen und kritischer Erörterungen ge- wesen 3 . First vor kurzem hat R i c h t e r 4 sie in einer gründlichen und umfassenden Struktur- untersuchung mit Elektronenstrahlen endgültig zu beantworten versucht; er glaubt, trotz des an Metallen mit ausgesprochen metallischem Charak- ter negativen Ausfalls seiner Untersuchungen, behaupten zu können, daß ,.die amorphe Phase sicherlich eine besondere Zustandsform aller Ele- mente ist; die Bedingungen, unter denen sie er- halten werden kann, ändern sich mit dem all- gemeinen Charakter des Elementes". Wegen der engen Verbindung, in welcher in der Hypothese von Kramer und Zahn die beiden Be- griffe amorph und nichtleitend in bezug auf einen aus Metallatomen zusammengesetzten Festkörper erscheinen, könnte diese, teilweise auf experimen- * München 23, Leopoldstraße 97. 1 J. Kramer u. H. Z a h n , Naturwiss. 20, 792 [1932]; s. dazu auch H. Z a h n u. J. K r a m e r , Z. Physik 86, 413 [1933J, J. K r a m e r, Ann. Physik (5) 19, 37 [1934], Z. Physik 106, 675 u. 692 [1937], 111, 409 u. 423 [1938]. 2 Daß Metalle mit hohem Schmelzpunkt, wie z. B. Wolfram, durch Aufdampfen auf gekühlte Träger in dünnen Schichten sich in einem amorphen, nichtleiten- den Zustand befinden können, darauf ist schon vor Kramer und Zahn u. ä. von R e i n d e r s u. H a m - b u r g e r , Ann. Physik (5) 10. 649 [1931], hingewie- sen worden. teilen Ergebnissen beruhende und alle Elemente umfassende Aussage Richters, auf die metalli- schen Elemente beschränkt, den Eindruck er- wecken, als gäbe es unter bestimmten Bedingun- gen eine nichtleitende Zustandsform aller Metalle. Die grundsätzliche Bedeutung einerseits, die diese Frage für jede Theorie der Struktur des Festkörpers schlechthin, der Metalle im besonde- ren, hat, und die Tatsache andererseits, daß sie immer wieder Anlaß zu ausgedehnten Experimen- taluntersuchungen gibt, läßt es berechtigt erschei- nen, in den folgenden kurzen Bemerkungen auf einen in allen experimentellen und theoretischen Untersuchungen dieser Frage bisher offenbar ganz übersehenen, aber grundsätzlich wichtigen Gesichtspunkt hinzuweisen. * Zuvor ist es nötig, die beiden Begriffe „amorph" 5 und „nichtleitend" scharf gegeneinander abzu- grenzen. In der Hypothese von Kramer und Zahn treten, offenbar in Anlehnung an die beim Über- 3 Vollständiges Schrifttum und umfassende kri- tische Übersicht dazu in H. M a y e r , Physik dünner Schichten, Bd. II, Stuttgart 1949. S. u. a. G. T a m m a n n, Ann. Physik (5) 22, 73 [1935]; R. S u h r m a n n u. G. B a r t h , Physik. Z. 35, 971 [1934], 36, 843 [1935], Z. Physik 103, 133 [1936], oder Z. techn. Physik 16. 449 [1935] : R . S u h r m a n n u. W. B e r n d , Physik. Z. 37, 146 [1936], Z. Physik 106, 354 [1937], 115, 17 [1940]; R. S u h r m a n n u. H. S c h n a c k e n b e r g , Z. Physik 119, 287 [1942]. 4 H. R i c h t e r , Physik. Z. 44, 406 u. 456 [1943]. 5 Der Begriff „amorph" wird hier in weitergehen- dem Sinne als von G l o c k e r u. H e n d u s , Z. Elektro- chem. angew. physik. Chem. 48, 327 [1924], gebraucht: er bedeutet danach den vollkommenen Gegensatz zu kristallin, also eine völlig regellose Anordnung der Metallatome nach Art eines einatomigen Gases. Glocker und Hendus erscheint es zweckmäßiger, unter amorph eine Atomverteilung im festen Stoff zu verstehen, die wohl" noch einen gewissen Ordnungsgrad (Nahord- nung) aufweist, wie etwa in einer Flüssigkeit, die aber nicht durch periodische Wiederholung einer Struktureinheit (Fernordnung) dargestellt werden kann.

Das Herzfeidsch Metallkriteriue und di Fragm e e nach der

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Page 1: Das Herzfeidsch Metallkriteriue und di Fragm e e nach der

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

D A S H E R Z F E L D S C H E M E T A L L K R I T E R I U M 527

Das H e r z f e i d s c h e Metallkriterium und die Frage nach der Existenz einer nichtleitenden, amorphen Modifikation aller Metalle

V o n HERBERT M A Y E R *

(Z. N a t u r f o r s c h g . 4 a, 527—533 [1940]; e i n g e g a n g e n a m 15. März 1949)

H e r z f e l d hat aus der Dispersionstheorie als Bedingung dafür, daß beim Zusammen-treten von Atomen eines Elementes zu einem flüssigen oder festen Körper ein Metall entsteht, abgeleitet, daß das molekulare Breehungsvermögen größer sein muß als der Quotient Molekulargewicht/Dichte. Es wird gezeigt, daß diese Bedingung neuere Ergeb-nisse über die elektrische Leitfähigkeit dünner Metallschichten zu erklären vermag.

Kr a m e r und Z a h n 1 haben 1932 auf Grund der Ergebnisse eigener und fremder, aller-

dings unter nicht einwandfreien Bedingungen durchgeführter Widerstandsmessungen an dünnen Metallschichten die Hypothese aufgestellt, daß es grundsätzlich möglich sei, jedes Metall unterhalb einer bestimmten Temperatur in einem amorphen, nichtleitenden Zustand herzustellen, und zwar nicht nur in dünnsten Schichten2, sondern auch in Schichten beliebiger Dicke. Seither ist diese Frage wiederholt Gegenstand experimenteller LTn-tersuchungen und kritischer Erörterungen ge-wesen3. First vor kurzem hat R i c h t e r 4 sie in einer gründlichen und umfassenden Struktur-untersuchung mit Elektronenstrahlen endgültig zu beantworten versucht; er glaubt, trotz des an Metallen mit ausgesprochen metallischem Charak-ter negativen Ausfalls seiner Untersuchungen, behaupten zu können, daß ,.die amorphe Phase sicherlich eine besondere Zustandsform aller Ele-mente ist; die Bedingungen, unter denen sie er-halten werden kann, ändern sich mit dem all-gemeinen Charakter des Elementes".

Wegen der engen Verbindung, in welcher in der Hypothese von Kramer und Zahn die beiden Be-griffe amorph und nichtleitend in bezug auf einen aus Metallatomen zusammengesetzten Festkörper erscheinen, könnte diese, teilweise auf experimen-

* München 23, Leopoldstraße 97. 1 J . K r a m e r u. H. Z a h n , Naturwiss. 20, 792

[1932]; s. dazu auch H. Z a h n u. J. K r a m e r , Z. Physik 86, 413 [1933J, J. K r a m e r, Ann. Physik (5) 19, 37 [1934], Z. Physik 106, 675 u. 692 [1937], 111, 409 u. 423 [1938].

2 Daß Metalle mit hohem Schmelzpunkt, wie z. B. Wolfram, durch Aufdampfen auf gekühlte Träger in dünnen Schichten sich in einem amorphen, nichtleiten-den Zustand befinden können, darauf ist schon vor Kramer und Zahn u. ä. von R e i n d e r s u. H a m -b u r g e r , Ann. Physik (5) 10. 649 [1931], hingewie-sen worden.

teilen Ergebnissen beruhende und alle Elemente umfassende Aussage Richters, auf die metalli-schen Elemente beschränkt, den Eindruck er-wecken, als gäbe es unter bestimmten Bedingun-gen eine nichtleitende Zustandsform aller Metalle.

Die grundsätzliche Bedeutung einerseits, die diese Frage für jede Theorie der Struktur des Festkörpers schlechthin, der Metalle im besonde-ren, hat, und die Tatsache andererseits, daß sie immer wieder Anlaß zu ausgedehnten Experimen-taluntersuchungen gibt, läßt es berechtigt erschei-nen, in den folgenden kurzen Bemerkungen auf einen in allen experimentellen und theoretischen Untersuchungen dieser Frage bisher offenbar ganz übersehenen, aber grundsätzlich wichtigen Gesichtspunkt hinzuweisen. *

Zuvor ist es nötig, die beiden Begriffe „amorph"5

und „nichtleitend" scharf gegeneinander abzu-grenzen. In der Hypothese von Kramer und Zahn treten, offenbar in Anlehnung an die beim Über-

3 Vollständiges Schrifttum und umfassende kri-tische Übersicht dazu in H. M a y e r , Physik dünner Schichten, Bd. II, Stuttgart 1949. S. u. a. G. T a m m a n n, Ann. Physik (5) 22, 73 [1935]; R. S u h r m a n n u. G. B a r t h , Physik. Z. 35, 971 [1934], 36, 843 [1935], Z. Physik 103, 133 [1936], oder Z. techn. Physik 16. 449 [1935] : R . S u h r m a n n u. W. B e r n d , Physik. Z. 37, 146 [1936], Z. Physik 106, 354 [1937], 115, 17 [1940]; R. S u h r m a n n u. H. S c h n a c k e n b e r g , Z. Physik 119, 287 [1942].

4 H. R i c h t e r , Physik. Z. 44, 406 u. 456 [1943]. 5 Der Begriff „amorph" wird hier in weitergehen-

dem Sinne als von G l o c k e r u. H e n d u s , Z. Elektro-chem. angew. physik. Chem. 48, 327 [1924], gebraucht: er bedeutet danach den vollkommenen Gegensatz zu kristallin, also eine völlig regellose Anordnung der Metallatome nach Art eines einatomigen Gases. Glocker und Hendus erscheint es zweckmäßiger, unter amorph eine Atomverteilung im festen Stoff zu verstehen, die wohl" noch einen gewissen Ordnungsgrad (Nahord-nung) aufweist, wie etwa in einer Flüssigkeit, die aber nicht durch periodische Wiederholung einer Struktureinheit (Fernordnung) dargestellt werden kann.

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528 H. M A Y E R

gangsmetall Antimon vorliegenden und damals schon bekannten tatsächlichen Verhältnisse, die Begriffe „amorpher Zustand eines Metalles" und „nichtleitender Zustand eines Metalles" als gleich-wertig auf, insofern das Fehlen einer bestimmten Gitterordnung der Metallatome die Ursache dafür sein soll, daß diese nicht „ionisiert", also keine freien Elektronen besitzen sollen. Es sei jedoch betont, daß bei Metallen die beiden Begriffe amorph und nichtleitend keineswegs gleichgesetzt wrerden dürfen. Wenn es auch für eine solche feste Zustandsform der Metalle noch jedes experi-mentellen, unmittelbaren Beweises ermangelt, so kann doch sowohl wegen der Tatsache der metal-lischen Leitfähigkeit flüssiger Metalle, die als amorph bezeichnet werden müssen, als auch wegen der Tatsache der metallischen, zweifellos durch freie Elektronen bewirkten Leitfähigkeit von konzentrierten Lösungen der Alkalimetalle in Ammoniak6, in denen die Alkalimetallatome sicherlich keine einer Gitterordnung entsprechende Lagen einnehmen, gesagt werden, daß auch für eine feste Zustandsform der Metalle amorpher und nichtleitender Zustand nicht gleichgesetzt werden dürfen7.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf den nichtleitenden Zustand eines aus Metall-atomen aufgebauten Festkörpers, wTobei vorläufig dahingestellt bleibe, ob gleichzeitig eine vollkom-mene, teilweise oder gar keine Gitteranordnung der Metallatome besteht. Die eingangs erwähnte Frage ist also einzuschränken und lautet dem-gemäß: Gibt es für alle Metalle einen nichtleiten-den, festen Zustand? Dieser Fragestellung wegen seien die Ausführungen auch auf absolut reine Metalle beschränkt. Der Einbau von Fremdatomen, vor allem von Gasatomen, zwischen die Metall-atome. der sowohl in den Versuchen von Kramer und Zahn, als auch in denen von Richter und des-sen Schlußfolgerungen eine wichtige, ja aus-schlaggebende Rolle spielt, sei ausgeschlossen; aus diesem Grunde werden auch nur neueste Ver-suchsergebnisse betrachtet, die dieser an und für sich selbstverständlichen, aber in der überwiegen-den Zahl älterer und auch neuerer Untersuchun-gen nicht beachteten Forderung nach dem reinen Versuch Rechnung tragen.

In einer 1927 erschienenen Arbeit stellt H e r z -f e l d 8 die Frage, ob man nicht ein Kriterium an-

8 8. u. a. E. I l u s t e r , Ann. Physik (5) 33, 477 [1938]; hier auch älteres Schrifttum.

geben könne, das. als Beziehung zwischen gewis-sen. als physikalische Größen meßbaren charak-teristischen Eigenschaften eines Elementes for-muliert, eine Bedingung dafür darstellen sollte, ob beim Zusammentreten von Atomen dieses Ele-mentes zu einem festen oder flüssigen Körper ein Metall oder ein Nichtmetall entsteht. Wir werden sehen, daß diese alle Elemente umfassende Frage auch die weniger umfassende enthält, ob sich eine Beziehung dieser Art formulieren läßt, die Be-dingung dafür ist, daß beim Zusammentreten von Metallatomen ein metallisch leitender oder nicht-leitender struktureller Zustand entsteht.

Herzfeld findet ein solches Kriterium in einer Beziehung zwischen dem molekularen Brechungs-vermögen B einerseits und dem Quotienten Mole-kulargewicht/Dichte andererseits; und zwar muß. wenn ein Element eine metallische Leitfähigkeit haben soll, die Ungleichheit

bestehen. R> M/s (1) Wegen der für unsere Überlegungen grundsätz-

lichen Wichtigkeit seien die Überlegungen Herzfelds, die ihn zu dieser Ungleichheitsbeziehung (1) führ-ten, kurz wiedergegeben. Jedoch sei von vornherein darauf hingewiesen, daß das Ergebnis nur als eine Näherung betrachtet werden kann, insofern Herzfeld seine Überlegungen auf die älteren elektronentheore-tischen Anschauungen gründet und auch eine Reihe von Vernachlässigungen durchführt, um zu der in der Ungleichheit (1) ausgedrückten einfachen Beziehung zu kommen. Es' ist bestimmt möglich, die Herzfeldsehe Bedingung auch im Rahmen wellenmechanischer Über-legungen, etwa als Abhängigkeit von Austauschinte-gralen vom Atomabstand, erneut und exakt zu for-mulieren, doch liegen noch keine Versuche dieser Art vor.

Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die be-kannte Beziehung

R = " ^ i f ( 2 a ) o d e r = ( 2 b > die das molekulare Brechungsvermögen R mit dem Brechungsindex n der Substanz verknüpft; M ist das Molekulargewicht derselben, s ihre Dichte. Aus der rechts niedergeschriebenen Form erkennt man sofort, daß die linke Seite der Beziehung nicht größer als 1 sein kann.

Nun wird in der Dispersionstheorie das Brechungs-vermögen auf die Schwingungen von Dispersionselek-tronen zurückgeführt, die durch eine quasielastische Kraft —kx an die positiven Atomreste gebunden sind. Die Schwingungen eines solchen Dispersionselek-

7 S. hierzu auch R. Sul i r m a n n u. W. B e r n d , Phvsik. Z. 37. 146 [1936],

« K. F. H e r z f e l d , Physic. Rev. 29. 701 [1927J.

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D A S H E R Z F E L D S C H E M ET AL L K R 1T E R I U M 529

trons unter dem Einfluß der elektrischen Feldstärke (£ = 21 el,,)t einer einfallenden Lichtwelle werden durch die Bewegungsgleichung

d2 r

dt2 — kx + e@ (3)

beschrieben, wenn man die Dämpfung vernachlässigt. Auf dem Wege über die Integration dieser Bewegungs-gleichung kommt man zur Lorenz-Lorentz-Beziehung,

n"—1 die den in (2b) auftretenden Quotienten —;—— mit n* + 2

charakteristischen Größen der Dispersionstheorie ver-knüpft, nämlich

n2— 1 4.t Xe2 1 (4) n

2

-f 2 P

worin N die Zahl der Dispersionselektronen in der Volumeinheit ist, von denen hier der Einfachheit wegen nur eine Art vorausgesetzt ist; e ist ihre Ladung, m ihre Masse und p eine Abkürzung für

p = b)2e — ta2 -|- i (o o/ ,

worin coe die Eigenkreisfrequenz des Elektrons, co die der einfallenden Strahlung ist; to' ist eine die Dämp-fung kennzeichnende Größe. Nimmt man sehr schwache Dämpfung an ( co '~0 ) , ferner als einfallende Strah-lung eine solche sehr großer Wellenlänge ( c o~0 ) , dann verschwinden die beiden letzten Summanden und p bedeutet nur mehr p = to e 2 = 4n2v02, wenn mit v() die Eigenfrequenz der Dispersionselektronen bezeich-net wird. Dies in (4) eingeführt, gibt, mit Rücksicht auf (2 b),

Xe2 1 4 JI2 VJ

R M' (5)

In der Bewegungsgleichung (3) ist jedoch, wenn das Elektron sich in einem Medium befindet, das einer merklichen elektrischen Polarisation fähig ist, an Stelle des äußeren Feldes S das resultierende Feld (£ + 4 n Sß/3 zu setzen, worin = N p = N ex und p = e r das elektrische Dipolmoment des einzelnen Moleküls und r die Entfernung der Dipolladungen ist. Dies in (3) eingesetzt, gibt, mit Rücksicht auf (5),

d2 p ~dfs

Aus dieser Form der Bewegungsgleichung ersieht man sofort, daß die Eigenfrequenz v0 des Dispersions-elektrons durch die Verdichtung des Gases oder des Dampfes bis zur Dichte s um den Faktor jl — R -^J

vermindert wird; sie wird Null, wenn R = 1 wird. Dann schwingt das Elektron nicht mehr, bzw. die quasielastische Kraft bindet das Elektron nicht mehr an den positiven Atomrest, das Elektron ist frei ge-worden.

Man erkennt nun, welches die von Herzfeld gesuchte Bedingung dafür ist, daß beim immer näheren Zu-

sammenrücken ursprünglich weit entfernter Atome zu einem flüssigen oder festen Körper freie Elektro-nen und damit metallische Leitfähigkeit auftreten. Es muß R>M's, die Molekularrefraktion muß größer als der Quotient Molekulargewicht durch Dichte sein.

Um dieses Metallkriterium sinngemäß anwen-den zu können, darf nicht übersehen werden, daß die Beziehungen (2) und (5) ihren Sinn verlieren, wenn die vorher gebundenen Dispersionselektro-nen frei geworden sind. Man kann aber, gewisser-maßen als Grenzwert, den Wert von R für jene Dichte s (bzw. jenen Atomabstand) der einander genäherten Metallatome berechnen, bei der der Wert von RM/s nahezu gleich 1 wird, und nun zusehen, wrie weit und in welchem Sinne die zu-gehörige Dichte s von der der normalen, festen Substanz entfernt ist. Als den eben bezeichneten Grenzwert von R kann man aber nach Herzfeld näherungsweise den an der gasförmigen Substanz gemessenen Wert nehmen, da die Änderung beim Übergang in den festen oder flüssigen Zustand nur gering ist.

In Tab. 1 sind einige der von Herzfeld zusam-mengestellten Werte eingetragen, wobei R in jenen Fällen, wo Meßwerte des Brechungsindex der gas-förmigen Substanz (mit * versehen) vorliegen, mittels der Beziehung (2) berechnet ist; wo keine experimentell gemessenen Werte vorliegen, wurde R mittels der Beziehung (5) unter der Annahme berechnet, daß die Zahl der Dispersionselektronen für die Resonanzlinie (v0) gleich 1 ist.

Aus Tab. 1 ersieht man, daß die relative Größe von R gegenüber dem Quotienten M/s den ausge-sprochen metallischen Charakter der in der ersten Kolonne eingetragenen Metalle gut wiedergibt, für die R > M/s ist; ebenso erkennt man den weniger ausgesprochenen Charakter der Über-gangsmetalle, für die R ~ M/s ist, und schließlich den Charakter nichtmetallischer Elemente, für die R < M/s ist.

Aus dem Wertebild der Tab. 1 kann jedoch noch eine andere Folgerung gezogen werden. Bei den in der ersten Kolonne eingetragenen Metallen, vor allem den Alkalimetallen, ist R um so vieles grö-ßer als M/s. daß, wenn wir vom massiven Metalle ausgehen, die -Dichte s ziemlich stark, und zwar bis auf die Hälfte und noch mehr vermindert und entsprechend der Abstand der Metallatome ver-größert werden kann, ehe R gleich M/s wird und damit der metallische Charakter verloren geht. Man kann dies wohl auch so ausdrücken, daß der

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530 H. M A V E R

Element

Li Na K

Rb Cs Cu

Ag Cd

R

81,5 61*

107

110 116 18,95

19,4* 20.0*

M's

13 23.6 44.7

55.8 71 7,1

10,2 13

Element

Au Zn Hg

Tl Pb Se2

Te2 As,

R

10.7 14,6* 14,74*

13.8 14,5 22,8

35,4 23,1

M/s

10,2 9,2

14,61 (fest) 14,22 (flüss.) 17,2 18,2 33 (Metall) 37 (amorph) 40 26,2

Element

He Ar

Kr Xe

R

0,518* 4,15*

6,25* 10,2*

Tab. 1. Molekulares Brechungsvermögen R (für gasförmigen Zustand) und Quotient Molekulargewicht/Dichte Mls (für festen Zustand) für einige Elemente (nach H e r z f e l d ) .

ausgesprochen metallische Charakter dieser Me-talle, gekennzeichnet durch eine hohe, durch freie Elektronen bewirkte metallische Leitfähigkeit, gegen eine Auflockerung ihres Gefüges keines-wegs sehr empfindlich sein wird. Bei anderen Metallen dagegen, z. B. dem Quecksilber oder Thallium, ist schon beim Zustand normaler Dichte die Herzfeldsche Bedingung kaum erfüllt; der ausgesprochene Metallcharakter dieser Elemente wird also gegen gerings.te Auflockerung des Ge-füges bzw. gegen geringste Abstandsvergrößerung der Atome sehr empfindlich sein, und die metal-lische Leitfähigkeit wird leicht verloren gehen.

Die einfachste Möglichkeit, diese Folgerungen experimentell zu prüfen, bestünde in der Kom-pression der betreffenden Metalldämpfe bei Tem-peraturen oberhalb der kritischen Temperatur und in der Feststellung, bei welcher Dichte bzw. bei welchem mittleren Atomabstand jeweils die metallische Leitfähigkeit und damit das Auftreten freier Elektronen beginnt. Untersuchungen dieser Art liegen jedoch noch nicht vor. Eine zweite Möglichkeit, jedoch auf die Alkalimetalle be-schränkt, sind Leitfähigkeitsmessungen an den Lösungen dieser Metalle in Ammoniak, in denen die Konzentration der Metallatome, von Null be-ginnend, bis zur höchstmöglichen Konzentration bei der Sättigung gesteigert wird. Solche Unter-suchungen liegen in größerer Zahl vor9 ; sie be-stätigen die aus den Herzfeldschen Überlegungen folgende Erwartung, daß durch freie Elektronen bewirkte hohe metallische Leitfähigkeit schon bei Atomabständen der Alkaliatome auftritt, die das zwei- bis dreifache der Gitterkonstanten des nor-malen. kompakten Metalles betragen.

Eine dritte Möglichkeit, die ganze Reihe der Zwischenzustände zwischen dem isoliertenMetall-

9 Schrifttum u. a. bei H u s t e r

atom im Metallgas und dem im Gitterverband des normalen Metallkristalls enggepackten Metallatom herzustellen und in ilrren charakteristischen Eigen-schaften zu untersuchen, bietet die experimentelle Methodik der dünnen und dünsten Schichten, die in den letzten Jahren eine bedeutende Entwick-lung erfahren hat.

Man kann durch Aufdampfen mittels Atoni-strahls im höchsten Vakuum Metallatom nach Metallatom auf die tiefgekühlte Oberfläche eines geeigneten, fremdscliichtfreien Trägers setzen und erhält so, am Anfang allerdings nur zwei-dimensional. die ganze Reihe der oben genannten Zwischenzustände zwischen dem in weitem Ab-stand von anderen befindlichen Einzelmetallatom bis zur dichten Packung desselben im flüssigen oder festen Zustand. Darüber hinaus befinden sich wegen des statistischen Charakters des Auf -dampfvorganges die kondensierten Atome vorerst nicht in den geordneten Lagen eines Gitters; man kann durch sehr tiefe Temperatur des Trägers erreichen, daß weder Einschwingvorgänge in die geordneten Lagen des Gitters, noch Platzwechsel-vorgänge, durch die die Atome über die Ober-fläche hin zu solchen hinwandern können, statt-finden, d. h. der ursprünglich amorphe Nieder-schlag kann in diesem Zustand erhalten und mit-hin auch untersucht werden. Durch schrittweise Temperaturerhöhung kann man dann Einschwing-vorgänge und damit auch die langsame oder schnelle Ausbildung des Gitters möglich machen und somit diese Zwischenzustände zwischen voll-kommener Unordnung und kristalliner Ordnung der Schichtatome sehr schön verfolgen10. Man hat dabei auch den A^orteil höchster Reinheit des Niederschlages.

10 Z. B. in den Untersuchungen von H . K ö n i g , Optik 3. 201 [19481.

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D A S H E R Z F E L D S C H E M E T A L L K R I T E R I U M 531 Die an so hergestellten dünnen und dünnsten

Metallschichten letzthin erzielten Ergebnisse zei-gen nun eine bemerkenswerte Beziehung zum Herzfeldschen Metallkriterium. Diesem entspre-chend verhalten sich nämlich die verschiedenen Metalle durchaus verschieden. Man kann trotz der relativ geringen Zahl bisher vorliegender, unter saubersten Bedingungen erhaltener Ergebnisse deutlich zwei extreme Gruppen unterscheiden, wobei wir uns vorerst auf die Metalle mit aus-gesprochen metallischem Charakter beschränken wollen.

Zur ersten Gruppe gehören die Alkalimetalle. Die sorgfältigen, unter saubersten Bedingungen von A p p l e y a r d und L o v e 1111 durchgeführ-ten Widerstandsmessungen an dünnsten Schich-ten derselben, deren Ergebnisse bei Einhaltung dieser Bedingungen, aber auch nur dann, beliebig reproduzierbar waren, zeigen eindeutig, daß metal-lische, durch freie Elektronen bewirkte Leitfähig-keit bereits auftritt, lange bevor sich eine einzige vollständige Atomlage der Alkaliatome auf dem Träger, in diesem Falle Hartglas, ausgebildet hat. Werden Cs-Atome auf den auf 64 ° abs. gekühlten Träger aufgedampft, so tritt Leitfähigkeit schon bei einer Bedeckung von weniger als 0,1 auf, d. h. bei einer mittleren Entfernung der Cs-Atome in der monoatomaren .Schicht, die etwa dem drei-fachen der Entfernung der Cs-Atome im normalen Gitter des massiven Metalles entspricht. Das gleiche gilt für die anderen beiden untersuchten Alkalimetalle Rb und K. Nach Beginn der Leit-fähigkeit bei einer bestimmten Bedeckung, d. h. bei einem bestimmten mittleren Abstand der Alkaliatome, nimmt erstere mit weiter zunehmen-der Bedeckung bzw. mit der über eine mono-atomare Schicht wachsenden Dicke zuerst sehr schnell zu, dann von einer Dicke von etwa 7 Atom-lagen 30 A) ab langsamer und von etwa '23 Atomlagen 100 A) ab fast überhaupt nicht mehr; sie ist hier von der normalen Leitfähigkeit des massiven Cs-Metalles nur sehr w^enig ver-schieden 12.

Dies Verhalten der Alkalimetalle entspricht aber vollkommen den Erwartungen, zu denen man sowohl auf Grund des Herzfeldschen Metallkrite-

« E. T. S. A p p 1 e y a r d u. A. C. B. L o v e 11, Proe. Roy. Soc. [London], Ser. A 158, 718 [1937]; A. C. B. L o v e 11, ebenda 157, 311 [1936] und 166, •270 [1938].

12 ^Schicht I Pkomp.Met =

riums als auch auf Grund der Ergebnisse der Leitfähigkeitsmessungen an den Lösungen der Alkalimetalle in Ammoniak geführt wird. Denn für die Alkalimetalle ist, wie man aus den AVer-ten der Tab. 1 ersieht, das molekulare Brechungs-vermögen viel größer als der Quotient Molekular-gewicht/Dichte (M/s ) ; es erscheint daher eine weitgehende Auflockerung bzw. Abstandsvergrö-ßerung der Metallatome möglich, ohne daß die freien Elektronen und mit ihnen die metallische Leitfähigkeit verschwenden.

Man darf daher aus diesen experimentellen Er-gebnissen und den theoretischen Erwartungen schließen, daß es unmöglich ist, die reinen Alkali-metalle in einem nichtleitenden, festen Zustand herzustellen, auch nicht in dünnsten Schichten, mag nun die Anordnung der Atome eine regellose oder eine gittermäßig geordnete sein. Daran würde auch eine weitere Verminderung der Temperatur des Trägers bis nahe an den absoluten Nullpunkt heran nichts ändern.

Die andere, in bezug auf dieses Verhalten extreme Gruppe ausgesprochener Metalle wird durch das Quecksilber repräsentiert. Die experi-mentellen Ergebnisse von A p p l e y a r d und B r i s t o w 13, die mit gleicher Methode und unter gleich extrem sauberen Bedingungen bei tiefsten, bis 4,2 ° abs verminderten Trägertemperaturen er-halten wurden, zeigen, daß man die Hg-Atome bis zu einer Schichtdicke von 15 Atomlagen ( ~ 4 5 A ) übereinanderschichten kann, ehe metallische Leit-fähigkeit beginnt. Bei diesen tiefen Temperaturen kann selbst im Falle von Hg-Atomen eine Ober-flächenwanderung derselben und eine dadurch ver-ursachte Bildung einzelner;* durch Lücken ge-trennter Häufchen nicht angenommen werden, die bei Metallschichten mit höherer Temperatur oft die Ursache für das Auftreten unendlich hohen AViderstandes ist. Man kann daher mit Appleyard und Bristow annehmen, daß hier das Hg in einem zusammenhängenden, aber nichtleitenden Zustand vorhanden ist.

Auch dies entspricht durchaus den Erwartun-gen, die man an die Herzfeldsche Bedingung knüpfen kann. Denn für Hg ist schon im Zustand normaler Dichte, d. h. normaler Atomabstände, das molekulare Brechungsvermögen R dem Quo-tienten M/s gleich; eine nur geringe Auflockerung

13 E. T. S. A p p 1 e y a r d u. J. R. B r i s t o w, Proe. Roy. Soc. [London], Ser. A 172, 530 u. 540 [1939].

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macht den Quotienten M/s größer als B. die Herz-feldsche Bedingung ist nicht mehr erfüllt; eine solche Auflockerung ist aber bei Schichtherstel-lung durch Aufdampfen bei tiefsten Temperaturen, bei denen Einschwing- und Platzwechselvorgänge unmöglich sind, als bestimmt anzunehmen, beson-ders dann, wenn Kraftwirkungen vom Träger her. ferner durch diesen bedingte sterische Verhält-nisse und schließlich der Einfluß der beiden sehr nahe gelegenen Eigengrenzschichten mitwirken.

Diese hier kurz erwähnten Ergebnisse an Alkali-schichten einerseits, an Quecksilberschichten an-dererseits, als Vertretern der beiden in bezug auf die Herzfeldsclie Bedingung extremen Gruppen ausgesprochener Metalle, werden nun durch neuere Beobachtungen an dünnen Schichten anderer Me-talle gestützt und ergänzt, sow7eit sie unter gleich sauberen und definierten Bedingungen erhalten wurden, und eine genaue Bestimmung der Schicht-dicke bzw. der Bedeckung erfolgte. So bleibt das dem Hg nahestehende Thallium nach B r i s tow 1 4

bis zu Schichtdicken von fünf Atomlagen nicht-leitend. Auch Gold, das nach den in der Tab. 1 ge-gebenen Werten zu dieser Gruppe gehört, kann nach W a s 1 5 bis zu einer beträchtlichen, allerdings nicht genau gemessenen Schichtdicke in einem nichtleitenden Zustand erzeugt werden, der dar-über hinaus auch amorph ist. Blei allerdings, das nach dem von Herzfeld ausgerechneten Werte von R ebenfalls zu dieser Gruppe gehören sollte, ist nach A r m i 1 6 schon bei einer Schichtdicke von etwa zwei Atomlagen leitend. Jedoch darf nicht vergessen werden, daß die Tabellenwerte mit der Dispersionselektronenzahl 1 ausgerechnet wur-den und die Herzfeldsc-hen Überlegungen streng nur für isotrope Substanzen bzw. Kristalle kubi-scher Symmetrie gelten, so daß der genannten Be-rechnung in manchen Fällen ein größerer Fehler anhaften mag.

Umgekehrt sind nach R e i n d e r s und H a m -b u r g e r 1 7 die zur ersten Gruppe gehörigen Me-talle Wolfram und Silber, und nach de B o e r und K r a a k 1 8 auch Molybdän schon in einer Schicht-dicke von einer Atomlage leitend, jedoch reichte die Genauigkeit der Bestimmung der Schichtdicke

14 I. R. B r i s t o w, Proc. physic. Soc. 51. 349 [1939]. 15 D. A. W a s , Physica 6, 382 [19381.

E. A r m i , Physic. Rev. 63. 451 [1943]. 17 L. H a m b u r g e r u. W. R e i n d e r s , Recueil

Trav. chim. Pays-Bas (4) 50, 441 [1931]. 1S J. H. De B o e r u. H. H. K r a a k . Recueil Trav.

chim. Pavs-Bas (4) 55. 941 [1936],

in diesen Fällen nicht an die heran, die im Falle der Alkalimetalle erzielbar ist.

Entsprechend dem kleineren oder größeren Unterschied zwischen B und M/s bei den verschie-denen Metallen mit ausgesprochen metallischem Charakter wird man nun natürlich außer den bei-den Gruppen mit sehr geringer und sehr hoher Empfindlichkeit gegen eine Auflockerung ihres Gefüges auch solche mit mittlerer Empfindlichkeit erwarten können, d. h. einen fast kontinuierlichen Übergang von der einen zur anderen Gruppe. Zur genauen Feststellung ist allerdings eine sehr ge-naue Bestimmung der Bedeckung bzw. der Schicht-dicke notwendig, für die bisher nur im Falle der Alkalimetalle eine sehr einfache Methode höchster Genauigkeit entwickelt wurde1H.

Die Ausführungen waren bisher auf die Metalle mit ausgesprochen metallischem Charakter be-schränkt. Nach den Ergebnissen dieser Über-legungen ist es nun aber eine Selbstverständlich-keit, daß die Metalle mit weniger ausgesprochen metallischem Charakter, wie Bi,Sb, Se, As .Teu.a . . bei denen schon im normalen, massiven Zustand die Herzfeldsclie Bedingung kaum erfüllt ist,' eine noch größere Empfindlichkeit ihres metallischen Charakters gegenüber einer Auflockerung ihres Gefüges haben werden als etwa Hg und Tl. Unter den oben genannten Bedingungen in dünnen Schichten hergestellt, wird es noch viel leichter sein, sie in einem nichtleitenden Zustand zu er-zeugen und zu erhalten. Es sei hier abschließend nur kurz darauf hingewiesen, daß eine Reihe von neueren experimentellen Beobachtungen diese Folgerung unmittelbar bestätigen20. Von Bi kann man durch Aufdampfen bei tiefen Temperaturen nichtleitende und amorphe Schichten bis nahezu 1 mm Schichtdicke erhalten21, und ähnliches gilt von Sb22.

Abschließend kann also gesagt werden: Die auf den ersten Blick überraschende, jedoch mit Hilfe der Methode dünner Schichten einwandfrei fest-gestellte Tatsache, daß von den Metallen mit aus-gesprochen metallischem Charakter die einen, wie etwa die Alkalimetalle, unter keinen Bedingungen in einem nichtleitenden festen oder flüssigen Zu-

18 Eine umfassende kritische Übersicht über alle diese Methoden findet man in H. M a y e r , Physik dünner Schichten, Bd. I, Stuttgart 1949.

20 R. S u h r m a n n u. W. B e r n d , Z. Physik 115. 17 [1940].

21 P. K a p i t z a , Proc. Roy. Soc. [London], Ser. A 119, 358, 387, 401 [1928].

22 H. M u r m a n n . Z. Physik 54, 741 [19291.

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stand hergestellt werden können, während bei an-deren, wie etwa Hg, ein solcher Zustand unter be-stimmten Bedingungen erzeugt und erhalten wer-den kann, ist auf Grund des Herzfeldschen Metall-kriteriums nicht nur verständlich, sie ist vielmehr zu erwarten. Daher kann die Hypothese, daß es grundsätzlich möglich sei, alle Metalle in einem nichtleitenden festen Zustand herzustellen, in die-ser umfassenden Weise nicht aufrechterhalten werden. Dagegen erscheint es durchaus wahr-scheinlich, daß ein amorpher Zustand aller Me-talle, gekennzeichnet durch eine völlig regellose

Anordnung der Metallatome, hergestellt werden kann. Der negative Ausfall der Versuche von Richter in bezug auf die Metalle mit ausgespro-chen metallischem Charakter ist einerseits auf die relativ hohe Temperatur seines Schichtträgers zurückzuführen, andererseits auf den Umstand, auf den in diesem Zusammenhang schon wieder-holt hingewiesen wurde, daß bei Strukturunter-suchungen mit Elektronenstrahlen durch diese selbst Energiezufuhr erfolgt, wodurch sofort Ein-schwing- und Platzwechselvorgänge und damit Kristallbildungen ermöglicht werden.

Schnelle Zustandsänderungen in Aluminium-Mischkristallen V o n HERMANN AUER*

(Z. N a t u r f o r s c h g . 4 a, 533—540 [1040]; e i n g e g a n g e n am 25. Apr i l 1040)

Die technisch so bedeutungsvollen Aushärtungsvorgänge in übersättigten Aluminium-Mischkristallen sind auf besondere Atomanordnungen (sog. Nebenzustände) im Gitter zurückzuführen, die von den Fremdatomen vor bzw. neben der eigentlichen Ausschei-dung durchlaufen werden. Ihre Untersuchung mit rein physikalischen, atomaren Eigen-schaften (z.B. magnetischer Suszeptibilität), die eine besonders einfache Zuordnung zu örtlichen Atomanreicherungen ermöglichen, hat zur Annahme von zwei Vorzuständen neben der heterogenen Ausscheidung geführt, die durch eine bestimmte Temperatur-behandlung, das sog. Rückbildungsverfahren, getrennt und auf ihre thermische Stabilität hin untersucht werden können. Die z. Tl. sehr schnell ablaufenden Rückbildungsvor-gänge erforderten die Entwicklung einer besonderen Anordnung zum kurzzeitigen An-lassen mit möglichst großer Aufheizgeschwindigkeit („Aufschrecken") sowie zur Er-zielung definierter Überhitzungen (Wärmestöße).

Aus Suszeptibilitäts- und Härtemessungen ergibt sich, daß der Ablauf der Zustands-änderungen bezüglich des mengenmäßigen Anteils und der thermischen Stabilität der einzelnen Zustände Aveitgehend von der Geschwindigkeit abhängig ist, mit der die Zwischentemperaturen beim Anlassen durchlaufen werden. Wie die Rückbildungs-analyse an aufgeschreckten Proben zeigt, nimmt bei hoher Aufheizgeschwindigkeit der Warmaushärtungsanteil ab, gleichzeitig aber erhöht sich seine thermische Stabilität. Ausgeprägte Hystereseerscheinungen lassen auf Stabilitätsverschiebungen der atomaren Komplexe innerhalb des Warmaushärtungszustandes schließen im Einklang mit den Keimbildungsvorstellungen, wie sie im Sinne der Beckerschen Auffassung für die Ent-mischungsvorgänge im Kristallgitter maßgebend sind.

Vor nunmehr 15 Jahren haben G e r 1 a c h und

A u e r 1 darauf hingewiesen, daß die Unter-suchung aushärtbarer Leichtmetall-Legierungen mittels rein physikalischer Eigenschaften, ohne Rücksicht auf ihr technisches Interesse, neue und fruchtbare Gesichtspunkte für die Deutung des Aushärtungsmechanismus erwarten lasse. Wie seither eindeutig klargestellt ist, sind die Aushärtungsvorgänge, die beim Anlassen, beson-

* München 2, Marsstr. 1 a. 1 H. A u e r u. W. G e r l a c h , Metallwirtsch. Me-

tallwiss., Metalltechn. 13, 871 [1934].

ders aber auch bei Kaltaushärtung übersättigter Mischkristalle eine z. Tl. erhebliche Vergütung der mechanischen Eigenschaften ergeben, auf be-sondere Atomanordnungen bzw. Anreicherungen der Fremdatome im Grundgitter zurückzuführen, die vor der eigentlichen heterogenen Ausschei-dung durchlaufen werden. Auf Grund dieser Ver-mutung wurde daher damals empfohlen, vor allem solche Eigenschaften zur Untersuchung dieser Ansammlungen im Mischkristall heran-zuziehen, die — im Gegensatz zu den Mittel-wertsgrößen der mechanischen Eigenschaften —