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Abschlussarbeit
ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Franz Böhmer Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner
Rückfragen:
österreichische akademie der ärzte Weihburggasse 2/5 A‐1010 Wien Tel.: +43 1 512 63 83‐40DW
ÖÄK Diplomlehrgang Geriatrie 2010 / 2011
Der Geriatrische Patient in der
Notfallaufnahme
Welche Aspekte sind in Organisation und
medizinischer Versorgung zu beachten ?
Dr. Gerald Geyer, MBA
Graz, Oktober 2011
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Franz Böhmer
Prim. Univ. Prof. Dr. Monika Lechleitner
Schriftliche Abschlussarbeit
1
Inhaltsverzeichnis:
Inhaltsverzeichnis: .............................................................................................................. 1
1 Einleitung ..................................................................................................................... 2
2 Zielsetzung................................................................................................................... 3
3 Methode........................................................................................................................ 3
3.1 Rahmenbedingungen............................................................................................. 3
3.1.1 Legistische Rahmenbedingungen............................................................... 3
3.1.2 Gesundheitspolitische Strukturvorgaben: ................................................... 4
3.2 Demographie und Altersstruktur............................................................................. 5
3.2.1 Bevölkerungsentwicklung nach Regionen in Österreich ............................. 6
3.2.2 Entwicklung der Altersstruktur in Österreich ............................................... 7
3.3 Patientenströme..................................................................................................... 9
3.3.1 Allgemeine Entwicklung der Patientenfrequenzen in Notfallaufnahmen...... 9
3.3.2 Patientenfrequenzen der Notfallaufnahme des LKH Graz West ................10
3.3.3 Allgemeine Altersstruktur von Patienten in Notfallaufnahmen....................12
3.3.4 Altersstruktur von Patienten in der Notfallaufnahme des LKH Graz West ..12
3.3.5 Pflegeheimpatienten in der Notfallaufnahme des LKH Graz West .............14
3.4 Medizinische Aspekte und geriatrische Besonderheiten........................................15
3.4.1 Geriatrische Notfallsituationen...................................................................15
3.4.2 Polypharmazie und Arzneimittelwirkungen ................................................19
3.4.3 Delirium und Cognitive Impairment............................................................20
3.4.4 Frailty, Sarkopenie und Mangelernährung .................................................22
3.4.5 Multimorbidität ...........................................................................................24
3.4.6 Atypische Krankheitssymptomatik: ............................................................25
3.4.7 Geriatrisches Assessment .........................................................................25
3.5 Organisation und Qualitätssicherung ....................................................................27
3.5.1 Infrastruktur der Notfallaufnahme: .............................................................27
3.5.2 Ersteinschätzung.......................................................................................29
3.5.3 Qualitätssicherung in Geriatrie und Notfallaufnahme.................................32
3.6 Neue Modelle für eine „Geriatrische Notfallaufnahme“..........................................35
4 Diskussion ..................................................................................................................36
5 Schlussfolgerungen ...................................................................................................38
Literaturverzeichnis.................................................................................................................40
Zur besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit auf die sprachliche Differenzierung zwischen der männlichen und weiblichen Form verzichtet.
2
1 Einleitung
Das Wort Geriatrie leitet sich vom griechischen Wort „geron“ ab, was Alter bedeutet.
Geriatrische Patienten werden heutzutage nicht vorrangig anhand von Altersgrenzen
beschrieben, sondern „über eine mit dem Altern verbundene besondere
gesundheitliche Situation und daraus folgende spezifische Behandlungs- und
Betreuungsbedürfnisse.“ [1].
Die Geriatric Medicine Section der Europäischen Union der medizinischen
Spezialisten (UEMS), der auch die Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und
Gerontologie abgehört, definierte 2008 Geriatrie sehr umfassend:
Zitat Anfang: „Geriatrie ist die medizinische Spezialdisziplin, die sich mit
physischen, psychischen, funktionellen und sozialen Aspekten bei der medizinischen
Betreuung älterer Menschen befasst. Dazu gehört die Behandlung alter Patienten bei
akuten Erkrankungen, chronischen Erkrankungen, präventiver Zielsetzung, (früh-)
rehabilitativen Fragestellungen und speziellen, auch palliativen Fragestellungen am
Lebensende. Diese Gruppe älterer Patienten weist eine hohe Vulnerabilität
(„Frailty“) auf und leidet an multiplen aktiven Krankheiten. Sie ist deshalb auf
eine umfassende Betreuung angewiesen. Krankheiten im Alter können sich
different präsentieren und sind deshalb oft besonders schwierig zu diagnostizieren.
Das Ansprechen auf Behandlung ist oft verzögert und häufig besteht ein Bedarf nach
(gleichzeitiger) sozialer Unterstützung.
Geriatrische Medizin geht daher über einen organzentrierte Zugang hinaus und bietet
zusätzliche Behandlung in einem interdisziplinären Team an. Hauptziel dieser
Behandlung ist die Optimierung des funktionellen Status des älteren Patienten mit
Verbesserung der Lebensqualität und Autonomie. Die geriatrische Medizin ist zwar
nicht spezifisch altersdefiniert; konzentriert sich jedoch auf typische bei
älteren Patienten gefundene Erkrankungen. Die meisten Patienten sind über 65
Jahre alt. Patienten, die am meisten von der geriatrischen Spezialdisziplin
profitieren, sind in der Regel 80 jährig und älter.“ Zitat Ende. [2]
Die Problematik der akutmedizinischen Versorgung geriatrischer Patienten in
Notfallaufnahmen kommt in folgender Feststellung von Geriatern zum Ausdruck: „Es
ist bekannt, dass ältere Menschen die Notfallaufnahmen öfter aufsuchen, öfter
3
stationär aufgenommen werden, länger in der Notaufnahme bleiben und 2x so häufig
in der Notaufnahme wieder vorgestellte werden (Anm.: im Vergleich zu Jüngeren)“
[3].
Damit stellt die Versorgung geriatrischer Patienten die Akutmedizin in den Spitälern
vor spezielle medizinische, pflegerische und organisatorische Herausforderungen.
2 Zielsetzung
In der vorliegenden Arbeit soll aus einer Literaturrecherche und eigenen Erfahrungen
aus dem LKH Graz West erörtert werden, welche speziellen Rahmenbedingungen
und Aspekte in Organisation und medizinischer Versorgung von geriatrischen
Patienten in der Spitals-Notfallaufnahme berücksichtigt werden sollten.
3 Methode
3.1 Rahmenbedingungen
3.1.1 Legistische Rahmenbedingungen
Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG)
regelt Grundsätzliches zu Anstaltsambulatorien [4]:
Zitat Anfang: „§ 26 Anstaltsambulatorien. (1) In öffentlichen Krankenanstalten der im
§ 2 Abs. 1 Z 1 und 2 angeführten Arten sind Personen, die einer Aufnahme in
Anstaltspflege nicht bedürfen, ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es
1. zur Leistung Erster ärztlicher Hilfe,
2. zur Behandlung nach Erster ärztlicher Hilfe oder in Fortsetzung einer in der
Krankenanstalt erfolgten Pflege, die im Interesse des Behandelten in derselben
Krankenanstalt durchgeführt werden muss.
4. über ärztliche Zuweisung zur Befunderhebung vor Aufnahme in die Anstaltspflege.
(3) Die Träger können ihrer Verpflichtung nach Abs. 1 auch durch Vereinbarung mit
anderen Rechtsträgern von Krankenanstalten, mit Gruppenpraxen oder anderen
ärztlichen Kooperationsformen entsprechen. Dabei ist insbesondere sicherzustellen,
dass alle einschlägigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes eingehalten werden.
Solche Verträge bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.“ Zitat Ende.
4
Steiermärkisches Krankenanstaltengesetz (KALG)
legt entsprechend dem KAKuG für den ärztlichen Dienst auf Landesebene fest [5]:
Zitat Anfang: „§ 11 (1) Der ärztliche Dienst muss so eingerichtet sein, dass
1. ärztliche Hilfe in der Anstalt jederzeit sofort erreichbar ist; […]
4. in Standardkrankenanstalten im Nacht und Wochenende und Feiertagsdienst
jederzeit eine sofortige notfallmedizinische Versorgung durch einen in der
Krankenanstalt anwesenden Facharzt aus den Sonderfächern Anästhesiologie und
Intensivmedizin oder Chirurgie oder Innere Medizin oder Unfallchirurgie gewährleistet
ist und für jede Abteilung zumindest ein in Ausbildung zum Facharzt stehender
Turnusarzt, der sich im 3. bzw. 4. Ausbildungsjahr des Hauptfaches befindet, Dienst
verrichtet sowie eine Rufbereitschaft von Fachärzten der jeweiligen in Betracht
kommenden Sonderfächer gegeben ist; während der übrigen Zeiten müssen auch in
Standardkrankenanstalten Fachärzte der in Betracht kommenden Sonderfächer in
der Anstalt dauernd anwesend sein.“ Ziatat Ende
3.1.2 Gesundheitspolitische Strukturvorgaben:
Österreichischer Strukturplan Gesundheit (ÖSG) 2010
definiert Strukturkriterien für Notfallaufnahmen [6]:
Zitat Anfang: „Zentrale Aufnahme- und Erstversorgungseinheit (ZAE)
Eine besondere Form effizienter Versorgungseinheiten stellen zentrale Aufnahme-
und Erstversorgungseinheiten (ZAE) für ungeplante Patientenzugänge mit vor allem
akuter Symptomatik dar, die unter ärztlicher Zuständigkeit eines in der
Notfallversorgung erfahrenen Arztes / einer Ärztin mit ius practicandi und
erforderlichen weiteren Zusatzqualifikationen geführt werden. […]
Definition: Eigenständige Einrichtung, bestehend aus einer
Erstversorgungsambulanz und einem Aufnahmebereich (Beobachtung
Patient/in max. 24 h) mit systemisierten Betten im Rahmen der vom ÖSG bzw.
RSG festgelegten Planbettenobergrenzen bzw. ausschließlich durch Umwidmung
vollstationärer Kapazitäten; eigene Kostenstelle mit speziellem Funktionscode; ggf.
disloziert als Satelliteneinheit in begründeten Ausnahmefällen zulässig (z. B. zur
Abdeckung von Versorgungslücken in peripheren Regionen bzw. zur Herstellung
5
einer regional ausgewogenen Versorgung) und wenn in regionaler Detailplanung des
Bundeslandes vorgesehen (dislozierte Aufnahme- und Erstversorgungseinheit –
dAE).“ Zitat Ende
Zitat Anfang: „Ambulante Erstversorgungseinheit (AEE)
Die ausschließlich ambulante Begutachtung und Behandlung ungeplanter
Patientenzugänge rund um die Uhr im Sinne der ZAE – allenfalls einschließlich
einiger Beobachtungsbetten (Funktionsbetten) – kann auch durch eine
ambulante Versorgungsstruktur wahrgenommen werden. […]
Definition: Interdisziplinäre Struktur zur Erstbegutachtung und allfälliger
Erstbehandlung inkl. Triage und ggf. Weiterleitung der Patientinnen/Patienten in
erforderliche ambulante oder stationäre Versorgungsstruktur; nachfolgende
Regelungen analog zu ZAE exkl. Aufnahmebereich.“ Zitat Ende
Zusammengefasst lassen die legistischen Regelungen folgende Aussagen zu:
- Jede Krankenanstalt ist für das Vorhalten einer ambulanten Einrichtung zur
Versorgung von Notfällen verpflichtet, oder hat geeignete Kooperations-
vereinbarungen zu treffen, welche durch die Landesregierung zu genehmigen
sind.
- Die Organisation des ärztlichen Dienstes ist von der Form der Krankenanstalt
abhängig.
- Der ÖSG definiert in der Organisationsform der Notfallaufnahme eine „ZAE“ und
„AEE“. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, dass eine ZAE im
Aufnahmebereich zur Führung systemisierter Betten berechtigt ist, während eine
AEE nur Funktionsbetten zur Beobachtung vorhalten kann.
- Der ÖSG legt strukturell eine Akutgeriatrie / Remobilisation (AG/R) fest, sieht
jedoch keine ausschließlich Akutgeriatrische Einrichtung vor.
- Weder legistisch noch seitens der Strukturkriterien finden sich Geriatrie-
spezifische Richtlinien für eine Notfallaufnahme.
3.2 Demographie und Altersstruktur
Nach US-amerikanischen Prognosen wird sich der Anteil von über 65-Jährigen in
den USA von etwa 34 Millionen im Jahr 2000 in den nächsten 25 Jahren auf mehr
als 69 Millionen Menschen verdoppeln [7] [8].
6
3.2.1 Bevölkerungsentwicklung nach Regionen in Österreich
Die Bevölkerung Österreichs wird weiterhin stark wachsen. Die Einwohnerzahl wird
von 8,4 Millionen im Jahr 2010 auf etwa 9 Millionen im Jahr 2030 ansteigen und
2050 voraussichtlich 9,3 Millionen Einwohner erreichen. [9]
Nach den Prognosen der Statistik Austria wird sich der Trend der Abwanderung von
Bevölkerung aus entlegenen und gebirgigen Regionen in die urbanen Ballungsräume
und deren Umfeld verstärken. Wie Abb. 1 zeigt, müssen die Großräume um die
Landeshauptstädte von Niederösterreich , Burgenland, Oberösterreich und
Steiermark mit einem Bevölkerungswachstum von bis zu 20% rechnen und die an
Wien angrenzenden Regionen mit 30% und mehr.
Abb. 1: Bevölkerungsprognose 2030 (Statistik Austria)
Prognose für Abwanderungsgebiete (blau) und Zuwanderungsgebiete (braun – rot) bis 2030 [9]
Die Analysen der Statistik Austria lassen für das Bundesland Steiermark eine
deutliche Abwanderungstendenz aus den obersteirischen Bezirken Murau, Leoben
und Mürzzuschlag erkennen. Im Gegenzug wird es bis 2030 zu einer signifikanten
Bevölkerungszunahme von bis zu 20 % im Raum Graz und Graz-Umgebung und in
geringerem Maße in den an den Grazer Raum angrenzenden süd- und oststeirischen
Bezirken kommen [9].
7
Abb. 2 : Bevölkerungspyramide von Österreich
2010, 2030, 2050Statistik Austria [9]
3.2.2 Entwicklung der Altersstruktur in Österreich
Auch die Altersstruktur der Bevölkerung wird sich bekannterweise in den nächsten
Jahrzehnten ändern. Ursache ist einerseits die Zeit des „Babybooms“ um die 1960er
Jahre und andererseits die in den folgenden Jahrzehnten deutliche Abnahme der
Geburten. Diese Entwicklung lässt sich an der Geburtenbilanz (Anm.: Geburtenbilanz
= Lebendgeborene minus Gestorbene) ablesen, welche mit 340.844 in den Jahren
1961 bis 1971 eine Hoch erreichte. Im folgenden Jahrzehnt (1971 bis 1981) kam es
zu dagegen zu einem historischen Tief von minus 9.898 (Anm.: Überwiegen der
Verstorbenen gegenüber den Lebendgeborenen). Nur langsam stieg die
Geburtenrate in den Jahren 1991 bis 2001 wieder auf 69.360 an [9].
Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt derzeit um 77,7 Jahren bei Männern und
83,2 Jahren bei Frauen [9]. Damit werden die geburtenstarken Jahrgänge des
Babybooms in den kommenden zwei Jahrzehnten zu einer relativen Zunahme der
älteren Bevölkerung beitragen.
Waren im Jahr 2010 etwa 23%
der österreichischen
Bevölkerung über 60 Jahre alt,
so werden es ab 2030 etwa
30% sein. Die Zahl der über 75-
jährigen Österreicher wird von
dzt. 662.000 bis 2030 auf
1 Million ansteigen [7]. Diese
Entwicklung stellt sich in der
nebenstehenden Alters-
pyramide (Abb. 2) dar.
Die nachfolgende Abb. 3 zeigt
eindruckvoll die regionale
Bevölkerungsentwicklung,
welche sich in den nächsten 20
Jahren in Österreich ereignen
wird. Es ist zu erkennen, dass die Zunahme der über 65-Jährigen in den urbanen
Ballungsräumen Wien, Graz und Linz im Verhältnis geringer ist als in den
umliegenden ländlichen Räumen – in erster Linie durch den Zuzug jüngerer
Menschen in die Städte.
8
Prognose zur Verschiebung der Altersstruktur der österreichischen Bevölkerung
nach Statistik Austria: prozentueller Anteil der über 65-jährigen Österreicher [9]:
Abb. 3 : Entwicklung des prozentuellen Anteiles der über 65-jährigen Österreicher [9]
2010
2030
2050
9
Zusammengefasst lassen die demographischen Daten folgende Aussagen zur
Entwicklung in den nächsten 2 - 3 Jahrzehnten zu:
- Es erfolgt eine signifikante Bevölkerungsverschiebung (10 - 30 %) in die
verkehrstechnisch und infrastrukturell gut erschlossenen Räume der Großstädte
und, in geringerem Maße, in deren weiträumiges ländliches Umfeld.
- In den Gebieten um die Großstädte besonders im Osten Österreichs entwickelt
sich eine deutliche Zunahme älterer Bevölkerungsschichten (ca. 30 % über 65-
Jährige).
- Die jüngere Bevölkerung wandert direkt in die Großstädte ab; dort wird sich die
„Überalterung“ damit nicht so stark ausprägen wie im Umfeld.
- Die Möglichkeiten der pflegerischen Versorgung älterer Menschen durch jüngere
Familienmitglieder werden auch in den ländlichen Räumen immer geringer
werden.
3.3 Patientenströme
3.3.1 Allgemeine Entwicklung der Patientenfrequenzen in Notfallaufnahmen
In den letzten Jahren lässt sich in den industrialisierten westlichen Staaten eine
deutliche Zunahme der Inanspruchnahme von Notfallaufnahmen der Spitäler
beobachten [10]. Im Besonderen bildet sich diese Tendenz in urbanen
Ballungsräumen aus.
Publikationen aus dem US-amerikanischen Raum zeigen Zuwachsraten in den
Patientenfrequenzen der Notfallaufnahmen von US-Spitälern von ca. 5% [8] bis 11 %
[11] jährlich. In einer Analyse des Zeitraumes von 1997 bis 2007 konnte in den US –
Emergency Departments eine Zunahme der Patientenbesuche um 23% festgestellt
werden, das ist annähernd doppelt so hoch wie die Bevölkerungszunahme im selben
Zeitraum [12]. Die „Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahme“
berichtet auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes [13], dass die Zahl der
stationär behandelten Notfallpatienten in deutschen Kliniken von 2005 bis 2008 um
16,6% angestiegen ist.
Im Jahr 2009 machte die Österreichische Ärztekammer in einer Aussendung darauf
aufmerksam, dass es an den österreichischen Spitälern von 1997 bis 2007 zu einer
Steigerung der Ambulanzfrequenzen um 55% gekommen ist [14].
10
3.3.2 Patientenfrequenzen der Notfallaufnahme des LKH Graz West
Auch eigene Daten aus dem LKH Graz West belegen den internationalen Trend
einer laufenden Zunahme an Patientenfrequenzen in der Notfallaufnahme. Die
nachfolgend dargestellten Zahlen der Internistischen Notfallaufnahme zeigen
ebenfalls eine kontinuierliche Steigerung, wobei sich nach Hochrechnung mit Stand
September 2011 ein Zuwachs von 11% gegenüber dem Jahr 2010 abzeichnet. Die
Datenanalyse bezieht sich ausschließlich auf Frequenzen von Notfall- und
Spontanpatienten und beinhaltet keine ambulanten Terminpatienten.
Internistische Notfallaufnahme im LKH Graz West
17000
17500
18000
18500
19000
19500
20000
20500
21000
21500
22000
2005 2006 2007 2008 2009 2010 HR2011
Pa
tie
nte
nfr
eq
ue
nze
n p
ro J
ah
r
50%
55%
60%
65%
70% An
teil d
er P
atie
nte
nfre
qu
en
zen
im Z
eitra
um
15
.00
- 07
.00
Uh
r
Gesamt Frequenzen
%-Anteil Frequenzen von 15.00 - 07.00 Uhr
Abb. 4: Entwicklung der Patientenfrequenzen in der Internistischen Notfallaufnahme des LKH Graz West
Die Gründe für diese Entwicklung sind unterschiedlich und lassen sich z.T. aus
punktuellen Patientenbefragungen erkennen. Wesentlichen Anteil trägt zweifellos der
hohe Anteil an Selbstzuweisern, d.h. Patienten, welche ohne ärztliche Zuweisung die
Notfallaufnahme aufsuchen.
Abb. 5: Anteil an Selbstzuweiser und indizierten Zuweisungen in die Notfallaufnahme des LKH Graz West
HR = Hochrechnung
11
Nach einer prospektiven Untersuchung des LKH Graz West aus dem Jahr 2009
beträgt der Anteil an Selbstzuweisern in der eigenen Internistischen Notfallaufnahme
60 – 70%. Davon war nach spitalsärztlicher Beurteilung das Aufsuchen der
Spitalsambulanz in etwa 40 – 60% der Fälle indiziert. Das heißt, etwa die Hälfte der
Selbstzuweiser hätte beim Hausarzt behandelt werden können.
Die Verlaufsbeobachtung
lässt erkennen, dass die
Notfallaufnahme zunehmend
im Zeitraum von 15.00 bis
07.00 Uhr aufgesucht wird.
Daten aus dem Jahr 2011
zeigen, dass mittlerweile 66%
der Spontan- und Notfall-
patienten außerhalb der
Regelbetriebszeit (07.00 -
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Aug.05 Sep.05 Aug.10 Sep.10 Dez.10 1-16.Jän 11
NFA West - Verteilung Patientenfrequenzen iRBZ / aRBZEntwicklung 2005 - 2010 - 2011
außer RBZ
in RBZ
Abb. 6: Verteilung der Patientenfrequenzen innerhalb / außer
Regelbetriebszeit in der Notfallaufnahme LKH West
15.00 Uhr) in die Notfallaufnahme des LKH Graz West kommen.
Diese generelle Entwicklung hängt nach eigenen Beobachtungen und Berichten
anderer österreichischer Notfallaufnahmen mit folgenden Einflussfaktoren
zusammen:
- Erwartungshaltung einer raschen und möglichst kompletten Durchuntersuchung
bzw. Behandlung in der Spitalsambulanz im Gegensatz zu befürchteten
langwierigen Überweisungen im niedergelassenen Bereich.
- Fehlende flexible Ordinationsöffnungszeiten niedergelassener Ärzte:
insbesondere die angespannte Wirtschaftslage mit zunehmender Sorge um den
Arbeitsplatz veranlasst immer mehr Patienten, den Arztbesuch in die Zeit nach
Arbeitsschluss zu verlegen, wenn die meisten Ordinationen geschlossen haben.
Dies führt dazu, dass die Notfallaufnahmen immer häufiger mit Beschwerde-
bildern aufgesucht werden, deren Behandlung nicht zeitkritisch ist und auch vom
Hausarzt versorgt werden könnte.
- Mangelnde Kenntnis des österreichischen Gesundheitssystems bei Patienten mit
Migrationshintergrund .
- Sorge von Allgemeinmedizinern, ihre Patienten durch die Überweisung an
niedergelassene Fachärzte an diese (in erster Linie Internisten) zu verlieren.
12
Die o.a. Aussagen basieren auf persönlichen Gesprächen und Umfragen mit
Patienten und Allgemeinmedizinern. Die Inhalte werden von Kollegen anderer
Notfallaufnahmen bestätigt, sind jedoch nicht mit wissenschaftlichen Daten unterlegt.
3.3.3 Allgemeine Altersstruktur von Patienten in Notfallaufnahmen
Zum Anteil älterer Menschen in Notfallaufnahmen gibt es unterschiedliche Angaben.
Diese hängen von den zu Grunde gelegten Altersgrenzen ab. In US-Emergency
Departments beträgt der Anteil von über 65-Jährigen durchschnittlich 18% (11 –
23%) [10] [7], in Notaufnahmen Italiens (Region Lazio) etwa 19,6 % [10]. Eine Studie
aus Durham [15] berichtet von 37% über 75-Jähriger im Emergency Department.
Hwang [16] analysiert, dass im Jahr 2002 ungefähr 58% der 75-jährigen US-Bürger
zumindest eine Frequenz in einer Notaufnahme hatten, im Vergleich von
durchschnittlich 39% in der gesamten US-Population.
Untersuchungen zeigen, dass US-Notfallmediziner der Meinung sind, dass ältere
Patienten in der Notaufnahme mehr Zeit und Ressourcen binden als andere
Patienten und dass ihre Ausbildung zur Versorgung geriatrischer Patienten
ungenügend ist. Von in Notaufnahmen tätigen Ärzten wird der Anteil älterer Patienten
subjektiv mit etwa 40% deutlich überschätzen. Dieses Faktum mag Ausdruck der
Belastung der Notfallmediziner sein, welche die Betreuung alter Patienten in
Emergency Departments als nicht befriedigend und zeitraubend empfinden [7].
So zeigt Hwang in einer Studie, dass alte Patienten mit Hüftgelenksfrakturen in
überlaufenen Notfallaufnahmen ein höheres Risiko haben, eine inadäquate und /
oder zu spät einsetzende Schmerztherapie zu erhalten [17].
3.3.4 Altersstruktur von Patienten in der Notfallaufnahme des LKH Graz West
Eine retrospektive Datenanalyse aus der Internistischen Notaufnahme des LKH Graz
West zeigt, dass im betrachteten Zeitraum 2005 - 2007 etwa 32 % der Patienten älter
als 70 Jahre waren und ca. 3 - 4 % sogar über 90 Jahre alt waren (Abb. 7).
Eine prospektive Datenerhebung aus dem Jahr 2009 bestätigt diese Zahlen.
13
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
Ve
rte
ilu
ng
de
r A
lte
rsg
rup
pe
n [
%]
bis 35 19% 19% 19%
35 - 55 24% 25% 25%
55 - 70 20% 20% 21%
70-90 33% 32% 31%
gr. 90 4% 4% 3%
2005 2006 2007
Abb. 7: Patienten der Internistischen Notfallaufnahme des LKH Graz West
nach Altersgruppen; Analyse der Jahre 2005 bis 2007
Annähernd ¾ der Patienten über 75 Jahre kommen während der Tageszeit bis 19.00
Uhr in die Notfallaufnahme. Die größere Zahl der Zugänge in den Nachtstunden
resultiert aus jüngeren Patienten (Abb. 8).
28%
43%
28%
34%38%
28%
40%37%
23%
0%
5%
10%
15%
20%
25%
30%
35%
40%
45%
50%
0 bis 45 45 bis 75 ab 75NFA-Patienten in Altersgruppen [Jahre]
Ver
teilu
ng d
er N
FA
-Zug
änge
nach
Alte
rsgr
uppe
n üb
er 2
4 S
td [
%]
6 bis 15 Uhr
15 bis 19 Uhr
19 bis 6 Uhr
Abb. 8: Verteilung der Patienten in der Internistischen Notfallaufnahme (NFA)
nach Altersgruppen über 24 Stunden; Analyse des Jahres 2010
Die stationäre Aufnahmerate von Patienten der Notfallambulanz liegt seit Jahren
stabil zwischen 25 – 28%. Annähernd 50 - 60% dieser Patienten gehören der
Altersgruppe über 70 Jahre an (Abb. 9). Die Altergruppe ab 65 Jahre bildet den
überwiegenden Teil aller stationär aufgenommenen Patienten an der Abteilung für
Innere Medizin (Abb. 10).
14
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Ve
rte
ilu
ng
de
r A
lte
rsg
rup
pe
n [
%]
bis 35 6% 25%
35 - 55 14% 29%
55 - 70 22% 20%
70 - 90 52% 24%
gr. 90 7% 2%
Aufnahme keine Aufnahme
Abb. 9: Patienten der Internistischen
Notfallaufnahme des LKH Graz West nach Altersgruppen; stationäre Aufnahme vs.
Entlassung nach Hause; Analyse aus 2007
Stationäre Patienten nach Altersgruppen, Innere Medizin
0
500
1.000
1.500
2.000
2.500
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
LKF BT/FALL
15-19 20-24 25-34 35-44 45-54 55-64 65-74 75-84 85-94 95+
2008
2009
2010
Abb. 10: Verteilung der Belagstage von
stationären Patienten der Abteilung für Innere Medizin des LKH Graz West nach Altersgruppen
3.3.5 Pflegeheimpatienten in der Notfallaufnahme des LKH Graz West
Untersuchungen aus dem US-Emergency Department Summary aus 2007 [18]
besagen, dass Patienten aus öffentlichen Pflegeheimen (nursing homes) um 4 mal
häufiger an Emergency Departments zugewiesen wurden, als Patienten aus privaten
Einrichtungen. Auch wenn die US-Pflegestrukturen nicht mit den österreichischen
Verhältnissen vergleichbar sind, so bestätigen die Erfahrungen des LKH Graz West
eine relativ hohe Zahl von Pflegeheimpatienten in der Internistischen
Notfallaufnahme - monatlich zwischen 80 und 140 Zugänge. Die höheren
Patientenzahlen werden vorwiegend in der infektbegünstigenden kühleren Jahreszeit
beobachtet. Die Zugänge resultieren häufig aus der Nicht-Erreichbarkeit des
jeweiligen Hausarztes infolge beschränkter Ordinationszeiten. Die Transfers in die
Notfallaufnahme sind für die alten Patienten körperlich sehr belastend und binden in
der Notaufnahme verstärkt pflegerische Ressourcen. Ein größerer Teil dieser
Zuweisungen wäre mit der gesetzlichen Verpflichtung einer durchgehenden
hausärztlichen Versorgung von Pflegeheimen rund um die Uhr vermeidbar.
15
3.4 Medizinische Aspekte und geriatrische Besonderheiten
3.4.1 Geriatrische Notfallsituationen
Nach weitgehend übereinstimmenden Erfahrungen kommen ältere Patienten
häufiger wegen dringender Notfälle in die Notfallaufnahmen, als vergleichsweise
Jüngere.
- Stürze:
Stürze sind der häufigste Grund für Notfallaufnahmen älterer Menschen(15-30%);
mögliche Sturzursachen [19]:
o C Caregiver and housing (Sturzhergang) o A Alcohol o T Treatment (Medikation, Medikationsänderungen, Compliance) o A Affect (Depression, Vigilanz) o S Syncope (Synkopenanamnese) o T Teetering (Schwindel) o R Recent illness (akute Erkrankung) o O Ocular problems (Sehschwäche) o P Pain with mobility (Schmerzen als Ursache oder Folge von Stürzen) o H Hearing (Hörschwierigkeiten) o E Environmental hazards (Sturzfallen wie Treppen, Teppiche usw.)
20% von alten Patienten mit kardiovaskulärer Synkope haben den Sturz als
Leitsymptom. Stürze bei älteren Menschen können unter anderem auch
Symptome von Herzinfarkt, Sepsis, unerwünschten Medikamentenwirkungen oder
einer akuten abdominellen Problematik sein. 4-6% der Stürze im Alter ziehen
Frakturen nach sich. Hüftgelenksfrakturen sind im Übersichtsröntgen gelegentlich
nicht zu sehen; persistierende Schmerzen erfordern eine weiterführende
Diagnostik. Subduralhämatome als Sturzfolge können bei geriatrischen Patienten
infolge der altersbedingten Hirnatrophie gelegentlich sogar wochenlang bestehen,
bevor sie zu Symptomen führen [19].
Aus Sicht des Risikomanagements sollte bei einer Spitalsaufnahme älterer
Patienten so rasch wie möglich deren Sturzrisiko beurteilt werden. Tinetti
empfiehlt, bei über 75-Jährigen die Anamnese bzgl. stattgehabter Stürze und die
Beobachtung eines standardisierten Gangtestes (z.B. Get Up and Go Test) [20]
[21]. Bei 2 oder mehr Stürzen innerhalb eines Jahreszeitraumes oder Balance-
oder Gangunsicherheiten wird ein genaues Sturz-Assessment angeraten [20].
16
- Koronare Herzkrankheit (KHK):
Etwa 20% der älteren Patienten kommen wegen Atemnot oder Thoraxschmerz in
die Notfallaufnahme.
30% der akuten Myokardinfarkte ereignen sich bei über 75-Jährigen und 60% der
wegen instabiler Angina Pectoris hospitalisierten Patienten sind älter als 65
Jahre. Die Mortalität ist nach wie vor hoch: ca. 80% der Todesfälle über 60-
Jähriger wird durch KHK verursacht. Erschwert wird die Diagnostik durch die
hohe Rate einer atypischen Symptomatik bei älteren Patienten (nur 40 - 57% der
über 85-Jährigen klagen bei akutem Herzinfarkt über Thoraxschmerz).
Darüberhinaus zeigen Untersuchungen, dass die Behandlung älterer Patienten
mit akutem Myokardinfarkt in Notfallaufnahmen - auch bei klarer Indikation - auf
qualitativ niedrigerem Niveau verläuft als bei Jüngeren [22]. Offensichtlich
postuliert das höheres Patientenalter an sich auch bei Notfallmedizinern eine
zurückhaltendere Anwendung von empfohlenen Therapiestrategien [19] [22] [23].
Aufgrund der hohen Prävalenz und Mortalität der KHK und des oft atypischen
klinischen Bildes bei alten Menschen ist es umso wichtiger, dass die
medizinischen Teams in der Notfallaufnahme diesbezüglich geschult und
besonders aufmerksam sind. Ein klares Procedere zur Vorgehensweise bei
klinischem Verdacht muss guidelinekonform geregelt werden.
- Abdominelle Schmerzen:
Nach US-Untersuchungen [19] haben 3 – 13% der älteren Patienten in der
Notfallaufnahme eine abdominelle Symptomatik als Leitsymptom. Im Vergleich zu
jüngeren Patienten ist die Mortalität 6 – 8 mal höher und die Operationsrate 2 mal
so hoch. Ein CT-Abdomen wird in 37 - 59% dieser Patienten angefertigt, führt
jedoch nur 57 - 67% der Fälle zur Diagnose. Die Sonographie wird zu selten
eingesetzt. Die Kombination aus abdomineller Sonographie und CT-Abdomen
ohne Kontrastmittel empfiehlt sich bei Hochrisikopatienten mit Nieren- und
Herzinsuffizienz.
In einer Studie zur Diagnosestellung in US-Emergency Departments bei älteren
Patienten mit abdominellen Schmerzen fällt folgende Verteilung auf [19]: ein
großer Teil der abdominellen Schmerzen imponiert primär als unspezifisch (20%),
die übrigen Verdachtsdiagnosen verteilen sich von 8% bis 3% auf Ileus,
Harnwegsinfekt, Gastroenteritis, Obstipation, Divertikulitis, Pancreatitis und
17
Gallenblasenerkrankungen. Zu diesen Arbeitsdiagnosen ergab ein Vergleich mit
der abschließenden Hauptdiagnose nach zweiwöchigem stationären Aufenthalt
folgende Diskrepanzen: mit Ausnahme von Ileus und Pankreatitis werden die
übrigen o.a. Krankheitsbilder zugunsten einer unspezifischen Symptomatik
unterschätzt [19] [24].
Aus diesen Daten lässt sich die Beobachtung vieler Notfallmediziner bestätigen,
dass die Erstdiagnostik geriatrischer Patienten mit abdominellem Schmerz in der
Notfallaufnahme häufig unbefriedigend ist und auch Patienten mit abdominellen
Leitsymptmen von einer Observanzperiode mit weiteren Maßnahmen zur
Diagnosesicherung profitieren.
- Infektionserkrankungen:
Infektionen führen etwa 4% der älteren Notaufnahme-Patienten in die Ambulanz.
Nach US-Daten [19] sind Pneumonien (25%), Harnwegsinfekte (22%) und Sepsis
(18%) die führenden Ursachen. Gerade Infektionen bei alten Patienten
präsentieren sich häufig atypisch. Fieber, Tachykardie, typische Schmerzen und
Symptome (z.B. Husten, Dysurie) oder Infektzeichen im Labor sind oft nur sehr
abgeschwächt bzw. mild vorhanden oder können überhaupt fehlen. Stürze oder
unklares Delirium können als Zuweisungsursachen im Vordergrund stehen.
Die Mortalität einer ambulant erworbenen Bakteriämie liegt bei über 65-Jährigen
bei 20% und über 85-Jährigen um 26% (bei jüngeren Patienten im Vergleich dazu
um 15%).
- Verschlechterung des funktionalen Status:
74% älterer Patienten berichten, dass sie eine plötzlich auftretende
Funktionseinschränkung in die Notfallaufnahme geführt habe. 28% wären nach
eigenem Dafürhalten nicht in der Lage gewesen, sich zuhause selbständig zu
versorgen - 20% dieser Patientengruppe wurde dennoch nach Hause entlassen
[10] [19]. Nach einer Schweizer Studie hatten von den 9% älterer Patienten, die
aus vermeintlich „sozialer Indikation“ in der Notfallaufnahme vorgestellt worden
waren, etwa die Hälfte doch eine akute Erkrankung (24% Infektionen, 14%
kardiovaskulär), welche sie in diese eingeschränkte Situation gebracht hatte [88].
18
- Cerebrale Ischämie:
Patienten, die eine vorübergehende Durchblutungsstörung des Gehirns
(Transitorische Ischämische Attacke, TIA) erleiden, sind grundsätzlich in einem
instabilen Zustand; 4 - 20% von ihnen entwickeln innerhalb von 90 Tagen einen
Schlaganfall (Insult), die Hälfte davon innerhalb der ersten 2 Tage nach TIA [25].
10 - 12% der Todesfälle in westlichen Ländern werden durch Schlaganfall
verursacht und nur 12% der an Insult verstorbenen Menschen sind jünger als 65
Jahre [26]. Das kleine Zeitfenster für eine thrombolytische Therapie (3 Stunden
nach Symptombeginn) erfordert in der Notfallaufnahme klare Richtlinien für das
Procedere bei Patienten mit akutem Insult.
- Exsikkose, Elektrolytentgleisungen:
Etwa 12% der alten Notaufnahme-Patienten leiden an akutem Flüssigkeitsmangel
(Dehydratation, Exsikkose) [10]. Eine Summe von altersphysiologischen
Veränderungen, wie Reduktion des Körperwassers, Verringerung des
Durstgefühles, Umstellung der hormonellen Regulation führen zur Gefahr des
Volumenmangels. Kognitive Dysfunktionen fördern die Flüssigkeits-Inappentenz
ebenfalls [27]. Im Zusammentreffen mit Infekten haben alte Patienten ein sehr
hohes Risiko für akute Dehydratation, welche wiederum das Entstehen eines
akuten Deliriums fördern kann. Die im Alter häufige medikamentöse Therapie mit
Diuretika und Psychopharmaka fördert das Entstehen von
Elektrolytentgleisungen.
Der klinischen Beurteilung des Volumenstatus des Patienten (Hautturgor, Zunge
usw.) und eine laborchemische Kontrolle von Elektrolyten und Nierenparametern
sollte bei akut kranken geriatrischen Patienten Teil der Routinediagnostik in der
Notfallaufnahme sein.
- Kardiopulmonale Reanimation:
Auch die 2010 vom European Resuscitation Council publizierte Revision der
Reanimationsrichtlinien [28] enthält keine speziellen medizinischen Vorgaben für
die Reanimation geriatrischer bzw. alter Menschen. Der ethische Aspekt und
End-of-Life - Entscheidungen [29] werden in dieser Arbeit nicht diskutiert.
19
3.4.2 Polypharmazie und Arzneimittelwirkungen
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen:
Nach Daten aus Ende der 1990er-Jahre verursachen unerwünschte
Arzneimittelwirkungen (UAW) in westlichen Ländern etwa 3 – 5% aller stationären
Spitalsaufnahmen und etwa 5-10 % der Spitalskosten [30]. Nach einem Review
über 25 prospektive Studien aus 2008 liegt die Prävalenz für UAW in einem
Bereich von 0,16 – 15,7%; die stationäre Aufnahmerate von Patienten mit UAW
wird bei Kindern mit 4,1%, bei Erwachsenen mit 6,3% und bei alten Menschen mit
10,7% angegeben [31].
Die nachfolgend zitierte österreichische Studie [32] bestätigt, dass etwa 10% der
stationären Aufnahmen von geriatrischen Patienten durch eine UAW zugrunde
liegt. Schwere Arzneimittelinteraktionen werden bei älteren Menschen
vorwiegend durch folgende Arzneimittelgruppen verursacht [31] [19]:
o NSAR
o Orale Antikoagulantien, Thrombozytenaggregationshemmer
o Diuretika
o Digoxin
o Antidiabetika, Insulin
o Antipsychotika
o ACE, Kalziumantagonisten
- Polypharmakotherapie, Arzneimittelinteraktionen:
Eine Untersuchung aus Salzburg 2008 [32] zeigt auf, dass in einer Stichprobe
von 543 stationär aufgenommenen Patienten mit einem Altersmedian von 82
Jahren die mittlere Medikamentenzahl bei Aufnahme 7,5 +/- 3,8 betrug.
58,4 % der Patienten erfüllten damit das Kriterium der Polypharmakotherapie (> 6
Medikamente). Weitere Analysen ergaben folgendes:
o verzichtbare Medikamente bei 36,3%,
o geriatrische inadäquate Medikamente bei 30,1 %,
o potenzielle Medikamenteninteraktionen bei 65,8 % der Patienten [32]
Die Anzahl der Medikamente ist ein unabhängiger Risikofaktor für UAW [30].
Polypharmakotherapie bei geriatrischen Patienten ist eine Folge der für ältere
Patienten typischen Multimorbidität. Zugleich werden die von der Polypharmazie
begründeten Medikamenteninteraktionen in der klinischen Routine zu wenig
20
beachtet. Deren Folgen können von Abschwächung oder Verstärkung der
Medikamentenwirkungen bis hin zum Auslösen deliranter Zustandsbilder reichen
und haben damit in der Geriatrie eine große Bedeutung. Versuche der EDV-
technischen Unterstützung durch Interaktions-Prüfprogramme (z.B. RpDoc) sind
im der klinischen Spitalsalltag noch unbefriedigend. Gründe dafür sind, dass die
erforderlichen elektronischen Medikamenten-Anordnungssysteme (elektronische
Fiebertafel) noch wenig praxistauglich und gering verbreitet sind. Die Komplexität
der Bewertung von möglichen Interaktionen mehrerer Medikamente ist in
Warnings von EDV-Programmen qualitativ schlecht abbildbar.
Es wird damit immer wichtigere Aufgabe der ärztlichen Ausbildung, besonderen
Fokus auf Medikamenteninteraktionen und deren Folgen zu legen. Quantitativ
und qualitativ unangemessene Verschreibungen sind zu vermeiden. Diese
Inhalte bilden bereits Schwerpunkte in geriatrischen Zusatzausbildungen.
Ein multidisziplinärer Ansatz ist die direkte Einbindung der pharmakologischen
Expertise von klinischen Pharmazeuten zur Unterstützung des Arztes auf den
Stationen.
3.4.3 Delirium und Cognitive Impairment
Delirium ist eine klinische Diagnose und bezeichnet das Vorliegen folgender
Symptome: globale Bewusstseinsstörung mit Wahrnehmungs- und
Gedächtnisstörung, häufig Wahnvorstellungen, Orientierungsstörung, Störungen des
Schlaf-/ Wachrhythmus, vermehrte oder verminderte psychomotorische Aktivität. Das
wesentliche Unterscheidungskriterium zur Demenz (Cognitive Impairment) ist, dass
ein Delirium typischerweise einen akuten Beginn und fluktuierenden Verlauf aufweist.
Man unterscheidet ein hyperaktives von einem hypoaktivem Delirium und gemischte
Formen. Die hypoaktive Form zeichnet sich durch Lethargie und verminderte
psychomotorische Aktivität aus, wird deshalb oft nicht erkannt [33] [34]. Eine
japanische Publikation berichtet, dass ein hypoaktive Delirium mit 65% wesentlich
häufiger vorkommt als die hyperaktive (25%) oder gemischte Form (10%) [35].
Studien belegen, dass bei etwa 10 - 15% der älteren Patienten einer
Notfallaufnahme ein Delirium vorliegt, dieses aber nur in 35% der Fälle erkannt wird
[10] [36] [37]. Bei 14% bis zu 42% stationärer internistischer oder akutgeriatrischer
21
Patienten liegt ein Delir vor. Bei Patienten mit Hüftgelenksfraktur liegt die Delir-Rate
zwischen 28% - 61% [38]. Faktoren für die Auslösung eines Deliriums sind [34]:
- Alter, männliches Geschlecht,
- Demenz, Depressio,
- vorbestehende funktionale Einschränkung (Immobilität usw.),
- Seh- und Hörstörungen,
- Dehydratation, Mangelernährung, Hypalbuminämie,
- Polypharmazie, anticholinerg wirkende Medikamente, pschoaktive Substanzen,
- Herzinsuffizienz, COPD, neurologische Erkrankungen, Insult, Diabetes mellitus,
- Operationen,
- akute Infektionserkrankungen (Harnwegsinfekt, Pneumonie).
Han zeigte, ähnlich einer Reihe anderer Untersuchungen, dass ein vorliegendes
Delirum bei über 65-jährigen Notaufnahme-Patienten ein unabhängiger Risikofaktor
für eine höhere Mortalität innerhalb der nächsten 6 Monate ist [39].
Seit längerem ist bekannt, dass Entstehen oder Verschlechterung eines Deliriums
bei geriatrischen Patienten durch das Umfeld der Notfallaufnahmen begünstigt wird
[16]. Die meisten Notfallaufnahmen sind räumlich für eine möglichst flexible Nutzung
zur Versorgung unterschiedlich großer Patientenzahlen ausgerichtet. Das führt zu
einem mehr oder minder hohen Lärmpegel, meist grellem künstlichen Licht und
fehlenden Orientierungshilfen im Raum. Sehhilfen und Hörgeräte sind oft auch nicht
vorhanden oder griffbereit. Auf leichte Reinigung ausgelegte Kunststoff-Fußböden
erhöhen das Sturzrisiko alter Menschen mit Gangunsicherheiten. Schmale, harte
Ambulanzliegen fördern das Entstehen von Schmerzen und Druckulcera. Der
hektische Ablauf in den Notfallaufnahmen lässt kaum Zeit für Kommunikation und
dereguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus der alten Patienten. In vielen
Notfallambulanzen ist keine Speisenversorgung für ambulante Patienten
vorgesehen, außerdem fehlt meist Personal und Zeit, um Patienten beim Essen
unterstützen zu können. Nicht zuletzt kann unzureichende Flüssigkeitszufuhr eine oft
vorbestehende Exsikkose verschlechtern.
Allgemeine Behandlungsempfehlungen bei akuten Verwirrtheitszuständen [27]:
- Wasser- und Elektrolytbalance herstellen,
- Erfahrene Pflege: Kenntnis in validierter Pflegetechnik,
- keine Dauersedierung,
22
- Schlafanbahnung – soweit erforderlich – mit Benzodiazepinen kurzer
Halbwertszeit,
- Agitiertheit mit hochpotenten Neuroleptika in niedriger Dosierung behandeln,
- ruhiges, reizarmes Patientenumfeld gewährleisten,
- Vermeidung von Fixierungen,
- Familienangehörige oder vertraute Personen eventuell auch nachts einbeziehen.
Der Notfallaufnahme kommt bzgl. deliranter Patienten eine mehrfache Bedeutung zu:
- frühzeitige Diagnose deliranter Zustandbilder, auch incipienter und hypoaktiver
Formen,
- suffiziente frühzeitige Behandlung akut-deliranter Patienten,
- Prävention der Delirentstehung durch bestmögliche Adaptierung der
Umgebungsbedingungen und Abläufe an die Bedürfnisse geriatrischer Patienten.
Patienten in delirantem Zustandsbild stellen für Notfallaufnahmen und Stationen eine
große Herausforderung an das Pflege- und Ärzteteam, insbesondere in Zeiten
knapper Personalressourcen.
3.4.4 Frailty, Sarkopenie und Mangelernährung
In der Literatur werden Frailty, Sarkopenie und Mangelernährung häufig als die
„fatale Trias des Alters“ bezeichnet.
Frailty bezeichnet das Bestehen eines geriatrischen Syndroms, wenn 3 der 5
folgenden Symptome vorliegen:
- Gewichtsverlust (> 5kg in 12 Monaten),
- physische und psychische Erschöpfung,
- körperliche Schwäche,
- verlangsamte Gangart,
- verminderte körperliche Aktivität.
Frailty reicht über die bloße synonyme Übersetzung durch „Gebrechlichkeit“ hinaus,
da nach neueren Erkenntnissen ein komplexer subklinischer Entzündungsprozess
dieses Zustandsbild auslöst bzw. unterhält. Zur physischen Ausprägung von Frailty
kennt man mittlerweile auch eine psychische Form von schlechter geistiger
Gesundheit (z.B. Demenz), geprägt durch Depression, Isolation, Suchtkrankheit und
geringer Lebensqualität [40] [41]. Der Canadian National Population Health Survey
23
berichtet, dass 22,4% der über 65-Jährigen und 43,7% der über 85-Jährigen frail
sind [42].
Die Folgen von Frailty sind weiterer Gewichtsverlust, Stürze, Frakturen, zunehmende
Einschränkung in der Selbständigkeit (Disability ADL), Zunahme der Komorbidität mit
erhöhter Hospitalisierung und Mortalität [43].
Sarkopenie ist durch eine progressive Abnahme der Skelettmuskelmasse und
Muskelkraft charakterisiert, welche, im Gegensatz zur Kachexie, keine Folge einer
malignen oder chronischen Erkrankung ist. Man unterscheidet weiter zwischen
altersassozierter primärer Sarkopenie und sekundärer Sarkopenie als Folge von
Bewegungseinschränkung oder Mangelernährung [44]. Die Pärvalenz ist hoch. Sie
liegt in den USA bei über 65-Jährigen bei 25 – 35% und über 80-Jährigen bei 50%
der Männer und 30% der Frauen [45]. Schätzungen für Langzeitpflegebereiche
gehen davon aus, dass über 90% dieser Pflegepatienten sarkopenisch sind [46].
Wichtig ist das Kenntnis des Arztes, dass hohes Körpergewicht Sarkopenie nicht
ausschließt (sarkopenische Adipositas) [47]
Folgen der Sarkopenie sind ebenfalls Schwäche und erhöhtes Risiko für zunehmen-
de körperliche Behinderung (Disability), eingeschränkte Lebensqualität und Tod [44].
Von Mangelernährung spricht man, wenn der Body Mass Index (BMI) < 18,5 kg/m2
und bei Älteren: < (20 –) 22 kg/m2 ist. Als alternatives anthropometrisches Maß kann
der Oberarmumfang herangezogen werden, der nicht unter 21 cm sein sollte
(Hinweis auf Verlust von Muskelmasse und Subkutanfett) oder auch der
Wadenumfang als sensitiver Parameter für Muskelmasse (über 31 cm) [48]. Mit dem
Alter steigt auch der Anteil an mangelernährten Menschen: 20% bei 60 – 70-
Jährigen, 40% bei 70– 80-Jährigen und 60% bei über 80-Jährigen. Man geht davon
aus, dass 40% der Spitalspatienten mangelernährt sind [49]. Eine Reihe von Studien
konnte zeigen, dass die Mortalität bei Mangelernährung steigt [50], es zu erhöhten
Komplikationsraten kommt und die Spitalsaufenthaltsdauer verlängert wird [51]. Der
günstigste BMI für über 65-Jährige liegt wahrscheinlich zwischen 25 – 30 kg/m2 [52].
Der leitliniengerechte Einsatz von Trink-Zusatznahrung verbessert bei geriatrischen
Patienten die Prognose [53].
Die Diagnostik der genannten geriatrischen Syndrome benötigt ein strukturiertes
Vorgehen, was viele sogenannte Assessment-Tools unterstützen. Für
24
österreichische Verhältnisse bietet sich die Anwendung des „Österreichischen
Geriatrischen Basisassessment“ an (siehe 3.4.7).
3.4.5 Multimorbidität
Multimorbidität bezeichnet das gleichzeitige Vorliegen von zwei oder mehreren
chronischen Erkrankungen [54]. Um das 50. Lebensjahr sind etwa 50% der
männlichen Bevölkerung und 70% der weiblichen Bevölkerung als multimorbid
einzustufen [55]. Beim geriatrischen Patienten ist mit 3 - 9 Begleiterkrankungen zu
rechnen. Die wesentlichsten Begleiterkrankungen beim geriatrischen Patienten und
ihre Häufigkeit [56]sind in Tab. 1 dargestellt.
Erkrankung Lebensalter [Jahre]
>65 65 – 74 >75
Bluthochdruck 36% 35% 39%
Herzerkrankungen 32% 28% 39%
Schwerhörigkeit 29% 23% 36%
Katarakt 17% 11% 24%
Orthopädische Beschwerden
17% 15% 18%
Diabetes mellitus 10% 10% 10%
Sehstörungen 8% 7% 11%
Tab.1: Multimorbidität und Häufigkeit bei älteren Menschen [56] [55]
Mehrere Studien haben gezeigt, dass chronische Erkrankungen und Multimorbidität
beim alten Patienten mit zunehmender Funktionseinschränkung korrelieren [54] [57]
[55]. Erhöhte Komorbidität zieht zudem einen verringerten Rehabilitationserfolg bei
älteren Patienten nach akuten Erkrankungen nach sich [58]. Das Vorliegen mehrerer
chronischer Erkrankungen erhöht naturgemäß das Risiko für Komplikationen bei
weiteren Akuterkrankungen bzw. das Risiko an einem akut auf chronischen Ereignis
zu erkranken.
Die typische Multimorbidität des geriatrischen Patienten führt häufig zu medizinisch
komplexen Situationen. Deren Diagnostik und Behandlung erfordert im stationären
Setting und in der Notfallaufnahme erhöhte zeitliche und personelle Ressourcen
25
3.4.6 Atypische Krankheitssymptomatik:
Typische Krankheitssymptome sind bei geriatrischen Patienten häufig nur sehr mild
ausgeprägt oder fehlen überhaupt. So können beispielsweise respiratorische Infekte
ohne Husten auftreten. Das Leitsymptom Fieber kann in bis zu 30% der geriatrischen
Patienten fehlen oder sich nur als subfebrile Köpertemperatur präsentieren. Auch bei
den häufigen Harnwegsinfekten können die sonst typischen Symptome wie Dysurie
fehlen [59] [56]
Nach Europäischen Registern sind 27 – 34% der Patienten mit Herzinfarkt älter als
75 Jahre. Die klinische Symptomatik bei KHK ist im Alter oft atypisch und die
Atemnot das führende Symptom [60] [61]. Beim akuten Koronarsyndrom zeigt sich
bei den über 65-Jährigen in 30 % der Patienten eine atypische Symptomatik
(gegenüber 10% bei jüngeren Patienten).
Oft sind plötzlich auftretende Verwirrtheitszustände im Sinne eines Deliriums oder
eine rasch zunehmende Funktionseinschränkung des alten Patienten die einzigen
Hinweise auf eine akute zugrundeliegende Erkrankung [56]. Die häufig
einhergehende Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit erschwert die ärztliche
und pflegerische Beurteilung zusätzlich.
3.4.7 Geriatrisches Assessment
Die Multimorbidität und besonderen Bedürfnisse des geriatrischen Patienten
erfordern ein strukturiertes Vorgehen zur Erfassung dieser komplexen
Zustandsbilder. Das Geriatrische Assessment ist ein standardisiertes Verfahren zur
Feststellung der somatischen, psychischen und sozio-ökonomischen Funktionen des
Patienten, um Probleme und Defizite erkennen und Behandlungskonzepte ableiten
und monitieren zu können [62]. Folgende Verfahren sind verbreitet:
Geriatrische
Fragestellung
Assessment-Verfahren
Selbsthilfefähigkeit - Barthel Index
- Instrumental Activities of Daily Living (IADL)
Frailty
- Groningen Frailty Indicator
- Frailty and Autonomy Scoring Instrument of Leuven
(FRAIL)
- Edmonton Frail Scale
- Frailty Staging System
- Lachs-Score
26
Geriatrische
Fragestellung
Assessment-Verfahren
Mobilität, Sturzrisiko
- Timed Get Up & Go Test
- Mobilitätstest nach Tinetti
- Aufstehtest
- Tinetti Balance und Gehprobe
- Tandemstand
- 6 Minute Walking Test
Mangelernährung:
- Mini Nutritional Assessment (MNA), Short Form
- Nutritional Risk Screening (NRS)
- Subjective Gold Assessment (SGA)
Kognitive Funktion
- Mini-Mental State Examination (MMSE)
- Uhrentest
- Confusion Assessment Method (CAM)
- Six Item Screener
Tab. 2: Geriatrische Assessmentverfahren
Das „Österreichische Geriatrische Basisassessment“ fasst in standardisierter Form
die Ergebnisse einzelner validierter geriatrischer Testverfahren mit klinischen
Befunden zusammen und ermöglicht eine Beurteilung im Verlauf.
Wie in der o.a. Übersicht zu sehen ist, zielen die einzelnen Assessment-Methoden
auf die Untersuchung unterschiedlicher Fragen ab. Eine umfassende geriatrische
Statuserhebung erfordert die Anwendung mehrerer Verfahren und ist damit
zeitaufwändig.
Der Einsatz eines geriatrischen Assessments in der Notfallaufnahme als
Screeninginstrument zur Identifikation von Risikopatienten ist aus medizinischen,
sozio-ökonomischen und nicht zuletzt aus forensischen Gründen zu befürworten. Die
Methode müsste allerdings einfach und rasch anwendbar sein. In einer zweistufigen
Vorgangsweise könnten die im Screening erkannten Risikopatienten anschließend
einem genaueren Assessment unterzogen werden.
27
Zum geriatrischen Vorscreening in der Notfallaufnahme gibt es bereits
Entwicklungen:
- Comprehensive Geriatric Asessment (CGA):
Multidimensionaler Diagnostikprozess, um bei alten Patienten mit Frailty den
medizinischen, psychischen und funktionellen Status festzustellen mit dem Ziel,
einen ganzheitlichen und langfristigen Behandlungsplan abzuleiten. Die Methode
soll auch das Outcome positiv beeinflussen [63].
Eine Publikation berichtet über die erfolgreiche Anwendung einer CGA-Kurzform
zum Screening von geriatrischen Hochrisikopatienten in Notfallaufnahmen [64].
- InterRAI Acute Care (interRAI AC):
Screening-Instrument zur umfassenden geriatrischen Status-Erhebung in
akutmedizinischen Bereichen [65].
- Minimum Geriatric Screening Tools (MGST):
MGST enthält validierte Assessment-Instrumente [66]
- Brief Risk Identification for Geriatric Health Tool (BRIGHT):
ADL-orientiertes geriatrisches Screening-Tool für Notfallaufnahmen
(11 Abfragepunkte) [67]
- Short Blessed Test (SBT):
Screening Tool bzgl. kognitiver Funktion für geriatrische Patienten in
Notfallaufnahmen [68]
- Triage Risk Screening Tool (TRST)
- Identification of Seniors at Risk (ISAR) [69]
Wieweit diese Assessment-Instrumente sich tatsächlich zum Screening geriatrischer
Risikopatienten in hochfrequentierten Notfallaufnahmen eignen, wird noch zu prüfen
sein.
3.5 Organisation und Qualitätssicherung
3.5.1 Infrastruktur der Notfallaufnahme:
Die Diskussion von Varianten der räumlichen Strukturierung und apparativen
Ausstattung einer Notfallaufnahme würde den Umfang dieser Arbeit bei weitem
sprengen.
28
Aus eigenen Erfahrungen der Notfallaufnahme des LKH Graz West heraus empfiehlt
sich in Anlage und Strukturierung einer Notfallaufnahme die Berücksichtigung
folgender grundsätzlicher Aspekte:
- Administration und Ersteinschätzung:
Administrative Anmeldung und Ersteinschätzung nach Möglichkeit räumlich
integriert; Wartebereiche für rettungsgestützte Transporte schaffen.
- Wartebereich Patienten:
Entflechtung der Wartebereiche von a) ersteingeschätzten aber noch nicht
behandelten Patienten, b) erstbehandelten Patienten, c) sonstigen ambulanten
Nicht-Notfall-Patienten.
- Beobachtungsstation (Aufnahmestation):
In räumlicher Nähe zur Erstuntersuchung (gemeinsame Nutzung personeller
Ressourcen) etablieren. Ein adäquater Teil der Betten ist mit einer
Monitoringmöglichkeit (EKG; SO2, Blutdruck) auszustatten und die Pflege dafür
auszubilden. Auch internationale Empfehlungen befürworten das Einrichten von
Beobachtungsstationen [70].
Die Beobachtungsstation mit ambulanten Funktionsbetten (Anm.: keine
systemisierte Betten) bewährt sich im LKH Graz West sehr. Volkswirtschaftlich
erwächst ein Nutzen, da viele kurzstationäre Aufnahmen vermieden werden
können. Andererseits hat für die Abteilungen das Fehlen dieser kurzen
stationären Aufenthalte die Folge, dass die stationäre Gesamt-Verweildauer
kaum unter eine bestimmte Grenze gesenkt werden kann. Betriebswirtschaftlich
gesehen fehlt eine adäquate Ambulanz-Finanzierung.
- Behandlungsbereich:
von 2 Seiten begeh- und verschließbares Kojensystem; Kojengröße sollte für
Erfordernisse von Reanimationen ausreichend Platz bieten.
- Nasseinheit für Patientenpflege:
Innerhalb Notaufnahmebereich (Vermeidung weiter Wege)
- Schockraum:
Zentrale Anordnung im Notaufnahmebereich
- Sonographie:
Vorsehen von apparativer und räumlicher Möglichkeit für Notfall-Sonographie und
Echokardiographie
29
- Röntgen und Endoskopie:
sollte in unmittelbarer Nähe der Notaufnahme liegen oder in diese integriert sein.
- Geriatrischer Notaufnahmebereich:
beruhigter Notaufnahme-Bereich mit entsprechender Ausstattung
(Orientierungshilfen usw.); geriatrisch geschultes Personal.
Zukunftsorientiert könnte das Einrichten einer „Notfall-Praxis“ in Anlehnung an die
Notaufnahme angedacht werden, mit folgenden möglichen Betriebs-Varianten:
Nach vorgeschalteter Ersteinschätzung (siehe 3.5.2) werden
- Notfallpatienten (höhere Dringlichkeitsstufe) im eigentlichen Notaufnahmebereich
versorgt
- Spontanpatienten (niedrigere Dringlichkeitsstufe) in einer „Notfall-Praxis“ versorgt:
o durch einen Allgemeinmediziner der Abteilung (Stationsarzt)
oder
o durch einen niedergelassenen Arzt, der diese Praxis betreibt.
3.5.2 Ersteinschätzung
Aus der weltweiten Situation zunehmender Patientenfrequenzen in den
Notaufnahmen der Spitäler und resultierender Wartezeiten („crowding“) entsteht die
Notwendigkeit, die Spontan- und Notfall-Patienten nach medizinischer
Behandlungsdringlichkeit zu reihen. Dazu muss der Schweregrad einer Erkrankung
strukturiert festgestellt werden. Das Prinzip der Priorisierung ist aus der
Katastrophen- und Kriegsmedizin lange bekannt und wird traditionellerweise „Triage“
genannt. Um diesen vielerorts negativ belegten Begriff zu vermeiden, wurde im
deutschen Sprachraum die Bezeichnung medizinische „Ersteinschätzung“ geprägt.
Weltweit sind etliche unterschiedliche Systeme in Verwendung bzw. im Entstehen,
wobei die bekanntesten nachfolgend dargestellt sind:
- Australian Triage Scale (ATS)
Der ATS wurde vom Australian College for Emergency Medicine aus dem seit
1993 benutzen „National Triage Scale (NTS)“ weiterentwickelt und ist seit 2000 in
Australien, Neuseeland und Neu Guinea in den Emergency Departments (ED) im
Einsatz. Dieses Verfahren stellt einen groben Rahmen zur Verfügung, wonach
klinische Zustandsbilder je nach Ausprägung 5 Dringlichkeits-Kategorien
30
zugeordnet werden (z.B.: Atmung, Kreislauf, Funktionsstörungen, Psychiatrische
Notfälle, Ophthalmologische Notfälle [71]). Die Dringlichkeitskategorien geben die
jeweilige Maximal-Wartezeit bis zum Arztkontakt vor (0 min bei der höchsten und
120 min für die niedrigste Dringlichkeitskategorie). Eine Re-Triage ist bei
Änderung des klinischen Zustandsbildes des Patienten vorgesehen. Die Triage
wird von speziell qualifiziertem Pflegepersonal durchgeführt [72] [71]. Die
anwendenden Spitäler erhalten keine genaue Zuordnungsliste von Symptomen
od. Zustandsbildern mit Dringlichkeitsstufen, sondern sogenannte
Vergleichslisten, welche Hilfestellung für eine individuell notwendige Anpassung
an die jeweiligen Strukturen unterstützen sollen. Eine klare Standardisierung fehlt
damit, was zum Entstehen individueller Protokolle führte [73].
- Canadian Triage and Acuity Scale (CTAS)
Der CTAS wurde ebenfalls Mitte der 90er Jahre aus dem Australischen NTS
heraus weiterentwickelt und kommt in Kanada zum Einsatz. Es sind analog dem
ATS 5 Dringlichkeitsstufen definiert, welchen wiederum klinische Zustandsbilder
zugeordnet werden. Diese sind in der sogenannten “CEDIS Presenting Complaint
List“ definiert. Im Gegensatz zu den übrigen Triagesystemen beschränkt sich der
Einschätzungsprozess im CTAS nicht auf Beschreibung und Klassifizierung
klinischer Zustandsbilder, sondern definiert im erweiterten Sinn auch
Verdachtsdiagnosen. In Kanada ist diese umfassende Triagetätigkeit speziell
ausgebildetem Pflegepersonal überantwortet. Üblicherweise ist das Stellen einer
Diagnose aus rechtlicher Sicht ärztliche Verantwortung. Damit ist die
Anwendbarkeit dieses Triagesystems in Gesundheitssystemen, in welchen die
genannte Rechtsauffassung herrscht und die Ersteinschätzung durch
Pflegepersonal erfolgen soll, kritisch zu hinterfragen. [73] [74] [75]
- Emergency Severity Index (ESI)
Der ESI ist ein in den USA 1999 entwickeltes und 2000 überarbeitetes formal
5-stufiges Triage-Instrument für Notfallaufnahmen. Neben dem Primärnutzen
einer Priorisierung des Notfallpatienten hat der ESI noch eine
ressourcenorientierte Ausrichtung. Bei genauerer Betrachtung unterscheidet der
ESI bzgl. Priorisierung folgende 3 Stufen: A-1) Lebensgefahr / B-2)
31
Hochrisikosituation, Pat. kann nicht warten / C) Pat. kann warten. Für Patienten
des Level C werden primär Vitalparameter erhoben, die zur Bestätigung des
Levels oder zu einer Höherpriorisierung führen können. Im nächsten Schritt
werden bestätigte Level C-Patienten nach ihrem voraussichtlichen
Ressourcenbedarf (z.B. Röntgen) in verschiedenen Strömen weitergelenkt (keine
/ eine / mehrere Ressourcen). Aus den letztgenannten Unterschritten bei Level C-
Patienten ergibt sich die Interpretation eines insgesamt 5-stufigen Konzeptes.
Der ESI wird voraussichtlich zum Triage-Standard in US-Emergency
Departments. In Europa fand er bisher keine Verbreitung. Grundsätzlich erhebt
sich die kritische Frage, ob es medizinisch sinnvoll ist, in ein System zur
klinischen Priorisierung eine ressourcenorientierte Lenkung zu implementieren
[73] [75] [76].
- Manchester Triage System (MTS)
Das MTS wurde 1994 in Manchester unter Zusammenarbeit von
Notfallaufnahmen mehrerer Spitäler entwickelt. Das MTS folgt einem strengen
Standard und unterscheidet 5 Dringlichkeitsstufen mit regional unterschiedlich
definierten Maximalwartezeiten auf den Arzt-Erstkontakt. Im deutsche
Sprachraum gelten folgende Konventionen:
1 Sofort 0 min 2 Sehr dringend 10 min 3 Dringend 30 min 4 Normal 90 min 5 Nicht dringend 120 min
Die Dringlichkeitseinschätzung erfolgt symptomorientiert anhand von 50
sogenannten Präsentationsdiagrammen, die etwa 200 klinische Symptome
(= Indikatoren) zu Entscheidungs-Flow-Charts zusammenfassen und so
strukturiert zu einer Priorisierung hinführen. Kann die Zeitvorgabe in der
Notfallaufnahme nicht eingehalten werden, so hat eine „Zweiteinschätzung“ zu
erfolgen. Die Durchführung obliegt speziell geschulten Pflegekräften.
Das MTS findet in Europa über Großbritannien hinaus weite und rasche
Verbreitung und wurde 2010 in folgenden Ländern angewandt: Niederlanden,
Portugal, Belgien, Schweden, Spanien, seit 2004 in Deutschland (mittlerweile in
100 Spitälern). 2008 wurde das MTS als Standard für Brasilien festgelegt. In
Österreich wurde das System erstmals im Jahr 2009 eingeführt - über Initiative
32
des LKH Universitätsklinikums Graz, wo auch die nationale österreichische MTS-
Referenzgruppe etabliert ist. Seit März 2011 wird das MTS auch in der
Notfallaufnahme des LKH Graz West zur Ersteinschätzung angewandt.
Kritisch ist anzumerken, dass einige in Notfallaufnahmen doch häufige
Beschwerdebilder, wie z.B. Schwindel, schlecht oder nicht abgebildet sind. Das
System wird über Abstimmung der internationalen Referenzgruppe
weiterentwickelt [77].
Eine Reihe weiterer Triage- bzw. Ersteinschätzungssysteme sind publiziert bzw. in
Entwicklung: „Medical Emergency Triage and Treatment System (METTS)“, „I-4L
Model“, „Triage Emergency Method (TEM)“, „FRench Emergency Nurses
Classification in Hospital Scale (FRENCH)“, unter anderem auch 3- und 4-stufige
Systeme.
Vergleichuntersuchungen zeigen, dass 5-stufige Triagesysteme in Validität und
Reliabilität den 3-stufigen Skalen überlegen sind. Die verglichenen 5-stufigen
Systeme ATS, CTAS, ESI und MTS weisen alle unterschiedliche methodische
Limitationen auf. Die meisten publizierten Daten liegen zu CTAS und ESI vor. [78]
In Europa scheint sich das Manchester-Triage-System durchzusetzen.
3.5.3 Qualitätssicherung in Geriatrie und Notfallaufnahme
Eine US-Studie aus 2003 [79] analysierte die Fehlerquellen in frequentierten
Notfallaufnahmen und kam zu folgendem Ergebnis:
- Diagnostik 22%
- Administration 16%
- Pharmakotherapie 16%
- Dokumentation 13%
- Kommunikation 12%
- Infrastruktur 11%
Weitere Studien zeigen, dass der Grund für die zurückhaltende Anwendung von
guidelinekonformen Therapiestrategien bei älteren Patienten das hohe Patientenalter
an sich ist [19] [22] [23].
33
Die dargestellten Beispiele machen die Komplexität und Tragweite des Problems und
vor allem die Notwendigkeit einer Qualitätssicherung klar. Generelle Voraussetzung
für jede Qualitätssicherung in Organisationen sind klar definierte Prozesse und
Verantwortlichkeiten, sowie eine standardisierte Dokumentation. Für einen
Verlaufsvergleich oder ein Benchmarking zwischen Organisationen ist die Definiton
von Kennzahlen auf Basis einer Standardisierung erforderlich.
Internationaler Trend in der Qualitätssicherung ist die Zertifizierung von
Organisationen, wofür ebenfalls eine prozessorientierte Ablauforganisation
Voraussetzung ist. (Zitat Anfang) „Inhalt jeder Zertifizierung ist das Durchleuchten
der Betriebsabläufe, Erkennen und Bereinigen von Schwachstellen, mit dem Ziel, die
Patientensicherheit zu erhöhen und Ressourcen effizienter zu nutzen“ (Zitat Ende)
[80].
In europäischen Krankenhäusern kommen primär folgende Zertifizierungsverfahren
zur Anwendung:
- Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus (KTQ)
- DIN ISO 9001: 2008
- European Foundation for Quality Management (EFQM)
Die Methoden unterscheiden sich durch ihren jeweiligen Fokus, der Prozess-,
Struktur- und Ergebnisqualität unterschiedlich berücksichtigt. Österreichweit konnte
man sich auf kein einheitliches Verfahren für die Spitalslandschaft einigen. So kommt
in der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) beispielsweise
EFQM zur Anwendung, die private Vinzenzgruppe setzt etwa auf „pcc inkl. KTQ“.
Qualitätssicherung in der Geriatrie Österreichs
Als generelle Qualitätssicherungsmaßnahme in der Geriatrie wurde 2008 in
Österreich das Projekt „Benchmarking in der Geriatrie“ gestartet [81]. Das System
basiert wesentlich auf dem Erfassen von Datensätzen aus dem „Österreichischen
Geriatrischen Basisassessment“. Die Initiative wird von Abteilungen für Akutgeriatrie
/ Remobilisation in Österreich umgesetzt, ist jedoch nicht zugleich auf
Qualitätssicherung in Notfallaufnahmen ausgerichtet. Eine entsprechende
Entwicklung könnte als Subprojekt angedacht werden.
34
Qualitätssicherung in Notfallaufnahmen
Eine dem Projekt „Benchmarking in der Geriatrie“ ähnliche Initiative zur
österreichweiten Qualitätssicherung in Notfallaufnahmen gibt es noch nicht. Ein
Diskussionsprozess zu diesem Thema ist unter den Meinungsbildnern im Gange.
Gemeinsamer Anknüpfungspunkt ist die Erkenntnis, dass angesichts der
überlaufenen Notfallaufnahmen ein standardisiertes Verfahren zur Ersteinschätzung
von Spontan- und Notfall-Patienten (Triage, Priorisierung) notwendig ist (siehe 3.5.2).
Damit verbunden ist die Frage nach aussagekräftigen „Kennzahlen in
Notfallaufnahmen“. Das bloße Zählen von Leistungen eröffnet im Verlauf nur eine
bescheidene Steuerungsmöglichkeit. Erst das Verknüpfen eines Zahlengerüsts aus
standardisierten Versorgungsprozessen mit klinischen Daten lässt Aussagen über
Qualität und Outcome zu (z.B. Einbeziehen von Diagnosen, Bestätigung von
Verdachtsdiagnosen, Zahl stationärer Aufnahmen, Wiederaufnahmen,
Diagnostikaufwand, Wartezeiten, Mortalität usw.). Dzt. gibt es in Österreich allerdings
keine Verpflichtung zur ICD10-Codierung in Ambulanzen. Diagnoseorientierte
Kennzahlen [82] werden sich damit nur bedingt etablieren lassen.
Deutsche Kliniken strukturieren in den letzten Jahren ihre Notaufnahmen von einer
dezentralen Form zu inter- bzw. multidisziplinären zentralen Notfallaufnahmen (ZNA)
um [83] [84]. Im Rahmen dieser Neustrukturierung wurden Zertifizierungen von
Notaufnahmen angestrebt. Eine Erkenntnis aus diesem Prozess war, dass (Zitat
Anfang) „ die gängigen Zertifizierungsverfahren die besonderen Anforderungen einer
interdisziplinären Notaufnahme nicht berücksichtigen“ (Zitat Ende) [80]. Aus diesem
Grund wurde von der „Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfallaufnahme
(DGINA)“ das Zertifizierungsverfahren „DGINA-Zert“ für Zentrale Notaufnahmen
entwickelt, welches die ZNA als eigenständige interdisziplinäre Einheiten
berücksichtigt [85].
Nicht zuletzt der forensische Druck wird Zertifizierungsbestrebungen in Österreichs
Notaufnahmen auslösen. Es bleibt abzuwarten, ob es zu einem gemeinsamen
österreichischen Weg kommt.
Spezielle Qualitätsindikatoren für die geriatrische Notfallmedizin wurden bereits
publiziert. Praktische Anwendbarkeit und Nutzen sind weiter zu erproben [86].
35
3.6 Neue Modelle für eine „Geriatrische Notfallaufnahme“
Das zur Zeit verbreitete System der Notfallaufnahmen hat zum Ziel, eine möglichst
flexible Akutversorgung unterschiedlicher Notfälle zu gewährleisten. Notaufnahmen
sind auf rasche Triage und (interventionelle) Versorgung einer hohen Zahl akut
erkrankter Personen in möglichst kurzer Zeit ausgerichtet. Sich langsam bewegende
und sprechende alte Menschen, mit Gedächtnisstörungen, komplexer
Multimorbidität, langen Medikationslisten verlangsamen dieses Hochleistungssystem
und erzeugen wechselseitig Frustration. Es wundert nicht, dass nach Auffassung
vieler gerontologischer Spezialisten dieses anlassbezogene Versorgungssystem der
Komplexität geriatrischer Patienten nicht gerecht wird.
Analog zur Einrichtung von Traumazentren oder pädiatrischen Zentren werden
gesonderte Bereiche für die Akutversorgung geriatrischer Patienten gefordert, deren
Umfeld und Infrastruktur den alten Patienten mehr Ruhe, Sicherheit und Orientierung
bietet [10]. Folgende grundsätzliche Anforderungen werden an alternative Systeme
gestellt:
- Aufbereitung von Informationen über vorangekündigte Patienten,
- Aufbereitung umfassender Unterlagen aus Krankenhaus Informationssystemen
bei Wiederaufnahmen,
- Teamarbeit, Arbeitsteilung (Versorgung, Recherche, Dokumentation usw.),
- Schaffen eines für geriatrische Patienten beruhigenden Umfeldes in der
Notaufnahme (schonende Matratzen und Polster, warme Decken, gedämpftes
Licht, Sitzgelegenheiten für Familienangehörige) sowie eines
Beobachtungsbereiches,
- Unterstützung durch Krankenhausleitung. [87]
Die Universitätsspitäler Nassau (Long Island, USA) und Hadassah (Israel) haben
Geriatrische Notaufnahmen etabliert, die von Geriatern versorgt werden.
In einigen Spitälern werden in Notaufnahmen geriatrisch geschulte Pflegekräfte
eingesetzt, um ein geriatrisches Assessment durchzuführen (CGA) bzw. bei der
Organisation häuslicher Unterstützung und Pflege behilflich zu sein [10].
Andere Spitäler bilden Geriatrische Konsiliarteams aus geriatrisch ausgebildeten
Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten oder multidisziplinäre Teams zur
Unterstützung des Entlassungsmanagements alter Patienten [10].
Auch in Italien geht man ähnliche Wege, nämlich eigene geriatrische
Notfallaufnahmen zu etablieren (Ancona) bzw. Notaufnahmebereiche für geriatrische
36
Patienten einzurichten, die durch notfallmedizinisch erfahrene Geriater versorgt
werden. Integrierte Beobachtungsbereiche sollen unnötige stationäre Aufnahmen
vermeiden und die häusliche Versorgung organisieren helfen.
Prospektive Studiendaten zum Nutzen und Einfluss auf Outcome durch die
beschriebenen Lösungsansätze gibt es allerdings keine [1] [10].
4 Diskussion
Die demographischen Daten legen folgende Entwicklungsrichtungen des
Gesundheitswesens und der (akut)medizinischen Versorgung nahe:
- Wenn der Bevölkerungsanteil der über 60-Jährigen in den nächsten Jahren auf
über 30 % ansteigt, wird der Bedarf an dezentralen (akut)geriatrischen
Versorgungsstrukturen weiter steigen. Gleichzeitig wird die Zahl von
Pflegepatienten zunehmen und die Regelung einer durchgängigen ärztlichen
Versorgung der Pflegeheime notwendig machen - sofern man eine
patientenorientierte Behandlung erreichen und die Notfallambulanzen nicht weiter
belastet möchte.
- Schwerpunktbildung akutmedizinischer und hochspezialisierter
Versorgungsstrukturen in den urbanen Ballungsräumen, wobei die Angebots- und
Kapazitätsplanung dem städtischen Bevölkerungszuwachs entsprechen sollte.
Gesundheitspolitisch stellt sich die Grundsatzfrage, ob man versucht, die
Patientenströme zwischen Spitals- und niedergelassenem Bereich zu lenken, oder
ob man die Strukturen und die Finanzierung den Patientenströmen anpasst.
Die vorangehenden Betrachtungen zeigen, dass Notfallaufnahmen wichtige
Steuerungsbereiche im Behandlungsprozess sind. Dort werden verantwortungsvolle
Entscheidungen zur Form der Erstversorgung, stationären Weiterbehandlung oder
zur Entlassung in den häuslichen Bereich getroffen.
Geriatrischen Besonderheiten und die häufig atypische klinische Symptomatik bei
alten Patienten erschweren diese Aufgabe. Fehleinschätzungen akuter
Krankheitsbilder tragen zur vergleichsweise höheren Mortalität bei alten Menschen
bei. Für den Blick des Notfallmediziners wenig beeindruckende klinische Bilder wie
Frailty, Sarkopenie und Mangelernährung werden zu Hoch-Risikofaktoren für Verlust
der Selbständigkeit und damit der entscheidenden Lebensqualität des alten
Menschen.
37
Der richtigen klinischen Erstbeurteilung des geriatrischen Patienten durch den Arzt in
der Notaufnahme kommt damit eine wesentlich höhere prognostische Bedeutung zu,
als vermutet.
Je komplexer das Krankheitsbild ist, umso strukturierter sollte der diagnostische
Zugang sein. Aus geriatrischer Sicht stellt sich damit einerseits die Forderungen
nach Implementierung geeigneter Assessment-Tools. Andererseits bindet deren
umfassende Anwendung personelle und zeitliche Ressourcen, die in der
Notfallaufnahme besonders knapp sind. Damit ist aus Sicht der Notfallmedizin ein 2-
stufiges Assessment-Verfahren zu fordern, das ein zuverlässiges und rasches
Screening von geriatrischen Hochrisikopatienten in der Notfallaufnahme ermöglicht.
In einem nachfolgenden 2. Schritt kann ein ausführliches Assessment unter
ruhigeren Bedingungen das Bild abrunden. Ideal wäre ein gemeinsames flexibles
geriatrisches Assessment-Instrument für niedergelassene Ärzte und Krankenhaus,
das eine Verlaufsdokumentation ermöglicht.
Die Diskussion zu qualitätssichernden Maßnahmen bietet mehrere Gesichtspunkte:
Für Notaufnahmen sinnvolle qualitätssichernde Systeme sind Verfahren zur Erstein-
schätzung, geriatrische Screening-Assessments, steuerungsfähige Kennzahlen-
Systeme für medizinische Standards bis hin zu einem Zertifizierungs-verfahren.
Voraussetzung für das Implementieren einer strukturierten Qualitäts-sicherung ist
eine prozessorientierte Organisation. Fehlt dieser Aufbau oder wird er in der Praxis
nicht gelebt, füllt das beste Qualitätssicherungskonzept nur Ordner mit Papier.
Derzeit bildet sich in Österreichs Notfallmedizinern zunehmend das Bewusstsein,
dass für die überlaufenen Notaufnahmen die Implementierung eines
Ersteinschätzungssystemes von hohem Wert ist, wobei dem Manchester-Triage-
System eine Präferenz zukommt. Auch im LKH Graz West kommt das MTS seit
Beginn 2011 zum Einsatz. Auch wenn das System für geriatrische Patienten nicht
speziell validiert ist, so ist es doch ein weiterer Schritt in eine gute Richtung von
Standardisierung und abgestimmter Qualitätssicherung.
Die vorgestellten alternativen Modelle für geriatrische Notfallaufnahmen lassen
folgende unterschiedliche Lösungsansätze erkennen:
a) Aufbau selbständiger geriatrischer Notfallambulanzen,
38
b) Einrichtung spezieller geriatrischer Bereiche in vorhanden Notaufnahmen mit
geschultem Personal
c) Etablieren geriatrischer Konsiliardienste.
Die Schaffung Geriatrischer Notaufnahmen bedarf neben Investitionen vor allem
einer gesundheitspolitischen Entscheidung einschließlich einer Neuabstimmung des
akutmedizinischen Versorgungskonzeptes.
Die Bildung von Geriatrischen Konsiliarteams bietet sich primär für den Aufbau einer
intensivierten geriatrischen Versorgung stationärer Bereiche an, ist jedoch für den
Bedarf einer hochfrequentierten Notaufnahme nur bedingt anwendbar.
Das Etablieren von Notaufnahme-Bereichen, die beruhigt und auf die Bedürfnisse
alter Menschen eingerichtet sind, liegt allein im Verantwortungsbereich der Spitäler
und bietet sich damit an. Ausgehend von einem vorhandenen Mindestmaß an
infrastruktureller Flexibilität ließe sich zweifellos für viele Notaufnahmen ein
Verbesserungspotential für die Versorgung alter Patienten schaffen.
5 Schlussfolgerungen
Die Notfallaufnahmen der Spitäler werden sich mittel- bis langfristig medizinisch,
pflegerisch und organisatorisch auf einen weiter steigenden Anteil an ambulanten
alten und sehr alten Patienten auszurichten. Auch der stationäre Bereich wird von
dieser Entwicklung betroffen sein. Durch die vielfältigen Besonderheiten von
geriatrischen Patienten wird eine geriatrische Fachexpertise in allen Bereichen der
Medizin zunehmende Bedeutung erhalten und wird insbesondere auch in den
Notfallambulanzen zu verankern sein. Zumindest ein Teil der zukünftigen
Notfallmediziner wird entweder Geriater mit notfallmedizinischer Ausbildung oder
Notfallmediziner mit geriatrischem Schwerpunkt sein. Der Einsatz eines geriatrischen
Assessmenttools in der Notfallaufnahme als Screeninginstrument zur Identifikation
von Risikopatienten zu befürworten.
Zur Qualitätssicherung ist das Etablieren einer Methode zur Ersteinschätzung von
Spontan- und Notfallpatienten sinnvoll, wobei in Österreich das Manchester-Triage-
System zunehmend Verbreitung findet. Empfehlungen für bestimmte Zertifizierungs-
verfahren von Notaufnahmen können dzt. noch nicht abgeleitet werden.
Sinnvoll erscheint das Einrichten von speziell für geriatrische Patienten adaptierten
Bereichen in Notaufnahmen, sofern dies seitens Infrastruktur möglich ist.
39
Der wichtigste Schritt liegt in der Analyse des Notaufnahmeprozesses, um die für
geriatrische Patienten kritischen Bereiche und Abläufe zu erkennen und im
Notaufnahmeteam ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Eine gemeinsame
geriatrische Weiterbildung im Notaufnahmeteam wird diesen Weg unterstützen.
40
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