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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Maria Stopfner, Hannes Vorhofer
Der Skandal
als Instrument der Wahlkampfführung Der freiheitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
1 Einleitung
Die wechselseitige Beziehung von Medienagenda und Public Agenda ist in
den vier Jahrzehnten seit der Studie von McCombs und Shaw (1972) hinreichend
durch empirische Befunde untermauert worden, um davon ausgehen zu können,
dass auf einer ersten Wirkungsebene Themen, die massenmedial hohe Aufmerk-
samkeit genießen, auch in der rezipierenden Bevölkerung stärker wahrgenommen
werden (Melischek et al. 2010). Der durch die Chapel Hill-Studie begründete
Agenda Setting-Ansatz geht weiter davon aus, dass die Häufigkeit und Intensität
der Berichterstattung Einfluss auf die Wichtigkeit des Themas, die Rangfolge der
Wichtigkeit wiederum die Priorisierung des Themas beim Publikum beeinflusst.
Mit diesem Modell können Tendenzen nachgezeichnet werden, jedoch ist es
keine Kristallkugel mittels derer direkte Abhängigkeiten vorhergesehen werden
können. „Dass Massenmedien durch selektive Beachtung spezifischer Themen
das Problembewusstsein des Publikums bestimmen, bedeutet nicht, dass sich
seine Problemsicht in jedem Fall spiegelbildlich nach der Problembeachtung in
den Medien orientiert, sondern dass die Berichterstattung mit der vorhandenen
Problemsensitivität verschiedener Bevölkerungsgruppen interagiert. Die Medien
determinieren nicht das Problembewusstsein, sondern sie ‚aktivieren latent vor-
handene Besorgnisse der Personen, die je nach deren Lebenslage unterschiedlich
ausgeprägt sind‘“ (Plasser/Seeber 2010, 275).
Die FPÖ scheint dabei erfolgreicher als andere Parteien die latenten öffentli-
chen Themenlandschaften aufzugreifen und nach den Regeln der modernen Nach-
richtenlogik effektvoll in den Medien zu platzieren. Sie buhlt dabei wie auch alle
anderen Parteien um die Gunst der Journalistinnen und Journalisten, indem sie
diese auf bestimmte Themen- und Interessenlagen hinzuweisen versucht (Tresch
2009). Dennoch: „On the dance floor, the political actors are doing what they can
to invite the journalists to dance, but ultimately, it is the journalists who choose
who they are going to dance with” (Strömbäck/Nord 2006, 161). Kurz vor den
Vorarlberger Landtagswahlen wurden sich die Medien eben dieser ihnen zuge-
messenen Rolle bewusst. Zum Hintergrund: Der freiheitliche Spitzenkandidat
Dieter Egger hatte beim Wahlkampfauftakt der FPÖ am 21. September 2009 den
Direktor des Jüdischen Museums Hohenems Hanno Loewy als „Exil-Juden aus
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“ bezeichnet. Landeshaupt-
mann Herbert Sausgruber drohte daraufhin die Koalition zu beenden, sollte keine
Entschuldigung erfolgen. Der Sager selbst zusammen mit seinen angedrohten ko-
alitionären Folgen riefen ein Medienecho hervor, das den gesamten Wahlkampf
über immer wieder nachhallte. Die mediale Diskussion erhielt dabei durch die
herannahenden Landtagswahlen eine mediale Eigendynamik, die gleich zu Be-
ginn des Wahlkampfes eine Nachrichtenwelle nicht nur über das westlichste Bun-
desland allein, sondern über ganz Österreich schwappen ließ.
Als Leitlinie und Ausgangspunkt des Beitrags dient ein Zitat Vastermans
(2005): „The media sometimes create a chain of events that would not have taken
place without their involvement” (Vasterman 2005, 510). Hinterfragt werden soll,
in wie weit die moderne Medienlogik populistischen Parteien in die Hände spielt,
indem die Medien die ihnen bewusst zugeworfenen skandalisierenden Aussagen
aufnehmen und in Folge verdient oder unverdient zu einem öffentlich diskutierten
Thema machen. Oder in den Worten Walter Finks: „Man war sich einig, dass das,
was Egger da von sich gegeben hatte, unerträglich sei, man war sich auch noch ei-
nig darüber, dass die Reaktion von Sausgruber, nämlich Egger den Regierungs-
sessel vor die Tür zu stellen, richtig und konsequent gewesen sei. Das war's dann
aber mit der Einigkeit, dann kamen Vorwürfe, vor allem gegen die Medien, nicht
zuletzt auch gegen mich. Denn die Journalisten seien es gewesen, die Egger auf
den Leim gegangen seien. Nichts anderes habe er gewollt: Aufmerksamkeit erzie-
len, Öffentlichkeit erreichen. Das sei ihm in einem Ausmaß gelungen, das er-
schreckend sei. Und Schuld daran hätten vor allen anderen die Medien“ (Vorarl-
berger Nachrichten, 16. September 2009).
2 Methode
Die vorliegende Analyse hat das Ziel, die redaktionelle Berichterstattung in
ausgewählten Vorarlberger Medien systematisch empirisch zu analysieren. Auf
Basis einer quantifizierenden Inhaltsanalyse, die durch das MediaWatch Institut
für Medienanalysen GmbH, einem Unternehmen der APA-Gruppe durchgeführt
wurde, 1 soll untersucht werden, in wie weit der Skandal rund um den Sager des
freiheitlichen Spitzenkandidaten die Medienberichterstattung vor der Wahl zu-
gunsten spezifischer Akteure beeinflusste und in wie weit die allgemeine Tendenz
der Medien zur Boulevardisierung dies begünstigte. Untersuchungsgegenstand
der Analyse ist die Berichterstattung über die Spitzenkandidaten zur Vorarlberger
1 An dieser Stelle gilt unser Dank dem Codier-Team, bestehend aus Stefan Eckerieder,
Andreas Hacker, Viktoria Paradis und Christoph Tauber sowie Analyst Florian Castlun-
ger.
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
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Landtagswahl in den Wochen nach dem FPÖ-Wahlkampfauftakt am 21. August
2009 bis zum Vorabend der Wahl am 19. September 2009. Die Codierung er-
reichte einen durchschnittlichen Reliabilitätskoeffizienten von 0.8512, was einer
zufriedenstellenden Übereinstimmung entspricht (Früh 2004).
Die Methodik der Untersuchung fußt auf den zwei in der Medienforschung
etablierten Medienwirkungskonzepten Agenda Setting und Framing. Der von
McCombs und Shaw 1972 begründete Agenda Setting-Begriff weist eine Korrela-
tionsbeziehung zwischen der Themen-Agenda in den Massenmedien und der Pri-
oritätenliste und dem Problembewusstsein in der Bevölkerung nach
(McCombs/Shaw 1972). Der Framing-Ansatz spinnt den Gedanken der wechsel-
seitigen Beziehung von Medienrealität und öffentlicher Meinung weiter, indem er
davon ausgeht, dass die Medien auch den Interpretationsrahmen mitliefern, in
dem die Themen, Objekte und Akteure der Berichterstattung gesehen werden
müssen (Gamson/Modigliani 1987). Sarcinelli verweist in Hinblick auf die Hand-
lungslogik der Mediendemokratie auf das Konzept der Mediatisierung, das sich
durch wachsende Verschmelzung von Medienwirklichkeit und politisch-sozialer
Wirklichkeit, durch die zunehmende Wahrnehmung der Politik über die Medien-
kanäle und die Ausrichtung der Parteienlogik auf die Gesetzmäßigkeiten der mo-
dernen Medienlogik auszeichnet (Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998). Mit anderen
Worten sind die Massenmedien die primäre Quelle für politische Information und
sind daher auch mitbestimmend für die längerfristige politische Sozialisation der
Gesellschaft (Maurer 2003). Dabei konzentrierten sich empirische Analysen lange
Zeit auf die Wirkung des Fernsehens und sogenannter Qualitätsblätter. Speziell in
Europa wurde der Einfluss von Boulevardblättern und tendenziell eher partei-
ischen Medienformaten trotz ihrer grundsätzlichen Reichweitenstärke bisher nur
zurückhaltend untersucht (Art 2007). In diesem Zusammenhang muss natürlich
für Österreich die Kronen-Zeitung genannt werden, die mit 42 Prozent Reich-
weite in Bezug zur nationalen Bevölkerung weltweit die meistgelesene Tageszei-
tung ist (Plasser/Lengauer 2010).
Die Vorarlberger Medienlandschaft bietet ein Spektrum an Print- und AV-
Medien, die landesweit publiziert werden, sowie verschiedene regionale und
kommunale Medien, die den Medienmarkt in Vorarlberg weitgehend beherrschen.
Speziell überregionale österreichische Printmedien besitzen generell keinen gro-
ßen Marktanteil und spielen eine untergeordnete Rolle. „Denn in den Bundeslän-
dern entstehen dem - aus der nationalen Betrachtung - vermeintlich übermächti-
gen Duo ORF und Krone zumindest ebenbürtige Konkurrenten“ (Plaikner 2007,
186). Eine besondere Stellung am Medienmarkt des westlichsten Bundeslandes
nimmt hier das Vorarlberger Medienhaus ein, das allein durch die beiden reich-
weitenstärksten Tageszeitungen, den Vorarlberger Nachrichten und der Neuen
2 Durchschnittswert der skalenniveau-spezifischen Reliabilitätswerte (Scott’s Pi, Spe-
arman’s Rho, Prozentübereinstimmung)
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
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Vorarlberger Tageszeitung 78,2 Prozent des tagesaktuellen Printmediensektors in
Vorarlberg abdeckt (Media-Analyse 2008/09). „Vorarlberg ist das einzige Bun-
desland, in dem sich zwei - gleichzeitig die einzigen - Bundesland-Zeitungen in
der Hand eines Verlages (der Vorarlberger Medienhauses) befinden“ (Kno-
che/Siegert 2003, 195). Damit besitzt das Medienhaus unter der Führung von Eu-
gen A. Russ eine Monopolstellung am Vorarlberger Medienmarkt, die in Öster-
reich einzigartig ist. „Für ganz Österreich beispiellos ist die marktbeherrschende
Position des Vorarlberger Medienhauses mit einem hohen Grad an Konzentration
mit einer Quasimonopolstellung am regionalen Tageszeitungsmarkt. Diese
Marktstruktur erschwert den Marktzutritt regionaler Ausgaben überregionaler Ta-
geszeitungen in diesem vergleichsweise kleinen Bundesland mit einer geringen
Anzahl potentieller Nachfrager“ (Knoche/Siegert 2003, 195).
Die Vorarlberger Nachrichten (VN) sind seit ihrer Gründung im Jahr 1945 in
der Hand der Familie Russ, die seither die Marktposition der Zeitung immer wei-
ter ausbauen konnte (Zeiner 1996). Durch die österreichisch-vorarlbergische Aus-
richtung konnte sich das Blatt, das sich als parteiunabhängiges Sprachrohr der
Bürgerinnen und Bürger versteht, als Landeszeitung der Vorarlberger Bevölke-
rung etablieren. Heute sind die Vorarlberger Nachrichten die führende Tageszei-
tung in Vorarlberg (Woditschka/Hillek 1996).
1972 kam mit der Gründung der Neuen Vorarlberger Tageszeitung (NVT)
Bewegung in die Vorarlberger Zeitungslandschaft. An der bestehenden Vor-
machtstellung der Vorarlberger Nachrichten änderte dies jedoch nichts. „Die fi-
nanzielle Lage der Zeitung [Neue Vorarlberger Tageszeitung] war immer äußerst
schlecht, obwohl 1975 der Grazer Styria-Verlag einstieg und die NVT mit der
‚Kleinen Zeitung‘ auch redaktionell kooperierte“ (Knoche/Siegert 2003, 195). Im
Februar 1990 übernahm Eugen Russ die Mehrheit der Neuen Vorarlberger Tages-
zeitung vom Grazer Styria Verlag und gliederte sie in sein Medienunternehmen
ein, das er daraufhin zum Vorarlberger Medienhaus ausbaute (Knoche/Siegert
2003). Mittlerweile ist die Neue Vorarlberger Tageszeitung als zweitstärkste Zei-
tung im Land vollständig im Besitz des Eugen-Russ-Verlages, wodurch die
marktbeherrschende Position des Vorarlberger Medienhauses noch weiter ausge-
baut wurde (Sandbichler 1993).
Seit den 1980er-Jahren versuchten sowohl Kurier als auch Kronen-Zeitung
mit eigenen Ausgaben und Redaktionen in Vorarlberg das Medienmonopol des
Medienhauses zu durchbrechen. Allerdings kamen sie im Vergleich zu anderen
Bundesländern nie über die Funktion einer Zweitzeitung hinaus, da geschickte
Abwehrmanöver des Medienhauses sowie die Marktdichte regionaler Medienpro-
dukte eine Eroberung der Marktanteile verhinderten. So verlegte das Vorarlberger
Medienhaus, als die Kronen-Zeitung durch die Gratisentnahme ihrer Sonntags-
ausgabe an den Zeitungsständern die Vorarlberger LeserInnen an sich zu binden
versuchte, den Erscheinungstag ihrer Gratis-Wochenzeitung Wann&Wo auf
Sonntag und verhinderte so die Ausbreitung der Kronenzeitung. Die Redaktion
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
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der Kronen-Zeitung wurde schließlich 1994 aufgelöst, die des Kuriers bereits
1993 (Zeiner 1996).
Die außergewöhnliche Medienkonzentration in Vorarlberg kann anhand meh-
rerer kulturell-psychologischer Faktoren erklärt werden: So ist Vorarlberg trotz
starker Industrialisierung, Exportorientierung und Weltoffenheit immer noch
stark ländlich geprägt und orientiert sich zudem eher in Richtung Westen, weg
vom deklarierten „Zentralismus in Wien“ (Zeiner 1996). Kaum ein Haushalt ver-
zichtet auf eine der beiden lokalen Tageszeitungen, die Bezirks- und Gemeinde-
blätter befassen sich hauptsächlich mit Themen aus der Umgebung. Im audiovisu-
ellen Bereich wird Radio Vorarlberg in 38,2 Prozent der Haushalte gehört und er-
reicht damit neben den Privatsendern aus der Ostschweiz, Liechtenstein und
Lindau eine größere Zuhörerschaft als Ö3 (37,7 Prozent). Das öffentlich-rechtli-
che Fernsehen erreicht mit 45,7 Prozent insgesamt weniger VorarlbergerInnen als
der öffentlich-rechtliche Hörfunk, der mit 71,4 Prozent Gesamtreichweite im Ge-
gensatz zum TV-Bereich die privaten Radiosender weit in den Schatten stellt
(Media-Analyse 2008/09).
Die Medien, die als Grundlage dieser Untersuchung dienen, wurden nun auf-
grund ihrer publizistischen Repräsentativität und ihrer Markt- und Reichweiten-
Bedeutung in Vorarlberg ausgewählt. Im Bereich Printmedien wurden die Vorarl-
berger Nachrichten, die Neue Vorarlberger Tageszeitung, Standard, Presse, Kro-
nen Zeitung, Kurier und Österreich ins Mediensample aufgenommen, bei den
elektronischen Medien Vorarlberg heute, Radio Vorarlberg Landesrundschau und
die ZiB 1. Relevanzkriterium für die Analyse-Einheiten ist die Präsenz eines Vor-
arlberger Spitzenkandidaten der bundesweit relevanten Parteien. Diese sind Her-
bert Sausgruber für die ÖVP, Michael Ritsch für die SPÖ, Johannes Rauch für die
Grünen, Dieter bzw. Dietmar Egger für die FPÖ und Wolfgang Maurer für das
BZÖ. Insgesamt wurden 567 Artikel und Sendungsbeiträge in den oben genann-
ten Medien analysiert. Neben der Präsenz- und Image-Analyse der Kandidaten
wurden eine Themen-Analyse sowie eine Frame-Analyse durchgeführt, mittels
derer die inhaltlich-qualitative Berichterstattungsstruktur erfasst wurde.
2.1 Zwischen Skandalberichterstattung und Medien-Hype
Im Kern des Begriffs „politischer Skandal“ stehen laut Gehler und Sickinger
Ereignisse, in die PolitikerInnen oder andere Akteure des politisch-administrati-
ven Raumes „unmittelbar und auslösend“ involviert sind, die das „normative In-
ventar“ der Politik berühren und die von den Normen und Werten der Gesell-
schaft abweichen und „in Form eines politischen Konflikts“ verlaufen (Gehler/Si-
ckinger 2007). „Medien-Hypes” werden nach Vasterman definiert als „media-
generated, wall-to-wall news wave, triggered by one specific event and enlarged
by the self-reinforcing processes within the news production of the media”
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
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(Vasterman 2005, 515). Das vorliegende Medienereignis des „Exil-Jude“-Sagers
liegt damit an der Schnittstelle zwischen Skandalberichterstattung und „Medien-
Hype“ (Abbildung 1).
Abbildung 1: Anzahl relevanter Beiträge im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009 im Zeitverlauf mit und
ohne intertextuellen Verweis auf den „Exil-Jude“-Sager; Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger
Landtagswahlkampf 2009
Der „Exil-Jude“-Sager Eggers kam einem medialen Erdbeben gleich, das eine
Nachrichtenwelle auslöste, die gleich zu Beginn des Wahlkampfs ein Maximum
an medialer Aufmerksamkeit erreichte. Durch die Skandalberichterstattung
konnte der freiheitliche Sager mit einem Schlag mehr mediale Aufmerksamkeit
auf sich konzentrieren als dies die normale Wahlkampfberichterstattung über-
haupt erlaubt hätte, indem diese selbst am Vorabend der Wahl nicht annähernd
jene Beitragsdichte aufweist, wie sie in den Tagen nach dem freiheitlichen Wahl-
kampfauftakt generiert wurde.
Generell ist die Bereitschaft der Medien mögliche Skandale aufzugreifen
hoch, da hier in der Berichterstattung der Anspruch erhoben wird, unbekannte
Missstände ans Licht zu bringen, die nicht ignoriert werden dürfen, was wiede-
rum dem Selbstverständnis der JournalistInnen entspricht. Diese Art von Enthül-
lungsjournalismus besitzt zudem hohen Nachrichtenwert, indem neue, unerwar-
tete Entwicklungen aufgegriffen werden, die zumeist auch stark personenbezogen
sind. Verstärkt wird das Interesse noch weiter, wenn Leitmedien auf den Zug auf-
springen, die häufig auch den Bezugsrahmen vorgeben, in dem der potentielle
Skandal daraufhin gesehen wird (Eps et al. 1996). „Die Kollegenorientierung
führt dazu, dass Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen ein eng vernetz-
tes Bezugssystem bilden, in dem sogenannte Medienmeinungsführer eine Schlüs-
selstellung besitzen“ (Eps et al. 1996, 105). Die folgende Abbildung gibt einen
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Be
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Beiträge gesamt Beiträge mit Kontext Exil-Jude-Sager
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Überblick über die Resonanz des „Exil-Jude“-Sagers in den relevanten Medien (
Abbildung 2), wobei sich die mediale Diskussion weniger am Sager allein als an
der darauf folgenden Reaktion des Landeshauptmanns zu entzünden scheint.
Abbildung 2: Beiträge mit Verweis auf den „Exil-Jude“-Sager in relevanten Medien im Zeitverlauf; Quelle:
MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
Einzelne Medien können sich dem medialen Fokus kaum entziehen, einerseits
weil die Konkurrenz bereits auf das Thema aufgesprungen ist und weil anderer-
seits die massive Nachrichtenflut selbst bereits Nachrichtenwert besitzt. „Journal-
ism is a highly self-referential system: news is what other media consider news-
worthy. This leads to a high degree of uniformity in the news selection and a
pressure on every news desk to join the pack” (Kitzinger/Reilly 1997). Auffällig
ist in diesem Zusammenhang die Zurückhaltung der Kronen-Zeitung, die nur be-
dingt auf den „Exil-Jude“-Sager eingeht. Im Gegensatz dazu ist das zweite rele-
vante Boulevard-Blatt Österreich über den gesamten Untersuchungszeitraum hin-
weg in die mediale Sager-Diskussion involviert, die vor allem von den Vorarlber-
ger Nachrichten und der Neuen Vorarlberger Tageszeitung getragen wird. Öster-
reichweit erscheinende Tageszeitungen wie Standard und Presse verlieren
dementgegen das anfänglich sehr starke Interesse in der zweiten Woche nach dem
Eklat weitgehend und scheinen es erst kurz vor der Wahl wiederzufinden.
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Vorarlberger Nachrichten (1) Neue Vorarlberger Tageszeitung (2) Der Standard (3)Die Presse (4) Österreich (5) Kurier (6)Neue Kronen Zeitung (7) Radio & Fernsehen (8)
21.08.2009"Exil-Juden-
Aussage" Eggers
24.08.2009Sausgruber
schließt Koalition mit Egger
aus
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Die Gretchenfrage bleibt jedoch bestehen: Ist die Nachricht wichtig oder wird
sie wichtig, weil die Medien sie wichtig machen? „Is it real or do the media create
a new reality?” (Vasterman 2005, 509). Ausschlaggebend ist dabei, in welchem
Umfang die Medien das Thema aufgreifen, d.h. wie viel Raum sie der Diskussion
einräumen (Abbildung 3).
Abbildung 3: Prominenz des „Exil-Jude“-Sagers in den Medien; Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarl-
berger Landtagswahlkampf 2009
Zunächst hat sich keines der untersuchten Medien dem Thema verweigert.
Der „Exil-Jude“-Sager selbst wird dabei besonders in Österreich und der Neuen
Vorarlberger Tageszeitung sowie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum zentra-
len Angelpunkt der Beiträge. Generell sind es vor allem bundesweite Medienfor-
mate, die der Diskussion in mehr als der Hälfte ihrer Beiträge Bedeutung beimes-
sen und den „Exil-Jude“-Sager in ihrer Berichterstattung so zu dem Thema der
Vorarlberger Landtagswahlen machen. Im Gegensatz dazu ist der blaue Sager auf
Bundesland-Ebene, d.h. in der Berichterstattung der reichweitenstärksten Medien
im Land (Vorarlberger Nachrichten, Neue Vorarlberger Nachrichten, Kronen Zei-
tung, Radio Vorarlberg Landesrundschau, Vorarlberg heute) lediglich ein Thema
unter vielen, indem ihm nur etwa ein Drittel der Gesamtberichterstattung zum
Vorarlberger Landtagswahlkampf gewidmet wird.
12,9%
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14,0%
10,7%
26,9%
15,4%
16,7%
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21,4%
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50,0%
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25,0%
60,0%
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Vorarlberger Nachrichten (278*)
Neue Vorarlberger Tageszeitung (133)
Der Standard (43)
Kurier (28)
Österreich (26)
Die Presse (26)
Neue Kronen - Zeitung (6)
Radio Vorarlberg Landesrundschau (12)
Zeit im Bild 1 (8)
Vorarlberg heute (5)
Tageszeit ungen
Radio & Fer nsehen
in Prozent der *Beiträge Exil - Jude Sager eher zentral thematisiert Exil - Jude Sager gleichgewichtig zu anderen Inhalten thematisiert Exil - Jude Sager eher peripher thematisiert Frame - Indikator nicht erkennbar, Sager wird nicht thematisiert
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3 Der Wert des Skandals für den einzelnen Poli-
tiker
Grundsätzlich sind an der Entstehung eines Skandals neben den Medien der
oder die Beschuldigte, ein Ankläger oder eine Anklägerin sowie die Öffentlich-
keit beteiligt (Esser/Hartung 2004). In der Bugwelle des Medienhypes kann sich
daher nicht nur der freiheitliche Sager medial festsetzen, auch die Hauptakteure
des Skandals profitieren vom überhöhten Interesse der Medien. Damit zeigen
Skandale einen hohen Personalisierungsgrad, der so auch parteipolitisch instru-
mentalisiert werden kann (Sickinger 2007). Die folgende Abbildung gibt einen
Überblick über die Präsenz der Spitzenkandidaten im Zeitverlauf (
Abbildung 4).
Abbildung 4: Anzahl Nennungen der Spitzenkandidaten in der Berichterstattung zu den Vorarlberger Land-
tagswahlen 2009 im Zeitverlauf; Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf
2009
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Egger Dieter (FPÖ) Sausgruber Herbert (ÖVP) Ritsch Michael (SPÖ) Rauch Johannes (Grüne) Maurer Wolfgang (BZÖ)
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Der freiheitliche Spitzenkandidat stellt sich gleich zu Beginn als die dominante
Figur im Vorarlberger Landtagswahlkampf dar. Aber auch dem Landeshaupt-
mann gelingt es, auf den Skandal aufzuspringen, indem er sich als politischer Ge-
genspieler Eggers profiliert. Die beiden Hauptakteure können sich in der Woche
nach dem Sager deutlich von ihren Kontrahenten absetzen und geben diese medi-
ale Spitzenposition bis zuletzt kaum mehr ab. Auf dem Rücken der Skandalbe-
richterstattung erreichen die darin involvierten Politiker maximale mediale Auf-
merksamkeit und richten so die öffentliche Wahrnehmung fast ausschließlich auf
sich. Dieser Logik entsprechend konzentrierte sich beinahe die gesamte Wahl-
kampfberichterstattung auch fernab des „Exil-Jude“-Sagers auf die schwarz-
blauen Hauptkontrahenten (Abbildung 5).
Abbildung 5: Prominenz der Spitzenkandidaten im Vorarlberger Landtagswahlkampf; Quelle: MediaWatch
Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
Während knapp über zwei Drittel der gesamten Berichterstattung zum Vorarl-
berger Landtagswahlkampf zentral oder prominent auf die beiden Gegenspieler
Egger und Sausgruber fokussiert, wird den Kandidaten der SPÖ, der Grünen und
des BZÖ nur in weniger als 10 Prozent der Fälle ein ganzer Beitrag gewidmet.
Die Hauptakteure des Skandals sind somit nicht nur durch die Menge an Beiträ-
gen, in denen sie genannt werden, medial tonangebend, sie werden zudem durch
den Raum und damit die Bedeutung, die ihnen in den Beiträgen zugemessen wer-
den, zu politischen Schlüsselfiguren hochstilisiert, denen die Kandidaten der an-
deren Parteien nur wenig entgegensetzen können. Diese müssen sich wohl oder
übel mit den Randplätzen medialer Aufmerksamkeit zufrieden geben.
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4,5%
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2,3
%
3,7
%
3,1
%
2,0
%
1,3
%
1,6
%
0,8
%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
eher zentrale Thematisierung
eher prominente Thematisierung
eher periphere Thematisierung
in Prozent der Nennungen
Egger Dieter (FPÖ) Sausgruber Herbert (ÖVP) Ritsch Michael (SPÖ) Rauch Johannes (Grüne) Maurer Wolfgang (BZÖ)
11
Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Daten der für 2007 erhobenen Routinephase belegen dabei für die Vorarlber-
ger Medienlandschaft die allgemeine Tendenz der Medien, politischen Entschei-
dungsträgerInnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken (Abbildung 6). Amtsinha-
berInnen profitieren von einem „inhärenten“ Nachrichtenwert und finden damit
leichter Zugang zu Zeitungsseiten bzw. Sendeminuten (Tresch 2009). „Formal
power in the policy-making process therefore easily translates into discursive
power in the media, which can further strengthen the political power of an actor
and ultimately lead to a self-perpetuating cycle of political influence and media
coverage” (Tresch 2009, 71). Durch die Skandalberichterstattung rund um den
„Exil Jude“-Sager kann Egger dieses Prinzip der „kumulativen Ungleichheit“
(Wolfsfeld 1997, 24) durchkreuzen und sich an die Spitze des Präsenz-Rankings
setzen.
Abbildung 6: Präsenzvergleich der Spitzenkandidaten im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009 und in der
politischen Routinephase 2007; Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf
2009; MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlbergs politische Landschaft (Untersuchungszeitraum 01.01.2007
bis 31.12.2007)
Während Herbert Sausgruber die Berichterstattung in der politischen Routine-
phase 2007 klar dominiert, wird die mediale Vorherrschaft des Landeshaupt-
manns im Landtagswahlkampf 2009 durch den Herausforderer Dieter Egger klar
durchbrochen. Allgemein zeigt sich in der obigen Aufstellung, dass die politi-
schen Akteure um einen Platz in einer endlichen Menge an Raum in den Medien
wetteifern müssen, d.h. dass die starke Präsenz eines Akteurs immer auf Kosten
46,1%
33,6%
10,8%
9,5%
15,7%
51,5%
21,1%
11,7%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%
Egger Dieter (FPÖ)
Sausgruber Herbert (ÖVP)
Ritsch Michael (SPÖ)
Rauch Johannes (Grüne)
in Prozent der Nennungen
Wahlkampf 09 Routinephase 07
12
Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
anderer geht. Mit anderen Worten, je stärker ein Politiker bzw. eine Politikerin
die Medienaufmerksamkeit an sich binden kann, umso weniger Raum bleibt für
die Darstellung seiner bzw. ihrer KontrahentInnen.
Um sich jedoch in den Medien langfristig halten zu können, muss die aktuelle
politische Marktlage sondiert und der eigene Output daraufhin angepasst werden.
Populistische Parteien sind hierbei besonders erfolgreich, indem sie sich mittels
wohldosierter verbaler Skandale die Aufmerksamkeit der Medien sichern (Bailer
2007). „Rascher Themenwechsel gehört dazu, ebenso wie die Fähigkeit und Be-
reitschaft, dies mit der Produktion entsprechender ‚Sager‘, die für Schlagzeilen
gut sind oder von Bildern, die im Fernsehen ankommen, zu verbinden“ (Fabris
2000, 5). Politik als Bühnenshow benötigt jedoch DarstellerInnen, die die politi-
schen Botschaften glaubhaft transportieren können. Die jeweiligen Spitzenpoliti-
kerInnen werden dabei nicht allein von den Parteien, sondern auch durch die stark
personalisierende Berichterstattung ins Rampenlicht gerückt und dort in den Au-
gen der Wählerschaft geformt (Fabris 2000). Das in den Medien gezeichnete Per-
sönlichkeitsprofil der Spitzenkandidaten zur Vorarlberger Landtagswahl zeigt
hierbei ein deutliches Interesse an der potentiellen Integrität, d.h. der Glaubwür-
digkeit und Handschlagqualität der Politiker (Abbildung 7). Allein Johannes
Rauch von den Grünen wird zu allererst über seine Sach- und Fachkompetenz de-
finiert.
Abbildung 7: Personality Profiles der Spitzenkandidaten im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009;
Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
0 20 40 60 80 100 120 140 160
Integrität
Charakter
Management, Leadership-Fähigkeit
Sach-, Fachkompetenz
Biographisches zur Person
Stil - Dynamik
Stil - Auftreten
Integrität
Management, Leadership-Fähigkeit
Charakter
Stil - Dynamik
Sach-, Fachkompetenz
Stil - Auftreten
Biographisches zur Person
Integrität
Management, Leadership-Fähigkeit
Biographisches zur Person
Sach-, Fachkompetenz
Stil - Auftreten
Charakter
Sach-, Fachkompetenz
Stil - Auftreten
Integrität
Management, Leadership-Fähigkeit
Biographisches zur Person
Integrität
Stil - Auftreten
Stil - Dynamik
Charakter
Egge
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(BZÖ
)
Anzahl Aussagen
negativ neutral positiv
13
Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Die allgemeinen Charaktereigenschaften der Spitzenkandidaten waren für die
Medien vor allem in Bezug auf die beiden Hauptkontrahenten rund um den „Exil-
Jude“-Sager von Bedeutung, wobei dieser Themenstrang für Dieter Egger promi-
nenter und um vieles negativer ausgelegt wurde als beim Landeshauptmann, der
dafür häufiger in Hinblick auf seine Management- und Leadershipfähigkeiten me-
dial beleuchtet wurde. Überraschend ist dennoch, wie positiv sich das Persönlich-
keitsprofil des skandalisierten freiheitlichen Spitzenkandidaten darstellt. Grund
dafür ist die grundsätzlich hohe Medienpräsenz des freiheitlichen Spitzenkandida-
ten, dem dadurch auch viel Spielraum zur Selbstdarstellung gewährt wird. Die
Taktik Eggers, jegliche Entschuldigung zu verweigern und auf der eigenen Mei-
nung zu beharren, scheint demnach aufzugehen und das mediale Bild des intege-
ren Politikers, der zu seinem Wort steht, zu bestätigen. Verstöße gegen die Politi-
cal Correctness zeigen dabei ganz allgemein nur selten schwerwiegende Folgen
für den skandalisierten Politiker bzw. die skandalisierte Politikerin, wobei sich
die offensive Reaktion auf Vorwürfe generell als medial erfolgreichste Gegenstra-
tegie erweist (Geiger/Steinbach 1996). Ob ein Politiker oder eine Politikerin in
Folge eines Skandals sein bzw. ihr Amt verliert bzw. erhält, hängt, so Kepplinger,
vor allem von zwei Faktoren ab: der Unterstützung des Umfelds und der morali-
schen Eindeutigkeit des Vorwurfs (Kepplinger 1996, 45). Konsequenzen politi-
scher Skandale ergeben sich im Grunde letztendlich aus der Reaktion des Publi-
kums, i.e. der WählerInnenschaft, die die skandalisierten bzw. skandalisierenden
Akteure entweder bestätigt oder sich von ihnen abkehrt. „Insofern zeigt sich nach
wie vor eine Gesetzmäßigkeit, die offenkundig generell während des gesamten
zwanzigsten Jahrhunderts in Österreich gegolten haben dürfte: Politiker mit ei-
nem - aus Sicht ihrer Anhänger - sehr gefestigten, ‚starken‘ Image dürften nach
wie vor gute Aussichten haben, eine ernsthafte Skandalisierung politisch zu über-
stehen“ (Sickinger 2007, 740).
Um Aussagen über die öffentliche Wahrnehmung der beiden Hauptakteure
des Skandals treffen zu können, wurde das Wertungsprofil der redaktionellen Be-
richterstattung mit dem Image-Profil von Egger und Sausgruber in den veröffent-
lichten Leserbriefen verglichen (Abbildung 8, Abbildung 9).
14
Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Das Image des freiheitlichen Spitzenkandidaten ist fast in allen Medienforma-
ten negativ. Eine Ausnahme bilden hier die Fernsehformate des ORF, in denen
Egger entweder neutral oder in Folge der Unterstützungserklärung des freiheitli-
chen Obmannes Heinz-Christian Strache sogar tendenziell positiv dargestellt
wird. Vergleicht man die redaktionelle Berichterstattung mit den Leserbriefen zu
Dieter Egger, so spiegeln diese das redaktionelle Image wider, sind jedoch ten-
denziell weniger kritisch ausgerichtet. Im Vergleich zum freiheitlichen Spitzen-
kandidaten wird Landeshauptmann Herbert Sausgruber hingegen stark diversifi-
ziert dargestellt. Tendenziell zeichnen hier die lokalen Medienformate ein positi-
veres Bild als die österreichweiten Formate. Eine auffällige Ausnahme bilden
wieder die Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Senders, die den Lan-
deshauptmann durchwegs neutral thematisieren. Mit Ausnahme der Vorarlberger
Nachrichten stimmen die Leserbriefe in Hinblick auf die Person des Landeshaupt-
manns mit der redaktionellen Berichterstattung jedoch wenig überein. So sind die
LeserbriefschreiberInnen der Neuen Vorarlberger Tageszeitung um vieles kriti-
scher ihm gegenüber als das Blatt selbst, während die Österreich-LeserInnen
Sausgruber besser beurteilen als die redaktionelle Berichterstattung des Mediums
dies tut. Die Gewichtung der Skandalberichterstattung im Allgemeinen ist somit
letztlich nicht eins zu eins umzusetzen auf den Eindruck, den die LeserInnen von
den in den Skandal verwickelten Personen gewinnen.
Abbildung 8: Präsenz und Image des freiheitlichen Spitzen-
kandidaten Dieter Egger in der Berichterstattung zur Vorarl-
berger Landtagswahl 2009; Quelle: MediaWatch Inhaltsana-
lyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
Abbildung 9: Präsenz und Image von Landeshaupt-
mann Herbert Sausgruber in der Berichterstattung zur
Vorarlberger Landtagswahl 2009; Quelle: MediaWatch
Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
4 Populismus der modernen Medienlogik
Sarcinelli kritisiert stark personenzentrierte Berichterstattung als themenlose
Personalplebiszite, indem der Nachrichtenwert der Personalisierung von den Me-
dien ins Extrem getrieben wird (Sarcinelli 1991). „Die Tendenz zur hochgradigen
Personalisierung der Berichterstattung: Politisches Star-System und Wahlen als
Personal-Plebiszite sind die Stichworte für eine redaktionelle Logik, die Politik
primär als ‚Spiel zwischen Personen‘ und den politischen Wettbewerb als perso-
nalisierte Elitenkonkurrenz definiert“ (Plasser 1996, 97). Diese „populistischen“
Tendenzen innerhalb der Medien begünstigen damit populistische Tendenzen von
Seiten der Politik (Plasser 1996). Generell ist aber das Interesse an der Persön-
lichkeit der kandidierenden Politiker vor der Wahl nicht wesentlich höher als zu
Routinezeiten (Abbildung 10).
Abbildung 10: Verteilung der Themen-Bereiche im Vorarlberger Landtagswahlkampf und in der Routine-
phase 2007; Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009; MediaWatch In-
haltsanalyse Vorarlbergs politische Landschaft (Untersuchungszeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007)
Vergleicht man die Themenlage des Landtagswahlkampfes mit der der Routi-
nephase, so fällt vor allem auf, dass Sachthemen und Metapolitische Themen die
Rollen tauschen. Führen Sachthemen in der Routinephase das Themenranking mit
65,4 Prozent der Zuteilungen zu den Akteuren an, so werden sie im Landtags-
wahlkampf von den metapolitischen Themen, die in der Routinephase nur auf
23,2 Prozent kommen, nun mit 60,3 Prozent Medienaufmerksamkeit abgelöst.
Damit wird die Relevanz der Inszenierung gerade in Wahlkampfzeiten bestätigt.
23,2%
60,3%
11,4%
17,9%
65,4%
22,8%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Routinephase 07
Wahlkampf 09
in Prozent der Aussagen
Metapolitische Themen Personen - & Parteienprofile Sachthemen
16
Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Im Verlauf des Wahlkampfes treten inhaltliche Streitfragen und Positionen zu-
nehmend in den Hintergrund und werden durch Analysen der Wahlkampftaktik,
Auseinandersetzungen mit stilistischen Fragen wie der TV-Performance der Spit-
zenkandidaten und Koalitionsspekulationen abgelöst“ (Plasser 1996, 97).
Parallel zu den Akteuren hatte der „Exil-Jude“-Sager damit auch Einfluss auf
die Themenlandschaft des Landtagswahlkampfes. Über Wochen wurde das
Thema in den Medien in Schlagzeilen, Abendnachrichten und öffentlichen Foren
diskutiert. Die Redaktionen schienen gleichsam in einen höheren Gang zu schal-
ten und den Juden-Sager von allen möglichen Seiten beleuchten. „The impact of a
news theme on media coverage can be described as a temporary lowering of the
news thresholds for any event or statement that can be related to the central news
theme […]” (Kielbowics/Scherer 1986, 81). Das erhöhte Interesse an einem spe-
zifischen Thema hat auch zur Folge, dass sich die Medienberichterstattung an-
gleicht, da jenen Nachrichten der Vorzug gegeben wird, die in den gewählten
Nachrichtenframe passen. „The result is a constant reinforcement of a specific
frame of reference, marginalizing other perspectives” (Vasterman 2005, 526). Da-
her blieb den sachpolitischen Themen, die vor allem um den Bereich Soziales und
Wirtschaft kreisten, vor der Wahl nur wenig Raum. Bricht man die Themenlage
auf die Top 5 jener Themen herunter, mit denen der jeweilige Spitzenkandidat am
häufigsten in den Medien genannt wurde, so scheint sich die Prominenz des met-
apolitischen Themenstrangs nicht nur auf Egger und Sausgruber allein zu be-
schränken (Abbildung 11).
17
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heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Abbildung 11: Top 5-Themen der jeweiligen Spitzenkandidaten zur Vorarlberger Landtagswahl 2009;
Quelle: MediaWatch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
Durch die Bank werden alle zur Wahl antretenden Politiker in Zusammen-
hang mit Strategie und Stil politischer Parteien allgemein und spezifisch jener der
Freiheitlichen Partei gesetzt. Die Spitzenpolitiker außerhalb des „Exil-Jude“-Du-
ells um Sausgruber und Egger versuchen dabei auf dem Rücken metapolitischer
Kommentare als trojanischem Pferd ihre eigenen Sachthemen medial zu platzie-
ren. So bringt Michael Ritsch von der SPÖ allgemein soziale Themen mit in die
Berichterstattung ein, Johannes Rauch von den Grünen etabliert sich mit grüner
Arbeitsmarktpolitik und Wolfgang Maurer vom BZÖ positioniert sich mit dem
MigrantInnenthema. Mit anderen Worten profitieren die Politiker vom Schweif
an Kommentaren, den der Skandal um Eggers Sager nach sich zieht, indem sie
die allgemeine mediale Aufmerksamkeit nutzen um nebenbei die eigenen Bot-
schaften in die Öffentlichkeit zu tragen (Kitzinger/Reilly 1997).
In Zusammenhang mit der inhaltlichen Struktur der Medienberichterstattung
ist auch der Begriff der Tabloidization zu nennen. Tabloidization, zu Deutsch die
37,7%
9,3%
7,9%
7,2%
4,9%
20,4%
13,8%
10,9%
9,3%
3,7%
19,7%
11,5%
9,8%
5,4%
4,1%
4,1%
18,6%
10,6%
6,6%
6,2%
5,5%
14,8%
13,9%
10,2%
7,4%
6,5%
0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45%
Strategie und Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Integrität
Antisemitismus
Zustand der Regierung / Koalition
Wahl-, Ämter-, Koalitionsspekulationen
Strategie und Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Zustand der Regierung / Koalition
Wahl-, Ämter-, Koalitionsspekulationen
Integrität
Organisation der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Strategie und Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Organisation der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Wahl-, Ämter-, Koalitionsspekulationen
Soziales
Wirtschaft, Wettbewerb, Markt
Mediatisierung - Medienauftritte
Strategie und Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Wahl-, Ämter-, Koalitionsspekulationen
Organisation der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Arbeitsmarkt
Mediatisierung - Medienauftritte
Strategie und Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Wahl-, Ämter-, Koalitionsspekulationen
Mediatisierung - Medienauftritte
Organisation der politischen Öffentlichkeitsarbeit
Migranten
Egge
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in Prozent der Aussagen zum Spitzenkandidaten
18
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heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Boulevardisierung der Medien, ist seit den 80ern ein Begriff und entspricht dem
Konzept des Sensationsjournalismus, der auf unpolitische Themen fokussiert und
auf Dramatisierung und Emotionalisierung setzt (Lengauer/Vorhofer 2010). Ein
weiteres Indiz für die zunehmende Boulevardisierung der Medien ist die Tendenz
zum Negativismus, die auch dem Skandal um Dieter Egger medialen Rückenwind
gibt. „Der Hang einzelner Spitzenakteure zum ‚negative campaigning‘, d.h. einen
auf Angriff und Attacke eingestellten Wahlkampfstil, und der ‚eingebaute‘ Nega-
tivismus der Wahlkampfberichterstattung verstärken sich somit wechselseitig und
kolorieren das Wahlkampfgeschehen“ (Plasser 1996, 97). Um mediale Tendenzen
in Richtung Boulevardisierung nachweisen zu können, wurden daher auch Frame-
Indikatoren in die Analyse aufgenommen. Codiergrundlage bildet dabei die per-
spektivische Ausrichtung des gesamten Beitrags (Abbildung 12).
Abbildung 12: Frame-Profil der Berichterstattung zur Vorarlberger Landtagswahl 2009; Quelle: Media-
Watch Inhaltsanalyse Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009
Die Medienberichterstattung zum Vorarlberger Landtagswahlkampf zeichnet
ein überwiegend negatives Bild der Politik, stellt die Aufdeckung politischer Stra-
tegien und Taktiken, d.h. das politische Horse-Race in den Mittelpunkt, ist vor al-
lem ereignisbezogen, stark emotionalisierend und kommentierend. Zudem ist die
53,4%
23,3%
57,2%
22,4%
49,6%
35,2%
36,2%
2,7%
52,5%
38,5%
51,4%
34,1%
58,7%
33,6%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%
eher negative Tonalität
eher positive Tonalität
eher game-centred reporting
eher policy/issue-centred reporting
eher personenzentriert
eher themen- oder institutionen-zentriert
eher polarisierend
eher paritätisch
eher interpretativ / bewertend / spekulativ / strategisch kommentierend
eher deskriptiv / faktenorientiert / abbildend / zustands-beschreibend
eher episodisch gerahmt
eher thematisch gerahmt
eher emotionalisierend
eher nüchtern
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in Prozent der Beiträge
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Berichterstattung stark personenzentriert und polarisierend. Die Vorarlberger Me-
dienrealität entspricht damit vor den Landtagswahlen 2009 dem von Plasser
(1996) umrissenen Kategorienschema populistischer Nachrichtenlogik, indem die
Berichterstattung als stark personalisiert, dethematisiert und dramatisiert mit Ten-
denz zum Negativismus charakterisiert werden kann. Erweitert wird dieses
Schema der populistischen Nachrichtenwerte in diesem Fall um die Dimensionen
der journalistischen Interpretativität und Kontextualität, die der Medienberichter-
stattung selbst einen Hang zur spekulativ-strategischen Kommentierung nachwei-
sen, der jedoch selten über den spezifischen Anlassfall hinausgeht, um die spezifi-
schen Themen in all ihren Facetten, Konsequenzen und kausalen und inhaltlichen
Hintergründen zu hinterfragen.
5 Mediale Normvorgaben und öffentliche Wahr-
nehmung
Skandale sind Kommunikationsmuster, die auf den Normen und Werten der
jeweiligen Gesellschaft fußen. Esser und Hartung definieren Skandale wie folgt:
„They can be defined as intense political communication about a real or imagined
defect that is by consensus condemned and meets universal indignation or out-
rage.” (Esser/Hartung 2004, 1065). Ausschlaggebend ist, dass der Finger öffent-
lich auf den Missstand gelegt wird, dass dieser als legitimer Skandal ausgewiesen
wird und in Folge von der breiten Öffentlichkeit auch als solcher akzeptiert und
angenommen wird (Esser/Hartung 2004). Die Medien spielen hier insofern eine
wichtige Rolle, da sie zunächst darüber entscheiden, ob ein Missstand überhaupt
publik wird. Sie liefern die Fakten, die daraufhin subjektiv als inakzeptabel klas-
sifiziert werden, indem auf einen Normbruch verwiesen wird und andere dazu
aufgerufen werden, sich der allgemeinen Empörung anzuschließen (Esser/Har-
tung 2004). Der öffentliche (Medien-)Diskurs ist somit in der modernen, postin-
dustriellen Kommunikations- und Informationsgesellschaft einerseits ein mächti-
ges Instrument der Meinungsbildung, zugleich ist er aber auch Indikator für das
Selbstverständnis einer Gesellschaft, indem darin soziale Prozesse, Entwicklun-
gen und Veränderungen deutlich werden (Van der Valk 2003, 189).
Interessant in diesem Zusammenhang ist nun die Frage, welche Missstände
und Normverstöße für die Medien bzw. eine Gesellschaft generell als Skandal in
Frage kommen. Die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Normen können nun
entweder in Gesetzen festgelegt sein, sie können aber auch Werte und Benimmre-
geln sein oder bestimmte konventionalisierte Erwartungen an das Verhalten der
Mitglieder einer Gesellschaft darstellen (Geiger/Steinbach 1996). Im Bereich der
Politik sehen Geiger und Steinbach mehrere Ursachen für Skandale. Es sind dies
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vor allem Korruption, Geheimnisverrat, Verstöße gegen die Political Correctness,
Amtsmissbrauch, fehlerhafte Amtsausübung, Straftaten oder Ordnungswidrigkei-
ten sowie ungelöste Vergangenheitsbewältigung (Geiger/Steinbach 1996). Skan-
dale in Österreich haben, so Sickinger, meist ihren Ausgangspunkt im Ausnutzen
persönlicher Beziehungen, in politischen Konflikten oder im skandalösen Privat-
leben. Korruptionsverdacht, innerösterreichische Skandale mit Außenwirkung
und der Schatten der NS-Vergangenheit sind weitere typisch österreichische
Skandalmuster (Sickinger 2007). Letztendlich liegt es aber an der Öffentlichkeit
selbst darüber zu entscheiden, ob der Missstand Grund genug für einen öffentli-
chen Aufschrei ist oder nicht. Dabei können die Meinungen innerhalb der Bevöl-
kerung selbst beträchtlich auseinandergehen (Beule/Hondrich, 1990), was wiede-
rum zur Folge hat, dass sich Skandale unterschiedlich auf die Gesellschaft aus-
wirken können. Einerseits können durch die Skandalberichterstattung gesell-
schaftliche Normen und Werte wieder in Erinnerung gerufen und damit stabili-
siert werden, andererseits können sich einzelne PolitikerInnen mittels der medial
kritisierten Normverletzung auch politisch profilieren. Das stete Aufgreifen eines
bestimmten Skandalmusters kann sogar dazu führen, dass die Öffentlichkeit ange-
sichts des wiederholt skandalisierten Normbruchs abstumpft (Kepplinger 1996).
Walter Lippmann sah 1922 die Medien als Verbindungsglied zwischen der
äußeren Realität, der „world outside“ und den Konzepten der Bevölkerung, den
„pictures in our heads“ (Petersen 2003, 250). Dieser Mittlerfunktion der Medien
kommt fast 90 Jahre später umso größere Bedeutung zu, als das Maß an nur se-
kundär erfahrbarer Wirklichkeit und der Medienkonsum der breiten Masse immer
mehr zunehmen (Plasser/Ulram 2004). Die österreichische NS-Vergangenheit wie
auch damit eng verbunden antisemitische Äußerungen waren jedoch seit Ende des
Zweiten Weltkriegs „im innenpolitischen Diskurs weitgehend ein nur selten ge-
brochenes Tabuthema“ (Sickinger 2007, 723). Bailer geht davon aus, dass in
Folge der Waldheim-Affäre antisemitisches Vokabular und positive Bezüge zum
Dritten Reich Eingang in den politischen Diskurs fanden und für propagandisti-
sche Zwecke wieder möglich wurden. Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit durch
die Vorgänge auch stärker für diese Thematik sensibilisiert (Bailer 2007). Die Be-
richterstattung in Folge des „Exil-Jude“-Sagers war sich bei der Bewertung und
Interpretation des Normbruchs nun weitgehend einig. Noelle-Neumann (1973)
geht davon aus, dass gerade konflikthaltige Themen von den Medien in etwa
gleich beurteilt werden, wobei das konsonante Werturteil der Medien in Folge das
mediale Wirkungspotential noch weiter verstärkt. Lengauer und Vorhofer (2010)
schließen daraus, dass nicht nur die generelle Wahrnehmung des politischen Dis-
kurses von der Medienrealität abhängt, sondern auch die Deutung der jeweiligen
politischen Debatten und Problemstellungen (Lengauer/Vorhofer 2010, 148). Da-
bei zeigt eine Wahltagsbefragung im Auftrag des ORF folgende wählerspezifi-
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
schen Deutungsmuster in Hinblick auf die ausschlaggebenden (medialen) Aussa-
gen im Kontext des „Exil-Jude“-Sagers (
Abbildung 13,
Abbildung 14).
Die Vorarlberger Öffentlichkeit war sich der über die Medien transportierten
Themenlage offensichtlich mehr als bewusst, indem sich die Mehrheit der befrag-
ten WählerInnen zum „Exil-Jude“-Sager und dessen politischen Folgen eine Mei-
nung bilden konnte und diese auch in etwa 90 Prozent der Fälle im Rahmen der
Befragung zum Ausdruck brachte. Die individuellen Interpretationsmuster in Be-
zug auf den Antisemitismus-Vorwurf und der Angemessenheit der gefassten poli-
tischen Antwort scheinen dabei jedoch weniger den medialen Normvorgaben als
den jeweiligen parteienspezifischen Grundeinstellungen zu folgen. So sind drei
Viertel der freiheitlichen Wählerschaft trotz der eindeutigen Haltung der Medien
davon überzeugt, dass der „Exil-Jude“-Sager Eggers nicht antisemitisch war.
Auch die Einschätzung darüber, ob das konsequente Vorgehen des Landeshaupt-
manns übertrieben war oder nicht, folgt weitgehend nicht der medialen Vorgabe.
So sind sich 78 Prozent der freiheitlichen WählerInnen sicher, Sausgruber hätte
überreagiert, während 63 Prozent der Grün-WählerInnen die politische Haltung
des Landesvaters begrüßen. Überraschend ist die Uneinigkeit, mit der die ÖVP-
und SPÖ-Wählerschaft auf die vehemente Reaktion des Landeshauptmanns und
das Ende der Koalition in Vorarlberg reagiert. So gehen etwas mehr als die Hälfte
der rot-schwarzen WählerInnen davon aus, dass der „Exil-Jude“-Sager Eggers
nicht Begründung genug war, um ihn aus der Landesregierung auszuschließen.
Während sich der Agenda Setting-Ansatz im Sinne der stärkeren Wahrneh-
mung von massenmedial dicht dokumentierten Themenlagen somit auch für die
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in Prozent der WählerInnen der jeweiligen Partei
stimme sehr zu stimme ziemlich zu weiß nicht stimme wenig zu stimme gar nicht zu
Abbildung 13: "Die Aussagen der FPÖ und von Dieter Egger
im Wahlkampf waren antisemitisch"; Quelle: ISA/SORA
Wahltagsbefragung und Wählerstromanalyse Landtagswahl
Vorarlberg 2009
Abbildung 14: "Es war von ÖVP übertrieben, die FPÖ aus der
Regierungszusammenarbeit auszuschließen"; Quelle:
ISA/SORA Wahltagsbefragung und Wählerstromanalyse Land-
tagswahl Vorarlberg 2009
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heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
Vorarlberger Landtagswahlen zu bewahrheiten scheint, kann die zentrale Aussage
der Frame-Forschung, dass die Medien auch die politischen Ansichten und Ein-
stellungen der Bevölkerung beeinflussen, nur bedingt bestätigt werden. Zu stark
waren offensichtlich die bereits in den Köpfen bestimmter WählerInnenschichten
verfestigten Konzeptionierungen und Stimmungslagen.
5.1 Schlussfolgerungen oder die Früchte des Skandals
Nach der geringen Wahlbeteiligung von 2004 war bei den Vorarlberger Land-
tagswahlen 2009 die Bereitschaft zur Stimmabgabe wieder auf mehr als 68 Pro-
zent gestiegen (Tabelle 1). Während die ÖVP vor allem die eigene Wählerschaft
wieder von sich überzeugte, konnte die FPÖ gerade die NichtwählerInnen für sich
mobilisieren und damit ihren Stimmanteil gegenüber 2004 verdoppeln. Den meis-
ten Zuspruch erhielten die Vorarlberger Freiheitlichen von jüngeren, vornehmlich
männlichen Wählerschichten, während die ÖVP vor allem die Stimmen von
Frauen und älteren WählerInnen gewinnen konnte (ISA/SORA Wahlanalyse
Landtagswahl Vorarlberg 2009).
Tabelle 1: Amtliches Endergebnis Landtagswahlen Vorarlberg 2009; Quelle: www.vorarlberg.at/wahlen,
abgerufen am 28.12.2009 (Die Vergleichswahldaten enthalten Wahlkartenstimmen)
Das wichtigste Wahlargument für Herbert Sausgruber war laut Wahltagsum-
frage Herbert Sausgruber selbst, d.h. die ÖVP-WählerInnen wählten hauptsäch-
lich seinen Verbleib im Amt. Die SPÖ und die Grünen wollten und konnten stark
mit Sachthemen punkten. Der Skandal rund um den „Exil-Jude“-Sager Eggers
und der daraus resultierende Regierungsausschluss hatten auf die Entscheidung
der freiheitlichen WählerInnen hingegen laut Wahltagsbefragung keinerlei Ein-
fluss. Sie sprachen der FPÖ vor allem deshalb ihr Vertrauen aus, weil diese die
heißen Eisen der Gesellschaft aufgreife und sich daher den in ihren Augen wichti-
gen Themen nicht verwehre (ISA/SORA Wahltagsbefragung und Wählerstrom-
analyse Landtagswahl Vorarlberg 2009).
Im Kern der vorliegenden Studie stand die Frage, inwieweit die moderne Me-
dien- und Nachrichtenlogik populistischen Parteien zugutekommt, denen es
Wahl ÖVP SPÖ FPÖ Grüne BZÖ
Landtagswahl 2009 90.108 17.779 44.562 18.763 2.134
50,79% 10,02% 25,12% 10,58% 1,20%
Landtagswahl 2004 80.112 24.609 18.881 14.829
54,92% 16,87% 12,94% 10,17%
Wahlbeteiligung Landtagswahl 2009: 68,44% (60,64%)
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Erschienen in: Stopfner, Maria; Vorhofer, Hannes (2011): Der Skandal als Instrument der Wahlkampfführung. Der frei-
heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
ver, Günther (Hrsg.): Vorarlbergs politische Landschaft. Ein Handbuch. Innsbruck u.a.: Studienverlag. S. 243 - 269.
scheinbar immer wieder gelingt, latent vorhandene Ängste und Besorgnisse pro-
minent in den redaktionellen Themenagenden und öffentlichen Diskursen zu plat-
zieren. Nachdem die provokanten Aussagen Dieter Eggers beim Wahlauftakt me-
dial höchst erfolgreich waren, kam postwendend der Vorwurf an die Medien, sie
hätten dem freiheitlichen Spitzenkandidaten durch die intensive Berichterstattung
in Folge des Sagers den Weg zur Wahl geebnet. Wurde dieser Vorwurf tatsäch-
lich zu Recht formuliert?
Der gesellschaftliche Tabubruch des „Exil-Jude“-Sagers zusammen mit der
politisch wuchtigen Antwort des Regierungspartners sicherte den Hauptdarstel-
lern des Skandals mit einem Schlag die geballte Aufmerksamkeit der Medien. So
wurde gleich zu Beginn des Wahlkampfes ein Medienecho generiert, das über das
normale Maß an Berichterstattungsdichte bei Landtagswahlen weit hinausging.
Die der Skandalberichterstattung inhärente Dynamik riss dabei nicht nur die Vor-
arlberger, sondern auch die bundesweite Medienlandschaft in ihren Bann. Einzig
die ansonsten im Ruf eines Skandalblatts stehende Kronen-Zeitung zog sich früh-
zeitig aus der medialen Diskussion zurück. Dennoch konnte der freiheitliche Spit-
zenkandidat mit Hilfe seiner Skandal-Aussage den medialen Amtsinhaberbonus
durchschlagen, der diesem im Normalfall einen deutlichen Präsenzvorsprung ga-
rantiert. Doch auch der Landeshauptmann konnte, indem er sehr früh auf den
Skandal reagierte, die Gunst der Stunde nutzen und sich in der medialen Bug-
welle des Sagers als politischer Gegenpol zu Egger positionieren. Das Schicksal
der Spitzenkandidaten der übrigen Parteien war damit zunächst besiegelt, da sie in
der folgenden Nachrichtenflut der Skandalberichterstattung weitgehend untergin-
gen.
Die Analyse zeigt dabei deutlich, dass PolitikerInnen grundsätzlich um eine
endliche Menge an medialem Raum wetteifern müssen, sodass ein Mehr an Auf-
merksamkeit für einen politischen Akteur immer auf Kosten der Präsenz anderer
geht. So werden die Kandidaten der SPÖ, der Grünen und des BZÖ von den bei-
den Hauptdarstellern des Konflikts an den Rand gedrängt, während diese gleich-
zeitig zu Schlüsselfiguren der Wahl hochstilisiert werden. Durch die Skandalbe-
richterstattung wird die an sich schon stark personalisierte Wahlkampfführung
noch stärker auf die Person einzelner PolitikerInnen hin konzentriert und kommt
damit dem von Sarcinelli kritisierten Personalplebiszit (Sarcinelli 1991, 483) sehr
nahe. Dabei muss speziell das Image der Skandalierten nicht unbedingt politi-
schen Schaden davontragen. Auch wenn das Gesamtimage Eggers in den Medien
im Vergleich zum Landeshauptmann deutlich negativer ist, so zeigt sich im Per-
sönlichkeitsprofil des freiheitlichen Spitzenkandidaten wiederum der positive
Einfluss hoher medialer Präsenz. Die größere Beitragsdichte gibt dem jeweiligen
Politiker, der jeweiligen Politikerin automatisch auch mehr Spielraum zur Selbst-
darstellung, den Egger dazu nutzt, sich als Mann mit Handschlagqualität zu profi-
lieren.
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Doch nicht nur politische Akteure werden vom Skandal medial verdrängt,
auch Themen fallen dem Sager und seinen regierungspolitischen Konsequenzen
zum Opfer. Konnten während der politischen Routinephase in mehr als 65 Pro-
zent aller Beiträge noch sachpolitische Inhalte identifiziert werden, waren es in
der Wahlkampfberichterstattung vor der Landtagswahl 2009 nur mehr knapp 18
Prozent. Während die reichweitenstärksten Vorarlberger Medien (Vorarlberger
Nachrichten, Neue Vorarlberger Nachrichten, Kronen Zeitung, Radio Vorarlberg
Landesrundschau, Vorarlberg heute) nach anfänglich intensiver Berichterstattung
im Verlauf des Wahlkampfes sehr wohl auch andere Themen mit in die Berichter-
stattung aufnehmen, wird der „Exil-Jude“-Sager in bundesweiten Medien zum
zentralen Schlüsselereignis der Vorarlberger Landtagswahl 2009. Der Sager dient
dabei den Nebendarstellern des Konflikts zugleich auch als Schlüssel zur media-
len Öffentlichkeit. Durch eigene Stellungnahmen zum politisch hochbrisanten
Thema verschaffen sich die Vertreter der anderen Parteien Zugang zur Berichter-
stattung und positionieren nebenbei noch die eigenen sachpolitischen Ziele. Den
Hauptakteuren des Skandals gelingt dies jedoch nicht, zu sehr sind sie in den
Kontext des Sagers verwickelt, sodass die eigentliche Sachpolitik der ÖVP und
FPÖ unter „ferner liefen“ beinahe in Vergessenheit gerät. Die Tendenzen moder-
ner Nachrichtenlogik vor allem zu Wahlkampfzeiten, i.e. Personalisierung, De-
Thematisierung, Dramatisierung und Negativismus begünstigen dabei die mediale
Präferenz für Skandalinhalte zu Lasten sachpolitischer Ausführungen.
Sofern dem Skandal keine strafrechtlichen Tatbestände zugrunde liegen, sind
die politischen Folgen für skandalisierte PolitikerInnen kaum vorherzusagen. Den
Medien kommt hier nur die Rolle des Aufdeckers zu, der einen Interpretationsrah-
men für den Normbruch vorgibt, der letztendlich jedoch erst von der Öffentlich-
keit als solcher akzeptiert werden muss, um wirksam zu werden. Das Deutungs-
muster, entlang dessen der „Exil-Jude“-Sager in den Medien als antisemtisch in-
terpretiert und damit als politisch völlig inakzeptabler Tabubruch dargestellt
wurde, konnte dabei die bereits vorgefestigten Konzepte bestimmter Wähler-
schichten nicht ins Gegenteil verkehren. Die intensive Skandalberichterstattung
scheint hier eher bereits latent bestehende Einstellungen zu verstärken, als diese
normativ in den Köpfen durchzusetzen. So gilt zuletzt: “The instrument of scan-
dal as a device for social control is not controlled by any person or institution. It
is informally applied; that is, there are no written rules for it” (Esser 2004, 1046).
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heitliche „Exil-Jude“-Sager im Vorarlberger Landtagswahlkampf 2009. In: Bußjäger, Peter; Karlhofer, Ferdinand; Palla-
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