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237 RaumPlanun aumPlanun aumPlanun aumPlanun aumPlanung 123 Karin Wiest Reurbanisierung als Mainstream der ostdeutschen Stadtentwicklung? Wohnungsmarkt und Planungspolitik in sächsischen Großstädten 1 Nach Jahren einer massiven Suburbanisierung ist in ostdeutschen Städten etwa seit 1997 ein neuer Trend erkennbar: Mit zuneh- menden Überangeboten auf dem Wohnungsmarkt und der Ausbildung von Mietermärkten konnten vor allem innerstädtische Alt- baugebiete wieder Einwohnergewinne verzeichnen. Gleichzeitig nehmen sozialräumliche Differenzierungen zu, und es verbleiben umfangreiche Stadträume, die weiterhin Einwohner verlieren. Am Beispiel der sächsischen Großstädte Chemnitz, Leipzig und Dres- den wird aufgezeigt, wie sich individuelle Wohnstandortentscheidungen der Stadtbevölkerung und planungspolitische Strategien der Kommunen gegenseitig zu einem Reurbanisierungstrend verstärken. Diese positive Tendenz hin zum Planungsleitbild urbaner Verdichtungen wird allerdings stark von Fragmentierungsprozessen und der Gefahr einer zunehmenden Polarisierung der Stadt- strukturen überlagert. I m Kontext ökonomisch-sozialer Restrukturierungen, aber auch angesichts demografischer Veränderungen verschärft sich der interkommunale Wettbewerb um Investitionen und Zuwanderungen. In diesem Zusammenhang rücken in- nerstädtische Bereiche zunehmend in den Fokus des Inter- esses. Reurbanisierungstendenzen spiegeln sich wider in einer ökonomisch ausgerichteten, architektonischen und kulturellen Inszenierung der Innenstädte sowie in stadtteil- bezogenen Aufwertungsprozessen durch die Modernisie- rung des Baubestandes und den Zuzug höher qualifizierter, einkommensstärkerer Schichten in vernachlässigte Altbau- gebiete. Andererseits weisen Bevölkerungszunahmen in den Innenstädten ganz allgemein auf einen Bedeutungsgewinn der urbanen Kerne hin (vgl. BMVBW 2004: 15). Spätestens seit Ende der 1990er Jahre in ostdeutschen Großstädten Krisenphänomene durch dramatische Ein- wohnerverluste, wachsende Wohnungsleerstände und den starken Mietpreisverfall unübersehbar wurden, stehen die Kernstädte und die historischen inneren Quartiere im Mit- telpunkt der kommunalen Planungspolitik. Mittels Rück- bau- und Aufwertungsmaßnahmen, wie sie in den integrier- ten Stadtentwicklungskonzepten ostdeutscher Kommunen formuliert wurden, soll das Leitbild der Kompakten bzw. Europäischen Stadt realisiert werden (vgl. SC 2000, SL 2000, LHD 2002). Hier wird besonders dem innerstädtischen Woh- nen und den historischen Strukturen als „Markenzeichen“ der Städte Priorität eingeräumt. Die Zielsetzung eines „Rück- baus von den Rändern“, wachsende Leerstandsquoten so- wie genossenschaftliche bzw. kommunale Eigentümerstruk- turen 2 lassen dagegen Teile der peripheren Großwohnsied- lungen aus DDR-Zeit als prädestiniert für Abrissmaßnah- men erscheinen (vgl. BMVBW 2001:15). Daneben ist etwa ab 1997 in vielen ostdeutschen Großstädten ein neuer Trend in der kleinräumigen Einwoh- nerentwicklung erkennbar. Dieser ist in erster Linie auf das Zusammenspiel veränderter Wohnpräferenzen und die Aus- bildung von Mietermarktstrukturen zurückzuführen: Im Zuge einer extrem angestiegenen Umzugshäufigkeit unter den Bedingungen eines zunehmenden strukturellen Ange- botsüberhangs auf dem Wohnungsmarkt konnten vor allem attraktivere, innenstadtnahe Gebiete Wanderungsgewinne verbuchen. Neben solchen Wachstumsinseln halten in den weniger begünstigten Lagen und in vielen Großwohnsied- lungen die Einwohnerverluste an (vgl. Wiest/Hill 2004: 363). Diese Entwicklungen korrespondieren zum Teil mit einer sozioökonomischen und kulturellen Ausdifferenzierung der Stadtgesellschaft – Prozesse, die in der Stadtforschung un- ter dem Begriff der Fragmentierung gefasst werden. Vor dem Hintergrund dieses Bedeutungsgewinns der innerstädtischen Bereiche ist zum einem von Interesse, in welchem Maß und in welcher Form sich innerhalb schrump- fender Städte sozialräumliche Unterschiede zwischen Wachstumsinseln und Bereichen des Niedergangs verstär- ken. Zum anderen ist zu fragen, welcher Stellenwert einer „postmodernen Reurbanisierungspolitik“ (vgl. Prigge 2004: 44) zukommt und auf welche Weise Stadtumbau und sozial- räumliche Differenzierung miteinander verbunden sind. Im Folgenden werden Beziehungen zwischen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und kommunalen Planungsstra- tegien an Beispielen aus Chemnitz, Dresden und Leipzig dargestellt. Reurbanisierungs- und Polarisierungs- tendenzen auf dem Wohnungsmarkt Für die Stadtentwicklung der drei großen sächsischen Städ- te waren unter demografischen und ökonomischen Aspek- ten in den vergangen zehn Jahren Schrumpfungstenden- zen bestimmend. Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 ver- lor Dresden 9 %, Leipzig 15 % und Chemnitz 22 % seiner Einwohner 3 . Seit 1998 zeichnen sich vor allem in Leipzig

Reurbanisierung als Mainstream der ostdeutschen Stadtentwicklung?

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237RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

Karin Wiest

Reurbanisierung als Mainstreamder ostdeutschen Stadtentwicklung?Wohnungsmarkt und Planungspolitik in sächsischen Großstädten1

Nach Jahren einer massiven Suburbanisierung ist in ostdeutschen Städten etwa seit 1997 ein neuer Trend erkennbar: Mit zuneh-

menden Überangeboten auf dem Wohnungsmarkt und der Ausbildung von Mietermärkten konnten vor allem innerstädtische Alt-

baugebiete wieder Einwohnergewinne verzeichnen. Gleichzeitig nehmen sozialräumliche Differenzierungen zu, und es verbleiben

umfangreiche Stadträume, die weiterhin Einwohner verlieren. Am Beispiel der sächsischen Großstädte Chemnitz, Leipzig und Dres-

den wird aufgezeigt, wie sich individuelle Wohnstandortentscheidungen der Stadtbevölkerung und planungspolitische Strategien

der Kommunen gegenseitig zu einem Reurbanisierungstrend verstärken. Diese positive Tendenz hin zum Planungsleitbild urbaner

Verdichtungen wird allerdings stark von Fragmentierungsprozessen und der Gefahr einer zunehmenden Polarisierung der Stadt-

strukturen überlagert.

Im Kontext ökonomisch-sozialer Restrukturierungen, aber

auch angesichts demografischer Veränderungen verschärft

sich der interkommunale Wettbewerb um Investitionen

und Zuwanderungen. In diesem Zusammenhang rücken in-

nerstädtische Bereiche zunehmend in den Fokus des Inter-

esses. Reurbanisierungstendenzen spiegeln sich wider in

einer ökonomisch ausgerichteten, architektonischen und

kulturellen Inszenierung der Innenstädte sowie in stadtteil-

bezogenen Aufwertungsprozessen durch die Modernisie-

rung des Baubestandes und den Zuzug höher qualifizierter,

einkommensstärkerer Schichten in vernachlässigte Altbau-

gebiete. Andererseits weisen Bevölkerungszunahmen in den

Innenstädten ganz allgemein auf einen Bedeutungsgewinn

der urbanen Kerne hin (vgl. BMVBW 2004: 15).

Spätestens seit Ende der 1990er Jahre in ostdeutschen

Großstädten Krisenphänomene durch dramatische Ein-

wohnerverluste, wachsende Wohnungsleerstände und den

starken Mietpreisverfall unübersehbar wurden, stehen die

Kernstädte und die historischen inneren Quartiere im Mit-

telpunkt der kommunalen Planungspolitik. Mittels Rück-

bau- und Aufwertungsmaßnahmen, wie sie in den integrier-

ten Stadtentwicklungskonzepten ostdeutscher Kommunen

formuliert wurden, soll das Leitbild der Kompakten bzw.

Europäischen Stadt realisiert werden (vgl. SC 2000, SL 2000,

LHD 2002). Hier wird besonders dem innerstädtischen Woh-

nen und den historischen Strukturen als „Markenzeichen“

der Städte Priorität eingeräumt. Die Zielsetzung eines „Rück-

baus von den Rändern“, wachsende Leerstandsquoten so-

wie genossenschaftliche bzw. kommunale Eigentümerstruk-

turen2 lassen dagegen Teile der peripheren Großwohnsied-

lungen aus DDR-Zeit als prädestiniert für Abrissmaßnah-

men erscheinen (vgl. BMVBW 2001:15).

Daneben ist etwa ab 1997 in vielen ostdeutschen

Großstädten ein neuer Trend in der kleinräumigen Einwoh-

nerentwicklung erkennbar. Dieser ist in erster Linie auf das

Zusammenspiel veränderter Wohnpräferenzen und die Aus-

bildung von Mietermarktstrukturen zurückzuführen: Im

Zuge einer extrem angestiegenen Umzugshäufigkeit unter

den Bedingungen eines zunehmenden strukturellen Ange-

botsüberhangs auf dem Wohnungsmarkt konnten vor allem

attraktivere, innenstadtnahe Gebiete Wanderungsgewinne

verbuchen. Neben solchen Wachstumsinseln halten in den

weniger begünstigten Lagen und in vielen Großwohnsied-

lungen die Einwohnerverluste an (vgl. Wiest/Hill 2004: 363).

Diese Entwicklungen korrespondieren zum Teil mit einer

sozioökonomischen und kulturellen Ausdifferenzierung der

Stadtgesellschaft – Prozesse, die in der Stadtforschung un-

ter dem Begriff der Fragmentierung gefasst werden.

Vor dem Hintergrund dieses Bedeutungsgewinns der

innerstädtischen Bereiche ist zum einem von Interesse, in

welchem Maß und in welcher Form sich innerhalb schrump-

fender Städte sozialräumliche Unterschiede zwischen

Wachstumsinseln und Bereichen des Niedergangs verstär-

ken. Zum anderen ist zu fragen, welcher Stellenwert einer

„postmodernen Reurbanisierungspolitik“ (vgl. Prigge 2004:

44) zukommt und auf welche Weise Stadtumbau und sozial-

räumliche Differenzierung miteinander verbunden sind. Im

Folgenden werden Beziehungen zwischen Entwicklungen

auf dem Wohnungsmarkt und kommunalen Planungsstra-

tegien an Beispielen aus Chemnitz, Dresden und Leipzig

dargestellt.

Reurbanisierungs- und Polarisierungs-tendenzen auf dem WohnungsmarktFür die Stadtentwicklung der drei großen sächsischen Städ-

te waren unter demografischen und ökonomischen Aspek-

ten in den vergangen zehn Jahren Schrumpfungstenden-

zen bestimmend. Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 ver-

lor Dresden 9 %, Leipzig 15 % und Chemnitz 22 % seiner

Einwohner3. Seit 1998 zeichnen sich vor allem in Leipzig

238 RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

Reurbanisierung als Mainstream - Wiest

und Dresden Stabilisierungen in der Einwohnerentwicklung

ab, dies durch den Rückgang der Suburbanisierung und

Zuzüge vor allem aus anderen ostdeutschen Regionen.4

Dabei vollziehen sich durch das jeweilige Zusammenspiel

von Mobilität und natürlicher Bevölkerungsentwicklung in

den neuen Ländern zum Teil sehr unterschiedliche demo-

grafische Prozesse. Sowohl auf regionaler Ebene als auch

innerregional und innerstädtisch lassen sich zunehmend

Unterschiede zwischen kleinen Wachstumsinseln bzw. sta-

bilen Bereichen und Zonen anhaltender Einwohnerverlu-

ste und Niedergang beobachten. Verlieren die Stadtzentren

teilweise an Wohnbevölkerung, erscheinen unmittelbar an

die Citybereiche angrenzende Gebiete häufig als Gewinner

(vgl. Abb.1).

Insbesondere zentrumsnahe bzw. traditionell „gehobe-

ne“ Altbauquartiere sowie Stadtteile, in denen sich Hoch-

schuleinrichtungen befinden, lassen deutliche Einwohner-

zuwächse erkennen. So sind trotz einer gesamtstädtisch

weiterhin bestehenden Leerstandsproblematik in den am

stärksten nachgefragten, gründerzeitlichen Cityrandvierteln

– wie z. B. der Südvorstadt in Leipzig, der Äußeren Neu-

stadt in Dresden und dem Kaßberg in Chemnitz – erste Ver-

knappungstendenzen auf dem Wohnungsmarkt feststell-

bar. Dabei dominieren Zuzüge jüngerer, höher qualifizierter

und teilweise auch einkommensstärkerer Haushalte (vgl.

Wiest/Hill 2004, Glatter 2005). Die gesamtstädtisch zu be-

obachtende, langsam etwas größer werdende Spanne bei

den Mietpreisen auf unterschiedlichen Wohnungsmarkt-

segmenten ist Spiegelbild lokaler Nachfragepräferenzen

und eine erste Folge sozialräumlicher Differenzierungspro-

zesse.

In Gesprächen mit in Leipzig ansässigen Immobilien-

maklern, die im Rahmen eines von der Deutschen For-

schungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes5 Ende

2004 geführt wurden, wurde auf dem Teilmarkt sanierter

Altbauwohnungen eine Tendenz zur Normalisierung kon-

statiert. Diese zeige sich unter anderem darin, dass das vor

eineinhalb, zwei Jahren nicht mehr für möglich Gehaltene

heute wieder vermehrt stattfinde: direkte Anschlussvermie-

tungen und Provisionszahlungen an den Makler. Bis vor we-

nigen Jahren noch als unvermietbar geltende Wohnungen,

z. B. an den Ausfallstraßen, können in beliebten Vierteln be-

reits wieder zu Mieten von 5 EUR/qm angeboten werden.

Bei optimalem Makro- und Mikrostandort, Wohnungszu-

schnitt sowie Ausstattung der Wohnung steigt der Qua-

dratmeterpreis mittlerweile nicht selten auf 7 EUR und mehr

– ein Preis, der unter Berücksichtigung von Bausubstanz

und Sanierungsniveau im Vergleich mit vielen westdeut-

schen Kommunen allerdings immer noch niedrig erscheint.

Den Stadtteilen mit Wachstumsraten stehen jedoch

weiterhin Quartiere mit erheblichen Leerständen und un-

genutzten Altindustrieflächen gegenüber, die einen Prozess

Abb. 1: Einwohnerentwicklung in sächsischen Großstädten 2002 bis2004, Programmgebiete „Soziale Stadt“ [Quelle: Statistische Ämter derStädte, eigene Darstellung]

239

Wiest - Reurbanisierung als Mainstream

RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

des Niedergangs markieren. So sind für Misch- und ehema-

lige Arbeiterviertel mit einfacher Bausubstanz und Indus-

triebrachen oft eine ausgeprägte Leerstandsproblematik

und zum Teil anhaltende Einwohnerverluste prägend. Die

entsprechenden Wohnungsmarktsegmente werden nach

wie vor von Dumpingpreisen bestimmt. Allerdings weisen

in jüngster Zeit zu beobachtende deutliche punktuelle Ein-

wohnerzuwächse bzw. kleine Stabilitätsinseln innerhalb ein-

zelner einfacherer Quartiere der Gründerzeit und altindus-

triell geprägter Mischgebiete auf einen potenziellen Image-

wandel hin (vgl. Wiest/Hill 2004). Eine Initialzündung für

derartige Prozesse geht oft vom Vorhandensein einer für

spezifische Nachfrager baulich-historisch interessanten Sub-

stanz aus. Besonders eindrucksvoll zeigt dies beispielsweise

die neue kulturelle Inwertsetzung entindustrialisierter Ge-

bäudekomplexe in Leipzig-Plagwitz: zum einen erfolgreiche

Umnutzung der einstigen Baumwollspinnerei zu einem über-

regional bekannten Galerie- und Kunstzentrum; zum an-

deren Schaffung hochwertiger, innenstadtnaher Loftwoh-

nungen in den ehemaligen Buntgarnwerken (vgl. Abb. 2).

Aufwertungsprozesse in Form einer soziokulturellen Be-

lebung beziehen sich meist auf kleine städtische Teilgebiete.

Dabei bewirken sie letztlich auch eine Vervielfältigung so-

zialräumlicher Differenzierungen, die in eine zunehmende

Hierarchisierung sowie eine soziale Polarisierung des Raum-

gefüges münden können. Mit der kleinräumig sehr unglei-

chen Bevölkerungs- und Leerstandsentwicklung nimmt das

Bild der „Perforierten Stadt“ zwar bereits sehr reale, aber

nicht zwangsläufig planungspolitisch gewünschte Formen

an. Darüber hinaus geben überdurchschnittliche Arbeitslo-

sen- und Sozialhilfeempfängerquoten in einigen einfache-

ren Altbauquartieren und einigen Neubaugebieten des

DDR-Wohnungsbaus Hinweise auf die Gefahr einer zuneh-

menden räumlichen Konzentration sozial Benachteiligter.

Die ungünstige Entwicklung des Arbeitsmarktes macht wei-

tergehende gesellschaftliche Polarisierungstendenzen mit

einer Verfestigung sozialer Problemlagen in bestimmten

Quartieren wahrscheinlicher.

Weitere Aspekte sozialräumlicher Differenzierung be-

treffen die Frage nach einer zunehmenden Bedeutung der

Alterssegregation. Insgesamt besteht die Gefahr einer wach-

senden Diskrepanz zwischen den zentralen, imageträchti-

gen Bereichen mit attraktiven Wohn- und Versorgungsan-

geboten für die jüngere, beruflich aktive und ökonomisch

gesicherte Stadtbevölkerung und peripherer gelegenen, zu-

nehmend funktions- und bevölkerungsentleerten Stadträu-

men, in denen außerhalb des Erwerbslebens Stehende und

ältere Stadtbewohner zurück bleiben. Vor diesem Hinter-

grund wird im Folgenden der Frage nachgegangen, welcher

mögliche Einfluss zur Steuerung sozialräumlicher Differen-

zierung den vorhandenen planungspolitischen Leitbildern

und Handlungskonzepten zukommt.

Stadtentwicklungsplanung –Krisenmanagement oder Innovationsfabrik?Bis weit in die 1990er Jahre waren Städtebau- und Stadt-

planungspolitik in Ostdeutschland auf Wachstum orientiert.

Neben dem Ausbau der Infrastruktur wurden unter ande-

rem Wohn- und Gewerbegebiete am Stadtrand großzügig

ausgewiesen. Gleichzeitig ist durch die Festlegung zahl- und

umfangreicher innerstädtischer Sanierungsgebiete die Wie-

derbelebung von innenstadtnahen Wohnquartieren und

Citybereichen initiiert worden (vgl. BMVBW 2005: 13, LHD

2001: Teil 2: 3; Denzer 2002). Anhaltende demografische und

ökonomische Schrumpfungsprozesse zwangen die ostdeut-

schen Kommunen, ihre Prioritätensetzung von der Stadt-

erweiterung hin zur Stadterneuerung und zum Stadtumbau

zu verlagern.

Das im Jahr 2001 ins Leben gerufene Bund-Länder-Pro-

gramm „Stadtumbau Ost“ – als Reaktion auf die wachsen-

den Probleme des Wohnungsleerstandes, Mietpreisverfalls

und damit unmittelbar in Zusammenhang stehende Stadt-

entwicklungsprobleme – markiert diesen Prozess des Um-

denkens. Es verknüpft in seiner Zielsetzung explizit städte-

bauliche und wohnungswirtschaftliche Belange. Die Stär-

kung der Innenstädte und die ökonomisch und ökologisch

begründete Priorität des innerstädtischen Wohnens sind

zentrale Anliegen, die über die Gewährung von Fördermit-

teln für Modernisierung und Instandsetzung forciert wer-

den sollen. Darüber hinaus ist die Investitionszulage für

Mietwohnungen des innerstädtischen Altbaus sowie be-

stimmter denkmalgeschützter Bauten erhöht worden (vgl.

Jurczek/Köppen 2005: 62).

Die als Voraussetzung für die Förderung entwickelten

Integrierten Stadtentwicklungskonzepte (INSEK) ostdeut-

scher Kommunen orientieren sich an den Leitbildern der

Europäischen, der Kompakten oder der Perforierten Stadt.

Im Unterschied zum Leitbild der Europäischen Stadt, das

die Wiederherstellung des historischen Stadtbildes in den

Mittelpunkt rückt, beweist das Modell „Perforierung“ – mit

Abb. 2: Buntgarnwerke in Leipzig-Plagwitz [Foto: A. Hill]

240 RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

Reurbanisierung als Mainstream - Wiest

seiner Koexistenz von verdichteten und ausgedünnten Be-

reichen – vor allem Mut zur Lücke. Der Zwang zur Mittel-

bündelung, zur Prioritätensetzung und die Bereitschaft, ei-

nen neuen Stadttypus zu formen, sind darin bereits enthal-

ten. Dichte, als zentrales Merkmal der Europäischen Stadt

und als Voraussetzung für Urbanität, kann die perforierte

Patchwork-Stadt mit ihren heterogenen Fragmenten nur

noch in wenigen Teilbereichen vorweisen (Oswald et al.

2002: 57). Gemeinsam ist den Integrierten Stadtentwick-

lungskonzepten die Wertschätzung historischer, innerstäd-

tischer Strukturen und der Versuch, diese wiederzubeleben.

Zur Stärkung der Innenstadt durch Verdichtung und Nut-

zungsmischung sollen besonders die Außenbereiche zu-

rückgebaut werden.

Neben den konventionellen Programmen versuchen die

Städte aber auch durch differenzierte, innovative Einzel-

maßnahmen die Entwicklung im Sinn der dargestellten Leit-

bilder zu steuern. Vor allem diese kreativen Elemente und

Bausteine lassen die ostdeutsche Stadtentwicklungsplanung

als Vorreiter im Umgang mit den gewandelten Rahmenbe-

dingungen demografischer und ökonomischer Stagnation

und Schrumpfung erscheinen. So versuchen die Kommunen

mit unterschiedlichen Methoden, vorwiegend innerstädti-

sche ungenutzte Gebäude und Brachen für Aneignungspro-

zesse der Bewohner zugänglich zu machen. Ziel ist es, auf

diese Weise die Identität der Bewohner mit ihrem Stadtteil

zu stärken, die Quartiere zu stabilisieren und zu beleben.

Die Maßnahmen reichen von der verstärkten Förderung der

Eigentumsbildung bis hin zur Lockerung der Eigentumsre-

gelungen. Neue Bevölkerungsgruppen als Nachfrager nach

Wohneigentum auf dem innerstädtischen Wohnungsmarkt

sollen unter anderem durch den Neubau von Einfamilien-

häusern in möglichst zentralen Lagen angesprochen wer-

den. Hier ist z. B. der Bau so genannter Stadthäuser auf in-

nenstadtnahen Brachflächen oder Baulücken in Leipzig zu

nennen (vgl. Abb. 3). Selbstnutzer-Programme unterstüt-

zen die Eigentumsbildung in unsanierten denkmalge-

schützten Altbau-

ten und Stadtvil-

len, indem Kauf-

interessenten zu-

sammengebracht

und durch Mode-

ratoren begleitet

werden6. Zielgrup-

pen dieser Maß-

nahmen sind be-

sonders jüngere,

finanzkräftigere Haushalte. Allerdings ist in der Bevölkerung

die Neigung zur Eigentumsbildung gerade unter den Be-

dingungen von Mietermärkten mit ihren umfangreichen

Wohnangeboten zu günstigen Mieten sowie angesichts

hoher Arbeitslosigkeit und geringen Privatvermögens nur

schwach ausgeprägt. Eine weitere Einschränkung ist darin

zu sehen, dass Eigentümerprojekte vor allem in attraktive-

ren, in der Regel bereits relativ stabilen Teilräumen reali-

sierbar sind (vgl.

Abb. 4). Bei Objek-

ten in instabile-

ren, problembe-

hafteten städti-

schen Strukturen

sind entsprechen-

de Zielsetzungen

jedoch sehr viel

schwieriger umzu-

setzen. Hier grei-

fen deshalb stärker Maßnahmen, die an eine Lockerung

der Eigentumsstrukturen gebunden sind.7 So wird unter an-

derem versucht, über eine künstlerische Inszenierung von

Brachflächen Leerräume aufzuwerten und positiv als Mög-

lichkeits- und Freiräume an die Stadtbevölkerung zu ver-

mitteln.

Diese Beispiele machen deutlich, dass kulturellen In-

wertsetzungen und symbolischen Zuschreibungen an städ-

tische Teilräume vor dem Hintergrund einer kommunalen

Schrumpfungsproblematik ein besonderer Stellenwert zu-

kommt. Im Sinn von Identifikationswerten können sie als

endogene Potenziale für die Quartierstabilisierung von er-

heblicher Relevanz sein (vgl. Göschel 2003: 10).

Individuelle Stadtentwicklungsstrategiender drei sächsischen MetropolenVor dem Hintergrund von Deindustrialisierung und wirt-

schaftlicher Rezession, zunehmender interurbaner Konkur-

renz und den Problemen des demografischen Schrump-

fens müssen kommunale Planungsstrategien gegenwärtig

in erster Linie als eine Form des Krisenmanagements ver-

standen werden. Der Zwang zur Vermarktung der Stadt als

Ausdruck der politisch-ökonomischen Verhältnisse spie-

gelt sich im postmodernen Stadtumbau. Großprojekte, die

Bewerbung um Sport- und Kulturevents sowie die Insze-

nierung traditioneller Stadtkerne als Bühne für den Kon-

sum und als Kulisse, um Investoren und Unternehmer an-

zuziehen, sind Antworten der Stadtentwicklungspolitik auf

den Übergang von Industrie- zu Dienstleistungsmetropo-

len, von fordistischen zu postfordistischen Strukturen. Ent-

sprechende Strategien finden sich in den drei sächsischen

Großstädten in unterschiedlicher Akzentuierung und un-

ter verschieden Bedingungen wieder:

- In Chemnitz wird mit der Schaffung eines „neuen“ Zen-

trums als „Herz der Stadt“, das als „historischer, kulturel-

ler und vitaler Mittelpunkt“(SC 2002: 19) entwickelt wer-

den soll, eine vorwiegend ökonomisch ausgerichtete

Abb. 3: Neue Stadthäuser in Leipzig [Foto: A.Hill]

Abb. 4: Realisierung hochwertiger Eigentums-wohnungen in repräsentativen Altbauten inder Leipziger Mozartstraße [Foto: A. Hill]

241

Wiest - Reurbanisierung als Mainstream

RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

Revitalisierungsstrategie verfolgt (vgl. Denzer 2002: 269).

Neben einem Rückbau auf der einen Seite bedeutet dies

auf der anderen Seite einen wachstumsorientierten Aus-

bau der Innenstadt: für geeignete Gewerbeflächen, Wohn-

eigentum und Infrastruktur (vgl. SC 2002: 4). Erste Erfolge

lassen sich in den seit 2002 erstmals wieder ansteigen-

den Bewohnerzahlen im Zentrum der Stadt Chemnitz er-

kennen, welches seit der Wiedervereinigung durch star-

ke Einwohnerverluste gekennzeichnet war (vgl. Abb.1).

- In Dresden wird dem Aufbau der historischen Innenstadt

mit einer unverwechselbaren Stadtsilhouette, der Her-

stellung eines attraktiven Zentrums und der Profilierung

als Kunst- und Kulturstadt absolute Priorität eingeräumt

Im Mittelpunkt dieser Schwerpunktsetzung steht beson-

ders die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt (vgl.

LHD 2002: 7). Gleichzeitig werden positive Effekte im

Wettstreit um Investoren erwartet.

- Der Versuch, die Olympischen Spiele 2012 nach Leipzig

zu bringen, ist ein Beispiel für die Bemühungen, die

Stadt nach dem weitgehenden Verlust der industriellen

Basis zu einer postindustriellen Dienstleistungsmetropole

umzubauen. Mit „kompakten Spielen“ und „Spielen der

kurzen Wege“ sollte der Nachhaltigkeit Rechnung getra-

gen werden und der Altbaubestand als wesentliche Res-

source im Sinn der Stadtentwicklung eingebracht wer-

den. Ebenso spiegelt das in Leipzig entwickelte Konzept

der „Neuen Gründerzeit“ eine Stadtplanungspolitik wider,

die sich am Erhalt der historischen Bausubstanz als wert-

vollem Potenzial orientiert – und dies nicht zuletzt im

interkommunalen Wettbewerb.

Die Tendenzen der Stadtentwicklungspolitik, sich auf

imageträchtigere Projekte zu fokussieren, bergen die Ge-

fahr, zunehmenden sozialräumlichen Fragmentierungen

zu wenig entgegenzusetzen. Die Zielsetzungen, einer sozi-

alräumlichen Polarisierung entgegenzuwirken sowie

durch Verfall und soziale Erosion bedrohte Stadtteilen zu

stabilisieren, sind zwar im Programm „Stadtumbau Ost“ ex-

plizit formuliert (vgl. BMVBW 2005: 20, 72). Hier wird vor al-

lem erwartet, dass durch den Abbau des Überangebotes

auf dem Wohnungsmarkt Segregationsprozesse entschleu-

nigt werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welchen Ef-

fekt die Konzentration der Fördermittel in Erhaltungs- und

Umstrukturierungsgebieten auf soziale Polarisierungsten-

denzen ausübt.

In der im Stadtentwicklungsplan Leipzig vollzogenen

Ausweisung von „Umstrukturierungsgebieten ohne Hand-

lungspriorität“ und der damit eingeräumten Akzeptanz des

Verfalls in diesen Bereichen spiegelt sich bereits die Not-

wendigkeit wider, einzelne Teilräume aufzugeben, und da-

mit die Abkehr vom Ziel der Herstellung gleichrangiger Le-

bensverhältnisse. Wesentliches Förderinstrument, das einer

sozialen und räumlichen Spaltung in Städten entgegenwir-

ken soll, ist das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“. So-

wohl in Leipzig (Leipziger Osten) und Dresden (Prohlis) als

auch in Chemnitz (Limbacherstraße, Heckertgebiet) werden

Teilräume in unterschiedlicher Intensität auf diese Weise ge-

fördert (vgl. Abb.1).

Dabei werden differenzierte Strategien gefahren, um

in Gebieten mit problematischen Entwicklungen eine effi-

ziente Mittelbündelung zu erreichen, eine Stabilisierung so-

wie endogene Entwicklungen in die Wege zu leiten. Dass

hier zunehmend unkonventionelle Wege beschritten wer-

den, zeigen beispielsweise auch Überlegungen, eine Ver-

dichtung ethnischer Gruppen in städtischen Teilräumen als

Potenzial verwaister Gebiete zu betrachten und auf diese

Weise den Zielen einer Wiederbelebung und Reurbanisie-

rung näher zu kommen8.

AusblickDie kompakte Stadt ist vor dem Hintergrund abnehmen-

der Bevölkerungszahlen und knapper werdender Finanz-

mittel das zentrale Leitbild der Stadtentwicklung (vgl.

Jurczek/Köppen 2005: 46). Dabei deutet einiges darauf hin,

dass sich die individuellen Wohnstandortentscheidungen

der Stadtbevölkerung und die planungspolitischen Strate-

gien der Kommunen gegenseitig zu einem zunehmenden

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rum es wichtig ist, bei de r Um-

setzung fle xibel zu bleiben.

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nerst dti scher Q uartiere“

- der DI FA AWARD hat sich

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fentlich nutzbaren R umen

und dem Q uartiersmanage -

ment verschrieben.

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den Attraktionen einiger

Gro ßst dte. In diesem J ahr

z hlt Deutschland rund 30

Str nde - auch in K lein- und

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J ahr könnten es mindestens

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Wirtschaftsförderung

E X P O R E A L 2 0 0 4Bereits zum 3. Mal pr sentiert

sich die CIMA auf der Gewer-

beimmobilienmesse. Auf dem

CIMA- Gemeinschaftsstand wer-

den der L andkreis Bad K issingen,

die L andesgewerbeanstalt und

die Wirtschaftsregion Bamberg-

Forchheim vertreten sein.

Wi rtschaftsförderung Befindet sich die Wirtschafts-

förderung im Abseits, wenn sie

keine clusterorientierte Unter-

nehmensförderung betreibt?

© Cluster© - ein Erfolg vers pre chen-

der Ansa tz in der kommunalen

und regionalen Wirtschafts-

förderung .

P roj ek tentw icklu ngSeit Mitte der 80er J ahre gibt es

in Bremerhaven Ans tze, sich

mit dem Thema Auswanderung

zu besch ftigen. Seit 2 J ahren

gelingt eine zielorientierte Pro-

jektentwicklung f!r das © Deut-

sche Auswandererhaus © , das

als Projekt seiner Art Ma ßst be

ist ProjektentwicklungQ uer durch die Republik entwickeln sich neue Schwerpunkte

aktiver Wirtschaftsförderung. Dieses H eft gibt neue Einblicke :

„Science & Edutainment- Investment “ in Bremerhaven, Immobilien-

nachnutzung in Rheinbach, Umnutzung und V ermarktung öffentlicher

Fl chen in Neum!nster, Cluster- Modelle in O stbayern. ...

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242 RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123

Reurbanisierung als Mainstream - Wiest

Reurbanisierungstrend verstärken. Diese positive Tendenz

hin zu urbanen Verdichtungen wird allerdings stark von

Fragmentierungsprozessen überlagert. Dabei wird immer

deutlicher, dass die vorwiegend städtebaulichen und woh-

nungswirtschaftlichen Maßnahmen zunehmend durch die

Berücksichtigung sozialer und gesellschaftlicher Sachver-

halte erweitert werden müssen. Indem die Stadtentwick-

lungsplanung vorrangig die Revitalisierung der inneren Alt-

bauquartiere unterstützt, entstehen einerseits aufwändig

rekonstruierte Stadtzentren zur Wahrung städtischer Iden-

tität. Andererseits besteht aber die Gefahr, dass zunehmend

vernachlässigte, periphere Zonen von der gesamtstädti-

schen Entwicklung abgekoppelt werden.

Insgesamt deutet sich in der Verengung der kommu-

nalen Handlungsspielräume ein Wandel in der Planungs-

praxis an: Die Ziele der Herstellung gleichwertiger Lebens-

bedingungen sowie der sozialen Durchmischung innerhalb

von Städten und Stadtquartieren sind immer schwerer

bzw. nicht mehr einzulösen. Die unterschiedlichen Zonen

der perforierten, fragmentierten Patchworkstadt sind in

diesem Sinn nicht nur aus städtebaulicher, wohnungswirt-

schaftlicher oder landschaftsplanerischer Sicht zu behan-

deln, sondern zunehmend als vielgestaltige soziale Pro-

blemfelder.

Anmerkungen1 Für kritische Anmerkungen zu einer ersten Fassung des Manu-

skripts danke ich Vera Denzer.2 Da Abrissmaßnahmen mitwirkungsbereite Eigentümer und

die Einigung auf gemeinsame Ziele voraussetzen, sind sie ten-denziell umso leichter durchsetzbar, je mehr Gebäude bzw.Wohneinheiten in der Hand eines bzw. weniger Eigentümerliegen. Da der Abriss Angebot und Nachfrage ins Gleichge-wicht bringen und die Renditeerwartungen für die verblei-bende Bausubstanz verbessern soll, sind Eigentümer mit grö-ßeren Besitzständen in der Regel eher Nutznießer dieser Maß-nahmen. Abgesehen davon haben die kommunalen und ge-nossenschaftlichen Besitzer der Wohnungsbestände in denGroßwohnsiedlungen die Möglichkeit, mit dem Erlass von“Altschulden“ für abgerissenen Wohnraum unmittelbar finan-ziell von Rückbaumaßnahmen zu profitieren.

3 Die eingemeindeten Ortsteile sind hier bereits bei allen dreiStädten herausgerechnet.

4 Allerdings wird für die Zeit nach 2010 auf Grund des Gebur-teneinbruchs nach der Wende von 1989 eine erneute Wellevon Einwohnerverlusten prognostiziert, die alle ostdeutschenStadtregionen treffen wird.

5 von 2002 bis 2004 gefördertes und am Leibniz-Institut für Län-derkunde e. V. (IfL) bearbeitetes Projekt zum Thema „Segrega-tion und Gentrification in der schrumpfenden Stadt? EineLängsschnittanalyse in Leipziger Altbaugebieten“

6 mehr hierzu im Internet unter: www.selbstnutzer.de7 Gestattungsvereinbarungen, wie sie zurzeit auf Brachflächen

in Leipzig angewendet werden, haben zum Ziel, Grundstückeeiner temporären Nutzung zugänglich zu machen. Anreize fürden Eigentümer zur befristeten Überlassung des Grundstücksbieten Fördermittel für den Abbruch maroder Bausubstanzoder auch die Befreiung von der Grundsteuer.

8 Ein Beispiel für entsprechende Überlegungen findet sich imLeipziger Osten – einem Gebiet mit im Stadtvergleich über-durchschnittlichen Migrantenanteilen an der Bevölkerung.Ziel dieses angedachten Pilotprojekts des Amtes für Stadtsa-nierung wäre die gezielte, lokal begrenzte Förderung vonKleinstunternehmern ausländischer Herkunft, um endogene,selbst tragende Prozesse anzuregen (vgl. LVZ 2005). Hier wirdallerdings zu prüfen sein, inwieweit eine derartige progressiveStrategie soziale Konflikte verstärken würde.

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LHD (Landeshauptstadt Dresden; Hg.): Integriertes Stadtentwick-lungskonzept (INSEK) Teil II, Kurzfassung. Dresden 2002

LVZ (Leipziger Volkszeitung): Rathaus plant „Chinatown“. Ausgabevom 23.09.2005

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Prigge, W.: Schrumpfungspfade. In: Schrumpfende Städte, Band1: Internationale Untersuchungen, Ostfildern-Ruit 2004, S.42-47

SC (Stadt Chemnitz): Räumliches Handlungskonzept Wohnen(RHKW). Chemnitz 2000

SC (Stadt Chemnitz): Integriertes Stadtentwicklungsprogramm.Satzungsfassung vom April 2002. Chemnitz 2002

SL (Stadt Leipzig): Stadtentwicklungsplan Wohnungsbau undStadterneuerung. Rahmenbedingungen, Teilplan Wohnungs-bau, Teilplan Stadterneuerung. Beiträge zur Stadtentwicklung30. Leipzig 2000

SL (Stadt Leipzig): Kleinräumiges Monitoring des Stadtumbaus inLeipzig. Wohnungsmarktbarometer 2003. Leipzig, Dezember2003

Wiest, K./Hill, A.: Sanfte Gentrifizierung, Studentifizierung und In-seln ethnischer Konzentration in ostdeutschen Cityrandgebie-ten. Das Beispiel Leipzig. In: Raumforschung und Raumord-nung, Heft 4/2004, S.361-374

Willinger, S.: Leerstand als Möglichkeitsraum. Urbanistische Stra-tegien zur Revitalisierung in den Innenstädten. In: Informatio-nen zur Raumentwicklung, Heft 6/2005, S. 397-407

Dr. Karin Wiest, Dipl.-Geografin, ist als wissenschaftlicheMitarbeiterin in der Abteilung Deutsche Landeskunde desLeibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) in Leipzig tätig. ■