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237RRRRRaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunaumPlanunggggg 123
Karin Wiest
Reurbanisierung als Mainstreamder ostdeutschen Stadtentwicklung?Wohnungsmarkt und Planungspolitik in sächsischen Großstädten1
Nach Jahren einer massiven Suburbanisierung ist in ostdeutschen Städten etwa seit 1997 ein neuer Trend erkennbar: Mit zuneh-
menden Überangeboten auf dem Wohnungsmarkt und der Ausbildung von Mietermärkten konnten vor allem innerstädtische Alt-
baugebiete wieder Einwohnergewinne verzeichnen. Gleichzeitig nehmen sozialräumliche Differenzierungen zu, und es verbleiben
umfangreiche Stadträume, die weiterhin Einwohner verlieren. Am Beispiel der sächsischen Großstädte Chemnitz, Leipzig und Dres-
den wird aufgezeigt, wie sich individuelle Wohnstandortentscheidungen der Stadtbevölkerung und planungspolitische Strategien
der Kommunen gegenseitig zu einem Reurbanisierungstrend verstärken. Diese positive Tendenz hin zum Planungsleitbild urbaner
Verdichtungen wird allerdings stark von Fragmentierungsprozessen und der Gefahr einer zunehmenden Polarisierung der Stadt-
strukturen überlagert.
Im Kontext ökonomisch-sozialer Restrukturierungen, aber
auch angesichts demografischer Veränderungen verschärft
sich der interkommunale Wettbewerb um Investitionen
und Zuwanderungen. In diesem Zusammenhang rücken in-
nerstädtische Bereiche zunehmend in den Fokus des Inter-
esses. Reurbanisierungstendenzen spiegeln sich wider in
einer ökonomisch ausgerichteten, architektonischen und
kulturellen Inszenierung der Innenstädte sowie in stadtteil-
bezogenen Aufwertungsprozessen durch die Modernisie-
rung des Baubestandes und den Zuzug höher qualifizierter,
einkommensstärkerer Schichten in vernachlässigte Altbau-
gebiete. Andererseits weisen Bevölkerungszunahmen in den
Innenstädten ganz allgemein auf einen Bedeutungsgewinn
der urbanen Kerne hin (vgl. BMVBW 2004: 15).
Spätestens seit Ende der 1990er Jahre in ostdeutschen
Großstädten Krisenphänomene durch dramatische Ein-
wohnerverluste, wachsende Wohnungsleerstände und den
starken Mietpreisverfall unübersehbar wurden, stehen die
Kernstädte und die historischen inneren Quartiere im Mit-
telpunkt der kommunalen Planungspolitik. Mittels Rück-
bau- und Aufwertungsmaßnahmen, wie sie in den integrier-
ten Stadtentwicklungskonzepten ostdeutscher Kommunen
formuliert wurden, soll das Leitbild der Kompakten bzw.
Europäischen Stadt realisiert werden (vgl. SC 2000, SL 2000,
LHD 2002). Hier wird besonders dem innerstädtischen Woh-
nen und den historischen Strukturen als „Markenzeichen“
der Städte Priorität eingeräumt. Die Zielsetzung eines „Rück-
baus von den Rändern“, wachsende Leerstandsquoten so-
wie genossenschaftliche bzw. kommunale Eigentümerstruk-
turen2 lassen dagegen Teile der peripheren Großwohnsied-
lungen aus DDR-Zeit als prädestiniert für Abrissmaßnah-
men erscheinen (vgl. BMVBW 2001:15).
Daneben ist etwa ab 1997 in vielen ostdeutschen
Großstädten ein neuer Trend in der kleinräumigen Einwoh-
nerentwicklung erkennbar. Dieser ist in erster Linie auf das
Zusammenspiel veränderter Wohnpräferenzen und die Aus-
bildung von Mietermarktstrukturen zurückzuführen: Im
Zuge einer extrem angestiegenen Umzugshäufigkeit unter
den Bedingungen eines zunehmenden strukturellen Ange-
botsüberhangs auf dem Wohnungsmarkt konnten vor allem
attraktivere, innenstadtnahe Gebiete Wanderungsgewinne
verbuchen. Neben solchen Wachstumsinseln halten in den
weniger begünstigten Lagen und in vielen Großwohnsied-
lungen die Einwohnerverluste an (vgl. Wiest/Hill 2004: 363).
Diese Entwicklungen korrespondieren zum Teil mit einer
sozioökonomischen und kulturellen Ausdifferenzierung der
Stadtgesellschaft – Prozesse, die in der Stadtforschung un-
ter dem Begriff der Fragmentierung gefasst werden.
Vor dem Hintergrund dieses Bedeutungsgewinns der
innerstädtischen Bereiche ist zum einem von Interesse, in
welchem Maß und in welcher Form sich innerhalb schrump-
fender Städte sozialräumliche Unterschiede zwischen
Wachstumsinseln und Bereichen des Niedergangs verstär-
ken. Zum anderen ist zu fragen, welcher Stellenwert einer
„postmodernen Reurbanisierungspolitik“ (vgl. Prigge 2004:
44) zukommt und auf welche Weise Stadtumbau und sozial-
räumliche Differenzierung miteinander verbunden sind. Im
Folgenden werden Beziehungen zwischen Entwicklungen
auf dem Wohnungsmarkt und kommunalen Planungsstra-
tegien an Beispielen aus Chemnitz, Dresden und Leipzig
dargestellt.
Reurbanisierungs- und Polarisierungs-tendenzen auf dem WohnungsmarktFür die Stadtentwicklung der drei großen sächsischen Städ-
te waren unter demografischen und ökonomischen Aspek-
ten in den vergangen zehn Jahren Schrumpfungstenden-
zen bestimmend. Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 ver-
lor Dresden 9 %, Leipzig 15 % und Chemnitz 22 % seiner
Einwohner3. Seit 1998 zeichnen sich vor allem in Leipzig
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Reurbanisierung als Mainstream - Wiest
und Dresden Stabilisierungen in der Einwohnerentwicklung
ab, dies durch den Rückgang der Suburbanisierung und
Zuzüge vor allem aus anderen ostdeutschen Regionen.4
Dabei vollziehen sich durch das jeweilige Zusammenspiel
von Mobilität und natürlicher Bevölkerungsentwicklung in
den neuen Ländern zum Teil sehr unterschiedliche demo-
grafische Prozesse. Sowohl auf regionaler Ebene als auch
innerregional und innerstädtisch lassen sich zunehmend
Unterschiede zwischen kleinen Wachstumsinseln bzw. sta-
bilen Bereichen und Zonen anhaltender Einwohnerverlu-
ste und Niedergang beobachten. Verlieren die Stadtzentren
teilweise an Wohnbevölkerung, erscheinen unmittelbar an
die Citybereiche angrenzende Gebiete häufig als Gewinner
(vgl. Abb.1).
Insbesondere zentrumsnahe bzw. traditionell „gehobe-
ne“ Altbauquartiere sowie Stadtteile, in denen sich Hoch-
schuleinrichtungen befinden, lassen deutliche Einwohner-
zuwächse erkennen. So sind trotz einer gesamtstädtisch
weiterhin bestehenden Leerstandsproblematik in den am
stärksten nachgefragten, gründerzeitlichen Cityrandvierteln
– wie z. B. der Südvorstadt in Leipzig, der Äußeren Neu-
stadt in Dresden und dem Kaßberg in Chemnitz – erste Ver-
knappungstendenzen auf dem Wohnungsmarkt feststell-
bar. Dabei dominieren Zuzüge jüngerer, höher qualifizierter
und teilweise auch einkommensstärkerer Haushalte (vgl.
Wiest/Hill 2004, Glatter 2005). Die gesamtstädtisch zu be-
obachtende, langsam etwas größer werdende Spanne bei
den Mietpreisen auf unterschiedlichen Wohnungsmarkt-
segmenten ist Spiegelbild lokaler Nachfragepräferenzen
und eine erste Folge sozialräumlicher Differenzierungspro-
zesse.
In Gesprächen mit in Leipzig ansässigen Immobilien-
maklern, die im Rahmen eines von der Deutschen For-
schungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projektes5 Ende
2004 geführt wurden, wurde auf dem Teilmarkt sanierter
Altbauwohnungen eine Tendenz zur Normalisierung kon-
statiert. Diese zeige sich unter anderem darin, dass das vor
eineinhalb, zwei Jahren nicht mehr für möglich Gehaltene
heute wieder vermehrt stattfinde: direkte Anschlussvermie-
tungen und Provisionszahlungen an den Makler. Bis vor we-
nigen Jahren noch als unvermietbar geltende Wohnungen,
z. B. an den Ausfallstraßen, können in beliebten Vierteln be-
reits wieder zu Mieten von 5 EUR/qm angeboten werden.
Bei optimalem Makro- und Mikrostandort, Wohnungszu-
schnitt sowie Ausstattung der Wohnung steigt der Qua-
dratmeterpreis mittlerweile nicht selten auf 7 EUR und mehr
– ein Preis, der unter Berücksichtigung von Bausubstanz
und Sanierungsniveau im Vergleich mit vielen westdeut-
schen Kommunen allerdings immer noch niedrig erscheint.
Den Stadtteilen mit Wachstumsraten stehen jedoch
weiterhin Quartiere mit erheblichen Leerständen und un-
genutzten Altindustrieflächen gegenüber, die einen Prozess
Abb. 1: Einwohnerentwicklung in sächsischen Großstädten 2002 bis2004, Programmgebiete „Soziale Stadt“ [Quelle: Statistische Ämter derStädte, eigene Darstellung]
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Wiest - Reurbanisierung als Mainstream
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des Niedergangs markieren. So sind für Misch- und ehema-
lige Arbeiterviertel mit einfacher Bausubstanz und Indus-
triebrachen oft eine ausgeprägte Leerstandsproblematik
und zum Teil anhaltende Einwohnerverluste prägend. Die
entsprechenden Wohnungsmarktsegmente werden nach
wie vor von Dumpingpreisen bestimmt. Allerdings weisen
in jüngster Zeit zu beobachtende deutliche punktuelle Ein-
wohnerzuwächse bzw. kleine Stabilitätsinseln innerhalb ein-
zelner einfacherer Quartiere der Gründerzeit und altindus-
triell geprägter Mischgebiete auf einen potenziellen Image-
wandel hin (vgl. Wiest/Hill 2004). Eine Initialzündung für
derartige Prozesse geht oft vom Vorhandensein einer für
spezifische Nachfrager baulich-historisch interessanten Sub-
stanz aus. Besonders eindrucksvoll zeigt dies beispielsweise
die neue kulturelle Inwertsetzung entindustrialisierter Ge-
bäudekomplexe in Leipzig-Plagwitz: zum einen erfolgreiche
Umnutzung der einstigen Baumwollspinnerei zu einem über-
regional bekannten Galerie- und Kunstzentrum; zum an-
deren Schaffung hochwertiger, innenstadtnaher Loftwoh-
nungen in den ehemaligen Buntgarnwerken (vgl. Abb. 2).
Aufwertungsprozesse in Form einer soziokulturellen Be-
lebung beziehen sich meist auf kleine städtische Teilgebiete.
Dabei bewirken sie letztlich auch eine Vervielfältigung so-
zialräumlicher Differenzierungen, die in eine zunehmende
Hierarchisierung sowie eine soziale Polarisierung des Raum-
gefüges münden können. Mit der kleinräumig sehr unglei-
chen Bevölkerungs- und Leerstandsentwicklung nimmt das
Bild der „Perforierten Stadt“ zwar bereits sehr reale, aber
nicht zwangsläufig planungspolitisch gewünschte Formen
an. Darüber hinaus geben überdurchschnittliche Arbeitslo-
sen- und Sozialhilfeempfängerquoten in einigen einfache-
ren Altbauquartieren und einigen Neubaugebieten des
DDR-Wohnungsbaus Hinweise auf die Gefahr einer zuneh-
menden räumlichen Konzentration sozial Benachteiligter.
Die ungünstige Entwicklung des Arbeitsmarktes macht wei-
tergehende gesellschaftliche Polarisierungstendenzen mit
einer Verfestigung sozialer Problemlagen in bestimmten
Quartieren wahrscheinlicher.
Weitere Aspekte sozialräumlicher Differenzierung be-
treffen die Frage nach einer zunehmenden Bedeutung der
Alterssegregation. Insgesamt besteht die Gefahr einer wach-
senden Diskrepanz zwischen den zentralen, imageträchti-
gen Bereichen mit attraktiven Wohn- und Versorgungsan-
geboten für die jüngere, beruflich aktive und ökonomisch
gesicherte Stadtbevölkerung und peripherer gelegenen, zu-
nehmend funktions- und bevölkerungsentleerten Stadträu-
men, in denen außerhalb des Erwerbslebens Stehende und
ältere Stadtbewohner zurück bleiben. Vor diesem Hinter-
grund wird im Folgenden der Frage nachgegangen, welcher
mögliche Einfluss zur Steuerung sozialräumlicher Differen-
zierung den vorhandenen planungspolitischen Leitbildern
und Handlungskonzepten zukommt.
Stadtentwicklungsplanung –Krisenmanagement oder Innovationsfabrik?Bis weit in die 1990er Jahre waren Städtebau- und Stadt-
planungspolitik in Ostdeutschland auf Wachstum orientiert.
Neben dem Ausbau der Infrastruktur wurden unter ande-
rem Wohn- und Gewerbegebiete am Stadtrand großzügig
ausgewiesen. Gleichzeitig ist durch die Festlegung zahl- und
umfangreicher innerstädtischer Sanierungsgebiete die Wie-
derbelebung von innenstadtnahen Wohnquartieren und
Citybereichen initiiert worden (vgl. BMVBW 2005: 13, LHD
2001: Teil 2: 3; Denzer 2002). Anhaltende demografische und
ökonomische Schrumpfungsprozesse zwangen die ostdeut-
schen Kommunen, ihre Prioritätensetzung von der Stadt-
erweiterung hin zur Stadterneuerung und zum Stadtumbau
zu verlagern.
Das im Jahr 2001 ins Leben gerufene Bund-Länder-Pro-
gramm „Stadtumbau Ost“ – als Reaktion auf die wachsen-
den Probleme des Wohnungsleerstandes, Mietpreisverfalls
und damit unmittelbar in Zusammenhang stehende Stadt-
entwicklungsprobleme – markiert diesen Prozess des Um-
denkens. Es verknüpft in seiner Zielsetzung explizit städte-
bauliche und wohnungswirtschaftliche Belange. Die Stär-
kung der Innenstädte und die ökonomisch und ökologisch
begründete Priorität des innerstädtischen Wohnens sind
zentrale Anliegen, die über die Gewährung von Fördermit-
teln für Modernisierung und Instandsetzung forciert wer-
den sollen. Darüber hinaus ist die Investitionszulage für
Mietwohnungen des innerstädtischen Altbaus sowie be-
stimmter denkmalgeschützter Bauten erhöht worden (vgl.
Jurczek/Köppen 2005: 62).
Die als Voraussetzung für die Förderung entwickelten
Integrierten Stadtentwicklungskonzepte (INSEK) ostdeut-
scher Kommunen orientieren sich an den Leitbildern der
Europäischen, der Kompakten oder der Perforierten Stadt.
Im Unterschied zum Leitbild der Europäischen Stadt, das
die Wiederherstellung des historischen Stadtbildes in den
Mittelpunkt rückt, beweist das Modell „Perforierung“ – mit
Abb. 2: Buntgarnwerke in Leipzig-Plagwitz [Foto: A. Hill]
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Reurbanisierung als Mainstream - Wiest
seiner Koexistenz von verdichteten und ausgedünnten Be-
reichen – vor allem Mut zur Lücke. Der Zwang zur Mittel-
bündelung, zur Prioritätensetzung und die Bereitschaft, ei-
nen neuen Stadttypus zu formen, sind darin bereits enthal-
ten. Dichte, als zentrales Merkmal der Europäischen Stadt
und als Voraussetzung für Urbanität, kann die perforierte
Patchwork-Stadt mit ihren heterogenen Fragmenten nur
noch in wenigen Teilbereichen vorweisen (Oswald et al.
2002: 57). Gemeinsam ist den Integrierten Stadtentwick-
lungskonzepten die Wertschätzung historischer, innerstäd-
tischer Strukturen und der Versuch, diese wiederzubeleben.
Zur Stärkung der Innenstadt durch Verdichtung und Nut-
zungsmischung sollen besonders die Außenbereiche zu-
rückgebaut werden.
Neben den konventionellen Programmen versuchen die
Städte aber auch durch differenzierte, innovative Einzel-
maßnahmen die Entwicklung im Sinn der dargestellten Leit-
bilder zu steuern. Vor allem diese kreativen Elemente und
Bausteine lassen die ostdeutsche Stadtentwicklungsplanung
als Vorreiter im Umgang mit den gewandelten Rahmenbe-
dingungen demografischer und ökonomischer Stagnation
und Schrumpfung erscheinen. So versuchen die Kommunen
mit unterschiedlichen Methoden, vorwiegend innerstädti-
sche ungenutzte Gebäude und Brachen für Aneignungspro-
zesse der Bewohner zugänglich zu machen. Ziel ist es, auf
diese Weise die Identität der Bewohner mit ihrem Stadtteil
zu stärken, die Quartiere zu stabilisieren und zu beleben.
Die Maßnahmen reichen von der verstärkten Förderung der
Eigentumsbildung bis hin zur Lockerung der Eigentumsre-
gelungen. Neue Bevölkerungsgruppen als Nachfrager nach
Wohneigentum auf dem innerstädtischen Wohnungsmarkt
sollen unter anderem durch den Neubau von Einfamilien-
häusern in möglichst zentralen Lagen angesprochen wer-
den. Hier ist z. B. der Bau so genannter Stadthäuser auf in-
nenstadtnahen Brachflächen oder Baulücken in Leipzig zu
nennen (vgl. Abb. 3). Selbstnutzer-Programme unterstüt-
zen die Eigentumsbildung in unsanierten denkmalge-
schützten Altbau-
ten und Stadtvil-
len, indem Kauf-
interessenten zu-
sammengebracht
und durch Mode-
ratoren begleitet
werden6. Zielgrup-
pen dieser Maß-
nahmen sind be-
sonders jüngere,
finanzkräftigere Haushalte. Allerdings ist in der Bevölkerung
die Neigung zur Eigentumsbildung gerade unter den Be-
dingungen von Mietermärkten mit ihren umfangreichen
Wohnangeboten zu günstigen Mieten sowie angesichts
hoher Arbeitslosigkeit und geringen Privatvermögens nur
schwach ausgeprägt. Eine weitere Einschränkung ist darin
zu sehen, dass Eigentümerprojekte vor allem in attraktive-
ren, in der Regel bereits relativ stabilen Teilräumen reali-
sierbar sind (vgl.
Abb. 4). Bei Objek-
ten in instabile-
ren, problembe-
hafteten städti-
schen Strukturen
sind entsprechen-
de Zielsetzungen
jedoch sehr viel
schwieriger umzu-
setzen. Hier grei-
fen deshalb stärker Maßnahmen, die an eine Lockerung
der Eigentumsstrukturen gebunden sind.7 So wird unter an-
derem versucht, über eine künstlerische Inszenierung von
Brachflächen Leerräume aufzuwerten und positiv als Mög-
lichkeits- und Freiräume an die Stadtbevölkerung zu ver-
mitteln.
Diese Beispiele machen deutlich, dass kulturellen In-
wertsetzungen und symbolischen Zuschreibungen an städ-
tische Teilräume vor dem Hintergrund einer kommunalen
Schrumpfungsproblematik ein besonderer Stellenwert zu-
kommt. Im Sinn von Identifikationswerten können sie als
endogene Potenziale für die Quartierstabilisierung von er-
heblicher Relevanz sein (vgl. Göschel 2003: 10).
Individuelle Stadtentwicklungsstrategiender drei sächsischen MetropolenVor dem Hintergrund von Deindustrialisierung und wirt-
schaftlicher Rezession, zunehmender interurbaner Konkur-
renz und den Problemen des demografischen Schrump-
fens müssen kommunale Planungsstrategien gegenwärtig
in erster Linie als eine Form des Krisenmanagements ver-
standen werden. Der Zwang zur Vermarktung der Stadt als
Ausdruck der politisch-ökonomischen Verhältnisse spie-
gelt sich im postmodernen Stadtumbau. Großprojekte, die
Bewerbung um Sport- und Kulturevents sowie die Insze-
nierung traditioneller Stadtkerne als Bühne für den Kon-
sum und als Kulisse, um Investoren und Unternehmer an-
zuziehen, sind Antworten der Stadtentwicklungspolitik auf
den Übergang von Industrie- zu Dienstleistungsmetropo-
len, von fordistischen zu postfordistischen Strukturen. Ent-
sprechende Strategien finden sich in den drei sächsischen
Großstädten in unterschiedlicher Akzentuierung und un-
ter verschieden Bedingungen wieder:
- In Chemnitz wird mit der Schaffung eines „neuen“ Zen-
trums als „Herz der Stadt“, das als „historischer, kulturel-
ler und vitaler Mittelpunkt“(SC 2002: 19) entwickelt wer-
den soll, eine vorwiegend ökonomisch ausgerichtete
Abb. 3: Neue Stadthäuser in Leipzig [Foto: A.Hill]
Abb. 4: Realisierung hochwertiger Eigentums-wohnungen in repräsentativen Altbauten inder Leipziger Mozartstraße [Foto: A. Hill]
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Revitalisierungsstrategie verfolgt (vgl. Denzer 2002: 269).
Neben einem Rückbau auf der einen Seite bedeutet dies
auf der anderen Seite einen wachstumsorientierten Aus-
bau der Innenstadt: für geeignete Gewerbeflächen, Wohn-
eigentum und Infrastruktur (vgl. SC 2002: 4). Erste Erfolge
lassen sich in den seit 2002 erstmals wieder ansteigen-
den Bewohnerzahlen im Zentrum der Stadt Chemnitz er-
kennen, welches seit der Wiedervereinigung durch star-
ke Einwohnerverluste gekennzeichnet war (vgl. Abb.1).
- In Dresden wird dem Aufbau der historischen Innenstadt
mit einer unverwechselbaren Stadtsilhouette, der Her-
stellung eines attraktiven Zentrums und der Profilierung
als Kunst- und Kulturstadt absolute Priorität eingeräumt
Im Mittelpunkt dieser Schwerpunktsetzung steht beson-
ders die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt (vgl.
LHD 2002: 7). Gleichzeitig werden positive Effekte im
Wettstreit um Investoren erwartet.
- Der Versuch, die Olympischen Spiele 2012 nach Leipzig
zu bringen, ist ein Beispiel für die Bemühungen, die
Stadt nach dem weitgehenden Verlust der industriellen
Basis zu einer postindustriellen Dienstleistungsmetropole
umzubauen. Mit „kompakten Spielen“ und „Spielen der
kurzen Wege“ sollte der Nachhaltigkeit Rechnung getra-
gen werden und der Altbaubestand als wesentliche Res-
source im Sinn der Stadtentwicklung eingebracht wer-
den. Ebenso spiegelt das in Leipzig entwickelte Konzept
der „Neuen Gründerzeit“ eine Stadtplanungspolitik wider,
die sich am Erhalt der historischen Bausubstanz als wert-
vollem Potenzial orientiert – und dies nicht zuletzt im
interkommunalen Wettbewerb.
Die Tendenzen der Stadtentwicklungspolitik, sich auf
imageträchtigere Projekte zu fokussieren, bergen die Ge-
fahr, zunehmenden sozialräumlichen Fragmentierungen
zu wenig entgegenzusetzen. Die Zielsetzungen, einer sozi-
alräumlichen Polarisierung entgegenzuwirken sowie
durch Verfall und soziale Erosion bedrohte Stadtteilen zu
stabilisieren, sind zwar im Programm „Stadtumbau Ost“ ex-
plizit formuliert (vgl. BMVBW 2005: 20, 72). Hier wird vor al-
lem erwartet, dass durch den Abbau des Überangebotes
auf dem Wohnungsmarkt Segregationsprozesse entschleu-
nigt werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welchen Ef-
fekt die Konzentration der Fördermittel in Erhaltungs- und
Umstrukturierungsgebieten auf soziale Polarisierungsten-
denzen ausübt.
In der im Stadtentwicklungsplan Leipzig vollzogenen
Ausweisung von „Umstrukturierungsgebieten ohne Hand-
lungspriorität“ und der damit eingeräumten Akzeptanz des
Verfalls in diesen Bereichen spiegelt sich bereits die Not-
wendigkeit wider, einzelne Teilräume aufzugeben, und da-
mit die Abkehr vom Ziel der Herstellung gleichrangiger Le-
bensverhältnisse. Wesentliches Förderinstrument, das einer
sozialen und räumlichen Spaltung in Städten entgegenwir-
ken soll, ist das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“. So-
wohl in Leipzig (Leipziger Osten) und Dresden (Prohlis) als
auch in Chemnitz (Limbacherstraße, Heckertgebiet) werden
Teilräume in unterschiedlicher Intensität auf diese Weise ge-
fördert (vgl. Abb.1).
Dabei werden differenzierte Strategien gefahren, um
in Gebieten mit problematischen Entwicklungen eine effi-
ziente Mittelbündelung zu erreichen, eine Stabilisierung so-
wie endogene Entwicklungen in die Wege zu leiten. Dass
hier zunehmend unkonventionelle Wege beschritten wer-
den, zeigen beispielsweise auch Überlegungen, eine Ver-
dichtung ethnischer Gruppen in städtischen Teilräumen als
Potenzial verwaister Gebiete zu betrachten und auf diese
Weise den Zielen einer Wiederbelebung und Reurbanisie-
rung näher zu kommen8.
AusblickDie kompakte Stadt ist vor dem Hintergrund abnehmen-
der Bevölkerungszahlen und knapper werdender Finanz-
mittel das zentrale Leitbild der Stadtentwicklung (vgl.
Jurczek/Köppen 2005: 46). Dabei deutet einiges darauf hin,
dass sich die individuellen Wohnstandortentscheidungen
der Stadtbevölkerung und die planungspolitischen Strate-
gien der Kommunen gegenseitig zu einem zunehmenden
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Reurbanisierung als Mainstream - Wiest
Reurbanisierungstrend verstärken. Diese positive Tendenz
hin zu urbanen Verdichtungen wird allerdings stark von
Fragmentierungsprozessen überlagert. Dabei wird immer
deutlicher, dass die vorwiegend städtebaulichen und woh-
nungswirtschaftlichen Maßnahmen zunehmend durch die
Berücksichtigung sozialer und gesellschaftlicher Sachver-
halte erweitert werden müssen. Indem die Stadtentwick-
lungsplanung vorrangig die Revitalisierung der inneren Alt-
bauquartiere unterstützt, entstehen einerseits aufwändig
rekonstruierte Stadtzentren zur Wahrung städtischer Iden-
tität. Andererseits besteht aber die Gefahr, dass zunehmend
vernachlässigte, periphere Zonen von der gesamtstädti-
schen Entwicklung abgekoppelt werden.
Insgesamt deutet sich in der Verengung der kommu-
nalen Handlungsspielräume ein Wandel in der Planungs-
praxis an: Die Ziele der Herstellung gleichwertiger Lebens-
bedingungen sowie der sozialen Durchmischung innerhalb
von Städten und Stadtquartieren sind immer schwerer
bzw. nicht mehr einzulösen. Die unterschiedlichen Zonen
der perforierten, fragmentierten Patchworkstadt sind in
diesem Sinn nicht nur aus städtebaulicher, wohnungswirt-
schaftlicher oder landschaftsplanerischer Sicht zu behan-
deln, sondern zunehmend als vielgestaltige soziale Pro-
blemfelder.
Anmerkungen1 Für kritische Anmerkungen zu einer ersten Fassung des Manu-
skripts danke ich Vera Denzer.2 Da Abrissmaßnahmen mitwirkungsbereite Eigentümer und
die Einigung auf gemeinsame Ziele voraussetzen, sind sie ten-denziell umso leichter durchsetzbar, je mehr Gebäude bzw.Wohneinheiten in der Hand eines bzw. weniger Eigentümerliegen. Da der Abriss Angebot und Nachfrage ins Gleichge-wicht bringen und die Renditeerwartungen für die verblei-bende Bausubstanz verbessern soll, sind Eigentümer mit grö-ßeren Besitzständen in der Regel eher Nutznießer dieser Maß-nahmen. Abgesehen davon haben die kommunalen und ge-nossenschaftlichen Besitzer der Wohnungsbestände in denGroßwohnsiedlungen die Möglichkeit, mit dem Erlass von“Altschulden“ für abgerissenen Wohnraum unmittelbar finan-ziell von Rückbaumaßnahmen zu profitieren.
3 Die eingemeindeten Ortsteile sind hier bereits bei allen dreiStädten herausgerechnet.
4 Allerdings wird für die Zeit nach 2010 auf Grund des Gebur-teneinbruchs nach der Wende von 1989 eine erneute Wellevon Einwohnerverlusten prognostiziert, die alle ostdeutschenStadtregionen treffen wird.
5 von 2002 bis 2004 gefördertes und am Leibniz-Institut für Län-derkunde e. V. (IfL) bearbeitetes Projekt zum Thema „Segrega-tion und Gentrification in der schrumpfenden Stadt? EineLängsschnittanalyse in Leipziger Altbaugebieten“
6 mehr hierzu im Internet unter: www.selbstnutzer.de7 Gestattungsvereinbarungen, wie sie zurzeit auf Brachflächen
in Leipzig angewendet werden, haben zum Ziel, Grundstückeeiner temporären Nutzung zugänglich zu machen. Anreize fürden Eigentümer zur befristeten Überlassung des Grundstücksbieten Fördermittel für den Abbruch maroder Bausubstanzoder auch die Befreiung von der Grundsteuer.
8 Ein Beispiel für entsprechende Überlegungen findet sich imLeipziger Osten – einem Gebiet mit im Stadtvergleich über-durchschnittlichen Migrantenanteilen an der Bevölkerung.Ziel dieses angedachten Pilotprojekts des Amtes für Stadtsa-nierung wäre die gezielte, lokal begrenzte Förderung vonKleinstunternehmern ausländischer Herkunft, um endogene,selbst tragende Prozesse anzuregen (vgl. LVZ 2005). Hier wirdallerdings zu prüfen sein, inwieweit eine derartige progressiveStrategie soziale Konflikte verstärken würde.
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Dr. Karin Wiest, Dipl.-Geografin, ist als wissenschaftlicheMitarbeiterin in der Abteilung Deutsche Landeskunde desLeibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) in Leipzig tätig. ■