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Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Institut für Komposition und Elektroakustik Mikrotonalität als Nebenelement und als integraler Bestandteil von Komposition Künstlerische Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Magister artium“ vorgelegt von Oguz Usman Betreut von Johannes Kretz und Michael Jarrell Wien 2008

Mikrotonalität – als Nebenelement und als integraler Bestandteil von Komposition

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Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Institut für Komposition und Elektroakustik

Mikrotonalität – als Nebenelement und als integraler Bestandteil von Komposition

Künstlerische Diplomarbeit zur Erlangung des

akademischen Grades „Magister artium“

vorgelegt von Oguz Usman

Betreut von Johannes Kretz und Michael Jarrell

Wien 2008

2

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort 3

I – Mikrotonalität als Nebenelement von Komposition 5

II – Mikrotonalität als integraler Bestandteil von Komposition 13

Nachbemerkung 35

Literaturverzeichnis 36

Anhang: Notenbeispiele 37

3

Vorwort

Der Begriff „Mikrotonalität“ wird heutzutage eher für die Markierung eines Bereichs

in der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts verwendet. Ein Bereich also, der sich von

den anderen aus musikphilosophischen, musiktheoretischen und musikästhetischen

Aspekten unterscheidet. Im Laufe meiner Forschung über dieses Thema ist es für

mich insofern immer schwieriger geworden, die Grenzen dieses Bereichs sowohl

praktisch als auch historisch genauer zu bestimmen, als man in jedem Werk aus jeder

beliebigen Epoche die Zeichen der Mikrotonalität finden kann.

Allein die Definition der Mikrotonalität erweist sich als problematisch. Sucht man die

Definition der Mikrointervalle in einem kleinen Wörterbuch der Musik, findet man

oft Zeilen wie „kleinere Intervalle als Halbtöne“. Diese Definition scheint Manfred

Stahnke jedoch unakzeptierbar zu sein: „Wenn ich sage: Mikrotöne sind alle die

Töne, die zwischen den 12 temperierten Tönen unserer Skala liegen, dann würde

jedes klassische Orchesterstück, jedes Streichquartett, jedes Chorstück mikrotonal

sein.“1 In fast jedem Schritt bin ich ähnlichen Problemen gegenübergestanden und

habe versucht, eher das Problem selbst als die Lösung offenkundig zu machen, indem

ich die betreffenden Überlegungen oder Feststellungen bedeutender Persönlichkeiten

mithilfe der ausgewählten Literatur in Dialog oder Diskussion bringe. Aus diesem

Grund beschäftigt sich die folgende Arbeit neben der Behandlung der Mikrotöne als

Stilrichtung auch stark mit den problematischen Aspekten dieses Bereichs.

Trotz aller Definitionsschwierigkeiten habe ich mich darum bemüht, Mikrotonalität in

zwei Kapiteln zu beobachten. Das erste Kapitel (Mikrotonalität als Nebenelement von

Komposition) zielt darauf, die Gründe und die Wirkungen des Einsetzens

mikrotonaler Elemente in ein nicht mikrotonal beschreibbares Stück beziehend auf

handwerkliche und akustische Aspekte mit Notenbeispielen ausgewählter Stücke zu

untersuchen. Das zweite Kapitel übernimmt die Aufgabe, einen Einblick in die

historische und technische Entwicklung der Mikrotonalität in verschiedenen

1 Manfred Stahnke, Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.125.

4

Richtungen und Ansatzpunkten zu gewähren und dies in einer Auseinandersetzung

mit den Aussagen bedeutender Persönlichkeiten zu diskutieren.

Obwohl ich mich mit der mikrotonalen Musik des zwanzigsten Jahrhunderts befassen

wollte, schien es mir an einigen Stellen unmöglich zu sein, das Thema zu

vervollständigen, ohne auf die Geschichte zurückzugreifen. Anmerken möchte ich

auch, dass ich im zweiten Kapitel wegen der Kürze der Arbeit auf werkanalytische

Untersuchungen verzichten musste, um das Thema von möglichst mehreren Aspekten

– ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zu erforschen.

5

I – Mikrotonalität als Nebenelement von Komposition

Hans Zender gibt in einem Artikel über Mikrotonalität als Beispiel folgende zwei

Grundhaltungen, welche von den Komponisten des 20. Jahrhunderts bei der

Behanglung von Mikrotonalität eingenommen werden:

„Was die Szene der neuen Musik angeht, so ist die Auffassung der Mikrointervalle unterschiedlich. Eine Gruppe betrachtet mikrotonale Veränderung eines Tons als Änderung der Klangfarbe, wobei das Wort «Farbe» hier als Metapher für einen im Grunde räumlichen Vorgang dient: hört man die gleiche Tonhöhe in immer größerer räumlicher Entfernung, so erscheint sie als zunehmend tiefer intoniert. Dies hängt mit den Deformationen ihrer spektralen Struktur zusammen, die sie auf ihrem Weg zum Ohr erleidet. Die andere Gruppe denkt strukturell, begnügt sich aber meistens mit der Übertragung serieller oder sonstiger modellartiger Ordnungen auf mikrotonale Skalen, wobei die Fatalität der zwölftönigen Temperatur natürlich nicht verschwindet, sondern sich potenziert.“2

Die erstgenannte Gruppe, welche die Verwendung der mikrotonalen Elemente als

Änderung der Klangfarbe betrachtet, ist vermutlich ein sehr breites Thema, weil die

Änderungen an der Klangfarbe und deren Ziele und Wirkungen unzählbar sind.

György Ligeti selbst äußert sich zu seinem Werk Ramifications im Einführungstext

zur Uraufführung der Orchesterfassung 1969 folgendermaßen:

„Aufführungstechnisch wird dies dadurch ermöglicht, dass die Hälfte der Streichinstrumente um einen Viertelton tiefer gestimmt ist. Die Musik ist jedoch nicht konsequent vierteltönig, denn durch unwillkürliche Intonationsunterschiede beim Greifen der Saiten entstehen Tonhöhenfluktuationen, so dass man fast nie exakte Vierteltonabstände hört, sondern kleinere oder größere mikrotonale Abweichungen.“3

Hier spricht man also von „mikrotonalen Abweichungen“, nicht von klar hörbaren

mikrotonalen „Abständen“ oder „Intervallen“. Davon ausgehend komme ich zur

Schlussfolgerung, dass Ligeti die Mikrotonalität als Materie (als Mittel zum Zweck)

verwendet, die ihn zu einem anderen Ziel bringen soll. Ähnlicherweise erklärt er in

den Spielanweisungen zu seinem zweiten Streichquartett, dass es mit den

2 Hans Zender,Gegenstrebige Harmonik (2000), in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.169f.

3 György Ligeti, Ramifications, in: György Ligeti/Monika Lichtenfeld (Hrsg.): GesammelteSchriften,2Bd.,VeröffentlichungderPaulSacherStiftung,SchottMusikGmbH&Co.KG,Mainz2007,Bd.2,S.254.

6

mikrotonalen Vorzeichen keine Vierteltöne gemeint sind, sondern nicht genau

festgelegte Abweichungen, die den Vierteltonabstand als Maximum erreichen

können.4 Hier möchte ich eine Stelle aus dem zweiten Satz von Ligetis Streichquartett

Nr.2 (Notenbeispiel Nr.1) diesbezüglich deuten.

In T. 28 beginnen alle Streichinstrumente nacheinander e¹ zu spielen (der Reihe nach

2. Violine, Viola, Cello und 1. Violine). Im folgenden Takt hört man das rein

intoniertes e¹ gleichzeitig zuerst in der 1. und 2. Violine mit dem ein wenig tiefer

intonierten e¹, nachher auch mit dem ein wenig höher intonierten e¹ zusammen. Wenn

man die Spielanweisungen in Betracht zieht, wird es auch klar, dass das ein wenig

tiefer intonierte e¹ bei der 1. und 2. Violine auch unterschiedlich sein wird, weil es

sich hier um eine nicht genau festgelegte Abweichung des Tons handelt, und das

muss bei jedem Spieler anders zustande kommen. Das resultiert eine Art Dekadenz5

eines Tons und schließlich Änderung der Klangfarbe.

Noch ein gutes Beispiel wäre Adriana Hölszkys A due. Wellenstudie für 2 Es-

Klarinetten T. 35f (Notenbeispiel Nr.2). Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel ist

hier die Bedeutung des Vierteltonabstands nicht verloren, sondern er dient als ein

klares Element zur Klangfarbenänderung. Meiner Meinung nach ähnelt diese Stelle

einem breiten und dichten Vibrato, jedoch ist das Geschehen zwischen Anfangs- und

Endtönen nicht rund und glissandoartig, sondern hin und her springend und eckig.

Der Tritonus zwischen beiden Klarinettenstimmen bleibt erhalten und die Stimmen

bewegen sich parallel. Durch die Bewegung des Intervalls um einen Viertelton

verliert man das Orientierungsgefühl.

Wenn wir auf das Zitat Hans Zenders nochmals zurückgreifen, finden wir dort noch

einen Punkt, dessen Berührung hier bedeutend sein sollte. Die Änderung der

Klangfarbe durch mikrotonale Veränderung eines Tons betrifft also nicht nur die

Klangfarbe, sondert auch die Wahrnehmung der räumlichen Entfernung – nicht

unbedingt, aber doch möglicherweise.

4vgl.GyörgyLigeti,StreichquartettNr.2,Studien-Partitur,EditionSchott6639,B.Schott’sSöhne,Mainz,1971,Spielanweisungen,NotationdermikrotonalenTonhöhenabweichungen.

5 vgl. György Ligeti, Ramifications, in: György Ligeti/Monika Lichtenfeld (Hrsg.): GesammelteSchriften,2Bd.,VeröffentlichungderPaulSacherStiftung,SchottMusikGmbH&Co.KG,Mainz2007,Bd.2,S.254.

7

Der 1842 vom österreichischen Physiker und Mathematiker Christian Doppler

vorausgesagte und nach ihm benannte Doppler-Effekt beschäftigt sich mit diesem

akustischen Phänomen. Donald E. Hall beschreibt den Doppler-Effekt

folgendermaßen:

„Stellen Sie sich einen Düsenjäger vor, der niedrig über Sie hinwegfliegt, oder einen Lastwagen, der an der Landstraße an Ihnen vorbeirauscht. Dabei ist Ihnen sicher schon mal aufgefallen, dass sich der relativ hohe Ton von dem sich nähernden Düsenjäger oder Lastwagen in einen tieferen verwandelt, sobald die Schallquelle an Ihnen vorbei ist. Diese Veränderung der Tonhöhe infolge Bewegung der Schallquelle wird als Doppler-Effekt bezeichnet. Er hat praktisch keinerlei musikalische Bedeutung, aber er ist ein weiteres interessantes Beispiel für das Verhalten von Schallwellen im allgemeinen und außerdem leicht verständlich.“6

Ich muss dem Autor leider über einen Punkt widersprechen. Ich bin damit nicht

einverstanden, dass dieses Phänomen keinerlei musikalische Bedeutung hat. Denke

man an die Stücke – wie Marco Stroppas Hommage à György K. für Klarinette, Viola

und Klavier –, in welchen die Positionierung der Instrumente auf oder hinter der

Bühne eine riesige Rolle spielt, kann man leicht feststellen, dass auch der Doppler-

Effekt für die praktische Seite der Musik wichtige Bedeutung haben kann. Meine

Frage ist dann, ob es möglich wäre, eine Simulation dieses Phänomens umgekehrter

Weise zu realisieren. Mit anderen Worten, könnte man durch die Erhöhung oder

Erniedrigung der Frequenz und/oder durch die Vergrößerung oder Verkleinerung der

Amplitude eines Tons das Gefühl der räumlichen Entfernung oder Annäherung

schaffen?7

Die Antwort darauf bleibt offen. Aber in demselben Stück von Adriana Hölszky ist

eine passende Stelle zu finden, die überlegungswert ist, zwar in T. 34 (Notenbeispiel

Nr.2): Die Glissandi in Vierteltonabständen laufen parallel in den beiden

Klarinettenstimmen. Eine besondere Aufmerksamkeit zieht sich die Dynamik. Wenn

die Stimmen nach unten glissandieren, hängt das immer mit einem Decrescendo

ausschließlich mit einer leiseren Dynamik zusammen. Ebenfalls wenn das Glissando 6DonaldE.Hall,MusikalischeAkustik,Hrsg.vonJohannesGoebel,ausdemAmerikanischenvonThomasA.Troge,SchottMusikInternational,Mainz,1997,S.80f.Anmerkung:FürdiegenauereErklärungdesDoppler-Effektss.ebd.S.81f.

7 In elektronischer Musik gibt es eine Reihe von Beispielen für die Simulation des Doppler-Effekts: z.B. JohnChowningsTurenas (1972)undSabelithe (1971).Da ichmeineForschungaufden Bereich instrumentaler Musik konzentrieren möchte, lasse ich die Experimente inelektronischerMusikaußerBetracht.

8

nach oben ausgeführt wird, verfolgt das ein Crescendo und endet mit einem lauteren

Dynamik. Dadurch könnten die räumliche Entfernung und Annäherung simuliert

werden.

Eine spezifische Behandlung der mikrotonalen Elemente findet man auch im zweiten

Satz aus Giacinto Scelsis laut Werkkatalog 1954 entstandenem Werk Tre pezzi für

Es-Klarinette (Notenbeispiel Nr.3). Nur von der Notation der Vierteltöne kann man

leicht merken, dass die mikrotonalen Elemente in diesem Stück als zusätzliche

Färbungs- bzw. Verzierungselemente eingesetzt werden.

„Bei der nicht sehr gebräuchlichen Vierteltonnotation, die Scelsi hier noch benutzte, markiert der Pfeil nach unten jeweils nur genau die Note, ab der die in eckigen Klammern angegebene Tonhöheninformation – Erhöhung (4° di Tono +) oder Erniedrigung (4° die Tono -) um einen Viertelton bzw. wieder „normale“ Tonhöhe (guisto oder g.) – gilt.“8

Sie wirken als die klangliche Erweiterung einer Grundlinie. „Die große Melodielinie

wird verziert und feiner gegliedert durch Vierteltöne, Vorschläge, schnelle

Tongruppen, Glissandi usw.“9

Ich glaube, hier ist noch eine Funktion der Verwendung der Mikrotonalität in diesem

Stück zu benennen: Verdeutlichung der Zentralisierung eines Tons, in dem der Raum

um den Ton verengt und dadurch die Dissonanzspannung erhöht wird (besonders des

lang gehaltenen zentralen Tons d²)10. So z.B. auf der letzten Seite des Satzes wird die

Zentralisierung des Tons d² im fünften System durch den zwischen zwei lang

gehaltene d² kommenden, um einen Viertelton erhöhten cis² verstärkt, indem der

klangliche Raum um das d² verkleinert wird. Genau dieselbe Funktion hat die

mikrotonale Veränderung der Töne in den 2. und 4. Hörnern in T. 133 in Michael

Jarrells ...prisme/incidences... für Violine und Orchester (Notenbeispiel Nr.4). Das um

einen Dreiviertelton erhöhte c¹ und das um einen Dreiviertelton erniedrigte e¹ bilden

einen engen Kreis um den in der Stelle zentralen Ton d¹ und resultieren die Auflösung

auf d¹, indem sie vom Klang zurückziehen.

8 Beate Zelinsky (Hrsg.)/David Smeyers (Hrsg.), Pro musica nova. Studien zum Spielen NeuerMusik für Klarinette, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1996, Beiheft. Kommentare undZeichenerklärungen,S.2.

9ebd.S.2.

10vgl.ebd.S.2.

9

Hier möchte ich in die oben zitierte Aussage von Hans Zender zurückkehren und

noch einen Punkt klären. Zender polemisiert gegen diese zweite Gruppe mit einem

negativ wirkenden Ausdruck: „Die andere Gruppe denkt strukturell, begnügt sich

aber meistens mit der Übertragung serieller oder sonstiger modellartiger Ordnungen

auf mikrotonale Skalen, wobei die Fatalität der zwölftönigen Temperatur natürlich

nicht verschwindet, sondern sich potenziert.“11

Warum muss in so einer Ordnung die „Fatalität“ der zwölftönigen Temperatur immer

noch spürbar sein? Bevor ich in dieses Problem näher gehe, möchte ich ein Zitat von

Ferruccio Busoni wiedergeben. Er schreibt 1910 in Entwurf einer neuen Ästhetik der

Tonkunst folgende Zeilen:

„‘Zeichen’ sind es auch, und nichts anderes, was wir heute unser ‘Tonsystem’ nennen. Ein ingeniöser Behelf, etwas von jener ewigen Harmonie festzuhalten; eine kümmerliche Taschenausgabe jenes enzyklopädischen Werkes; künstliches Licht anstatt Sonne. – Habt ihr bemerkt, wie die Menschen über die glänzende Beleuchtung eines Saales den Mund aufsperren? Sie tun es niemals über den millionenmal stärkeren Mittagssonnenschein. –“12

Also, von dieser Aussage ausgehend ist das temperierte Tonsystem für Busoni eine

künstliche (was ja für jeden selbstverständlich ist), aber auch gezwungene und

beschränkte Reduktion des von der Natur unendlich abgestuften Tonmaterials.13 Da

man von einer zusammengefassten, verkürzten Ausgabe eines großen Romans keine

für den ursprünglichen Roman gültigen Regeln zustande bringen kann, kann auch in

dem temperierten System und für das temperierte System geschaffene Strukturen

nicht in die ursprüngliche (mikrotonale) Welt übertragen werden. Ich denke, das kann

eine Erklärung sein, warum Zender jene Versuche für unbrauchbar hält. Zender äußert

sich an einer anderen Stelle seines Textes folgendermaßen:

„Es ist klar, dass wir in der uns heute von der geschichtlichen Entwicklung aufgezwungenen Situation eines total offenen ästhetischen Horizontes vor die große Aufgabe gestellt sind, neue Zeichen zu entwickeln, die genügend

11HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.169f.

12FerruccioBusoni,EntwurfeinerneuenÄsthetikderTonkunst,Insel-Verlag,Wiesbaden,1954,S.35.

13vgl.ebd.S.35f.

10

klar und deutlich sind, um sich in der entstandenen babylonischen Sprachverwirrung als verstehbar durchzusetzen.“14

Der Kern dieser Diskussion ist die Übertragung der im temperierten System

erfundenen strukturellen Arbeitsweisen in die mikrotonale Welt. Es gibt auch

Komponisten, welche die mikrotonale Elemente zu ihrer auf temperiertem System

basierten strukturellen Tonhöhenorganisation hinzufügen. Dazu möchte ich Brian

Ferneyhoughs 1981 komponiertes Superscriptio für Piccoloflöte solo, das erste Stück

des Zyklus Canceri d’invenzione, als Beispiel geben.

1986 schreibt Ferneyhough im Einführungstext zur Uraufführung des kompletten

Zyklus folgende Zeilen:

„Formal ist Superscriptio – das zuhöchst „automasierte“ Stück des Zyklus – als dichtes Netzwerk metrischer und proportioneller Bezüge angelegt, in welchem Variationen von Textur und Bewegungsgröße durch Verformungen des Ausgangsmodells erreicht werden. Dies geschieht mittels Juxtaposition unterschiedlicher Taktlängen, sowie durch das allmähliche „Auseinanderdriften“ von gestischer Gestaltung, dynamischem Niveau und rhythmischer Dichte – Elemente, die anfänglich alle in gleichzeitigem Wechsel gehört werden.“15

Cordula Pätzold legt in ihrer Analyse des Zyklus Canceri d’invanzione16 zwei

Ordnungen des Materials in Superscriptio: Primär- und Sekundärmaterial. Außerdem

14HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.170

15"Formally,Superscriptio(as themosthighly 'automatised'work in thiscycle) isconstructedupon a dense network ofmetric and proportional relationships,wherein variations of textureand momentum are achieved by means of distortions in the pattern created by the mobilejuxtaposition of diverse bar lengths, as well as by the gradual de-synchronization of gesturalshaping,dynamicintensityandrhythmicdensity–elementswhich,attheoutset,areallheardtobe changing simultaneously." –Brian Ferneyhough,Carceri d´Invenzione. Programnotes to thefirst performance of complete cycle at the Donaueschingen Musiktage, Donaueschingen, 17October 1986. (1986; engl.) in: Collected Writings. (Hrsg. James Boros und Richard Toop)Harwood Academic Publishers, Amsterdam 1996, S.134. Übersetzung ins Deutsche von JosefHäuslerin:DonaueschingerMusiktage'86,Donaueschingen1986,S.9

16 Cordula Pätzold, Canceri d’invanzione von Brian Ferneyhough, Inaugural-Dissertation zurErlangungderDoktorwürdederPhilosophischenFakultätenderAlbert-Ludwigs-UniversitätzuFreiburgi.Br.,WS2001/2002.Anmerkung: Pätzold stellt zu Beginn ihres Textes zu Superscriptiomit folgendenWorten klar:„DienunfolgendeAnalysevonSuperscriptiounddieIdeeeinerRekompositionstütztsichaufdieInformationenausdenSkizzen,aufdieAussagenFerneyhoughszuseinerKompositionstechnikim allgemeinen und zurKomposition von Superscriptio im speziellen, sowie natürlich auf dasNotenmaterialderHerausgegebenenEndfassungvonSuperscriptio.“(ebd.S.23)

11

teilt Pätzold das Stück durch Taktdisposition in fünf Teile.17 Die Verwendung des

Primär- und Sekundärmaterials ist in unterschiedlich. Da die Mikrotöne zum ersten

Mal im vierten Teil (Takt 139-198) verwendet werden, möchte ich mich nur mit

diesem Teil befassen. Die Hinzufügung der Mikrotöne beeinflusst die Musik nicht

grundsätzlich. Sie dienen dazu, dass die Klangfarbe der Piccoloflöte dadurch leicht

beeinflusst wird.18

Ab Takt 145 (Notenbeispiel Nr.5) sieht man die Verwendung der Mikrotöne in einer

klaren Struktur. Die erstes Mal in Takt 145 auftauchenden Mikrotöne zeigen sich in

Takten 152, 159, 166, 170 usw. wie einzelne Inseln im Meer von reinen Tönen – oder

besser ausgedrückt, Tönen des temperierten Systems. Das ist eine verschachtelte

Verwendung des Primär- (temperierte Töne) und Sekundärmaterials (mikrotonal

veränderte Töne). Pätzold schreibt:

„Leider finden sich keine Anhaltspunkte für die Bestimmung der Tonhöhen [die Tonhöhen des mikrotonal bearbeiteten Sekundärmaterials] in diesem Teil [Teil 4]. Dass verschiedene Niveaus ähnlich wie im 3. Teil verwendet werden, scheint eher unwahrscheinlich, da die Register nicht so abrupt wechseln und da hier erstmals Vierteltöne in Erscheinung treten (sie kommen auffälligerweise nur im Sekundärmaterial des 4. Teils vor). Möglicherweise werden Vierteltonreihen verwendet oder sogar Kombinationen davon.“19

Auch wenn wir über die Organisation der Mikrotöne keine genaue Information haben,

können wir von der Partitur bestimmen, dass die Mikrotöne nicht nur Verzierungen

oder Klangfarbenänderungen sind, sondern dass sie streng zum Strukturnetz des Teils

gehören. Sie sind Elemente strukturell gebauten Passagen, die sich im Laufe des

Stücks an die Struktur anschließen, sich entwickeln und das Stück zu einem Ziel

tragen.

Eine Abzählung der Takte des Sekundärmaterials (der Passagen mit Mikrotönen)

kann uns helfen, dieses Bild klarer zu sehen: Das Sekundärmaterial kommt zuerst in

Einheit von einem Takt zwischen das Primärmaterial. In T.145, 152, 159 und 166

wird es alle sieben Takte verwendet. In T.170-171 und 177-178 haben wir das

Sekundärmaterial in Einheit von zwei Takten. Darauf folgt in T.185-187 die Einheit 17vgl.ebd.S.33.

18vgl.ebd.S.24.

19ebd.S.123f.

12

von drei Takten und in T.192-195 die Einheit von vier Takten. Auch bemerkenswert

ist, dass die Anzahl der Takte zwischen Einsetzen vom Sekundärmaterial immer

abnimmt. Also, ein Element, das plötzlich aufflammt, immer selbständiger wird und

um seinen Platz kämpft.

Wie wir in diesem Beispiel gesehen haben, haben wir hier mikrotonale Elemente in

einem strukturell organisierten Stück, die zur Struktur addiert sind, und die der

allgemeinen Struktur des Stückes dienen, obwohl wir dieses Stück nicht „mikrotonal“

bezeichnen können.

13

II – Mikrotonalität als integraler Bestandteil von Komposition

Ferruccio Busoni, einer der ersten Persönlichkeiten, welche die vorhandenen

Tonsysteme und deren Verwendung zu kritisieren begonnen und nach neuen

Ordnungen gesucht haben, legt dem temperierten Tonsystem folgende Kritiken vor:

„Wie wichtig ist doch die ‘Terz’, die ‘Quinte’ und die ‘Oktave’. Wie streng unterscheiden wir ‘Konsonanzen’ und ‘Dissonanzen’ – da, wo es überhaupt Dissonanzen nicht geben kann. Wir haben die Oktave in zwölf gleich voneinander entfernte Stufen abgeteilt, weil wir uns irgendwie behelfen mussten, und haben unsere Instrumente so eingerichtet, dass wir niemals darüber oder darunter oder dazwischen gelangen können. Namentlich die Tasteninstrumente haben unser Ohr gründlich eingeschult, so dass wir nicht mehr fähig sind, anderes zu hören – als nur im Sinne der Unreinheit. Und die Natur schuf eine unendliche Abstufung – unendlich! Wer weiß es heute noch?“20

Neunzig Jahre später beschreibt Hans Zender den Grund des temperierten Systems

ähnlich wie Busoni:

„Unsere Beschreibung wäre aber sehr oberflächlich, wenn wir nicht erkennen würden, dass dieser Umschlag des harmonischen Denkens nur auf Grund der Entwicklung der Harmonik im 18. und 19. Jahrhundert möglich war. Diese Entwicklung, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, war ihrerseits nur möglich auf der Basis der äquidistanten temperierten Stimmung, welche erlaubte, den harmonischen Sinn einer Tonhöhe mehrfach zu bestimmen, umzudeuten und schließlich als autonome Größe zu interpretieren.“21

Zwei Punkte, die von Busoni berührt wurden, ziehen mein Interesse besonders auf

sich. Er spricht von „Tasteninstrumenten“, die uns in die Lage gebracht haben, wo

wir nichts anderes als die „Unreinheit“ hören können. Durch sie haben wir uns an das

temperierte System gewöhnt. Bach hat seine Faszination an das temperierte System

mittels eines Tasteninstruments geäußert – das wohltemperierte Klavier. Die

Tastenistrumente sind diejenigen Instrumente, auf deren Intonation der Spieler keine

Bewirkung haben kann. Die Frage hier ist, ob man es ohne Tasteninstrumente,

20FerruccioBusoni,EntwurfeinerneuenÄsthetikderTonkunst,Insel-Verlag,Wiesbaden,1954,S.35.

21HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.168.

14

sondern mit z.B. Violine hätte schaffen können, „die Oktave in zwölf gleich

voneinander entfernte Stufen abzuteilen“.

Die Antwort auf diese Frage kommt von Manfred Stahnke:

„Unsere Temperierung ging aus Überlegungen der Klavierstimmung hervor. Übertragen auf die abendländische Musik allgemein, bleibt sie eine Fiktion. [...] Nun wird niemand behaupten, klassische Orchestermusik verwende Mikrotöne. Offensichtlich gibt es für jede einzelne Note auf dem Notenpapier eine Tonentsprechung mit einer gewissen Toleranzbreite. Jeder geschriebenen Note entspricht ein ‘Tonfeld’. [...] Ein rein spielendes Quartett würde zwischen cis und des unterscheiden.“22

Und das ist die heutige Situation. Das Einsetzen der temperierten Stimmung wäre

ohne Tasteninstrumente nie möglich gewesen.

Der zweite Punkt ist der letzte Satz des Zitats. Die unendliche Abstufung des

Tonmaterials kennen wir heute nicht. Aber wann haben die Menschen es gekannt? Ist

das Ziel Busonis und der Komponisten, die mikrotonal komponieren, es zu finden,

was vorher schon existierte und heute verloren ging?

Obwohl Busoni selbst nicht für mikrotonale Ordnungen komponiert hat, hat er dafür

1906 ein elektronisches Instrument bauen lassen. „Das Instrument wurde beschrieben

als ‘an extraordinary electrical invention for producing scientifically perfect music’.

Wissenschaftlich vollkommene Musik – das war fast eine Zauberformel.“23 Im

Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst24 hat er seine Utopie beschrieben. „Man

kann auf ihm kein System aufbauen, an ihm keine Lehrmethode entwickeln. Und doch

wurde durch ihn der Weg der Musik im zwanzigsten Jahrhundert vorausgesehen und

22 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.125f.

23HansHeinzStuckenschmidt,MusikundTechnik, in:KlangstrukturderMusik,bearb.VonFritzWenckel, Berlin 1955, S. 211 ff. Hier zitiert nach:HansRudolf Zeller,Ferruccio Busoni und diemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.9f.

24FerruccioBusoni,EntwurfeinerneuenÄsthetikderTonkunst,Insel-Verlag,Wiesbaden,1954.

15

in vielem beeinflusst.“25 Und „in diesem ‘wissenschaftlich vollkommenen’ Klang

sieht Busoni seine Utopie erfüllt.“26

Dieser „wissenschaftlich vollkommene“ Klang war nur dank der Entwicklung der

Technologie möglich. Also, was hier gesucht wird, ist nicht eine Rekonstruktion des

Historischen. Es geht in der Utopie Busonis darum, eine ganz neue Klangwelt zu

schaffen, ausgehend vom Historischem.

Hans Heinz Stuckenschmidt schreibt über dieses Problem folgende Zeilen:

„Hier beginnt etwas, das wir als Gefahr, als Bedrohung nicht zu gering einschätzen dürfen. Busoni sehnte sich 1906 nach dem wissenschaftlich vollkommenen Klang. Wir verfügen über ihn. Die Technik liefert uns jede gewünschte Klangfarbe und Lautstärke, jedes polyrhythmische Gewebe in makelloser Perfektion. Neben ihrer Leistung verblasst die des größten Virtuosen zu ohnmächtiger Stümperei. Aber gerade diese Perfektion, diese störungs- und trübungsfreie Reproduktion und nun auch schon Produktion von Kunst bedeutet Dehumanisation. Die technischen Wissenschaften haben uns gelehrt, sie zu erreichen. Sie gaben uns auch die Mittel, ihr kritisch zu begegnen. Und das scheint mir die wichtigste Aufgabe.“27

Hans Zender berührt genau diesen Punkt, aber von einer ganz anderen Seite:

„Die temperierte Stimmung zu erfinden war wiederum nur möglich auf Grund der Entwicklung der modernen Mathematik. [...] Diese Welt ist eine durch Maschine bestimmte und insofern künstliche Welt. Ihre vom Menschen geschaffene Lebensbedingungen unterscheiden sich sehr von denen frühere Zeiten, in denen der Mensch sich sozusagen von der Natur an die Hand nehmen ließ.“28

Also, sowohl in der Erfindung des temperierten Systems als auch in der Zerbrechung

dieses Systems spielen Technik und Wissenschaft eine große Rolle. Zwar so groß,

dass es ohne sie nicht möglich gewesen wäre. Die beiden Denker kommen zumindest

25HansHeinzStuckenschmidt,«Nachwort»zuEntwurfeinerneuenÄsthetikderTonkunst,Berlin,Dezember 1953, in: Ferruccio Busoni,Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Insel-Verlag,Wiesbaden,1954,S.52.

26ebd.

27HansHeinzStuckenschmidt,MusikundTechnik, in:KlangstrukturderMusik,bearb.VonFritzWenckel, Berlin 1955, S. 216. Hier zitiert nach: Hans Rudolf Zeller, Ferruccio Busoni und diemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.10.

28HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.168.

16

an einem Punkt zusammen, dass die Wissenschaft und Technik uns ebenso

unerhörten Fortschritt wie unerhörte Probleme gebracht haben. Es gilt also, eine

Koexistenz von natürlichen und künstlich-technologischen Lebensbedingungen zu

finden, um zu überleben.29

In seinem Entwurf kritisiert Busoni nicht nur das temperierte Tonsystem, sondern

auch die es begründenden Dur- und Moll-Tonarten. Die Themen wie die Problematik

der Tonalität, deren Auflösung und die Suche nach neuen Wegen würden die Rahmen

dieser Arbeit überschreiten. Aber ich möchte mit ein paar Beispielen kurz erwähnen,

was die Komponisten zur Suche nach einer neuen Musiksprache gezwungen hat.

György Ligeti äußert sich zu diesem Problem folgendermaßen:

„Beim Komponieren von Apparitions stand ich vor einer kritischen Situation. Mit der Verallgemeinerung der Reihentechnik trat eine Nivellierung in der Harmonik auf; der Charakter der einzelnen Intervalle wurde immer indifferenter. Zwei Möglichkeiten boten sich, diese Situation zu bewältigen: entweder zum Komponieren mit spezifischen Intervallen zurückzukehren oder die bereits fortschreitende Abstumpfung zur letzten Konsequenz zu treiben und die Intervallcharaktere einer vollständigen Destruktion zu unterwerfen.“30

Seine Wahl war die zweite Möglichkeit. Auf dasselbe Problem reagiert Helmut

Lachenmann anderweitig:

„Helmut Lachenmann hat auf den – im Ligetischen Cluster fast symbolisch sich darstellenden – Verschleißprozess der Tonhöhenkomposition in der klassischen Avantgarde durch die Erfindung seiner »musique concrète instrumentale« reagiert. [...] Zum zweiten weicht Lachenmann der Tonhöhenproblematik durch den Salto mortale »weg mit den Tonhöhen – hin zum Geräusch« aus.“31

Das allgemeine Problem, an deren Lösung viele Komponisten des zwanzigsten

Jahrhunderts sich bemüht haben, ist die Tatsache, dass die Intervalle – auch die

einzelnen Tonhöhen und die daraus entstandenen Akkorde – ihre Bedeutung verloren

haben. „Eine steigende Anzahl von Komponisten hat Probleme mit unserem

29vgl.ebd.S.169

30 György Ligeti, Apparitions, in: György Ligeti/Monika Lichtenfeld (Hrsg.): GesammelteSchriften,2Bd.,VeröffentlichungderPaulSacherStiftung,SchottMusikGmbH&Co.KG,Mainz2007,Bd.2,S.169.

31HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.170.

17

konventionellen Tonsystem, weil sie nicht mehr wissen, was dessen Intervalle

‘meinen’“32, so Hans Zender.

Aber die Mikrotonalität kann meines Erachtens nach nicht neben die anderen

Reaktionen als ein Versuch zur Lösung dieser Problematik hingestellt werden. Vor

hundert Jahren wurden keine Konzepte zur Cluster- oder Geräuschkomposition

entworfen. Aber seit Jahrhunderten gibt es bewusste Versuche zu neuen Tonsystemen

außer der temperierten Stimmung.

Es ist uns heute bekannt, dass in der Zeit vor der Erfindung der temperierten

Stimmung – außer instinktiver Aufführung – auch die notierten Mikrotöne vorhanden

sind.33 Wichtiger für meine Arbeit sind jedoch die mikrotonalen Versuche nach der

Erfindung der temperierten Stimmung. So suchte Guillaume Costeley im 16.

Jahrhundert in seinen Werken Alterationen und geht in dieser Hinsicht so weit wie

möglich, indem er eine Harmonik mit Dritteltönen und den Bau von nicht

temperierten Tasteninstrumenten vorschlägt.34 Der italienische Renaissancekomponist

Nicola Vicentino (1511 – 1572) konstruierte ein Archicembalo mit 132 Tasten, die in

sechs Reihen angeordnet waren und die Oktave in 31 Teile unterteilen. Vicentino

konstruierte auch eine ähnlich gestimmte Orgel mit 126 Tasten, Archiorgano genannt,

und machte Vorschläge für eine einheitliche Stimmung.35

Georg Friedrich Haas – ein bedeutender Vertreter der mikrotonalen Musik – weist

darauf hin: „Vierteltöne waren in der Theorie immer präsent: als Bestandteil der

griechischen Musiktheorie (enharmonisches Tonsystem) wurden sie sogar am

Gymnasium gelehrt – aber vermutlich niemals gehört oder gar musiziert.“36

32ebd.S.168.

33 vgl. Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, AllgemeineEnzyklopädiederMusik:Montpellier-Handschriften„Besondere Zeichen in der Buchstaben-Notation lassen den Gebrauch von Zwischentönenerkennen. Gmelch bezeichnet sie als Vierteltöne, ohne auf Genauigkeit des IntervallumfangsAnspruchzumachen.“ebd.

34vgl.ebd.GuillaumeCosteley.

35vgl.ebd.NicolaVicentino.

36GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.59.

18

Manfred Stahnke berührt in seinem Artikel über Mikrotonalität denselben Punkt:

„Dabei wird es nützlich sein, darauf aufmerksam zu machen, dass die tonalen / mikrotonalen Möglichkeiten eines Tones ganz offensichtlich in der abendländischen Musik von Anfang an erkannt und nicht nur mathematisch, sondern auch weltanschaulich diskutiert wurden. Ich denke z.B. an den von den Griechen herstammenden Streit des Mittelalters über die pythagoreische Terz 81/64 (eigentlich die Vierfach-Quint, wie C-G-D-A-E) und die reine Terz 5/4, wo über C ein E um 21.5 C tiefer ist als die Vierfach-Quint: hier lag die »Drei« der 3/2-Quinte als Symbol des göttlichen Prinzips mit der Fünf als Symbol der irdischen Sinnenhaftigkeit im Widerstreit.“37

Außerdem betont Stahnke, dass es sich nicht nur um eine rein intellektuelle,

scholastische Diskussion handelte. Sondern man hat über unterschiedliche Klänge

gestritten.38 Seit Jahrhunderten kämpft man mit den Problemen des temperierten

Systems. Manchmal gehen diese Probleme so weit, dass man keinen Ausgang mehr

findet.

Wenn man auf den tiefsten Saiten der Violine ein reines g-e¹ greift, stimmt das e¹

nicht mehr als Quarte mit der A-Saite überein. Der Grund dafür ist folgendes: Da die

Saiten der Violine nach reinen Quinten gestimmt werden, ist das Frequenz-Verhältnis

von G- und A-Saiten (große None) 4:9. Dieses Frequenz-Verhältnis ergibt sich die

Umrechnung von Proportionen in Cent: ca. 1404. Das ist fast 4 Cent höher als die

große None im temperierten System. Eine reine große Sexte (g-e¹) hat das Frequenz-

Verhältnis 3:5, und eine reine Quarte (e¹-a¹) 3:4. Diese Frequenz-Verhältnisse

entsprechen den Näherungen 884 und 498 Cent. Die Summe dieser Werte ergibt sich

1382 Cent, also 22 Cent (fast ein Achtelton) weniger als eine reine große None.39

Wenn das e¹ nach der leeren G-Saite mit der leeren A-Saite der Violine stimmen soll,

muss der Finger das e¹ etwas höher greifen.

37 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.128.

38vgl.ebd.

39vgl.JuanG.Roederer,PhysikalischeundpsychoakustischeGrundlagenderMusik,[AusdemEngl.übers.vonF.Mayer-Pfeiffer;S.Güss],3.Aufl.,Springer-Verlag,Berlin,Heidelberg,2000,S.209ff.Anmerkung:DieWerteinCentsbasierenaufdienatürlicheSkala,welche(imGegensatzzurausreinenQuintenentstandenenpythagoreischenSkala)dieOktavealsGrundintervallnimmtundzudiesemRaumQuinte,QuarteundandereIntervallehinzufügt.

19

Wie wir gesehen haben, war Mikrotonalität immer ein wichtiges Thema in der

Musikgeschichte – auch nach der Erfindung des temperierten Systems. Die

Entwicklung der Dur-moll-tonalen Harmonik war nur in einer äquidistanten

temperierten Stimmung möglich. Juan G. Roederer weist in seinem Buch

Physikalische und psychoakustische Grundlagen der Musik darauf klarerweise hin,

nachdem er die natürliche und pythagoreische Skalen gegründet hat:

„Beide weisen ihre eigenen Probleme auf. Das schwerwiegendste ist die Tatsache, dass man mit beiden nur eine ganz begrenzte Gruppe von Tonarten spielen kann, ohne mit verstimmten Konsonanzen in Schwierigkeiten zu geraten. Mit anderen Worten, beide Skalen legen der Transponierung und Modulation starke Beschränkungen auf.“40

Die Tonalität hat die Musik zur temperierten Stimmung gezwungen. Aber die

Wirkung dieser Stimmung war so stark, dass nach dem Zerfallen der Tonalität die

meisten Theorien für eine Neue Musik (wie Zwölftonmusik) grundsätzlich nur in

dieser temperierten Stimmung realisierbar gewesen sind.41

Jedoch hat die Mikrotonalität trotz ihrer langen Geschichte keine Tradition. Die

Versuche in der Geschichte gerieten rasch in Vergessenheit. Deswegen mussten die

Komponisten, die mikrotonal komponierten, von neuem anfangen.42

Wo es keine Tradition gibt, muss es einzelne Wege geben. Genau so in der

mikrotonalen Musik des zwanzigsten Jahrhunderts. Diese Wege lassen sich aber unter

bestimmten Punkten zusammenbringen. Georg Friedrich Haas listet vier

Möglichkeiten, nach welchen Prinzipien die Tonhöhen auszuwählen und festzulegen

sind43:

1. Temperierte Unterteilungen der Oktave ungleich der Zahl 12 (auch andere

Intervalle als die Oktave können temperiert unterteilt werden);

40ebd.S.211

41 Gemeint ist hier, dass die ideologischen Theorien von z.B. Zwölftonkomponisten und auchspäter seriell komponierten Komponisten, wie die Grundidee der Zwölftonmusik„Gleichberechtigung der zwölf Töne“, waren durch die Annahme des temperierten Systemsmöglich.

42 vgl. Georg Friedrich Haas,Mikrotonalitäten, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.59.

43ebd.S.59f.

20

2. Orientierung an den Proportionen der Obertonreihe (»just intonation«);

3. »Klangspaltung«, d.h. sehr kleine Intervalle in der Nähe des Unisonos, aber

deutlich davon abweichend – im Mittelpunkt des kompositorischen Interesses

steht die Schwebung;

4. aleatorisch entstehende Mikrotonalität durch Einbeziehung von

Instrumentalaktionen, deren Tonhöhe nicht exakt vorherbestimmbar ist (z.B.

Klavierpräparation, manche Schlaginstrumentalklänge, ad libitum-

Umstimmen von Saiten usw.).

Die letzten zwei Möglichkeiten, welche Haas in seinem Artikel listet, scheinen mir

nach meiner Vorstellung von der „mikrotonalen“ Musik eher fremd zu sein. Mein

Interesse für die vorliegende Arbeit liegt in der Musik, die kompositorisch, ästhetisch

und intellektuell als „mikrotonal“ bezeichnet werden kann. Die Verwendung der

dritten Möglichkeit, die Haas »Klangspaltung« nennt, finden wir z.B. in den Werken

von Scelsi sehr häufig. Noch häufiger sind die aleatorisch entstehenden mikrotonalen

Klänge, nämlich die vierte Möglichkeit. Die Werke von John Cage vor allem für

präpariertes Klavier, Geräuschkompositionen von Helmut Lachenmann und viele

andere Situationen ergeben diese Klänge von Zeit zu Zeit. Aber weder diese

Komponisten noch ihre Werke können unter dem Begriff „mikrotonal“ eingeordnet

werden. Aus dem Grund möchte ich mich mit den ersten zwei Möglichkeiten

befassen, welche – meiner Meinung nach – dem Thema sowohl die Klärung als auch

die Einheit verschenken dürften.

Ich möchte zuerst mit der zweiten Möglichkeit, die Haas als »just intonation«

beschreibt, anfangen. Die Feststellung Hans Zenders äußert das Problem sehr klar:

eine steigende Anzahl der Komponisten hat Probleme mit unserem konventionellen

temperierten Tonsystem, weil sie nicht mehr wissen, was dessen Intervalle ‘meinen’.44

Diese Tatsache, dass Komponisten die Intervalle im konventionellen Sinn immer

skeptischer behandeln, findet man in den Ausdrucken vieler Komponisten, besonders

jener, welche sich in ihrem kompositorischen Schaffen mit Mikrotonalität

beschäftigen. So ist eine Überlegung von Manfred Stahnke:

44HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.168.

21

„Man vergleiche Interpretationen von Mozart und Schubert: Mozarts Durterz wird hoch gegriffen. Niemand käme auf die Idee, tiefe Terzen 5/4 zu spielen. Im Adagio des Streichquintetts Schuberts z.B. scheint die Musik hingegen die tiefe, verhangene, ‘depressive’ Durterz 5/4 zu verlangen, ein Ton, der so bei Mozart am ehesten noch in seinen letzten Werken interpretierbar wäre.“45

Mit anderen Worten, die Terz (oder allgemein ein Intervall) hat selbst in

konventioneller Musik keine eindeutige Bedeutung. Die Intonation eines Intervalls

hängt davon ab, was damit „gemeint“ ist. Stahnke begründet seinen persönlichen Weg

zu Mikrotönen folgendermaßen:

„Die Richtung, in der ich arbeite, liegt nicht in europäischen Mikrotontraditionen (etwa Hába, Wyschnegradsky), sondern in amerikanischen (Partch, Johnston). Hier fand ich eine Philosophie der neuen Körperlichkeit, ‘Corporeality’ (die durchaus keine »Neue Einfachheit« ist). [...]Partch und Johnston haben die Vorstellung, Musik müsse auf reinen, schwebungsfreien Intervallen aufgebaut werden, weil das Ohr zu ihnen eine Affinität habe. Unmittelbare Verständlichkeit ist das Anliegen, bei Partch umschrieben mit dem Begriff ‘Corporeality’: seine Musik möchte körperlichsensuell wirkende Identitäten suggerieren jenseits von reinen Intellektualismen, so zumindest verstehe ich ihn.“46

Die Orientierung an den Naturintervallen – an den Proportionen der Obertonreihe –

lässt mehrere Komponisten zusammen beobachten. Abgesehen davon, dass diese

Komponisten durch ihre eigenen Wege an der Materialarbeit ganz unterschiedliche

Klangwelten gelangen sind, haben sie die natürlichen Intervalle ins Zentrum ihres

kompositorischen Schaffens gesetzt. Nur als Beispiel: während der „musique

spectrale“-Komponist Gérard Grisey in seinen Werken wie Partiels komponiertes

Spektrum eines Tons zum Hören bringt, schafft der andere Mikrotonkomponist Hans

Zender eine Klangwelt, die mit dem Spektrum nicht identifizierbar ist, obwohl in

seinen Werken die Naturtonreihe zugrunde liegt. Der Grund dafür ist es natürlich,

dass die beiden Komponisten das spektrale Material von verschiedenen Aspekten

behandelt haben. Zender schreibt:

„Um nun auch hier dem Dilemma des temperierten Chromatizismus zu entgehen, ist eine Gewaltkur notwendig, welche bis zu den Fundamenten unseres Tonsystems vordringen muss. Ihr Ziel ist es, eine Harmonik zu finden, welche auch die feinsten mikrotonalen Bewegungen durchhörbar

45 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.127.

46ebd.S.129f.

22

und verständlich macht und die außerdem auch die geschichtliche Genese unseres Intervallverstehens durchscheinen lässt.“47

Zwei Punkte, welche Zender in seinem Artikel berührt, ziehen eine besondere

Aufmerksamkeit. Er spricht von einer zu findenden Harmonik. Dafür nimmt er die

Intervall-Proportionen der Obertonreihe als Ausgangspunkt und schafft seine

komplexen harmonischen Strukturen mithilfe des Ringmodulators. Die komplizierte

Arbeitsweise des Komponisten mit Ringmodulator würde die Rahmen dieser Arbeit

überschreiten. Ich möchte es nur mit den Worten des Komponisten kurz andeuten:

„Der Ringmodulator bildet zu jedem ihm eingegebenen Intervall – ob ganzzahlig oder nicht – die Differenz und die Summe und macht diese hörbar. Indem er das tut, interpretiert er jedes eingegebene Intervall als Ausschnitt aus einem imaginären Spektrum (handelt es sich um ein sehr kompliziertes Intervall, liegt dessen Grundton vielleicht in einer dem menschlichen Ohr nicht mehr zugänglichen Region).“48

Dieses „imaginäre“ Spektrum ist der Unterschied zwischen den musikalischen

Sprachen von Hans Zender und Gérard Grisey.

Noch eine Andeutung wäre hilfreich, um den Blick zu verbreitern und

Gemeinsamkeiten (oder Unterschiede) zwischen diesen Komponisten zu finden. In

einem Artikel über Tendenzen der Neuen Musik in den USA beschreibt György

Ligeti die Musik von Harry Partch:

„Parch benutzt zur Stimmung keine elektronische Kontrolle, alles wird nur nach Gehör im System der Obertöne gestimmt. Da er bis in entfernte Obertonbereiche vordringt (die hohen Obertöne werden dann »heruntergeholt« und skalenmäßig geordnet), resultieren daraus verschiedene mikrotonale Skalen, zum Beispiel eine dreiundvierzigstufige Skala. Sie ist selbstverständlich nicht temperiert, die Abstände der Töne sind also nicht gleich – gleiche Abstände verabscheut er als unrein.“49

Diese Richtung habe ich – nach Georg Friedrich Haas – beschrieben als Orientierung

an den Proportionen der Obertonreihe. Aber man kann sie schon gut als das nicht

47HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.173.

48ebd.S.176f.

49GyörgyLigeti,TendenzenderNeuenMusikinUSA,SteveReich–TerryRiley–HarryPartch,in:GyörgyLigeti/MonikaLichtenfeld(Hrsg.):GesammelteSchriften,2Bd.,VeröffentlichungderPaulSacherStiftung,SchottMusikGmbH&Co.KG,Mainz2007,Bd.1,S.464.

23

temperierte System beschreiben. Ein Ausdruck, welcher der Unterschied zwischen

dieser und der nächsten Gruppe deutlicher machen kann.

Der zweite Punkt in dem Zitat von Hans Zender, den ich näher betrachten möchte, ist

der Ausdruck „die geschichtliche Genese unseres Intervallverstehens“. Wieder in

diesen Worten spürt man die Sehnsucht nach den vor der Erfindung des temperierten

Systems gebräuchlichen reinen Intervallen. An dieser Stelle erlaube ich mir, folgende

Frage zu stellen: ist das Ziel der Komponisten, welche sich an den Naturintervallen

wenden, das Vergangene wieder zu beleben? Könnte man das als eine Bewegung wie

Neobarock oder Neoklassizismus betrachten? Georg Friedrich Haas betont in seinem

Artikel zweimal, dass es eine Tradition mikrotonaler Musik nicht gebe.50 Aber gibt es

etwas, was die Komponisten wieder entdecken wollen?

„Der Begriff ‘Mikroton’ ist neu, die Sache ist uralt“51, so Manfred Stahnke. An einer

Stelle, an der er seine Notation der Mikrotöne erklärt, schreibt er: „Für reine Quinten

3/2 und Terzen 5/4 verwende ich keine Spezialzeichen, sondern denke mir, dass meine

Harmonik diese reinen Intervalle allein suggeriert.“52 An einer anderen Stelle seines

Artikels geht Stahnke noch einen Schritt weiter und macht Überlegungen über den

Begriff „Mikroton“:

„Der Begriff ‘Mikroton’ ist schwer zu definieren. Wenn ich sage: Mikrotöne sind alle die Töne, die zwischen den 12 temperierten Tönen unserer Skala liegen, dann würde jedes klassische Orchesterstück, jedes Streichquartett, jedes Chorstück mikrotonal sein. Denn kein Musiker oder Sänger wird je wirklich die temperierte Skala spielen bzw. singen wollen oder können.“53

Bevor ich zur Schlussfolgerung komme, möchte ich noch einigen Denkenden das

Wort erteilen. Juan G. Roederer schreibt über die wohltemperierte Skala, nachdem er

die natürliche und die pythagoreische Skala erklärt hat:

50 vgl. Georg Friedrich Haas,Mikrotonalitäten, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.62.

51 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.128.

52ebd.S.131.

53ebd.S.125.

24

„Es wurde also eine neue Skala benötigt, welcher der sinnvolle Kompromiss zugrunde liegt, ein wenig auf die Reinheit der musikalischen Intervalle zu verzichten, dagegen Intervalle mit gleichen Abständen, ungeachtet einer bestimmten Tonart, einzuführen. Mit anderen Worten, ein Halbton sollte dasselbe Frequenzverhältnis aufweisen, ob nun do–do♯, mi–fa oder la–si♭, und eine Quinte sollte dieselbe sein, ob es sich um fa–do´oder do♯–sol♯ handelte.“54

Das ist die Begründung des temperierten Systems. Die Ergebnisse, welche das

temperierte System verursacht hat, beschreibt Hans Zender folgendermaßen:

„Durch die Erfindung der temperierten Stimmung hat sich die musikalische Menschheit innerhalb der letzten 250 Jahre langsam an diese dritte Kategorie von Tonbeziehungen gewöhnt. Heute können wir die Differenzen der reinen Intervalle von den temperierten in cent messen.“55

Auch Georg Friedrich Haas erwähnt denselben Punkt in einem anderen

Zusammenhang: „Tonale Akkorde in mikrotonalen Beziehungen wären auch bei Ives

zu finden, werden von ihm aber immer als Eintrübung eingesetzt – als ‘falsche’ Töne,

die doch die richtigen sind…“56

In seinem Artikel weist Hans Zender auf zwei Grundmöglichkeiten von

Tonbeziehungen hin: „Die Einzeltöne stehen entweder in einem Verhältnis ganzer

Zahlen zueinander, oder sie tun es nicht.“57 Zender entscheidet sich offenbar für die

erste Möglichkeit. Er äußert seine Sehnsucht nach den individuellen,

unverwechselbaren Qualität der ganzzahligen (Natur-)Intervalle und – das wichtigste

unter anderem für diese Stelle meiner Arbeit – danach, dies unter den veränderten

Bewusstseinsbedingungen von heute zurückzugewinnen.58 Er setzt fort:

„Dieser Vorgang von Rückgewinnung eröffnet die Chance, nicht nur aus den bewusstwerdenden Differenzen (der ‘reinen’ Intervalle zu den nicht

54 Juan G. Roederer,Physikalische und psychoakustische Grundlagen derMusik, [Aus dem Engl.übers.vonF.Mayer-Pfeiffer;S.Güss],3.Aufl.,Springer-Verlag,Berlin,Heidelberg,2000,S.212.

55HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.174.

56GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.63f.

57HansZender,GegenstrebigeHarmonik (2000), in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.174.

58vgl.ebd.S.173f.

25

ganzzahligen) kompositorisches Kapitel zu schlagen, sondern auch die in der europäischen Geschichte ja nur bis zum 6. Oberton vorgedrungene Erkundung der ganzzahligen Intervalle bis in abenteuerliche höhere Regionen weiterzuführen.“59

Hier sieht man ganz klar die Absicht, in die Vergangenheit, wo die Intervalle noch

‘rein’ waren, zurückzukehren, und die von der temperierten Stimmung unterbrochene

(oder verhinderte) Entwicklung fortzusetzen. Aber in folgenden Zeilen von Georg

Friedrich Haas findet man eine andere Annäherung zu dieser Problematik. Von Harry

Partchs Musik ausgehend stellt er fest:

„Partch weiß, dass jedes Musikinstrument die Geschichte der auf ihm realisierten Musik miteinbringt. Er zieht die Konsequenz, seine Instrumente neu zu bauen und eine eigene Schrift für diese Musik zu entwickeln. Der Begriff ‘Mikrotonalität’ erweist sich in diesem Zusammenhang als problematisch: hier wird nichts verkleinert, hier wird völlig neu und autonom begonnen.“60

Der Kern dieser Diskussion ist – meiner Meinung nach – die Annahme oder die

Ablehnung der temperierten Stimmung als Teil der musikgeschichtlichen

Entwicklung. In Hans Zenders Formulierungen finde ich die Ansicht, dass die

temperierte Stimmung wie eine Mauer vor der Musik errichtet wurde. Mit anderen

Worten, um die Musik wurde ein Käfig gebaut, der daran hindert, dass die Musik in

andere Richtungen geht und ihre eigene Entwicklung findet. Und die Musik ist ein

Vogel in diesem Käfig, dem seine Befreiung verschenken werden muss, damit er in

seine Heimat zurückkehrt und mit allem von neuem anfängt. Bei Georg Friedrich

Haas dagegen ist die realistische Akzeptierung des temperierten Systems als ein Muss

der Musikgeschichte auffällig. Die Entwicklung der Musik hat seine Aufforderungen

mitgetragen, so dass die Mikrotonalität der Neuen Musik ein ganz neues Zweck hat.

Diesbezüglich ist Hans Rudolf Zeller eher der Meinung von Hans Zender:

„Was als Reduktion einer zuvor fast anarchischen Vielfalt von Stimmungssystemen begonnen hatte, war spätestens in der Phase der Atonalität, die auf die fortschreitende Chromatisierung der Tonarten reagierte, seiner wichtigsten Funktion beraubt worden und die Musik

59ebd.S.174.

60GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.61.

26

insofern ‘atonal’, als sie eigentlich gegen das ihre Weiterentwicklung nun behindernde und willkürlich begrenzende System rebellierte.“61

Die Antwort auf meine Frage bleibt also offen. Jeder Komponist würde sich zu

diesem Thema anders äußern. Bemerkenswert ist in dem Zitat von Hans Rudolf

Zeller, dass er nicht die Begriffe wie Naturintervalle, Obertonreihe, natürlich, rein

oder ganzzahlig verwendet. Sondern er spricht von „Stimmungssystemen“.

Wie ich schon erwähnt habe, könnte man die mikrotonale Musik des 20. Jahrhunderts

mit einer groben Klassifizierung in zwei Gruppen beobachten: Die erste Gruppe, mit

der ich mich bisher beschäftigt habe, nenne ich die nicht temperierte Gruppe. Mit

anderen Worten, die Komponisten dieser Gruppe gehen allen Temperierungen des

Tonsystems entgegen, weil sie diese künstlich, unnatürlich betrachten. Im Zentrum

ihres künstlerischen Schaffens befinden sich die reinen Intervalle der Obertonreihe.

Dagegen nimmt die zweite Gruppe, welche ich als die temperierte Gruppe

beschreiben möchte, das Tonmaterial als Ganzes. Die von der Natur gegebenen

Unterteilungen werden grundsätzlich nicht in Betracht genommen. Um mich

verständlicher auszudrücken, möchte ich der Ausdruck von Helmut Lachenmann,

welche er als Antwort auf die Frage, ob er auch heute noch mit seriellen Mitteln

komponiert, gegeben hat:

„Ich verhalte mich zu einem solchen seriellen Plan wie ein Bildhauer zu einem zufällig gefundenen unbehauenen Stein, mit dem Unterschied, dass ich nicht nur Teile davon ‘wegschlagen’, sondern ihn nach Wunsch deformieren und interpretieren kann, wobei ich zur endgültigen Form selbst erst noch finden muss. Ob ich solch ein Gerüst schließlich wieder ganz abstoße, ob Reste davon in der Komposition einen Platz finden, oder ob es tatsächlich die Struktur des Ganzen reguliert: In jedem Fall hat die Auseinandersetzung damit meiner Phantasie über ihre eigenen Grenzen hinweggeholfen und mir klar gemacht, was ich eigentlich will.“62

Noch ein Zitat von Ferruccio Busoni, das ich schon wiedergegeben habe, kann

meinem Versuch hilfreich sein:

61HansRudolfZeller,MikrointervalleinderMusikdes20.Jahrhunderts,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.52.

62 Helmut Lachenmann, Werkstatt-Gespräch mit Ursula Stürzbecher, in: HelmutLachenmann/Josef Häusler (Hrsg.): Musik als existentielle Erfahrung, Breitkopf & Härtel,Wiesbaden,1996,2.,aktualisierteAuflage2004,S.148.

27

„‘Zeichen’ sind es auch, und nichts anderes, was wir heute unser ‘Tonsystem’ nennen. Ein ingeniöser Behelf, etwas von jener ewigen Harmonie festzuhalten; eine kümmerliche Taschenausgabe jenes enzyklopädischen Werkes; künstliches Licht anstatt Sonne.“63

Dieser unbehauene Stein von Lachenmann ist für die Komponisten dieser Gruppe das

Tonmaterial – oder mit Busonis Worten die Sonne. Das temperierte System wird von

diesen Komponisten auch stark kritisiert, aber aus verschiedenen Gründen. Die erste

Gruppe hat Probleme mit dem temperierten System wegen seiner Beschädigung der

reinen, natürlichen Intervalle. Die zweite Gruppe dagegen hält die temperierte

Stimmung für ein gewaltsam beschränktes System.64 „Denn unser ganzes Ton-,

Tonart- und Tonartensystem ist in seiner Gesamtheit selbst nur der Teil eines

Bruchteils eines zerlegten Strahls jener Sonne ‘Musik’ am Himmel der ‘ewigen

Harmonie’.“65

Nach der Definition Georg Friedrich Haas’ – „Temperierte Unterteilungen der

Oktave ungleich der Zahl 12 (auch andere Intervalle als die Oktave können

temperiert unterteilt werden)“ – können alle Systeme mit Drittel-, Viertel-, Fünftel-,

Sechstel-, Achtel- und Zwölfteltönen nach dieser Gruppe klassifiziert werden, weil

sie alle die Oktave in mehrere gleiche Abstände als zwölf teilen.

Es gibt auch Systeme, die andere Intervalle als die Oktave temperiert unterteilen, wie

z.B. die Bohlen-Pierce-Skala. Hier wird anstatt der Oktave die Duodezime in

dreizehn Tonstufen unterteilt.

Der Ausdruck Busonis „der wissenschaftlich vollkommene Klang“66 wurde an obigen

Stellen dieser Arbeit bereits erwähnt. Während der Untersuchung der ersten Gruppe,

die sich mit reinen Intervallen beschäftigt, haben wir öfters dem Wort „Natur“

63FerruccioBusoni,EntwurfeinerneuenÄsthetikderTonkunst,Insel-Verlag,Wiesbaden,1954,S.35.

64vgl.ebd.S.35f.

65ebd.S.37f.

66 Anmerkung: Dieser Ausdruck stammt inWahrheit aus demWerbetext einesMr. Baker. DaBusonidiesenAusdruckfürdieFormulierungseinerUtopiederMusikverwendethat,nenneichihn„BusonisAusdruck“.vgl.HansRudolfZeller,FerruccioBusoniunddiemusikalischeAvantgardeum 1920, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.10.

28

begegnet. Hier treffen wir auf das Wort „Wissenschaft“. Es ist nicht umgestritten,

dass Natur und Wissenschaft für die Komponisten beider Gruppen unverzichtbar

sind. Man kann nicht eine von beiden als einzige Basis nehmen. Aber mit einem

Überblich über die beiden Richtungen können wir feststellen, dass „Natur“ von der

ersten und „Wissenschaft“ von der zweiten Gruppe als Ausgangspunkt determiniert

wurden. Hans Heinz Stuckenschmidt schreibt:

„Als die Schönheit der Maschine entdeckt wurde, lag es nahe, der Technik kunstschöpferische Macht zuzusprechen. Ferruccio Busonis Pathos angesichts des ‘Dynamophons’, der Musikmaschine des Amerikaners Dr. Thaddeus Cahill datiert von 1906, dem Jahr der aufblühenden Automobilindustrie und der ersten Geschwindigkeitsrekorde.“67

Diese Musikmaschine hat Busoni besonders wegen seiner Vorliebe an Drittel- bzw.

Sechsteltöne interessiert, mit deren Systemen er sich viel beschäftigt hat. Am Ende

seines Essays über die ‘Einheit der Musik’ verwies er auf seine drei

Fundamentaltheorien. Dort nannte er an erster Stelle die der Dritteltöne vor den

beiden anderen. Im 1922 erschienenen Bericht über Dritteltöne erzählt er von seinen

ersten New Yorker Erfahrungen an einem alten, dreimanualigen Harmonium, das für

ihn auf zwei Dritteltonskalen im Halbtonabstand umgestimmt worden war, aus deren

Kombination sich zusätzlich Sechsteltöne ergaben.68

Busoni war auch derjenige, der Alois Hába auf Drittel- und Sechsteltöne aufmerksam

gemacht hat. „Einmal, so berichtete Hába, fragte ihn Busoni in leicht

herausforderndem Ton: ‚Warum komponieren Sie eigentlich im Vierteltonsystem?

Das Drittel- und das Sechsteltonsystem, die ich empfehle, sind interessanter als das

Vierteltonsystem. Wollen Sie es nicht auch im Drittel- und Sechsteltonsystem

probieren?’“69

67HansHeinzStuckenschmidt,MusikundTechnik, in:KlangstrukturderMusik,bearb.VonFritzWenckel, Berlin 1955, S. 211 ff. Hier zitiert nach:HansRudolf Zeller,Ferruccio Busoni und diemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.9.

68vgl.HansRudolfZeller,FerruccioBusoniunddiemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.10f.

69ebd.S.17.

29

Warum er das Drittel- und Sechsteltonsystem interessanter als Vierteltonsystem

gefunden hat, würde ich – ohne Anspruch auf Richtigkeit – folgendermaßen

begründen: Vierteltöne erhält man durch die Teilung des Halbtons in zwei, d.h. die

Struktur des den Halbton als das kleinste Intervall verwendeten temperierten Systems

ist immer noch ein Teil des Vierteltonsystems. Aber im Dritteltonsystem ist die

Situation anders, weil es keine Halbtöne gibt. Im Sechsteltonsystem befinden sich

zwar Halbtöne, aber in einer Kombination von Sechsteltönen ist es

unwahrscheinlicher, dass die Halbtonabstände wahrgenommen werden. Hans Rudolf

Zeller beantwortet diese Frage teilweise meiner Überlegung ähnlich, aber auch mit

einer anderen Ansicht: „Busonis Präferenz für das Dritteltonsystem verweis auf die

Bedeutung, welche die Ganztonleiter seit Liszt vor allem bei Debussy, und nicht

zuletzt in Busonis eigenen Kompositionen gewonnen hatte. Durch die Dreiteilung des

gegenüber dem Halbton noch unverbrauchten Ganztons sollte der Halbton

vorsorglich übersprungen und eine Alternative zur nächstliegenden Lösung, der

Teilung des Halbtons in zwei Vierteltöne geschaffen werden.“70

Busoni ist in dieser Richtung besonders nach 1920 zu einer wichtigen,

beeinflussreichen Figur geworden. Hans Rudolf Zeller formuliert diese

musikgeschichtliche Situation folgendermaßen:

„1920, das Jahr, in dem Busoni zum Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Berliner Akademie der Künste berufen wurde, markiert dabei zugleich das Ende der ersten Phase in der Wirkungsgeschichte seines ‘Entwurfs’ von 1907 und den Übergang der theoretischen Vision in die kompositorische Praxis. Wie es Busoni im frühen ‘Entwurf’ vorausgeahnt hatte, ging eine heranwachsende Komponistengeneration daran, sich das ungewohnte Material gefügig zu machen, die von ihm visierte Differenzierung des Tonsystems und die Erneuerung des Instrumentariums als Einheit von Komposition, Theorie und Instrumentenbau zu verwirklichen und damit dem geschichtlichen Trend, Stimmung und Instrumentarium rigoros zu vereinheitlichen, die Individualisierung oder genauer, die individuelle Proportionierung und Konstruktion sowohl des Tonsystems wie der Klangerzeuger entgegenzusetzen.“71

70HansRudolfZeller,MikrointervalleinderMusikdes20.Jahrhunderts,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.53.

71HansRudolfZeller,FerruccioBusoniunddiemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-KlausMetzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.12.

30

Aber Busoni war diesbezüglich weder die einzige noch die erste Persönlichkeit.

Weitab von europäischen Musikzentren arbeitete Julián Carrillo – ohne direkten

Kontakt zu Busoni und den Berliner Aktivitäten – gleichzeitig in Mexiko an der

Realisierung seiner bis dahin immer wieder zurückgestellten Projekte. Schon 1895 –

zwölf Jahre vor der Erscheinung von Busonis Entwurf – hatte er den Sechzehntelton

als kleinste noch unterscheidbare Tondifferenz bestimmt und offenbar vor 1920,

wahrscheinlich 1917, bereits eine Sechzehnteltonharfe gebaut. Sein Preludio a Colón

war das erste Stück, das auf mehreren Tonsystemen, nämlich dem Viertel-, Achtel-

und Sechzehnteltonsystem basierte.72

Die Einflüsse Busonis auf die mikrotonale Musik des 20. Jahrhunderts waren jedoch

keine theoretischen, sondern ideologischen. „Vergegenwärtigt man sich diese beiden

nach Richtung und Resultaten grundverschiedenen Wege [der technologische und der

progressiv instrumentale], wird deutlich, dass Busoni neben Schönberg der

einflussreichste Komponist dieses Jahrhunderts war, ohne im Unterschied zu

Schönberg je schulbildend zu wirken, allein kraft des Gedankens und der Vision.“73

Obwohl Busoni und die anderen Komponisten dieser Gruppe die temperierte

Stimmung – auf widersprüchlicher Weise – kritisiert haben, waren ihre Tonsysteme

eigentlich eine Erweiterung des temperierten Systems. Mit anderen Worten, die

konventionell temperierte Stimmung war der erste Schritt zu den Tonsystemen wie

Drittel-, Viertel-, Sechstel-, Achteltonsysteme. „Ich werde nie behaupten, dass alle

heutige Mikrotonmusik auf ohnehin vorhandenen Ideen der europäischen

Musiktradition beruht oder beruhen sollte. Die Vierteltonmusik Hábas oder

Wyschnegradskys z.B. bezieht sich auf die Zwölftontemperierung und ist deren

Derivat durch Weiterteilung“74, so Manfred Stahnke.

Es ist hier kein Raum, die einzelnen Wege der Komponisten dieser Gruppe zu

untersuchen, da die Themen, wie z.B. nach welchen Ordnungen sie die Mikrotöne

organisiert oder verschiedene Tonsysteme in einem Stück eingesetzt haben, würden

72vgl.ebd.S.13.

73ebd.S.14.

74 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.128.

31

viele Seiten umfassen. Bemerkenswert ist aber, dass die Entwicklung dieser Art der

mikrotonalen Musik mehr oder weniger zur gleichen Zeit von Schönbergs

Zwölftonmethode angefangen hat.75 Hans Rudolf Zeller schreibt darüber:

„Zur selben Zeit also, da Schönberg, gleichfalls um 1920 die Zwölftonmethode, das Komponieren mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen des, wie hinzuzufügen wäre, temperierten Systems formulierte, hatte sich bereits eine internationale Avantgarde von Komponisten konstituiert, die unabhängig voneinander an der musikalischen und theoretischen Fundierung nicht zwölftönig temperierter Tonsysteme arbeiten. Diese Koinzidenz ist ebenso bemerkenswert wie schon der Plural ‘Tonsysteme’ selbst, verweist er doch auf ein Merkmal, das diese Parallelentwicklung bis heute charakterisiert.“76

Zum Schluss meiner Arbeit möchte ich noch ein Thema, das die

Aufführungsprobleme mikrotonaler Musik betrifft, erwähnen.

Es ist die Wahrheit, dass jeder Komponist, der mikrotonal komponieren will, – auch

heute noch – sich die Frage stellt, ob die mikrotonale Abweichungen von den Tönen

des konventionell temperierten Systems spielbar wären. Georg Friedrich Haas

formuliert dieses Problem sehr schön: „Auch heute noch gilt es als etwas

Ungewöhnliches, Mikrotöne einzusetzen. Es ist nötig, zu begründen, warum man Töne

außerhalb des temperierten Systems verwendet.“77 Man kann das leicht verstehen,

weshalb die Komponisten am Anfang des 20. Jahrhunderts mit den mikrotonalen

Experimenten auf den Tasten- oder Saiteninstrumente angefangen haben. Diese

Instrumente sind ja die einzigen, die auch die Töne des konventionell temperierten

Systems „richtig“ und ohne besondere Bemühung realisieren können.

Aber auch bei diesen Instrumenten war die mikrotonale Musik nicht problemlos

auszuführen: „Das Vierteltonklavier wiederum erwies sich schon wegen der geringen

75 Anmerkung: Hier ist nicht die gedankliche, sondern die kompositorische Entwicklung dermikrotonalen Musik um 1920 gemeint. Die Visionen und Überlegungen (z.B. von Busoni undCarrillo) haben schon vor 1900 begonnen. Aber die ersten „Kompositionen“ von denKomponistenindieserRichtung(wieHába,Wyschnegradsky,Carrillo)tauchtenum1920auf.

76HansRudolfZeller,MikrointervalleinderMusikdes20.Jahrhunderts,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.55.

77GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.59.

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Anzahl von Instrumenten und der speziell dafür erforderlichen Spieltechnik als

problematisch, weshalb sich Wyschnegradsky schon früh für die inzwischen üblich

gewordene Notlösung der zwei im Vierteltonabstand gestimmten Klaviere

entschied.“78

Das erstgenannte Problem liegt an dem natürlichen Bau des Klaviers. Die alle heute

gebräuchlichen Klaviere werden natürlich nach der Habtonstimmung gebaut. Wenn

man die Saiten des Klaviers im Vierteltonabstand stimmen will, heißt das, dass man

auf mehreren Saiten viel größere Änderungen (wie Oktave, Duodezime usw.)

vornehmen muss. Denkt man an die Umstimmung einer Saite der Violine um eine

Oktave tiefer oder höher, gilt das auch auf der Saiten des Klaviers unmöglich. Zu

diesem Zweck müssen spezielle Instrumente gebaut werden. Und das zweite Problem

besteht daraus, dass das Gefühl der Tasten sich durch diese Veränderung des

Instruments auch ändern.

Manche Komponisten wie z.B. Harry Parch finden den Bau der speziellen

Instrumente notwendig. Wie Harry Parch: „Parch weiß, dass jedes Musikinstrument

die Geschichte der auf ihm realisierten Musik miteinbringt. Er zieht die Konsequenz,

seine Instrumente neu zu bauen und eine eigene Schrift für diese Musik zu

entwickeln.“79 Aber die schwerwiegende Neigung der Komponisten ist es, eine

Lösung zu finden, um die mikrotonale Musik auf den üblichen Instrumenten zu

realisieren. In seinem Artikel beschreibt Georg Friedrich Haas die Realisation seines

ersten Streichquartetts:

„In meinem 1. Streichquartett werden die 16 Saiten so gestimmt, dass mit den leeren Saiten 4 Obertonakkorde, bestehend aus Grundton, Quint, großer Terz und zu kleiner kleiner Sept gebildet werden können, was zunächst mit Hilfe einer CD geschieht, von der die Stimmtöne abgenommen werden, anschließend werde die Akkorde durch das Gehör kontrolliert. In der Komposition werden dann vorwiegend natürliche Flageoletts und leere Saiten benutzt.“80

78HansRudolfZeller,MikrointervalleinderMusikdes20.Jahrhunderts,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.54.

79GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.61.

80ebd.S.64.

33

In den Stücken, welche mit reinen, natürlichen Intervallen komponiert wurden, ist das

Problem der Ausführung verständlicherweise leichter aufzulösen als in den anderen,

welche in temperierten Tonsystemen wie Drittel-, Viertel- und Fünfteltonsysteme

geschrieben sind, weil das Ohr die natürlichen Intervalle instinktiv bestimmen kann.

Mit der Formulierung von Manfred Stahnke: „Für reine Quinten 3/2 und Terzen 5/4

verwende ich keine Spezialzeichen, sondern denke mir, dass meine Harmonik diese

reinen Intervalle von allein suggeriert.“81 Auch bei Partch ist eine ähnliche Ansicht

zu finden: „Der praktisch denkende Partch (er übte seine Musik immer selbst mit

seinen Freunden ein) hat seine Musik nie mit Mikrotonzeichen aufgeschrieben, sicher

auch, weil er wusste, dass eine theoretisch richtig notierte naturreine Musik von

gewisser harmonischer Komplexität kaum praktisch lesbar sein kann.“82

In den temperierten mikrotonalen Systemen ist die Situation jedoch völlig anders.

Hans Rudolf Zeller schreibt:

„Dennoch wäre zu konstatieren, dass es in den zwanziger Jahren neben der Mikrointervallkomposition in den nächstliegenden, ‘praktikablen’ Systemen und ihrer theoretischen Fundierung vor allem um den Bau neuer, zur Aufführung von Mikrointervallmusik geeigneter Instrumente ging, sollte sie nicht immer nur gleichsam provisorisch und hauptsächlich von Streichinstrumenten wiedergegeben werden können.“83

Die Streichinstrumente kommen nach den Tasten- und Saiteninstrumente in der

zweiten Reihe. Bei denen ist es zwar gar nicht leicht, Mikrotöne zu produzieren, aber

dank der Natur der Instrumente können die Spieler die Griffpunkte der Mikrotönen

optisch oder in Maßen feststellen und dies mit der Übung in flüssigen – sogar

schnellen – Linien einsetzen. Diese Situation ist bei den Blasinstrumenten noch

schwerer. Das Einsetzen der Mikrotöne ist bei den Blasinstrumenten ein Verfahren,

das der Natur der Instrumente entgegensteht, weil die Produzierung der Mikrotöne

81 Manfred Stahnke,Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn(Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.131.

82ebd.S.130.Anmerkung: Wie schon erwähnt, ist Partch für den Bau der für diese Musik speziellenInstrumente.DieseBemerkungzeigtnur,dasserkeinezusätzlichenZeichenbraucht,umseineVorstellungdernaturreinenKlängeweiterzugeben.

83HansRudolfZeller,MikrointervalleinderMusikdes20.Jahrhunderts,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.54.

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entweder durch einen eigenen Griff oder durch die Veränderung des Ansatzes für jede

mikrotonale Abweichung möglich ist. Trotz dieser Schwierigkeiten hat jedes

Instrument auch eine mikrotonale Welt in sich. Die Flageoletttöne der

Streichinstrumente, die Mehrklänge der Holzblasinstrumente und das Naturtonblasen

der Blechblasinstrumente sind einige davon.

Ich möchte meine Arbeit mit einem Zitat von Béla Bartók zu Ende bringen:

„Die Zeit der Weiterteilung des halben Tons (vielleicht bis ins Unendliche) wird jedenfalls kommen, wenn auch nicht in unseren Tagen, sondern in Jahrzehnten und Jahrhunderten Doch wird sie ungeheure technische Schwierigkeiten [...] zu überwinden haben, ganz abgesehen von den Intonationsschwierigkeiten für die menschliche Stimme [...]; dieser Umstand wird das Leben des Halbtonsystems höchstwahrscheinlich mehr, als künstlerisch notwendig ist, in die Länge ziehen.“84

84BélaBartók,DasProblemderneuenMusik,in:Melos1920,S.107ff.Hierzitiertnach:HansRudolfZeller,FerruccioBusoniunddiemusikalischeAvantgardeum1920,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.15.

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Nachbemerkung

Im Laufe meiner Arbeit sind die Grenzen, die wir dafür brauchen, die „mikrotonale“

Musik von derjenigen, die im konventionell temperierten System geschrieben oder

realisiert wird, zu unterscheiden, für mich immer unschärfer geworden. Wenn man an

die zwei Grundhaltungen der mikrotonalen Musik (die auf naturreine Intervalle

basierende und die weitere Temperierungen bevorzugte) denkt und diese Haltungen

mit einem historischen Zeitpunkt vor der Erfindung der temperierten Stimmung oder

mit dem Einsetzen der Wohltemperierung in die westliche Musik vergleicht, ist es

nicht so schwer, auf das Resultat zu kommen, dass die Mikrotonalität ein natürlicher

Bestandteil der musikalischen Entwicklung ist. Georg Friedrich Haas formuliert das –

dem Etikett ‘mikrotonaler Komponist’ widersprechend – sehr schön: „Ja, es stimmt,

ich komponiere mikrotonal – aber es gibt ja heute kaum mehr eine/n

Komponisten/Komponistin von Rang, der/die das nicht in irgendeiner Weise tut.“85

Die mikrotonale Musik beinhaltet von Anfang an – auch heute noch – unzählige

kompositorische, aufführungstechnische und ästhetische Probleme, welche die

Komponisten dieser Musik dazu zwingen oder gezwungen haben, ihre eigenen Wege

zu finden. So ein Bereich also, der sich bei jedem Komponisten verschiedener Weise

untersuchen lässt. Und was ich in meiner kurzen Arbeit machen konnte – wenn es mir

überhaupt gelungen ist –, einen Überblick über das Thema „Mikrotonalität“ zu

schaffen.

85GeorgFriedrichHaas,Mikrotonalitäten,in:Heinz-KlausMetzger(Hrsg.)/RainerRiehn(Hrsg.):Musik-KonzepteSonderband,MusikderanderenTradition,MikrotonaleTonwelten,editiontext+kritikimRichardBoorbergVerlagGmbH&Co.,München,Februar2003,S.62.

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Literaturverzeichnis

• Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik

• Ferruccio Busoni, Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Insel-Verlag, Wiesbaden, 1954

• Georg Friedrich Haas, Mikrotonalitäten, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co., München, Februar 2003

• Donald E. Hall, Musikalische Akustik, Hrsg. von Johannes Goebel, aus dem Amerikanischen von Thomas A. Troge, Schott Musik International, Mainz, 1997

• Helmut Lachenmann/Josef Häusler (Hrsg.): Musik als existentielle Erfahrung, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 1996, 2., aktualisierte Auflage 2004

• György Ligeti/Monika Lichtenfeld (Hrsg.): Gesammelte Schriften, 2 Bd., Veröffentlichung der Paul Sacher Stiftung, Schott Musik GmbH & Co. KG, Mainz 2007

• Cordula Pätzold, Canceri d’invanzione von Brian Ferneyhough, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br., WS 2001/2002

• Juan G. Roederer, Physikalische und psychoakustische Grundlagen der Musik, [Aus dem Engl. übers. von F. Mayer-Pfeiffer; S. Güss], 3. Aufl., Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2000

• Manfred Stahnke, Mein Weg zu Mikrotönen, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co., München, Februar 2003

• Hans Heinz Stuckenschmidt, «Nachwort» zu Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Berlin, Dezember 1953, in: Ferruccio Busoni, Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst, Insel-Verlag, Wiesbaden, 1954

• Beate Zelinsky (Hrsg.)/David Smeyers (Hrsg.), Pro musica nova. Studien zum Spielen Neuer Musik für Klarinette, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1996, Beiheft. Kommentare und Zeichenerklärungen

• Hans Rudolf Zeller, Mikrointervalle in der Musik des 20. Jahrhunderts, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co., München, Februar 2003

• Hans Rudolf Zeller, Ferruccio Busoni und die musikalische Avantgarde um 1920, in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co., München, Februar 2003

• Hans Zender, Gegenstrebige Harmonik (2000), in: Heinz-Klaus Metzger (Hrsg.)/Rainer Riehn (Hrsg.): Musik-Konzepte Sonderband, Musik der anderen Tradition, Mikrotonale Tonwelten, edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co., München, Februar 2003

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Anhang:

Notenbeispiele

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Notenbeispiel Nr.1 – György Ligeti: Streichquartett No.2 © B. Schott's Söhne, Mainz, 1971
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Notenbeispiel Nr.2 – Adriana Hölszky: A due. Wellenstudie für 2 Es-Klarinetten © Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, 1994
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Notenbeispiel Nr.3 – Giacinto Scelsi: Tre pezzi © Editions Salabert, Paris, 1984
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Notenbeispiel Nr.4 – Michael Jarrell: ...prisme / incidences ... © Editions Henry Lemoine, Paris, 1998
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Notenbeispiel Nr.5 – Brian Ferneyhough: Superscriptio für Piccoloflöte solo © Hinrichsten Edition, Peters Edition Ltd., London, 1982