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Erreichung störungsübergreifender Therapieziele in einer störungsspezifischen ambulanten Gruppenpsychotherapie phobischer Patienten

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Erreichung störungsübergreifender Therapiezielein einer störungsspezifischen ambulanten Gruppen−psychotherapie phobischer PatientenAttainment of Generic Therapy Goals in a Specialized Group Psychotherapyfor Phobic Outpatients

Autoren Manuel Trachsel1,2, Simon Itten2, Barbara Stauffer1, Martin Grosse Holtforth2, Dieter Hofer1

Institute 1 Psychiatrische Dienste Thun2 Universität Bern

Key wordsl" therapy goalsl" group psychotherapyl" outcomel" anxiety disorders

eingereicht 28.8.2007akzeptiert 16.10.2007

BibliografieDOI 10.1055/s−2007−986292Online−Publikation:19. Dezember 2007Psychother Psych Med 2008;58: 359 ± 365 � Georg ThiemeVerlag KG Stuttgart ´ New York ´ISSN 0937−2032

KorrespondenzadresseDr. phil. Simon IttenPsychotherapeutischePraxisstelleGesellschaftsstraße 493012 Bern, [email protected]

Originalarbeit 359

Einleitung und Fragestellungder Untersuchung!

Kognitiv−behaviorale Gruppentherapien sind re−lativ strukturiert und basieren auf spezifischenVeränderungsstrategien (z. B. kognitive Umstruk−turierung, Reizkonfrontation), welche die Aktivi−täten innerhalb der Gruppe prägen [1]. Diese For−men der Gruppentherapie bestehen weitgehendaus Erweiterungen von Modellen, die originärfür die Einzeltherapie konzipiert wurden [2].Die kognitiv−behaviorale Gruppenpsychothera−pie (KBGT) erfordert neben der Anwendung vonspezifischen Veränderungsstrategien den syste−matischen Einbezug von Gruppenprozessen, umdie Entwicklung einer arbeitsfähigen Therapie−gruppe zu gewährleisten (siehe z.B. [3, 4]). DieArbeit an ihren persönlichen Therapiezielen

kann Patienten nur dann optimal gelingen, wennkonstruktive instrumentelle Gruppenbedingun−gen [5] wie hinreichende Gruppenkohäsion, einKlima des Vertrauens und der Offenheit sowieeine genügend starke kooperative Arbeitshaltungbestehen. Die Realisierung der instrumentellenGruppenbedingungen ist Voraussetzung dafür,dass Patienten innerhalb der Gruppe positiveKlärungs− und Bewältigungserfahrungen machenkönnen (vgl. z.B. [6]).Ob eine Psychotherapie erfolgreich war odernicht, kann immer auch dadurch charakterisiertwerden, inwieweit der Patient seine Therapiezie−le erreicht hat (z. B. [7]). Zielerreichung ist ein es−senzielles Erfolgsmaß für Psychotherapie (z. B.[8]). Berking, Jacobi und Masuhr [9] konnten zei−gen, dass Zielerreichung stark mit anderen Ma−ßen des Therapieerfolgs zusammenhängt. Damit

Zusammenfassung!

Individuelle Therapieziele von Psychotherapie−patienten sind entweder störungsspezifisch undstellen Symptomreduktion in den Vordergrundoder sie sind störungsübergreifend und fokussie−ren auf Verbesserungen auch in anderen Funk−tionsbereichen. In der vorliegenden Studie wurdean einer Stichprobe von 62 phobischen Patienteneiner ambulanten störungsspezifischen kognitiv−behavioralen Gruppenpsychotherapie (KBGT)untersucht, ob Patienten störungsspezifischeTherapieziele besser erreichen als störungsüber−greifende Therapieziele. Es zeigte sich, dass diePatienten ihre störungsspezifischen Ziele ineinem höheren Maße erreichten als ihre stö−rungsübergreifenden, aber auch bezüglich stö−rungsübergreifender Ziele beträchtliche Verbes−serungen erreicht werden, obwohl diese nichtexplizit Gegenstand der Therapie waren. Konse−quenzen dieser Befunde für Diagnostik und The−rapie phobischer Patienten werden diskutiert.

Abstract!

Individual therapy goals of psychotherapy pa−tients either focus on symptom relief (disorderspecific) or on improvements also in otherfunctional areas (generic). The present studywith 62 outpatients in a cognitive behavioralgroup psychotherapy (CBGT) investigatedwhether patients attain their disorder specificgoals better than their generic therapy goals. Re−sults indicated that patients reached disorderspecific goals to a higher degree than the genericgoals, although the group treatment specificallytargeted the disorder specific goals. Implicationsof the results for the assessment and therapy ofphobic patients are discussed.

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sind die Formulierung von Therapiezielen und die Einschätzungbezüglich deren Erreichung unverzichtbare Instrumente derOutcome−Evaluation [10].Es konnte gezeigt werden, dass schon nur das Setzen eigenerTherapieziele positive Effekte auf die Motivation und den Thera−pieoutcome von Patienten hat [11]. In welchen Bereichen sichPatienten ihre Therapieziele setzen, hängt zu einem gewissenGrade, jedoch nicht ausschließlich mit ihrer Diagnose zusam−men [12 ± 14].Während sich depressive Patienten viel häufiger Ziele im inter−personalen Bereich oder im Bereich der Selbstentwicklung set−zen, haben Angstpatienten typischerweise mehr Problem− undSymptombewältigungsziele [9,10,13,15]. Berking, Grosse Holt−forth, Jacobi und Kröner−Herwig [14] konnten bei stationärenRehabilitationspatienten zeigen, dass das Ausmaß der Zielerrei−chung mit der Art des Therapieziels zusammenhängt.Es konnte außerdem in vielfältigen Untersuchungen gezeigtwerden, dass Patienten, die unter phobischen Angststörungenleiden, mit KBGT erfolgreich behandelt werden können (z. B.[16 ± 18]). Implizit bedeutet Symptomreduktion für die Patien−ten in diesen Studien auch die Erreichung ihrer störungsspezifi−schen Therapieziele.In der Psychotherapieforschung werden traditionellerweise ¹all−gemeine“ von ¹störungsspezifischen“ Wirkfaktoren unterschie−den. Gemäß Wampold [19] bezieht sich das ¹Spezifische“ dabeiv. a. auf problem− und störungsspezifische Interventionen oderauf settingspezifische Merkmale. Das ¹Allgemeine“ definiertGrawe [20] als therapieschul− und settingunspezifisch. Dem−nach werden störungsspezifische Therapieziele in der vorliegen−den Studie als Ziele definiert, bei denen es um die Bewältigungvon Problemen und Symptomen geht, die typisch für die diag−nostizierte Störung sind (z. B. Abbau von Vermeidungsverhaltenbei Agoraphobie oder von Selbstaufmerksamkeitsprozessen beiPanikstörung). Im Gegensatz dazu werden störungsübergreifendeTherapieziele als Ziele definiert, die über die Problem− und Symp−tombewältigung hinausgehen und nicht an eine bestimmte psy−chische Störung gebunden sind (z. B. Verbesserung der Bezie−hungen zu nahen Bezugspersonen oder Selbstwertentwicklung).Es existiert gemäß unserem Kenntnisstand keine publizierteStudie, in der untersucht wurde, ob sich bei phobischen Patien−ten einer KBGT die Zielerreichung bezüglich störungsspezifi−scher versus störungsübergreifender Ziele unterscheidet, d. h.störungsspezifische Ziele in einem höheren Maße erreicht wer−den als störungsübergreifende, wie es aufgrund der bewälti−gungsorientiert und störungsspezifisch konzipierten KBGT zuerwarten wäre.Das Hauptziel dieser Studie ist es deshalb zu untersuchen, obphobische Patienten mithilfe einer relativ strukturierten, stö−rungsspezifischen KBGT mit konstruktiven instrumentellenGruppenbedingungen neben feststellbarer Symptomverringe−rung nicht nur individuelle störungsspezifische, sondern auchindividuelle störungsübergreifende Ziele wie Selbstwert− oderinterpersonale Ziele erreichen. Zusätzlich wird erwartet, dassPatienten ihre störungsspezifischen Ziele durchschnittlich bes−ser erreichen als ihre störungsübergreifenden.

Methodik!

Stichprobe72 Patienten wurden mit einer störungsspezifischen KBGT fürphobische Ängste behandelt. Davon wurden 10 Patienten nicht

in die Studie aufgenommen, da ihre Behandlung vor der vorgän−gig bestimmten Mindestdauer von zehn Gruppentherapiesit−zungen abgebrochen wurde. Somit ergab sich für die vorliegendeStudie eine tatsächliche Stichprobe von n = 62.Die Patienten waren durchschnittlich 42,4 Jahre alt (SD = 11,7).Knapp drei Viertel der Patienten (72,6 %; n = 45) waren weiblich,gut ein Viertel (27,4 %; n = 17) war männlich.Alle untersuchten Patienten erfüllten bei Therapieeintritt dieDSM−IV−Kriterien [21] einer Angststörung als Hauptdiagnose.96,8 % (n = 61) der Patienten erfüllten die Kriterien einer phobi−schen Angststörung und 3,2% (n = 2) die Kriterien einer Panik−störung ohne Agoraphobie. Da das Behandlungskonzept (sieheBehandlung) neben phobischen Angststörungen auch auf Panik−störungen ohne Agoraphobie ausgerichtet ist, wurden zwei Pa−tienten mit dieser Hauptdiagnose mitbehandelt und in die Stich−probe eingeschlossen.Mit allen Patienten wurde ein unstandardisiertes klinisches In−terview durchgeführt. In diesen Interviews wurden die Patien−ten hinsichtlich der Diagnosekriterien nach DSM−IV [21] befragt.Die Diagnosestellung erfolgte auf der Basis dieser unstandardi−sierten diagnostischen Interviews und mit Unterstützung derFragebogendaten (BSI und AKV, siehe unter Messmittel) konsen−suell durch zwei klinische Psychologinnen streng nach den Diag−nosekriterien des DSM−IV [21]. l" Tab. 1 gibt einen Überblicküber die Häufigkeiten der verschiedenen Hauptdiagnosen inder untersuchten Stichprobe.61 % (n = 38) der Patienten erfüllten zusätzlich zur Hauptdiagno−se die Kriterien einer oder mehrerer Nebendiagnosen. Die häu−figsten Nebendiagnosen waren leichte bis mittelgradige depres−sive Störungen (24%, n = 15), weitere Angststörungen (24%,n = 15) und Anpassungsstörungen (8%, n = 5). Achse−II−Störun−gen wurden nicht systematisch erfasst. Patienten mit folgendenSymptomen oder Störungen wurden nicht in der KBGT behan−delt und somit von der Studie ausgeschlossen: Patienten mitpsychotischen Symptomen, akuter Suchtproblematik, posttrau−matischer Belastungsstörung mit stark ausgeprägten und leichtaktualisierbaren dissoziativen Zuständen, Somatisierungsstö−rung, hypochondrischer Störung und generalisierter Angststö−rung. Bezüglich Achse−I−Diagnosen, Geschlecht, Alter und Artder Therapieziele unterschieden sich die Abbrecher nicht signifi−kant von den untersuchten Patienten.

BehandlungAlle untersuchten Patienten wurden im Zeitraum von Januar2004 bis Februar 2007 in einer ambulanten kognitiv−behaviora−len störungsspezifischen Gruppentherapie (KBGT) für Agora−phobie, Panikstörung, soziale Phobie und spezifische Phobienach dem institutionsinternen Therapiekonzept (AmbulanteAngstbehandlung in der Gruppe [22]) behandelt. Dieses baut

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Tab. 1 Häufigkeitsverteilung der Hauptdiagnosen

DSM−IV Diagnose Häufigkeit

(n)

Prozent

(%)

300.21 Panikstörung mit Agorapho−bie

37 58,7

300.22 Agoraphobie ohne Panikstö−rung

2 3,2

300.23 Soziale Phobie 14 22,2

300.29 Spezifische Phobie 7 11,1

300.01 Panikstörung ohneAgoraphobie

2 3,2

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auf Manualen von Schneider und Margraf [23] sowie Schmidt−Traub [24] auf. In der KBGT erarbeiten Patienten ein Verständnisdafür, welche funktionalen Zusammenhänge im Allgemeinenund im Einzelfall bei Angstzuständen bestehen. Es wird insbe−sondere auf die Rolle von Kognitionen, Emotionen, physiologi−schen Reaktionen und des Verhaltens innerhalb einer Situationgeachtet und ein Verständnis für das Zusammenspiel der ver−schiedenen Aspekte im Einzelfall erarbeitet. Es werden konsen−suell individuelle Übungen bestimmt, welche die einzelnen Teil−nehmer entweder selbstständig oder mithilfe des Expositions−therapeuten durchführen. Diese Übungen resp. Expositionendienen dazu, dass Patienten in realen Situationen korrektive Er−fahrungen machen [21,25, 26], die ihre Selbstwirksamkeitser−wartung steigern [27], und sie so ihr Vermeidungsverhaltendurch adaptivere Strategien ersetzen können. Zentral ist dabeidie Erfahrung der Patienten, dass sie ihre Angst bewältigen unddie neu erworbenen Kompetenzen auf weitere Situationen über−tragen können.In einer parallel zu dieser Gesprächsgruppe durchgeführten Kör−perwahrnehmungsgruppe, die integraler Bestandteil des Be−handlungskonzepts der ambulanten Angstbehandlung in derGruppe gemäß Stauffer [22] ist, werden allgemeine und angst−spezifische Techniken zur Entspannung und Angstbewältigunggeübt, u. a. Progressive Muskelrelaxation (PMR) [28] und At−mungstechniken. Einerseits soll damit die Reduktion der fürAngstpatienten typischen hohen Grundspannung erreicht wer−den, andererseits werden Möglichkeiten zur Bewältigung vonakuten Panikattacken (meist verbunden mit Hyperventilation)vermittelt.Zu Beginn der Behandlung erfolgten mindestens zwei Indika−tionsgespräche, die zur diagnostischen Abklärung und Zieldefi−nition dienten. Außerdem wurden Fragebogen (s. Messmittel)eingesetzt. Diese dienten einerseits der diagnostischen Unter−stützung und andererseits der individuellen Erfolgsmessung.Die KBGT wurde im ersten Jahr (n = 19) durch zwei psychologi−sche Psychotherapeutinnen und in den zwei weiteren Jahren(n = 43) von einer psychologischen Psychotherapeutin und ei−nem fortgeschrittenen Psychologiestudenten durchgeführt. DieAnzahl der Patienten betrug jeweils maximal 8 Personen. DieGruppe war durchlässig, d. h. Neueinsteiger wurden monatlichaufgenommen. Der zeitliche Aufwand für die Patienten betrugmindestens 150 Minuten pro Woche (90 Minuten Gesprächs−gruppe und 60 Minuten Körperwahrnehmungsgruppe). Zusätz−lich musste Zeit für Indikations− und Schlussgespräche sowiefür Expositionen aufgewendet werden. Die Gruppe wurde min−destens während 10 Wochen besucht.Die untersuchten Patienten nahmen an durchschnittlich 12,18Gruppensitzungen teil (SD = 3,37) und pro Patient wurdendurchschnittlich 3,77 Einzelgespräche (Indikations−, Standort−und Austrittsgespräche, SD = 1,80) sowie 0,74 begleitete Angst−expositionen durchgeführt (SD = 1,88).Neben der Behandlung in der KBGT wurden 47,6 % (n = 30) derPatienten durch einen Arzt mit antidepressiver Medikation be−handelt. Davon erhielten 83% (n = 25) ein SSRI, 13 % (n = 4) eintrizyklisches Antidepressivum und eine Person ein Johannis−krautpräparat. Von den 30 antidepressiv behandelten Patientenerfüllten 66,6 % (n = 20) zusätzlich zur phobischen Angststörungdie Kriterien einer depressiven oder einer Anpassungsstörung.Durch uns wurden keine Benzodiazepine oder andere Anxiolyti−ka verschrieben. Ein durch uns nicht quantifizierbarer Teil derPatienten ließ sich diese Medikamente von ihrem Arzt ver−schreiben. Ein ebenfalls nicht klar zu quantifizierender Teil der

Patienten nahm weitere Einzeltherapie durch externe Psycho−therapeuten oder Ärzte in Anspruch.

MessmittelGoal Attainment Scaling (GAS)Zu Beginn der KBGT wurden mit allen Patienten maximal dreiindividuelle Therapieziele erarbeitet und schriftlich festgehal−ten. Die Therapieziele kamen zustande, indem die Patienten dieInhalte vorgaben und die Therapeuten den Prozess strukturier−ten. Damit wurde versucht, systematische Therapeuteneinflüsseauf die Therapiezielinhalte auszuschließen. Für die individuellenTherapieziele wurde die Methode des Goal Attainment Scaling(GAS) [29] verwendet. Das GAS erfüllt dabei verschiedene Funk−tionen: Die Zielformulierung stellt eine Art Behandlungsvertragzwischen dem Patienten und dem Therapeuten dar und aus ihrkönnen therapeutische Strategien abgeleitet werden. Darüberhinaus kann der Patient in der von uns verwendeten Versionnach der Therapie auf einer Skala einschätzen, inwieweit er dasTherapieziel erreicht hat (± 2 = schlimmstmögliche Verschlech−terung, ± 1 = Verschlechterung, 0 = keine Veränderung, 1 = Zielzu einem Viertel erreicht, 2 = Ziel zur Hälfte erreicht, 3 = Ziel zudrei Vierteln erreicht, 4 = Ziel vollständig erreicht). Damit wirddas GAS zum Mittel der direkten individuellen Erfolgsmessungbezüglich Zielerreichung.

Berner Inventar für Therapieziele (BIT−T)Die GAS−Ziele der untersuchten Patienten wurden von zwei trai−nierten Ratern den Kategorien des Berner Inventars für Thera−pieziele (BIT−T) [13,15] zugeordnet. Das BIT−T ist eine empirischentwickelte Taxonomie für Therapieziele und besteht aus dreiAbstraktionsebenen. Auf der abstraktesten Ebene der Hauptzieleunterscheidet das BIT−T fünf verschiedene Zielkategorien: Prob−lem− und Symptombewältigungsziele, interpersonale Ziele,Wohlbefindensziele, Orientierungsziele und Selbstentwick−lungsziele. Als störungsspezifische Therapieziele wurden Prob−lem− und Symptombewältigungsziele betrachtet, als störungs−übergreifende Therapieziele, interpersonale Ziele, Wohlbefin−densziele, Orientierungsziele und Selbstentwicklungsziele. Aufder mittleren Ebene unterscheidet das BIT−T zwischen 34 Kate−gorien und auf der spezifischsten Ebene zwischen 97 Kategorien.Das BIT−T ist einerseits ein reliables Kategoriensystem, mit demhohe Beurteilerübereinstimmungen erreicht werden. Anderer−seits ist es valide, da die Kategorien in Bezugnahme auf realeTherapieziele generiert worden sind [15].Die GAS−Ziele der untersuchten Patienten wurden der Haupt−zielebene und der mittleren Ebene zugeordnet. Bei sozialphobi−schen Patienten wurden klinisch relevante Probleme und Symp−tome, die den interpersonalen Bereich betreffen (z.B. Bewer−tungsängste in sozialen Situationen), nicht der Kategorie ¹Inter−personale Ziele“, sondern der Kategorie ¹Problem− und Symp−tombewältigungsziele“ zugeordnet. Damit wurde verhindert,dass diese interpersonalen Probleme als störungsübergreifendeTherapieziele betrachtet wurden. Ziele von sozialphobischen Pa−tienten im interpersonalen Bereich, die über die Problem− undSymptombewältigung hinausgingen, d. h. störungsübergreifendwaren (z. B. Verbesserungen in der Beziehung zum Partner),wurden der Kategorie ¹Interpersonale Ziele“ zugeordnet.Die beiden Erstautoren des vorliegenden Artikels, welche nichtdie Haupttherapeuten der KBGT waren, fungierten als Rater fürdie GAS−Ziele der Patienten. Nach einem eingehenden Ratertrai−ning wurde die Interrater−Übereinstimmung an einer zufälligausgewählten Stichprobe von 43 GAS−Zielen von Patienten über−

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prüft, welche nicht an der KBGT teilnahmen. Die Interrater−Übereinstimmung auf der Ebene der Hauptziele lag nach demRatertraining bei einem Cohens k von 0,78 (zur Berechnung vonCohens k siehe [30]) und einer prozentualen Übereinstimmungvon 82 % (zur Berechnung der prozentualen Übereinstimmungsiehe [30]), was als genügend hohe Übereinstimmung erachtetwurde, um mit dem Rating der für die Untersuchung relevantenTherapieziele der KBGT−Patienten zu beginnen. Von den unter−suchten Patienten lagen insgesamt 118 Therapieziele vor, dievon jedem Rater separat geratet wurden. Die Interrater−Überein−stimmung lag dabei bei einem Cohens k von 0,75 und einer pro−zentualen Übereinstimmung von 88,4 %. Die Interrater−Überein−stimmung hatte also im Vergleich zum Zeitpunkt nach demTraining nicht bedeutend abgenommen, womit die Daten fürdie inferenzstatistischen Tests verwendet, werden konnten. Beiden Therapiezielen, die unterschiedlich kategorisiert wordenwaren, wurde durch die beiden Rater anschließend ein Konsens−rating vorgenommen.

Brief Symptom Inventory (BSI)Das Brief Symptom Inventory (BSI) [31, 32], eine Kurzform derSCL−90−R [33], ist ein Instrument zur Erfassung subjektiver Be−einträchtigung durch körperliche und psychische Symptome.Ausgewertet ermöglichen die 53 Items Aussagen zur Symptom−belastung, die zu neun Skalen (Somatisierung, Zwanghaftigkeit,Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängstlichkeit,Feindseligkeit/Aggressivität, Phobische Angst, Paranoides Den−ken und Psychotizismus) sowie drei globalen Kennwerten zu−sammengefasst werden.

Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionenund Vermeidung (AKV)Der Fragebogen zu körperbezogenen Ängsten, Kognitionen undVermeidung (AKV) [34] erfasst verschiedene Aspekte der Symp−tomatik bei Patienten mit Angststörungen und psychosomati−schen oder funktionellen Beschwerden. Er besteht aus folgendendrei Untertests: Fragebogen zur Angst vor körperlichen Sympto−men (Body Sensations Questionnaire, BSQ), Fragebogen zuangstbezogenen Kognitionen (Agoraphobic Cognitions Ques−tionnaire, ACQ) und Mobilitätsinventar (Mobility Inventory,MI). Letzteres erfasst die vermiedenen Orte und Situationen.Mithilfe dieser drei Tests können Angstauslöser, die zentralenBefürchtungen des Patienten und das Muster des Vermeidungs−verhaltens differenziert diagnostiziert werden.

Ergebnisse!

88,7 % der Patienten (n = 55) schätzten zum Post−Zeitpunkt dasMaß der Erreichung ihrer vor der Therapie formulierten GAS−Ziele ein. Die durchschnittliche Zielerreichung über alle Patien−ten lag auf der GAS−Skala (Wertebereich s. oben) bei einem Mit−telwert von 3,02 (Rohwert, SD = 0,78). Obwohl bei direkten Ma−ßen der Veränderung allgemein höhere Effektstärken resultierenals bei indirekten, entspricht das einer verglichen mit anderenUntersuchungen hohen Effektstärke (Cohens d) (zur Berechnungvon Cohens d für direkte und indirekte Veränderungsmaße siehe[35,36]) von 3,86 (vgl. z.B. [37]). Gemäß der Skalendefinitiondes GAS haben die Patienten ihre Ziele durchschnittlich zu gutdrei Vierteln erreicht.Die Häufigkeit von störungsübergreifenden verglichen mit stö−rungsspezifischen Therapiezielen über alle Patienten lag bei

25%. 35,5% der Patienten (n = 22) hatten sich zum Prä−Zeitpunktneben störungsspezifischen auch störungsübergreifende Zielegesetzt, d. h. sie hatten mindestens ein störungsspezifischesund ein störungsübergreifendes Ziel. Die durchschnittliche Ziel−erreichung der Patienten in diesen störungsübergreifenden Zie−len lag bei einem Mittelwert von 2,85 (GAS−Rohwert, SD = 1,15;d = 2,47). Die Patienten erreichten also auch ihre störungsüber−greifenden Ziele zu durchschnittlich knapp drei Vierteln.Um festzustellen, ob in dieser Untergruppe von Patienten dieWerte der Zielerreichung der störungsspezifischen verglichenmit den störungsübergreifenden Zielen höher waren, wurde eint−Test für abhängige Stichproben durchgeführt. Es ergab sich einstatistisch signifikanter t−Wert von 1,78 (p £ 0,05; einseitig). Da−mit erreichen Patienten störungsspezifische Therapieziele bes−ser als störungsübergreifende.Für 91,9 % der untersuchten Patienten (n = 57) waren sowohl fürden Prä− (vor der KBGT) als auch für den Post−Zeitpunkt (nachder KBGT) vollständige BSI− und AKV−Daten vorhanden. Eint−Test für abhängige Stichproben ergab, dass sich die Angst−symptomatik der Patienten während der KBGT ± gemessen mitden drei BSI−Skalen ¹Phobische Angst“, ¹Ängstlichkeit“ und ¹Un−sicherheit im Sozialkontakt“ sowie den sechs AKV−Skalen¹Angstbezogene Kognitionen“ (ACQ), ¹Gedanken an körperlicheKrisen“ (ACQ), ¹Gedanken an Kontrollverlust“ (ACQ), ¹Angst vorkörperlichen Symptomen“ (BSQ), ¹Vermeidungsverhalten allei−ne“ (MI−A) und ¹Vermeidungsverhalten in Begleitung“ (MI−B) ±statistisch hochsignifikant verbessert hat. Die Veränderungenwaren nicht nur hochsignifikant, sondern weisen im Vergleichzu anderen Studien auch sehr hohe Effektstärken (Cohens d)[35] auf (vgl. z.B. [37]). Zusätzlich wurde unter Zuhilfenahmeder BSI− und AKV−Normstichproben die klinische Signifikanz be−stimmt. Nach Jacobson und Truax [38] ist ein Wert dann klinischsignifikant, wenn er am Ende der Behandlung nicht mehr alszwei Standardabweichungen vom Mittelwert der Normstichpro−be abweicht. Alle gemessenen Veränderungen waren in diesemSinn klinisch signifikant.Zusätzlich wurde mithilfe der BSI−Skala ¹Depressivität“ [31, 32]erhoben, ob sich die Patienten vom Prä− zum Post−Zeitpunkt

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75 %

13 %

12 %

Se lb ste n t wi ck lun g s -zie le

In t e r-pe r s on aleZ ie le

Pr o ble m - un d Sym p t om -be wälti gun g szie le

Abb. 1 Aufteilung der Therapieziele: Interpersonale Ziele sowie Selbst−entwicklungsziele sind störungsübergreifend; Problem− und Symptombe−wältigungsziele störungsspezifisch.

Originalarbeit362

Trachsel M et al. Erreichung störungsübergreifender Therapieziele ¼ Psychother Psych Med 2008; 58: 359 ± 365

auch bezüglich ihrer depressiven Symptomatik verbessern. Diediesbezügliche Veränderung ± gemessen mit der Depressivitäts−skala des BSI ± war statistisch hochsignifikant (t = 5,32; p £ 0,00)und weist eine mittlere Effektstärke (Cohens d) [35] von 0,63auf.

Diskussion!

In der vorliegenden Untersuchung wurde an einer Stichprobevon 62 phobischen Patienten einer ambulanten störungsspezifi−schen KBGT untersucht, ob Patienten neben störungsspezifi−schen auch störungsübergreifende Therapieziele erreichen. Eswurde erwartet, dass sich die Patienten auch bezüglich stö−rungsübergreifender Ziele verbessern, obwohl diese nicht expli−zit Gegenstand der Therapie waren und deshalb angenommenwurde, dass sie ihre störungsspezifischen Ziele besser erreichen.Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass Patienten, die mitKBGT behandelt wurden, ihre individuellen Therapieziele ± ge−messen mit dem direkten Veränderungsmaß GAS [29] ± in ei−nem hohen Maße erreichen. Gemäß der Annahme erreichtendie Patienten nicht nur ihre störungsspezifischen, sondern auchihre störungsübergreifenden Therapieziele. Damit darf derSchluss gezogen werden, dass Patienten im Verlauf störungsspe−zifischer Therapien nicht nur lernen, ihre Probleme besser zu be−wältigen und eine Symptomreduktion erfahren, sondern, dasssie sich zusätzlich auch in anderen Bereichen verbessern. In die−ser Studie konnten sich diejenigen Patienten, welche sich nebenstörungsspezifischen Zielen auch störungsübergreifende Zielegesetzt hatten, im interpersonalen Bereich und im Selbstent−wicklungsbereich verbessern. Es zeigte sich, dass Patienten ihrestörungsspezifischen Therapieziele etwas besser erreichen alsihre störungsübergreifenden. Dies lässt sich v. a. damit erklären,dass die KBGT explizit zur Problem− und Symptombewältigungkonzipiert wurde.Die Grundlage für die berichteten störungsübergreifenden Effek−te im Gruppensetting könnte u. a. in der Realisierung instrumen−teller Gruppenbedingungen [5] wie einer hinreichenden Grup−penkohäsion, einem Klima des Vertrauens und der Offenheit so−wie einer genügend starken Arbeitshaltung [3] bestehen, die eserlauben, dass Patienten sich ihren Therapiezielen optimal zu−wenden können. Solche instrumentellen Gruppenbedingungenwerden in länger dauernden, störungsunspezifischen, psychody−namischen Gruppenpsychotherapien stärker gewichtet (siehefür einen diesbezüglichen Überblick z. B. [39]). Durch die stärke−re Gewichtung der instrumentellen Gruppenbedingungen in

psychodynamisch orientierten Therapien werden diese vermut−lich auch in einem höheren Maße realisiert. Es ist deshalb anzu−nehmen, dass der Unterschied bezüglich störungsspezifischerversus störungsübergreifender Erreichung der Therapieziele ineiner psychodynamisch orientierten Gruppenpsychotherapiebeispielsweise sensu Heigl−Evers und Heigl [40] oder Foulkesund Anthony [41] verschwinden würde. Bei der Erklärung derstörungsübergreifenden Effekte der KBGT könnten außer deninstrumentellen Gruppenbedingungen jedoch auch andereWirkfaktoren wie die Aktivierung von Ressourcen, insbesondereinterpersonaler Ressourcen [20] eine wichtige Rolle spielen.In der vorliegenden Studie wurde erwartungsgemäß gezeigt,dass Patienten mit phobischen Angststörungen durch KBGT er−folgreich behandelt werden können (vgl. dazu [16± 18]). Dabeinimmt die Angstsymptomatik ± gemessen mit den indirektenVeränderungsmaßen BSI [31, 32] und AKV [34] statistisch signi−fikant und klinisch bedeutsam ab [38].Die depressive Symptomatik der Patienten wurde, da es sich beider untersuchten Behandlung um eine kognitiv−behaviorale,störungsspezifische Therapie phobischer Ängste handelt, nichtexplizit behandelt. Trotzdem war der Durchschnitt der Patientenzum Post−Zeitpunkt signifikant weniger depressiv als zum Prä−Zeitpunkt (Depressivitätsskala des BSI [31,32]). Da auch diejeni−gen Patienten sich bezüglich ihrer Depressivität verbesserten,die nicht mit einer antidepressiven Medikation oder durch einezusätzliche Psychotherapie behandelt wurden, wird ein pho−bieunspezifischer Effekt der KBGT angenommen. Wie die Errei−chung der störungsübergreifenden Therapieziele wird dieser Ef−fekt auf die Realisierung instrumenteller Gruppenbedingungengemäß Grawe [5] zurückgeführt. Dieses Resultat zeigt, dassauch durch störungsspezifische Behandlungen störungsüber−greifende Effekte erreicht werden können. Es ist jedoch wieschon oben erwähnt anzunehmen, dass in einer länger dauern−den, störungsunspezifischen, psychodynamisch ausgerichtetenGruppenpsychotherapie diese instrumentellen Gruppenbedin−gungen noch besser umgesetzt werden können, da deren Reali−sierung in psychodynamischen Therapien grundsätzlich einennoch höheren Stellenwert genießt als in kognitiv−behavioralenGruppenpsychotherapien [39].

Einschränkungen der StudieEinige Einschränkungen ergeben sich aus dem naturalistischenDesign der Studie: Obwohl die externe Validität unterstütztund die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf ähnliche KBGTphobischer Angststörungen wahrscheinlich ist, ist die interneValidität durch Einflussgrößen, die nicht experimentell manipu−

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Tab. 2 Abnahme der Angstsymptomatik

Fragebogen Skala Mprä (SD) Mpost (SD) Mnorm (SD) tprä−post p d klin. sign.

BSI phobische Angst 1,79 (0,94) 0,54 (0,55) 0,15 (0,24) 11,36 *1 1,29 *2

BSI Ängstlichkeit 1,78 (0,90) 0,68 (0,44) 0,34 (0,34) 9,84 *1 1,18 *2

BSI Unsicherheit im Sozialkontakt 1,46 (1,02) 0,73 (0,96) 0,42 (0,43) 6,97 *1 0,71 *2

ACQ angstbezogene Kognitionen 2,09 (0,61) 1,52 (0,43) 1,32 (0,32) 7,52 *1 0,93 *2

ACQ Gedanken an körperliche Krisen 2,20 (0,87) 1,54 (0,61) 1,12 (0,26) 6,84 *1 0,76 *2

ACQ Gedanken an Kontrollverlust 2,13 (0,72) 1,54 (0,48) 1,49 (0,50) 6,68 *1 0,81 *2

BSQ Angst vor körperlichen Symptomen 2,87 (0,67) 1,93 (0,74) 1,65 (0,51) 11,37 *1 1,41 *2

MI−A Vermeidungsverhalten alleine 2,74 (0,86) 1,80 (0,70) 1,45 (0,48) 9,10 *1 1,10 *2

MI−B Vermeidungsverhalten in Begleitung 2,03 (0,71) 1,47 (0,60) 1,22 (0,35) 5,33 *1 0,78 *2

Anmerkungen: BSI: Brief Symptom Inventory; ACQ: Agoraphobic Cognitions Questionnaire; BSQ: Body Sensations Questionnaire; MI: Mobility Inventory; Mprä = Mit−telwerte vor der Therapie; Mpost = Mittelwerte nach der Therapie; Mnorm = Mittelwerte der Fragebogen−Normstichproben [30, 32] *1 = statistisch signifikant auf dem1 %−Niveau; d = Effektstärke nach Cohen [33]; klin. sign. = klinische Signifikanz; *2 = klinisch signifikant gemäß Jacobson und Truax [35]

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liert werden konnten, eingeschränkt. Die nachgewiesenen Effek−te sind damit nicht zweifellos nur auf die KBGT zurückführbar.Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teilder Effekte durch parallel zur KBGT durchgeführte einzelthera−peutische Interventionen externer Personen oder durch die Ein−nahme von bestimmten Medikamenten (z. B. Antidepressivaoder Benzodiazepine) zustande kam.Die Ergebnisse gelten zudem streng genommen nicht spezifischfür phobische Angstpatienten, da aufgrund des Behandlungs−konzepts von Stauffer [22] in der Stichprobe zwei Patienten miteiner Panikstörung ohne Agoraphobie als Hauptdiagnose miteingeschlossen wurden. Der Einschluss der beiden Patienten indie Stichprobe ist neben der Begründung durch das Behand−lungskonzept auch dadurch gerechtfertigt, als dass der eine Pa−tient als Nebendiagnose die Kriterien einer sozialen Phobie er−füllte und der andere Patient eine zunehmende Tendenz zu ago−raphobischer Vermeidung zeigte, ohne die diagnostischen Krite−rien einer Agoraphobie jedoch ganz zu erfüllen.Eine weitere Einschränkung der Studie ist die für klinische Un−tersuchungen nicht unübliche eher kleine Stichprobe. Der Unter−schied in der Erreichung störungsspezifischer versus störungs−übergreifender Therapieziele wurde mit der vorliegenden Stich−probe nur knapp signifikant.Ein zusätzlicher Nachteil der kleinen Stichprobe ist, dass keinedifferenzielle Auswertung bezüglich der verschiedenen Haupt−diagnosen vorgenommen werden konnte. Um bezüglich stö−rungsspezifischer versus störungsübergreifender Therapieziel−erreichung für die einzelnen Hauptdiagnosen eine sinnvolle in−ferenzstatistische Auswertung vorzunehmen, müsste die Stich−probe deutlich größer sein. Nur 20 Patienten hatten neben stö−rungsspezifischen auch störungsübergreifende Ziele. Diese klei−ne Stichprobe von 20 Patienten müsste für eine differenzielleAuswertung ihrerseits nach den einzelnen Hauptdiagnosen ge−splittet werden, wodurch keine genügend hohe statistischePower erreicht würde, um einen eventuell vorhandenen kleinenUnterschied zu entdecken.Ein weiterer Nachteil der Studie ist der Umstand, dass die Pa−tienten nicht alle gleich lange in der Gruppe behandelt wurdenund dass die Anzahl der durchgeführten Einzelsitzungen undExpositionssitzungen differiert. Außerdem war die Gruppe of−fen, d. h. jeden Monat traten neue Patienten in die Gruppe einund schlossen Patienten die KBGT ab.Dass für die Behandlung der 62 Patienten insgesamt nur dreiTherapeuten eingesetzt worden sind, hat Vor− und Nachteile.Der Vorteil liegt darin, dass dadurch eine hohe Konstanz ge−währleistet werden konnte und alle Patienten mehr oder weni−ger dieselbe Therapie erhielten. Ein Nachteil ist, dass nicht erho−ben werden konnte, inwiefern Therapeuteneffekte für das Zu−standekommen der Ergebnisse eine Rolle spielen.Die Diagnosestellung erfolgte auf der Basis von unstandardisier−ten klinischen Interviews und mit Unterstützung von Fragebo−gendaten konsensuell durch zwei klinische Psychologinnenstreng nach den Diagnosekriterien des DSM−IV [21]. Trotz diesessorgfältigen diagnostischen Prozesses könnte dessen Standardi−sierung durch standardisierte klinische Interviews (z. B. SKID−I[42]) erhöht werden.Eine weitere Schwäche der vorliegenden Untersuchung ist, dasszur Beantwortung der Fragestellungen mit Ausnahme des BIT−T−Ratings der GAS−Ziele lediglich Selbstbeurteilungsmaße (GAS,BSI, AKV) hinzugezogen wurden. Der Einbezug weiterer Perspek−tiven, d. h. von Therapeuten, Angehörigen oder Außenstehenden,wäre für eine Folgeuntersuchung wichtig.

Für die vorliegende Untersuchung wurde die tatsächliche Um−setzung der instrumentellen Gruppenbedingungen (hinreichen−de Gruppenkohäsion, ein Klima des Vertrauens und der Offen−heit sowie eine genügend starke Arbeitshaltung) nicht systema−tisch erhoben, sondern lediglich angenommen. Zukünftige Un−tersuchungen sollten die Verwirklichung der instrumentellenGruppenbedingung explizit messen [6], damit klarer wird, wel−che Prozessvariablen tatsächlich für störungsübergreifende Ef−fekte verantwortlich sind. Zukünftige Studien sollten jedochnicht nur zwischen störungsspezifischen und störungsübergrei−fenden Therapiezielen unterscheiden, sondern die Art der Thera−pieziele und die Bedingungen ihrer Erreichung differenzierterbetrachten.

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Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen ei−nerseits, dass es in der Arbeit mit Patienten einer störungs−spezifischen Gruppenpsychotherapie phobischer Angststö−rungen sinnvoll ist, individuelle Therapieziele zu vereinba−ren. Neben therapeutischen Vorteilen stellt die individuelleZieldefinition und die Beurteilung der Zielerreichung nachder Therapie eine geeignete Art der Messung des Therapie−erfolgs dar. Andererseits zeigen die Ergebnisse, dass Patien−ten darin unterstützt werden sollten, sich neben störungs−spezifischen zusätzlich störungsübergreifende Therapiezielezu setzen, da solche Ziele in einer Gruppentherapie in einemähnlich hohen Maße erreicht werden können.

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