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Hydrogeologie einer alpinen Bergsturzmasse(Schwarzwassertal, Vorarlberg)
Hydrogeology of an Alpine Rockfall Mass(Schwarzwasser Valley, Vorarlberg)
M. SINREICH1), N. GOLDSCHEIDER2) & H. HĂTZL3)
InhaltSeite
1. Einleitung.................................................................................................................. 52. Geologischer, morphologischer und hydrologischer Ăberblick....................... 63. Hydrogeologische Untersuchungen..................................................................... 9
3.1. Abflussbilanz und Speicherverhalten............................................................. 93.2. Hydrochemie .................................................................................................... 113.3. Markierungsversuche ...................................................................................... 12
4. Hydrogeologische Modellvorstellung .................................................................. 15Zusammenfassung........................................................................................................ 18Literatur......................................................................................................................... 19Summary........................................................................................................................ 20
1. Einleitung
Massenbewegungen stellen im alpinen Raum eine weit verbreitete Form tiefgrei-fender, geologisch junger Landschaftsumgestaltung dar. Dabei bewirkt die Hang-bewegung in Form von FelsstĂŒrzen, Rutschungen und TalzuschĂŒben nicht nur eineNeubildung der GelĂ€ndemorphologie, sondern geht auch mit einer hydrogeologischwirksamen VerĂ€nderung des ursprĂŒnglichen Gesteinsverbandes einher (z. B. R. DIKAUet al., 1996, D. FORD & D. W. WILLIAMS, 1989, M. MOSER & S. WEIDNER, 1998,A. K. TURNER & R. L. SCHUSTER, 1996).
1) Dipl.-Geol. Michael SINREICH, Centre dâHydrogĂ©ologie (CHYN), UniversitĂ© de NeuchĂątel, RueEmile-Argand 11, CH-2007 NeuchĂątel, Schweiz. E-mail: [email protected]
2) Dr. Nico GOLDSCHEIDER, Centre dâHydrogĂ©ologie (CHYN), UniversitĂ© de NeuchĂątel, Rue Emile-Argand 11, CH-2007 NeuchĂątel, Schweiz. E-mail: [email protected]
3) Prof. Dr. Heinz HĂTZL, Lehrstuhl fĂŒr Angewandte Geologie (AGK), UniversitĂ€t Karlsruhe, Kai-serstrasse 12, D-76128 Karlsruhe, Deutschland. E-mail: [email protected]
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Je nach Ausgangsgestein, Deformation und Kinematik können sich innerhalb vonMassenverlagerungen unterschiedliche Aquifertypen ausbilden. Gleitet der Massen-körper gröĂtenteils im Verband ab, so entstehen infolge der ZerrĂŒttung oft gut durch-lĂ€ssige Kluftaquifere. Bei MassenstĂŒrzen, die im Zuge ihrer Talfahrt einer hohen ener-getischen Beanspruchung unterliegen, ĂŒberwiegen dagegen stĂ€rker zerrĂŒttete Berei-che mit einer Zerlegung des Ausgangsgesteins in Lockermaterial. Hier ist die Ausbildungvon lokalen Porengrundwasserleitern möglich.
FĂŒr Felsgleitungen liegen derzeit zahlreiche hydrogeologische Untersuchungen vor,die sich vor allem mit der Wasserzirkulation als auslösendes Moment fĂŒr die Hang-bewegung beschĂ€ftigen (z. B. H. HĂTZL, 1992, H. HĂTZL et al., 1994, M. MOSER, 1997,M. MOSER & J. KIEFER, 1988). Ăber die hydrogeologischen VerhĂ€ltnisse innerhalb von Bergsturzmassen wurde bisher weniger berichtet (z. B. N. GOLDSCHEIDER, 2000,P. RAMSPACHER et al., 2000), auch wenn der Abgang von BergstĂŒrzen oft nachhaltigehydrologische und geomorphologische VerĂ€nderungen nach sich zieht, wie die Ver-legung von WasserlĂ€ufen und Wasserscheiden sowie die Entstehung von Stauseen undderen Schwemmsedimenten (G. ABELE, 1974).
Im vorarlberger Schwarzwassertal stellt die dortige Bergsturzmasse eine morpho-logische und hydrologische Besonderheit dar. Im Zuge karsthydrologischer Forschungenim Gebiet Hochifen-Gottesacker und Schwarzwassertal, die das Institut fĂŒr AngewandteGeologie der UniversitĂ€t Karlsruhe (AGK) seit 1996 betreibt, wurde auch die Berg-sturzmasse in die Untersuchungen miteinbezogen (siehe N. GOLDSCHEIDER, 1997, M. SINREICH, 1998). Dabei sollten Erkenntnisse ĂŒber das Strömungsverhalten des Grund-wassers innerhalb der Ablagerung sowie ĂŒber deren Funktion als Bindeglied zwischenober- und unterirdischer EntwĂ€sserung gewonnen werden.
2. Geologischer, morphologischer und hydrologischer Ăberblick
Das Schwarzwassertal ist ein Seitental des Kleinwalsertals nahe des Alpennordrandsim österreichischen Vorarlberg (Fig. 1). Der Talverlauf zeichnet die Deckengrenze zwischenHelvetikum und Penninikum nach, wobei die FaltenzĂŒge der helvetischen SĂ€ntis-Deckein Richtung ESE unter die penninischen Flyschdecken abtauchen (G. WYSSLING, 1986).Das Helvetikum der orographisch linken Talseite wird von dem bis zu 100 m mĂ€ch-tigen kretazischen Schrattenkalk beherrscht, der die Karstgebiete Ifersgunten-Alp, Hoher Ifen und Gottesacker aufbaut (W. ZACHER, 1973). Diese werden ausschlieĂ-lich unterirdisch entwĂ€ssert, wobei die mergelige Drusberg-Formation den Liegend-stauer unter dem Karstaquifer bildet, wĂ€hrend der Glaukonitsandstein der Garschella-Formation und die Leistmergel der Amdener Formation die Funktion des Han-gendstauers ĂŒbernehmen (N. GOLDSCHEIDER & H. HĂTZL, 2000). Die rechte Talseitebesteht aus sandig-tonigen Flyschserien und weist einen hohen Anteil an oberflĂ€chlichemAbfluss auf.
Der Bergsturz im oberen Schwarzwassertal ist quer zur Talrichtung vom SĂŒdhangder markanten Ifenplatte niedergegangen, die den verstĂŒmmelten Scheitel der Ifen-Anti-klinale darstellt (III in Fig. 1). FrĂŒhere Bearbeiter stellen das Sturzereignis ins Postgla-zial (G. WAGNER, 1950, P. SCHMIDT-THOMĂ, 1960). Aufgrund geomorphologischerBefunde geht H. R. VĂLK (2001) jedoch davon aus, dass der Bergsturz schon im spĂ€t-glazialen Gschnitz-Stadium, 10 000â11 000 Jahre vor heute, auf den bereits stark zu-rĂŒckgezogenen Schwarzwassertal-Gletscher niederging und von diesem geringfĂŒgig
talwĂ€rts transportiert und umgestaltet wurde. Der Abgang selber wurde durch das Zusammenwirken verschiedener interner und externer Ursachen begĂŒnstigt(P. SCHMIDT-THOMĂ, 1960). Der durch ZerklĂŒftung und Verkarstung in seiner Scher-festigkeit herabgesetzte Schrattenkalk fĂ€llt hier hangparallel mit 25â30° nach S ein. DieMergel der liegenden Drusberg-Formation dienten der Massenbewegung als durchKarstwĂ€sser gut geschmierter Gleithorizont. Daneben fĂŒhrte die quartĂ€re glaziale Ăber-steilung der Talflanken, insbesondere die Unterschneidung des Schrattenkalk-Schicht-hangs, zu einer Zunahme der Schubspannungen. FĂŒr die Destabilisierung eines solchenZustands labilen Gleichgewichts ist als auslösendes Moment meist schon eine kurzfristigeVerĂ€nderung im Bergwasserspiegel ausreichend (H. HĂTZL et al., 1994).
Bei seiner Talfahrt erreichte das Bergsturzmaterial eine FahrbahnlÀnge von etwa1400 m und brandete damit am Gegenhang des relativ engen Talraums auf. Die maximale
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Fig. 1: Geologische und hydrogeologische Ăbersichtskarte des Gebietes Hochifen-Gottesacker mit Lageder Bergsturzmasse sĂŒdöstlich des Hohen Ifen (N. GOLDSCHEIDER, 2002, leicht verĂ€ndert).Geological and hydrogeological map of the Hochifen-Gottesacker area, with rockfall mass lo-cated southeast of the Hoher Ifen mountain (modified after N. GOLDSCHEIDER, 2002).
Breite des Bergsturzkegels betrÀgt 1200 m, die GesamtflÀche etwa 1 km2. P. SCHMIDT-THOMà (1960) beziffert die MÀchtigkeit der Bergsturzmasse im Talgrund mit mindestens60 m bei einem abgeschÀtzten Gesamtvolumen von 7,2 Mio. m3. G. WAGNER (1950)kommt auf Werte von höchstens 45 m MÀchtigkeit bei insgesamt 10 Mio. m3. Der Schrat-tenkalk, der im obersten Talabschnitt das Karstgebiet rund um die Ifersgunten-Alpaufbaut, zieht hier entlang der Melköden-Synklinale (II/III in Fig. 1) unterhalb der Berg-sturzmasse hindurch und steht an deren östlichem Ende wieder an. Es handelt sich indiesem Bereich also um begrabenen Karst.
Das Ablagerungsgebiet der Bergsturzmasse weist das kleinhĂŒgelige Relief einerTumuli-Landschaft auf. Die Bergsturzfracht selbst ist sehr inhomogen aufgebaut. Siebesteht hauptsĂ€chlich aus kalkigem Lockerschutt mit bis zu hausgroĂen Blöcken ausSchrattenkalk. Stellenweise ist der Schutt brekziös in psammitischen Grus aus zerrie-benem Kalk und Mergel eingelagert. Nach G. ABELE (1974) ist eine geringe interne Struk-turerhaltung der Bergsturzfracht oft als Folge einer Verringerung der primĂ€ren Ge-steinsfestigkeit durch Verkarstung und intensive ZerklĂŒftung zu verstehen.
Der Bergsturz hatte die Abriegelung des oberen Teils des Schwarzwassertals zurFolge. Er stellt damit eine Barriere fĂŒr den das Tal entwĂ€ssernden Schwarzwasserbachdar, dessen mitgefĂŒhrte Sedimentfracht zur Ablagerung von bis zu 25 m mĂ€chtigenSedimenten fĂŒhrte (G. WAGNER, 1950). Die heutige Verebnung ist folglich das Auf-schĂŒttungsfeld des aufgestauten Schwarzwasserbachs.
Der Schwarzwasserbach versinkt am Bergsturzriegel in mehreren Schwinden voll-stĂ€ndig und ganzjĂ€hrig (Fig. 2). Bereits wĂ€hrend seiner Passage ĂŒber die Verebnungverliert er diffus Wasser an den Untergrund. Aufgrund der influenten VerhĂ€ltnisse ver-sickert der Bach bei niedrigen AbflĂŒssen schon gĂ€nzlich vor Erreichen des Bergsturz-
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Fig. 2: Hoher Ifen und Bergsturzmasse im oberen Schwarzwassertal von SE mit Lage der BĂ€che AâDund Schwarzwasserbach (Swb.). ZusĂ€tzlich sind die Eingabestellen der Markierungsversuche(E1âE3) und die Resurgenzen QRo und QRu dargestellt.South-easterly view of the Hoher Ifen mountain and the rockfall mass in the upper Schwarz-wasser valley, with the location of the streams AâD and Schwarzwasserbach (Swb.). In ad-dition tracer injection points (E1âE3) and the outlets QRo and QRu are indicated.
riegels. WĂ€hrend der Schneeschmelze oder nach starken Niederschlagsereignissen kannder Bergsturz das ankommende Wasser nicht fassen und es kommt zu einem RĂŒck-stau, so dass sich auf der VerebnungsflĂ€che ein flacher See bildet. Die Bergsturzmassehat also bis heute ihre Funktion beibehalten, Hochwasserwellen zeitlich zu verzögernund die Abflussspitzen abzudĂ€mpfen. Der See entwĂ€ssert ĂŒber mehrere Schlucklöcher,wobei sich krĂ€ftige Strudel bilden. Diese Beobachtung belegt, dass es sich hierbei nichtum eine GrundwasserblĂ€nke handelt, sondern dass unter dem See eine ungesĂ€ttigte Zonevorhanden sein muss. ZusĂ€tzlich zum Schwarzwasserbach treffen vier weitere BĂ€che,die das Flyschgebiet der sĂŒdlichen Talseite entwĂ€ssern (BĂ€che AâD in Fig. 2), auf dieBergsturzmasse und versinken dort ebenfalls vollstĂ€ndig und ganzjĂ€hrig. Am talwĂ€r-tigen Ende der Bergsturzmasse treten schĂŒttungsstarke Schuttquellen aus. Diese stel-len in erster Annahme den Wiederaustritt der versinkenden BĂ€che dar (G. WAGNER,1950), weshalb sie im Folgenden als Resurgenzen bezeichnet werden.
Im weiteren Talverlauf schneidet der Schwarzwasserbach den unter den Flysch ab-tauchenden helvetischen Schrattenkalk. Durch Markierungsversuche konnte gezeigtwerden, dass hier der Schrattenkalk einen zusammenhĂ€ngenden Karstgrundwasser-leiter bildet, der alle vom Gottesackerplateau und der Ifersgunten-Alp abflieĂenden WĂ€s-ser sammelt und einer Estavelle (QE in Fig. 1) und vier Karstquellen im unteren Schwarz-wassertal (QA, QB, QK, QS) sowie einer Grundquelle (QG) in der Breitach zufĂŒhrt(N. GOLDSCHEIDER & H. HĂTZL, 2000).
3. Hydrogeologische Untersuchungen
3.1. Abflussbilanz und Speicherverhalten
Die Bergsturzmasse erfĂ€hrt ihre Alimentation hauptsĂ€chlich aus den in sie versin-kenden BĂ€chen, deren Einzugsgebiete um ein Vielfaches gröĂer sind als die FlĂ€che derBergsturzmasse. Die flĂ€chenhaft-diffuse Grundwasserneubildung durch Infiltration vonRegenwasser sowie der Zufluss aus angrenzenden SchuttfĂ€chern sind infolge der hohenDurchlĂ€ssigkeit des Blockwerks auf die Niederschlagsereignisse selbst beschrĂ€nkt. DerSchwarzwasserbach ist aufgrund der gering durchlĂ€ssigen Gesteine und der steilenTopographie in seinem Einzugsgebiet sehr starken Abflussschwankungen von weni-gen 10er l/s bis zu mehreren 1000 l/s ausgesetzt. Dagegen zeigen die vier anderen BĂ€cheim Untersuchungszeitraum (August bis November 1997) ein konstanteres Abfluss-verhalten von insgesamt zwischen 32 und 350 l/s.
Die Quellgruppen am unteren Ende der Bergsturzmasse sind in AbhĂ€ngigkeit vomjeweiligen Wasserstand aktiv: Die untere Resurgenz (QRu) besteht aus mehrerenperennierenden Austritten und schĂŒttet insgesamt zwischen 6 und 70 l/s. Die obereResurgenz (QRo) ist intermittierend. Bei Hochwasser wurde eine SchĂŒttung von 2500 l/sbeobachtet, bei Niedrigwasser fĂ€llt sie trocken, oft schon wenige Tage nach einer Hoch-wasserwelle. Von QRo ausgehend fĂŒhrt eine Erosionsrinne etwa 70 m weit in die Berg-sturzmasse hinein. Diese liegt meist trocken, dient aber als HochwasserĂŒberlauf, wo-bei der höchste Austrittspunkt nur bei extremen Niederschlagsereignissen aktiv ist.
AuffĂ€llig ist, dass die Abflussmenge des Schwarzwasserbachs unterhalb der Berg-sturzmasse meist deutlich geringer als oberhalb ist. Ein Teil des versickerten Wasserswird offensichtlich unterirdisch abgefĂŒhrt, was auf eine hydraulische Anbindung anden unterlagernden, verkarsteten Schrattenkalk schlieĂen lĂ€sst. Um diese erste Ein-
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schĂ€tzung zu quantifizieren, wurde fĂŒr mittlere hydrologische Bedingungen (Mittel-wasser) eine Abflussbilanz der Bergsturzmasse aufgestellt (Fig. 3). In die Bilanz gehendie Abflussmengen der fĂŒnf in die Bergsturzmasse versinkenden BĂ€che ein. Direkt anNiederschlagsereignisse gebundene Anteile â wie die Direktinfiltration â können fĂŒrdie Betrachtung bei Mittelwasser vernachlĂ€ssigt werden. Als AbflĂŒsse mĂŒssen fĂŒr dieBergsturzmasse die QuellschĂŒttungen an QRo und QRu sowie ein unterirdischer Karst-abfluss in Betracht gezogen werden.
FĂŒr die Bilanzierung wurden die oberirdischen Zu- und AbflĂŒsse durch Mengenmes-sungen nach der SalzverdĂŒnnungsmethode bestimmt. Der Zufluss fĂŒr diese Einzelmessun-gen betrĂ€gt 102 l/s durch den Schwarzwasserbach (Swb.) und 62 l/s durch die BĂ€che AâD.Insgesamt werden demnach bei Mittelwasser an der Bergsturzmasse 164 l/s umgesetzt.
An den Resurgenzen treten demgegenĂŒber 60 l/s an QRo und 14 l/s an QRu, alsoinsgesamt nur 74 l/s wieder aus. Da aber fĂŒr stationĂ€re Bedingungen und damit ver-nachlĂ€ssigbare Zwischenspeicherung fĂŒr ein hydrographisches Modell Zufluss gleichAbfluss ist, ergibt sich fĂŒr Mittelwasser ein oberirdisches Abflussdefizit von 90 l/s. Diese90 l/s â oder 55 % der ZuflĂŒsse â werden folglich innerhalb der Bergsturzmasse demunterlagernden Karstgrundwasserleiter zugefĂŒhrt.
Weitere Abflussmessungen bei Niedrigwasser bis erhöhtem Mittelwasser haben ge-zeigt, dass die absolute Differenz zwischen der Versinkungsrate und den QuellschĂŒt-tungen, also die vertikale Zusickerung in den Karst, nur geringe Schwankungen auf-weist (Fig. 4).
Die obere Resurgenz ist starken SchĂŒttungsschwankungen unterworfen, die mitder WasserfĂŒhrung des am Bersturzriegel versinkenden Schwarzwasserbachs korrelier-bar sind. So Ă€uĂert sich etwa die Ankunft einer Hochwasserwelle am Bergsturzriegelin einem um einige Stunden zeitverzögerten, rasanten Anstieg der QuellschĂŒttung. FĂŒrQRo wurde eine SchĂŒttungsganglinie erstellt und daraus der Auslaufkoeffizient nachE. MAILLET (1905) bestimmt. Dabei konnte zwischen einem Direktabfluss unmittel-bar nach dem SchĂŒttungsmaximum und einem Basisabfluss unterschieden werden. Da
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Fig. 3: Schematische Aufsicht auf die Bergsturzmasse mit Abflussbilanz bei mittleren hydrologischenBedingungen. Schematic map of the rockfall mass together with water balance at mean hydrological con-ditions.
die Bergsturzmasse jedoch einerseits bedeutende ZuflĂŒsse durch den versinkendenSchwarzwasserbach erhĂ€lt und andererseits ein Teil des Wassers in den Karst sickertreprĂ€sentiert die Leerlaufkurve nicht allein das Speicherverhalten der Bergsturzmasse,sondern des gesamten Systems.
FĂŒr den Direktabfluss wurde ein Auslaufkoeffizient von 3,4 dâ1, fĂŒr den Basisabflussvon 1,3 dâ1 bestimmt. Solch hohe Werte weisen auf schnelle und weitlumige EntwĂ€s-serungswege und eine geringe Speicherung im Untergrund hin. Sie Ă€uĂern sich darin,dass das Grundwasserreservoir von QRo bereits vier Tage nach dem SchĂŒttungsma-ximum von 2500 l/s erschöpft war. Bei mittleren hydrologischen VerhĂ€ltnissen stehender Quelle trotz einer SchĂŒttung von 60 l/s nur noch etwa 4000 m3 aus dem Wasser-speicher zur VerfĂŒgung. Bei Niedrigwasser ist dieser Grundwasservorrat bereits auf-gebraucht und QRo liegt trocken. An den Karstquellen im unteren Schwarzwasser-tal wurden im Vergleich dazu Auslaufkoeffizienten fĂŒr den Direktabfluss von etwa2,0 dâ1 und fĂŒr den Basisabfluss zwischen 0,1 dâ1 und 0,6 dâ1 ermittelt (M. SINREICH, 1998).
3.2. Hydrochemie
Die QuellwĂ€sser der beiden Resurgenzen weisen starke tageszeitliche Schwankungender Temperatur und der elektrischen LeitfĂ€higkeit auf, die den Einfluss der versinkendenOberflĂ€chengewĂ€sser erkennen lassen. Dabei besitzt QRu im Untersuchungszeitraumeine geringere mittlere Temperatur als QRo. Dies kann daran liegen, dass die BĂ€che,die am SĂŒdrand der Bergsturzmasse versinken und an QRu wieder austreten, aus groĂer
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Fig. 4: Darstellung der Abflussbilanz zwischen den Bachversinkungen und den Resurgenzen. Die Dif-ferenz ergibt die Zusickerungsrate in den unterlagernden Karst.Diagram of water balance dynamics between infiltrating streams and stream reappearances.The difference between both values represents the seepage to the underlying karst aquifer.
Höhe ĂŒber nordexponierte HĂ€nge abflieĂen, wĂ€hrend der Schwarzwasserbach, der inQRo wieder zutage tritt, vor seiner Versinkung in den Bergsturzriegel ĂŒber die be-sonnte Verebnung flieĂt. An QRu wurde auĂerdem stets eine deutlich höhere elek-trische LeitfĂ€higkeit gemessen als an QRo, wobei die Schwankungsbreite an QRo weitĂŒber der von QRu liegt.
Die beiden Quellen gehören dem Typus normal erdalkalischer, ĂŒberwiegend hydro-genkarbonatischer WĂ€sser an, wobei QRu einen höheren Gehalt an Magnesium undSulfat aufweist. Um RĂŒckschlĂŒsse auf die unterschiedlichen Einzugsgebiete von QRound QRu ziehen zu können, wurden Magnesium und Sulfat als natĂŒrliche Tracer ver-wendet, da diese Inhaltsstoffe Indikatoren fĂŒr WĂ€sser aus dem Flyschgebiet sind (Fig. 5).
Bei mittleren bis niedrigen AbflussverhĂ€ltnissen weisen QRo, der Schwarzwasser-bach und Bach A sehr Ă€hnliche, relativ geringe Gehalte an Magnesium und Sulfat auf.Dies deutet darauf hin, dass QRo einen Wiederaustritt dieser beiden ZuflĂŒsse darstellt.Dagegen sind QRu und die BĂ€che BâD durch relativ hohe, ebenfalls sehr Ă€hnliche Kon-zentrationen gekennzeichnet. QRu kann also als Wiederaustritt dieser drei BĂ€che an-gesehen werden.
FĂŒr Hochwasserbedingungen kommt es zu einer Auflockerung dieser hydroche-mischen Gruppierung: QRu rĂŒckt im Konzentrationsdiagramm in Richtung Schwarz-wasserbach, und Bach A scheint nun also eine Zumischung von diesen BĂ€chen zu er-halten. QRo weist dagegen bei Hochwasser einen deutlich geringeren Gehalt an Sulfatals alle versinkenden BĂ€che auf, muss also eine Zumischung durch gering mineralisierteKomponenten erfahren, vermutlich durch direkt in die Bergsturzmasse infliltrieren-den Niederschlag oder durch lateral zuflieĂende WĂ€sser vom SĂŒdhang des Hochifen.
3.3. Markierungsversuche
Zur Charakterisierung der unterirdischen AbstromverhÀltnisse in der Bergsturz-masse und der hydraulischen ZusammenhÀnge zwischen Flyschgebiet, Bergsturz und
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Sul
fat [
mg/
l]
Magnesium [mg/l]
Fig. 5: Konzentrationen an Magnesium und Sulfat in den untersuchten WĂ€ssern bei Mittelwasser undbei Hochwasser.Magnesium-sulfate correlation for the sampled water at mean flow conditions and flood events.
Karstgrundwasserleiter wurden ein kombinierter Farbtracerversuch und ein Sal-zungsversuch durchgefĂŒhrt.
Am 11. 09. 1997 wurden talaufwĂ€rts der Bergsturzmasse in eine Schwinde im an-stehenden Schrattenkalk 5,8 kg Eosin eingespeist (E1 in Fig. 2). Einen Tag spĂ€ter dientedie Versinkung des Schwarzwasserbachs am Bergsturzriegel als Eingabestelle fĂŒr 3,0 kgSulforhodamin B (E2). An den Resurgenzen und den Karstquellen im unteren Schwarz-wassertal wurden regelmĂ€Ăig Wasserproben entnommen, die spektralfluorimetrischauf die eingesetzten Tracer untersucht wurden.
Zur Zeit der Eingaben herrschten niedrige bis mittlere Abflussbedingungen. In derNacht vom 12. auf den 13. 09. 1997 setzten jedoch ergiebige RegenfĂ€lle ein (34,2 mm),die zu einem starken Anstieg der QuellschĂŒttungen fĂŒhrten. In den folgenden Wochenblieben NiederschlĂ€ge weitgehend aus, so dass sich wieder niedrige AbflĂŒsse einstell-ten. Aufgrund der extrem instationĂ€ren hydrologischen VerhĂ€ltnisse war eine hin-reichend genaue Erfassung der SchĂŒttungsganglinien und damit die Berechnung desWiedererhalts der Tracer nicht möglich.
Acht Stunden nach der Einspeisung konnte Sulforhodamin B erstmals an QRo nach-gewiesen werden (Fig. 6). Das Maximum von 362 ”g/l wurde bereits nach 11 h erreicht.FĂŒr die unterirdische FlieĂstrecke von etwa 900 m ergibt sich somit eine maximaleAbstandsgeschwindigkeit von 113 m/h und eine dominierende von 81 m/h (Tab. 1). BeideWerte reprĂ€sentieren niedrige Mittelwasserbedingungen, da sich die NiederschlĂ€ge erstetwa 30 h nach der Eingabe auf die QuellschĂŒttung auswirkten. Die Durchgangskurvebesitzt ein zwar niedriges, aber langanhaltendes Tailing, so dass noch nach ĂŒber zweiMonaten Sulforhodamin B an QRo festgestellt wurde.
An QRu konnte zunĂ€chst kein Sulforhodamin B nachgewiesen werden. Erst mitAnkunft der Hochwasserwelle an den Resurgenzen setzte ein vorĂŒbergehender Tra-
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Fig. 6: Durchgangskurven von Sulforhodamin B an den Resurgenzen QRo und QRu.Breakthrough curves of Sulforhodamine B measured at the outlets QRo and QRu.
Tab. 1: Kennwerte der registrierten TracerdurchgÀnge an den Karstquellen im unteren Schwarz-wassertal (Schrattenkalk) und an den Resurgenzen (Bergsturzmasse). (x = Entfernung zurEingabestelle, terst = Zeitpunkt des ersten Tracernachweises, tdom = Zeitpunkt des Konzentra-tionsmaximums, vmax = maximale Abstandsgeschwindigkeit, vdom = dominierende Abstands-geschwindigkeit).Parameters of the breakthrough curves for the karst springs in the lower Schwarzwasser valley(Schrattenkalk) and at the stream reappearances (rockfall mass). (x = distance to the injec-tion point, terst = time of the first tracer detection, tdom = time of the concentration maximum,vmax = maximal groundwater velocity, vdom = dominant groundwater velocity).
markierter eingesetzter x terst tdom vmax vdom
Grundwasserleiter Tracer [km] [h] [h] [m/h] [m/h]
SchrattenkalkSulforhodamin B 3,8â6,1 34â49 38â59 130 111
Eosin 5,1â7,4 59â76 75â111 98 66
BergsturzmasseSulforhodamin B 0,91 8,0 11,1 113 81
NaCl 0,17 1,4 2,7 120 65
cerdurchgang ein, allerdings mit wesentlich niedrigeren Konzentrationen an QRo(maximal 2,56 ”g/l im Vergleich zu 7,79 ”g/l an QRo zur selben Zeit). QRu erhÀltdemnach im Gegensatz zu QRo nur bei Hochwasser Zufluss aus dem versinkendenSchwarzwasserbach.
Ein Teil des eingegebenen Sulforhodamin B durchsickerte die Bergsturzmasse undwurde nach 34â49 h an den Karstquellen des unteren Schwarzwassertals erstmals nach-gewiesen. Damit ergibt sich eine gemittelte Abstandsgeschwindigkeit im Schratten-kalk von maximal 130 m/h und dominant 111 m/h (Tab. 1). Eine signifikante Verzö-gerung durch den Transport innerhalb der Bergsturzmasse ist nicht zu erkennen.
Durch die Markierung mit Eosin sollte ĂŒberprĂŒft werden, ob der verkarstete Schrat-tenkalk talaufwĂ€rts der Bergsturzmasse in hydraulischer Verbindung mit dem Karst-grundwasserleiter im unteren Schwarzwassertal steht. Der Tracer erreichte nach 59â76 hdie dortigen Karstquellen. Daraus resultiert eine gemittelte maximale Abstandsge-schwindigkeit von 98 m/h (Tab. 1). Bei anderen Markierungsversuchen im Schwarz-wassertal wurden 100â160 m/h gemessen (N. GOLDSCHEIDER & H. HĂTZL, 2000).
In Folge der Hochwasserwelle konnten an den Resurgenzen in drei WasserprobenSpuren von Eosin im Bereich der analytischen Nachweisgrenze festgestellt werden. Esscheint demnach nicht ausgeschlossen, dass bei hohen AbflĂŒssen Karstwasser in die Berg-sturzmasse aufsteigen kann.
Da QRu unter normalen hydrologischen Bedingungen keinen Zufluss vom Schwarz-wasserbach erhĂ€lt, muss die Quellgruppe ihr Wasser von den BĂ€chen aus dem Flysch-gebiet beziehen. Der am nĂ€chsten gelegene Bach D versinkt etwa 170 m talaufwĂ€rtsvon QRu in der Bergsturzmasse. Zur ĂberprĂŒfung der hydraulischen Verbindung wur-den dem Bach bei Niedrigwasser 2,5 kg NaCl zugegeben (E3). An QRu wurde an je-dem einzelnen Quellaustritt der Gang der elektrischen LeitfĂ€higkeit verfolgt (Fig. 7).
Der erste Wiederaustritt erfolgte nach 85 min, die maximale Konzentration erreichteQRu nach 160 min. Die sich daraus ergebende maximale und dominierende Ab-standsgeschwindigkeit (120 m/h und 65 m/h) ist mit den Durchflussgeschwindigkei-ten des Schwarzwasserbachs durch die Bergsturzmasse vergleichbar (Tab. 1). FĂŒr dieeinzelnen Quellaustritte lassen die Ganglinien der elektrischen LeitfĂ€higkeit eine Dif-ferenzierung erkennen: Je nĂ€her sich der Austritt an der Tiefenlinie des Tals befindet,
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desto geringer ist die GrundleitfĂ€higkeit, desto gröĂer die FlieĂgeschwindigkeit, destohöher das Durchgangsmaximum und desto geringer die Dispersion. Vermutlich exi-stieren im zentralen Teil der Bergsturzmasse bevorzugte FlieĂbereiche höherer Durch-lĂ€ssigkeit, ĂŒber die das infiltrierte Wasser schneller abflieĂen kann.
4. Hydrogeologische Modellvorstellung
Die Bergsturzmasse stellt ein Bindeglied zwischen OberflĂ€chenabfluss und Karst-entwĂ€sserung dar (Fig. 8). Der Schwarzwasserbach und die BĂ€che aus dem Flyschge-biet versinken an der Bergsturzmasse ganzjĂ€hrig und vollstĂ€ndig. Ein Teil des Was-sers tritt an den Resurgenzen wieder aus, ein anderer Teil wird dem Karstgrundwas-serleiter des Schrattenkalks zugefĂŒhrt, der sich vom oberen Schwarzwassertal unterder Bergsturzmasse bis zum unteren Talabschnitt hindurchzieht, und dort von der Esta-velle und den Karstquellen entwĂ€ssert wird.
WĂ€hrend die Versinkungsrate am Bergsturz und die SchĂŒttung der Resurgenzenstarken Schwankungen unterworfen sind, betrĂ€gt die Zusickerung aus der Bergsturz-masse in den Karst relativ konstant etwa 80â90 l/s. Der nicht versickerte Anteil trittan den Resurgenzen wieder aus und bildet den weiteren Verlauf des Schwarzwasser-bachs. Bei Hochwasser verliert die Bergsturzmasse nur einen prozentual kleinen Anteilihres Wassers an den Karst; bei extremem Hochwasser kann es eventuell zu einem Auf-stieg von Karstwasser in die Bergsturzmasse kommen. Bei Niedrigwasser fĂ€llt dieResurgenz des Schwarzwasserbachs trocken und das gesamte obere Schwarzwasser-tal wird ab der Bergsturzmasse unterirdisch ĂŒber den Schrattenkalk entwĂ€ssert.Offensichtlich besteht zwischen Bergsturzmaterial und Schrattenkalk eine sehr gute
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Fig. 7: Ganglinien der elektrischen LeitfĂ€higkeit an QRu sowie fĂŒr die einzelnen Quellaustritte (1â5von S nach N in Richtung der Taltiefenlinie).Electrical conductivity frequency curves for QRu and for the five outlets (1â5 from S to N, tothe center of the valley).
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hydraulische Anbindung, was vermuten lĂ€sst, dass abdichtendes MorĂ€nenmaterial, wel-ches ursprĂŒnglich in weiten Teilen des Tals abgelagert wurde, hier teilweise â mög-licherweise durch den Bergsturzabgang â entfernt wurde.
Die beiden Resurgenzen, welche die Bergsturzmasse entwĂ€ssern, besitzen bei nied-rigen und mittleren AbflĂŒssen getrennte Einzugsgebiete. WĂ€hrend QRo der Wieder-austritt der an der Verebnung versinkenden BĂ€che ist (Schwarzwasserbach und Bach A),wird QRu von drei anderen auf die Bergsturzmasse treffenden BĂ€chen gespeist (BĂ€che BâD). Zwischen beiden Quellen besteht demnach eine unterirdische hydrauli-sche Barriere (Fig. 9). Bei Hochwasser kann diese Barriere ĂŒberflossen werden. DannĂŒberschneiden sich die Einzugsgebiete von QRo und QRu mit einer Verschiebung zuGunsten von QRu. WĂ€hrend der Hochwasserwelle im Verlauf des Tracerversuchsbestand das Quellwasser von QRu kurzzeitig zu einem Drittel aus Wasser des Schwarz-wasserbachs.
Innerhalb der Bergsturzmasse sind bevorzugte HauptflieĂwege ausgebildet. SolcheWasserwegsamkeiten in abgegangenen Massenbewegungen können durch sekundĂ€reUmlagerungsprozesse hervorgerufen werden (G. ABELE, 1974). Dabei kann es einer-seits zu Abdichtungserscheinungen, andererseits zu Auswaschungen des Lockergesteinskommen. Vermutlich hat sich im liegenden Teil der Bergsturzmasse Feinmaterial ab-gesetzt, welches dann im Laufe der Zeit durch die infiltrierten WĂ€sser teilweise frei-gespĂŒlt wurde.
Auf diese Weise ist auch die Herausbildung einer Barriere und damit die hydrauli-sche Zweiteilung des Grundwasserleiters zu erklÀren. Verkarstung hat dabei vermutlichkeine nennenswerte Rolle gespielt.
Die Abstandsgeschwindigkeiten sind mit bis zu 120 m/h fĂŒr einen Porengrund-wasserleiter auĂergewöhnlich hoch. Neben der sehr guten DurchlĂ€ssigkeit der frei-gespĂŒlten HauptflieĂwege ist dies auch auf das hohe GefĂ€lle von beinahe 10 % zwischen
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Fig. 8: Schematisierter Profilschnitt entlang des oberen Schwarzwassertals mit nachgewiesenen FlieĂ-verbindungen bei Mittelwasser.Schematic cross-section along the upper Schwarzwasser valley. Lines indicate flow paths duringmean flow conditions.
Versinkungsstellen und Resurgenzen zurĂŒckzufĂŒhren. Da die GrundwasseroberflĂ€cheim Bereich der Versinkungsstellen aber stets unterhalb der GelĂ€ndeoberflĂ€che liegt, istder hydraulisch wirksame Gradient jedoch kleiner als der topographische.
Obwohl die Bergsturzmasse durch den zeitweisen RĂŒckstau des Schwarzwasser-bachs die Verzögerung und DĂ€mpfung von Hochwasserwellen bewirkt, zeichnet siesich durch ein geringes internes RĂŒckhalte- und Speichervermögen aus. Dies begĂŒnstigtein schnelles Ansprechen auf wechselnde hydrologische VerhĂ€ltnisse, was sich in hohenSchĂŒttungsschwankungen der Quellen und starken Schwankungen des Grund-wasserspiegels Ă€uĂert.
Eine gewisse SpeicherfĂ€higkeit hat sich wĂ€hrend des Markierungsversuches gezeigt,als noch Monate nach der Tracereingabe Farbstoff im Quellwasser der Resurgenzgefunden wurde. Offenbar wurde durch die Hochwasserwelle kurzzeitig markiertesWasser in die sehr feinkörnige Matrix des Sedimentkörpers gedrĂŒckt. Dieses zwischen-gespeicherte Wasser sickerte dann nur langsam aus den Poren in die weitlumigen Ab-flusswege zurĂŒck. Allerdings könnte dieser Effekt auch eine Folge der relativ hohenSorptivitĂ€t des verwendeten Tracers sein.
Obwohl die Bergsturzmasse aus Lockergestein besteht und daher als Porengrund-wasserleiter anzusprechen ist, zeigt sie typische hydrologische Merkmale eines Karst-grundwasserleiters, von der konzentrierten Grundwasserneubildung ĂŒber das FlieĂ-und Speicherverhalten bis hin zur SchĂŒttungscharakteristik der Quellen (Tab. 2) auchwenn die wirksamen Prozesse â chemische Lösung im Karst und mechanische Frei-spĂŒlung im Bergsturz â selbstverstĂ€ndlich unterschiedlich sind. Ob sich jedoch in derunterschiedlichen topographischen Höhe der Quellen â analog zu einem Karstsystem âeine zeitliche Entwicklung widerspiegelt, also eine Tieferlegung der unterirdischen Ent-wĂ€sserung durch FreispĂŒlung erfolgte, ist nicht geklĂ€rt.
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Fig. 9: Schematisierter Profilschnitt der Bergsturzmasse quer zum Schwarzwassertal mit hydrogeo-logischem Modell einer hydraulischen Barriere, die nur bei Hochwasser ĂŒberflossen werdenkann.Conceptual model across the valley, showing the presence of a hydraulic barrier within therockfall mass. The hydraulic barrier can be overflowed during flood events only.
Zusammenfassung
Massenbewegungen können die innere Struktur und damit die hydraulischenEigenschaften eines Gesteinsverbandes maĂgeblich verĂ€ndern. Im vorliegenden Fallwurde eine Bergsturzmasse in einem alpinen Karstgebiet Ăsterreichs (Schwarzwassertal,Vorarlberg) mit Hilfe von Abflussmessungen, hydrochemischen Analysen und Mar-kierungsversuchen hydrogeologisch untersucht.
Das Grundwasser der Bergsturzmasse wird hauptsĂ€chlich von versinkenden BĂ€chengebildet, wĂ€hrend die EntwĂ€sserung ĂŒber zwei Resurgenzen und unterirdisch ĂŒber denunterlagernden Karst erfolgt. Die Bergsturzmasse selbst ist durch eine interne Barrierehydraulisch zweigeteilt, welche nur im Zuge von starken Hochwasserereignissen kurz-fristig ĂŒberflossen werden kann. Zudem zeichnet sich die Bergsturzmasse durch sehrhohe Abstandsgeschwindigkeiten entlang diskreter FlieĂwege und ein geringes Spei-
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Tab. 2: Vereinfachte Darstellung der charakteristischen hydrogeologischen Merkmale der Berg-sturzmasse im Vergleich zu typischen Karst- und Porengrundwasserleitern.Simplified description of the hydrogeological characteristics of the rockfall mass compared totypical karstic and porous aquifers.
Merkmal typischer Karst- Bergsturzmasse im typischer Poren-grundwasserleiter Schwarzwassertal grundwasserleiter
Gestein Festgestein Lockergestein Lockergestein
Aufbau anisotrop, heterogen anisotrop, heterogen ± isotrop, ± homogen
EntwÀsserung unterirdisch unterirdisch unter- und oberirdisch
1. flÀchenhaft-diffus 1. flÀchenhaft-diffusGrundwasserneubildung 2. konzentriert in 2. konzentriert in nur flÀchenhaft-diffus
Schwinden Schwinden
primĂ€re HohlrĂ€ume KlĂŒfte Poren Poren(teils auch Poren)
sekundĂ€re HohlrĂ€ume korrosiv erweitertes freigespĂŒlte âKarstnetzwerk HauptflieĂwege
wirksame Prozesse chemische Lösung mech. FreispĂŒlen; â(Verkarstung!) evtl. auch Kalklösung?
FlieĂgeschwindigkeit hoch (10â1000 m/h) hoch (â 100 m/h) niedrig (< 1 m/h)
SpeicherfÀhigkeit gering gering hoch
QuellschĂŒttung hoch (m3/s) hoch (m3/s) gering (l/s)
SchĂŒttungsschwankung hoch hoch gering(intermittierend) (tlw. intermittierend) (perennierend)
TrĂŒbstoffe im Quellwasser hĂ€ufig hĂ€ufig selten
hydraulische Reaktion auf schnell schnell langsamhydrologische Ereignisse (Stunden bis Tage) (Stunden bis Tage) (Tage bis Monate)
Schwankung des stark stark geringGrundwasserspiegels (mâ100 m) (viele m) (cmâdm)
chervermögen aus. Insgesamt entspricht ihr hydraulischer Charakter nicht einemtypischen Porengrundwasserleiter, sondern Ă€hnelt eher einem typischen Karstgrund-wasserleiter. Die Ursachen dafĂŒr werden in sekundĂ€ren Umlagerungsprozessen ge-sehen.
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Summary
Mass movements alter the internal structure of rock units and thereby changing the hydrauliccharacteristics. In the present case the hydrogeology of a rockfall mass in an alpine karst area inSchwarzwasser valley, Vorarlberg, Austria was studied using discharge measurements, hydro-chemical analyses and performing tracer experiments.
The groundwater in the rockfall mass is mainly recharged by stream infiltration and dischargedby two reappearing streams and by seepage to the underlying karst aquifer. The rockfall mass itselfis subdivided by an internal hydraulic barrier which can be overflowed during flood events only. Thehydrogeological behaviour of the mass is characterized by very high flow velocities along discreteflow paths, and by a low storage capacity. These characteristics which are more typical of a karsticrather than a granular aquifer are interpreted as the result of post-rockfall internal washing processes.
Stichwörter: Bergsturzmasse, Karstgrundwasserleiter, Markierungsversuche, Abfluss-Speicher-Modell, Alpen
Keywords: rockfall mass, karst aquifer, tracer experiments, discharge-storage model,Alps
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