38
INHALTSVERZEICHNIS 1. DIE EINLEITUNG ................................................................................. 4 2. AMPHITRYON – SAGE........................................................................ 6 2.1. HERAKLES UND SEIN LEBEN .............................................................................. 7 3. AMPHITRYON UND SEINE BEARBEITUNGEN ........................... 9 3.1. TITUS MACCIUS PLAUTUS ................................................................................ 11 3.2. AMPHITRYON IM MITTELALTER ..................................................................... 13 3.3. AMPHITRYON VON MOLIÈRE ........................................................................... 14 3.4. DRYDEN UND DIE ANDEREN ............................................................................ 15 4. HEINRICH VON KLEIST – BIOGRAPHIE .................................... 16 4.1. KLEIST, MÜLLER, GOETHE ................................................................................ 17 4.2. KLEIST UND ANTIKE ........................................................................................... 18 5. HEINRICH VON KLEIST – AMPHITRYON ................................. 19 5.1. KLEISTS AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR .............................. 20 5.2. VERWIRRUNG DES GEFÜHLS ........................................................................... 21 5.3. KLEISTS AMPHITRYON UND CHRISTENTUM................................................ 23 6. PETER HACKS – BIOGRAPHIE ...................................................... 25 6.1. SOZIALISTISCHE KLASSIK ................................................................................ 26 6.2. WERK UND ANTIKE ADAPTATIONEN ............................................................. 27 7. PETER HACKS – AMPHITRYON .................................................... 28 7.1. HACKS ´ AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR............................... 28 7.2. HACKS ´ AMPHITRYON: FIGUREN ................................................................... 31 8. PETER HACKS UND HEINRICH VON KLEIST – VERGLEICH ..................................................................................................................... 35 9. DER SCHLUSSTEIL ........................................................................... 37 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................. 39

BAKALARSKA_PRACE.pdf - IS MUNI

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INHALTSVERZEICHNIS

1. DIE EINLEITUNG ................................................................................. 4

2. AMPHITRYON – SAGE ........................................................................ 6

2.1. HERAKLES UND SEIN LEBEN .............................................................................. 7

3. AMPHITRYON UND SEINE BEARBEITUNGEN ........................... 9

3.1. TITUS MACCIUS PLAUTUS ................................................................................ 11

3.2. AMPHITRYON IM MITTELALTER ..................................................................... 13

3.3. AMPHITRYON VON MOLIÈRE ........................................................................... 14

3.4. DRYDEN UND DIE ANDEREN ............................................................................ 15

4. HEINRICH VON KLEIST – BIOGRAPHIE .................................... 16

4.1. KLEIST, MÜLLER, GOETHE ................................................................................ 17

4.2. KLEIST UND ANTIKE ........................................................................................... 18

5. HEINRICH VON KLEIST – AMPHITRYON ................................. 19

5.1. KLEISTS AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR .............................. 20

5.2. VERWIRRUNG DES GEFÜHLS ........................................................................... 21

5.3. KLEISTS AMPHITRYON UND CHRISTENTUM................................................ 23

6. PETER HACKS – BIOGRAPHIE ...................................................... 25

6.1. SOZIALISTISCHE KLASSIK ................................................................................ 26

6.2. WERK UND ANTIKE ADAPTATIONEN ............................................................. 27

7. PETER HACKS – AMPHITRYON .................................................... 28

7.1. HACKS ´ AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR ............................... 28

7.2. HACKS ´ AMPHITRYON: FIGUREN ................................................................... 31

8. PETER HACKS UND HEINRICH VON KLEIST – VERGLEICH

..................................................................................................................... 35

9. DER SCHLUSSTEIL ........................................................................... 37

LITERATURVERZEICHNIS ................................................................. 39

4

1. DIE EINLEITUNG

In der vorliegenden Arbeit widme ich mich den Bearbeitungen der uralten Sage

von dem thebanischen Feldherren Amphitryon.

Die erste erhaltene, auf einem antiken Mythos beruhende Bearbeitung dieses

Amphitryon-Stoffes verfasste der römische Autor Titus Maccius Plautus und im Laufe

der Zeit fand dieser sich mit der Geburt des Helden Herakles beschäftigende Mythos

verschiedene Realisierungen, die sich bis auf Ausnahmen an der Handlungslinie halten,

die schon bei Plautus erschien.

Mit dem Amphitryon-Thema beschäftigten sich auch mehrere deutsche Autoren,

von denen ich Heinrich von Kleist und Peter Hacks wählte.

Als Ziel setzt sich diese Arbeit „Amphitryon: Peter Hacks und Heinrich von Kleist“ die

Amphitryon-Bearbeitungen dieser deutschen Dramatiker zu vergleichen und

Unterschiede oder Übereinstimmungen festzustellen.

Um diese zwei Spiele untersuchen zu können, ist es wichtig, nicht nur ihre Vorlagen

und frühere Amphitryon-Stückes zu kennen, sondern auch das Leben dieser

Schriftsteller zu entwerfen.

Die Arbeit wird in neun Teilen gegliedert, wobei dem Ursprung des Stoffes das

zweite Kapitel gewidmet wird. Hier lege ich nicht nur die Sage dar, sondern beschreibe

ich die Ereignisse, die das Leben Herakles´ betrafen.

Mit allen Amphitryon – Bearbeitungen (mit Ausnahme der Spiele von Heinrich von

Kleist und Peter Hacks) befasst sich das dritte Kapitel.

In dem Kapitel „HEINRICH VON KLEIST – BIOGRAPHIE“ konzentriere ich

mich auf die Entstehung seiner Stücke im Laufe des Lebens, erwähne auch seine

Freundschaft mit Adam Heinrich Müller, dank dem die Komödie „Amphitryon“

herausgegeben wurde und ich erwähne auch die anderen Spielen, die im Bezug auf das

antike Drama entstanden.

Auch Hacks´ Freundschaft mit dem erfahrenen Bertolt Brecht oder der politische

Hintergrund in der Entwicklung seines Werkes werden im Kapitel „PETER HACKS –

BIOGRAPHIE“ beschrieben.

Das Kapitel „HEINRICH VON KLEIST – AMPHITRYON“ und das Kapitel „PETER

HACKS – AMPHITRYON“ behandeln das Hauptthema selbst, wobei der Schwerpunkt

in die Unterschiedlichkeit ihrer Vorlagen, Form, Sprache oder Gestalten gelegt wird.

5

An mehreren Stellen meines Textes wird auch die Ähnlichkeit der Geburt des Herakles

mit der christlichen Mythologie behandelt.

Im Teil „VERGLEICH“ werden diese zwei Auffassungen in verschiedenen Kategorien

verglichen und zusammengefasst und im „SCHLUSSTEIL“ beschäftige ich mich mit

den bisherigen Bearbeitung des Themas in der Literatur.

In der Wissenschaftsliteratur findet man ziemlich viele bisherigen

Verarbeitungen dieses Themas, fast alle befassen sich aber nur mit Plautus oder Kleist.

Die Analyse des Stücks von Peter Hacks finden wir vor allem im Werk von Christoph

Trilse. Damit ich nur die einseitige von Trilse beeinflusste Interpretation vermeide,

bringe ich in diesen Teil Zitate aus dem Spiel bei, die als Belege für meine Ansichten

und Bemerkungen dienen sollen.

6

2. AMPHITRYON – SAGE

Amphitryon (aus dem Altgriegischen: der doppelt geplagte) war in der

griechischen Mythologie der Sohn des Königs von Tiryns Alkaios und seiner Gattin

Lysidike.

Alkaios – der älteste Sohn des Helden Perseus – hatte zwei Brüder, Elektryon und

Sthenelos, die in Mykene herrschten.

Nachdem die durch das Land nach Mykene ziehenden Teleboos dem König Elektryon

die Rinder raubten, befohl er seinen Söhnen, diese Tiere zurückzuolen. Im Kampf

zwischen ihnen und den Viehdieben starben aber alle königlichen Söhne bis auf

Likymnos.

Teleboos’ König Pterealos übergab die Rinder an Polyxenos, den Herrscher über Eleier.

Nur dem tapferen Amphitryon ist es gelungen, die Rinder von Polyxenos ohne Kampf

zurückzuholen und an Elektryon zurückzugeben. Als Dank für dieser Tat bekam er

Alkmenes Hand und konnte die Herrsschaft über Mykene übernehmen.

Bis zu dieser Stelle sind alle Quellen und überlieferten Sagen einheitlich, nur

Elektryons Tod wird unterschiedlich beschrieben – entweder wird erwähnt, dass

Amphitryon seinen neuen Schwiegervater mit seiner Keule im Streit tötete, andere

Quellen erzählen, dass Elektryons Tod nicht absichtig war oder dass es zu ihm auf der

Hochzeitsfeier kam.

Amphitryons Herrschaft über Mykene übernahm Sthenelos und vertrieb das junge

Ehepaar aus dem Land.

Zusammen mit ihrem Bruden Likymnos folgte Alkmene ihrem Mann nur unter der

Bedingung, dass er den Tod ihrer Brüder rächt. Sie flohen nach Theben zum Herrscher

Kreon, den Amphitryon um Hilfe im Kampf gegen Taphier bat. Kreon versprach ihm

die Hilfe und als Gegendienst velangte er, die Thebaner von dem teumessischen Fuchs

zu befreien. Nach der Erfüllung dieser Verpflichtung zog Amphitryon endlich mit dem

Heer gegen Teleboos und ihren König Pterelaos.

Während seiner Abwesenheit verliebte sich der oberste Olympische Gott Zeus in

die irdische Frau Alkmene, derer menschliche Schönheit ihn ganz entzückte. Denn er

war überzeugt von ihrer ehelichen Treue, nahm er die Gestalt ihres Gatten an und

verführte sie.

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Auch dieser alte Mythos spricht davon, dass Alkmene sich des Umtauschs nicht

bewusst war und dass sie nach dem Heimkehr ihres echten Mannes zwei Söhne gebar.

Einer dieser Zwillingsbrüder hieß Iphikles, dessen Vater Amphitryon war, der andere

war der göttliche Sohn Herakles, dessen Vater Zeus war.

2.1. HERAKLES UND SEIN LEBEN

Nach der Geburt wurde der stärkere Bruder Herakles nach seinem Stiefgroßvater

Alkaios genannt – Alkeides. Erst später bekamm er von der Wahrsagerin Pythie den

allen Menschen bekannten Namen Herakles, der sein nachfolgendes Leben und

Schicksal beschreibt: „Der, der durch Hera Ruhm erlangte“.1

Diesen von Hera herleiteten Namen bekam er aber ganz gegen ihren Willen.

An demselben Tag, wann in Theben Alkmena den götllichen Sohn gebären sollte, sagte

Zeus im Olymp, dass der erste Perseusenkel, welcher heute zur Welt komme, solle über

alle Verwandten herrschen.

Seine Gattin Hera ärgerte sich aber über ihn wegen seiner Liebe zur Alkmene und

wollte dem Sohn ihrer Nebenbuhlerin dieses Glück nicht gönnen, deshalb wollte sie von

ihm das Ehrenwort, dass der erste geborene Junge im Perseusstamm über seien

Verwandten herrschen wird.

Ohne ihre schlechte Absicht und Hinterlist zu durchschauen, legte er den Eid ab, mit

dem ihn Ate fesselte.

Hera stieg auf die Erde herunter, dort verhinderte sie den von Zeus erwarteten Sohn

Herakles zur Welt zu bringen und in Argos beschleunigte sie die Geburt des Sohnes der

Frau von dem König Sthenelos. So erblickte an jenem Tage das Licht der Welt der erste

Nachkomme im Perseusstamm namens Eurystheus.

Nachdem sie zum Olymp zurückkehrte und ihrem Mann den Bericht über die Geburt

des Helden brachte, machte ihn Heras Arglist wütend und um seinem Zorn Luft zu

machen, griff er die schlaue Ate an ihren Haaren und stürzte sie vom Olymp hinunter.

Er schwur, dass sie sich niemals mehr in den Olymp zurückzukehren soll.

1http://books.google.com/books?id=2ps3AAAAIAAJ&pg=PP8&vq=brill&dq=ker%C3%A9nyi&as_brr=3&hl=cs&source=gbs_search_s&sig=tyvJeKmjCyTJHBY9TzBeGJJqsus [05. 04. 2008]

8

An demselben Tag, als Eurystheus geboren wurde, gebar Alkmene die beiden

Brüder. Als sie in der Wiege schliefen, sendete Hera zu Herakles zwei Schlangen, damit

sie ihn erdrosseln. Nachdem Herakles beide Schlangen tötete, begriffen beide Eltern,

dass es ein ungewöhnlicher Wunder war, und luden den blinden Seher Teiresias, der

dem Göttersohn Herakles die Unsterblichkeit und das schwere Leben voll von

Heldentaten voraussagte. Amphitryon zog nach dieser Voraussage beide Kinder als

seine Söhne auf und in der Erwartung des Ruhms Herakles gewährte er ihm gute

Erziehung.

Das Wagenlenken lernte ihn selbst Amphitryon, andere Disziplinen

unterrichteten ihn andere berühmten Männer oder Helden: Zur Waffenübung beschied

er Kastor, zum Bogenschieben den ischalischen König Eulitus, Weisheit lernte ihn

Radanthyus. In allen Disziplinen übertraf er seine Lehrer, nur den Musiklehrer Linos

tötete er zornig mit der Lyra.

Von den Richtern wurde Herakles zwar freigesprochen, aber Amphitryon befürchtete

sich sein gewaltsames Benehmen und schickte ihn auf den Kithäron, damit er dort das

Vieh weidet und nichts Ähnliches wieder passiert.

Herakles wurde durch seine Großtaten zum größten Helden aller Zeiten, auch

wurde er unsterblich und in die Reihe der olympischen Götter aufgenommen.

9

3. AMPHITRYON UND SEINE BEARBEITUNGEN

Die erste uns bekannte Form dieser Sage von dem thebanischen Feldherren

Amphitryon gab dem Thema der altrömische Autor Titus Maccius Plautus, der das

Thema dieses thebanischen Feldherren im Stück „Amphitruo“ bearbeitete.

Diese Bearbeitung von dem altrömischen Dichter galt als Vorlage für die späteren

Autoren, jedoch muss man davon hinausgehen, dass er seine Tätigkeit auf die

Romanisierung der attischen Komödie hinrichtete – er inspirierte sich also auch in den

älteren griechischen Vorlagen.

Das erste griechische Original ist heute zwar unbekannt, doch sollte es typologisch am

ehesten in die große Zeit der griechischen Mythentravestie, in die Mese, gehört haben. 1

Es ist belegt, dass Amphitryon-Mythos seine Ursprünge bei den großen

altgriechischen Tragikern wie Apollodorus, Homer („Odysee 11“; „Ilias 14/ 323“),

Hesiod („Der Schild des Herakles“), Pindar („Siegeslieder – Isthmische Ode 7,

Pythische Ode 9, Nemeische Ode 4“).2

Amphitryonsage gehört nämlich zu jenen, die die Geburt des größten antiken Helden

Herakles erklären und seine Herkunft beschreiben.

Keine der griechischen Vorlagen, außer dem hesiodischen „Schild des

Herakles“, blieb aber erhalten und auch hier wird der Grundkern des Mythos

(Alkmenas Untreue und die Zeugung des Herakles) ziemlich kurzgefasst erwähnt.

Damit belegt Autor nur die göttliche Abkunft des größten Helden aller Zeiten:

„Sie, von dem Gotte zugleich und dem herlichsten Manne befruchtet,

Zeitigte Zwillingssöhn' in der siebenthorigen Thebe,

Gar nicht gleich an Gesinnung, obschon zween leibliche Brüder:

Den von geringerer Art, und den weit edlerer Mannheit,

Schreckenvoll und gewaltig, die hohe Kraft Herakles';

Diesen erzeugt von der Stärke des schwarzumwölkten Kronion,

Aber vom Lanzenschwinger Amfitryon jenen Ifikles…“3

1 Thierfelder, A.: Musa Iocosa: Arbeiten ueber Humor und Witz Komik und Komoedie der Antike. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1974, S.96. 2 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 273. 3 http://mythenwiki.de/index.php?title=Hesiod_-_Der_Schild_des_Herakles [20. 04. 2008]

10

Auch drei große Tragödiendichter - Aischylos, Sophokles und Euripides - bearbeiteten

diese Sage.

Aischylos und Euripides schrieben „Alkmene“, Sophokles einen „Amphitryon“, von

diesen Werken ist nichts erhalten. Man kann nur aufgrund der Titel vermuten, dass die

beiden Verfasser von „Alkmene“ die Tragik der Frau in Vordergrund stellten und

Sophokles sich mit dem Problem des siegenden Mannes beschäftigte.

Von den Handlungen der Stücke von Sophokles und Euripides weiß man heute nichts

mehr, aber im Fall Euripides’ Alkmene gibt es mehrere Informationen:

„Amphitryon hatte Alkmene unberührt gelassen und findet sie bei der Rückkehr

unmittelbar vor der Entbindung; er glaubte sie schuldig, und je mehr sie sich auf seinen Besuch

beruft – war ihr doch Zeus in Gestalt des Gatten genaht –, um so frecher muss ihm ihr

Ehebruch und ihr Leugnen erscheinen. Ihre Schuld fordert seine Rache; als er sie töten will,

flieht sie hilfesuchend in den Altar; aber auch die Heiligkeit ihrer Zuflucht schützt sie nicht, am

altar selbst soll ihr das Feuer des rings geschichteten Scheiterhaufen den Tod bringen; da rettet

sie in höchster Not das Wunder des Zeus, der als deus ex machina das Vorgefallene aufklärt,

die Geburt des Herakles ankündigt aund Amphitryon mit seinem Lose und seiner Gattin

aussöhnt.“1

Fast alle folgende, Georg Kaisers „Zweimal Amphitryon“ ausgenommen, spätere

Bearbeitungen und Überlieferungen sind ganz oder zu einem erheblichen Teil

Komödien, bzw. Tragikomödien, denen die Komödienelemente zugefügt wurden.

Diese durch die Verwechsellung des obersten Gottes ausgelöste Kollision,

musste nach dem Weltverständnis der Griechen tragisch ausgehen und war nichts

einmaliges – eigentlich gehört sie in die Reihe vieler Auseinandersetzungen, die aus

dem uralten Geschlechterkampf hervorgehen. Mit der Geburt des Herakles fängt das

Zeitlater des Mannes.2

Motiv der übersinnlichen Geburt eines Helden wurde noch in monotheistischen

Religionen erhalten – die Geschichte Alkmenas, die mit dem Gott in der Gestalt ihres

Mannes ein Kind zeugte, hatte für damalige mythische Zeiten die ähnliche Bedeutung

wie für Christen die Jungfrauengeburt bei der Gottesmutter Maria.

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 273. 2 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 274.

11

Viele Helden werden durch die doppelte Elternschaft gekennzeichnet: bei Herakles sind

es Zeus und Amphitryon; Mose wurde von der Prinzesssin am Ägyptischen Hof erzogen

und bei Jesus von Nazareth handelt sich es neben den Eltern Maria und Josef auch um

den Heiligen Geist .

3.1. TITUS MACCIUS PLAUTUS

Zu den beliebsten Bearbeitungen gehört Amphitruo von dem römischen

Dramatiker Titus Maccius Plautus (* um 254 .v Chr., †um 184 v. Chr.).

Seine Komödie „Amphitruo“ ist:

die einzige dieses Dichters, mit „mythologischem (komisch - wunderhaften) Stoffe, der

etwas ethisch Bedenkliches hat, aber mit formeller Meisterschaft und heiterster Laune

behandelt ist. Bedenklich ist auch das frevle Spiel, welches mit der Tugend der Treuen und

edlen Alkmene getrieben wird. 1

„Amphitruo“ von Plautus gehört zu dem Genre Mythetravestie, das die

Liebschaften von Göttern (besonders Jupiter) und Heroen parodierte, ebenso kann es als

Travestie der Palliata 2 bezeichnet werden.

Vom Gesichtspunkt antiker literarischen Theorie kann diese Travestie auch als

Tragikomödie bezeichnet werden, weil dem Stück ein Tragödienstoff zugrunde liegt

und weil hier nicht nur Götter und Helden spielen (womit der Regel der Tragödie

vorbehalten ist) sondern gibt es hier auch schon Sklaven und Menschen aus dem Volk.

Diese Figuren sprechen das Publikum an – das ist schon ein Zug zur Komödie.

Dieses plautinische Spiel wurde also auch zu einem wesentlichen Bindeglied zwischen

den ernsten klassischen Tragödien und dem beliebten Genre der Neuen Komödie.

Der Text seines Amphitruo ist auf uns beschädigt gekommen – nach der 2.Szene des 4.

Aktes findet sich eine Lücke von ca 300 Versen, die der Phantasie der späteren

Bearbeitern einen freien Raum ließ.

Diese Doppelgängerkomödie bearbeitete Plautus nach dem Muster seiner anderen

Zwillingskomödie „Menaechmi“, in beiden Stücken wendete das Prinzip der

Verwechselungskomödien „qui pro quo“ an. Dieses Prinzip der Personenverwechselung

1 Reinhardstoettner, Karl von.:Plautus. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1980, S. 115. 2 Palliata bekam seinen Namen von pallium, dem Typ des griechischen Mantels der die Hauptfiguren anhaben; typisch war die neutrale Umgebung, Figurentypen wie kluger Sklave oder charakterloser Zuhälter, zu den Motiven gehören Hindernisse in der Liebe, Verwechselung zweier Personen.

12

wird oft mit den doppeldeutigen witzigen Dialogen unterstützt. Motiv des

Gestaltungsaustausch Jupiters, das Alkmene gegen den Makel der Untreue sichert,

findet sich zum ersten Mal hier.

Im Prolog klärt Mercurius über den Inhalt des Spieles auf.

Plautus hat durch ihn die Gelegenheit, den Kontakt mit dem Publikum herzustellen.

Zuschauer werden von Mercurius angesprochen, er legt Redefragen und beschreibt

Theatertricks, die den Zuschauern helfen, beide Doppelgänger voneinander zu

unterscheiden.

Mercurius bezeichnet dieses Spiel zuerst als Tragödie. Nachdem die unzufriedenen

Zuschauer entrüstet reagieren, verspricht er ihnen die Umwandlung in die Komödie,

was er dank seinem göttlichen Ursprung ohne Veränderung des Textes schafft.

Diese Vermischung der komischen Elemente und Wirklichkeit bietet ein riesige Menge

Situationskomik und Witzen.

Konflikt des Spieles zwischen Amphitryon und Alkmene wiederholt sich bei

Plautus auch zum ersten Mal in der unheroischen Sphäre – Amphitryon hilft der Sklave

Sosias und dem Gott sekundiert der Götterbote Mercurius.

Die Begegnungen zwischen diesen zwei Doppelgängern, die voll von

Missverständnissen sind, aufweisen viele komische Elemente. Sosias hat beinahe keine

wichtige Funktion in der Handlung, die Doppelgänger-Thematik zwischen ihm und dem

Hausbewacher Merkur wird in diesem Spiel zum Selbstzweck.

In dieser unheroischen Sphäre ist Plautus’ Humor ist an vielen Stellen bis grob.

Während ihrem Streit freut sich der im Haus verborgene Zeus in Gestalt des Hausherren

über die verlängerte Nacht mit Alcmena. Bevor er von ihr den Abschied nimmt, schenk

er ihr die Trinkschale des Königs Pterelaas, die Amphitryon als Entlohnung für seinen

Dienst und Tapferkeit im Kampf gegen Teleboos bekam.

Der Dialog zwischen Sosias und seinem „echten“ Herren besteht auch auf

derkomischen Sprache, denn Sosias spricht von seinem Doppelgänger in der Ich-Form.

Nach dem Monolog Alkmenas über die Trauer von der Trennung folgt das Treffen mit

ihrem echten Mann Amphitryon, sie überzeugt ihren Gatten davon, dass er sie vor einer

Weile verließ und zeigt ihm den ihr geschenkten Becher des Königs Pterelas. Der

verschwand aus dem Schrank, ohne dass das Siegel entnommen wurde.

Jupiter ist der Unschuld der ehrlichen und keuschen Alcmena bewusst, und deshalb hat

er vor, ihr zu helfen.

13

Amphitryon trifft seinen Doppelgänger Jupiter zum ersten Mal vor dem Haus, sie

beschuldigen sich gegenseitig.

Die Handlung endet mit dem fünften und zugleich letzten Akt, der im Unterschied zu

den vorigen Akten erhaben und ernstgemeint ist.

Monolog der Magd Bromia in diesem Akt ist nur unter allen Amphitryon-

Bearbeitungen vereinzelt und dank ihm erfahren wir die Wunder bei der Niederkunft

Alcumenas. Nicht nur dass Plautus damit die Handlung beendete, sondern wurde damit

das ursprüngliche Hauptthema von der Geburt des Helden Herakles erhalten. Diese

Szene gehört zu den Entwirrungsszenen dieses Stückes, so auch Jupiters Auftritt, der

durch den für Theater typischen grundsätzlichen Handlungswandel Deux ex machina

dargestellt ist.

Jupiter erscheint wieder als Herrscher aller Götter und Menschen a verteidigt

Alcumenas durch die Unwissenheit verursachte Benehmen. Er versichert seinen

irdischen Rivalen, dass Jupiters Sohn ihn mit den tapferen Taten berühmt macht.

Amphitryon wirkt bis heuchlerisch und beklagenswert, als er anerkennt, dass es Ehre

ist, sich mit Jupiter von seiner Frau zu teilen.

Plautus und nach seinem Muster auch die anderen Nachfolger widmeten sich vor allem

dem Thema des Umtausches und den dadurch folgenden, manchmal beinahe

possenhaften Situationen.

Motiv der „langen Nacht“, die aus dem Lateinischen auch Nyx makra genannt

wird, spielt hier eine wichtige Rolle. Diese Nacht von sieben Monaten ging der Geburt

des Herakles voran. Erscheinungen, wie die „lange Nacht“ waren in den Kosmogonien

des 5. Jhs. dem göttlichen Zeitalter zugehörig.1

3.2. AMPHITRYON IM MITTELALTER

Das Thema des antiken Götterwelt wurde im christlichen Mittelalter nicht

besonderes gepflegt.Einer der ersten mittelalterlichen Autoren, die dieses Thema

bearbeiteten, war Vitalis Blesensis (Vital de Blois) mit seinem Gedicht Geta.

Im 15. Jht. ergänzte Kardinal von Aquileia Hermolaus Barbarus die durch die

Überlieferung fehlenden Szenen und in folgenden Jahrhunderten entstanden viele neue

Bearbeitungen dieses Motivs (oder der plautinischen Komödie).

1 Trilse, Ch.: Das Werk des Peter Hacks. 1. Auflage. Berlin:. Volk und Wissen Volkseigner Verlag 1980.

14

Um die fortlaufende Prosa handelte sich bei dem Spanier Perez de Oliva (1531), zu den

anderen Bearbeitungen gehören die Nachdichtung des plautnischen Spieles von dem

portugiesischen Epiker Luiz de Camões, modernisierte Auffassung von dem Italiener

Lodovico Dolce (1545) ,Gedicht „Sacri Mater Virgo“ von

J. Burmeister, oder das Buch „Deux Sosias“ (1639 nebo 1636) von J. de Rotrou, in dem

Moliére Inspiration fand.

3.3. AMPHITRYON VON MOLIÈRE

Am 13. Januar 1668 machte zum ersten mal Molière das parisische Publikum im

Theater Palaise Royal mit der Bearbeitung des Amphitryon bekannt und diesem

Meisterstück ist eine große Anerkennung zuteil geworden.

Im Unterschied zu Plautus ist Molières Stück ein dreiaktiges Spiel mit mehreren

Figuren. Im Prolog führt Mercur ein komisches Gespräch mit der Nacht und beklagt

sich über sein schwieriges Schicksaal, Gott zu sein. Er bittet sie um ihre Verlängerung

und gemeinsam führen die Zuschauer in Handlung.

Die Handlungslinie entwickelt sich genauso wie in der plautnischen Bearbeitung;

Moliére veränderte nur die Rollenversetzung: Neben dem Diener Sosias spielt auch

seine Gattin Cleanthis, die zugleich die Gesellschafterin Alcmenes ist.

Und so ist gegen das erhabene Trio Jupiter – Amphitryon – Alkmena das

koresponierende Trio Mercure – Sosias – Cleanthis gestellt, und in dieser unheroischen

und Sphäre wiederholen sich in dem begrenzten und groben Maß erotische

Verwickelungen.

Alcmene wurde auch nicht mit dem Becher der Königs Pterelas beschenkt, sondern sie

bekam fünf in echtes Gold eingesetzte Diamanten und hier erscheinen auch die

Nebenfiguren wie Alcmenas Bruder Naucrates oder thebanische Offiziere.

Jupiter huldigt in der Abschlussrede Amphitryon, dass er guter Gegner war.

In Molières Bearbeitung veschwand der religiöse Charakter des Spieles und

auch Alkmene hat nur eine kleine Rolle. Er strich als erster Verfasser dieses Stoffes den

Herakles-Komplex und schuf eine Gesellschaftskomödie 1

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 278.

15

Seine Komödie war ein Abbild der Manieren und Situation am Hof des

Sonnenkönigs Ludwig XIV. Gotthold Ephraim Lessing äußerte sich in seinen

„Beiträgen zur Historie und Aufnahme des Theatres“:

„Wenn ein Meister, wie Moliére war, einen Plautus zum Vorgänger hat, so ist es ja kein

Wunder, wenn er ihn übertrifft. Wo man auf das Gute nicht sinnen darf, da kann man leicht auf

die Vermeidung der Fehler denken.“ 1

Es ist nötig zu erwähnen, dass diesem Autor zur Vorlage Plautus’ Bearbeitung lag.

3.4. DRYDEN UND DIE ANDEREN

Engländer John Dryden benutzte geschickt in seinem „Amphitryon; or the two

Sociás, a comedy“ den Wechsel von Poesie und Prosa.

Der Französe Jean Giradoux nannte sein Stück „Amphitryon 38“, denn er war davon

überzeugt, dass dieser Stoff vor ihm siebenunddreißigmal bearbeitet war.

Amphitryon-Stoff bekam aber auch Operbearbeitungen: Molières Amphitryon bildete

die Grundlage für das Opernlibretto der Oper von André-Ernest-Modeste Grétry.

Eine Ausnahme in der Kette der Komödienbearbeitungen ist der Versuch der

archaischen Tragödie „Zweimal Amphitryon“ von dem deutschen Schriftsteller der

expressionistischen Generation Georg Kaiser.

1 Reinhardstoettner, Karl von.:Plautus. Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1980, S. 185.

16

4. HEINRICH VON KLEIST – BIOGRAPHIE

Einer der interessantesten und zugleich kompliziersten Vertretern der deutschen

Literatur Bernd Wilhelm Heinrich von Kleist wurde am 18. 10. 1977 in Frankfurt an der

Oder in der alten preußischen Offizierfamilie von Kleist geboren. Nach dem Tode

seines Vaters trat Kleist 1792 ins preußische Garderegiment Postdam ein. Obwohl er

zuerst der Familientradition – Militärtradition – getreu war, bekam später Zweifel am

Soldatendasein und wurde nur zum Leutnant befördert. 1799 teilte er seinem lieben

Lehrer – dem Theologen Christian Ernst Martini, dass der Militärstand ihm unerträglich

geworden ist und dass er eine Entscheidung traf, sich dem wissenschaftlichen Studium

hinzugeben.

Er kehrte sich heim, legte erfolgreich Zulassungsexamination und lernte die

Generalstochter Wilhelmine von Zenge kennen, mit der er sich ein paar Monate später

verlobte. Liebesbriefe an Wilhelmine sind bis heute erhalten, leider fehlen – bis auf ein

Exemplar – die von Wilhelmine an Kleist adressierten Schreiben.

In diesen an seine Verlobte gesendeten Briefen ist der komplizierte Charakter

Kleists versteckt: er forderte Wilhelminas Gehorsamkeit, ihr Verständnis und Vertrauen

in alles, was er machte, sprach nur von sich selbst und dafür sollte sie seine Liebe und

Ehre verdienen.

Obwohl sie zu seiner Braut werden sollte, kann man diese Schreiben für monomanische

Selbstdarstellungen halten.

Im Herbst desselben Jahres (1800) brach er das Studium ab und reiste nach

Leipzig, Dresden und Würzburg. Auf dieser Reise begleitete ihn sein Freund Ludwig

von Brockes und manche Erlebnisse vergewisserten den unentschlossenen Kleist in

seiner Entscheidung, dass der Schriftstellerberuf für ihn passend ist.

Während seines Aufenthalts in Berlin, in dem er als Volontär im preußischen

Wirtschaftsministerium tätig war, beschäftigte er sich mit der Lektüre von Immanuel

Kants „Kritik der Urteilskraft“, was ihm seinen geradlinigen, rein vernunftorientierten

Lebensplan über Nacht zerstörte. Dieses umwandelte Weltbild, das durch die Lektüre

Immanuel Kants ausgelöst wurde, nennt man „Kant-Krise“.

17

In Königsberg, wo er ab 1805 ein einhalb Jahr als Dietär arbeitete, vollendete er

das Lustspiel „Der zerbrochene Krug“, „Amphitryon“ und das Trauerspiel

„Penthesilea“, weiter arbeitete er an den Erzählungen „Das Erdbeben in Chili“ und

„Michael Kohlhaas“.

Nachdem er 1807 von der franzözischen Regierung verhaftet war, schrieb er vermutlich

die Novelle „Die Marquise von O...“

Unter dem Eindruck politischer Ereignisse brachte er zu Ende das Drama „Die

Hermannsschlacht“, aber die damalige politische Situation war für eine Aufführung

dieses Spieles ganz ungünstig, genauso wie im Fall des Spieles „Prinz Friedrich von

Homburg“.

Kleist beschäftigte sich häufig mit der Vorstellung des Freitodes. 1811 lernte er

todeskranke verheiratete Henriete Vogel kennen, der dieser Gedanke nah war. Deshalb

erschoss er am 21. November 1811 im Gasthof Stimming, im Südwesten Berlins, mit

ihrem Einverständnis zuerst sie und dann sich selbst.

4.1. KLEIST, MÜLLER, GOETHE

Zu seinen Bekannten gehörten unter anderen auch die Vertreter deutscher Kultur

wie „Achim von Arnim“, „Clemens Brentano“, „Joseph von Eichendorff“ oder

„Wilhelm Grimm“.

Nicht nur für Kleists Leben, sondern vor allem für sein literarisches Schaffen war sehr

wichtig die Freundschaft mit dem Philospohen und Staatstheoretiker Adam Heinrich

Müller. Mit Heinrich von Kleist gab er nach der Vorlage Schillers Journal „Horen“ die

Literaturzeitschrift „Phöbus - Ein Journal für die Kunst“.

Über die Entstehungsgeschichte von Kleists „Amphitryon“ sind keine Zeugnisse

erhalten. Kleists und Johann Daniel Falks gemeinsamer Aufenthalt in Dresden im Jahre

1803 konnte darauf deuten, das Kleist damals auf die Idee kam, diesen Stoff zu

bearbeiten.

Für die erste Herausgabe Amphitryons sorgte Adam H. Müller in der Dresdner

Arnoldischen Buchhandlung , das Spiel erschien unter dem Titel „Heinrich von Kleists

Amphitryon, ein Lustspiel nach Molière. Herausgegeben von Adam H. Müller“.

Zurzeit weiß man nicht mehr, ob er etwas an der Handschrift Kleists veränderte, denn nur

gerade diese Erstausgabe ist erhalten.

18

Seine Vorrede formulierte er ohne Kleists Kenntnis, betonte hier die Originalität der

Auffassung Kleists und lenkte die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Unterschied

zwischen Molières Vorlage und dem Kleists Werk.

Auch Goethe schrieb in seiner Kritik an Kleists „Amphitryon“, dass dieses Spiel auf

eine „Verwirrung des Gefühls“ hinauslauft und nicht die Synthese zwischen Antike und

Moderne darstellt.

In einem Brief schrieb er an Müller:

„ Nach meiner Absicht scheiden sich Antikes und Modernes auf diesem Wege mehr als dass sie

sich vereinigten . Wenn man die beiden entgegengesetzten Enden eines lebendigen Wesens

durch Contorsion zusammenbringt, so gibt das keine neue Art von Organisation; es ist allenfalls

nur ein wunderliches Symbol, wie die Schlange sich in den Schwanz beißt.“1

Diese These Goethes entkräfteten Adolf Wilbrandt und Heinrich Meyer-Benfey

mit der Anmerkung, dass die „Verwirrung des Gefühls“ für Kleist ein Mittel ist,

Alkmenes Gattentreue auf die höchste Probe zu stellen. 2

4.2. KLEIST UND ANTIKE

Antike inspirierte Kleist nicht nur beim Entstehen seines Amphitryons. Als

Vorlagen für seine zweite Tragödie Penthesilea werden die antiken Tragödien von

Euripides und auch manchmal Homers Illias bezeichnet.3

Das Lustspiel aus dem Jahre 1806 „Der zerbrochene Krug“ weist viele gemeinsame

Züge mit der Sophokles´ Bearbeitung des Ödipus-Mythos „König Ödipus“ auf, auch im

„Robert Guiskard“ findet man eine Paralelle mit diesem griechischen Spiel.

Das Trauerspiel die Familie Schroffenstein ist dagegen eine Wiederaufnahme des

mittelalterlichen Shakespeare-Stoffes „Romeo und Julia“.

1 Lubkoll, Ch.: Gewagte Experimente und Kühne Konstellationen: Kleists Werk zwischen Klassizismus und Romantik. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001, S. 46. 2 Wichmann, T.: Heinrich von Kleist. In: Sammlung Metzler, Band 240. Stuttgart: Metzler, 1988, S. 92. 3 Cremerius J.: Widersprüche geschlechtlicher Identität. Würzburg: Verlag Königshausen & Neumann, 1998, S. 73.

19

5. HEINRICH VON KLEIST – AMPHITRYON

So wie sich Molière von den älteren Vorlagen von Rotrou und Plautus hat

inspirieren lassen, so stand dem Heinrich von Kleist Molières Amphitryon als Vorlage.

Sein Trauerspiel „Penthesilea“ über die Königin der Amazonen greift ebenfalls auch

das mythische Stoff auf; im Gegensatz zu diesem Spiel stützte sich Kleist bei der

Bearbeitung des Amphitryon – Mythos auf frühere literarische Quellen – vor allem auf

die Vorlage der französsischen Klassizisten Moliére.

Sienem Spiel gab Kleist neben dem Namen „Amphitryon“ noch den Untertitel: ein

Lustspiel nach Molière (1807).

Obwohl dieser Nachtrag in der Zeit im Laufe der Jahrzente an früherer politischer

Brisanz verlor, so blieb das Lustspiel von Molière der Maßstab, an dem Kleist

Amphitryon gemessen wurde und mit dem dieses Stück verglichen wurde.

Zum Teil handelt sich es um eine Übersetzung und Paraphrase und zum Teil ist

es Original – diese Kombination von der Übersetzungsmethode und seinem eigenen

Schaffen ließ einen interessanten Text entstehen.

Die Reihenfolge von Szenen, die äußere Struktur der Handlung und eine Menge an

Dialogen übernahm er aus Molières Vorbild, dank dessen er mehr Raum hatte, sich auf

psychologische Details und innere Struktur zu konzentrieren und sich mit dem Problem

der Identität und Möglichkeiten des Menschen zu beschäftigen. Bei dem Aufbau der

Dialoge half ihm, dass er sich auf sein Vorbild stützte und konnte die innere Struktur

der Handlung verbessern und in der Dialogtechnik bis zum Äußersten gehen, ohne sich

mit der Form des ganzen Spieles zu beschäftigen.

Aus der Verwechselung wird die Spaltung der Persönlichkeit, was eigentlich

die Erscheinung der bürgerlichen Formation ist. Die Christianisierung der Fabel

unterlief ihm, womit er spätere – spätbürgerliche – Konjekturen vorwegnahm. Und

seine auf Einfühlung gerichtete Theatermethode macht das Werk so schwer auf die

Bühne. 1

1 Trilse, Ch.: Das Werk des Peter Hacks. 1. Auflage. Berlin:. Volk und Wissen Volkseigner Verlag, 1980, S. 278.

20

Er verzichtete auf alle gesellschaftskritische Elemente und pointierte seine

Aufmerksamkeit auf Alkmene, der in Molière nur eine zweitrangige Bedeutung zukam.

Psychologische Problematik dieses Stoffes und der Figurenwird stark entwickelt.

Dank den schon bei Molière nachgewiesenen komischen Zügen und dank Kleists

Konzentration auf Psychologie wird dieses Spiel zugleich ein Lustspiel und auch

Trauerspiel.

5.1. KLEISTS AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR

Wegen dem ausgelassen Vorspiel, das bei Molière Dialog zwischen Merkur und

Nacht bildete, müssen indes einige Informationen gebracht werden.

Diese vermittelt einerseits Sosias in seinem Monolog und andererseits Merkur, schon in

der Rolle des Hausbewachers.

Den Anfangsmonolog des Dieners bildet das fingierte Gespräch zwischen Sosias und

Alkmene, die durch seine auf dem Boden gestellte Laterne „vertreten“ war. Die

Inspiration für die komische Auffassung dieses Dialogs fand er auch bei Molière.

Mit dem komischen Auftritt, wann sich Sosias und Merkurius über Sosias´

Identität streiten, wird vielleicht Johann Gottlieb Fichtes Wissenschaftslehre parodiert.1

Die Kenntnisse seines Doppelgängers von den privaten Angelegenheiten Sosias’ sind

überzeugend: am Ende ihres Streites wird Sosias überführt und ganz verwirrt, denn

Merkurius weiß von Amphitryons Geschenk, den Sosisas Alkmene geben soll und von

dem nur der Feldherr und sein Diener Ahnung hatten.

Nicht nur diese Szene, sondern auch andere komische Szenen zwischen

Merkur und Sosias hat er erweitert, womit er eine Nebenhandlung geschaffen ist, die

das momentweise ins Tragische tendierende Hauptgeschehen karikiert.2 Alle diese

Zwischenszenen laufen parallel neben der Hauphandlung und unter anderem erscheint

in ihnen auch Alkmenes Gesellschafterin Charis - Gemahlin von Sosias, die hier die

Rolle von Molières Cleantis spielt.

Obwohl bei Molière Jupiter nochmal zur Alkmene zurückkommt, um sich mit ihr zu

versöhnen, hier fällt diese Szene weg und Kleist bringt zum ersten Mal den Dialog

zwischen Alkmene und Charis.

1 Fischer, O.: H. v. Kleist a jeho dílo. Praha 1912, S. 114. 2 Wichmann, T.: Heinrich von Kleist. In: Sammlung Metzler, Band 240. Stuttgart: Metzler 1988, S. 90.

21

In diesem Dialog veränderte Kleist ein Detail, das später eine wichtigere Rolle spielte –

aus dem Diamantenschmuck wurde das Diadem des thebanischen Königs Labdakus, in

das der Namenszug Amphitryons „A“ eingraviert war. Das Anfangszeichen

Amphitryons „A“ auf dem Klenoid veränderte sich zur Überraschung Alkmenes in „J“

und obwohl sie früher von ihrer Treue überzeugt war, wird sie jezt von den

Doppelsinnigkeiten beunruhigt, die sie von dem Jupiter – natürlich in Amphitryons

Gestalt – hörte. Es war der erste Impuls zu Alkmenas Zweifel und seit diesem Moment

hatte sie eine schlechte Vorahnung, dass es nicht wirklich Amphitryon war, der ihr

besuchte. In ihre Seele fielen Zweifel an ihrer Unschuld und ihre Selbstsicherheit wird

erschüttert. Sie bemühte sich, sich zu beruhigen und zusammen mit Charis dieses

Vorzeichen rational zu erklären, aber trotz aller Bemühungen hatte sie Schatten auf der

Seele. Ihrem Mann war sie völlig ergeben und lehnte den Gedanken ab, dass sie den

Ehebruch beging. Dieser ins Diadem eingravierte Buchstabe verursachte aber nicht nur

ihre Verwirrung, sondern auch machte er den Konflikt zwischen ihrer

gefühlsbestimmten Überzeugung (von der mit Amphitryon verbrachten Nacht) und dem

sinnlichen Beweis explizit und zugleich fast unlösbar. Jupiter spricht mit Alkmene von

sich selbst wie vom Gott, jedoch immer nur in hypotetischer Ebene, womit dieser

Dialog eine ironische Note bekommt.

5.2. VERWIRRUNG DES GEFÜHLS

In der Forschung wurde am häufigsten Alkmenes „Verwirrung des Gefühls“

diskutiert, auf die Kleist nicht nur bei Alkmene sondern auch bei anderen

Hauptpersonen hinausgeht. Diese Verwirrung wurde vor allem von Goethe kritisiert.

Kleists Vorliebe, sich auf die Glaubwürdigkeit der Gefühle, Intuition zu verlassen,

wurzelte in seiner sogenannten Kant-Krise. Dass Kleist an diese Intuition nicht so viel

glaubt, bekräftigen die Furcht seiner Figuren vor dieser Verwirrung. Ganz im Gegenteil

zeigt diese Furcht, dass Kleist sich auf die Intuition nicht verließ.

Kleist konzentrierte sich auf Psychologie, die den Lesern ermöglicht, den

obersten olympischen Gott unter einem neuen Gesichtspunkt zu beobachten. Dem

Feldherren Amphitryon widmete sich Kleist ihm nicht so stark und deshalb konnte er

sich auf Jupiters Innere und auf seine seelische Vorgänge konzentrieren.

22

Jupiter ist in Kleist ganz einsam in seiner Herrlichkeit und sehnt sich nach der irdischen

Liebe, der er aber später unterworfen ist

Er bekennt zwar seine Liebe, aber zugleich ist er sich dessen bewusst, dass er Alkmenes

Liebe nicht bekäme, wenn er nicht Amphitryons Gestalt hätte. Obwohl es für den

größten und mächtigsten Gott eine unangenehme Festellung war, macht er am Ende

seinem irdischen Rivalen Komplimente und zeigt, dass er nicht nur der höchste Gott ist ,

sondern auch die höchsten Eigenschaften hat. Er begreift, dass er nicht von dem

Amphitryon, sondern von der Treue Alkmenas, überwunden wurde,. Er begreift, dass

er keine andere Möglichkeit zur Eroberung Alkmenes hat, als die Zeit mit ihr in

Amphitryons Gestalt zu verbringen.

Der tschechische Lieraturwissenschaftler Otokar Fischer fand für diesen tiefen

Innenkonflikt in der Monographie über H. v. Kleist eine literarische Analogie in

Goethes Roman „Die Wahlverwandschaften“. 1

Dass Jupiter mit einem Menschengefühl beherrscht wurde, steht ganz im

Gegensatz mit der fest verankerten Meinung der Menscheit, dass die Götter die Wesen

sind, die von allen menschlichen Eigenschaften – auch von allen Schwächen – befreit

werden.

Amphitryon wird hier zur komischen und zugleich zur tragischen Gestalt, als er seinen

Doppelgänger und göttlichen Rivalen am Ende darum bittet, um seiner Frau Alkmene

einen Sohn zu geben.

„Nein Vater Zeus, zufrieden bin ich nicht!

Und meines Herzens Wunsche wächst die Zunge.

Was du dem Tyndarus getan, tust du

Auch dem Amphitryon: Schenk einen Sohn

Groß, wie die Tyndariden, ihm."2

Kleist folgt zwar der Vorlage Molières, jedoch wich er im Metrum ab, während

Molière vers libres anwendete, Kleist schrieb seinen Amphitryon in fünffüßigen Jamben

– in dem für deutsches Drama typischen Metrum.

1 Fischer, O.: H. v. Kleist a jeho dílo. Praha, 1912, S. 129. 2 Kleist, Heinrich von.: Werke und Briege. 4. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1995, S. 405.

23

Bemerkenswert sind hier christliche Motive, denen sich Kliest vor allem in der

Schlussszene widmete.

5.3. KLEISTS AMPHITRYON UND CHRISTENTUM

Es ist offensichtlich, dass der Mythos von Alkmene viele Ähnlichkeiten mit der

Verkündigung Marias und ihrer Jungfrauengeburt zeigt und Kleist darauf bewusst

anspielt, indem er sich hier auf Antike und neue Gottesvorstellungen beruft und sie

vermischt.

Diese Verkündigung des Helden Herakles übergeht in die Verkündigung der zentralen

Gestalt des Christentums Jesus.

Die Geburt des Herakles wurde von dem Jupiter prophezeit so, wie der Engel Maria die

Geburt des Jesusknaben ankündigte. Die Versöhnung zwischen Menschlichem und

Göttlichem besteht in der Geburt des Herakles, den Jupiter seinem Gegener Amphitryon

verspricht:

„Es sei. Dir wird ein Sohn geboren werden,

Dess´ Name Herkules: es wird an Ruhm

Kein Heroes sich, der Vorwelt, mit ihm messen,

Auch meine ew´gen Dioskuren nicht.

Zwölf ungeheuere Werke, wälzt er türmend

Ein unvergänglich Denkmal sich zusammen.

Und wenn die Pyramide jetzt, vollendet,

Den Scheitel bis zum Wolkensaum erhebt,

Steigt er auf ihren Stufen himmelan

Und im Olymp empfang ich dann, den Gott.“ 1

Herakles musste zwölf gefährliche Taten vollbringen, um befreit zu werden. Hier findet

man die Analogie zu den Prüfungen Hiobs.

Die Erwähnung von dem Olymp vorhersagt die glückliche Vollendung seiner

zwölf Arbeiten und seines schweren Lebensweges. Die Pyramide kann aber auch als ein

1 Kleist, Heinrich von.: Werke und Briege. 4. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1995, S. 405.

24

Grabmonument begriffen werden, denn dieses Bauwerk wurde um 1800 wieder als

Form für einen Grabmonument der gefallenen Heroen verwendet. 1

Alkmenes „Ach“ bringt neue Zweifel und aus der Versöhnung macht ein

unentschlossenes Ende. Dieses „Ach“ lässt die auseinandergetriebenen Unterschiede

zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen in einer alles Endliche vollendenden

Einheit mit Zustimmung zusammengehen.

1 Lubkoll, Ch.: Gewagte Experimente und Kühne Konstellationen: Kleists Werk zwischen Klassizismus und Romantik. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2001, S. 185.

25

6. PETER HACKS – BIOGRAPHIE

Einer der bedeutendsten und meistgespielten Dramatiker der ehemaligen DDR

Peter Hacks wurde am 21.03.1928 in der polnischen Stadt Breslau geboren und

verbrachte dort seine Kindheit und Schulzeit.

An der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität studierte Hacks Neuere Deutsche

Literatur, Theaterwissenschaft, Philosophie und Soziologie. Zum Dr. phil. promovierte

er 1953 mit einer Arbeit über die Dramaturgie des biedermeierlichen Repertoiretheaters.

In München lernte er später Erich Kästner, Thomas Mann und vor allem Bertolt Brecht

kennen, der auf sein späteres Leben und Schaffen Einfluß hatte. Erste dramatische

Arbeiten schrieb er seit 1951, damals entwarf er auch in München mit seinem

Zeitgenossen James Krüss Kinderspiele für den Rundfunk.

1955 übersiedelte Hacks mit Brechts Hilfe nach Ostberlin, um am Aufbau der

sozialistischen Gesellschaft aktiv mitzuwirken. In Berlin arbeitete er zuerst für Berliner

Ensemble, dessen Gründer Brecht war. Später war er als Dramaturg am Deutschen

Theater Berlin tätig und nach dem Konflikt mit der Zensur nach der Einführung seines

Stücks „Die Sorgen und die Macht“ gab er seine Stellung als Dramaturg auf und begann

ganz freischaffend als Schriftsteller zu arbeiten, ohne sich mit den politisch brisanten

Themen zu beschäftigen.

1960 wendete sich er zum Versdrama hin, d. h. eine Rezeption Shakespeares und der

griechischen Tragödien. Diese Hinwendung diente als Vorbild der Methode der

dramatischen Neubearbeitung.

Hacks betonte sehr oft, dass Drama die einzige literarische Richtung ist, die er wirklich

beherrsche und aus diesem Grunde schrieb er eine Tragödie.

1964 wurde er Teilnehmer des P.E.N.-Zentrums der DDR, 1974 erhielt er den

Nationalpreis zweiter Klasse, 1977 denselben Preis erster Klasse. Unter anderem

unterstützte er in sechziger Jahren die DDR-Politik beim Bau der Mauer In einem seiner

Artikel in der Wochenzeitschrift „Die Weltbühne“ erklärte sich er mit der

Ausbürgerung Wolf Biermanns einverstanden, und zusammen mit Hermann Kant, Erik

Neutsch, Anna Seghers, Paul Wiens und Konrad Wolf verteidigte er scharfe

Repressionen der Regierung in der sogenannten Biermann-Affäre.

Auch nach dem Ende der DDR nahm Peter Hacks nicht sein Abstand von der

kommunistischen Überzeugung.

26

2003 gab er die vielgelobte Werkausgabe heraus, und in demselben Jahr am 28. 08.

starb er nach langer Krankheit in Groß Machnow.

Nicht nur in der Dramatik, sondern auch in der Lyrik orientierte sich Hacks an die

Griechen oder Shakespeare, aber auch Goethe war ihm die Vorlage. Goethe erschien

undirekt in seinem bekanntensten und erfolgreichsten Spiel: „Ein Gespräch im Hause

Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“.

Hacks´ Epik umfasst vor allem die Kinderliteratur und obwohl er auch Lyriker, Essayist

und Erzähler war, gehörte er in erster Linie zu den bedeutendsten Dramatikern, die auf

irgendiene Weise mit Brechts Auffassungen inspiriert wurden. Seine Methode war vom

Brecht beeinflusst und Brechts historisierend-verfremdende Darstellungsweise waren

ihm Vorbild. Auch er selbst betonte das Gemeinsame mit Brecht und Neben Heiner

Müller und Helmut Baierl galt er als einer der Vertreter des "Didaktischen Theaters".

6.1. SOZIALISTISCHE KLASSIK

Hacks betont in seinem literarischen Schaffen die positive Komik neuer

menschlichen Verhaltensweisen. Ende der 50er Jahre wendete er sich ab von der

Vorstellung des Theaters als "didaktischer Anstalt" und das klassische Stück nannte er

„die dritte Alternative zum bürgerlichen (aristotelischen) und revolutionären

(nichtaristotelischen) Theater – er gründete die „sozialistische Klassik“. Formal will

Hacks an die "große realistische Tradition des deutschen Theaterstücks" anknüpfen und

benennt als Vorbilder Shakespeare, J.M.R. Lenz, Büchner und Brecht.1

Dabei fand er „gute“ Traditionen bei Shakespeare, Sturm und Drang und dem

picaresken Roman, Goethe aber auch bei Euripides.

In Hacks´ Stücken erscheint oft desillusionierender Witz (der für Leichtigkeit und

Unterhaltung sorgt), Dialoge in seinen Werken sind oft zugespitzt und zeichnen sich

durch den starken Sarkasmus aus.

Manchmal ist es schwer, bei Hacks die Grenzen zwischen Adaptation und Neufassung

zu unterscheiden. Durch diese Methode entdeckte Hacks die aktuellen Bezüge des alten

Stoffes zum Theater der Gegenwart.

1 Peter Schütze: Peter Hacks. Ein Beitrag zur Ästhetik des Dramas - Antike und Mythenaneignung , Kronberg 1976.

27

6.2. WERK UND ANTIKE ADAPTATIONEN

Am Anfang der Reihe seiner Adaptationen antiker Vorlagen steht das Stück

„Der Frieden. Komödie nach Aristophanes (1962)“, in dem er das damals sehr

aktuelles Thema der Erhaltung des Friedens behandelte. Zu den anderen Adaptationen

antiken Stoffes gehören „Die schöne Helena. Operette für Schauspieler, nach Meilhac

und Halévy (1964)“, „Amphitryon (1967)“, „Omphale (1968)“, „Die Vögel. Komödie

nach Aristophanes (1973)“, „Der Geldgott. Komödie nach Arisophanes (1992)“

„Orpheus in der Unterwelt. Operette für Schauspieler, nach Calzabigi, Crémieux und

Halévy (1995)“ und nach Goethe bearbeitete er auch das mythische Stoff im Drama

„Pandora (1979)“. Einen Stoff aus der römischen Antike griff er im „Seneccas Tod

(1977)“ auf.

Seine Komödien mit dem gemeinsamen Thema der Antike – „Amphitryon“, „Omphale“

und „Numa“ werden als Olympische Komödien bezeichnet.

In Amphitryon behandelt Hacks wichtige philosophische Probleme der Gegenwart.

Obwohl er in seinem in Theaterzeitschrift „Theater heute (1969)“ erschienenen

Essay „Zu meinem Amphitryon“ nur von den vier erstklassigen Verfassern von dem

Amphitryon-Stoff sprach, lassen sich in diesem Stück auch Giradoux´ Elemente (die

Eröffnungszene) erkennen, oder den Militarismus des Feldherren Amphitryon findet

man in Kaisers „Zweimal Amphitryon (1944)“ und die Verwandlung Sosias´ in einen

Philosophen findet man bereits im 12. Jahrhundert bei Vital de Blois .

Hacks gehört noch heute zu den meist gespielten Autoren, sein Monodrama

„Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ bekam eine

internationale Anerkennung und wenigstens dieser Titel ist sehr bekannt auch unter der

laienhaften Öffentlichkeit.

28

7. PETER HACKS – AMPHITRYON

Peter Hacks gehört mit seinem 1968 herausgegebenen Amphitryon zu einem der

letzten Berfasser dieses antiken Stoffes. Hacks inspirierte sich, wie er selbst erwähnt,

bei den „vier erstklassigen Dramatikern“: Plautus, Dryden, Kleist:

„Wären sie weniger erstklassig, wäre kein Anlass, ihre Ergebnisse zu übernehmen.

Plautus hat den kraftvollsten, Molière den geschicktesten,, Dryden den frechsten un

sinnlichsten, Kleist den tiefsten. Jeder ist in seiner Weise unübertrefflich, aber der Versuch

lohnt, ob nicht diese Vorzüge in einem Stück sich vereinigen lassen..“ 1

Sein Amphitryon gehört zu der Stückgruppe, die als Olympische Komödien bezeichnet

wird. Schon die Bezeichnung dieses dramatischen Schaffens deutet auf Gemeinsames

dieser Komödien hin – die Antike.

Den Amphitryon-Mythos bearbeitete Hacks in „Amphitryon“, noch einmal wiederholt

sich dieser Mythos, und auch Herakles-Mythos in „Omphale“ wieder, das Motiv seiner

letzten Olympischen Komödie „Numa“ geht auf den römischen König Numa Pompilius

zurück.

Gemeinsam haben diese Stücke auch die für die alten Fabeln typische Ideale un

ihr ästhetischer Reichtum.2

7.1. HACKS ´ AMPHITRYON: HANDLUNG UND STRUKTUR

In seinem dreiaktigen Spiel erscheint im Unterschied zu den uns schon

bekannten Bearbeitungen die niedrigste Anzahl an Figuren. Den zwei Paaren der

Doppelgänger sekundiert nur das einzige weibliche Element: Alkmene.

Sosias hat zwar kein weibliches Gegenstück, ihm wurde aber mehr Platz zum

Philosophieren gegeben.

Hacks wählte für sein Drama strenge Formen: drei Akte, fünffüßige Jamben und Prinzip

der drei Einheiten - Einheiten von Ort, Zeit und Handlung.

Dieser Blankvers der deutschen Klassik ist virtuos gebraucht: Autor verwendet

auch die Enjambements, womit er die in ausgewogener Hypotaxe gebauten Sätze bricht

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 202. 2 Trilse, Ch.: Das Werk des Peter Hacks. 1. Auflage. Berlin:. Volk und Wissen Volkseigner Verlag, 1980,S. 202.

29

und dem Versanfang die Betonung gibt. Diese Betonung der ersten Silbe korrespondiert

nicht mit dem herkömmlichen deutschen Sprechrhythmus.1

Seine Auffassung stützt sich auf das antike Vorbild und die Prinzipien des

algriechischen Theaters, was die Anwendung Masken während der Vorstellung

bekräftigt.

Hacksens Amphitryon ist trotz seiner Tiefe durchgehend von Leichtigkeit und

Lustigkeit gekennzeichnet, was dem Autor durch den Einsatz von Theatermaschinerie

und bewährten ,,klassischen“ Techniken gelang. Die unterschiedlichen Masken

(Göttermasken sind gold, Menschenmasken haben natürliche Farbe) dienen zur

Unterscheidung der Götter von den Menschen, zu den Verwandlungen der Götter in

ihre menschlichen Gegner und zur Darstellung der Unsichtbarkeit. Mit diesen

Techniken wurden alle technische Probleme gelöst und die Illusion des altgriechischen

Theaters geschaffen.

Ankunft und Ende der Nacht werden von der blauen Gardine dargestellt. Die

Farbe Blau stellt im Theater oft die Nacht dar und unter anderem assoziiert diese Farbe

die Lüge –auch hier verstellt sich die Nacht und „lügt“ von ihrer Länge.

Einheit des Orts erlaubt nur einen Schauplatz – Platz vor Amphitryons Haus. Bereits in

der ersten Szene treten Jupiter und Mercur in Gestalten von Amphitryon und Sosias

ein. Jupiter übt die Begrüßungsrede ein, mit der Amphitryon seine Frau Alkmena bei

jedem Rückkehr begrüßt- Mercur assistiert und hilft ihm.

Amphitryon wird durch Jupiter und Merkur noch vor seinem ersten Auftritt, als

lächerlich beschränkt charakterisiert.

Und obwohl Jupiter seinem irdischen Gegner nur wenig ähnelt, macht er sich keine

Sorgen dafür, dass man ihn erkennen könne:

„Nein, nein, die Maske ist sehr wirksam. Täuschung

ist ja so leicht. Was einer von sich zeigt,

das wird von ihm geglaubt.“ 2

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 286. 2 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 281.

30

upiter distanziert sich am Anfang vom Gatten und nennt sich Geliebter:

„Alkmene: Ich treff dich be fremder Laune, mein Gatte.

Jupiter: Dein Gatte,was? Dein Gatte sitzt am Bord….

Alkmene: Und wer, wenn nicht mein Gatte , bist dann du?

Jupiter: Ich? Dein Geliebter.“1

Die Leser oder Zuschauer, die des Konflikts kundig sind, können dieses

Wortspiel einschätzen – der Gatte sitzt wirklich am Bord und der Geliebter ist wirklich

bei Alkmena, die davon aber keine Ahnung hat.

Die Handlungslinie entwickelt sich fast identisch wie in den früheren Bearbeitungen,

nur die Länge reduzierte sich auf die lange Nacht, in der Jupiters Sohn Herakles gezeugt

wurde.

Alkmene ist angenehm überrascht von der Veränderung ihres Mannes und vor dem

Treffen mit ihren echten Mann, betet sie zu Jupiter:

„O großer Jupiter! Wenn du ein Mal

Die Ehe auch zu schützen bist geneigt,

Erhalte, bet ich, den Amphitryon

Mir als den anderen, der er heute war.“2

Ihre Bitte klingt ziemlich paradoxerweise, denn sie eigentlich den obersten Gott Jupiter

um ihn selbst – und nicht um ihren Mann – bittet.

Während dem missverständlichen Dialog zwischen Alkmene und Amphitryon

verteidigt die Frau ihre Würde vor ihrem Gatten – obwohl sie sich mit ihrer Würde

und Ehre sicher ist, setzt sie den Fall, dass sie die Nacht mit jemandem anderen als

ihrem Mann verbracht hatte und wirft ihm sein Verhalten vor:

„Macht mehr das Wesen einer Hure nicht

Als ein geteiltes Bett, gehört nicht andres

Zu einer Elenden als bloß ein Beischlaf?

Ich bin kein Mensch mehr?“3

1 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 292. 2 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 312. 3 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 324.

31

Hacks´ Stück unterscheidet sich von den vorigen Bearbeitungen darin, dass hier

Alkmene ziemlich bald weiß, dass der, mit dem sie schläft, nicht ihr Mann Amphitryon

ist. Sie gibt ihre traditionell passive Haltung auf. Dieser Mann ist in ihren Augen so

groß, dass nur Jupiter solcher würdiger Partner sein könne.

Alkmene bespottet den männlichen Dünkel und ihre Sehnsucht danach, wie Götter

bewundert zu werden.

Jupiters Bitte an die Nacht, länger und dunkler zu werden, gehört zu den ältesten

Bestandteilen der Amphitryon-Stoff-Bearbeitungen.

Bei der Nachtveränderung fand Hacks die Inspiration wieder in der Farbensymbolik, er

ließ sie errötern. Das Rot symbolisiert einerseits Sexualität, Wollust, Energie (Energie

der Liebe reißt dem Jupite die Maske), andererseits assoziiert die Unmoral, die Gefahr,

das Verbotene, auch in der christlichen Symbolik steht das Rot für die brennende Liebe,

Maria Magdalena als Liebende erscheint unter dem Kreuz oft in Rot gekleidet. 1

Jupiter stellt hier für Alkmene den Ideal des Mannes dar. Er hat alles, was ihrem

Mann fehlt und alle ihre Wünsche werden durch ihn erfüllt.

Nicht nur, dass sich Hacks mit dem Motiv der heiligen Zeugung des Helden

Herakles nicht beschäftigt, sondern es fehlt das Motiv der Zeugung überhaupt.

Bei Plautus mündete der Konflikt dieser Doppelgängerkomödie in die Geburt Herakles,

hier wird dieses Motiv beschränkt und entfernt.

Es fehlt hier das Motiv der berauschenden Liebe, es ist nur Liebe um des Vergnügens

willen.2

Mit diesem sexuellen Unterton bekennt sich Hacks zur Lust des Menschen am

Menschen, womit sein Buch zur zeitgemäßen aktuellen Botschaft wird.

Hacks verzichtete auf das Beschreiben der Geburt des Herakles als Symbol des

„Männerzeitalters“. Mit dem Thema seiner Geburt beschäftigte sich er in anderen

Stücken – (Gedicht „Deianeira“, Libretto „Die Vögel“, Drama „Omphale“)

7.2. HACKS ´ AMPHITRYON: FIGUREN

Auch in dieser Bearbeitung erschien das Dopplegängermotiv bei dem Paar

Merkur – Sosias. Sosias ist bei Hacks nicht ein dummer Sklave (wie bei Plautus),

1 http://www.bekenntnis-kollektion.de/farbe.html 2 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 435.

32

einfältiger Diener (Kleist) sondern er wird hier zu dem Philosophen (Kyniker), zum

Amphitryons Lehrer – trotz seinem Interesse an Philosophie stellt er hier den

Niedergang der Intelligenz vor. Mit seinem getreuen Abbild (Merkur) führt er den

Dialog voll von Missverständnissen, der von seinen philosophischen Sprüchen ergänz

wird.

„SOSIAS: Sie wären Sosias?

MERKUR: Ja.

SOSIAS: Der Philosoph Sosias?

MERKUR: Derselbe.

SOSIAS: Armer Mann, mein Mitgefühl.

Ein zweifach untröstbares Jammerlos,

Ein Philosoph sein und Sosias sein." 1

Bei diesem an seine Identität zweifelnden Philosophen wechseln sich

philosophische Überlegungen mit witzigeren Passagen und seine resignierte, alles

verneinende Einstellung macht ihn zur Figur, die von allen verachtet und geschmäht

wird.

Am Ende wird er in den Hundsstern Sirius verwandelt und dazu sagt er, ein Denker

seines Schlages sei noch nach Jahrmillionen bekannt. Er hatte recht - seit diesem

Moment geht er wirklich in die Unsterblichkeit, aber nicht als Philosophe, sondern als

Himmelskörper.

In Jupiters Figur werden die höchsten Ideen verkörpert, er trägt die besten

menschlichen Eigenschaften und kann den Ideal des Mannes genannt werden.

Amphitryon ist im Vergelich zu ihm nur ein Durchschnittsmensch.

Für Jupiter sind Produktivität und Aktivität, Liebe und Zeugung, Schönheit und Kunst

typisch, doch fehlt ihm die wichtigste Äußerung der menschlichen Schöpferkraft – die

Arbeit. Er ist zwar ein Ideal und in seiner Gestalt werden die höchsten Ideen verkörpert,

doch wegen diesem Mangel ist er unvollkommen.. Und für Amphitryon ist einerseits die

materielle Produktivität typisch, andererseits fehlen ihm aber die Jupiters höchsten

Eigenschaften.

1 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 300.

33

Im letzten Akt rafft sich gebrochener und mutloser Amphitryon noch einmal und

macht ihrem göttlichen Rivalen Vorwürfe. Jupiters Tadel, dass er sich nach Jupiters

Muster – also nicht nur wie ein Feldherr und Soldat, sondern vor allem wie ein

volkomenes Menschenwesen – benehmen sollte und wie er sein könnte, lehnt er ab.

Jupiter tadelt ihn nicht dafür, dass er mit vorübergehenden Pflichten gefesselt ist, aber er

ermahnt ihn dazu, Mensch zu werden. Auch Alkmene wirft ihm vor, dass er in

Konventionen gefangen ist, was er auch auf ihr Eheleben überträgt.

Amphitryon beruft sich lieber auf die Tatsache, dass der Krieg ihn zum Krieger

stempelte und dass er durch den gesellschaftlichen Alltag verschlissen ist. Er wäscht

sich nur mit den Ausreden weiß, dass nur ein Gott zu einem idealen Menschen werden

kann:

„ Es ist von solchem Ernst die Welt beschaffen,

Dass nur ein Gott vermag, ein Mensch zu sein.“ 1

In dieser Komödie werden verschiedene Reifestufen des Menschseins

komfrontiert.

Amphitryon ist ein Durchschnittsmensch, und im Jupiter ist – trotz alle

Supereigenschaften –das utopische Menschenbild personifiziert.

Amphitryon stellt aber Liebe und die Ehe nicht auf das gleiche Niveau. Den Ehestand

bezeichnet er als Zweck der Liebe. Die Liebe vergleicht er mit dem Chaos, Ehe mit der

Ordnung. Und seiner Meinung nach können sich aus der Ordnung Leistung und

Bleibendes entfalten.

Wir sehen die unterschiedlichen menschlichen Naturen zweier Wesen. Der irdische

Mensch – Amphitryon hält die Liebe nur für etwas Zweckmässiges, der Gott – Jupiter

hält sie für ein unentbehrliches Menschengefühl, das von aller Zwecksmäßigkit befreit

ist.

Amphitryons Selbstrechtfertigung am Ende des Spieles gibt den Lesern Anlass zu

Zweifel an seinem Charakter: er wird zu einem Schwächling, der nicht fähig ist, seine

Frau tief und vom Herzen zu lieben, er ist kein liebender Mann und er kann eher als

Karrierist bezeichnet werden.

1 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, 256.

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Jupiter stellt am Ende nicht den absoluten Sieger dar, der Schluss bleibt offen und das

Spiel bekommt einen humänen Ausgang:

„Jupiter: Und lobt das Spiel, zu dem ich euch erkor.

Ging auch nicht alles auf, es ging was vor.“ 1

Tragische Aspekte hat Hacks ausgelassen und der tragische Konflikt sollte vielmehr

von einem optimistisch-utopischen Standpunkt gezeigt werden.

Die Handlung spielt sich ohne sozialen Raum ab und insofern auch die

Austragung dieser Konflikte. Der mythische Stoff (hier ist er schon entmythisiert)

scheint sich der sozialen Konkretheit im Wege zu sein – darin liegt aber sein

ästhetischer Vorzug.2

Wortschatz in Hacks´ Amphitryon ist sehr reich, er wendet die zahlreichen

Wortspielen, Metaphern, Verkürzungen und Füllwörter an, die die Sprache eingängig

machen, und da und dort kommen im Text auch Begriffe heutiger moderner

Alltagssprache vor.

1 Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag, 1974, S. 360. 2 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 293.

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8. PETER HACKS UND HEINRICH VON KLEIST – VERGLEICH

Beide Autoren – Heinrich von Kleist und Peter Hacks haben sich von den

älteren Vorlagen inspirieren lassen. Bei Kleist ist schon aus dem Untertitel

offensichtlich, dass seine Vorlage die dreiaktige Komödie Molières war, Peter Hacks

erwähnte im Vorwort „Zu meinem Amphitryon“ die Bearbeitungen Plautus, Moliéres,

Drydens und Kleist.

Amphitryon-Bearbeitungen von diesen bedeutenden deutschen Dramatikern Kleist und

Hacks erwehren sich des gegenseitigen Vergleichs nicht.

Beide Auffassungen unterscheiden sich in der Form – Hacks reduzierte in der Form

beinahe alles, was reduziert werden konnte. Die Personenzahl, die Aktzahl, die Anzahl

an Schauplätzen – sein Amphitryon wurde ein Kammerspiel. Doch der Einsatz von den

klassischen Theatertechniken macht die Illusion des alten antiken Theaters.

Theatervorstellungen in der Antike waren ein großers Kulturerlebnis für eine riesige

Zuschauermenge, und auch Hacks´ Spiel erweckt die Illusion, dass es für antike

Publikum geschrieben wurde.

Diese Illusion ist durch auch die Anfangsszene verstärkt, in der Merkur bei der

Einübung der Rolle des Amphitryon durch Jupiter seinem Herren assistiert.

Auch Kleist beschränkte die Aktzahl auf drei, nach dem Muster Moliéres sekundiert

dem Diener Sosias seine Gemahlin Charis und am Ende des Spieles treten auch die

Feldherren auf.

Für Belustigung dienen die pointierten Dialoge mit dem trockenen Witz,

ironischer Grundton des Stückes und eine Menge an vielen Sprachmitteln. Während in

Kleists Spiel keine Exzentritäten der Sprache vorkommen, Hacks benutzt auch die

Klicheewörter der Alltagssprache.(„dogmatisch“, „kapiert“, „Gammler“).1

Amphitryon von Peter Hacks ist trotz seiner Tiefe von bemerkenswerter

Leichtigkeit und Lustigkeit gekennzeichnet; die ursprünglich tragische Geschichte wird

humorvoll erzählt. Kleists Auffassung konzentriert sich hingegen mehr auf

Psychologische Vorgänge.

Hacks verzichtete gar auf die Zeugung des Helden Herakles, die das ursprüngliche

Motiv der uralten Amphitryon-Sage ist.

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag, 1975, S. 287.

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Heinrich von Kleist spricht davon nur im letzten Akt, in dem Jupiter die Geburt des

göttlichen Sohnes prophezeit wird. Dieses Ende gibt Impuls zur Diskussion über die

Geburt des Herakles. Parallele zur Geburt des Jesus Christus ist hier offensichtlich.

Hacks veränderte nicht das Metrum – auch er blieb bei dem in Kleists Amphitryon

verwendeten fünffüßigen jambischen Vers.

Der Diener und Sklave Sosias verwandelte sich bei Hacks in den Philosophen,

der sich durch seine Seelenruhe bei Mensch und Göttern unbeliebt und unerträglich

macht.

Nachdem Sosias in Kleist seinen Doppelgänger bittet als sein Zwilling fungieren zu

dürfen, wirkt er mit seiner verlorenen Identität bis spöttisch und bemitleidenswert. Der

Philosophe bei Hacks ist dagegen eine der negativsten Figuren in diesem Werk.

Was ähnlich bei beiden Autoren bleibt, sind Gefühle des Lesers oder Zuschauers aus

dem Benhemen Amphitryons in den Schlussszenen. Vom Kriegshelden und dem

tapferen Mann ist nichts übriggeblieben, und Amphitryon wird zu einem

durchschnittlichen Menschen, als er den Gott um das göttliche von Jupiter selbst

erzeugte Kind bittet (Kleist) oder als er sich selbst als Karrierist darstellte (Hacks).

Obwohl die Grundlinie der Handlung in fast allen Bearbeitungen dieselbe bleibt,

lassen sich hier größere oder kleinere Unterschiede feststellen. In der deutschen

Literatur bearbeiteten das Thema des urspünglichen Amphitryon-Stoffes auch Georg

Kaiser, Armin Stolper und Friedrich Michael.

Nur Georg Kaisers „Zweimal Amphitryon“ wurde vielmehr als Tragödie

formuliert; Armin Stolper war Hacks´ Zeitgenosse und seine Bearbeitung entstand in

derselben Zeit wie die Hacks´.

Friedrich Michaels „Ausflug mit Damen“ ist eine Fortsetzung des

ursprünglichen Stoffes: Jupiter nach zwanzig Jahren in Gestalt von Alkmenes

derzeitigem Freund und seine in Alkmenes Freundin verwandelte Frau Juno reisen zur

Erde.1

1 http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=41123520&top=SPIEGEL

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9. DER SCHLUSSTEIL

Motiv der Zeugung und der Geburt des Herakles fand verschiedene

Realisierungen, die von den politischen Situationen, Position des Mannes in der

Gesellschaft und nicht zuletzt von den älteren Vorlagen geprägt wurden.

Wegen diesen Umständen fand Amphitryon-Stoff eine Menge von Bearbeitungen – es

handelt sich nicht nur um die literarischen Stücke, sondern auch um den Musikbereich

(Libretto zur Oper, Musical von Cole Porter).

Die Geschichte von Amphitryon wurde als plautnische Mythentravestie, Tragödie,

Komödie, Volkstheaterstück, Charakterkomödie sentimentaler Prägung,

psychoanalytisches Boulevardspiel mit Dreieckkonstelation (Giradoux) oder versuchter

archaischer Tragödie (Kaiser) erzählt.1

Auch Alkmene entwickelte sich in verschiedenen Fassungen und wurde zu einer mehr

oder weniger wichtigen Gestalt. Bei Molière tritt sie im dritten Akt nicht mehr in

Erscheinung, aber bei Kleist hat sie eine der zentralen Rollen, wenn nicht die zentralste.

Das ursprüngliche Doppelgänger-Motiv verursachte viele komische Situationen

vor allem zwischen Sosias und Merkur oder in der Auseinandersetzung Sosias´ mit

Charis (Kleist).

Denn es ging den Autoren nicht nur um die einfache Beschreibung der komischen

Situationen, wurde dieser Gestaltentausch oft zu einem komplizierteren

Identitätsdiebstahl.

Es ist bemerkenswert, dass Plautus in seinem „Amphitruo“ auch einen

faktographischen Fehler beging: obwohl Theben eine Binnenstadt ist, spricht Sosias

am Ende seines Monologs von dem thebanischen Hafen.

Mercurius berichtet im Prolog darüber, dass Alcumena die Zwillingsbrüder zur Welt

bringt – der eine soll nach sieben und der andere nach zehn Monaten nach seiner

Zeugung geboren werden. Diese Angabe über zehn Monate ist keine falsche

Information. Plautus sprach von den siderischen Monaten, die in der Wirklichkeit

kürzer sind und zehn siderische Monate dauern 273/ ¼ Tage (d. h. 9 Kalendermonate).2

Obwohl dieses Thema (vor allem bei Plautus Molière oder Kleist) mehrmals in

der Literatur behandelt wurde, gibt es in den tschechischen Bibliotheken einen Mangel

1 Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag 1975, S. 278. 2 http://de.wikipedia.org/wiki/Siderische_Periode [01. 04. 2008]

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an der Sekundärliteratur. Deshalb hoffe ich, dass diese Arbeit anderen Studierenden bei

der eventuellen Untersuchung dieses antiken Stoffes helfen könnte.

39

LITERATURVERZEICHNIS

PRIMÄRE LITERATUR

• Hacks, P.: Ausgewählte Dramen. 2. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag 1974.

• Kleist, Heinrich von.: Werke und Briege. 4. Auflage. Berlin: Aufbau-Verlag

1995.

SEKUNDÄRE LITERATUR

• Baier, T.: Studien zu Plautus' Amphitruo. Thübingen: Narr 1999.

• Borelbach, D.C.: Mythos-Rezeption in Heinrich von Kleist Dramen.

Würzburg: Königshausen und Neumann 1998.

• Cremerius J.: Widersprüche geschlechtlicher Identität. Würzburg: Verlag

Königshausen & Neumann 1998.

• Edinger, E.F.: Věčná dramata.. 1. Auflage. Brno: Emitos: Nakladatelství

Tomáše Janečka 2007.

• Fischer, O.: H. v. Kleist a jeho dílo. Praha 1912.

• Frenzel, E.: Stoff-, Motiv- und Symbolforschung. Stuttgart: J.B. Metzlersche

Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Peschel Verlag 1963.

• Frenzel, E.: Stoffe der Weltliteratur. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag 1976.

• Lubkoll, Ch.: Gewagte Experimente und Kühne Konstellationen: Kleists Werk

zwischen Klassizismus und Romantik. Würzburg: Königshausen & Neumann

2001.

• Lützeler, P. M.: Kleists Erzählungen und Dramen: Neue Studien.

Würzburg: Königshausen und Neumann 2001.

• Mayer, H.: Heinrich von Kleist: der gesschichtliche Augenblick. Pfullingen:

Günter Neske 1962.

• Milička, K.: Básníci velkých příběhů. 2. Auflage. Praha: Baronet 2002.

• Molière: Amphitryon. Praha: Česká akademie věd a umění. 1926.

• Plautus, T. M.: Amfitryon a jiné komedie. 1. Auflage. Praha: Nakladatelství

Svoboda 1978.

40

• Reinhardstoettner, Karl von.: Plautus. Hildesheim: Georg Olms Verlag 1980.

• Schuth, D.: Die Farbe Blau: Versuch einer Charakteristik. Münster: LIT

Verlag Berlin-Hamburg-Münster 1995.

• Stärk, E.: Kleine Schriften zur römischen Literatur. Tübingen: Narr 2005.

• Stehlíková, E.: Antické divadlo. 1. Auflage. Praha: Karolinum 2005.

• Thierfelder, A.:Musa Iocosa: Arbeiten ueber Humor und Witz Komik und

Komoedie der Antike. Hildesheim: Georg Olms Verlag 1974.

• Trencsényi-Waldapfel, I: Mytologie. Praha: Odeon 1967.

• Trilse, Ch.: Antike und Theater heute. Berlin: Akademie-Verlag 1975.

• Trilse, Ch.: Das Werk des Peter Hacks. 1. Auflage. Berlin:. Volk und Wissen

Volkseigner Verlag 1980.

• Wichmann, T.: Heinrich von Kleist. In: Sammlung Metzler, Band 240.

Stuttgart: Metzler 1988.

• Zamarovský, V.: Bohové a hrdinové anntických bájí. Praha: Brána 1996.

WEB

• http://de.wikipedia.org/wiki/Siderische_Periode [01. 04. 2008]

• http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=41123520&top=

SPIEGEL [20. 05. 2008]

• http://www.bekenntnis-kollektion.de/farbe.html [08. 04. 2008]

• http://books.google.com/books?id=2ps3AAAAIAAJ&pg=PP8&vq=brill&dq=

ker%C3%A9nyi&as_brr=3&hl=cs&source=gbs_search_s&sig=tyvJeKmjCyTJ

HBY9TzBeGJJqsus [05. 04. 2008]

• http://mythenwiki.de/index.php?title=Hesiod_-_Der_Schild_des_Herakles

[20. 04. 2008]