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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
(privatrechtlicher Teil)
PD Dr. Daniel Effer-Uhe
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung – Garantieübernahme
• Der Verkäufer, der Hersteller oder ein Dritter kann eine Garantie übernehmen. Der
Garantievertrag tritt dann als selbständiger Vertrag neben den Kaufvertrag.
• Der Inhalt der Garantie ist nicht vorgeschrieben: Es ist Sache der Parteien, sich
darüber zu einigen, was garantiert werden soll und welche Rechtsfolgen eintreten
sollen; oft finden sich Ausführungen zum Inhalt in den AGB des Verkäufers.
• Besonders häufig sind sog. Haltbarkeitsgarantien, die zum Inhalt haben, dass die
Sache für eine bestimmte Dauer eine bestimmte Beschaffenheit behält; dann wird
nach § 443 II BGB vermutet, dass ein innerhalb der Garantiefrist auftretender
Sachmangel die Rechte aus der Garantie begründet.
• Der Garantievertrag ersetzt die gesetzliche Sachmängelgewährleistung nicht,
sondern räumt dem Käufer zusätzliche Rechte ein. Bei
Verbrauchsgüterkaufverträgen ist nach § 477 BGB ein ausdrücklicher Hinweis auf
die gesetzlichen Rechte und darauf, dass sie durch die Garantie nicht
eingeschränkt werden, erforderlich, außerdem ist der Inhalt der Garantie mit allen
wesentlichen Angaben zu nennen, die für deren Geltendmachung erforderlich sind. 2
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung – Anwendungsbereich
• Die speziellen Vorschriften des Kaufmängelgewährleistungsrechts (insbesondere
§ 437 BGB) finden erst nach Gefahrübergang (§ 446 BGB) Anwendung.
• Der Käufer muss eine mangelhafte Sache nicht annehmen, ihm stehen dann die
Rechte aus § 437 BGB noch nicht zu, stattdessen aber der Erfüllungsanspruch
aus § 433 I BGB und die Rechtsbehelfe des allgemeinen Leistungsstörungsrechts
(§§ 280 ff., 320 ff. BGB).
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung
• Die Rechte des Käufers im Fall eines Mangels ergeben sich aus § 437 BGB: Er
kann Nacherfüllung verlangen (Nr. 1), vom Vertrag zurücktreten (Nr. 2) oder den
Kaufpreis mindern (ebenfalls Nr. 2) und/oder Schadensersatz verlangen (Nr. 3).
• Allerdings reicht für diese Rechte die bloße Mangelhaftigkeit nicht aus: § 437 BGB
nennt in den einzelnen Alternativen jeweils weitere §§, nach denen sich der
Rechtsbehelf richtet. Wenn es z.B. in § 437 Nr. 3 BGB heißt, der Käufer könne
nach §§ 440, 280, 281, 283, 311a BGB Schadensersatz verlangen, ist das als
Anweisung zu lesen, die Voraussetzungen auch dieser Vorschriften zu prüfen.
• Zu einem Schadensersatzanspruch kommt der Käufer also z.B. nach §§ 434, 437
Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280, 281 BGB im Fall einer Schlechtleistung, die trotz
Nachfristsetzung nicht behoben wurde, nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§
280, 281 I, 440 BGB im Fall einer verweigerten Nacherfüllung auch ohne
Nachfristsetzung, nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280, 283 BGB im Fall der
Unmöglichkeit der Nacherfüllung oder nach §§ 434, 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 311a
II BGB im Fall der anfänglichen Unmöglichkeit. 4
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung
• Aus den Anforderungen der einzelnen in § 437 BGB genannten Vorschriften
ergibt sich ein grundsätzlicher Vorrang der Nacherfüllung. Das ergibt sich aus
dem Erfordernis einer Nachfristsetzung als regelmäßige Voraussetzung der
meisten anderen Rechte (vgl. z.B. § 281 I S. 1 mit den Ausnahmen in Abs. 2).
• Der Verkäufer hat also sozusagen ein „Recht zur zweiten Andienung“: Wenn
der Käufer bei einem Sachmangel diesen eigenmächtig ohne vorherige
Fristsetzung von einem Dritten reparieren lässt, kann er die Mehrkosten nicht
als Schadensersatz beim Verkäufer geltend machen, da es an der für §§ 434,
437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB erforderlichen Fristsetzung fehlt.
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung – Nacherfüllung
• Die Nacherfüllung kann nach § 439 I BGB auf zwei Arten erfolgen: entweder durch
Beseitigung des Mangels („Nachbesserung“) oder durch Lieferung einer neuen,
mangelfreien Sache („Nachlieferung“).
• Die Art der Nacherfüllung kann grundsätzlich der Käufer frei wählen. Diese
Wahlfreiheit entfällt aber, wenn die eine Art der Nacherfüllung nach § 275 I BGB
unmöglich ist. Außerdem kann der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung
dann verweigern, wenn entweder die Voraussetzungen des § 275 II, III BGB
vorliegen oder diese Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßig hohen
Kosten verbunden ist (§ 439 III).
• Bsp.: K kauft von V eine Waschmaschine. Das gelieferte Gerät macht beim
Einsatz ein lautes, ungewöhnliches Geräusch. K verlangt Lieferung einer neuen
Maschine. Wenn das Geräusch durch das bloße Anziehen einer Schraube
abgestellt werden kann, ohne dass für die Zukunft eine höhere Wahrscheinlichkeit
besteht, dass sich diese Schraube wieder löst, kann V die Nachlieferung
verweigern und K stattdessen auf die Nachbesserung verweisen. 6
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung
• Wenn der Verkäufer dem Nacherfüllungsverlangen nicht fristgerecht nachkommt
oder die Nacherfüllung (in beiden Varianten) unmöglich ist, kann der Käufer nach
§§ 434, 437 Nr. 323 BGB bzw. nach §§ 437 Nr. 2, 326 V BGB zurücktreten oder
gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 ff. (bzw. 311a) BGB Schadensersatz verlangen, wenn
die Voraussetzungen dieser Vorschriften vorliegen.
• Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung sind allerdings
ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§§
281 I S. 3, 323 V S. 2 BGB).
• Das heißt aber nicht, dass der Käufer ohne Ersatz eine minderwertige Sache
erhalten hat. Vielmehr kann er nach §§ 437 Nr. 2, 441 I BGB „statt zurückzutreten“
(also: wenn die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen) den Kaufpreis mindern.
Die Höhe der Minderung richtet sich gemäß § 441 III S. 1 BGB nach der Relation
von Kaufpreis und Wert der Kaufsache.
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung
• Bsp.: K kauft bei V einen Gebrauchtwagen zum Preis von 8.000 EUR. Kurz
nach Übergabe und Bezahlung stellt sich heraus, dass der Wagen schon einen
Unfall hatte und daher nur noch einen Wert von 9.000 EUR hat. Ohne den
Unfall hätte er einen Wert von 10.000 EUR gehabt. K möchte an dem
Kaufvertrag festhalten, aber den Kaufpreis mindern.
• Durch den Mangel ist der Wert des Wagens um 10 % reduziert. Daher muss
nach § 441 III BGB auch der Kaufpreis in diesem Verhältnis herabgesetzt
werden. K kann von V daher eine Erstattung in Höhe von 800 EUR verlangen
(vgl. § 441 IV S. 1 BGB).
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung – Besonderheiten in der Lieferkette
• Meist ist der Letztverkäufer nicht selbst Hersteller einer Kaufsache, sondern nur
letzter Teil einer Lieferkette.
• Das würde für den Endverkäufer eine enorme Belastung darstellen, wenn er
aufgrund der Sonderregeln zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff., insbesondere
der Beweislastumkehr nach § 476 BGB) gegenüber dem Käufer haften würde,
aber bei seinem eigenen Verkäufer keinen Regress nehmen könnte, weil der
Letztverkäufer als Unternehmer sich selbst nicht auf die Beweislastumkehr berufen
kann.
• Der Gesetzgeber hat daher mit § 478 BGB eine erleichterte Regressmöglichkeit in
der Lieferkette geschaffen: Wenn der Unternehmer eine neu hergestellte Sache
wegen eines Mangels zurücknehmen muss oder der Verbraucher den Kaufpreis
gemindert hat, kann der Unternehmer gegenüber seinem Lieferanten die Rechte
aus § 437 BGB ohne die sonst erforderliche Fristsetzung geltend machen (§ 478 I
BGB). Dasselbe gilt nach § 478 V BGB auch für die Ansprüche der anderen
Verkäufer innerhalb der Lieferkette gegenüber ihrem jeweiligen Verkäufer. 9
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Kaufmängelgewährleistung
• Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei
Vertragsschluss den Mangel kennt (§ 442 I S. 1 BGB). (Die Kenntnis des Mangels
bei Übergabe der Sache ist dagegen irrelevant, solange der Käufer den Mangel
beim Vertragsschluss noch nicht kannte.)
• Auch wenn er den Mangel nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat,
stehen ihm keine Mängelgewährleistungsrechte zu, es sei denn, der Verkäufer
hätte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Beschaffenheitsgarantie
übernommen (§ 442 I BGB).
• Eine Besonderheit gilt im Handelsverkehr nach § 377 HGB: Bei beiderseitigen
Handelsgeschäften (vgl. § 343 HGB) muss der Käufer grundsätzlich die Ware
unverzüglich nach Ablieferung untersuchen und den Verkäufer auf eventuelle
Mängel hinweisen; ansonsten gilt die Ware als genehmigt.
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Ausschluss und Beschränkung der Kaufmängelgewährleistung
• Die Parteien können grundsätzlich die Haftung für Sach- oder Rechtsmängel
vertraglich beschränken.
• Eine Grenze dafür bildet § 444 BGB: Der Verkäufer kann sich auf einen solchen
Haftungsausschluss nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen
oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat.
• Beim Verbrauchsgüterkauf gelten weitere Einschränkungen, da § 475 BGB viele
kaufrechtliche Vorschriften zugunsten des Verbrauchers für zwingend erklärt.
• Einschränkungen bestehen auch, soweit der Haftungsausschluss in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGB – Definition in § 305 I BGB, Sonderregelungen zur
Einbeziehung in einen Vertrag in §§ 305 II, 305c I BGB) enthalten ist (z.B. nach §
309 Nr. 7 BGB oder nach § 307 I S. 1 BGB).
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Schadensersatzansprüche außerhalb eines Vertragsverhältnisses
• Auch ohne einen Vertrag kommen Schadensersatzansprüche in Betracht. (Bsp.:
Verkehrsunfall). Diese Ersatzansprüche sind im sogenannten „Deliktsrecht“ oder
„Recht der unerlaubten Handlungen“ geregelt.
• Das Deliktsrecht hat einerseits eine Ausgleichsfunktion, andererseits auch eine
Präventionsfunktion: Idealerweise sollte das Deliktsrecht dazu führen, dass
denjenigen ein Schaden trifft, der ihn am ehesten hätte verhindern können.
• Bsp.: Wenn von einem Bauwerk marode Dachziegel herunterfallen, können sich
zufällige Passanten kaum sinnvoll im Vorhinein schützen. Der Besitzer des
Grundstücks dagegen hätte die Möglichkeit, rechtzeitig Sicherungsmaßnahmen zu
ergreifen. Daher ist es konsequent, dass § 836 I BGB dem Grundstücksbesitzer
bei Verletzung eines Passanten oder einer Sache (geparkter Pkw) einen
Schadensersatzanspruch auferlegt, denn durch diese drohende Haftung haben
Grundstücksbesitzer einen Grund, präventiv für eine ausreichende Absicherung
ihres Grundstücks zu sorgen.
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Zentralnorm des Deliktsrechts: § 823 I BGB
• Voraussetzungen von § 823 I BGB:
1. Verletzung eines der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter durch den Schädiger
2. Rechtswidrigkeit der Verletzung
3. Schuldhaftes Handeln des Schädigers (Vorsatz oder Fahrlässigkeit, § 276 BGB)
4. Kausalität der Handlung für den Schaden
• Praktisch wichtigster Fall: Eigentumsverletzung (Eigentum = rechtliche Herrschafts-
macht, § 903 BGB, nicht dagegen bloß tatsächliche Sachherrschaft = Besitz)
• Selbst bloße Eingriffe in die Nutzbarkeit oder in die vom Eigentümer vorgesehene
Gestaltung (Bsp.: Graffiti an Hausfassade) können einen Eingriff in das Eigentum
darstellen.
• Bsp.: L parkt seinen Lkw verkehrsordnungswidrig vor der Einfahrt zu Grundstück des
G. G kann mit seinem Auto die Einfahrt nicht verlassen. Da er dringend zu einem
Termin muss und L nicht aufzufinden ist, benutzt er ein Taxi. Hier sind die Taxikosten
ersatzfähig, denn L hat in das Eigentum am Auto eingegriffen: Die Sachsubstanz ist
zwar unversehrt, aber die Nutzbarkeit beeinträchtigt.
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Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB
• Würde man unter „sonstigen Rechten“ im Sinne des § 823 I BGB jedes
erdenkliche Recht verstehen würde, wäre die Aufzählung der ausdrücklich
genannten Rechtsgüter überflüssig. Es würde dann eine ausufernde Haftung
für nahezu jedes Verhalten drohen.
• Deshalb muss der Begriff des „sonstigen Rechts“ eng ausgelegt werden.
• Geschützt werden daher nur solche Rechte, die eine starke Ähnlichkeit zu den
ausdrücklich genannten Rechtsgütern aufweisen. Abstrakt sagt man, das
sonstige Recht müsste einen Zuweisungsgehalt und eine
Ausschließungsfunktion besitzen.
• Praktisch bedeutsam ist das „sonstige Recht“ vor allem im Fall des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des „eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetriebs“.
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: allgemeines Persönlichkeitsrecht
• Ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
setzt voraus, dass schwerwiegend und rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht
eingegriffen wurde.
• Außerdem soll der Anspruch nur bestehen, wenn der Verletzte keine
Möglichkeit hat, den entstandenen Nachteil anderweitig hinreichend
auszugleichen.
• Wenn das der Fall ist, kann der Geschädigte Ersatz des durch die
Ehrverletzung eingetretenen immateriellen Schadens verlangen. Um einen
wiederholten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht zu verhindern, werden die
Gewinne aus der Rechtsverletzung beim Umfang des zu ersetzenden
Schadens berücksichtigt.
• Bsp.: Das Magazin B druckt ein „Interview“ mit Prinzessin C, das jedoch frei
erfunden ist.
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: Gewerbebetrieb
• Nicht jeder Eingriff in die Ausübung eines Gewerbebetriebs stellt gleichzeitig eine
Eigentumsverletzung dar (Bsp.: Rechtswidriger Streik).
• Die Rechtsprechung erkennt aber das sogenannte „Recht am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb“ als „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 I BGB an.
• Geschützt werden dadurch nicht nur Gewerbe im engeren Sinne, sondern auch die
Angehörigen der sogenannten „freien Berufe“ wie Ärzte oder Rechtsanwälte.
• Allerdings muss der Schutz dieses Rechtsguts eng begrenzt sein. Denn in einem
freiheitlich-marktwirtschaftlichen System beeinträchtigt jede Handlung eines
Unternehmens zugleich stets die Position seiner Wettbewerber, Lieferanten oder
Kunden. Das kann die Gefahr einer ausufernden Haftung bergen. (Bsp.: Der
fahrlässige Verkehrsunfall eines wichtigen Arbeitnehmers führt dazu, dass bei
seinem Arbeitgeber für zwei Tage die Produktion ausfüllt, was zu Schäden nicht
nur beim Arbeitgeber, sondern auch bei seinem Abnehmer führt.)
• Der Eingriff muss daher „unmittelbar“ oder „betriebsbezogen“, also gegen den
Betrieb als solchen gerichtet sein. 16
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Sonstige Rechte im Sinne des § 823 I BGB: Gewerbebetrieb
• Bsp.: Bei Bauarbeiten im Neubaugebiet beschädigt ein Baggerfahrer leicht
fahrlässig eine städtische Stromleitung, die auch die angrenzende Arztpraxis
des Radiologen R versorgt. R muss für mehrere Stunden seine Praxis
schließen.
• Hier hat die Beschädigung des Stomkabels zwar eine Störung der Arztpraxis
verursacht. Sie stellt aber keinen betriebsbezogenen Eingriff dar, denn die
Beschädigung des Kabels richtete sich nicht gegen die Arztpraxis.
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Deliktsrecht: § 823 I BGB – Rechtswidrigkeit
• Zweite Voraussetzung von § 823 I BGB ist die Rechtswidrigkeit des Eingriffs.
• Diese Rechtswidrigkeit wird bei den ausdrücklich genannten Rechtsgütern
vermutet, der Schädiger muss die Vermutung also widerlegen, indem er einen
Rechtfertigungsgrund für den Eingriff nachweist (z.B. Notwehr).
• Bei den „sonstigen Rechten“ wie dem Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb wird dagegen die Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht vermutet.
Vielmehr muss im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der
Beteiligten geprüft werden, ob der Eingriff rechtswidrig ist.
• Bsp.: W macht intensiv Werbung für sein Produkt, was den Absatz des
Konkurrenzprodukts von K – wie von W beabsichtigt – beeinträchtigt.
• Hier liegt ein zielgerichteter Eingriff in den Gewerbebetrieb des K vor. Dem K steht
aber – selbstverständlich – nur dann ein Schadensersatzanspruch zu, wenn er
nachweisen kann, dass die Werbung rechtswidrig war, z.B. eine vergleichende
Werbung darstellt, die unwahre Behauptungen über sein Produkt verbreitet
(Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG]).18
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Deliktsrecht: § 823 I BGB – Verschulden und Kausalität
• Bei der Prüfung des Verschuldens ist auf § 276 BGB abzustellen: Der Schädiger
muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben.
• Vorsätzlich handelt, wer einen anderen absichtlich oder wissentlich schädigt.
Fahrlässig handelt nach § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
außer Acht lässt. Entscheidend ist, welches Verhalten von einer Person mit
durchschnittlichen Fähigkeiten aus dem Verkehrskreis des Schädigers erwartet
werden kann.
• Das Verschulden muss sich nur auf die Rechtsgutsverletzung und die
Rechtswidrigkeit beziehen. Ob den Schädiger auch hinsichtlich des konkreten
Schadens ein Verschulden trifft, ist unerheblich.
• Kausalität: Zum einen muss gerade die Handlung des Schädigers die Verletzung
des Rechtsguts herbeigeführt haben. Zum anderen muss der Schädiger nur die
Schäden ersetzen, die infolge der von ihm ausgehenden Rechtsgutsverletzung
entstanden sind.
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Deliktsrecht: § 823 I BGB – Verkehrssicherungspflichten
• Eine Unterlassung als schadensersatzbegründende Handlung ist nur dann
relevant, wenn eine Pflicht zum Handeln bestanden hätte. Das muss besonders
begründet werden.
• Man spricht dann von sogenannten Verkehrssicherungspflichten, die insbesondere
aus der Eröffnung oder Beherrschung einer Schadensquelle resultieren können.
• Bsp.: Unternehmer U sorgt für die Reinigung eines verstopften Kanals.
Versehentlich unterlässt er es, den offenen Kanaldeckel mit einem Zaun,
Warnschild o.ä. zu versehen. Fußgänger F, der sich angeregt mit einem Begleiter
unterhält, fällt aus Unachtsamkeit in den nicht gesicherten Kanalschacht und
verletzt sich schwer.
• Hier hat der U eine Gefahrenquelle eröffnet, die er hätte absichern müssen. Diese
Pflicht hat er verletzt und haftet daher auf Schadensersatz. (Dass F selbst
ebenfalls unaufmerksam war, kann nach § 254 I BGB zu einer Minderung des
Anspruchs führen.)
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12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Deliktsrecht: § 831 BGB – Haftung für den Verrichtungsgehilfen
• In der Praxis werden oftmals andere Personen zur Verrichtung der eigenen
Angelegenheiten eingeschaltet.
• Im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche muss sich der Schuldner das
Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zurechnen lassen. Eine
vergleichbare Zurechnungsnorm fehlt im Deliktsrecht.
• § 278 BGB ist hier nicht anzuwenden, denn nach dem Wortlaut dieser Vorschrift
muss derjenige, dem ein fremdes Verschulden zugerechnet wird, schon
„Schuldner“ sein – im deliktischen Bereich besteht aber zunächst kein
Schuldverhältnis, im Zeitpunkt der Schädigung ist also der möglicherweise
Verantwortliche auch noch kein Schuldner im Sinne des § 278 BGB.
• Wenn der Geschädigte aber nicht den unmittelbaren Schädiger in Anspruch
nehmen will, sondern den oft zahlungskräftigeren Hintermann, kommt ein
Schadensersatzanspruch aus § 831 I BGB in Betracht. Hier geht es – anders als
bei § 278 BGB – nicht um eine Zurechnung fremden Verschuldens, sondern um
eine Haftung des Geschäftsherrn für eigenes Verschulden. 21
12. Dezember 2016
Recht für Wirtschaftswissenschaftler
Deliktsrecht: § 831 BGB – Haftung für den Verrichtungsgehilfen
• Haftung nur, bei eigenem Verschulden des Geschäftsherrn – Vorwurf: keine
ordentliche Auswahl oder Überwachung des Verrichtungsgehilfen
• Geschäftsherr kann sich exkulpieren, indem er ordentliche Auswahl und
Überwachung nachweist.
• Ansonsten haftet der Geschäftsherr für jeden Schaden, den der
Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem anderen widerrechtlich
zugefügt hat.
• Verrichtungsgehilfe ist jeder, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in
dessen Geschäftsbereich weisungsgebunden tätig wird.
• „In Ausführung der Verrichtung“ schließt Schäden nur „bei Gelegenheit der
Verrichtung“ aus. (Bsp.: Verrichtungsgehilfe nutzt die Anwesenheit an einem
bestimmten Ort wegen der Verrichtung zu einem Diebstahl.)
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