Transcript

Impulsreferate 74

Fleischversorgung in Fundstellen des bronzezeitlichen Bergbaus: Beispiele aus dem HiMAT- Projekt.

Jörg Schibler1, Sabine Deschler-Erb1, Heidemarie Hüster Plogmann1, Nadja Pöllath2 & Barbara Stopp1

1Universität Basel, IPNA/IPAS 2Universität München, Institut für Palaeoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tierme-dizin

Fragestellung

Die Rohmaterialversorgung im Rahmen der Metallherstellung verlangte schon sehr früh spe-zialisierte Formen von Abbau- und Verhüttungsplätzen sowie Unterkünften für die Bergleute. Die Mineralien, welche die gesuchten Rohstoffe enthielten, finden sich vielfach in sehr gebir-gigen und deshalb nicht selten an schwer zugänglichen Orten. Deshalb liegen die Plätze, an denen man die ersten Verarbeitungsschritte der Rohmetallherstellung durchführte, ebenfalls an eher abgelegenen Stellen. Die Bergleute und die Arbeiter dürften in der näheren Umgebung von Abbau- und Verhüttungsplätzen untergebracht gewesen sein. Aber wie wurden sie an die-sen speziellen Fundplätzen mit Nahrungsmitteln versorgt? Hat man gleichzeitig mit den Ab-bau- und Verhüttungsplätzen auch Siedlungen errichtet, in welchen Nahrungsmittel produziert, also Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden? Oder wurden die notwendigen Nahrungsmit-tel in weiter entfernten Talsiedlungen produziert und zu den Abbau- und Verhüttungsstellen transportiert? Anhand von Tierknochen, welche Nahrungs- und Schlachtabfälle repräsentieren, kann versucht werden, die Unterschiede zwischen Produzenten- und Konsumentensiedlungen respektive Fundplätzen anhand des Fleischkonsums zu beschreiben und zu definieren.

Die Fundstellen: Lage, Datierung, Befunde

Gegenstand der archäozoologischen Untersuchungen im Rahmen des HiMAT-Projektes (History of Mining Activities in the Tirol) sind in erster Linie Tierknochenkomplexe aus Fund-stellen des österreichischen Bundeslandes Tirol. Im Folgenden werden die bronzezeitlichen Abbau- und Verarbeitungsplätze des Bergbaureviers im Maukental bei Radfeld (Tirol) berück-sichtigt.

75 Impulsreferate

Abb. 1: Lage der berücksichtigten Fundstellen mit archäozoologischen Ergebnissen. A: Mauken, Verhüt-tungsplatz (Spätbronzezeit); B: Stadler bei Weer, Brandopferplatz (Früh- bis Mittelbronzezeit); C: Cresta Cazis (Früh- bis Spätbronzezeit, Domleschg, Schweiz).

Mauken A ist ein Werk- und Schmelzplatzareal, welches sich topographisch auf einer kleinen, mehr oder weniger ebenen Geländeterrasse auf ca. 950 m ü. N.N. auf der Südflanke des Innta-les befindet (Abb. 1). Nach Aussage des Ausgräbers Gert Goldenberg ist anzunehmen, dass dort neben dem Verhüttungsplatz mit Schmelzöfen auch eine kleine Werksiedlung bestanden haben könnte. Diese Annahme kann sich vorläufig noch nicht auf gesicherte, ausgegrabene Befunde abstützen, sondern auf die Tatsache, dass sich dort die einzige ebene Geländeterrasse im sonst sehr steilen Hanggebiet befindet (Abb. 2). In Mauken A wurden während der Jahre 1995, 1997, 2007 und 2008 Ausgrabungskampagnen durchgeführt.

Impulsreferate 76

Abb. 2: Lage von Mauken A (Schmelzplatz) und Mauken D (Pingenfeld mit Abbau- und Aufbereitungstä-tigkeiten).

Mauken D liegt im gleichen Areal wie Mauken A auf ca. 1020 m ü. N.N. etwa 350 m von der Fundstelle A entfernt (Abb. 2). Bei dieser Fundstelle handelt es sich um ein Pingenfeld mit nachgewiesenen Abbau- und Aufbereitungstätigkeiten; auch hier wird man von einer Art klei-nem, temporärem "Bergarbeiter-Camp" ausgehen können. Diese Fundstelle wurde im Jahr 2000 archäologisch untersucht.

77 Impulsreferate

Aufgrund typologischer Datierungen von Fundgegenständen sowie 14C-Datierungen können alle Tierknochen von Mauken A und D zeitlich der Nordtiroler Urnefelderkultur vom 12.-9. Jahrhundert v. Chr. zugewiesen werden (zur Datierung pers. Mitt. Goldenberg).

Als Vergleich zu den Tierknochen aus dem Bergbauareal von Mauken werden auch archäozoo-logische Ergebnisse aus dem früh- bis mittelbronzezeitlichen Brandopferplatz „Stadler“ bei Weer in Tirol (Tomedi et al., 2006; Töchterle & Tomedi, 2006) sowie aus der alpinen, bronze-zeitlichen Siedlung von Cresta-Cazis (Wyss, 2002) im Schweizerischen Domleschg (GR) he-rangezogen (Abb. 1). Zu letzterer liegen archäozoologische Ergebnisse (Plüss., 2005) aus insgesamt zehn Siedlungsschichten vor, welche von der Frühbronzezeit bis in die Spätbronze-zeit datieren.

Materialumfang und Methodik

Insgesamt liegen von Mauken A und D 4005 von Hand aufgelesene Tierknochen vor. Diese verteilen sich auf die einzelnen Befunde wie folgt:

bestimmbare unbestimmbare Total Fundstellenbezeichnung n g n g n g

Mauken A, Halde 2007 156 1069.5 101 63.8 257 1133.3 Mauken A, Halde 2008 171 1298.9 164 95.8 335 1394.7 Mauken A, Ofen 2008 463 2765.1 377 318.4 840 3083.5 Mauken A, Halde 1995/97 736 4964.6 411 300.7 1147 5265.3 Mauken D, Halde 2000 1073 8766.3 353 536.2 1426 9302.5 Total Mauken A + D 2599 18864.4 1406 1314.9 4005 20179.3

Zusätzlich zu diesen von Hand aufgelesenen, größeren Tierknochen wurde während der Aus-grabungskampagne 2008 in Mauken A eine Kontrollfläche von 2 m auf 1 m in Abstichen von ca. 10 cm ausgegraben und das ausgegrabene Sediment geschlämmt. Die kleinste Maschenwei-te der Schlämmsiebe maß 0,35 mm. Ziel dieser „Schlämmaktion“ war, abzuklären, ob Reste von kulinarisch genutzten Kleintieren wie kleineren Vogelarten (Singvögel) oder Fischen vor-handen waren. Andererseits sollte durch die archäozoologische Bearbeitung der Schlämmfunde auch sichergestellt werden, dass keine kleineren Skelettelemente, wie z.B. Phalangen oder Jungtierknochen, während der Ausgrabungen übersehen worden sind. So kann die Repräsen-tanz der Tierarten und der einzelnen Skelett- und Körperregionen ohne methodisch-taphonomische Probleme interpretiert werden. Aus diesen Schlämmproben ließen sich halb-quantitativ insgesamt etwa 820 Knochenfragmente auslesen.

Impulsreferate 78

Bestimmungsergebnisse

Bestimmbarkeit und Durchschnittsgewichte

Die knapp mehr als 4000 Tierknochenfragmente weisen ein Gewicht von etwas mehr als 20 kg auf. Die Bestimmbarkeit des gesamten Materials beträgt aufgrund der Fragmentzahlen etwa 65% (Abb. 3). Die geringste Bestimmbarkeit wird im Haldenmaterial von Mauken A der Kam-pagne 2008 mit 51% erreicht, während Mauken D mit über 75% die größte Bestimmbarkeit aufweist.

0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%

100%

Mauken A

, Ofen 2008

Mauken A

, Halde 2008

Mauken A

, Halde 2007

Mauken A

, Halde 1995/97

Mauken D

, Halde 2000

Total M

auken A +

D

bestimmbar unbestimmbar

Abb. 3: Mauken A und D: Bestimmbarkeit in den einzelnen Auswertungseinheiten aufgrund der Fragmen-tazahlen.

Auf der Basis des Knochengewichts beträgt die Bestimmbarkeit in allen Auswertungseinheiten 90% oder mehr. Dies verdeutlicht, dass ausschließlich kleinste Fragmente unbestimmbar blie-ben (Abb. 4).

79 Impulsreferate

0%

20%

40%

60%

80%

100%

MaukenA, Ofen

2008

MaukenA, Halde

2008

MaukenA, Halde

2007

MaukenA, Halde1995/97

MaukenD, Halde

2000

TotalMaukenA + D

bestimmbar unbestimmbar

Abb. 4: Mauken A und D: Bestimmbarkeit in den einzelnen Auswertungseinheiten aufgrund der Knochen-gewichte.

Die Fragmente weisen ein Durchschnittsgewicht von 4,3 g auf, wobei die Fragmente von Mau-ken A zwischen durchschnittlich 3,7 (Verhüttungsofen) und 4,6 g pro Fragment schwanken, während die Fragmente von Mauken D mit 6,5 g durchschnittlich doch deutlich schwerer sind (Abb. 5), was somit auch ihre bessere Bestimmbarkeit erklärt. Insgesamt handelt es sich um sehr geringe Durchschnittsgewichte, welche belegen, dass auch kleinste Knochenfragmente während allen Grabungskampagnen konsequent eingesammelt wurden. Das geringste Durch-schnittsgewicht weisen die Knochen aus dem Bereich des Verhüttungsofens in Mauken A auf. Dieser geringere Durchschnittswert kann durch eine intensivere Verlagerung und Bewegung der Sedimente und somit eine intensivere Beanspruchung der Knochen im Ofenbereich zustan-de gekommen sein, während dagegen die Knochenfragmente in den Haldensedimenten offen-bar weniger sekundär verlagert und beansprucht und somit weniger stark sekundär fragmentiert worden sind. Die Fragmente von Mauken D sind durchschnittlich betrachtet deutlich schwerer, wobei dies sowohl für die bestimmbaren, wie auch für die unbestimmbaren Reste zutrifft. Auf-grund der Tierartenzusammensetzung mit weniger Rinder-, gleich viel Schaf/Ziegen- und deut-lich mehr Schweineknochen sollte eigentlich eher ein geringeres Durchschnittsgewicht für das Material von Mauken D zu erwarten sein. Daraus lässt sich folgern, dass wohl während der Kampagne 2000 kleinere Knochenfragmente etwas weniger konsequent aufgesammelt worden sind als während der anderen Kampagnen.

Impulsreferate 80

0

1

2

3

4

5

6

7

Mauken A,Ofen 2008

Mauken A,Halde 2008

Mauken A,Halde 2007

Mauken A,Halde

1995/97

Mauken D,Halde 2000

Total MaukenA + D

Abb. 5: Mauken A und D: Durchschnittsgewichte der gefundenen Knochenfragmente in den einzelnen Komplexen.

Aus 16 ausgewählten Schlämmproben, welche jeweils ein Volumen von 100 ml aufwiesen, wurden die Tierreste genauer untersucht. Von insgesamt 253 Fragmenten stammten 57 von Ameisen, bei weiteren 24 Objekten handelte es sich um Schneckeneier. 172 Knochensplitter wurden als Säugetierreste bestimmt, welche ein Durchschnittsgewicht von 0,1 g aufweisen. Außer einem Schwanzwirbel einer Maus waren keine genaueren Artbestimmungen anhand dieser kleinen Splitter zu machen. Die Artenliste von Mauken wird dadurch also nicht erwei-tert.

Tierartenspektrum und Tierartenhäufigkeiten

Unter den nachgewiesenen Tierarten dominieren die Haustierarten Rind, Schaf und Schwein. Wildtiere sind mit nur zwei Knochen belegt (Tab. 1). Es handelt sich um die beiden Arten Baummarder und Feldmaus, deren Knochen vielleicht ausschließlich als natürliche Einträge zu bezeichnen sind, oder im Falle des Marders allenfalls ein Indiz für die Fellnutzung darstellen könnten. Für die Ernährung spielen somit die Wildsäugerarten absolut keine Rolle.

81 Impulsreferate

Tab. 1: Mauken A und D: Fragmentzahl, Gewicht und Bestimmbarkeit der in den verschiedenen Gra-bungsplätzen gefundenen Tierknochen.

Mauken A, Ofen 2008 n % g % D-Gew.

Rind/Bos taurus 69 15,0 693,3 25,1 10,0 Schaf/Ovis aries 11 2,4 110,2 4,0 10,0 Ziege/Capra hircus Schaf/Ziege; Ovis/Capra 196 42,5 956,4 34,6 4,9 Schwein/Sus domesticus 185 40,1 1004,0 36,3 5,4 Haustiere 461 100,0 2763,9 100,0 6,0 Baummarder/Martes martes 1 1,2 Feldmaus/Microtus arvalis 1 0,0 Wildtiere 2 1,2 Bestimmbar 463 2765,1 6,0 Unbestimmbar 377 318,4 0,8 Total 840 3083,5 3,7

Mauken A, Halde 2008 Rind/Bos taurus 14 8,2 155,9 12,0 11,1 Schaf/Ovis aries 2 1,2 19,0 1,5 9,5 Ziege/Capra hircus Schaf/Ziege; Ovis/Capra 84 49,1 488,6 37,6 5,8 Schwein/Sus domesticus 71 41,5 635,4 48,9 8,9 Haustiere 171 100,0 1298,9 100,0 7,6 Baummarder/Martes martes Feldmaus/Microtus arvalis Wildtiere 0 0,0 Bestimmbar 171 1298,9 7,6 Unbestimmbar 164 95,8 0,6 Total 335 1394,7 4,2

Impulsreferate 82

Fortsetzung Tab. 1: Mauken A und D: Fragmentzahl, Gewicht und Bestimmbarkeit der in den verschie-denen Grabungsplätzen gefundenen Tierknochen.

Mauken A, Halde 2007 n % g % D-Gew.

Rind/Bos taurus 47 30,1 488,3 45,7 14,4 Schaf/Ovis aries 5 3,2 60,0 5,6 12,0 Ziege/Capra hircus Schaf/Ziege; Ovis/Capra 60 38,5 289,1 27,0 4,8 Schwein/Sus domesticus 44 28,2 232,1 21,7 5,3 Haustiere 156 100,0 1069,5 100,0 6,9 Baummarder/Martes martes Feldmaus/Microtus arvalis Wildtiere 0 0,0 Bestimmbar 156 1069,5 6,9 Unbestimmbar 101 63,8 0,6 Total 257 1133,3 4,4 Mauken A, Halde 1995/97 Rind/Bos taurus 88 12,0 1242,3 25,0 14,1 Schaf/Ovis aries 91 12,4 996,0 20,1 11,0 Ziege/Capra hircus Schaf/Ziege; Ovis/Capra 296 40,2 1285,3 25,9 4,3 Schwein/Sus domesticus 261 35,5 1441,0 29,0 5,5 Haustiere 736 100,0 4964,6 100,0 6,8 Baummarder/Martes martes Feldmaus/Microtus arvalis Wildtiere 0 0,0 Bestimmbar 736 6964,6 6,8 Unbestimmbar 411 300,7 0,7 Total 1147 5265,3 4,6 Mauken D, Halde 2000 Rind/Bos taurus 264 24,6 3234,7 36,9 12,3 Schaf/Ovis aries 31 2,9 208,3 2,4 6,7 Ziege/Capra hircus 1 0,1 1,2 0,0 1,2 Schaf/Ziege; Ovis/Capra 199 18,5 822,0 9,4 4,1 Schwein/Sus domesticus 578 53,9 4500,1 51,3 7,8 Haustiere 1073 100,0 8766,3 100,0 8,2 Baummarder/Martes martes Feldmaus/Microtus arvalis Wildtiere 0 0 Bestimmbar 1073 8766,3 8,2 Unbestimmbar 353 536,2 1,52 Total 1426 9302,5 6,5

83 Impulsreferate

Die aus den Schlämmproben ausgelesenen Tierknochen belegen ebenfalls keine weiteren Tier-arten. In den Schlämmproben wurden ausschließlich kleinste Fragmente von Knochen großer und mittelgroßer Säugetiere gefunden. Somit bestätigen die Schlämmfunde die durch die von Hand aufgelesenen Tierknochen gemachten Aussagen. Zur Fleischversorgung der Bergleute von Mauken wurden mit Rind, Schaf und Schwein ausschließlich Haustierarten genutzt. Wild-tiere und damit auch Fische oder Vögel wurden nicht als Nahrungsressource verwendet.

Unter den nachgewiesenen Haustierarten ließ sich die Hausziege nur gerade mit einem einzi-gen Knochen eindeutig belegen (Tab. 1). Die osteologische Bestimmung der kleinen Hauswie-derkäuer ist prinzipiell problematisch und lässt sich üblicherweise nur bei einem Teil der Tierknochen mit Sicherheit durchführen (vgl. Boessneck et al., 1961; Payne, 1985). Unter den Tierknochen von Mauken ließ sich jedoch das Hausschaf immerhin anhand von 140 Fragmen-ten eindeutig belegen, die Ziege dagegen nur einmal. Daraus können wir schließen, dass unter den kleinen Hauswiederkäuern überwiegend das Fleisch der Schafe genutzt wurde und dem Fleisch von Ziegen keine Bedeutung zukam. Diese Aussage bleibt auch unter Berücksichtigung der Resultate der Schlachtalterbestimmung bestehen. Es wurde also auch das Fleisch der jun-gen Zicklein kaum genutzt. Ziegenmilch oder auch Ziegenkäse könnte hingegen durchaus häufiger genutzt worden sein. Ob dies der Fall war, müssen zukünftige Analysen von Fettsäu-ren auf Keramikscherben oder an Krustenresten an Keramikscherben noch klären (vgl. Span-genberg et al., 2008).

0,010,020,030,040,050,060,070,080,090,0

100,0

Mauken A,Ofen 2008

Mauken A,Halde2008

Mauken A,Halde2007

Mauken A,Halde

1995/97

Mauken D,Halde2000

MaukenA+D, Total

Rind/Bos taurus Schaf/Ziege; Ovis/Capra Schwein/Sus domesticus

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

80,0

90,0

100,0

Mauken A,Ofen 2008

Mauken A,Halde 2008

Mauken A,Halde 2007

Mauken A,Halde

1995/97

Mauken D,Halde 2000

MaukenA+D, Total

Rind/Bos taurus Schaf/Ziege; Ovis/Capra Schwein/Sus domesticus

Abb. 6: Mauken A und D: Die Prozentanteile der wichtigsten Haustierarten auf der Basis der Knochenfragmentzahlen.

Abb. 7: Mauken A und D: Die Prozentanteile der wichtigsten Haustierarten auf der Basis der Knochengewichte.

Legen wir die Knochenfragmente zur Basis der Betrachtung, so wird deutlich, dass die kleinen Hauswiederkäuer – wohl vornehmlich Schaf – und das Hausschwein deutlich häufiger belegt sind als das Hausrind (Abb. 6). Berücksichtigen wir die Knochengewichte (Abb. 7), so kann

Impulsreferate 84

gefolgert werden, dass in Mauken durchschnittlich je etwa 30% Rind- und Schaffleisch und etwa 40% Schweinefleisch konsumiert wurde. Dies ist vergleichsweise außergewöhnlich, da in den meisten bronzezeitlichen Komplexen, nach dem Knochengewicht beurteilt, doch meistens das Hausrind, die am häufigsten genutzte Tierart ist und somit also am häufigsten Rindfleisch konsumiert wurde.

Genutzte Fleischregionen

Zur Untersuchung der Ernährungssitten ist es sinnvoll, Körperregionen entsprechend ihrer nutzbaren Fleischmenge und Fleischqualität zu gliedern (Abb. 8); dies sind üblicherweise die Kopfregion, der Rumpf, die oberen Extremitäten (Stylopodium, inklusive Scapula und Pelvis), die mittleren Extremitäten (Zygopodium) und die unteren Extremitäten (Autopodium). Um die Problematik einer unterschiedlichen Fragmentierung in den einzelnen Komplexen umgehen zu können, werden diese Vergleiche, wenn immer möglich, auf der Basis der Knochengewichte gemacht. Um Unter- oder Überrepräsentanzen erkennen und interpretieren zu können, werden die so ermittelten Gewichtsanteile der verschiedenen Körperregionen dann schließlich mit denjenigen vollständiger Skelette der gleichen Tierart verglichen. So lässt sich erkennen, ob bestimmte Körperteile unter- oder überrepräsentiert sind und somit bestimmte Fleischstücke gezielt verschmäht oder genutzt wurden.

Abb. 8: Die Zuteilung der einzelnen Skelettteile zu verschiedenen nahrungswirtschaftlich relevanten Körperregionen. Scapula und Pelvis wurden dem Stylopodium zugerechnet.

85 Impulsreferate

Für die Fundplätze Ofen 2008, Halde 2008 und Halde 2007 aus Mauken A konnten diese Ver-gleiche auf der Basis der Knochengewichte ausgeführt werden. Für die Fundplätze Mauken A, Halde 1995/97 und Mauken D, 2000 mussten diese Vergleiche auf der Basis der Fragmentzah-len durchgeführt werden, da für die einzelnen Skeletteile keine Gewichtsangaben vorliegen. Der Vergleich mittels Fragmentzahlen ist nicht ideal, kann jedoch unter Berücksichtigung von Fragmentierungsfaktoren ebenfalls zu Ergebnissen führen (vgl. Schibler & Stopp, 1987).

Für die beiden häufiger verwerteten Tierarten Schaf (weniger Ziege) und Hausschwein kann ein klares Verwertungsmuster für die einzelnen Fundstellen erkannt werden. Bei den Schafen (Ziegen) dominieren Fragmente der oberen und mittleren Extremitäten (Abb. 9, A2). Diese Aussage trifft auch unter Berücksichtigung des Vergleichs aufgrund der Fragmentzahlen zu (Abb. 9, B2). Unter den Schweineknochen dominieren vor allem Elemente des Kopfes und der oberen Extremitäten (Abb. 9, A3 und B3). Aufgrund der unterschiedlichen statistischen Basis und der unterschiedlichen Methoden sind natürlich gewisse Schwankungen festzustellen. Die statistische Basis ist aber insbesondere für die Rinderknochen am schlechtesten, so dass wir hier auch die größten Schwankungen und die uneinheitlichsten Ergebnisse zwischen den Fund-stellen antreffen (Abb. 9, A1 und B1). Insgesamt scheinen bei den Rindern Kopfelemente und Fragmente der oberen und mittleren Extremitäten häufiger zu sein.

Fassen wir diese Ergebnisse zusammen, so ist eine deutliche Selektion von Fragmenten von fleisch- und fettreichen Körperteilen, besonders beim Schaf und Schwein, zu erkennen. Daraus lässt sich schließen, dass gezielt Fleischteile oder spezielle Teile von Schlachtkörpern angelie-fert und konsumiert wurden. Diese Interpretation schließt allerdings nicht aus, dass vereinzelt auch mehr oder weniger ganze Schlachtkörper von Tieren, welche in der näheren Umgebung gehalten wurden, zur Ernährung der Bergbauleute gedient haben. Um hier noch spezifischere Aussagen machen zu können, wird noch zusätzliches Tierknochenmaterial benötigt, das die statistische Basis erweitert.

Impulsreferate 86

Abb. 9: Mauken A und D: Bedeutung der nahrungswirtschaftlich relevanten Körperregionen in den ein-zelnen Auswertungseinheiten bei den Knochen von Rind (Bos taurus), Schaf/Ziege (Ovis/Capra) und Schwein (Sus domesticus). A1-3: Berechnungsbasis Knochengewichte; B1-3: Berechnungsbasis Frag-mentzahlen. Dargestellt werden nur die positiven und negativen Abweichungen im Vergleich zu einem vollständigen Standardskelett. Für die Darstellungen B1-3 wurde ein empirisch erarbeiteter Fragmentie-rungsfaktor berücksichtigt (Schibler & Stopp 1987).

87 Impulsreferate

Vergleiche mit anderen Fundstellen

Um die Besonderheiten der fleischlichen Ernährung von bronzezeitlichen Bergbauleuten von Tirol herausarbeiten zu können, wäre ein Vergleich mit bronzezeitlichen Fundstellen anderer Funktionen in Tirol sinnvoll. Leider sind bisher noch nicht viele bronzezeitliche Fundstellen dieser Region archäozoologisch untersucht. Deshalb beschränken wir uns auf einen Vergleich mit den Ergebnissen aus früh-, mittel- und spätbronzezeitlichen Siedlungsschichten des Schweizer Fundplatzes Cresta-Cazis im Domleschg (Kt. Graubünden) sowie dem spätbronze-zeitlichen Brandopferplatz Stadler bei Weer in Tirol.

In allen drei Fundstellen dominieren in allen Auswertungseinheiten die Haustierarten Rind, Schaf, Ziege und Schwein, wobei unter den kleinen Wiederkäuern sowohl in Cresta Cazis wie auch in Mauken die Schafknochen deutlich gegenüber den Ziegenknochen überwiegen. Für den Brandopferplatz Stadler bei Weer lassen sich keine Artbestimmungen unter den Knochen der kleinen Hauswiederkäuer vornehmen, liegt doch das durchschnittliche Fragmentgewicht bei 0,14 g und bei den Knochen von Schaf oder Ziege bei 0,3 g. In allen Fundstellen finden sich nur sehr selten Hundeknochen. Ebenso kommt auch in allen Fundstellen den Wildtieren absolut keine Bedeutung zu. Dies ist eigentlich für alle drei Fundstellen erstaunlich, liegen sie doch alle in gebirgigen Gegenden mitten in oder mindestens nahe zu wald- und somit wohl auch wildreichen Landschaften. Zusätzlich ließe sich insbesondere auch für den Brandopfer-platz in Weer vermuten, dass einzelnen Wildtierarten eine besondere Bedeutung zukommen könnte. Insgesamt stammen also in allen Fundstellen durchschnittlich betrachtet maximal etwa 1% der bestimmbaren Tierknochen von Wildtierarten und Hunden. Aus diesem Grunde ver-zichten wir bei der nachfolgenden Betrachtung auf die Berücksichtigung dieser Knochen und Tierarten und beschränken uns auf einen statistischen Vergleich der drei Gruppen Rind, Schaf/Ziege und Schwein. Dieser Vergleich muss auf der Basis der Fragmentzahlen durchge-führt werden, da es keinen Sinn macht vom Brandopferplatz Stadler bei Weer Gewichtsanga-ben der wenigen bestimmbaren, meist kalzinierten, extrem klein fragmentierten Tierknochen zu quantifizieren. Vorläufig sind aus dieser Fundstelle etwa 35.000 Knochensplitter einzeln bestimmt und etwa 25.000 zusätzlich halbquantitativ erfasst. Die vorläufigen Aussagen basie-ren also auf der Gesamtmenge von 60.740 Knochensplittern, von denen insgesamt 2.061 ein-deutig bestimmbar sind.

Die Fundstellen Cresta Cazis, deren Ausgrabungen in den Jahren 1947-1970 durch das Schweizerische Landesmuseum erfolgte, hat schätzungsweise über 300.000 Tierknochenfrag-mente geliefert. Davon wurden 18.714 Fragmente, welche aus eindeutig datierbaren Schichten stammten von Petra Plüss im Rahmen ihrer Dissertation bestimmt und ausgewertet (IPNA, Universität Basel). 13.263 Knochenfragmente waren artlich bestimmbar.

Impulsreferate 88

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Mau

ken

A, O

fen

20

08

Mau

ken

A, H

ald

e 2

00

8

Mau

ken

A, H

ald

e 2

00

7

Ma

uke

n A

, Ha

lde

19

95

/97

Ma

uke

n D

, Ha

lde

20

00

CC

-FB

Z 1

CC

-FB

Z 2

CC

-FB

Z 3

CC

-FB

Z 4

CC

-FB

Z 5

CC

-FB

Z 8

CC

-MB

Z 1

0

CC

-MB

Z 1

1

CC

-MB

Z 1

2

CC

-SB

Z 1

4

Sta

dle

r W

ee

r

Rind/Bos taurus Schaf/Ziege; Ovis/Capra Schwein/Sus domesticus

Abb. 10: Vergleich der Bedeutung der drei wichtigsten Tierarten respektive Tiergruppen in den einzelnen Auswertungseinheiten von Mauken, Stadler/Weer (Brandopferplatz) und Cresta Cazis (Siedlungsschich-ten) auf der Basis der Fragmentzahlen (vgl. Abb. 1).

Vergleichen wir nun die Prozentanteile der drei Tierarten respektive Tiergruppen, so zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Bergbaukomplexen von Mauken einerseits und den Siedlungsschichten von Cresta Cazis und dem Brandopferplatz von Stadel bei Weer anderer-seits (Abb. 10). Die Unterschiede zeigen sich hauptsächlich bei den Anteilen der Rinderkno-chen respektive den Anteilen der Schweineknochen. In den Bergbaukomplexen von Mauken liegen außergewöhnlich geringe Rinderknochenanteile und vergleichsweise hohe Schweine-knochenanteile vor (Abb. 10). Die Prozentanteile der Knochen von Schaf und Ziege unter-scheiden sich dagegen nicht so deutlich. Diese sind in den Maukener Komplexen, mit Ausnahme von Mauken D, leicht höher als in den Siedlungskomplexen von Cresta Cazis. Dort liegen in den mittel- und spätbronzezeitlichen Schichten meist geringere Anteile von Schaf- und Ziegenknochen vor als in den frühbronzezeitlichen (Abb. 10). Da das Knochengewicht eines Säugetiers in einem direktproportionalen Verhältnis zu seinem Körpergewicht steht, können wir auf der Basis der Gewichtsanteile der verschiedenen Tierarten direkt auf ihre rela-tive Bedeutung für die fleischliche Ernährung schließen. Aufgrund dieser Gewichtsprozente auf der Basis der Knochengewichte können wir schließen, dass in den bronzezeitlichen Sied-lungen von Cresta Cazis etwa 80% des konsumierten Fleisches von Rindern stammte, 12% war Fleisch von Schaf und Ziege, wobei Schaffleisch häufiger war, und etwa 8% des Fleisches stammte von Schweinen (Abb. 11). Dagegen dominierte in den Bergbaukomplexen von Mau-ken mit etwa 40% des konsumierten Fleisches das Schwein und leicht weniger als 30% des konsumierten Fleisches stammte von Schafen und leicht mehr als 30% von Rindern (Abb. 11). Im Bergbaurevier von Mauken wurden also durchschnittlich fünfmal mehr Schweinefleisch,

89 Impulsreferate

doppelt so viel Schaffleisch und weniger als die Hälfte Rindfleisch wie in einer zeitgleichen alpinen Siedlung gegessen. Dieser Vergleich zeigt deutlich, dass im Bergbaurevier von Mau-ken eine besondere Zusammensetzung der Fleischnahrung vorherrschend war. Berücksichtigen wir die auf den Fragmentzahlen basierenden Ergebnisse (Abb. 12), so können wir davon aus-gehen, dass im Brandopferplatz von Stadel bei Weer die Opfertiere entsprechend ihrer nah-rungswirtschaftlichen Bedeutung, die ihnen in Siedlungen zukam, ausgewählt und geopfert wurden.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Mauken A+D, Total Cresta Cazis, Total

Rind/Bos taurus Schaf/Ziege; Ovis/Capra Schwein/Sus domesticus

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Mauken A+D, Total Cresta Cazis, Total Stadler Weer

Rind/Bos taurus Schaf/Ziege; Ovis/Capra Schwein/Sus domesticus

Abb. 11: Vergleich der durchschnittlichen Bedeutungen der drei wichtigsten Tierarten respektive Tiergruppen zwischen den Fundstel-len Mauken (Bergbau-Verhüttungs-platz) und Cresta Cazis (Siedlungsschichten) auf der Basis der Knochengewichte (vgl. Abb. 1).

Abb. 12: Vergleich der durchschnittlichen Bedeutungen der drei wichtigsten Tierarten respektive Tiergruppen zwischen den Fundstellen Mauken (Bergbau-Verhüttungs-platz), Cresta Cazis (Siedlungsschichten) und Stadler/Weer (Brandop-ferplatz) auf der Basis der Fragmentzahlen (vgl. Abb. 1).

Schlussfolgerungen

Aufgrund der archäozoologischen Bestimmung von etwa 4.000 Tierknochen sowie der Analy-se von zoologischen Schlämmfunden kann festgestellt werden, dass die Fleischnahrung der Bergleute der Verhüttungsplätze von Mauken bei Brixlegg überwiegend auf der Nutzung der Haustierarten Schwein, Schaf und Rind basierte. Unter den kleinen Hauswiederkäuer spielen die Ziegen für die fleischliche Ernährung keine Rolle. Ebenso wenig wurden das Fleisch von Wildtieren genutzt. Ob die Bergleute mit einer besonders fleischreichen Ernährung versorgt wurden, lässt sich vorläufig nur mutmaßen. Diese wäre natürlich am einfachsten auf der Basis von Hausschweinen zu gewährleisten gewesen, ist doch für diese Tiere eine hohe Reprodukti-onsrate und eine ausschließliche Fleischnutzung typisch. Der Vergleich mit bronzezeitlichen Siedlungsfunden zeigt ebenfalls auf, dass in Mauken außergewöhnlich viel Schweinefleisch konsumiert wurde. Die Analyse der Skeletteilhäufigkeiten ergab, dass einzelne fleischreiche

Impulsreferate 90

Körperregionen überrepräsentiert waren. Insgesamt kann dadurch für die Bergbauregion Mau-ken davon ausgegangen werden, dass die Bergleute speziell mit einer wohl fleischreichen Diät versorgt wurden, welche in erster Linie aus Schweinefleisch aber auch aus Schaf- und Rind-fleisch bestand. Anzeichen für eine Nutztierhaltung, Schlachtung und Portionierung der Fleischteile in der Bergbauregion sind nicht vorhanden. Daraus lässt sich wohl eher auf eine Fleischproduktion in speziellen Produzentensiedlungen schließen und höchstens in geringerem Masse auf eine Tierhaltung und Fleischproduktion in unmittelbarer Nähe der Bergbaukomple-xe.

Literatur

Boessneck, J., Müller, H.-H., Teichert, M. (1961): Osteologische Unterscheidungsmerkmale zwischen Schaf (Ovis aries Linné) und Ziege (Capra hircus Linné). Kühn-Archiv; Bd. 78, H. 1-2.

Payne, S. (1985): Morphological Distinctions between the Mandibular Teeth of Young Sheep, Ovis, and Goats, Capra. Journal of archaeological science.-Vol. 12, S. 139-147.

Plüss, P. (2005): Archäozoologische Untersuchungen der Tierknochen aus Cresta Cazis (GR) und ihre Bedeutung für die Umwelt-, Ernährungs- und Wirtschaftsgeschichte während der alpinen Bronzezeit. Unpubliziertes Manuskript Dissertation, Institut für Prähistorische und Naturwissenchaftliche Ar-chäologie (IPNA), Basel.

Schibler, J.; Stopp, B.(1987): Osteoarchäologische Auswertung der hochmittelalterlichen (11.-13. Jh.) Tierknochen aus der Barfüsserkirche in Basel (CH). In: Rippmann, D.: Basel-Barfüsserkirche, Gra-bungen 1975-77. Ein Beitrag zur Archäologie und Geschichte der mittelalterlichen Stadt. Schweiz. Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd.13, Olten und Freiburg/Br, S.307-335.

Spangenberg, J. E.; Matuschik, I.; Jacomet, S.; Schibler, J. (2008): Direct evidence for the existence of dairying farms in prehistoric Central Europe (4th millennium BC), Isotopes in Environmental and Health Studies, 44:2, 189-200.

Tomedi, G.; Töchterle, U.; Altenburger, A. (2006): Ein neu entdecktes Gräberfeld der Bronzezeit in Weer. ArchaeoTirol Kleine Schriften 5. Gedenkschrift für Konrad Spindler 1939-2005, Wattens, 65-73.

Töchterle, U.; Tomedi, G. (2006): Weer. Fundberichte Österreich 44, Wien, 487. Wyss, R. (2002): Die bronzezeitliche Hügelsiedlung Cresta bei Cazis: Ergebnisse der Grabungen 1943 bis

1970. Archäologische Forschungen. Schweizerisches Landesmuseum, Zürich.