JournalGesundheitsförderung
| 201für Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wissenschaft und Praxis
Politik
Methoden
Ausbildung
Forschung
conrad-verlag.de
Gesundheit für alle
Schwerpunkt
Kommunale Strategien
Ansätze
Methoden
und Projekte
Journal Gesundheitsförderung 2 | 20142
ISSN 2195-9552 2. Jahrgang 2014/2
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Thomas Altgeld
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Prof. Felix Wettstein
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Priv. Doz. Dr. Wolfgang Dür
Ludwig BoltzmannInstitut, WienDirector, Health Promotion Researchwww.lbihpr.lbg.ac.at
Prof. Dr. Ralph Grossmann
IFF-Fakultät für interdis-ziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurtwww.iff.ac.at/oe
MitherausgeberInnen
Impressum
Journal Gesundheitsförderung 2 | 20144
Inhalt
JG Nachrichten
Neuer Leiter des Fonds
Gesundes Österreich
Gesundheitsförderung in
Baden-Württemberg gleich-
berechtigt neben Kuration,
Rehabilitation und Pfl ege
Aufwärtstrend hat sich
nicht fortgesetzt
„Mein Unternehmen kümmert
sich um meine Gesundheit"
Kooperation: Stadtentwicklung
und Gesundheitsförderung
Drogen- und Suchtbericht 2014
der Bundesregierung
Mobbing und Cybermobbing
bei Erwachsenen
6
6
7
8
8
9
Schwerpunkthema kommunale Strategien
10
16
18
22
30
36
„Freud und Leid" kommunaler Gesundheitsförderung Die Stärke der Gesundheitsförderung liegt in ihrem interdisziplinären
und intersektoralen Wesen – ihre Schwäche auch. Chancen und
Probleme der Zusammenarbeit.
Initiativen des Fonds Gesundes Österreich zur
kommunalen Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung aus Sicht der Kommunen
Ein Beitrag des Hauptreferenten beim Deutschen Städtetag sowie ein
Interview mit Anne Janz, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.
Stadtentwicklung und Gesundheitsförderung
Beleuchtet den Zusammenhang zwischen Stadtplanung und Gesundheits-
förderung und beschreibt ein Stadtentwicklungsprojekt der Stadt Fürth.
Quartiersbezogene Gesundheitsförderung am Beispiel „Lenzgesund"
Umsetzungsprozess des 10jährigen Projektes im Hochhausquartier Lenzsied-
lung (s. Abb. oben) im Hamburger Stadtteil Lokstedt und dessen Evaluation.
Kommunale Gesundheitskonferenzen
Was sind die Ziele und Themen der Gesundheitskonferenzen, wie sind
sie aufgebaut und welche Erfahrungen wurden bisher damit gemacht?
Gesundheitsförderung aus
Sicht der Kommunen
Interview mit Anne Janz, der Gesund-
heitsdezernentin in Kassel und Vorsit-
zenden des Gesundheitsausschusses
des Deutschen Städtetages
Schwerpunkt: Kommunale Strategien der Gesundheitsförderung
Die multisektoralen Determinanten der Gesundheitsförderung bestimmen
neben den individuellen Faktoren die Gesundheit der Menschen in den
Städten und Gemeinden. Und damit auch die Strategien kommunaler
Gesundheitsförderung. Partizipation und multisektorale Zusammenarbeit
sind gefragt und dies bedeutet Kooperation und Koordination. Dies sind
die zentralen Themen der Beiträge in dieser Journalausgabe.
36-39
24-2724-2720-21 10-49
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2014 5
24-27
Gesund und fi t im Stadtteil
Organisation und Projekte kommuna-
ler Gesundheitsförderung in Fürth. Im
Bild z. B. die Vier-Elemente Forscher.
Der neue BKK Dachverband
Stellungnahme des Vorsitzenden Franz
Knieps und Beispiele aus der gesund-
heitsfördernden Arbeit des neuen
Dachverbandes.
Wie gesund sind in Deutschland
die Erwachsenen?
Erste Ergebnisse aus der „Studie zur
Gesundheit Erwachsener in Deutsch-
land“ (DEGS), die 2008 bis 2011 vom
Robert Koch-Institut (RKI) durchge-
führt wurde.
24-27
42
46
50
Präventionsketten
Begriff und Konzept mit
Beispielen aus der Praxis.
Kommunle Netzwerke
Gesundheit
Aufbau und Entwicklung
kommunaler Vernetzung in
Thüringen.
Der neue BKK Dachverband
Entwicklung, Angebote und
Unterstüzung der betrieblichen
Gesundheitsförderung.
Infrastrukturen
Initiativen und Projekte
54
60
68
Der Arbeitsbewältigungs-
Index Plus
Wie und mit welchen Ergebnissen
ist dieses neue Instrument für die
Praxis der betrieblichen Gesund-
heitsförderung einsetzbar? .
Wie gesund sind in
Deutschland die Erwachsenen
Ergebnisse aus der „Studie
zur Gesundheit Erwachsener"
die vom Robert Koch-Institut
durchgeführt wurde.
Zur Wirksamkeit
gesundheitsfördernder
Pfl egemaßnahmen bei Älteren
Ergebnisse einer Studie des
Bremer Instituts für Public
Health und Pflegeforschung.
Bücher & Dokus
Weitere Rubriken
Handbuch Stadtplanung
und Gesundheit
Quartiersbezogene
Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung in
Gemeinden, Stadtteilen und
Regionen
Werkbuch Präventionsketten
Dokumente der
Gesundheitsförderung II
Impressum
Editorial
Inhaltsverzeichnis
Anzeigen: Verlag Hans Huber
72
72
73
74
74
2
3
4/5
76
25-29 50-53
Forschung und Entwicklung
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201410
Kommunale Gesundheitsförderung
Gemeinden, kreisfreie Städte und kreisan-
gehörige Städte werden unter dem Begriff
der Kommune zusammengefasst. Sie ist
die kleinste räumlich-administrative Ver-
waltungseinheit, aber der Ort, in dem
praktisch alle Menschen leben. Insofern
sind die Kommunen nicht nur der zent-
rale, sondern letztlich der einzige Ort zur
Förderung der Gesundheit. Schließlich le-
ben auch die Menschen auf der „Regio-
nal-, Landes- oder Bundesebene“ in Kom-
munen.
Unsere individuellen Tätigkeiten und Le-
bensweisen sowie unsere physischen,
psychischen und sozialen Umwelten in
den Kommunen mit ihren vielen Settings
in denen wir dort leben, bestimmen un-
ser Leben und damit auch unsere Gesund-
heit. Wie heißt es so schön in der Otta-
wa-Charta der WHO, „Gesundheit wird
von Menschen in ihrer alltäglichen Um-
welt geschaffen und gelebt: dort, wo sie
spielen, lernen, arbeiten und lieben“.
Die Bedeutung der Lebensbedingungen
und Lebensweisen beschrieb der Sachver-
ständigenrat zur Begutachtung der Ent-
wicklung im Gesundheitswesen bereits in
seinem Gutachten 2001:
„Ein beachtlicher Teil der Verbesserung
des Gesundheitszustands und der Ver-
längerung der Lebenserwartung seit dem
19. Jahrhundert geht weniger auf medizi-
nisch-kurative Innovationen als auf wirt-
schaftliche und soziale Entwicklungen so-
wie Umwelt-, Ernährungs-, Hygiene- und
Bildungsfortschritte zurück.
Der Beitrag der medizinisch-kurativen
Versorgung zur Verbesserung der gesund-
heitlichen Situation beläuft sich, je nach
Modellansatz und methodischem Vorge-
hen und auch in Abhängigkeit vom Ge-
schlecht, auf ca. 10-40 %. Der verblei-
bende Anteil erklärt sich primär aus
Verbesserungen in den Lebensbedingun-
gen bzw. –stilen“ (unter 4. Strategien der
Primärprävention, Nr. 25).
... und die dafür Zuständigen?
Die genannten Determinanten der Ge-
sundheit (s. S. 42 Präventionsketten) wir-
ken wie die Infektionskrankheiten überall
in den Kommunen. Damit wären die zen-
tralen Orte der Gesundheitsförderung der
Öffentliche Gesundheitsdienst sowie die
Einrichtungen der medizinischen Versor-
gung. Diese sind aber personell und viel-
fach auch konzeptionell nur für die Be-
kämpfung der Infektionskrankheiten bzw.
die Heilung von Krankheiten ausgestattet.
Deshalb müssen die Verbesserung der Le-
bensweisen und Lebensbedingungen die
übernehmen, die diese maßgeblich mit-
bedingen und damit auch entsprechenden
Ein" uss darauf nehmen können:
der Bildungs-, Umwelt- und Verkehrsbe-
reich, der Bau- und Wohnungsbereich,
der Lebensmittel-, Gaststätten und Land-
wirtschaftsbereich sowie die Wirtschafts-
unternehmen und Mitgliederinnen und
Mitglieder der vielen Verbände und Verei-
ne in der Kommune.
Kurz gesagt: Gesundheit muss auf allen
kommunalen Ebenen und in allen Politik-
bereichen auf die politische Tagesordnung
gesetzt werden. Damit bekämen die Set-
tings eine kommunalpolitische Legitimie-
rung, sich auch mit Themen der Gesund-
heitsförderung zu beschäftigen. Da alle
Bürgerinnen und Bürger in diesen kom-
munalen Settings leben, wäre dies zu-
gleich ein direkter Weg zur Bürgerbetei-
ligung.
„Freud und Leid“ kommunaler
Gesundheitsförderung
Praktisch alle Maßnahmen der Gesundheitsförderung fi nden in den Kommunen statt, dort wo die Menschen
leben und arbeiten, in den vielfältigen Settings bzw. Lebenswelten der Kommunen. Dort gibt es bereits eine
erstaunliche Fülle und Vielfalt an Gesundheitsförderung. Da die Determinanten der Gesundheit aber über alle
Lebenswelten der Kommune verteilt sind, braucht es ein koordiniertes Zusammenwirken aller Beteiligten –
und hier beginnt häufi g das Leid kommunaler Gesundheitsförderung.
G. Conrad, JG Hrsg.
Die Kommune: „der“ Ort der Gesundheitsförderung
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2014 11
Die kommunalen Settingansätze
Fast jede gesundheitsfördernde Initiative
in den Kommunen beruft sich heute auf
den Settingansatz. Dieser wurde in den
80er Jahren im Zuge der „Gesundheit für
alle“ Strategie der WHO erstmals durch
das „Healthy Cities Project“ praktiziert.
Ein Setting ist eine bewusst koordinierte
soziale Einheit mit relativ klar abgrenz-
baren Zuständigkeiten, die kontinuierlich
zur Erreichung bestimmter Ziele zusam-
menarbeitet und dafür auch über entspre-
chende personelle bzw. � nanzielle Res-
sourcen verfügt. Kurz gefasst enthält der
Settingansatz drei Handlungsebenen:
• Schaffung einer gesunden
physischen, psychischen und sozialen
Settingumwelt
• Integration der Gesundheitsförderung
in die Prozesse des Settingalltages
• Verknüpfung des Settings mit
anderen Settings durch Netzwerke
(gleichartige Settings z. B. Schulen mit
Schulen) und Allianzen (unterschied-
liche Settings z. B. Schulen mit Kitas).
Die Fülle und Vielfalt gegenwärtiger kom-
munaler Gesundheitsförderung lässt sich
unterteilen in Ansätze zum „Gesund-
heitsfördernden Setting“ (zumindest dem
Projektnamen nach), solche der „Ge-
sundheitsförderung im Setting“ sowie
diesbezüglichen Mischformen, wenn-
gleich diese Unterscheidungen in der Pra-
xis nicht immer eindeutig zu erkennen
sind.
Ansätze zu einem „Gesundheitsfördern-
den Setting“ sind z. B. das „Gesunde Städ-
te Netzwerk der Bundesrepublik Deutsch-
land“, das bereits 1989 analog dem
„Healthy Cities Project“ der WHO gegrün-
det wurde und dem heute über 60 Kom-
munen als Mitglieder angehören (www.
gesunde-staedte-netzwerk.de); das Städte-
bauförderungsprogramm „Soziale Stadt –
Investitionen im Quartier“, das bauliche
Investitionen mit Maßnahmen zur Ver-
besserung der Lebensbedingungen in den
Städten verknüpft. 2013 stellte der Bund
dafür 40 Mio. Euro bereit (www.staedte
baufoerderung.info.de); das „Programm
für die gute gesunde Schule“ unter www.
anschub.de oder der „Arbeitskreis Ge-
sundheitsfördernde Hochschulen“ (www.
gesundheitsfoerdernde-hochschulen.de).
Die Ansätze zur „Gesundheitsförderung
im Setting“ machen bei weitem den größ-
ten Teil der Gesundheitsförderung in den
Kommunen aus. Sie zielen auf Verbesse-
rungen der Gesundheit in den Settings,
wobei die Maßnahmen auf bestimm-
te Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Ar-
beitslose, Ältere) gerichtet sind und/oder
Themen wie Ernährung, Bewegung, Alko-
hol, psychische Gesundheit oder gesund-
heitliche Chancengleichheit.
�
�,�
Mittagstisch
und Gaststätten
Töchter, Nachbarn,
Bekannte
Kirchenchor /
-gemeinde,
Faustballer,
Pommern
Baugenossenschaft,
Handwerker
Apotheke, Frisör,
Fußpflege
hauswirtschaftliche Hilfe, Krankenschwester,
Bürohilfe, Menudienst, Notruf
Hausarzt, Zahnarzt, HNO,
Augenarzt, Hautarzt, Kranken-
gymnastik, Tierärztin
Bank, Post,
Obus, Taxi
Bäcker, Supermarkt,
Fotogeschäft, türkischer
Lebensmittelhändler,
Copyshop, Bioladen
Mögliche Verknüpfungen von Settings zur Förderung eines selbst bestimmten Lebens im Alter
Quelle: Handbuch zur kommunalen Gesundheitsförderung, Abb. 1, S. 16. Landesgesundheitsamt 2012 (www.gesundheitsamt-bw.de).
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201420
Kommunale Gesundheitsförderung
„Wir brauchen den Blick über
den Tellerrand hinaus und müssen
die Verknüpfung zu anderen
Politikbereichen sehr viel stärker als
bisher in den Blick nehmen“.
Interview mit Anne Janz
Dezernentin für Jugend, Schulen, Frauen und
Gesundheit der Stadt Kassel und Vorsitzende des
Gesundheitsausschusses des Deutschen Städtetages.
Welchen Stellenwert haben Gesundheitsförderung
und Prävention auf kommunaler Ebene?
Völlig unbestritten ist, dass die kommunale Ebene eine wichti-
ge Rolle für eine gezielte und bedarfsangepasste Gesundheits-
förderung spielen könnte und sollte. Vor Ort, in der Lebenswelt
der Menschen be� nden sich all die Settings wie Kitas, Schulen,
Nachbarschaftstreffs, Jugendräume, die Quartiere, d.h. die Orte,
in denen Gesundheitsförderung umgesetzt und gelebt werden
kann. Die Bundesebene und die Landesebene sind von dieser
Lebenswirklichkeit und den konkreten örtlichen Bedarfen viel
zu weit entfernt.
Kommunen könnten den derzeit existierenden
Flickenteppich gesundheitsfördernder Angebote
koordinieren und die fachlichen Ressourcen
vor Ort gezielt zusammen führen.
Diese Rolle der Kommunen für eine gelingende Gesundheitsför-
derung wird auch vom Deutschen Städtetag immer wieder her-
vorgehoben. Auf der anderen Seite haben die Kommunen derzeit
weder die notwendigen gesetzlichen noch � nanziellen Voraus-
setzungen, um eine koordinierte Gesundheitsförderung vor Ort
umsetzen zu können.
Ist unter diesen Bedingungen eine kommunale
Gesundheitsförderung gar nicht möglich?
Nein, das ist damit nicht gemeint und es gibt ja auch viele er-
folgreiche Gegenbeispiele. Es gibt also überhaupt keinen Grund
die Hände in den Schoß zu legen und auf bessere Zeiten zu war-
ten. Sowohl in den Kommunen als auch beim Deutschen Städte-
tag wird viel für die Gesundheitsförderung bzw. für eine stärke-
re Handlungsmacht der Kommunen in diesem Bereich getan. Ich
vertrete auch immer die Auffassung, dass vor Ort mit dem be-
gonnen werden kann, was da ist und dass auch mit diesen weni-
gen Ressourcen schon eine Menge erreicht werden kann.
Dazu braucht es aber auch den politischen Willen etwas für die
Gesundheitsförderung tun zu wollen. Außerdem gehört dazu,
dass auch auf kommunaler Ebene das Ressortdenken abgeschafft
wird. Damit meine ich, dass Gesundheitsförderung nicht nur
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2014 21
eine Aufgabe der Gesundheitsämter und der örtlichen Gesund-
heitsakteure ist, sondern dass der Bereich Stadtentwicklung, der
Bereich Jugendhilfe, aber vor allem auch die Bildungspolitik viel
effektiver und ef� zienter mit dem Blick auf das Thema Gesund-
heit zusammenarbeiten sollten. Das ist bisher noch viel zu sel-
ten der Fall. Wir haben auf diesen Ebenen noch viel zu häu-
� g ein Kästchendenken und das verperrt den Blick auf das, was
jetzt schon möglich wäre. So muss eine gesunde Stadt zum Bei-
spiel auch eine bewegungsfreundliche Stadt sein. Und das be-
trifft stadtplanerische Themen wie z. B. Verkehrspolitik und die
Freiraumgestaltung. Gesundheitsförderung ist eine gesamtge-
sellschaftliche Aufgabe, die sich mit dem bisherigen Ressortden-
ken nicht nachhaltig wirksam umsetzen lässt. Wir brauchen den
Blick über den Tellerrand hinaus und müssen die Verknüpfung
zu anderen Politikbereichen sehr viel stärker als bisher in den
Blick nehmen. Die Bereiche Bildung, Jugend, Arbeit, Stadtpla-
nung/Umwelt und Sport sind dafür wichtige Bereiche.
Aber klar ist auch: Bereits jetzt unternehmen viele Kommunen
teilweise unter schwierigsten � nanziellen Bedingungen viel im
Bereich der Gesundheitsförderung, ohne dass dies direkt gegen-
� nanzierte P� ichtaufgaben wären. Viele Kommunen sind hier
bereits in Vorleistung getreten, haben z. B. gerade im Bereich
des gesunden Aufwachsens ganze Präventionsketten geknüpft
und unterstreichen mit vielen Beispielen guter Praxis, dass die
Zugänge für eine gezielte Gesundheitsförderung vor Ort an vie-
len Stellen da sind.
Also – Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg?
Was tun Sie als Gesundheitsdezernentin für die
Umsetzung der Gesundheitsförderung in Kassel?
Soviel vorweg: Die Gesundheitsförderung ist im Rahmen der
Daseinsvorsorge der Stadt Kassel schon seit vielen Jahren ein
großes Anliegen, was die Stadt auch durch ihren frühen Beitritt
zum „Gesunde Städte-Netzwerk“ 1990 dokumentiert hat. Einen
richtigen Schub hat die Gesundheitsförderung aber seit knapp
8 Jahren erhalten. Da haben wir in dem Dezernat, das ich leite,
damit begonnen, die Bereiche Gesundheit und Jugendhilfe und
Gesundheit und Bildung stärker zu verzahnen und die Gesund-
heitsförderung in ein gesamtstädtisches Ziel- und Maßnahmen-
programm zum Umgang mit den Anforderungen des demogra� -
schen Wandels eingebettet.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Präventionskette „Willkommen
von Anfang an“, mit der wir in 2007 als Pilotprojekt gestartet
sind und mit deren Angeboten wir inzwischen über 90% aller
jungen Eltern in Kassel erreichen. Wir haben auch das Bundes-
programm„Soziale Stadt“ konsequent genutzt um die Gesund-
heitsförderung in den Quartieren zu stärken. Hier sind unsere
Kindertagestätten ein wichtiger Ankerpunkt. Und wir haben im
Integrationskonzept der Stadt Kassel gesundheitsfördernde Zie-
le und Maßnahmen aufgenommen, was unter anderem zu einer
sehr viel stärkeren Verknüpfung der Bereiche Gesundheit, Sport
und Integration geführt hat.
Die vielen positiven Erfahrungen haben mich dazu ermutigt, die
meinem Dezernat angehörenden Fachämter mit der Ausarbei-
tung eines Dezernatsziels „Gesundheit“ zu beauftragen. Unter
Federführung des Gesundheitsamtes arbeitete eine ämterüber-
greifende Arbeitsgruppe über einen Zeitraum von sechs Mona-
ten das Dezernatsziel aus:
„Kassel als ‚Gesunde Stadt‘ in Politik und
Stadtgesellschaft verankern, gesundheitsfördernde
Lebensverhältnisse weiterentwickeln und eine gesund-
heitsbewusste Lebensführung unterstützen“.
Diesem Ziel sind zwischenzeitlich drei strategische Ziele und je-
weils auch operative Ziele zugeordnet, die mit konkreten Anga-
ben zu Aktivitäten, Messgrößen, Zeitplanung, Kosten und Zu-
ständigkeiten versehen sind. Dafür mussten wir gar nicht so viel
Neues er� nden, vielmehr zeigte sich, dass bereits die systemati-
sche Erfassung der vorhandenen Maßnahmen und Projekte un-
ter konkreten Zielen der Gesundheitsförderung ein ganzes Füll-
horn kommunaler Aktivitäten zum Vorschein brachte – die wir
jetzt noch viel zielgerichteter miteinander verknüpfen können.
Ein Beispiel dafür ist die Erweiterung der Integrationskurse der
Volkshochschule um Elemente der Gesundheitsförderung. Hier
ist ein geeignetes Setting vorhanden, um neuzugewanderte Bür-
gerinnen und Bürger direkt zu erreichen und zu informieren.
Außerdem haben wir Anfang 2013 eine neue
Fachstelle für Gesundheitsförderung im
Gesundheitsamt der Region Kassel geschaffen.
Haushalterisch war die Neuschaffung der Fachstelle nur durch
eine intelligente Umschichtung von Stellenanteilen aus dem
Stellenpool des Gesundheitsamtes möglich. Die kostenneutrale
Umsetzung im bestehenden Personal- und Sachkostenrahmen
war eine zwingende Voraussetzung, da die Stadt Kassel 2013
dem kommunalen Schutzschirm des Landes Hessen beitrat.
Wenn unter den gegenwärtigen Bedingungen schon so viel getan werden kann, was verspre-chen sich die Kommunen dann von dem neuen Präventionsgesetz?
Unbestritten, es ist lokal bereits vieles möglich. Für einen ver-
lässlichen Rahmen, Verbindlichkeit und zusätzliche Ressourcen
für die Gesundheitsförderung braucht es aber eine von Bund,
Ländern, Kommunen und den Sozialversicherungsträgern ge-
meinsam getragene Strategie, die uns nur ein entsprechend aus-
gestaltetes Präventionsgesetz bieten kann.
Diese Position vertritt auch der Deutsche Städtetag. Gemein-
wohlorientierung und Daseinsvorsorge sowie Gesundheitliche
Chancengleicheit lassen sich nur über Strategien herstellen, die
über das bisher weitgehend auf Marktmechanismen und Eigen-
verantwortung setzende System der Gesundheitsförderung hin-
aus gehen. <
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201422
Kommunale Gesundheitsförderung
Stadtentwicklung
und Gesundheitsförderung
Der Beitrag* beleuchtet im ersten Teil den Zusammenhang zwischen der Stadtplanung und der Gesund-
heitsförderung und zeigt einige der Handlungsfelder für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung
auf. Im zweiten Teil wird am Beispiel „gesund und fit im Stadtteil“ aus der Stadt Fürth beschrieben, wie
und mit welchem Erfolg Gesundheitsförderung im Stadtteil umgesetzt werden kann.
Christa Böhme, Eva Göttlein und Bettina Reimann
Es ist unbestritten, dass die Lebenswelt
Stadt mit ihren komplexen Wechselwir-
kungen das Gesundheitsverhalten und
die Gesundheit seiner Bürgerinnen und
Bürger direkt und indirekt beein� usst.
Stadtplanung und Stadtentwicklung ha-
ben einen maßgeblichen Ein� uss auf die-
se Wechselwirkungen. Sie können nicht
nur gesundheitsschädigende Risikofak-
toren wie Lärm und Luftverschmutzung
vermeiden helfen, sondern auch aktiv das
Wissen über gesundheitsfördernde Ele-
mente städtischen Lebens in ihre Planun-
gen einbeziehen.
Beispiel Bewegung und
Übergewicht
Ein ökologisches Modell zur Förderung
von Bewegung und Reduzierung von
Übergewicht und Adipositas zielt nicht
nur auf die individuellen und sozialen
Determinanten des Konsum- und Bewe-
gungsverhaltens, sondern auch auf die
Umweltdeterminanten. Dazu gehören ne-
ben den Kosten und Zugängen zu Lebens-
mitteln und Bewegungsangeboten auch
die bebaute Umwelt in den „von Men-
schen gemachten Räumen, in denen sie
täglich leben, arbeiten und sich erholen“
(„built environment“, Wikipedia), wie
Gebäuden, Parks und Verkehrssystemen
(Fußgänger-, Fahrrad- und Autowege).
Eine umfassende amerikanische Literatur-
studie kam zu dem Ergebnis, dass 84%
der untersuchten 1.506 Forschungsartikel
über einen signi" kanten positiven Zusam-
menhang zwischen Aspekten der gebau-
ten Umwelt und Übergewicht berichteten
(Papas et al. The built environment and
obesity. Epidemiol Rev. 2007; 29:129-43).
Beispielhaft erwähnt sei auch noch das
Ergebnis einer kanadischen Studie von
2009: „Wir konnten die Nähe und Zahl
von Parks in direkten Bezug dazu setzen,
wie häu" g Kinder zwischen acht und
zehn Jahren laufen“. Parks im Umkreis
von einem knappen Kilometer hatten den
stärksten Ein� uss auf das Laufverhalten.
Mädchen zwischen acht und zehn Jah-
ren, die in einer Wohngegend mit vielen
Grün� ächen leben, treten ihren Schulweg
eher zu Fuß an. Jungs in dem Alter ani-
miert die grüne Umgebung dagegen mehr
zu Freizeitspaziergängen (Barnett et al.;
Nutrition, Physical Activity and Metabo-
lism Conference, USA, 2009).
Gesetzliche Grundlagen
Die Gesetze im System des öffentlichen
Bau- und Umweltrechts verfolgen un-
ter anderem das Ziel, eine „Grundlage
für Leben und Gesundheit des Menschen
auch in Verantwortung für die künftigen
Generationen“ zu schaffen und zu er-
halten (§1, Abs.1 Bundesnaturschutzge-
setz). Ähnliche Ziele enthalten z. B. auch
die Gesetze zum Immissions- und Boden-
schutz oder zum Baurecht.
Konkretisiert werden diese gesetzlichen
Vorgaben in den von den Kommunen zu
berücksichtigenden Leitlinien, wie z. B.
denen für das Baurecht:
Stadtplanung trifft Gesundheitsförderung
Baugesetzbuch § 1 Abs. 5
„Die Bauleitpläne sollen eine nachhal-
tige städtebauliche Entwicklung, die
die sozialen, wirtschaftlichen und um-
weltschützenden Anforderungen auch
in Verantwortung gegenüber künftigen
Generationen miteinander in Einklang
bringt, und eine dem Wohl der Allge-
meinheit dienende sozialgerechte Bo-
dennutzung gewährleisten“.
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201442
Begriffsbestimmung
Allgemein gefasst sind Präventionsketten
präventive, lebensphasenorientierte Un-
terstützungsstrukturen. Sie bündeln Res-
sourcen und Kompetenzen der verant-
wortlichen Akteure und Institutionen, um
kontinuierliche, aufeinander abgestimmte
Angebote auch über Ressortgrenzen hi-
naus sicherzustellen. Präventionsketten
knüpfen an zwei zentrale Konzepte der
Gesundheitsförderung an: dem Modell der
Hauptdeterminanten für Gesundheit (sie-
he Abb. unten) und einzelnen Komponen-
ten des Setting-Ansatzes: Stärkung indi-
vidueller Kompetenzen und Ressourcen,
Strukturentwicklung und Partizipation.
Nebenstehend eine Darstellung für eine
biografi sch angelegte kind- und jugendbe-
zogene Präventionskette.
„Präventionsketten“Der Aufbau integrierter kommunaler Strategien ist unter dem Stichwort „Präventionskette“ in aller Munde.
Die Vielschichtigkeit des Konzeptes und die mannigfaltige Ausgestaltung von Präventionsketten erschwert
jedoch eine einheitliche Begriffsdefi nition. Dieser Beitrag nimmt eine erste defi nitorische Annäherung an
den Begriff vor und zeigt anhand von Praxisbeispielen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten auf.
Holger Kilian und Frank Lehmann
Kommunale Gesundheitsförderung
Die Hauptdeterminanten der Gesundheit
Quelle: Dahlgren & Whitehead 1991, angepasst vom Fonds Gesundes Österreich (www.fgoe.org).
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2014 43
Kritik am Begriff
Diese wird vor allem hinsichtlich der
möglichen negativen Konnotationen mit
dem Begriff Kette sowie hinsichtlich der
Reichweite des Begriffes Prävention ge-
übt. So kann der Begriff Kette, gedacht als
Sinnbild für die gelungene Verzahnung
von präventiven Angeboten, auch nega-
tive Assoziationen an eine Fessel und an
Fremdbestimmung wecken.
Auch greift die begriffl iche Reduzie-
rung auf „Prävention“ zu kurz: Sie öffnet
zwar die Perspektive auf Präventionsbe-
reiche außerhalb des Gesundheitsberei-
ches (z. B. die Prävention von Krimina-
lität), gleichzeitig aber vernachlässigt sie
den wichtigen Bereich der ressourcenori-
entierten Gesundheitsförderung. Um die-
ser Kritik zu begegnen kann z. B. von
„integrierten kommunalen Strategien“ ge-
sprochen werden. In der Praxis wird von
Kommunen jedoch häufi g der eingängige-
re Begriff der „Präventionskette“ gewählt.
Ziele der Präventionsketten
Beim Aufbau von Präventionsketten wird
eine Neuausrichtung kommunaler Struk-
turen vorgenommen, um die Vorausset-
zungen für gesunde Lebensbedingungen
in einer Kommune zu schaffen.
Wichtige Ziele sind hierbei u.a.:
• die Verbesserung gesundheitlicher
Chancengleichheit
• die Unterstützung gelingender
Übergänge im Lebensverlauf
Übergänge im Kindesalter sind beispiels-
weise die Aufnahme in eine Kita oder der
Wechsel von der Kita in die Grundschu-
le. Erfolgreich bewältigte Übergänge stär-
ken das Selbstwertgefühl und tragen zur
Entwicklung gesundheitlicher Ressour-
cen bei. Misslungene Übergänge können
sich durch den resultierenden Stress (Risi-
kofaktor) negativ auf die Gesundheit aus-
wirken.
Biografi sche Übergänge aktiv zu begleiten
und zu gestalten, ist deshalb eine zentra-
le Aufgabe der Gesundheitsförderung und
Prävention im Kinder- und Jugendalter.
Das Modell der Präventionskette ist da-
rauf gerichtet, ein langfristiges, umfas-
sendes und tragfähiges Netz von Unter-
stützung, Beratung und Begleitung unter
Beteiligung der unmittelbar Betroffenen
zu entwickeln. In diesem Prozess werden
bestehende Netzwerke so zusammenge-
führt, dass ein abgestimmtes Handeln im
Rahmen einer integrierten kommunalen
Gesamtstrategie möglich wird.
Voraussetzungen für den Aufbau
Neben der abstrakten, vielschichtigen Be-
griffl ichkeit sind Präventionsketten vor
allem immer mehr gelebte Praxis. Basie-
rend auf den Erfahrungen im kommuna-
len Partnerprozess und mehrerer Autoren
und Autorinnen lassen sich folgende Vor-
aussetzungen für einen gelingenden Auf-
bau von Präventionsketten identifi zieren.
• Netzwerkgedanke und intersektora-
ler Ansatz: Langfristiges, gemeinsames
und planvolles Handeln im kommunalen
Raum. Idealerweise Einbindung aller Ak-
teure und Institutionen mit Einfl uss auf
die Gestaltung gesundheitlicher Bedin-
gungen in bestimmten Lebensphasen und
Übergängen.
• Koordinierung und Steuerung:
Übernahme von Verantwortung für die
Gestaltung und Koordinierung des Pro-
zesses, Sensibilisierung für anstehende
Aufgaben intersektoraler Zusammenar-
beit, Einbindung der Partner und Initiie-
rung erster Ansätze der Zusammenarbeit
durch einzelne kommunale Akteurinnen
und Akteure.
• Verbindlichkeit der Zusammenar-
beit: Herstellung von Verbindlichkeit zum
Beispiel durch gemeinsame Zielsetzun-
gen, gemeinsame Regeln für die Zusam-
„Präventionskette“ von der Phase rund um die Geburt bis zur Einmündung in das Berufsleben
Quelle: eigene Darstellung des Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit 2014.
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201460
Forschung & Entwicklung
Wie gesund sindin Deutschland die Erwachsenen?
Ergebnisse aus der „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS), die 2008 bis 2011 vom
Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt wurde. Sie bietet ein repräsentatives Bild der gesundheitlichen
Situation von Frauen und Männern im Alter von 18 bis 79 Jahren in Deutschland und gehört damit zu den
international aussagekräftigsten Gesundheitserhebungen.
JG Redaktion
Die „Stu die zur Gesundheit Erwachsener
in Deutschland“ (DEGS) ist Bestandteil
des Gesundheitsmonitorings des Ro bert
Koch-Instituts (RKI) und als kom binierte
Quer- und Längsschnitterhe bung konzi-
piert. An der ersten Erhebungswelle 2008
bis 2011 beteiligten sich bundesweit 8152
Männer und Frauen im Alter von 18 bis
91 Jahren.
Ein besonderer zusätzlicher Aspekt ist
die Vergleich barkeit von DEGS mit dem
Bundes-Ge sundheitssurvey 1998. Dem-
nach ist quer durch alle Altersgruppen der
Anteil der Männer und Frauen mit einem
als gut oder sehr gut eingeschätzten Ge-
sundheitszustand seit den 1990er-Jahren
weiter gestiegen (siehe die Abb. auf Sei-
te xx). Für die nächsten Jahre sind zwei
weitere Erhebungswellen geplant (bereits
2014/15 die DEGS2).
Ziele der Studie
Ziel der Studie ist die wiederholte Be-
reitstellung repräsentati ver Daten zur ge-
sundheitlichen Lage der erwachsenen Be-
völkerung in Deutschland.
Die Daten der einzelnen Erhebungswel-
len erlau ben es jeweils, für verschie-
dene Bevöl kerungsgruppen Prävalen-
zen zu schät zen (Querschnittanalysen).
Durch den Vergleich von altersadjus-
tierten Präva lenzen aus verschiedenen
Erhebungs zeitpunkten lassen sich zudem
Aussa gen über die zeitliche Entwicklung
der gesundheitlichen Lage treffen (Trend-
analysen). Durch die wiederholte Ein-
beziehung derselben Studienpersonen
zu verschiedenen Erhebungszeitpunk ten
werden weiterhin Längsschnitt daten zur
Gesundheit gesammelt.
Diese Daten ermöglichen bei bestimmten
Fra gestellungen Aussagen über die Bedin-
gungen gesundheitlicher Veränderun gen
im Lebensverlauf (Lebenslaufanaly sen).
Damit können z. B. die gesund-
heitliche Entwicklung und das Gesund-
heitsverhalten von Personen, die in der
ersten Welle (DEGS1) einer bestimm-
ten Alterskohorte angehören, im Lebens-
verlauf beschrieben, Inzidenzraten be-
rechnet und kausale Zusammenhänge
untersucht werden.
Von September 2009 bis März 2012 wur-
de die Kernstudie durch die „Zusatzunter-
suchung psychische Gesundheit“ ergänzt.
In Befragungen wurden hier u.a. Daten zu
Depressionen und den Umgang mit belas-
tenden Lebensereignissen erhoben. Die
Modulstudie wurde im Auftrag des RKI
durch das Institut für Klinische Psycho-
logie und Psychotherapie an der Techni-
schen Universität Dresden durchgeführt.
Schwerpunkthemen
Die „Stu die zur Gesundheit Erwachsener
in Deutschland“ (DEGS) liefert Daten zu
folgenden Schwerpunkthemen:
• Gesundheitsstatus
(Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabe-
tes mellitus, muskuloskelettale Erkran-
kungen, Asthma bronchiale, Allergien,
Schilddrüsenerkrankungen, psychische
Gesundheit, Infektionskrankheiten, Un-
fälle, Adipositas, Bluthochdruck)
• Subjektive Gesundheit und
Lebensqualität
• Inanspruchnahme von Leistungen
des Gesundheitssystems
(z. B. auch von Präventionsangeboten)
• Gesundheitsrelevanter Lebensstil
und Gesundheitsverhalten
(Körperliche Aktivität, Ernährung, ris-
kanter Alkoholkonsum und Rausch-
trinken, Rauchen)
• Lebens- und Umweltbedingungen
• Soziodemogra# e und Sozialstatus
Damit werden belastbare Daten für
evidenz basierte Strategien zur Prävention
und Gesundheitsförderung bereitgestellt.
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2014 61
Die Zahl der Menschen mit guter Gesundheit
ist seit den Neunzigerjahren gestiegen
Quelle: Robert Koch-Institut, DEGS-Informationsbroschüre,
Berlin 2012, S. 8. ISBN 978-3-89606-248-2.
Untersuchungs- und
Befragungskompo nenten
Die Datenerhebungen wurden von zwei
ärztlich geleiteten Untersu chungsteams
vor Ort durchgeführt. Das in zwei Al-
tersgruppen (18 bis 64 Jahre, ab 65 Jah-
re) gestaffelte Erhebungspro gramm um-
fasste Befragungen (ärztli ches Interview,
Arzneimittelinterview, Gesundheits- und
Ernährungsfragebö gen), körperliche Un-
tersuchungen (An thropometrie, Messung
von Blutdruck, Puls und Schilddrüsen-
volumen), Laboranalysen von Blut- und
Urinproben sowie fahrradergometrische
Belastungstests bei 18- bis 64-Jährigen
und körperliche und kognitive Funktions-
tests bei den über 64-Jährigen.
Die Studienteilnehmer wurden zum Ende
ihres Untersuchungstermins in einem
ärztlichen Abschlussgespräch über ers-
te Befunde informiert und erhielten ca.
sechs Wochen nach der Untersuchung ei-
nen schriftlichen Befund mit den gemes-
senen Laborparametern. Bei auffälligen
Befunden wurde ihnen empfohlen, einen
Arzt aufzusuchen.
Übergewicht und Adipositas (Bundesgesundheitsurvey 1998 und DEGS 2011)
Quelle: Robert Koch-Institut Berlin. Übergewicht und Adipositas. G. Mensink et al. DEGS-Symposium 14.6.2012, Seite 6.