19
45. Jg. (2), 399-417, 2013 399 ORIGINALIA Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung in der praktischen Anwendung – Eine Kurzform Armita Tschitsaz & Christoph Stucki Zusammenfassung: Vorgestellt wird eine Fallkonzeption, die ein Störungs- und Erklärungs- modell beinhaltet und der Therapieplanung zu Beginn einer Psychotherapie dient. Ziel ist es, ein integratives, schulen- und störungsunabhängiges Behandlungsmodell zu entwickeln, in dem die Patienten- und die Therapeutenperspektive einbezogen und empirisch gesicherte, für den praktischen Alltag einsetzbare Therapiemethoden und allgemeine Wirkfaktoren angewendet werden. Zudem soll die Fallkonzeption den Kriterien der differentiellen Indika- tion sowie einer individualisierten Therapieplanung gerecht werden. Im alltäglichen stationären und ambulanten Psychotherapiesetting fehlen die zeitlichen und personellen Ressourcen für eine sehr ausführliche Therapieplanung, so dass der Wunsch nach einer kürzeren Variante aufkommt. Die Fallkonzeption beschreibt Art und Ausmaß der Erkrankung, der psychosozia- len Umstände des Patienten und macht Aussagen über seine Therapieziele, Ressourcen, Ko- gnitionen, Bewältigungsfertigkeiten, systemische Verhältnisse, motivationale Ziele und so- matische Erkrankungen. Die Entstehungsbedingungen und Funktionalität der Erkrankung werden erfragt. Anhand einer Fallvignette wird die Fallkonzeption illustriert. Schlüsselwörter: Fallkonzeption, individualisierte Therapieplanung, allgemeine Wirkfaktoren, integrative Psychotherapie, Therapiebeziehung, Motivation, Plananalyse Common and specific factor based case conceptualization and treatment planning in its practical application – a short form Abstract: A case formulation will be introduced, which incorporates both an explanatory model and an individualized treatment rationale for psychotherapeutic treatment planning. The aim is to conceptualize an integrative treatment model, which neither depends on therapeutic school nor on disorder specific rationales. Clients and therapeutic perspectives are to be combined with empirically supported therapeutic principles, which will include specific factors and common factors due to individual client needs. Criteria of differential indication and individualized treatment are to be followed. In daily routine, therapists need a concrete and manageable case conceptualization. Treatment planning includes patient information regarding to therapy aims, strengths, cognitions, coping skills, systemic conditions, motivational aims, course and functio- nality of disorder as well as treatment planning instruments like therapeutic principles, motive- orientated therapeutic relationship another change mechanisms. A single case will be introduced. Keywords: Case formulation, individualized treatment rationale, common factors, integrative therapy, therapy relationship, motivation, plan analysis Einleitung und theoretische Grundlagen Die Wirksamkeit von Psychotherapie Die Wirkung und Wirkungsweise von therapieein- flussnehmenden Faktoren sowie deren Zusammen- hang zum Therapieerfolg werden in aufwendigen Forschungsdesigns untersucht. Die empirische Be- fundlage weist mit 0.8 hohe Effektstärken für die Effektivität von Psychotherapie auf (Lambert & Ogles, 2004). Zur Untersuchung der Ebenen von therapeutischer Wirksamkeit differenziert Pfam- matter (2012) in seiner Taxonomie therapieschule- nunabhängig zwischen der Ebene therapeutischer Techniken und allgemeiner Wirkfaktoren und grenzt diese von der störungs-, patienten- und therapeuten- spezifischen Ebene ab.

WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

  • Upload
    vanhanh

  • View
    220

  • Download
    4

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 399

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanungSchwerpunktoriginAliA

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis,

Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung in der praktischen Anwendung –

Eine KurzformArmita Tschitsaz & Christoph Stucki

Zusammenfassung: Vorgestellt wird eine Fallkonzeption, die ein Störungs- und Erklärungs-modell beinhaltet und der Therapieplanung zu Beginn einer Psychotherapie dient. Ziel ist es, ein integratives, schulen- und störungsunabhängiges Behandlungsmodell zu entwickeln, in dem die Patienten- und die Therapeutenperspektive einbezogen und empirisch gesicherte, für den praktischen Alltag einsetzbare Therapiemethoden und allgemeine Wirkfaktoren angewendet werden. Zudem soll die Fallkonzeption den Kriterien der differentiellen Indika-tion sowie einer individualisierten Therapieplanung gerecht werden. Im alltäglichen stationären und ambulanten Psychotherapiesetting fehlen die zeitlichen und personellen Ressourcen für eine sehr ausführliche Therapieplanung, so dass der Wunsch nach einer kürzeren Variante aufkommt. Die Fallkonzeption beschreibt Art und Ausmaß der Erkrankung, der psychosozia-len Umstände des Patienten und macht Aussagen über seine Therapieziele, Ressourcen, Ko-gnitionen, Bewältigungsfertigkeiten, systemische Verhältnisse, motivationale Ziele und so-matische Erkrankungen. Die Entstehungsbedingungen und Funktionalität der Erkrankung werden erfragt. Anhand einer Fallvignette wird die Fallkonzeption illustriert.

Schlüsselwörter: Fallkonzeption, individualisierte Therapieplanung, allgemeine Wirkfaktoren, integrative Psychotherapie, Therapiebeziehung, Motivation, Plananalyse

Common and specific factor based case conceptualization and treatment planning in its practical application – a short formAbstract: A case formulation will be introduced, which incorporates both an explanatory model and an individualized treatment rationale for psychotherapeutic treatment planning. The aim is to conceptualize an integrative treatment model, which neither depends on therapeutic school nor on disorder specific rationales. Clients and therapeutic perspectives are to be combined with empirically supported therapeutic principles, which will include specific factors and common factors due to individual client needs. Criteria of differential indication and individualized treatment are to be followed. In daily routine, therapists need a concrete and manageable case conceptualization. Treatment planning includes patient information regarding to therapy aims, strengths, cognitions, coping skills, systemic conditions, motivational aims, course and functio-nality of disorder as well as treatment planning instruments like therapeutic principles, motive-orientated therapeutic relationship another change mechanisms. A single case will be introduced.

Keywords: Case formulation, individualized treatment rationale, common factors, integrative therapy, therapy relationship, motivation, plan analysis

Einleitung und theoretische GrundlagenDie Wirksamkeit von PsychotherapieDie Wirkung und Wirkungsweise von therapieein-flussnehmenden Faktoren sowie deren Zusammen-hang zum Therapieerfolg werden in aufwendigen Forschungsdesigns untersucht. Die empirische Be-fundlage weist mit 0.8 hohe Effektstärken für die

Effektivität von Psychotherapie auf (Lambert & Ogles, 2004). Zur Untersuchung der Ebenen von therapeutischer Wirksamkeit differenziert Pfam-matter (2012) in seiner Taxonomie therapieschule-nunabhängig zwischen der Ebene therapeutischer Techniken und allgemeiner Wirkfaktoren und grenzt diese von der störungs-, patienten- und therapeuten-spezifischen Ebene ab.

vpp_02_2013_01.indb 399 06.05.2013 23:03:12

Page 2: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis400

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

Die Ebene der therapeutischen Techniken be-inhaltet eine Sammlung von therapieschulenspezi-fischen Interventionsstrategien wie positive Verstär-kung, Exposition, Rollenspiel, Problemlösetraining, Fokussieren, Leer-/Zwei-Stuhl-Technik, zirkuläres Fragen, Skulpturarbeit, paradoxe Intention, reflek-tierendes Team, freie Assoziation, therapeutische Abstinenz, Übertragungsdeutungen, Widerstandsa-nalyse etc. Studien zur Effektivität dieser Psycho-therapiemethoden bestätigen die Wirksamkeit vieler Behandlungsmethoden (Lambert & Ogles, 2004) und diskutieren sogar den therapeutischen Einfluss auf neurobiologische Korrelate (Berger & Caspar, 2009), weisen aber auch auf den Umstand hin, dass nur circa 15 % des Therapieerfolgs auf die angewandten Techniken zurückzuführen sei (Norcross & Lam-bert, 2011). Flückiger, Del Re, Wampold, Symonds und Horvath (2011) finden sogar nur eine Vari-anzaufklärung von 1 % bei Manualtreue.

Unter allgemeinen Wirkfaktoren werden die drei Bereiche Therapiebeziehung, motivationale Aspekte des Patienten und Ebene therapeutischer Verände-rungsprozesse verstanden. Die Therapiebeziehung wird durch Empathie, Zielübereinstimmung, Ar-beitsallianz etc. beschrieben. Die motivationalen Aspekte des Patienten beinhalten Veränderungsbe-reitschaft oder Engagement. Die Ebene therapeu-tischer Veränderungsprozesse meint eine Ansammlung therapeutischer Wirkprinzipien (Caston guay & Beut-ler, 2006) wie die Klärungsarbeit, korrektive Erfah-rungen, Achtsamkeit, kognitive Umstrukturierung, Ressourcenaktivierung, Emotionsregulation etc. Der Einfluss dieser allgemeinen Wirkfaktoren auf das Therapieergebnis konnte empirisch belegt werden, wie z. B. die Wirkung der therapeutischen Beziehung (Horvath, Del Re, Flückiger & Symonds, 2011) mit etwa 7.5 % Varianzaufklärung,1 der Einfluss von Er-wartung und Motivation auf der Patientenseite (Crits-Christoph et al., 2007; Baskin, Tierney, Minami & Wampold, 2003; Ilardi & Craighead, 1999) oder der Ansatz der klärungsorientierten Psychotherapie nach Sachse (Kupper & Tschacher, 2006; Sachse, Püschel, Fasbender & Breil, 2008). Insbesondere die kontro-versen Diskussionen über die Befundlage von Place-

bo- und RCT-Studien verdeutlichen die ungeklärte Frage über das Verhältnis, in dem die einflussneh-menden Faktoren auf Psychotherapie wirken (Baskin et al., 2003; Fässler, Meiss ner, Schneider, Linde, 2010; Herbert & Gaudiano, 2005; Raz et al., 2011; Tschusch-ke, 2005; Wampold, 2007). So werden in der Litera-tur die unterschiedlichsten Angaben über das Ausmaß des Einflusses von Manualtreue (Adhärenz), aber auch von Erwartungen auf das Therapieergebnis gemacht: Die Spannbreite geht von 15 % (Norcross & Lambert, 2011) bis über 40 % (Baskin et al., 2003; Ilardi & Craighead, 1999) und auch hier wird disku-tiert, ob die Therapiebeziehung ein Mediator für den Zusammenhang zwischen Erwartung und Ergebnis darstellt (Arnkoff, Glass & Shapiro, 2002). Grosse Holtforth, Krieger, Bochsler und Mauler (2011) konn-ten nachweisen, dass nur das Ausmaß an positiven Erwartungen das Therapieergebnis prädizieren, nicht aber das negativer Erwartungen.

Auch das Zusammenwirken von therapeutischen Techniken und allgemeinen Wirkfaktoren ist Gegen-stand der Psychotherapieforschung, wobei es darum geht, das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren im therapeutischen Prozess zu untersuchen. So konnte in aufwendigen Prozessstudien einerseits die Effizi-enz therapeutischer Techniken (Trijsburg et al., 2002; Tschitsaz & Lutz, 2009) auf das Therapieergebnis analysiert werden. Andererseits wurde der Einfluss allgemeiner Wirkfaktoren wie der therapeutischen Beziehung (Elliott, Bohart, Watson & Greenberg, 2011; Flückiger et al., 2011), plötzlicher Symptom-veränderungen (Kelly et al., 2007; Lutz & Tschitsaz, 2007) und deren Rückmeldungen im Therapieverlauf (Lambert & Shimokawa, 2011; Lutz et al., 2006), Erwartung, Motivation oder Bindungsstil von Patient und Therapeut (Kazdin, 2007; Schulte, 2005; Stucki, 2004; Swift, Callahan & Vollmer, 2011) analysiert.

Die Diskussion über die Wirkungsweise von Psy-chotherapie ist derzeit noch nicht abgeschlossen, wo-bei von einem multifaktoriellen Geschehen zwischen Manualtreue, allgemeinen Wirkfaktoren sowie Pati-enten- und Therapeutenmerkmalen ausgegangen wird (Norcross & Lambert, 2011; Orlinsky, Rønnestad & Willutzki, 2004; Pfammatter & Tschacher, 2012). Demgemäß fordert die Fallkonzeption über die thera-peutischen Techniken hinaus den Einbezug verschie-dener Sichtweisen der Beteiligten sowie allgemeiner Wirkfaktoren. Swift und Kollegen (2011) konnten die Hypothese stützen, dass die Berücksichtigung der Präferenz (für ein Therapieverfahren, eine Rolle oder einen Therapeuten) zu effektiveren Therapieresultaten führt. Ihre Metaanalyse ergab, dass die Abbruchrate niedriger und die Symptomverringerung höher war,

1 Die homogenen Befunde über die Wirkung der Therapie-beziehung erscheinen besonders beeindruckend vor dem Hintergrund, dass die Gestaltung der therapeutischen Be-ziehung und das Sich-Einbringen in Abhängigkeit der Ausbildung der Therapeuten verschieden sein kann, z. B. in dem motivorientierten Ansatz (Grosse Holtforth & Ca-stonguay, 2007), in der Gesprächstherapie (Sachse et al., 2008), im CBASP (McCullough, 2000) etc.

vpp_02_2013_01.indb 400 06.05.2013 23:03:12

Page 3: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 401

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

wenn die Patienten ihr gewünschtes Verfahren er-hielten. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie den ge-wünschten Therapieansatz, die gewünschte Rolle in der Therapie oder den gewünschten Therapeuten er-hielten. Unter Berücksichtigung dieser Befunde erhal-ten die Patientenperspektive sowie deren Erwartungen einen wichtigen Stellenwert in der Therapieplanung.

Individuelle TherapieplanungEine individuell ausgerichtete Therapieplanung er-scheint nicht nur vor dem Hintergrund der Implika-tion unterschiedlicher empirisch gesicherter Wirk-faktoren notwendig, sondern auch unter Berücksich-tigung von Komplexität und Komorbidität eines jeden Patienten. Die oben dargestellten Befunde zur Wirk-samkeit allgemeiner Wirkfaktoren bekräftigen die Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil von Manualen ist eine Beschreibung und Operationalisierung von Interven-tionen, die eine Grundlage zur Standardisierung von Prozessen für unterschiedliche Anwender bietet und die Transparenz erhöht. Die Situation im klinischen Setting erfordert eine Reduktion von Komplexität, wobei Leitlinien ein Instrument zur Strukturierung der Vorgehensweise darstellen. Gleichzeitig werden damit aber auch allgemeine Wirkfaktoren wie The-rapiebeziehung, Therapeutenpersönlichkeit etc. ver-nachlässigt. Manualspezifische Interventionsstudien beziehen Komorbiditäten häufig zu wenig oder gar nicht mit ein, was nicht der Realität des therapeu-tischen Alltags entspricht. In einer Studie konnten Döpfner, Kinnen und Petermann (2010) den Umgang mit Manualen sowie die Risiko-Nutzen-Einschätzung unter Therapeuten erfragen. Es zeigte sich, dass sich fast 80 % der Befragten an Manuale halten und dies nicht von der Therapieerfahrung abhängig ist. Nur eine Minderheit mahnt Flexibilität und Individuali-sierung an, in der praktischen Umsetzung scheinen jedoch die meisten ihre Manuale individuumsorientiert einzusetzen. Die Autoren legen daher eine individu-elle, wirkfaktorenbasierte Therapieplanung nahe. Die Empfehlung einer individuellen, patientenorientierten Therapieplanung unter Berücksichtigung der allge-meinen und spezifischen Wirkfaktoren wird auch von der Task Force Sektion Psychotherapie der APA2

aufgrund von Meta-Analysebefunden abgegeben (Norcross & Lambert, 2011; Wampold, 2007).

Eine selektiv prognostisch orientierte Indikati-on wurde in einer stationären Katamnesestudie (Schulz, Lotz-Rambaldi, Koch, Jürgen & Rüddel, 1999) untersucht, in der die Patienten in Abhängig-keit eines vorgegebenen Kriterienkatalogs (Diagno-se, Behandlungsanliegen, Patientenwünsche, Pati-entenmerkmale wie soziale Kompetenz etc.) unter-schiedlichen Behandlungsbedingungen zugeführt wurden. Die Evaluation ergab positive Befunde, die die Autoren als Bestätigung der differentiellen In-dikationsstellung interpretierten. Eckert, Frohburg und Kriz (2004) konnten in einer Patientenbefragung nachweisen, dass der wahrgenommene Therapieer-folg bei über 55 % von den Passungen3 abhängt, die im Allgemeinen Modell von Psychotherapie (Orlins-ky et al., 2004)4 angenommen werden.

Caspar und Grosse Holtforth (2009) diskutieren in einem Überblicksartikel, inwiefern Responsiveness, d. h. ein Sich-Einstellen des Therapeuten auf die Besonderheiten eines Patienten, einer rein störungs-spezifischen Therapie überlegen sei, wobei Respon-siveness eine Form der Individualisierung über den gesamten Therapieverlauf meint statt nur zu Beginn der Therapie. Gemäß dem Ansatz sollte sich der Therapeut regelmäßig neu auf die Patientenmerkmale und die motivationale Ebene des Patienten einstellen und dementsprechend die therapeutischen Wirkprin-zipien und die motivatonale Beziehungsgestaltung anpassen. Die beiden Autoren argumentieren mit der unterschiedlichen Wirkung therapeutischer Interven-tionen auf jeden Einzelfall, in der Literatur „Aptitude-Treatment-Interaction“ genannt. Kramer et al. (2011) konnten die positive Wirkung des Responsiveness-Ansatzes empirisch untermauern, indem sie in der Therapie von Borderline-Störungen einen positiven Zusammenhang zwischen hoher motivorientierter Beziehungsgestaltung in der frühen Therapiephase (als Operationalisierung von Responsiveness) einer-

3 Gemäß dem allgemeinen Modell von Psychotherapie werden vier wechselhafte Übereinstimmungen („Pas-sung“) gefordert: Die Art der Erkrankung des Patienten und sein dazu entwickeltes subjektives Krankheitsmodell, das Behandlungsmodell (Therapieverfahren) des Thera-peuten sowie die therapiebezogenen und interpersonalen Merkmale des Patienten auf der einen und des Therapeu-ten auf der anderen Seite.4 Das Allgemeine Modell (Generic Model; Orlinsky et al., 2004) beschreibt den psychotherapeutischen Prozess als hochkomplexes Interagieren von Interventionen, Patien-ten- und Therapeutenmerkmalen, Umgebungs- und Ge-sellschaftsfaktoren etc.

2 Die APA (American Psychological Association) ist eine wissenschaftliche Organisation, die den Berufsstand der Psy-chologen in den USA vertritt. Die genannte Task Force Sekti-on Psychotherapie – eine Expertengruppe – beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern die verschiedenen Aspekte der thera-peutischen Beziehung den Therapieerfolg vorhersagen können.

vpp_02_2013_01.indb 401 06.05.2013 23:03:12

Page 4: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis402

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

seits und anderseits dem Erwerb interpersonaler Fer-tigkeiten sowie einer positiven Therapiebeziehung aufzeigen konnten.

Vor dem Hintergrund der Befunde bedeutet dies den Anspruch an ein integratives, störungs-übergreifendes Behandlungsmodell, das die Pati-enten- sowie die Therapeutenperspektive einbezieht, sich auf empirisch gesicherte Therapiemethoden stützt und somit eine individuell zugeschnittene Therapie plant.

Die Allgemeine PsychotherapieEin Beispiel, Psychotherapie zu integrieren und individuumsorientiert anzuwenden, wurde von Gra-we eingeführt. In seinem Modell der Allgemeinen Psychotherapie (Grawe, 2004; Grosse Holtforth & Grawe, 2004) schlägt er die Berücksichtigung all-gemeiner und spezifischer Wirkfaktoren auf empi-risch gesicherter Datenlage vor. Das Störungsver-ständnis stützt sich bei ihm einerseits auf das Funk-tionsmodell des psychischen Geschehens, das die vier Grundbedürfnisse Lust, Bindung, Kontrolle und Selbstwerterhöhung vorsieht (Epstein, 1990), die mittels motivationaler Schemata erreicht re-spektive deren Verletzung vermieden werden sollen. Dabei stellen Annäherungsziele die Mittel dar, um Grundbedürfnisse zu erreichen, während Vermei-dungsschemata vor deren Verletzung schützen sollen. Grawe (2004) stützt sein Funktionsmodell mittels zahlreicher empirischer Befunde aus Neuro-, Mo-tivations- und Differentialpsychologie. Gemäß Car-ver und Scheier (1998) gibt es im psychischen Ge-schehen zwei funktional voneinander unabhängige Subsysteme der Selbstregulation: das Annäherung- und Vermeidungssystem. Diese beiden Systeme lassen sich neurobiologisch unterscheiden (Gray & McNaughton, 2003) und konnten in der Differential-psychologie als unabhängige Temperamentstypen klassifiziert werden (Diener & Lucas, 1999; Elliot & Thrash, 2002). Die Operationalisierung motivati-onaler Schemata und deren Zielkomponenten können induktiv mittels einer Plananalyse (Caspar, 2009) erfolgen. Annäherungs- und Vermeidungsziele ste-hen im Konflikt zueinander, wenn bei jeder Akti-vierung von Annäherungszielen gleichzeitig Ver-meidungsziele aktiviert sind;5 der Mensch erlebt einen motivationalen Konflikt.

Die Therapieplanung basiert zudem auf der Kon-sistenztheorie. Sind gleichzeitig aktivierte psychische Prozesse unvereinbar, erlebt der Mensch Inkonsistenz, was die Entstehung und Aufrechterhaltung psychi-scher Erkrankungen begünstigt. Diese Inkonsistenz teilt sich in Diskordanz und Inkongruenz. Diskordanz meint den Konflikt zwischen zwei innerpsychischen Schemata, während Inkongruenz die Diskrepanz zwi-schen der realen Wahrnehmung und den aktivierten Zielen meint. Ziel der Allgemeinen Psychotherapie ist die Reduktion von Inkonsistenz, die korrelativ mit Wohlbefinden und Symptomausprägung zusammen-hängt (Grawe, 2004).

Gemäß dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell wird die Entwicklung psychopathologischer Symptome wahrscheinlicher, wenn große Vulnerabilitäten/Verletzlichkeiten und einschneidende Lebensereig-nisse (Stressoren) aufeinander treffen. Die Verlet-zung von Grundbedürfnissen in der Kindheit sowie genetische Prädispositionen führen zu der Entwick-lung von Vulnerabilitäten, die wiederum nachfolgend auf die Bedürfnisentwicklung Einfluss nehmen. Un-günstige Belastungen oder Anforderungen in der Gegenwart sind Stressoren, die zu Inkonsistenzen führen, die den Nährboden für die Entstehung psy-chischer Erkrankungen bilden. Inkongruenzen kön-nen im Störungsmodell auslösende und/oder auf-rechterhaltende Faktoren sein. Ziel der Therapie ist die Entwicklung einer emotionalen Widerstandsfä-higkeit (Resilienz) durch die Bearbeitung von Emo-tionsregulation und Inkongruenzquellen, die den Umgang mit Inkonsistenzerfahrungen erleichtert. Trachsel, Gurtner, von Känel und Grosse Holtforth (2010) analysierten in einer Risikogruppe von Ar-beitslosen den Konflikt zwischen dem Ausdruck von Emotionen versus der Angst vor negativen Konsequenzen bei Ausdruck von Gefühlen. Das Unterdrücken des Emotionsausdrucks wird als Vul-nerabilitätsfaktor für die Entwicklung von Depres-sionen in stressauslösenden Verhältnissen angenom-men. Es zeigte sich, dass der Konflikt, Emotionen auszudrücken, die Gesundheit von Personen mit Depressionen besonders dann zu belasten scheint, wenn diese ein hohes Inkongruenzerleben haben.

Für die Therapieplanung der Allgemeinen Psy-chotherapie wird eine Fallkonzeption des Patienten zu Beginn der Therapie angefertigt (Grosse Holtforth & Grawe, 2004; Itten, Trösken & Grawe, 2004). Diese Fallkonzeption hat den Anspruch, patienten-orientiert, individuell maßgeschneidert und detail-liert die Lebens- und Behandlungssituation des Patienten zu erfassen sowie die Planung der thera-peutischen Interventionen.

5 Eine Übersicht über die empirische Befundlage zur Existenz und Erfassung von Vermeidungsschemata sowie dem Zusammenhang zwischen Wohlbefinden, Psychopa-thologie und interpersonalen Problemen bietet Grosse Holtforth (2008).

vpp_02_2013_01.indb 402 06.05.2013 23:03:12

Page 5: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 403

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

Entwickelt und evaluiert wurden die Konzepte der Therapieplanung zunächst im universitären Rahmen, wobei die Interventionen an einer univer-sitären Psychotherapieambulanz angewandt wurden. Auch in der Ausbildung von Psychologischen Psy-chotherapeuten dient die Fallkonzeption als Behand-lungsrahmenmodell. In einem zweiten Schritt eta-blierten sich die Konzepte im stationären Rahmen, die Qualitätssicherung wurde durch Diagnostik und Supervision in den Kliniken sichergestellt. Da die Fallkonzeption aufgrund ihrer Ausführlichkeit und der Ressourcenknappheit der BehandlerInnen für den praktischen Einsatz schwer umzusetzen ist, be-darf es einer kürzeren Variante. Gleichzeitig sollen Einflussfaktoren wie die Behandlungsperspektive oder die Erwartungen vor dem Hintergrund neuerer Forschungsbefunde berücksichtigt werden.

Fallkonzeption und Therapieplanung in der Anwendung – Eine KurzformTritt ein Patient in ein stationäres Setting ein, werden in einem Erstgespräch und der nachfolgenden Dia-gnostik vielfältige Informationen zu Anamnese, Symp-tomatik, Genogramm etc. im Team erhoben. Im Rah-men einer Fallkonzeption wird anhand dieser Infor-mationen zunächst ein Problemverständnis für die Situation des Patienten sowie die Entstehung und Aufrechterhaltung seiner Schwierigkeiten erstellt. In einem zweiten Schritt wird daraus eine Therapiepla-nung abgeleitet, die auf die spezifischen Probleme des Patienten und seine Situation abgestimmt ist.

Die Einführung einer einheitlichen Fallkonzep-tion dient der Koordination im Behandlungsteam, der Verbesserung der Behandlungsqualität wie auch der Weiterbildung von Therapeuten.

Die von uns vorgeschlagene Kurzvariante er-fragt zunächst die Belastungen und Symptome.

Problembereiche, Belastungen, Konflikte: Die Beschreibung der Probleme geht über die

Nennung von ICD-Diagnosen hinaus. Beschrie-ben werden sollen psychische und somatische Probleme, psychosoziale Belastungen (z. B. Ar-beitslosigkeit, Partnerverlust, Schulden etc.) und Konflikte (z. B. interaktionelle Probleme am Arbeitsplatz, in Paarbeziehungen, motivationale Konflikte etc.).

Das Festlegen von Therapiezielen zu Beginn der Be-handlung ist ein fester Bestandteil der verhaltensthe-rapeutischen Tradition (Kanfer, Reinecker & Schmel-zer, 2006; Schulte, 2005) und dient der Therapiestruk-

turierung, der Motivierung des Patienten und einem Hinarbeiten auf einen erwünschten Sollzustand.

Strauss und Burgmeier-Lohse (1995) untersuch-ten die Aufnahmebereitschaft von Patienten für be-stimmte therapeutische Vorgehensweisen und fanden heraus, dass Übereinstimmungen zwischen den Auf-fassungen des Patienten und des Therapeuten im Hinblick auf die Ziele der Therapie und deren Rea-lisierung maßgeblich für die Qualität der therapeu-tischen Beziehung und den Therapieerfolg sind. Auch Studien zur Therapiebeziehung konnten nach-weisen, dass eine Übereinstimmung der Therapie-ziele (Bordin, 1994) die Therapieallianz stärkte. Insbesondere in Berücksichtigung dieser Befunde werden in der Fallkonzeption die Interessen und Ziele beider Perspektiven erfragt. Kanfer et al. (2006), Willutzki und Koban (2004) sowie Grosse Holtforth und Castonguay (2007) bieten einen aus-führlichen Überblick über Therapiezielherleitung und empirische Belege der Effektivität.

Behandlungsziele:– Anliegen/Auftrag/Ziele PatientIn: Hier werden

die vom Patienten formulierten Behandlungs-anliegen und Therapieziele beschrieben. Die Ziele sind realisierbar und inhaltlich unproble-matisch. Die Anliegen sollen zudem konkret gehalten werden, d. h. über allgemeine Formu-lierungen hinausgehen (z. B. „wieder auf Leu-te zugehen können“, „wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können“ statt „gesund werden“ oder „es soll mir besser gehen“).

– Anliegen/Auftrag/Ziele anderer (inkl. The-rapeuten): Häufig werden Anliegen anderer an die Behandlung herangetragen. Dies kön-nen Anliegen von Angehörigen („Entlastung“, „Pause“, „mehr Mithilfe“, „keine Wutaus-brüche mehr“), Arbeitgebern („Belastbarkeit erhöhen“, „wieder arbeitsfähig machen“), ambulanten Therapeuten („diagnostische Einschätzung“, „Medikamentenumstellung“, „Abwesenheitsüberbrückung“) oder anderen Personen sein. Anliegen werden häufig nicht explizit formuliert, schwingen aber „impli-zit“, d. h. unausgesprochen, mit.

Anliegen können nicht zuletzt auch vom Therapeuten an den Patienten herangetragen werden („er muss gesund werden, sonst bin ich ein schlechter Therapeut“, „er sollte mit Rauchen aufhören“, „er sollte sich von der Partnerin trennen, die tut ihm nicht gut“).

– Vereinbarte Ziele und Schwerpunkte der Therapie: Uneinheitliche Anliegen können

vpp_02_2013_01.indb 403 06.05.2013 23:03:12

Page 6: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis404

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

eine Behandlung erschweren. Anliegen, für die der Patient keine Motivation mitbringt, sind in der Regel schwer umzusetzen. An-liegen anderer können u. U. aber durchaus legitim sein (z. B. „Entlastung der Angehö-rigen bei schwer beeinträchtigten Patienten“). Nach der Sammlung der Anliegen sollen daher hier die mit dem Patienten gemeinsam vereinbarten (und realisierbaren) Ziele und Therapieschwerpunkte formuliert werden.

In einem zweiten Schritt werden vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Allgemeinen Psychotherapie die motivationalen Schemata und ihre Zielkomponen-ten des Patienten mittels plananalytischer Überle-gungen erfragt. Das plananalytische Vorgehen konn-te für die Erfragung instrumentellen Verhaltens für unterschiedliche Patientengruppen skizziert werden und dient insbesondere dem Verstehen von auffälligem Verhalten (Caspar, 2009; Caspar & Berger, 2011).

Persönlichkeitsstil/Pläne/Schemata: In diesem Teil der Fallkonzeption geht es um

das psychische Funktionieren des Patienten. Hier wird beschrieben, mit welchen Strategien Patienten ihre (Grund-)Bedürfnisse befriedigen. Es wird angenommen dass Menschen, die ihre Bedürfnisse befriedigen können, psychisch ge-sünder sind, während mangelnde Befriedigung von Grundbedürfnissen ein hohes Risiko für psychische Erkrankungen darstellt. Viele Pati-enten wenden Strategien an, die kurzfristig durchaus hilfreich, mittelfristig aber dysfunk-tional sind, hohe Kosten verursachen und eine gute Befriedigung von Grundbedürfnissen ver-hindern. (z. B. „über Beschwerden klagen“ bringt kurzfristig häufig Mitleid und Zuwendung (Bin-dung), mittelfristig können sich aber andere von einem abwenden; insbesondere wenn die Stra-tegie im Übermaß angewandt wird. „Zwang-haftes Kontrollieren“ hilft zwar kurzfristig ein Gefühl der Kontrollierbarkeit zu erzeugen, aber mittelfristig nicht, das Gefühl von Unsicherheit besser auszuhalten. Gleichzeitig führt die damit verbundene Anstrengung, Zeitverlust und even-tuell das Gefühl, nicht normal zu sein, erst recht dazu, das Leben nicht mehr im Griff zu haben).

Es werden hier Verhaltensweisen („klagt über Beschwerden“, „kontrolliert ständig“ etc.) be-schrieben, die der Therapeut beobachtet, die der Patient erzählt oder die Dritte berichten. Es wer-den auch „Pläne“ formuliert, die die Grundlage des Verhaltens sind („sei immer nett und freund-

lich, dann werden sich andere nicht von dir ab-wenden“, „vermeide Fehler“ etc.). Die Pläne sind in der Regel dem Patienten nicht bewusst.

Die erfolgreiche Aktivierung von Patientenressour-cen im therapeutischen Prozess konnten Flückiger, Caspar, Grosse Holtforth und Willutzki (2009) in einer aufwendigen Prozessstudie nachweisen. Der Fokus auf die Kompetenzen und persönlichen Ziele der Patienten gelang besser, wenn die Therapeuten zu Therapiebeginn kurz ein Ressourcenaktivierungs-training erhielten, und dieser Fokus nahm direkten Einfluss auf das Therapieergebnis bezüglich Selbst-bewusstsein, Bewältigungs- und Klärungserfahrun-gen.

Ressourcenaktivierung: Ressourcen PatientIn – Therapeutische Inter-

ventionen: Als Ressource eines Patienten kann alles bezeichnet werden, was dem Patienten hilft, mit einem Problem/einer Situation besser umzu-gehen: Stärken, Wissen, Fähigkeiten, soziales Umfeld, aber auch Ziele und Wünsche können Ressourcen sein.

Therapeutische Interventionen können „kleine Verstärkungen“ („das haben Sie gut gemacht“) sein, aber auch die Durchführung längerer Res-sourceninterventionen beinhalten: z. B. Situa-tionsanalysen aus Ressourcenperspektive (wann tritt ein Problem nicht auf?); Ressourcenimagi-nationen; Genogramm aus Ressourcenperspek-tive, etc.). Ressourcen müssen nicht immer in-haltlich thematisiert werden, sondern können auch prozessual aktiviert werden, d. h. ohne dass diese explizit angesprochen werden (z. B. sich über Wissensgebiet des Patienten unterhalten, sich Werke aus der Ergotherapie zeigen lassen, dem Patienten Verhalten zutrauen etc.).

Ziel der motivorientierten Beziehungsgestaltung ist die Herstellung bedürfnisbefriedigender Erfah-rungen im therapeutischen Kontext. Der Therapeut unterstützt dabei die Umsetzung der Annäherungs-ziele und hält die Aktivierung der Vermeidungsziele gering oder bearbeitet die dahinter liegenden Be-fürchtungen mittels gezielter therapeutischer Inter-ventionen (Grosse Holforth & Castonguay, 2007). So könnte z. B. die Befürchtung vor Zurückweisung mit der Methode der kognitiven Umstrukturierung inhaltlich thematisiert werden oder prozessual, indem der Patient die Erfahrung der Zurückweisung nicht machen muss, wenn er seinem Annäherungsziel (z. B. sich autonom verhalten, sich für sich einsetzen o. Ä.)

vpp_02_2013_01.indb 404 06.05.2013 23:03:12

Page 7: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 405

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

folgt. Gleichzeitig beinhaltet motivorien tierte Bezie-hungsgestaltung, dass der Therapeut erkennt, wenn ein Patient maladaptive Strategien und Verhaltens-weisen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse einsetzt und diese dann auf einer höheren motivationalen Ebene befriedigt (Stucki, 2008). Therapeut und Patient können so eine emotionale Bindung aufbau-en, und der Patient erlebt „korrektive Erfahrungen“ (Grosse Holtforth & Castonguay, 2007).

Erstmalig lieferte die Berner Therapievergleichs-studie (Grawe, Caspar & Ambühl, 1990) empirische Hinweise auf den positiven Effekt der motivorien-tierten Beziehungsgestaltung, in der die interaktio-nelle Verhaltenstherapie (IVT6) in manchen Ergeb-nismaßen den anderen Therapieansätzen, vor allem in der Patientenperspektive, überlegen war. Zudem hing der Therapieerfolg in der IVT weniger von Patienteneigenschaften ab und auch die Anzahl der Therapieabbrüche war geringer. Caspar, Grossmann, Unmüssig und Schramm (2005) untersuchten den Einfluss spontaner motivorientierter Beziehungs-gestaltung auf das Ergebnis von interpersonaler Therapie bei 22 depressiven stationären Patienten. In dieser Studie war das spontane Therapeutenver-halten, das den wichtigsten motivationalen Zielen der Patienten entsprach, mit besseren Therapieer-gebnissen verbunden. Stucki (2004) analysierte das Beziehungsverhalten von Therapeuten in den ersten drei Sitzungen bei 30 ambulanten Patienten mit allgemeiner Psychotherapie, die die systematische Umsetzung der Prinzipien der motivorientierten Beziehungsgestaltung vorsieht. Es zeigt sich, dass Therapeuten ihr Verhalten besser an die motivatio-nalen Ziele der Patienten anpassten, wenn ihre Pa-tienten ihre Beziehung positiv einschätzten. Pati-enten, die ihre therapeutische Beziehung als nicht positiv angaben, erfüllten gleichzeitig die Kriterien einer interpersonellen Auffälligkeit. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Befunden von Caspar und Gros-se Holtforth (2009), nach denen die Anwendung der motivorientierten Beziehungsgestaltung bei inter-personell auffälligen Patienten schwieriger zu reali-sieren sei als bei interpersonell unauffälligen. Für die therapeutische Beziehungsgestaltung bedeute dies, dass der Fokus „auf ein bestimmtes Segment im interpersonalen Zirkel“ gerichtet sein sollte (ebd.).

Beziehungsgestaltung:– Beziehungsgestaltung – Therapeutisches

Vorgehen: Eine individuelle motivorientierte

Beziehungsgestaltung ermöglicht dem Pa-tienten, bedürfnisbefriedigende korrektive Erfahrungen in der therapeutischen Bezie-hung zu machen und dient dem Aufbau von Beziehungskredit, der notwendig ist, um problemaktivierende Interventionen erfolg-reich durchführen zu können. Unterschieden werden dabei Annäherungsziele, die der Therapeut in seinem Beziehungsverhalten verstärkt und Vermeidungsziele, die der Therapeut nur so weit aktiviert, wie es nötig ist. Erreicht werden soll eine möglichst gute Passung von Beziehungsverhalten des The-rapeuten mit dem motivationalen Funktio-nieren des Patienten:

– Annäherungsziele (AZ) PatientIn: Beispiele: „verstanden werden“, „selbst entscheiden können“

– Vermeidungsziele (VZ) PatientIn: Beispiele: „blamiert werden“, „kritisiert werden“, „im Stich gelassen werden“.

Der Therapeut überlegt sich, mit welchen Verhaltensweisen und Interventionen er die Motive des Patienten unterstützen kann (An-näherungsziele) und wie er als Therapeut die Vermeidungsziele des Patienten so wenig wie nötig aktiviert(Vermeidungsziele).

– Beispiel: AZ „verstanden werden“: Thera-peut hört besonders genau zu; fragt nach, ob er den Patienten richtig verstanden hat; vergisst Gesagtes nicht; lässt den Patienten viel erzählen und erklären etc.

– Beispiel: AZ „selbst entscheiden können“: Therapeut gibt mehrere Möglichkeiten vor, Patient kann wählen; Therapeut hebt hervor, wie wichtig ihm die Meinung des Patienten ist etc.

– Beispiel: VZ „blamiert werden“: Therapeut lässt Patienten nicht „auflaufen“; schützt ihn vor Gesichtsverlust (z. B. in Gruppenthera-pie); vermeidet Überforderung des Patienten; konfrontiert nur, wenn Beziehungskredit da ist.

– Beispiel: VZ „im Stich gelassen werden“: Therapeut signalisiert unbedingten Rück-halt, steht hinter dem Patienten, auch wenn dieser sich kritisch äußert; er bereitet Aus-tritt, respektive (Therapeuten)-Wechsel gut vor; bespricht, wie der Patient sich Unter-stützung verschaffen kann usw.

Die Erarbeitung eines Erklärungsmodells zu aus-lösenden und aufrechterhaltenden Faktoren sowie

6 Eine Weiterentwicklung der IVT ist die Allgemeine Psychotherapie.

vpp_02_2013_01.indb 405 06.05.2013 23:03:13

Page 8: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis406

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

der Einsatz entsprechender empirisch gesicherter Interventionen stellt das Herzstück der verhaltens-therapeutischen Tradition dar. Ein plausibles Erklä-rungsmodell dient zur Orientierung, Kontrolle und Einsicht in die therapeutischen Arbeit. Die Identi-fikation von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen unter Berücksichtigung von emotio-nalen, kognitiven, situativen oder systemischen Aspekten wird anschaulich von Kanfer et al. (2006) in dem SORCK-Modell dargestellt. Die Notwendig-keit eines Ordnungssystems mithilfe von Erklä-rungsmodellen unter Berücksichtigung des Krank-heitsverständnisses des Patienten sowie der positive Einfluss dieser Erklärungsmodelle auf Therapie-prozess und -ergebnis wurden von Bhui und Bhugra (2002) nachgewiesen. Forschungsbefunde zeigen, dass die Entwicklung von Erklärungsmodellen in der Therapie Einfluss auf emotionales Coping, Be-handlungspräferenzen, Mitarbeit, Therapiebezie-hung und Behandlungszufriedenheit nimmt (Ghane, Kolk & Emmelkamp, 2010). Sulz et al. (2011) haben in einer empirischen Untersuchung die subjektiven Einstellungen, motivationalen Ziele, Emotionen und Schemata von 103 Patienten einer qualitativen Ana-lyse unterzogen. Die Autoren gehen aufgrund ihrer Befunde von der Effektivität von Verhaltensanaly-sen innerhalb der Fallkonzeption auf den Therapie-erfolg aus, da die therapeutische Arbeit an diesen konzipierten individuellen Aspekten zu zufrieden-stellenden Effektstärken führte.

Störungsmodell und therapeutische Interven-tionen:

Erklärungs- und Veränderungsmodell PatientIn: Hier werden Fragen zum Störungsmodell des Patienten beantwortet:– Wie erklärt sich der Patient, wie es zu seinem

Problem gekommen ist?– Geht er davon aus, dass sein eigenes Verhal-

ten zum Problem geführt hat oder sieht er die Ursache in der Erkrankung, den Umstän-den oder den Fehlern der anderen? Was denkt der Patient, was es braucht, damit es ihm wieder besser geht?

– Kann er selbst etwas dazu beitragen oder geht er davon aus, dass Medikamente oder der Therapeut die Veränderungen herbeifüh-ren?

Die Notwendigkeit, die subjektive Perspektive des Patienten einzubeziehen, hat bereits Fiedler (2003) in seinem Konzept der integrativen Psychotherapie vorgenommen; in seinem Modell werden die Pati-

entensicht zu Therapiezielen, Erwartungen, Motiva-tion und Erklärungsmodell erfragt. Die Übereinstim-mung zwischen der Therapeuten- und Patientensicht bezüglich des Krankheitsmodells, von Orlinsky und Kollegen als Passung3 bezeichnet (2004), gehört zu einem der Faktoren, der den Therapieerfolg deter-miniert (Eckert et al., 2004).

Erklärungs- und Veränderungsmodell The-rapeutIn:

Hier werden Fragen zum Störungsmodell des Therapeuten beantwortet:– Entstehung der Störung: Wie erkläre ich mir

als Therapeut die Entstehung der Störung– An welchen Faktoren muss ich ansetzen,

um eine Veränderung zu bewirken? (Faktoren der Entstehung und Aufrechterhaltung

einer Störung können nicht immer auseinander-gehalten werden, respektive dienen häufig der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Stö-rung. Psychische Störungen können allerdings häufig fortbestehen, auch wenn die Faktoren, die zur Entstehung geführt haben, mittlerweile nicht mehr bestehen. Daher kann eine Unter-scheidung von Entstehungs- und Aufrechterhal-tungsfaktoren sinnvoll sein.)

Als aufrechterhaltende Faktoren werden die Eigen-dynamik der Störung erfragt, motivationale und systemische Perspektive, Copingstrategien, Ent-wicklungsanforderungen und körperliche/biolo-gische Aspekte. Therapeutisch fließt hier einerseits störungsspezifisches Wissen über die zu behandeln-de Erkrankung des Patienten ein, z. B. Expositions-training für Zwangserkrankte (s. o.; Castonguay & Beutler, 2006; Lambert & Ogles, 2004). In der oben erwähnten Studie von Sulz und Kollegen (2011) werden, in Anlehnung an Kanfers Modell, innerhalb der Reaktionskette selbstverstärkende Faktoren er-fragt sowie Interventionsvorschläge gegeben. An-derseits nehmen therapeutische Wirkprinzipien Einfluss, die oben detailliert dargestellt wurden.

Perspektive der Eigendynamik der Störung: Sich selbst verstärkende Prozesse

Welche Faktoren der Störung führen dazu, dass die Störung aufrechterhalten wird und sich noch verstärken kann? Hier werden sich selbst ver-stärkende Prozesse möglichst konkret beschrie-ben (Beispielangaben):– Angst: Negative Bewertungsprozesse (z. B.

Katastrophisierung), Selbstbeobachtung, Checking-Verhalten, Vermeiden.

vpp_02_2013_01.indb 406 06.05.2013 23:03:13

Page 9: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 407

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

– Depression: Negative Bewertungsprozesse (z. B. Übergeneralisierung), Grübeln, Inak-tivität, sozialer Rückzug, Vermeiden.

– Sucht: Biologische Prozesse (z. B. Toleranz-entwicklung), psychische Abhängigkeit, Ge-fühl der Scham, sozialer Rückzug.

– Essstörung: Biologische Prozesse (z. B. kör-perliche Folgeerscheinungen bei Unterge-wicht), Gefühl der Kontrolle, Wegfallen von Spannung.

– Borderline: Aufmerksamkeitsgewinn, Ge-fühl der Kontrolle, Wegfallen von Spannung.

Welche Interventionen sind notwendig, um die oben beschriebenen selbstverstärkenden Pro-zesse zu unterbrechen? (Beispielangaben)– Angst: Psychoedukation, Kognitive Um-

strukturierung, Übungen zur Demonstrati-on der Effekte der Selbstbeobachtung, Kon-frontationsübungen etc.

– Depression: Psychoedukation, Kognitive Umstrukturierung, Aktivitätenaufbau, so-ziale Verstärkung etc.

– Sucht: Psychoedukation, 4-Felder-Entschei-dungmatrix, Stimuluskontrolle, Konfronta-tionsübungen etc.

– Essstörungen: Psychoedukation, Normali-sierung des Essverhaltens, Bearbeitung der Körperschemastörung, Selbstkontrolltech-niken etc.

– Borderline: Skills, Stresstoleranzübungen, emotionales und soziales Kompetenztrai-ning, etc.

Vor dem theoretischen Hintergrund, dass motivatio-nale Konflikte als implizites Wissen von Schemata zu verstehen sind, ist eine empirische Erfassung die-ser Konflikte schwierig. In der Vergangenheit hat das Team um Lauterbach eine computerbasierte Konflikt-diagnostik entwickelt, um eine empirische Methode zur objektiven Erfassung innerpsychischer Konflikte zu entwickeln. Das Programm erfragt Kognitionen (wertende Einstellungen, selbstzugeschriebene Re-alitäten, Meinungen zu den Wechselwirkungen) zu ausgewählten Lebensbereichen und prüft ihre Kon-flikthaftigkeit anhand struktureller Merkmale. Die Untersuchung von Patienten- und sympto matisch unbelasteteren Gruppen bestätigt einen hohen Zu-sammenhang von persönlicher Konfliktbelastung mit psychosomatischer oder psychiatrischer Sym-ptombelastung (Lauterbach & Newman, 1999). Stan-gier, Ukrow, Schermelleh-Engel, Grabe und Lauter-bach (2007) untersuchten den intrapersonalen Kon-flikt bezüglich Zielen und Werten bei Menschen mit

Depressionen anhand der oben beschriebenen Com-puterdiagnostik. Patienten zeigen mehr und stärker ausgeprägte Konflikte als Gesunde; zudem weisen Pfadanalysen darauf hin, dass interpersonale Pro-bleme das Ausmaß an erlebten intrapersonalen Kon-flikten verstärken.

In einer jüngeren Studie wurde ein spezifischer Annäherungs-Vermeidungskonflikt in einer Risi-kogruppe von Arbeitslosen analysiert (Trachsel et al., 2010). In Anlehnung an das Vulnerabilität-Stress-Modell gingen die Autoren davon aus, dass einem gehemmten Emotionsausdruck bei Depressionspa-tienten der Konflikt zwischen dem Wunsch nach Emotionsausdruck und der Angst vor dem Erleben von negativen Konsequenzen zugrunde liege. Die Umfrage bestätigte den Zusammenhang zwischen dem Konfliktausmaß und der Depressivität.

Kelly et al. (2011) erfragen Konflikte zwischen Zielen und Ambivalenzen bezüglich Ziele per Fra-gebogen, d. h. auf expliziter Ebene. Die Autoren interpretieren ihren Befund, dass depressive Symp-tome bei Menschen mit niedrigem Konfliktlevel und hoher Ambivalenz stark ausgeprägt waren, als Hin-weis auf das Vorhandensein von impliziten motiva-tionalen Konflikten, die den Nährboden für depres-sive Symptome bilden.

Motivationale Perspektive:– Konflikte zwischen Zielen/Motiven ausge-

prägtes Vermeidungsverhalten: Motivatio-nale Konflikte und zu stark ausgeprägte Vermeidungsziele sind Risikofaktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung psy-chischer Störungen. Hier werden die wich-tigsten motivationalen Konflikte und aus-geprägte Vermeidungsziele des Patienten beschrieben.

Beispiele für Konflikte:– Beispiel 1: Vermeide im Stich gelassen,

in Beziehungen enttäuscht zu werden vs. Wunsch nach Nähe, Offenheit, Verläss-lichkeit in Beziehungen: Je mehr der Patient sich auf eine Beziehung einlässt, sich öffnet, desto größer wird seine Angst, der anderen Person nicht zu genügen, von ihr im Stich gelassen zu werden und da-mit in Beziehungen (erneut) enttäuscht und verletzt zu werden. Je weniger der Patient sich andererseits auf Beziehungen einlässt, desto größer wird sein Wunsch nach Nähe und Beziehung sein.

– Beispiel 2: Vermeide Versagen, vermei-de Minderwertigkeitsgefühle vs. Wunsch

vpp_02_2013_01.indb 407 06.05.2013 23:03:13

Page 10: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis408

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

nach Eigenständigkeit, bedingungsloser Akzeptanz: Je mehr der Patient zu sich steht, seinen eigenen Weg geht, desto stärker wird seine Angst, den Anforde-rungen und Erwartungen nicht zu genü-gen und zu versagen. Je mehr der Patient andererseits ein Versagen um jeden Preis vermeidet, eigene Entscheidungen und Risiken nicht eingeht, desto stärker wird das Gefühl werden, nicht so zu leben, wie ihm das entspricht.

– Beispiel 3: Vermeide Abhängigkeit, Aus-genutzt werden vs. Wunsch nach Hilfe, Sicherheit, Unterstützung. Je mehr der Patient Hilfe und Unterstützung sucht und annimmt, desto stärker wird seine Angst, abhängig und ausgenutzt zu wer-den. Je mehr der Patient andererseits versucht, Abhängigkeit um jeden Preis zu vermeiden, desto stärker wird das Gefühl werden, auf sich allein gestellt zu sein, keine Unterstützung im Leben zu erhalten.

Therapeutische Interventionen: Motivatio-nale Konflikte können einerseits in biogra-phischer Arbeit mit dem Patienten themati-siert und geklärt werden. Andererseits sol-len dem Patienten korrektive Erfahrungen ermöglicht werden, die zu Schemaverände-rung führen können. Dafür genutzt werden kann u. a. wiederum die therapeutische Be-ziehung. So kann dem Patienten Unterstüt-zung und Rückhalt geboten werden und dabei gleichzeitig darauf geachtet werden, dass keine Abhängigkeit (von der Person des Therapeuten) entsteht. Der Therapeut kann eine stabile, verlässliche Beziehung anbieten, die Konflikte aushält und die wei-terbesteht, auch wenn der Patient sich öffnet und schambesetzte Themen einbringt. Der Therapeut kann den Patienten besonders dann unterstützen, wenn er „seinen Weg geht“, wenn er sich etwas zutraut, auch wenn er einmal Fehler macht und Versagen riskiert usw.

Bewältigungsfertigkeiten und Emotionsregulations-strategien bilden einen wesentlichen Faktor für den Umgang mit den Vulnerabilitäten des Patienten. Die Effektivität therapeutischer Strategien zum Aufbau von Bewältigungsfertigkeiten in Bezug auf Pro-blemverhalten, Emotionen und Neubewertungen sind bereits empirisch nachgewiesen (Kämmerer et

al., 2006; Kanfer et al., 2006; Sulz et al., 2011). Noeker und Petermann (2008) schlagen in ihrem empirisch belegten Modell einen Entwicklungspfad vor, der sich als Ergebnis von positiv bewältigten Belastungsepisoden versteht, die die Person durch die Anwendung funktionaler kognitiver Schemata und kompetenter Bewältigungsfertigkeiten erreicht.

Eine Interaktion zwischen dem therapeutischen Angebot (hier: emotionale Aktivierung) und der nachfolgenden Emotionsregulation der Patienten konnte von Znoj und Kollegen (2004) gefunden werden. In der Studie zeigte sich, dass die Patienten in der Anfangsphase erfolgreicher Therapien auf vertiefende Bearbeitungsangebote distanzierend rea-gierten und auf niederschwellige Bearbeitungsange-bote mit weniger nonverbalem Ablenken. In der Endphase fanden sich keine signifikanten Zusam-menhänge zwischen dem therapeutischem Angebot und nachfolgender Emotionsregulation mehr. Die Therapieeffektivität der Aneignung von Emotionsre-gulationsfertigkeiten zur Reduktion negativer Affekt-zustände nach einer Gruppentherapie konnte zudem von Berking et al. (2012) nachgewiesen werden. Die Fähigkeit zur Emotionsregulation (als eine der Stra-tegien im Umgang mit Emotionen) erwies sich hier als Mediator zwischen dem Erwerb von Fertigkeiten im Umgang mit Emotionen und dem Symptomlevel. Eine Ausnahme bildete die Fertigkeit „Akzeptieren/Tolerieren von negativen Gefühlen“, die direkt mit einem niedrigen Symp tomlevel zusammenhängt, die Emotionsregulationsfähigkeit kein Mediator darstellt und somit in der Prävention zur Entstehung von psychischen Problemen relevant sein könnte.

Coping-Perspektive: Ungünstige Problembewältigungsstrategien/

ungünstige Emotionsregulation: Hier wird mög-lichst konkret beschrieben, wie der Patient mit Problemen umgeht. Geht der Patient die Pro-bleme an oder umgeht oder vermeidet er eine Konfrontation damit? Kann er veränderbare Probleme lösen? Kann er nicht veränderbare Probleme aushalten? Insgesamt soll hier überlegt werden, ob die Strategien günstig sind und der Zielerreichung dienen oder ob sich durch die Art der Problemlösung ein neues Problem ergibt (z. B. Vermeidungsverhalten, Suchtverhalten, Interaktionsprobleme etc.).

Mit welchen Interventionen kann ich die Kom-petenzen des Patienten im Umgang mit Proble-men verbessern?

Mögliche Interventionen: Psychoedukation, Ana-lyse des Umgangs mit Problemen, Problemlöse-

vpp_02_2013_01.indb 408 06.05.2013 23:03:13

Page 11: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 409

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

techniken, Skills zur Emotionsregulation, Al-ternativen zu ungünstigem Verhalten wie Sucht, Vermeiden etc.

Die Einbindung des Systems des Patienten konnte als therapeutisch effektiv nachgewiesen werden (Sexton, Alexander & Mease, 2004). Familie und Freundeskreis kommen bei der Behandlung von Symptomen eine besondere Bedeutung zu, da ihre Unterstützung den Patienten motivieren und stabili-sieren kann. Eine Verbesserung familiärer Kommu-nikationsfertigkeiten unterstützt zudem die Bewäl-tigungskompetenzen des Patienten. Anderseits kann das System bei der Aufrechterhaltung von Symp-tomen eine dysfunktionale Rolle einnehmen, was in Therapiegesprächen aufgedeckt und in neuem Ver-halten eingeübt werden kann. Die Therapiebeziehung als Mediator beeinflusst das Therapieergebnis in systemischen Therapien ebenso wirkungsvoll wie in der Einzeltherapie. Auch Patienten- und Thera-peutenmerkmale wie Symptomausgangslage etc. stellen die gleichen Moderatoren dar wie für die Einzeltherapie bereits nachgewiesen (Friedlander, Escudero, Heatherington & Diamond, 2011; Sexton et al., 2004).

Interpersonelle Perspektive: Ungünstiges Beziehungsverhalten, ungünstige

aktuelle Beziehungen: Hier soll das Interakti-onsverhalten des Patienten möglichst konkret beschrieben werden. Wie gestaltet er seine Be-ziehungen? Wie verhält er sich? Erreicht er mit diesem Verhalten seine Ziele? Insgesamt soll hier überlegt werden, ob das Beziehungsverhal-ten des Patienten günstig ist oder sich durch die Art der Beziehungsgestaltung neue Probleme ergeben (aufrechterhaltende Faktoren).– Wie sieht das Beziehungsnetz des Patienten

aus? Welche Beziehungen, welche Aspekte von Beziehungen sind eine Ressource, wel-che sind problematisch?

– Mit welchen Interventionen kann ich das Beziehungsverhalten des Patienten verbes-sern?

– Wie kann ich hilfreiche Beziehungen ver-stärken, nutzen, ungünstige verändern?

Mögliche Interventionen: Paargespräche, Be-zugspersonen einladen, Interaktionsanalysen, Rollenspiele, CBASP etc.

Perspektive der Entwicklungsanforderungen: In welcher Lebenssituation befindet sich der

Patient? Welche „Aufgaben“ hat der Patient zu

bewältigen? Was muss er lernen? Hier soll be-schrieben werden, welche Anpassungsleistungen vom Patienten gefordert werden und welche Schritte bzw. Verhaltensweisen dazu notwendig sind, z. B. Eigenständigkeit, Ablösung, Akzep-tanz, Abgrenzung etc.

Eine Betrachtungsmöglichkeit ist die Einnahme der Lebensentwicklungsperspektive, wobei an-genommen wird, dass in Lebenszeiträumen unterschiedliche Lebensthemen im Vordergrund stehen, die Veränderungs- und Anpassungsleis-tungen erfordern (z. B. Ausbildung eigener Iden-tität, Beziehungsaufnahme in Adoleszenz, Eta-blierung in Beruf und Familienfrage im jungen Erwachsenenalter, Umgang mit Einschränkungen im Alter etc.). Veränderungs- und Anpassungs-leistungen können aber auch unvorhersehbare Ereignisse erfordern (z. B. Trennungen, Verluste, Krankheit, Kündigung etc.).

Phasen der Veränderung mit Anpassungsanfor-derungen erhöhen die Instabilität und können die Entstehung psychische Erkrankungen be-günstigen.

Mit welchen Interventionen kann ich Anpas-sungsleistungen des Patienten unterstützen?

Mögliche Interventionen: z. B. Eigenständigkeit: Unterstützung, wenn Patient eigene Schritte unternimmt, ihn dazu auffordern, ermutigen. Abgrenzung: Rollenspiele, Gruppe, Beziehungs-gestaltung etc.

Die Interaktion körperlichen Leidens mit Wohlbefin-den, psychischer Erkrankung und Therapieergebnis erscheint im Bereich der Psychosomatik und der somatoformen Störungen besonders deutlich (Martin & Rief, 2011). Zusätzliche Einschränkungen erleben zudem Patienten mit chronisch-somatischen Erkran-kungen, wobei die Arbeitsgruppe um Rief den mo-dulierenden Effekt von Psychotherapie nachweisen konnte (Glombiewski, Hartwich-Tersek & Rief, 2010). Patienten mit somatischen Erkrankungen können zu-dem psychische Beeinträchtigungen aufgrund orga-nischer Ursachen aufweisen, z. B. Schilddrüsen- und Koronarerkrankung oder Asthma (Altshuler et al., 2001; Larisch et al., 2004; Smith & Gerdes, 2012). Auch der Einfluss medikamentöser Behandlungen auf das Wohlbefinden wird diskutiert, wie z. B. Beta-Blocker (Bolling & Kohlenberg, 2004; Ko et al., 2002).

Ferner ist zu beachten, die therapeutischen In-terventionen an den psychischen Zustand der Pati-enten anzupassen, wie z. B. die Belastbarkeit bei einer Schwangerschaft.

vpp_02_2013_01.indb 409 06.05.2013 23:03:13

Page 12: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis410

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

Somatisch-biologische Perspektive: Welche körperlichen Erkrankungen, Probleme

sind beim Patienten vorhanden? Welche gene-tischen Vorbelastungen gibt es? Welche Medi-kamente (auch zu körperlichen Leiden) nimmt der Patient ein und wie wirken sich diese auf sein Befinden aus? Gibt es Interaktionseffekte? Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten? Können Abhängigkeiten (physisch und psy-chisch) entstehen? Hier werden alle körper-lichen/biologischen Aspekte beschrieben, die für den Patienten und dessen Behandlung von Bedeutung sind und die die psychische Erkran-kung mitbeeinflussen.

Mögliche Interventionen: Genaue diagnostische Abklärung, Pharmakotherapie, Psychoedukation, Interventionen zur Erhöhung der Compliance etc.

Eine FallvignetteDie Nutzung der Fallkonzeption wird im Folgenden anhand der Therapieplanung eines jungen Mannes veranschaulicht, der sich aufgrund von depressiven Symptomen in stationäre Behandlung begibt. Einige persönliche Daten wurden zum Zweck der Anonymi-sierung modifiziert.

Befunde: Problembereiche, Belastungen, Kon-flikte: Der Patient gibt an, unter depressiven Symp-tomen, insbesondere Antriebslosigkeit, Grübeln und Zukunftsängsten (Angst vor Jobverlust, Angst zu vereinsamen) zu leiden. Er berichtet von Konflikten am Arbeitsplatz, die er als „Mobbing“ erlebt. Ihm werde vorgeworfen, dass er im Umgang mit Mitar-beitenden aufbrausend und impulsiv sei. Privat lebe er isoliert, so dass er unter Einsamkeit leide und den Wunsch nach einer Beziehung habe. Es besteht ein Suchtmittelmissbrauch.

Persönlichkeitsstil/Schemata: Das Verhalten und die motivationalen Ziele zur Erfüllung der Grundbedürfnisse werden hier erfragt und mittels Plananalyse hypothesengeleitet interpretiert.

Im Gespräch fallen z. B. auf, dass der Patient nur zurückhaltend Auskunft über sich und seine Probleme gibt und auf Nachfragen gereizt reagiert. Er überprüft und hinterfragt Aussagen des Behand-lungsteams genau und es fällt ihm schwer, Bedin-gungen zu akzeptieren (z. B. dass das Behandlungs-team sich über sein Verhalten und das Vorgehen austauscht). Aus motivationaler Sicht dient dieses Verhalten zunächst dem Bedürfnis nach Kontrolle und könnte gleichzeitig in den Plänen begründet sein, sich niemandem anzuvertrauen, um Blamage und letztlich Zurückweisung zu vermeiden. Dadurch

kann der Selbstwert und das Bindungsbedürfnis geschützt werden. Weitere Verhaltensweisen zum Selbstwertschutz könnten sein, dass der Patient dazu neigt, anderen die Schuld zu geben, über „unge-rechte“ Behandlung klagt und ein Krankheitsmodell mit wenig Selbstverantwortlichkeit beschreibt („Ich hoffe, auf die Wirkung der Medikamente“, „die Ärzte müssen mir helfen“). Andere Verhaltenswei-sen zur Befriedigung und Schutz des Bindungsbe-dürfnisses könnten sein, dass der Patient im Kontakt mit Mitpatienten bevorzugt den Clown spielt, an-dere zu beeindrucken versucht und sich gleichzeitig um Mitpatienten kümmert, denen es nicht gut geht. Die Strategie, sich „von der positiven Seite zu zei-gen“, dient vermutlich dem Ziel, von anderen ge-mocht zu werden und sich Beziehung zu sichern. Verhaltensweisen, die dem Bedürfnis nach Lust/Vermeidung von Unlust dienen, könnten sein, dass der Patient dazu neigt, Unangenehmes hinauszu-schieben, wodurch er unangenehme, bedrohliche und unkontrollierbare Situationen, aber auch An-strengung (kurzfristig) vermeiden kann.

Behandlungsziele: Der Patient formuliert für sich als Therapieziel, nicht mehr depressiv zu sein, den Arbeitswiedereinstieg zu schaffen und einen besseren Umgang mit Konflikten zu erlernen. Gleich-zeitig fordert der Arbeitsgeber als Behandlungsziel, den Patienten wieder „arbeitsfähig“ und belastbarer zu machen. Die betagten Eltern des Patienten wün-schen sich, dass ihr Sohn, der häufig bei ihnen ist, mehr Eigenverantwortung übernehmen und sich mehr Unterstützung suchen sollte.

In der Therapie werden dann als gemeinsame Ziele definiert, einen günstigeren Umgang mit de-pressiven Symptomen zu finden sowie insbesonde-re Problemlöseverhalten und Emotionsregulation zu verbessern, um Belastungen und Konflikte frü-her zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu können.

Ressourcenaktivierung und Beziehungsge-staltung: Der Patient benötigt erstmals psychiat-rische Hilfe, hat sein Leben bisher trotz Belastungen weitgehend selbständig gemeistert. Er ist belesen, weiß viel, ist früher viel gereist, intelligent, genau und differenziert. Ressourcenaktivierung könnte beinhalten, die gesunden Phasen zu betonen, den Patienten über seinen früheren, günstigeren Umgang mit Problemen zu befragen und ihn generell viel über seine Interessen und Erfahrungen berichten zu lassen, um der depressiven Sichtweise eine realis-tischere entgegenzusetzen.

In der Beziehungsgestaltung sollte insbesondere dem Wunsch nach Kontrolle und Autonomie bei

vpp_02_2013_01.indb 410 06.05.2013 23:03:13

Page 13: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 411

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

Angst vor Blamage und Zurückweisung Rechnung getragen werden. Die Selbstbestimmung sollte also gestärkt werden, bedingungslose Akzeptanz, Rück-halt und Solidarität vermittelt werden. Eine spezi-fische motivorientierte Beziehungsgestaltung könnte so aussehen, dass dem Patienten viel Mitbestimmung über den Therapieprozess gegeben wird, dass er seine Vorschläge jederzeit einbringen und das „Tem-po“ vorgeben kann. Übernahme von Selbstverant-wortung, Selbstöffnung oder Eingestehen von Schwä-chen sollten verstärkt werden. Dem Patienten sollte vermittelt werden, dass der Therapeut hinter ihm steht, auch wenn ungünstige Verhaltensweisen (z. B. Impulsivität) nicht gut geheißen werden.

Störungsmodell und therapeutische Interven-tionen: Störungsmodell und therapeutische Inter-ventionen werden aus der Patienten- und der Thera-peutenperspektive erfragt.

Auffallend am Erklärungs- und Veränderungs-modell des Patienten ist, dass er wenig Eigenver-antwortlichkeit und eigene Einflussmöglichkeiten bezüglich Entstehung wie auch Veränderung der Probleme wahrnimmt: „Ich werde am Arbeitsplatz gemobbt. Die anderen haben etwas gegen mich. Die Probleme am Arbeitsplatz haben mich depressiv gemacht.“ Veränderung verspricht sich der Patient durch die Einnahme der „richtigen“ Medikamente und Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz. Hilfreich für die Behandlung könnte entsprechend sein, dass der Patient bereit sein wird, Medikamente regelmäßig einzunehmen, andererseits bedarf es einer Motivationsarbeit, um die Bereitschaft des Patienten zu erhöhen, eigene Verhaltensweisen kri-tisch zu hinterfragen und zu verändern, z. B. im Umgang mit Belastungen und Konflikten.

Im Entstehungs- und Veränderungsmodell des Therapeuten stehen als auslösende Faktoren die Dauerbelastung und damit Überforderung am Ar-beitsplatz sowie akute Stressoren wie Konflikte mit dem Vorgesetzten im Vordergrund. Gleichzeitig ist von einer familiären Vorbelastung hinsichtlich de-pressiven Reagierens auszugehen. Interaktionelle Schwierigkeiten (Impulsivität) scheinen für die Probleme am Arbeitsplatz mit verantwortlich zu sein.

Für die beschriebenen unterschiedlichen Entste-hungs- und Veränderungsmodelle zwischen Patient und Therapeut wäre es eine wichtige Intervention, ein gemeinsames Erklärungs- und Veränderungsmo-dell zu entwickeln und entsprechend daraus spezifisch die weiteren therapeutischen Interventio nen in ge-meinsamer Arbeit abzuleiten (z. B.: „Wenn mein Umgang mit Frustration und Wut zu Konflikten führt,

muss ich andere Möglichkeiten der Emotionsregu-lation erlernen“).

Als aufrechterhaltende Faktoren werden die Eigendynamik der Störung, Motivation und Syste-mik, Copingstrategien, Entwicklungsanforderungen und Somatik beschrieben.

Als Eigendynamik der Störung kann zunächst der selbstverstärkende Mechanismus der Depressi-vität beschrieben werden. Depressives Erleben führt zu Schwarz-Weiß-Denken, selektiver Wahrnehmung und Bewertung von Person, Situation und Interka-tion sowie Übergeneralisierungen, was Selbstab-wertung und Minderwertigkeitsgefühle fördert, soziale Unsicherheit und damit sozialen Rückzug verstärkt, die die Depressivität erhöhen. Selbstab-wertung, Soziale Unsicherheit und sozialer Rückzug können weiter den Umgang mit Konflikten erschwe-ren und zum Rückzug anderer Menschen führen, was als „Mobbing“ erlebt werden kann.

An therapeutischen Interventionen sind bewährte Techniken der kognitiv-behavioralen Depressions-behandlung (kognitive Umstrukturierung, positive Verstärkung, Aktivierung) denkbar. Ergänzend auf-grund der interpersonellen Probleme auch Interven-tionen im Umgang mit Konflikten, sozialer Kompe-tenz und Emotionsregulation (vgl. auch unten).

Aus motivationaler Perspektive steht beim Pa-tienten die ausgeprägte Angst vor Blamage, Schwä-che und Gefühlen von Minderwertigkeit im Vor-dergrund, bei gleichzeitigem Wunsch nach Rückhalt, Akzeptanz und Solidarität. Er meidet unvorherseh-bare oder Blamage auslösende Situationen.

Als Interventionsmöglichkeit könnte einerseits die therapeutische Beziehung genutzt werden, um dem Patienten korrektive Erfahrungen im Hinblick auf seine Annäherungs- und Vermeidungsziele zu ermöglichen. Der Therapeut könnte spezifisch darauf achten, dem Patienten Rückhalt zu geben, auch wenn er vom Patienten gegebenenfalls herausgefordert oder kritisiert wird. Er sollte darauf achten, den Patienten zunächst nicht in blamable Situationen zu bringen, Problemaktivierung gut zu dosieren und den Patienten immer wieder dann zu verstärken, wenn er sich öffnet, Eigenverantwortung übernimmt und Verletzlichkeit zulässt und nicht mit Angriff oder Selbstinszenierung überspielt. Andererseits könnten mit dem Patienten Entstehungsbedingungen der Angst vor Blamage erarbeitet und der Umgang damit be-sprochen werden.

Aus interpersoneller Perspektive (ungünstiges Beziehungsverhalten, ungünstige aktuelle Bezie-hungen) fällt zunächst auf, dass der Patient situations- und personenübergreifend ungünstige interpersona-

vpp_02_2013_01.indb 411 06.05.2013 23:03:13

Page 14: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis412

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

le Verhaltensweisen zeigt. Er wird am Arbeitsplatz im Umgang mit Mitarbeitern als aufbrausend und impulsiv erlebt, im Kontakt zum Behandlungsteam als misstrauisch und rechthaberisch. Im Austausch mit Mitpatienten fällt er als Spaßmacher auf, versucht andere zu beeindrucken und sich positiv darzustellen. All diesen Verhaltensweisen gemeinsam ist, dass er damit wenig Sympathien erweckt, gegebenenfalls andere zwar beeindruckt, aber vermutlich wenig nahe Beziehung herstellt. Sein Beziehungsverhalten löst eher Abwehr und Rückzug aus, so dass sich das Gefühl, nicht gemocht und ausgegrenzt zu werden (Mobbing), verstärkt.

Der Patient leidet unter Einsamkeit, verfügt über wenig soziale Kontakte. Es sind wenige Kollegen vorhanden, mit denen er sich in der Kneipe trifft. Die Beziehung zu den Eltern ist konflikthaft. Die (betagten) Eltern wünschen sich mehr Selbständig-keit des Sohnes und sind gleichzeitig in Sorge um ihn und verwöhnen ihn gerne zu Hause.

Mögliche therapeutische Interventionen könnten intendieren, dem Patienten mehr Bewusstsein für sein eigenes (problematisches) Beziehungsverhalten und dessen Wirkung auf andere zu vermitteln. Dies könnte z. B. in konkreten interpersonalen Situati-onsanalysen, in Rollenspielen oder Videoanalysen gewonnen werden. Gleichzeitig könnte der Patient alternative Verhaltensweisen identifizieren und ein-üben. Ungünstige interpersonelle Beziehungsmuster und unterschiedliche Beziehungserwartungen sind häufig wirkungsvoll im Mehrpersonensetting an-zugehen. Einerseits sinnvoll könnten entsprechend gruppentherapeutische Interventionen sein, z. B. soziales Kompetenztraining oder interpersonelle Gruppentherapien der Depression wie z. B. CBASP in der Gruppe (Cognitive Behavior Analysis System of Psychotherapy), andererseits könnten Angehöri-gengespräche mit den Eltern oder dem Arbeitsgeber des Patienten geplant werden.

Im Bereich der dysfunktionalen Bewältigungs-strategien (Coping) ist zunächst der übermäßige Alkoholkonsum des Patienten zu benennen. Gene-rell ist festzustellen, dass der Patient über wenige günstige Strategien verfügt, unangenehme Gefühle (insbesondere Ärger, Minderwertigkeitsgefühl und Einsamkeitsgefühle) auszuhalten oder zu verändern. Es fällt ihm schwer, Gefühle zu identifizieren, bei Schwierigkeiten verharrt er lageorientiert, um dann schließlich impulsiv zu reagieren. Es fällt ihm schwer, Probleme anzusprechen und sich Unterstützung zu suchen und anzunehmen.

Therapeutische Interventionen würden beinhal-ten, zunächst den Umgang des Patienten mit Proble-

men zu analysieren und dysfunktionale von funkti-onalen Strategien abzugrenzen. Sinnvoll könnte ein Training emotionaler Kompetenzen sein. Es sollten Alternativen zum Alkoholmissbrauch bei emotionaler Labilität erarbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit wäre, das Hilfesuch- und Unterstützungsverhalten des Patienten zu verbessern, z. B. anhand der Erfah-rungen, die der Patient in der Therapie und mit dem Therapeuten macht.

Als Entwicklungsanforderung für den Patienten könnte beschrieben werden, seinen Selbstwert und seine Lebenszufriedenheit nicht nur über die Arbeit zu definieren und vom Erfolg im Beruf abhängig zu machen. Es gilt, die Kompetenz zu entwickeln, die ganz persönlichen Lebenswerte und Ideale zum Maßstab zu nehmen, ohne sich von den Beurtei-lungen anderer abhängig zu machen.

Als therapeutische Interventionen könnte mit dem Patienten in der Therapie seine persönliche Werteskala exploriert werden, es könnten Erfolg und Zufriedenheit ausdifferenziert werden und ge-nerell selbstwertstärkende, z. B. ressourcenaktivie-rende, Interventionen gefördert werden. Weiter könnte die therapeutischen Beziehung genutzt wer-den, um nicht-leistungsbezogenes, nicht-konkurrie-rendes Verhalten zu verstärken, z. B. wenn der Pa-tient sich empathisch oder selbstfürsorglich verhält.

In Bezug auf die somatischen bzw. biologischen Aspekte der Behandlung sind zunächst die Wir-kungen der Pharmakotherapie zu berücksichtigen. Aufgrund von Einschlafproblemen wurde eine Be-handlung mit Mirtazapin begonnen. Ungünstige Auswirkungen könnten sich einerseits bezüglich zusätzlicher Gewichtszunahme ergeben, da der Patient bereits leichtes Übergewicht hat. Anderer-seits könnte durch Mirtazapin die zentral-dämpfen-de Wirkung von Alkohol verstärkt werden bei gleich-zeitigem Alkoholkonsum. Ansonsten zeigt sich der Patient in der somatischen Untersuchung gesund, wenn auch mit seinem Gewicht nicht zufrieden; er möchte mehr Sport treiben.

Zu den somatisch biologischen Aspekten würde ebenfalls die Hypothese einer genetischen Vorbe-lastung für depressive Erkrankungen gehören, die beim Patienten anzunehmen ist, da depressive Stö-rungen in dessen Familie gehäuft auftreten.

Wichtige therapeutische Interventionen wären die Aufklärung des Patienten bezüglich Wirkung und Nebenwirkungen der Pharmakotherapie, im Fallbeispiel sollten insbesondere die Auswirkungen von Mirtazipin auf Appetit und Gewichtszunahme einerseits, andererseits die verstärkende Wirkung bei Alkoholkonsum thematisiert werden. Generell

vpp_02_2013_01.indb 412 06.05.2013 23:03:13

Page 15: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 413

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

könnte der Patient für ein Bewegungs- und Sport-programm gewonnen werden.

FazitAuf Basis der Patientenangaben über Lebensge-schichte und Entstehungsbedingungen der Symptome wird ein Störungs- und Erklärungsmodell aufgestellt, das eine Vielfalt von Informationen über die Person aufgrund unterschiedlicher Perspektiven integriert. Die Verankerung therapeutischer Interventionen mit der empirischen Befundlage zu ihrer Wirksamkeit spielt dabei eine besondere Rolle. Die Notwendigkeit einer individualisierten Therapieplanung unter Be-rücksichtigung der Patientensicht wurde bereits durch die Arbeitseinheit um Grawe (Itten et al., 2004) vorgeschlagen. Empirisch gestützt wurde der Ansatz der differentiellen Therapieplanung von Grawe, Cas-par und Ambühl (1990) in einer großen Vergleichs-studie, in der die Überlegenheit eines patientenorien-tierten Psychotherapieansatzes mit einer motivori-entierten Beziehungsgestaltung aufgezeigt wurde. In einem experimentellen Versuchsplan konnten Grosse Holtforth, Grawe, Fries und Znoj (2008) aufzeigen, dass bei höherem Inkonsistenzerleben der Patienten die Allgemeine Psychotherapie, die zusätz-lich motivationale Klärung beinhaltet, einer störungs-spezifischen Therapie überlegen ist. Gleichzeitig fanden sich jedoch keine Unterschiede hinsichtlich wahrgenommener Güte der Therapiebeziehung durch Patienten und Therapeuten, Einsatz bewältigungs-orientierter Techniken und Therapieerfolg (Symp-tombelastung, Wohlbefinden, interpersonale Proble-me) in den beiden Bedingungen.

Ziel war es, eine Therapieplanung zu erstellen, die integrativ, schulen- und störungsunabhängig anwendbar ist. Die vorgeschlagene Fallkonzeption schließt die Patienten- und die Therapeutenperspek-tive ein und es werden empirisch gesicherte und für den praktischen Alltag einsetzbare Therapiemetho-den und allgemeine Wirkfaktoren angewandt. Die Fallkonzeption wird den Kriterien der differentiellen Indikation sowie einer individualisierten Therapie-planung gerecht. Im alltäglichen stationären und ambulanten Psychotherapiesetting fehlen die zeit-lichen und personellen Ressourcen für eine sehr ausführliche Therapieplanung, so dass die vorge-schlagene kürzere Variante für den erfahrenen The-rapeuten eine Alternative bietet. Praktische Erfah-rungen mit der Therapieplanung gemäß vorgeschla-gener Fallkonzeption wurden bisher in zwei psy-chiatrischen Kliniken im Raum Zürich gemacht, wobei sie als konzeptuelles Rahmenmodell einer

interdisziplinären integrativ-psychiatrischen Be-handlung dient (Tschitsaz & Poppe, 2012). Eine Anwendung der Fallkonzeption mit Modifikation für das Burnout-Syndrom wird derzeit realisiert (Ballweg, Seeher, Tschitsaz, Bridler & Cattapan, in review).

LiteraturAltshuler, L. L., Bauer, M., Frye, M. A., Gitlin, M. J., Mintz,

J., Szuba, M. P., Leight, K. L. & Whybrow, P. C. (2001). Does thyroid supplementation accelerate a tricyclic antidepressant response? A review and metaanalysis of the literature. American Journal of Psychiatry, 158, 1617–1622.

Arnkoff, D., Glass, C. & Shapiro, S. (2002). Expectations and preferences. In J. C. Norcross (Ed.), Psycho-therapy relationships that work: evidencebased responsiveness (pp. 325–46). New York: Oxford University Press.

Ballweg, T., Seeher, C., Tschitsaz, A., Bridler, R. & Catta-pan, K. (in review). SymBalance: Ein theorieba-siertes, integratives Therapiekonzept zur Be-handlung von Burnout. Swiss Archives of Neu-rology and Psychiatry.

Baskin, T. W., Tierney, S. C., Minami, T. & Wampold, B. E. (2003). Establishing specificity in psycho-therapy: a meta-analysis of structural equivalence of placebo controls. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 71 (6), 973–979.

Berger, T. & Caspar, C. (2009). Gewinnt die Psychothe-rapie durch die neurobiologische Erforschung ihrer Wirkmechanismen? Zeitschrift für Psychia-trie, Psychologie und Psychotherapie, 57 (2), 77–85.

Berking, M., Poppe, C., Luhmann, M., Wuppermann, P., Jaggi, V. & Seifritz, E. (2012). Is the association between various emotion-regulation skills and mental health mediated by the ability to modify emotions? Journal of Behavior Therapy and Ex-perimental Psychiatry, 43, 931–937.

Bhui, K. & Bhugra, D. (2002). Explanatory models for mental distress: implications for clinical practice and research. British Journal of Psychiatry, 181, 6–7.

Bolling, M. & Kohlenberg, R. J. (2004). Reasons for quit-ting serotonin re-uptake inhibitor therapy: para-doxical psychological side effects and patient satisfaction. Psychotherapy and Psychosomatics, 73 (6), 380–385.

Bordin, E. S. (1994). Theory and research on the thera-peutic working alliance: new directions. In A. O. Horvath & L. S. Greenberg (Eds.), The working

vpp_02_2013_01.indb 413 06.05.2013 23:03:13

Page 16: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis414

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

alliance: theory, research, and practice (pp. 13–37). New York: Wiley.

Carver, C. S. & Scheier, M. F. (1998). The self-regulation of behavior. Hillsdale, NJ: Erlbaum.

Caspar, F. (2009). Plananalyse und Schema-Analyse. Ver-haltenstherapie & Verhaltensmedizin, 30, 24–34.

Caspar, F. & Berger, T. (2011). Allgemeine Psychotherapie, In B. Dulz, S. C. Herpertz, O. F. Kernberg & U. Sachse (Hrsg.), Handbuch der Borderline-Störungen (2. Aufl.) (S. 667–680). Stuttgart: Schattauer.

Caspar, F. & Grosse Holtforth, M. (2009). Responsiveness – eine entscheidende Prozessvariable in der Psy-chotherapie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 38, 61–69.

Caspar, F., Grossmann, C., Unmüssig, C. & Schramm, E. (2005). Complementary therapeutic relationship: therapist behavior, interpersonal patterns, and therapeutic effects. Psychotherapy Research, 15, 91–102.

Castonguay, L. G. & Beutler L. E. (2006). Principles of therapeutic change that work. Oxford: Univer-sity Press.

Chambless, D. L. & Ollendick, T. H. (2001). Empirically supported psychological interventions: contro-versies and evidence. Annual Review of Psycho-logy, 52, 685–716.

Crits-Christoph, P., Connolly Gibbons, M. B., Barber, J. P., Hu, B., Hearon, B., Worley, M. & Gallop, R. (2007). Predictors of sustained abstinence during psychosocial treatments for cocaine dependence. Psychotherapy Research, 17 (2), 250–263.

Diener, E. & Lucas, R. E. (1999). Personality and subjec-tive well-being. In D. Kahnemann, E. Diener & N. Schwarz (Eds.), Well-being: the foundations of hedonic psychology (pp. 213–229). New York: Russell Sage Foundation.

Döpfner, M., Kinnen, C. & Petermann, F. (2010). Aktuelle Kontroverse. Kindheit & Entwicklung, 19 (2), 129–138.

Eckert, J., Frohburg, I. & Kriz, J. (2004). Therapiewechs-ler. Psychotherapeut, 49, 415–426.

Elliott, R., Bohart, A. C., Watson, J. C. & Greenberg, L. S. (2011). Empathy. In J. C. Norcross (Ed.), Psycho-therapy relationships that work: evidence-based responsiveness (2nd Ed.) (pp. 132–152). New York: Oxford University Press.

Elliot, A. J. & Thrash, T. M. (2002). Approach-avoidance motivation in personality. Approach and avoi-dance temperaments and goals. Journal of Per-sonality and Social Psychology, 82, 804–818.

Epstein, S. (1990). Cognitive-experiential self theory. In L. A. Pervin (Ed.), Handbook of personality (pp. 165–192). New York: Guilford.

Fässler, M., Meissner, K., Schneider, A., Linde, K. (2010). Frequency and circumstances of placebo use in clinical practice: a systematic review of empiri-cal studies. BMC Medicine, 8, 15.

Fiedler, P. (2003). Integrative Psychotherapie bei Persön-lichkeitsstörungen. Göttingen: Hogrefe.

Flückiger, C., Caspar, F., Grosse Holtforth, M. & Willutz-ki, U. (2009). Working with the patient’s strengths: a micro-process approach. Psychotherapy Re-search, 19, 213–223.

Flückiger, C., Del Re, A. C., Wampold, B. E., Symonds, D. & Horvath, A. O. (2011). How central is the alliance in psychotherapy? A multilevel longitu-dinal meta-analysis. Journal of Counseling Psy-chology, 59 (1), 10–17.

Friedlander, M., Escudero, V., Heatherington, L. & Dia-mond, G. (2011). Alliance in couple and family therapy. In J. C. Norcross (Ed.), Psychotherapy relationships that work: evidence-based respon-siveness (2nd Ed.) (pp. 132–152). New York: Ox-ford University Press.

Ghane, S., Kolk, A. & Emmelkamp, P. (2010). Assessment of explanatory models of mental illness: effects of patient and interviewer characteristics. Social Psychiatry and Epidemiology, 45, 175–182.

Glombiewski, J. A., Hartwich-Tersek, J. & Rief, W. (2010). Depression in chronic pain: prediction of pain intensity and pain disability in cognitive-beha-vioral treatment. Psychosomatics, 51, 130–136.

Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen: Ho-grefe.

Grawe, K., Caspar, F. & Ambühl, H. (1990). Die Berner Therapievergleichsstudie: Wirkungsvergleich und differentielle Indikation. Zeitschrift für Kli-nische Psychologie, 19 (4), 338–361.

Gray, J. A. & McNaughton, N. (2003). The neuropsychology of anxiety: an enquiry into the functions of the septo-hippocampal system. Oxford: University Press.

Grosse Holtforth, M. (2008). Early career award: avoidance motivation in psychological problems and psy-chotherapy. Psychotherapy Research, 18 (2), 147–159.

Grosse Holtforth, M. & Castonguay, L. G. (2007). Bezie-hungen und Techniken in der Kognitiven Verhal-tenstherapie – ein motivorientierter Ansatz. Ver-haltenstherapie & psychosoziale Praxis, 39 (2), 335–350.

Grosse Holtforth, M. & Grawe, K. (2004). Inkongruenz-analyse und Fallkonzeption in der Psycholo-gischen Therapie. Verhaltenstherapie & psycho-soziale Praxis, 36 (1), 9–21.

Grosse Holtforth, M., Grawe, K., Fries, A. & Znoj, H. (2008). Inkonsistenz als differenzielles Indika-

vpp_02_2013_01.indb 414 06.05.2013 23:03:13

Page 17: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 415

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

tionskriterium in der Psychotherapie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 37 (2), 103–111.

Grosse Holtforth, M., Krieger, T., Bochsler, K. & Mauler, B. (2011). The prediction of psychotherapy suc-cess by outcome expectations in inpatient psy-chotherapy. Psychotherapy and Psychosomatics, 80, 321–322.

Herbert, J. D. & Gaudiano, B. A. (2005). Moving from empirically supported treatment lists to practice guidelines in psychotherapy: the role of the place-bo concept. Journal of Clinical Psychology, 61 (7), 893–908.

Horvath, A. O., Del Re, A. C., Flückiger, C. & Symonds, D. (2011). Alliance in individual psychotherapy. In J. C. Norcross (Ed.), Psychotherapy relation-ships that work: evidence-based responsiveness (2nd Ed.) (pp. 25–69). New York: Oxford Univer-sity Press.

Ilardi, S. & Craighead, W. (1999). Rapid early response, cognitive modification, and non-specific factors in cognitive behavior therapy for depression: a reply to Tang and DeRubeis. Clinical Psycholo-gy: Science and Practice, 6, 295–299.

Itten, S., Trösken, A. & Grawe, K. (2004). Fallkonzeption und Therapieplanung in der Psychologischen Therapie: ein Beispiel. Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis, 36 (1), 23–40.

Kämmerer, A., Wahl, H.-W., Becker, S., Kaspar, R., Him-melsbach, I., Holz, F. & Miller, D. (2006). Psy-chosoziale Unterstützung von älteren Menschen mit einer chronischen Sehbeeinträchtigung. Zeit-schrift für Gesundheitspsychologie, 14 (3), 95–105.

Kanfer, F. H., Reinecker, H. & Schmelzer, D. (2006). Selbstmanagementtherapie. Heidelberg: Springer.

Kazdin, A. E. (2007). Mediators and mechanisms of chan-ge in psychotherapy research. Annual Review of Clinical Psychology, 3 (1), 1–27.

Kelly, M. A. R., Cyranowski, J. M. & Frank, E. (2007). Sudden gains in interpersonal psychotherapy for depression. Behaviour Research and Therapy, 45 (1), 2563–2572.

Kelly, M. A. R., Morse, J. Q., Stover, A., Hofkens, T., Huisman, E., Shulman, S., Eisen, S. V., Becker, S., Weinfurt, K., Boland, E. & Pilkonis, P. A. (2011). Describing depression: congruence bet-ween patient experiences and clinical assess-ments. British Journal of Clinical Psychology, 50 (1), 46–66.

Ko, D. T., Hebert, P. R., Coffey, C. S., Sedrakyan, A., Curtis, J. P. & Krumholz, H. M. (2002). Beta-blocker therapy and symptoms of depression,

fatigue, and sexual dysfunction. JAMA, 288, 351–357.

Kramer, U., Berger, T., Kolly, S., Marquet, P., Preisig, M., de Roten, Y., Despland, J. & Caspar, F. (2011). Effects of motive-oriented therapeutic relation-ship in early-phase treatment of borderline per-sonality disorder. The Journal of Nervous and Mental Disease, 199 (4), 244–250.

Kupper, Z. & Tschacher, W. (2006). Anwendung – Effek-tivität – Aufrechterhaltung. Zeitschrift für Kli-nische Psychologie und Psychotherapie, 35 (4), 276–285.

Lambert, M. J. & Ogles, B. M. (2004). The efficacy and effectiveness of psychotherapy. In M. J. Lambert (Ed.), Bergin and Garfield’s handbook of psy-chotherapy and behavior change (5th Ed.) (pp. 139–193). New York: Wiley.

Lambert, M. J. & Shimokawa, K. (2011). Collecting client feedback. In J. C. Norcross (Ed.), Psychotherapy relationships that work: evidence-based respon-siveness (2nd Ed.) (pp. 203–223). New York: Ox-ford University Press.

Larisch, R., Kley, K., Nikolaus, S., Sitte, W., Franz, M., Hautzel, H., Tress, W. & Müller, H. W. (2004). Depression and anxiety in different thyroid func-tion states. Hormone and Metabolic Research, 36, 650–653.

Lauterbach, W. & Newman, C. (1999). Computerized intrapersonal conflict assessment in cognitive therapy. Clinical Psychology & Psychotherapy, 6, 357–374.

Lutz, W., Lambert, M. J., Harmon, C. J., Tschitsaz, A., Schürch, E. & Stulz, N. (2006). The probability of treatment success, failure and duration: what can be learned from empirical data to support decision making in clinical practice? Clinical Psychology & Psychotherapy, 13 (4), 223–232.

Lutz, W. & Tschitsaz, A. (2007). Plötzliche Gewinne und Verluste im Behandlungsverlauf von Angststö-rungen, depressiven und komorbiden Störungen. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psy-chotherapie, 36 (4), 298–308.

Martin, A. & Rief, W. (2011). Relevance of cognitive and behavioral factors in medically unexplained syn-dromes and somatoform disorders. Psychiatric Clinics of North America, 34, 565–578.

McCullough, J. P. (2000). Treatment for chronic depres-sion: cognitive behavioral analysis system of psychotherapy. New York: Guilford.

Noeker, M. & Petermann, F. (2008). Resilienz: Funktionale Adaptation an widrige Umgebungsbedingungen. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psy-chotherapie, 56 (4), 255–263.

vpp_02_2013_01.indb 415 06.05.2013 23:03:13

Page 18: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis416

Originalia armita tschitsaz & christOph stucki

Norcross, J. N. & Lambert, M. J. (2011). Evidence-based therapy relationships. In J. C. Norcross (Ed.), Psychotherapy relationships that work (pp. 3–24). New York: Oxford University Press.

Orlinsky, D. E., Rønnestad, M. H. & Willutzki, U. (2004). Fifty years of psychotherapy process-outcome research: continuity and change. In M. J. Lambert (Ed.), Bergin and Garfield’s handbook of psy-chotherapy and behavior change (5th Ed.) (pp. 307–390). New York: Wiley.

Pfammatter, M. & Tschacher, W. (2012). Wirkfaktoren der Psychotherapie – eine Übersicht und Stand-ortbestimmung. Zeitschrift für Psychiatrie, Psy-chologie und Psychotherapie, 60 (1), 67–76.

Raz, A., Campbell, N., Guindi, D., Holcroft, C., Déry, C. & Cukier, O. (2011). Placebos in clinical practice: com-paring attitudes, beliefs, and patterns of use between academic psychiatrists and nonpsychia trists. La Re-vue Canadienne de Psychiatrie, 56 (4), 198–208.

Sachse, R., Püschel, O., Fasbender, J. & Breil, J. (2008). Klärungsorientierte Schemabearbeitung – Dys-funktionale Schemata effektiv verändern. Göt-tingen: Hogrefe.

Schulte, D. (2005). Messung der Therapieerwartung und Therapieevaluation von Patienten (PATHEV). Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psy-chotherapie, 34 (3), 176–187.

Schulz, H., Lotz-Rambaldi, W., Koch, U., Jürgen, R. & Rüddel, H. (1999). Ein-Jahres-Katamnese statio-närer psychosomatischer Rehabilitation nach differenzieller Zuweisung psychoanalytisch oder verhaltenstherapeutisch orientierter Behandlung. Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie, 49, 114–130.

Sexton, T. L., Alexander, J. & Mease, A. (2004). Levels of evidence for the models and mechanisms of therapeutic change in family and couple therapy. In M. J. Lambert (Ed.), Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior chan-ge (5th Ed.) (pp. 139–193). New York: Wiley.

Smith D. F. & Gerdes L. U. (2012). Meta-analysis on an-xiety and depression in adult celiac disease. Acta Psychiatrica Scandinavica, 125, 189–193.

Stangier, U., Ukrow, U., Schermelleh-Engel, K., Grabe, M. & Lauterbach, W. (2007). Intrapersonal con-flict in goals and values of patients with unipolar depression. Psychotherapie and Psychosomatics, 76, 162–170.

Strauß, B. & Burgmeier-Lohse, M. (1995). Merkmale der „Passung“ zwischen Therapeut und Patient als Determinante des Behandlungsergebnisses in der stationären Gruppentherapie. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin, 41, 127–140.

Stucki, C. (2004). Die Therapiebeziehung differentiell gestalten. Bern: unveröffentlichte Dissertation.

Stucki, C. (2008). Motivorientierte Beziehungsgestaltung – Konsistenztheoretischer und neuropsychothe-rapeutischer Hintergrund, Anforderungen und Handlungsanweisungen für Therapeuten. In M. Hermer & B. Röhrle (Hrsg.), Handbuch der therapeutischen Beziehung. Tübingen: dgvt-Verlag.

Sulz, S. K. D., Heiss, D., Linke, S., Nützel, A., Hebing, M. & Hauke, G. (2011). Schemaanalyse und Funk-tionsanalyse in der Verhaltensdiagnostik: Eine empirische Studie zu Überlebensregel und Re-aktionskette zum Symptom. Psychotherapie in Psychiatrie, Psychotherapeutischer Medizin und Klinischer Psychologie, 16 (1), 143–157.

Swift, J. K., Callahan, J. L. & Vollmer, B. M. (2011). Pre-ferences. In J. C. Norcross (Ed.), Psychotherapy relationships that work (pp. 301–315). New York: Oxford University Press.

Trachsel, M., Gurtner, A., von Känel, M. L. & Grosse Holtforth, M. (2010). Keep it in or let it out? Swiss Journal of Psychology, 69 (3), 141–146.

Trijsburg, R. W., Lietaer, G. C. F. J., Gorlee, M., Klouwer, E., Hollander, A. M. den & Duivenvoorden, H. J. (2002). Development of the Comprehensive Psy-chotherapeutic Interventions Rating Scale (CPIRS). Psychotherapy Research, 12, 287–317.

Tschitsaz, A. & Lutz, W. (2009). Identifikation und Auf-klärung von Veränderungssprüngen im indivi-duellen Psychotherapieverlauf. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 38 (1), 13–23.

Tschitsaz, A. & Poppe, C. (2012). Psychotherapie im Sanatorium Kilchberg – Ein Konzept. Kilchberg, unveröffentlichtes Dokument.

Tschuschke, V. (2005). Die Psychotherapie in Zeiten evidenzbasierter Medizin: Fehlentwicklungen und Korrekturvorschläge. Psychotherapeuten-journal, 2, 106–115.

Wampold, B. E. (2007). Psychotherapy: the humanistic (and effective) treatment. American Psychologist, 62 (8), 857–873.

Willutzki, U. & Koban, C. (2004). Enhancing motivation for psychotherapy: the elaboration of positive perspectives (EPOS) to develop patients‘ goal structure. In M. Cox & E. Klinger (Eds.), Hand-book of motivational counselling (pp. 337–356). Chichester: Wiley.

Znoj, H., Nick, L. & Grawe, K. (2004). Intrapsychische und interpersonale Regulation von Emotionen im Therapieprozess. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 33 (4), 261–269.

vpp_02_2013_01.indb 416 06.05.2013 23:03:14

Page 19: WIRKFAKTORENGESTÜTZTE FALLKONZEPTI S TA … · Argumente für eine differentielle Therapieplanung, indem der individuelle Patient die passenden Wirk-prinzipien erhält. Der Vorteil

45. Jg. (2), 399-417, 2013 417

OriginaliaWirkfaktOrengestützte fallkOnzeptiOn und therapieplanung

Zu den AutorInnenDr. Armita Tschitsaz war bis 2005 Forschungsassis-tentin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Bern und hat derzeit die Fachstelle Psychotherapie am Sanatorium Kilch-berg inne. Zusätzlich ist sie als Supervisorin und Dozentin tätig. Ihre Schwerpunkte sind Psychothera-pie für Depressionen und CBASP, Persönlichkeitsstö-rungen, Therapie und Prävention von Burnout, The-rapieplanung und Psychotherapieverlaufsforschung.

Dr. Christoph Stucki war bis 2005 Assistent am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychothe-rapie der Universität Bern und von 2005 bis 2011 Leitender Psychologe der Klinik am Zürichberg in Zürich. Derzeit arbeitet er als Leitender Psychologe

der Poliklinik für Psychiatrie der Universitären Psy-chiatrischen Dienste Bern. Zusätzlich ist er als Su-pervisor und Dozent tätig. Seine Schwerpunkte sind therapeutische Beziehungsgestaltung, Therapiepla-nung, Psychotherapie für Depressionen, CBASP und Persönlichkeitsstörungen.

KorrespondenzadresseDr. phil. Dipl.-Psych. Armita TschitsazFachstelle PsychotherapieSanatorium KilchbergAlte Landstr. 708802 KilchbergSchweizE-Mail: [email protected]

vpp_02_2013_01.indb 417 06.05.2013 23:03:14