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1150 Deutscher Bundestag Protokoll 17/73 17. Wahlperiode 752 - 2401 Öffentliche Anhörung Ausschuss für Arbeit und Soziales Wortprotokoll 73. Sitzung Berlin, Montag, dem 05. September 2011, 11:00 Uhr Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal MELH 3.101 Vorsitz: Abg. Katja Kipping (DIE LINKE.) Tagesordnung Einziger Punkt der Tagesordnung .................. 1153 Öffentliche Anhörung von Sachverständigen a) Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (BT-Drucksache 17/6277) Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend), Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno- logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, b) Antrag der Abgeordneten Katja Mast, Gabriele Lösekrug-Möller, Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Arbeitsmarktpolitik an den Herausforderungen der Zeit orientieren - Weichen für gute Arbeit, Vollbeschäftigung und Fachkräftesicherung stellen (BT-Drucksache 17/6454) Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend), Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno- logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung, c) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Agnes Alpers, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig finanzieren (BT-Drucksache 17/5526) Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend), Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno- logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung, d) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Arbeitsmarktpolitik - In Beschäftigung und Pers- pektiven investieren statt Chancen kürzen (BT- Drucksache 17/6319) Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend), Haushaltsausschuss

Vorsitz: Abg. Katja Kipping (DIE LINKE.) - Sozialpolitik · tematik behalten konnten. Das war aber für Arbeit-nehmer und Arbeitgeber wie auch für Träger natür-lich schwieriger

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1150

Deutscher Bundestag Protokoll 17/7317. Wahlperiode752 - 2401

Öffentliche Anhörung

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Wortprotokoll

73. Sitzung

Berlin, Montag, dem 05. September 2011, 11:00 UhrPaul-Löbe-Haus, Sitzungssaal MELH 3.101

Vorsitz: Abg. Katja Kipping (DIE LINKE.)

T a g e s o r d n u n g

Einziger Punkt der Tagesordnung .................. 1153

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

a) Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der

Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

(BT-Drucksache 17/6277)

Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend),Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno-logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,

b) Antrag der Abgeordneten Katja Mast, Gabriele

Lösekrug-Möller, Anette Kramme, weiterer

Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Arbeitsmarktpolitik an den Herausforderungen

der Zeit orientieren - Weichen für gute Arbeit,

Vollbeschäftigung und Fachkräftesicherung

stellen (BT-Drucksache 17/6454)

Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend),Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno-logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss für Bildung, For-schung und Technikfolgenabschätzung,

c) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann,

Agnes Alpers, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter

und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig

finanzieren (BT-Drucksache 17/5526)

Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend),Haushaltsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft und Techno-logie, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-schätzung,

d) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus

Kurth, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter

und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitsmarktpolitik - In Beschäftigung und Pers-

pektiven investieren statt Chancen kürzen (BT-

Drucksache 17/6319)

Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend),Haushaltsausschuss

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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Anwesenheitsliste*

Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder des Ausschusses Stellv. Mitglieder des Ausschusses

CDU/CSU

Brehmer, HeikeConnemann, GittaDörflinger, ThomasHeinrich, FrankLange, UlrichLehrieder, PaulLinnemann, CarstenMichalk, MariaSchiewerling, KarlStraubinger, MaxWeiß (Emmendingen), PeterZimmer, Dr. Matthias

SPD

Hiller-Ohm, GabrieleJuratovic, JosipKramme, AnetteKrüger-Leißner, AngelikaLösekrug-Möller, GabrieleMast, KatjaSchmidt (Eisleben), Silvia

FDP

Blumenthal, SebastianKober, PascalKolb, Dr. Heinrich LeonhardVogel (Lüdenscheid), Johannes

DIE LINKE

Birkwald, Matthias W.Kipping, KatjaKrellmann, JuttaZimmermann, Sabine

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kurth, MarkusMüller-Gemmeke, BeatePothmer, Brigitte

andere Ausschüsse

Alpers, Agnes (DIE LINKE.)

Ministerien

Baur, RD Ulrich (BK)Brauksiepe, PStS Dr. Ralf (BMAS)Davids, Sabine (BPA)Göggel, RRin Kathrin (BMAS)Hohner, Ref. Sören (BMAS)Kasten, RDin Susanne (BPA)Kessel, RD Thomas (BMAS)Lau, VAe Beate (HH)Müller, RR Markus (BMAS)Pfeiffer, RRin Antje (BMAS)Rösner, ROin Stefanie (BMAS)Solka, ORRin Simone (BMAS)Stern, AR Marco (BMAS)Strifler, RD Bernhard (BMAS)Weber-Wittkopp, OARin Angelika (BMAS)Zenke, SB Christina (BMAS)

*) Der Urschrift des Protokolls ist die Liste der Unterschriften beigefügt.

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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Fraktionen

Arndt, Dr. Joachim (SPD-Fraktion)Bechtold, Jörg (DIE LINKE.)Hinkel, Heidemarie (Fraktion DIE LINKE.)Köppen, Kirsten (CDU/CSU-Fraktion)Landmann, Jan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Noll, Dr. Dorothea (FDP-Fraktion)Oeburg, ORRin Patricia (CDU/CSU-Fraktion)Rogowski, Thomas (CDU/CSU)

Bundesrat

Cremer, RRin Catrin (BE)Hofmann, VAe Janika (NRW)Kliemann, ROARin Gabriele (ST)Mußler, RD Monika (BMVBS)Mysegades, RDin Birgit (NDS)Schmidt, ORRin Vera (RP)Tschan, Lilian (BW)Walz, SRin Mechthild (HB)

Sachverständige

Adamy, Dr. Wilhelm (Deutscher Gewerkschaftsbund)Cremer, Prof. Dr. Georg (Deutscher Caritasverband)Dannenbring, Jan (Zentralverband des Deutschen Handwerks)Dercks, Dr. Achim (Deutscher Industrie- und Handelskammertag)Hofmann, Tina (Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.)Keller, Markus (Deutscher Landkreistag)Knorr, Rudolf (Bundesagentur für Arbeit)Knuth, Prof. Dr. MatthiasKoch, Dr. Susanne (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)Möller, Prof. Dr. Joachim (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)Nackmayr, Tanja (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)Rosenthal, Peer (Arbeitnehmerkammer Bremen)Schubert, Dr. Marlene (Zentralverband des Deutschen Handwerks)Wuttke, Dr. Jürgen (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)Zwickert, Petra (Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege)

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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73. Sitzung

Beginn: 11.00 Uhr

Einziger Punkt der Tagesordnung

Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

a) Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der

Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

(BT-Drucksache 17/6277)

b) Antrag der Abgeordneten Katja Mast, Gabriele

Lösekrug-Möller, Anette Kramme, weiterer

Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Arbeitsmarktpolitik an den Herausforderungen

der Zeit orientieren - Weichen für gute Arbeit,

Vollbeschäftigung und Fachkräftesicherung

stellen (BT-Drucksache 17/6454)

c) Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann,

Agnes Alpers, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter

und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitsmarktpolitik neu ausrichten und nachhaltig

finanzieren (BT-Drucksache 17/5526)

d) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus

Kurth, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter

und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitsmarktpolitik - In Beschäftigung und

Perspektiven investieren statt Chancen kürzen

(BT-Drucksache 17/6319)

Vorsitzende Kipping. Einen wunderschönen gutenTag, verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen.Ich möchte Sie ganz herzlich begrüßen zur heutigenAnhörung des Ausschusses Arbeit und Soziales. Esist eine öffentliche Anhörung und für die Dauer sinddrei Stunden geplant. Ich möchte gleich vorwegsagen, dass, dem Gegenstand angemessen, wir unsbewusst entschieden haben, diesem wichtigen The-ma soviel Raum einzuräumen. Ich glaube, das ist dielängste Anhörung, die wir überhaupt in dieserWahlperiode durchgeführt haben.

Gegenstand dieser öffentlichen Anhörung ist zumeinen der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zurVerbesserung der Eingliederungschancen am Ar-beitsmarkt, zudem der Antrag der SPD-Fraktion„Arbeitsmarktpolitik an den Herausforderungen derZeit orientieren, Weichen für gute Arbeit, Vollbe-schäftigung und Fachkräftsicherung stellen“, derAntrag der Fraktion die LINKE „Arbeitsmarktpolitikneu ausrichten und nachhaltig finanzieren“ und derAntrag der Fraktion BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN „Ar-beitsmarktpolitik in Beschäftigung und Perspektiveninvestieren, statt Chancen kürzen“. Dankenswerter-weise haben die vertretenen und eingeladenen Insti-tutionen und Sachverständigen schon im VorfeldStellungnahmen abgegeben. Die haben wir zusam-mengefasst und sie liegen Ihnen in der Ausschuss-drucksache 17(11)594 vor. Wir wollen nun heutevon den anwesenden Sachverständigen und Institu-tionen hören, wie Sie die verschiedenen Vorlagenbewerten, und auch wenn viele das jetzt zum wie-

derholten Male hören, will ich doch für die, die neuin der Runde sind, nochmal einige Erläuterungenzum Ablauf geben: Wir haben insgesamt 180 Minu-ten Zeit für die Beratung, die wir in zwei Fragerun-den teilen. Es ist im Ausschuss beschlossen worden,die Fragezeit nach der Stärke der Fraktionen auszu-richten. Es wird also nach dem üblichen Schlüsselaufgeteilt. Wir verzichten auf Eingangsstatementsder Sachverständigen; diese liegen bereits in schrift-licher Form zusammengefasst vor. Ich bitte die Ab-geordneten, jeweils zu Beginn der Frage zu sagen, anwen sich die Frage richtet, und direkt im Anschlusswerden auch die Befragten dann zur Antwort zuWort kommen. Ich möchte nun die Sachverständi-gen ganz herzlich begrüßen. Von der Bundesvereini-gung der Deutschen Arbeitgeberverbände Frau TanjaNackmayr und Herrn Dr. Jürgen Wuttke, vom Deut-schen Landkreistag Herrn Markus Keller, vom Deut-schen Industrie- und Handelskammertag Herrn Dr.Achim Dercks, vom Zentralverband des DeutschenHandwerks Frau Dr. Marlene Schubert und HerrnJan Dannenbring, vom Deutschen Gewerkschafts-bund Herrn Dr. Wilhelm Adamy, von der Arbeit-nehmerkammer Bremen Herrn Peer Rosenthal undvon der Bundesagentur für Arbeit Herrn RudolfKnorr, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung Herrn Prof. Dr. Joachim Müller und FrauSusanne Koch, vom Deutschen Caritasverband HerrnProf. Dr. Georg Cremer, vom Deutschen ParitätischenWohlfahrtsverband-Gesamtverband e.V. Frau TinaHofmann, von der Bundesarbeitsgemeinschaft derFreien Wohlfahrtspflege Frau Petra Zwickert sowieder Einzelsachverständige Herr Prof. Dr. MatthaisKnuth. Wir beginnen jetzt mit der Befragung derSachverständigen. Als erstes erhält die CDU/CSUdas Wort. Sie hat in der ersten Fragerunde 34 Minu-ten. Nur noch einmal als Hinweis: Hier oben laufendie Zeiten mit und wenn die Fragezeit zu Ende ist ineiner Runde, dann gibt es auch ein entsprechendakustisches Signal. Es beginnt von Seiten derCDU/CSU Fraktion Herr Weiß.

Abgeordneter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):Meine Frage richtet sich an Herrn Prof. Dr. Cremervom Deutschen Caritasverband. In der öffentlichenDiskussion über den Gesetzentwurf spielt vor allemdie öffentlich geförderte Beschäftigung eine Rolle.Deswegen hätte ich gerne von Ihnen eine Beurtei-lung, dass bei dem Lohnkostenzuschuss von bis zu75 Prozent wir keine Kriterien mehr vorschreiben,aber bei den Arbeitsgelegenheiten zusätzlich zu denbisherigen beiden Kriterien öffentliches Interesseund Zusätzlichkeit die Wettbewerbsneutralität fest-schreiben. In diesem Zusammenhang die Frage, obSie sich vorstellen könnten, dass über diese dreiKriterien und wie sie anzuwenden sind, auf demjeweils lokalen Arbeitsmarkt die Beiräte bei denJobcentern eine größere Rolle spielen könnten?

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Nun geht es um öffentlich geförderteBeschäftigung. Das ist zum einen ein Instrument, umdie Arbeitsmarktintegrationschancen von Menschenzu befördern, und es war in der Intension der Job-perspektive, also des § 16 e auch die Intention, Teil-habe zu sichern. Wenn es um Beschäftigungsförde-rung geht, dann sollten die Beschäftigungsmöglich-keiten möglichst arbeitsmarktnah gestaltet sein,damit Menschen in einer öffentlich geförderten Be-schäftigung Qualifikationen erreichen, die Sie dannauf dem regulären Arbeitsmarkt brauchen können. Inder Kombination der drei Kriterien öffentliches Inte-resse zu Zusätzlichkeit und Wettbewerbsneutralität,sehen wir die Gefahr, dass die öffentlich geförderteBeschäftigung unter sehr hohem Druck steht, ar-beitsmarktferne Tätigkeiten festzuschreiben. Das istfür das Ziel der Verbesserung der Beschäftigungs-chancen nicht förderlich. Die Wettbewerbsneutrali-tät ist jetzt zusätzlich aufgenommen worden. Ausunserer Sicht würde es völlig ausreichend sein,wenn wir als Kriterium für eine öffentlich geförderteBeschäftigung in § 16 d festhalten, dass damit einereguläre Beschäftigung nicht verdrängt werden soll.Das ist das Hauptproblem. Die Frage, ob eine be-stimmte Tätigkeit zu einer Verdrängung regulärerBeschäftigung führt, hängt sehr stark von den örtli-chen Bedingungen des Arbeitsmarktes ab. Damitwären die Beiräte ein kompetentes Gremium, dasdiese Frage beantworten kann. Wir würden alsodafür plädieren, dass die Entscheidung über eineöffentlich geförderte Beschäftigung im § 16 d und edie Jobcenter nur im Benehmen mit diesen Beirätentreffen, und dass man die Kriterien verschlankt aufeine Abwägung zwischen dem Förderinteresse undder Frage der Verdrängung der öffentlich geförderterBeschäftigung.

Abgeordneter Dr. Linnemann (CDU/CSU): Ich wür-de jetzt erst einmal grundsätzlich eine Frage richtenvor allen Dingen an die BA. Es wurde immer mo-niert, dass das alles sehr unübersichtlich ist. Ich warauch die Tage mal bei der BA. Da blickt kaum nochjemand durch. Wir machen jetzt eine Verschlankungdessen und die Idee war, die dezentrale Entschei-dungskompetenz vor Ort zu stärken, dass man sagt,Flexibilität vor Ort etc. Wird das im Grundsatz er-reicht? Wenn ja, wo wird es sehr stark erreicht undwenn nein, wo wird es weniger erreicht?

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Es ist so, dass die Experten sicherlich auch in derVergangenheit den Überblick über die Gesetzessys-tematik behalten konnten. Das war aber für Arbeit-nehmer und Arbeitgeber wie auch für Träger natür-lich schwieriger. Die jetzt überarbeitete Zuordnun-gen der einzelnen Instrumente zu Bedarfslagen inden jeweiligen Arbeitsmarktkontexten, schafft fürdie Nutznießer des Instrumentariums eine nachunserem Dafürhalten deutlich bessere Übersicht,welche Unterstützungsleistungen der Arbeitgeber imjeweiligen Arbeitsmarktkontext letztlich vorsieht.Die Instrumente unterstützen nach unserem Dafür-halten auch die Flexibilität in diesem Zusammen-hang und schaffen so eine durchaus gute Grundlage.

Abgeordnete Brehmer (CDU/CSU): Ich habe eineFrage an Herrn Keller vom Deutschen Landkreistag.

Sie geht in eine ähnliche Richtung. Teilen Sie dieAuffassung, dass durch die im Gesetzentwurf ge-troffenen Maßnahmen die dezentrale Entschei-dungskompetenz der Akteure vor Ort für den Einsatzder Instrumente der aktiven Arbeitsförderung erwei-tert wird?

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Vielen Dank für diese Frage. Aus unserer Sicht wirddurch den Gesetzentwurf - so wie er vorliegt - eigent-lich keine Verbesserung an Entscheidungsmöglich-keiten gebracht. Die Neugliederung der Instrumentesteht ein Stück weit in der Tradition der letzen Re-form, die eben auch da schon in diese Richtunggegangen war. Zum 01.01.2009: Das ist sicherlicheine Verbesserung der Lesbarkeit für Anwender. Aufdie es aber ankommt, die eben sach- und rechtskun-dig sind, für die bringt es keine Vorzüge. Vielmehrmuss man bei der jetzigen Reform konstatieren, dassdoch erhebliche zusätzliche Kriterien eingeführtwerden, die es tatsächlich an vielen Stellen leidereher unflexibel oder schwieriger zu handhaben ma-chen als bisher. Was die Anwendung der einzelnenInstrumente angeht - exemplarisch können Sie dassehen am § 16 d -, der wird schon vom Normtextdeutlich länger und die Beschränkungen, die damiteinhergehen, schaffen keine Flexibilität sondernnehmen sie.

Abgeordneter Lehrieder (CDU/CSU): Mein Themen-bereich betrifft auch den Bereich § 16 e SGB II. Undzwar geht die Frage an die Bundesagentur. Bisherenthält das SGB II keine Regelung zu den Trägerkos-ten bei den Arbeitsgelegenheiten. Halten Sie es fürsinnvoll, dass eine Regelung durch den Gesetzent-wurf erfolgen soll? Der Regierungsentwurf sieht eineBegrenzung der Mittel für die Förderung zusätzli-cher Arbeitsverhältnisse im Sinne des § 16 e SGB IIauf fünf Prozent des lokalen Eingliederungsbudgetsvor. Die Mittel für die freie Förderung des § 16 f sindbereits auf zehn Prozent des lokalen Eingliederungs-budgets begrenzt. Wäre es aus Ihrer Sicht zum Zwe-cke dezentraler Flexibilität sinnvoll, ein gemeinsa-mes Budget für die freie Förderung und die zusätzli-cher Arbeitsverhältnisse vorzusehen?

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Nach unserer Auffassung ist die Kombination derfinanziellen Ressourcen für freie Förderung und fürMarktersatz eher nicht sachdienlich. Wir sehen daskritisch, weil wir im Bereich der freien Förderung ansich von der Struktur der freien Förderung her inno-vative Konzepte gefördert haben wollen, die in denersten Arbeitsmarkt führen. Die Bündelung der Bud-gets auf 20 Prozent führt nach unserem Dafürhalteneher stärker dazu, dass Mittel allokiert werden indem Bereich von öffentlich geförderter Beschäfti-gung in Form des § 16 e und nicht zu einer an sichwünschenswerten stärkeren Ausbringung der Mittelfür arbeitsmarktnahe Instrumente.

Abgeordneter Heinrich (CDU/CSU): Ich möchtegerne eine Frage zur Berufswahl und Berufsausbil-dung an die BA und das IAB stellen. Wann ist mitden Ergebnissen der Evolution der Berufsorientie-rungsmaßnahmen zu rechnen, bzw. haben Sie daschon Erkenntnisse und wenn ja, können Sie unsdas kurz erläutern?

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Sachverständiger Prof. Dr. Möller (Institut für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung): Es gibt im Augen-blick drei Evolutionsaufträge vom IAB und der BAzusammen, und es werden drei Projekte sozusagennäher untersucht. Das ist das Projekt Berufsstart+ inThüringen, die Berufsorientierungscamps inNordrhein-Westfalen und das duale Orientierungs-praktikum in Nordrhein-Westfalen ebenfalls. DieErgebnisse aus diesen drei Studien liegen noch nichtvor. Es ist der Endbericht für das Berufsorientie-rungscamp Ende September zu erwarten, der vonBS+ 2012 und vom dualen OrientierungspraktikumEnde 2013. Es sind also noch keine endgültigenErgebnisse vorhanden, noch keine gesicherten Be-funde, dennoch lassen sich einige Tendenzen able-sen. Klar ist, dass über diese Maßnahmen die Ausei-nandersetzung von Jugendlichen mit der Berufswahlsich deutlich verbessert. Dass dort eine tiefe Ausei-nandersetzung stattfindet, das scheinen die erstenErgebnisse anzudeuten. Auf der negativen Seite - dasbetrifft das duale Orientierungspraktikum - da ist dieZielsetzung auch gewesen, Jugendliche mit Migrati-onshintergrund für ein Studium zu motivieren. Die-se Zielsetzung wird wohl definitiv verfehlt. Es gibtkeine sichtbaren Erkenntnisse darüber, dass daswirklich gelingt. In diesem Fall eher ein negativesErgebnis. Es ist das einzige Programm, das sich ge-zielt auch an Abiturienten richtet.

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Mölleranschließen. Wir meinen, dass aus der Praxis herausdie Maßnahmen der vertieften Berufsorientierungdazu beitragen, dass sich Jugendliche sehr viel stär-ker in der Tiefe mit dem Thema Berufswahl ausei-nandersetzen und dass die Verbindung eben vonSchule, Betrieben und Fachkundigen, die Berufs-kunde vermitteln, eine Grundlage darstellen, um zuadäquaten Berufswahlentscheidungen zu kommen.

Abgeordneter Schiewerling (CDU/CSU): HerzlichenDank. Meine Frage ist nochmal etwas grundsätzli-cher Natur. Sie richtet sich an den Zentralverbanddes Deutschen Handwerks, die BA, den DeutschenLandkreistag und auch an den DGB und den Caritas-verband. Die Frage ist: Wie bewerten Sie die Neu-strukturierung des 3. Sozialgesetzbuches? Wir habendiese Strukturierung vorgenommen nach konkretenUnterstützungslagen, statt wie bisher nach konkretenZielgruppen. Wie beurteilen Sie dieses und wiebeurteilen Sie die Veränderungen für die Einschät-zungen? Und weil gerade die Frage gestellt warennach der Situation der Jugendlichen: Wir erleben imAugenblick sehr konkret, dass Handwerksbetriebeund mittelständische Unternehmen Jugendlicheauch von weit herholen. Wie beurteilen Sie unterdiesem Gesichtspunkt die Überlegungen, die auchan uns herangetragen worden sind, die Möglichkei-ten des Jugendwohnens auch durch institutionelleFörderungen oder wie auch immer zu eröffnen oderzu ermöglichen.

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Vielen Dank, HerrSchiewerling, für die Frage. Der ZDH begrüßt diebisherige Gliederung der Förder- und Unterstüt-zungsleistungen im SGB III nach Leistungen fürArbeitnehmer, Arbeitgeber und Träger, wenn zu

Gunsten einer Differenzierung nach Bedarfslagenumgestellt wird. Die bisherige Untergliederung nachLeistungen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Trä-gern führte zu einer intransparenten Zuordnungbeim Instrumenteneinsatz in der Vermittlungspraxisvor Ort. Oft war nicht erkennbar, welches Instru-ment zur Überwindung welchen konkreten Vermitt-lungshemmnisses das Beste war. Entscheidend istaber nicht die abstrakte Gliederung des Gesetzes,sondern dessen konkrete Anwendung in der Praxis.Wir begrüßen deshalb, dass die Zahl der arbeits-marktpolitischen Instrumente reduziert wird, ob-gleich wir uns noch eine weitere Reduzierung aufwenige Generalklauseln gewünscht hätten. Auch istpositiv, dass sich viele der gesetzlichen Regelungenzu den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten auf dierechtlich notwendigen Kerninhalte und Rahmenbe-dingungen beschränken. Die konkrete Ausgestaltungallerdings sollte auf Ebene der Bundesagentur fürArbeit bzw. der einzelnen Arbeitsagenturen erfolgen.So können die Vermittlungsfachkräfte die Instru-mente flexibel einsetzen und auf den individuellenHandlungsbedarf ausrichten. Diese Dezentralisie-rung und Flexibilisierung ist nachdrücklich zu be-grüßen, da die Vermittler vor Ort am besten wissen,welche Instrumente für den effektiven Einsatz undfür die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt diebesten sind. Darüber hinaus hatten Sie das ThemaJugendliche und die Jugendwohnheime angespro-chen.

Grundsätzlich ist eine Unterbringung in den Ju-gendwohnheimen der Arbeitsagenturen zur Unter-stützung der beruflichen Mobilität eine gute Maß-nahme und begrüßenswert. Allerdings ist es keineKernaufgabe der Bundesagentur für Arbeit. Deshalbsollte dieses Instrument nicht aus Beiträgen finan-ziert werden, sondern aus Steuermitteln, denn dieUnterbringung von Jugendlichen ist keine Kernauf-gabe der Bundesagentur für Arbeit.

Sachverständiger Dr. Wuttke (Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbände e. V.): Ich würdejetzt starten und etwas zum Jugendwohnen sagen.Zu der Grundsatzfrage, Herr Schiewerling, die Siegerade aufgeworfen haben, kann ich eigentlich naht-los an das anknüpfen, was Herr Dannenbring geradefür den ZDH gesagt hat. Wir begrüßen und unterstüt-zen es sehr, dass die Koalition den Weg geht, dasInstrumentarium weiter transparent auszugestalten,zu vereinfachen, zu flexibilisieren, übersichtlicherauch für den Praxiseinsatz zu machen. Entscheidendist jetzt - und das ist auch eine Bemerkung zu derFrage, welche Einsparerwartungen damit verbundensein können -, dass das dazu dient, den erfolgreichseit Jahren betriebenen Reformprozess weiter zuentwickeln, nämlich noch besser, noch erfolgreichernach Wirkung und Wirtschaftlichkeit zu steuern.Diese Instrumentenreform, die Sie jetzt vornehmen,ist auf jeden Fall ein Baustein, um auch auf diesemWeg voranzukommen. Letztlich ist das Entscheiden-de - da kann ich auch an dem anknüpfen, was HerrDannenbring gesagt hat -, dass jetzt daraus auch dieReformrendite erarbeitet wird, nämlich durch denpassgenauen, zielgerichteten, effektiven und effizi-enten Einsatz der Instrumente, um auf dem Wegweiter zu kommen. Wir hätten uns darüber hinausnoch gewünscht - das haben wir in der Stellung-

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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nahme deutlich gemacht -, dass man zum Beispielauch die passiven Leistungen – gerade in der gutenArbeitsmarktsituation - angegangen wäre und hierversucht hätte, die Arbeitslosenversicherung weiterzu entwickeln. Zum Thema „Jugendwohnen“ würdeich an die Kollegin Nackmayr abgeben.

Sachverständige Nackmayr (Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände). Auch wir messendem Jugendwohnen eine große Bedeutung bei, diewir auch immer einfordern, wenn es um die Mobili-tät der Jugendlichen in der Ausbildung geht. Bestä-tigt sehen wir uns durch die Studie des Bundesfami-lienministeriums, die auch belegt, dass Jugendwoh-nen wichtig ist, auch gerade für die Ausbildung. Wirsehen hier an einer Stelle - und das ist relevant -dass die BDA gefordert ist, nämlich bei der sozialpä-dagogischen Begleitung des Jugendwohnens. ImMoment sieht der Gesetzentwurf leider aus unsererSicht vor, diese von der Förderung im § 61 auszu-nehmen. Wir plädieren hier für eine Streichung derPassage ohne sozialpädagogische Begleitung. Es istsehr wichtig für die Jugendwohnheime. Zum Teilbekommen sie gar keine Betriebserlaubnis, wennsozialpädagogische Begleitung nicht erfolgt. Hiermuss die Finanzierung sichergestellt werden. Wirsehen nicht, dass es sich hier um eine Erziehungs-aufgabe handelt, wofür die BDA sicherlich nichtverantwortlich wäre. Aber hier handelt es sich nichtum Erziehung, hier geht es primär darum, auch Aus-bildung zu begleiten, zu stabilisieren, Ausbildungs-abbrüche zu vermeiden. Das ist nun mal auch einStück Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit. In denausbildungsbegleitenden Hilfen ist so ein Elementauch drin. Deshalb plädieren wir für die Aufnahmeder sozialpädagogischen Begleitung. Ansonsten istdem Jugendwohnen die Existenzgrundlage entzogen.An anderer Stelle, bei den Bauinvestitionen, sehenwir vor allem Bund und Länder gefragt, hier dieerforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen undeben nicht primär die Bundesagentur für Arbeit.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Die SGB III-Reform an sich ist ausgesprochen begrü-ßenswert, weil das Gesetz deutlich besser lesbar undhandhabbar wird. Insofern ist dies uneingeschränktzu begrüßen. Was allerdings dabei nicht aus demBlick verloren gehen darf, ist, dass wir inzwischen71 Prozent der Arbeitslosen nicht mehr im SGB III,sondern im SGB II haben. Noch deutlicher wird es,wenn man auf die Zahlen der erwerbsfähigen Leis-tungsberechtigten sieht. Da haben wir mehr alsfünfmal soviel Leistungsberechtigte im SGB II als imSGB III. Vor diesem Hintergrund haben wir insge-samt schon noch die problematische Situation, dasswir jetzt ein sehr schönes verschlanktes SGB III ha-ben, auf das weitgehend verwiesen wird im SGB II,was aber wiederum den Anforderungsbedürfnissennur eingeschränkt gerecht wird. Sie haben auch dieJugendlichen angesprochen, Herr Schiewerling. Zuden Jugendwohnheimen selbst kann ich keine Ein-schätzung geben, aber wichtig wäre mit Blick auf dieJugendlichen, dass die berufsvorbereitenden Maß-nahmen unmittelbar den Jobcentern zugänglichwürden. Bisher haben wir die absurde Situation,dass junge Menschen im SGB II erst mal vorbereitetwerden auf berufsvorbereitende Maßnahmen, dannwerden sie der Agentur übergeben, um dann hinter-

her, wenn die berufsfördernde Maßnahme nicht zumErfolg führt, wieder in das SGB II zum Jobcenterzurückzukehren. Diesen doppelten Wechsel könnteman relativ einfach mit einer Änderung im § 16 SGBII aufheben und damit einen ganz erheblichen Bei-trag zu mehr Flexibilität und Erfolg im Bereich derJugendlichen leisten.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Auch der Deutsche Gewerkschafts-bund ist für ein möglichst flexibles, dezentrales undeinfaches Normensystem im Bereich der Arbeits-marktpolitik. Aber der Gesetzgeber hat an dieserStelle vielfach genau mit diesem Anspruch das Ge-setz geändert, ohne dass jedenfalls für mich substan-zielle Fortschritte in der Arbeitsmarktpolitik er-kennbar sind. Deswegen werden auch hier mit die-sen gesetzlichen Änderungen Erwartungen geweckt,die in der Praxis nicht eingelöst werden können.Denn die Frage, wie schneide ich eine Rechtsnormzu, hat natürlich auch – wie Herr Knorr das schongesagt hat - für die Leute in der Praxis ständige neueAuseinandersetzungen mit dem Rechtssystem zurFolge. Kein anderes Recht wird so schnell geändert,wie das Recht der Arbeitsförderung. Wir leiden inder Arbeitsmarktpolitik generell an der Frage einerKurzatmigkeit und einer fehlenden Orientierung aufNachhaltigkeit. Das gilt bei der Integration, das giltfür den Gesetzgeber, mit ständig neuen Änderungen.Das gilt genau so unter dem Gesichtspunkt der Fi-nanzierung. Bei der Frage der Finanzierung mussman sagen, dass im Mittelpunkt steht, finanziellesGeld auch einzusparen. Für mich ist beispielsweisenicht erkennbar, erstens, wie das beim Gründungs-zuschuss realisiert werden soll, denn Einspareffektegehen nach Einschätzung des Gesetzgebers nicht mithöherer Arbeitslosigkeit einher. Ich glaube, dass dieAnwendbarkeit in der Praxis eher schwieriger wird.Ich befürchte sogar, dass möglicherweise einSchwarzes Peter-Spiel stattfinden wird. Wie kommtes, dass diese Existenzgründung nicht durchgeführtund jene durchgeführt wird? Das sind auf der einenSeite Gefahrenmomente, die ich sehe. Bei der grund-sätzlichen Bewertung muss man sagen, dass diearbeitsmarktpolitische Herausforderung darin liegt,einen Gesetzentwurf zu zimmern, den wir alle besserverstehen. Oder liegt die Herausforderung darin,sich auf arbeitsmarktpolitischer Herausforderung inganz anderer Art und Weise einzustellen? Insbeson-dere die Frage: Müssen wir nicht– egal in welchenSystemen – auf die Frage einer besseren nachhalti-gen stabilen Integration abzielen? Die Frage: Leistetauch das Versicherungssystem einen Beitrag dazu,Niedriglohn und Instabilität nicht zu fördern, son-dern aus gewerkschaftlicher Sicht dem möglicher-weise sogar entgegen zu wirken? Leistet die Ar-beitsmarktpolitik einen sinnvollen Beitrag, um denStrukturwandel besser zu flankieren? Hier sehen wirdurchaus Ansatzpunkte, wo die Arbeitsmarktpolitiketwas leisten kann. Eben ist auch gesagt worden,dass wir eine sehr starke Spaltung in zwei unter-schiedliche Rechtskreise haben, die sich zu Lastender Jugendlichen auswirken. Hierzu haben wir aucheinige Vorschläge gemacht, aber es sind keine An-satzpunkte gezeigt worden. Der letzte Punkt, dieFrage der Finanzierung: Wir sehen mit Sorge, dass ineinigen wenigen Ansatzpunkten, wie der vertieften

Ausschuss für Arbeit und Soziales, 73. Sitzung, Montag, 5. September 2011

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Berufsorientierung, wo man verstärkt rangeht, wie-der einmal die Aufgaben alleine den Beitragszahlernanzulasten und sich hier das Hartz IV-System imSinne eines steuerfinanzierten Systems eher zurück-hält. Letzte Bemerkung von mir: Wir glauben, dasswir das Versicherungssystem stärken müssen. ImUnterschied zu den Arbeitgebern sagen wir, diepassiven Leistungen bewegen sich bereits heute aneiner Grenze der Verfassungswidrigkeit. Deswegengeht es darum, den Betroffenen innerhalb des Versi-cherungssystems auch mehr Rechte zu eröffnen, wasnicht im Widerspruch steht zu einem Ausbau vondezentralen Handlungsmöglichkeiten, die auch ef-fektiv sein sollen.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Zur grundsätzlichen Frage: Die neueGliederung des SGB III nach Arbeitsmarktkontextenschafft mehr Übersichtlichkeit und Transparenz.Aber allein kann es nicht das Ziel höherer Flexibili-tät garantieren. Unsere Sorgen beziehen sich insbe-sondere auf Flexibilität in der Förderung arbeits-marktferner Personen. Da hatte ich auf die Kriterienfür die Arbeitsgelegenheiten hingewiesen und dieNotwendigkeiten für mehr Flexibilität. Auch dieObergrenze für Maßnahmen des § 16 e und der frei-en Förderung sollten nach unserer Ansicht angeho-ben werden.

Jetzt zum Jugendwohnen: Da kann ich nahtlos an dasvon Frau Nackmayr Gesagte anschließen. Zum einenplädieren wir wirklich dafür, die pädagogische Be-gleitung in die Förderung zu nehmen. Sie ist beivielen jungen Menschen zwingende Voraussetzungfür einen erfolgreichen Berufsabschluss. Es machtkeinen Sinn, zwischen Minderjährigen und Erwach-senen zu differenzieren. Auch wenn jemand 19 ist,ist er zwar erwachsen, kann aber trotzdem in einerverlängerten Phase der Adoleszens sein, wo er Un-terstützung braucht. Das merkt jeder von uns, derKinder in diesem Alter hat. Es wäre ein wirklicherFortschritt im Hinblick auf die dritte Lesung, dieseBeschränkung aufzuheben.

Das Zweite ist die Infrastruktur. Wir hatten die Mög-lichkeit, per Gesetz die baulichen Investitionen inEinrichtungen des Jugendwohnens zu fördern. DieseMöglichkeit sollte wieder eingeführt werden, dennwir haben einen enormen Investitionsstau in diesenEinrichtungen. Dann kann das Jugendwohnen auchwieder eine attraktive Option werden. Sie fördertMobilität und ermöglicht, dass junge Menschen auchweg von dem Wohnort ihrer Eltern eine Ausbildungmachen können. Ich glaube, das wäre auch eine guteAntwort auf den Fachkräftemangel.

Vorsitzende Kipping: Vielen Dank. Damit sind alleangefragten Sachverständigen zu Wort gekommenund die nächste Frage kommt von Herrn Straubin-ger.

Abgeordneter Straubinger (CDU/CSU): Ich hätteeine Frage in andere Richtungen. Mir geht es um dieFragen und Forderungen nach öffentlich geförderterBeschäftigung im Zusammenhang mit § 16 d und 16e. Meine Frage richtet sich an den ZDH, den DIHKund den Deutschen Gewerkschaftsbund. Wie wirktsich die öffentlich geförderte Beschäftigung derzeitaus? Was erwarten Sie mit der neuen Gesetzgebung,

wie sich dann die öffentlich geförderte Beschäfti-gung insbesondere auf den Wettbewerb vor Ort aus-wirken wird?

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Tatsächlich hat gerade dasHandwerk in der Vergangenheit immer wieder leid-volle Erfahrungen mit öffentlich geförderter Beschäf-tigung gemacht, egal, in welchem Gewand sie daher-kommt, seien es Ein-Euro-Jobs, sei es früher ABModer auch Kommunal-Kombi, soziale Stadt etc. Esgibt die verschiedensten Formen der öffentlich ge-förderten Beschäftigung. Wir haben immer wiederfeststellen müssen, dass letztlich gewerbliche bzw.handwerkliche Tätigkeiten von den Ein-Euro-Jobbern ausgeführt wurden - mit der Folge, dassHandwerksbetriebe vor Ort ganz konkret Aufträgefür Renovierungsarbeiten, für Malerarbeiten verlie-ren und damit letztlich Arbeit in den Handwerksbe-trieben gefährdet wird und es damit zu diesen Dreh-türeffekten kommt, die nicht im Sinne einer nach-haltigen Arbeitsmarktpolitik sind. Deswegen begrü-ßen wir sehr, dass es in dem Gesetzentwurf zu deut-lichen Reformschritten im Bereich der öffentlichgeförderten Beschäftigung gekommen ist. Gerade dieEinfügung des Kriteriums der Wettbewerbsneutrali-tät ist für uns ein wichtiges Kriterium, um dieseWettbewerbsverzerrungen vor Ort in den Griff zubekommen. Man muss auch sehen, die Zeitungs-und die Rückmeldungen, die wir aus der Praxisbekommen, sind nur die Spitze des Eisberges. Gera-de bei der öffentlich geförderten Beschäftigung gibtes auch eine große Dunkelziffer und insofern ist dieEinfügung dieses Kriteriums der Wettbewerbsneutra-lität zwingend erforderlich, um den Missbrauch vonEin-Euro-Jobs in den Griff zu bekommen. Darüberhinaus ist unseres Erachtens auch die Festlegung derMaßnahmenpauschale unverzichtbar. Denn wirhaben in der Praxis immer wieder festgestellt, dassschlicht die finanziellen Anreize für die Kommunendazu führen, dass Ein-Euro-Jobber für gewerblicheund handwerkliche Tätigkeiten eingesetzt werden.Insofern ist es erforderlich, dass hier auch die finan-ziellen Anreize für die Kommunen für den Einsatzvon Arbeitsgelegenheiten begrenzt werden.

Vorsitzende Kipping: Danke schön. Wir haben jetztnoch reichlich drei Minuten und zwei gefragte Per-sonen. Vielleicht teilen Sie sich das, Herr Dercksund danach Herr Adamy.

Sachverständiger Dercks (Deutscher Industrie- undHandelskammertag): Sehr geehrte Damen und Her-ren. Ich kann hier nahtlos an Herrn Dannenbringvom ZDH anknüpfen. In der Tat erleben auch dieIndustrie- und Handelskammern vor Ort regelmäßigKlagen oder Hinweise von Seiten der Mitgliedsbe-triebe, dass es hier zu Verdrängungseffekten und zuVerzerrungen kommt. Ein wichtiger Bereich ist hierGartenbau- und Landschaftspflege, die immer wie-der mit derartigen Hinweisen auf uns zukommt.

Der zweite Punkt ist, dass natürlich auch die IHKvor Ort darauf aufmerksam und diese Problemebenennen. Der Umgang damit ist sehr unterschied-lich, sowohl in den Beiräten, aber auch dann imHören auf die Beiräte. Das geht von Einverständnisund Verzicht auf solche Maßnahmen bis zu darüberhinweggehen und sich nicht darum zu scheren. Von

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daher ist es gut, dass man diese Frage im Rahmendes Gesetzgebungsverfahrens jetzt aufgeworfen hat.Es ist gut, dass die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmeals ein Teil des öffentlich geförderten Beschäfti-gungssektors wegfallen. Es ist auch gut, dass es diedrei Kriterien bei den Arbeitsgelegenheiten gibt.Unserer Ansicht nach müssten sie bei den sozialver-sicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissenim Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigungebenfalls zur Anwendung kommen. Ganz wichtig istdabei, dass die lokalen Arbeitsmarktakteure in die-sem Prozess einen sehr viel durchgreifenderen Ein-fluss haben. Denn es wird immer dabei bleiben, dassdie Kriterien im Gesetz sehr abstrakt sind. Entschei-dend ist - glaube ich - auch aus Sicht der Politik,dass vor Ort Einvernehmen hergestellt wird, dennwenn kein Streit da ist, dann scheinen alle zufriedenzu sein. Das wiederum kann man nur über Einver-nehmen in den örtlichen Beiräten erreichen.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Wir begrüßen, Herr Abg. Straubiger,erst einmal, dass bei den Ein-Euro-Jobs jetzt derVersuch gemacht wird, dieses Instrument nur nach-rangig einzusetzen, während es bisher das zentralearbeitsmarktpolitische Instrument ist. Wir halten esallerdings für notwendig, dass dieses Instrumentauch nicht mit Sanktionen versehen und freiwilligangewendet wird. Wir teilen die Einschätzung derVerbände, die vor mir geredet haben, hinsichtlichder Frage, die Praxis wird sich nur ändern, wenn diegegebene Missbrauchsanfälligkeit, stärker durch dieSozialparteien überwacht wird. Von daher auch vonunserer Seite ein klares Votum dafür, nicht die Bei-räte insgesamt darüber entscheiden zu lassen. Da-runter sind beteiligte Träger und hier sollten wirsauber trennen zwischen beteiligten Trägern undden örtlichen Sozialparteien - Arbeitgeber und Ge-werkschaften, die über die regionale Ausgestaltungöffentlich geförderter Beschäftigung entscheiden.Zur Frage der sozialversicherungspflichtigen Be-schäftigung nur ganz kurz: Wir bedauern, dass daszurückgefahren wird und dass gleichfalls ABM inder Arbeitslosenversicherung nicht mehr gibt. Dennauch hier gibt es Langzeitarbeitslose, die Hilfe brau-chen.

Vorsitzende Kipping: Nun kommen wir zu den Fra-gen der SPD-Fraktion, die in dieser Runde 21 Minu-ten hat. Es beginnt Frau Kramme.

Abgeordnete Kramme (SPD): Meine Fragestellungensind nochmals sehr grundsätzlicher Art und richtensich zunächst an Dr. Adamy und Prof. Cremer. Er-füllt dieser Gesetzentwurf Ihres Erachtens die Erwar-tungen, die in ihn gesteckt werden, nämlich dieIntegrationen von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt?Wo sehen Sie die Hauptdefizite dieses Gesetzent-wurfs?

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Ich habe es eben schon angedeutet.Den Ansatzpunkt kann man auf vielen Ebenen se-hen. Einmal stellt sich die Frage, ob das rechtlicheNormensystem entscheidend ist und wie es mit denRessourcen der Vermittler aussieht? Hier sehe ich -ich bin Mitglied des Verwaltungsrates der BA -, dasses politische Absicht ist, eher Einsparungen imHaushalt der BA durchzusetzen. Das heißt, es wird

schwieriger, eine intensivere Betreuung vorzuneh-men. Von daher stellt sich die Frage: Wie könnenwir eine Spaltung am Arbeitsmarkt verhindern - ineiner sich verhärtenden Langzeitarbeitslosigkeit beigleichzeitigem Fachkräftemangel. Darauf gibt derGesetzentwurf unseres Erachtens keine Antwort,weil wir an beiden Stellen, bei der intensiverenBetreuung der Langzeitarbeitslosen, der Frage einerStabilisierung von Integrationsprozessen und stärke-re Vermittlung, wie auch hinsichtlich der Frage derWeiterbildung den Fokus stärker darauf richten, wiewir abschlussbezogene Qualifizierungsmaßnahmenerreichen können. Mit Ausnahme von der Fortfüh-rung von Wegebau sehen wir in diesem Gesetzent-wurf von daher auch keine Ansatzpunkte. Bei derFrage Niedriglohn und Instabilität will ich einfachdarauf hinweisen, dass der Bundesrat beispielsweisevorgeschlagen hat, dass Arbeitslose nicht gezwungenwerden sollten in nichttarifliche Arbeit. Von daherkann man hier einfach nur sagen, dass wir empfeh-len, diesen Vorschlag des Bundesrates noch einmalaufzugreifen, weil hier die Frage auch von Niedrig-lohn und Instabilität ein ganz großer Gefahrenbe-reich ist. Der letzte Punkt, der bei der Gesetzesre-form überhaupt keine Rolle spielt, ist die Frage derFinanzen. Hier wird außerhalb des Gesetzgebungsin-strumentariums massiver finanzieller Druck ausge-übt, der zu Einschnitten in der Arbeitsmarktpolitikführt, die nicht zu rechtfertigen sind. Im Hartz IV-System sehen wir das schon. Wir befürchten dasauch in der Arbeitslosenversicherung.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Herzlichen Dank. Wir beurteilen natür-lich diesen Gesetzentwurf sehr stark unter demBlickwinkel der Integrationschancen und Teilhabe-fonds, beides ist mir wichtig bei Menschen mit ver-festigten Vermittlungshemmnissen. Wir sind weiter-hin massiv davon überzeugt, dass wir trotz einererfreulichen Entwicklung der Arbeitsmarktzahlendas Instrument der öffentlich geförderten Beschäfti-gung brauchen. Vielleicht kann ich hier das Angebotmachen, dass der Deutsche Caritasverband alleMaßnahmen im Bereich der öffentlich gefördertenBeschäftigung sofort einstellen wird, wenn die vonuns geförderten Personen dann von Handwerk odersonst wem eingestellt werden. Wir haben Personen,die verfestigte Vermittlungshemmnisse haben. Jetztmüssen diese Menschen arbeitsmarktnah gefördertwerden. Daraufhin hatte ich hingewiesen und ichvermisse eine ausreichende Flexibilität für die Ak-teure der Arbeitsmarktpolitik vor Ort, sinnvollearbeitsmarktnahe Maßnahmen zu konstruieren, diedann eben nicht unbedingt zusätzlich sind, wasimmer ein öffentliches Interesse ist. Das Füttern vonTauben in Kirchturmspitzen ist im öffentlichen Inte-resse - von mir aus - und ist zusätzlich und ver-drängt keine Beschäftigung, wird aber niemand fürden Arbeitsmarkt qualifizieren. Ich teile die Positi-on, die auch Herr Adamy vorgetragen hat, dass mandies vor Ort entscheiden muss. Allerdings sage ichdas im Ausschuss, im Beirat, weil es um eine Abwä-gung geht von zwei Interessen, nämlich dem Integra-tionsinteresse im Sinne des gesetzlichen Auftragsund der Vermeidung der Verdrängung von regulärerArbeit. Ich betone ausdrücklich, die Vermeidung derVerdrängung regulärer Arbeit muss aus sozialer

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Sicht ein Ziel sein, weil sonst eben die Entstehungneuer Beschäftigung vermieden wird. Der zweitekritische Blick geht auf den § 16 e, also dieses 2007mehr unter Teilhabegesichtspunkten eingeführteInstrument der öffentlich geförderten Beschäftigungfür Personen mit massiven Vermittlungshemmnis-sen. Das ist im jetzigen Gesetzentwurf beschränkt auffünf Prozent eines kleiner gewordenen Eingliede-rungstitels. Diese Obergrenze sollte aus unserer Sichtauf jeden Fall aufgehoben werden. Das würde zu-sätzlich Flexibilität ermöglichen. Ich will vielleichteine Sache noch aufgreifen: Die Berufseinstiegsbe-gleitung wird im Gesetzentwurf stärker ermöglicht.Das ist auch sehr positiv. Das ist eine dringendeStützung von jungen Menschen im Übergang vonSchule in Ausbildung und Beruf. Wir sehen hier dieKofinanzierungspflicht durch die Länder, die ich ausBundessicht verstehen kann, aber ich äußere meineBefürchtung, dass dieses Instrument dann dochwieder in verfestigten Grabenkämpfen der Finanzie-rungsfragen enden wird. Das ist mehr ein Appell alsein Vorschlag zur Gesetzesänderung. Danke.

Abgeordnete Mast (SPD):. Meine Frage richtet sichan den DGB, den Deutschen Paritätischen Wohl-fahrtsverband und den Landkreistag. Und zwar gehtes auch mir nochmal um die Mittelkürzungen, undzwar die bestehenden plus die prognostizierten Mit-telkürzungen. Inwiefern rechnen Sie durch dieseMittelkürzungen mit Einschränkungen der Möglich-keit, Menschen durch aktive Arbeitsmarktpolitik inArbeit zu vermitteln? Sollte nicht gerade jetzt, wowir relativ geringe Arbeitslosenzahlen haben, nichtmehr Geld für die Vermittlung von Langzeitarbeits-losen zur Verfügung stehen? Wenn Sie finden, dassman Kurskorrekturen bei der Haushaltspolitik vor-nehmen sollte, an welcher Stelle sehen Sie diese?

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Auf der einen Seite, Frau AbgeordneteMast: Die Einschränkungen sehen wir aktuell imHartz IV-System. Hier wurden die Fördermittel weitstärker reduziert als die Zahl der Arbeitslosen, diezurückgehen. Das heißt, die Fördermöglichkeitenhaben sich hier deutlich verringert. Man sieht auch,dass der Gesetzentwurf genau unter dem Gesichts-punkt steht. Man sagt zwar, hier soll Reformdivi-dende eingespielt werden, aber in erster Linie heißtdas die Deckelung bei einem innovativen Instru-ment, nämlich der sozialversicherungspflichtigenöffentlich geförderten Beschäftigung auf der einenSeite. Zum zweiten: Beim Gründungszuschuss, woman in der Praxis nicht genau weiß, wie die Bundes-regierung zu diesen Berechnungen auf der einenSeite kommt. Zu dem zweiten Teil der Frage: MehrGeld für Langzeitarbeitslose. Ich glaube, wir brau-chen in erster Linie bessere Betreuungsrelationen,das heißt bei der Frage der Vermittler. Hier sehe ichbezogen auf die BA genau die Gefahr, dass ein sehrsinnvolles Modellprojekt gelaufen ist unter demBegriff Pinguin, einer besseren Betreuung von Lang-zeitarbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung.Wir werden Schwierigkeiten haben, dieses Modellmöglicherweise in der Praxis ausreichend zügigumzusetzen, obwohl damit eine stabilereEinkehrung ermöglicht wird. In erster Linie müsstedie Frage der nachgehenden Betreuung einen Stel-lenwert haben und ein stabiler öffentlich geförderter

Beschäftigungssektor plus die Frage einer besserenQualifizierung. Hier haben wir insbesondere imHartz IV-System keine ausreichenden Qualifizie-rungsmöglichkeiten. Zu der Frage der finanziellenKurskorrekturen: Bei finanziellen Kurskorrekturenwäre einmal notwendig, dass der Bund definiert, wieviel Geld soll dann zumindest ausgegeben werdenfür Qualifizierungsmaßnahmen? Es ist politischfalsch, alle Verantwortung zu delegieren und viel-fach aus der Not bleibt den Vermittlern dann nichtsanderes übrig, als Ein-Euro-Jobs zu machen, als mög-licherweise andere längerfristig tragfähigere Maß-nahmen. In der Arbeitslosenversicherung - glaubeich - haben wir auch als Selbstverwaltung deutlichgemacht, dass wir das Geld nicht immer auf Teufelkomm raus ausgegeben, sondern Rücklagen gebildethaben. Und genau dies wird der Arbeitslosenversi-cherung nicht ermöglicht. Man redet da von vorsor-gender Haushaltspolitik, aber das wird der Arbeits-losenversicherung genau nicht ermöglicht. SowohlArbeitgebergewerkschaften wie der Vorstand tretendafür ein, dass wir die Möglichkeit haben, Rückla-gen zu bilden. Das zeigt sich in der jetzigen unsiche-ren ökonomischen Situation, wenn sich die optimis-tischen Berechnungen der Bundesregierung nichtbewahrheiten sollten, dann hat die Arbeitslosenver-sicherung schnell finanziell kein Wasser mehr unterihrem Schiff und das ist äußerst problematisch. Zu-gleich müssen wir stärker darüber reden, dass dieArbeitslosenversicherung nicht zur Mitfinanzierungvon Aufgaben des Hartz IV-Systems herangezogenwird, der Bund hier systematisch Steuerumvertei-lung betreibt zugunsten der Steuerzahler und zuLasten der Beitragszahler. Das wären wichtige An-satzpunkte, wo wir dringenden Handlungsbedarfsehen.

Sachverständige Hofmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.): Auchwir kritisieren, dass im Zuge der Mittelkürzungendie Eingliederungschancen für Arbeitslose massivverschlechtert werden, weil die Förderzahlen jetztschon sehr stark zurückgehen und damit auch dieIntegrationen in den Arbeitsmarkt rückläufig seinwerden. Das geht leider vor allen Dingen zu Lastenvon Langzeitarbeitslosen, gerade im Rechtskreis desSGB II, um noch einmal die Rede des Vorgängers aneiner Stelle mit einer Zahl zu präzisieren. Obwohldie Arbeitslosigkeit im Rechtskreis SGB II im Ver-gleich zum vorigen Jahr nur um vier Prozent zurück-gegangen ist, sind die Eingliederungsmittel um 25Prozent gekürzt worden. Wir sehen schon heute eineUmsteuerung der Förderpraxis der Bundesagenturfür Arbeit und der Jobcenter, die die verbleibendenMittel stärker konzentrieren auf arbeitsmarktnäherePersonenkreise. Das geht zu Lasten von Langzeitar-beitslosen, von arbeitsmarktfernen Personen. Dabeisind wir überzeugt, gerade in der jetzigen Phase derleichten konjunkturellen Belebung des relativ robus-ten Arbeitsmarktes müsste es Herausforderung sein,der verfestigten und weiterhin hohen Langzeitar-beitslosigkeit zu begegnen, die Mittel in die Hand zunehmen, um an diesen Kern heranzugehen und ar-beitsmarktferne Personen aus der Arbeitslosigkeitheranzuführen, dies aber auch mit Fördermitteln,die das ermöglichen. Wir kritisieren an dieser Stelleauch ganz deutlich, dass die Instrumente der öffent-

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lich geförderten Beschäftigung mit diesem Gesetz-entwurf faktisch abgeschafft werden. Wir haben ineinem Aufruf „Arbeitsmarktpolitik für alle“ mitmehr als 3.000 Unterstützern deutlich gemacht, dasswir die Rücknahmen der Sparbeschlüsse der Bun-desregierung, der aktiven Arbeitsmarktpolitik for-dern und dass wir uns dafür einsetzen, dass Ar-beitsmarktpolitik Förderchancen für alle Arbeitslo-sen schafft, für diejenigen, die näher am Arbeits-markt dran sind, genauso wie für die, die am Randestehen und denen weitere soziale Ausgrenzungdroht.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Vielen Dank. Ich stoße in eine ähnliche Richtungvor, in dem ich auch darauf hinweisen möchte, dasswir einen erheblich stärkeren Rückgang an SGB II-Eingliederungsmitteln haben als die Zahl der Leis-tungsempfänger. Das wird besonders deutlich, wennman sich zwei Dinge vor Augen führt. Zum einendie Berechnungen, die damals angestellt wurden vorder Einführung des SGB II, was eigentlich für einBudget pro Leistungsempfänger erforderlich seinsollte, um die damals angestrebte bessere Vermitt-lung zu erreichen. Diesen Wert haben wir nie er-reicht. Auch in den Jahren 2009 und 2010, wo ver-hältnismäßig am meisten Geld zur Verfügung stand,wurden diese Relationen, die man eigentlich damalsauch auf wissenschaftlicher Basis für sinnvoll erach-tet hatte, nicht erreicht. Weiterhin wird es deutlichan einem zweiten Aspekt. Die Leistungsempfänger-zahlen im SGB II sind weit weniger rückläufig alsdie Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Insofern würdeich auch noch viel stärker darauf fokussieren, vonArbeitslosen nicht zu sprechen, sondern stärker aufdie Leistungsberechtigten im SGB II. Deren Rück-gang ist nämlich, wenn man fünf Jahre zurück-schaut, jetzt aktuell mit den Augustzahlen wenigerals 15 Prozent. Also der Rückgang seit fünf Jahren imSGB II-Leistungsempfängerbereich sind weniger als15 Prozent. Die Arbeitslosigkeit zum Vergleich ist imgleichen Zeitraum um etwa 33 Prozent gesunken.Die Mittelrücknahmen oder Mittelkürzungen vomletzten Jahr auf dieses Jahr - je nach Berechnung, obman da die Sonderansätze mit berücksichtigt odernicht - liegen jedenfalls über 20 Prozent. Das istschon sehr viel, und aus unserer Sicht muss manschon sich sehr bewusst machen, natürlich weißniemand, was ein Fördereuro, also ein Euro an Ein-gliederungsmitteln bewirkt. Wenn man aber malannimmt, dass das Geld auch in der Vergangenheitnicht sinnlos ausgegeben war, werden die Mittelkür-zungen selbstverständlich dazu führen, dass Leuteentweder vorübergehend oder auch langfristig nichtaus dem Leistungsbezug kommen, und man kannsich sehr schnell ausrechnen, wie teuer es wird proJahr und Leistungsempfänger oder wie eben dieAbwägung zu erfolgen hat, abhängig von den Ein-gliederungschancen, ob es nicht Sinn macht, durch-aus Geld für Eingliederung auszugeben, mit derPerspektive, Leistungsbezug auf Zeit oder dauerhaftzu überwinden. Insofern würde ich nach vorne ge-richtet sehr hoffen, dass eben tatsächlich die Mittel-rücknahmen nochmal überdacht werden, weil sieauch die Frage angesprochen haben, was am drin-gendsten zu tun wäre. Neben den Eingliederungsmit-teln sehe ich immer noch in der Professionalität der

Betreuung und in der Stetigkeit im SGB II ein erheb-liches Problem, weil vorhin Herr Adamy Pinguinangesprochen hatte. Wir haben heute schon eineRelation, oder im Vergleich zum SGB III sind dieBetreuungsrelationen im SGB II deutlich schlechter,bezogen auf die erwerbungsfähigen Leistungsberech-tigten etwa fünf Mal schlechter. Also ein Mitarbeiterim Jobcenter muss fünf Mal mehr Menschen betreu-en als in der Arbeitsagentur rechnerisch, wenn sieeinfach die Mitarbeiterzahlen umlegen. Das wirddem höheren Aufwand, der eigentlich bei den SGBII-Leistungsempfängern getan oder aufgewendetwerden muss, nicht gerecht. An dieser Stelle - denkeich - wäre gerade auch der Gesetzgeber gefordert,dafür zu sorgen, dass endlich mehr Stabilität in denPersonalkörper kommt, dass die Stellen nicht forthinimmer noch befristet oder nur teilweise verlässlichzur Verfügung stehen, sondern dass man insgesamtdazu kommt, dass dauerhaft Mitarbeiter in den Job-centern auch gute Qualität in der Beratung bringenkönnen.

Abgeordnete Hiller-Ohm (SPD): Meine Frage richtetsich an den DGB und den Paritätischen Wohlfahrts-verband. Herr Dr. Adamy hatte schon auf die Spal-tung der Rechtskreise hingewiesen. Meine Frage:Brauchen wir in der Arbeitslosenversicherung undin der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter-schiedliche Instrumentenkästen oder ist es alternativsinnvoller, mit einem einheitlichen Instrumenten-kasten zu arbeiten und notwendige Gestaltungsspiel-räume durch eine leistungsfähige freie Förderung zueröffnen?

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Zu der Frage der Arbeitsmarktpolitik,sprich der Integration in den Arbeitsmarkt ist ausmeiner Sicht ein weitgehend einheitlicher Bezugs-rahmen erforderlich. Allerdings müssen wir in bei-den Rechtskreisen stärker darüber nachdenken, dassArbeitslosigkeit mehr ist als ein fehlender Job. Insbe-sondere die Frage der sozialen Teilhabe im Hartz IV-System, der sozialen Stabilisierung, ist das Gesetzbisher völlig unzureichend, bis hin zu der Frage, obgesundheitspolitische Stabilisierungsmaßnahmen inausreichendem Maße erforderlich sind. Auch hiermuss man möglicherweise in der Arbeitslosenversi-cherung neu denken. Hier sind zusätzliche Aufträgeauch in der Arbeitslosenversicherung notwendig.Warum gibt es beispielsweise gesetzlich nurSchuldnerberatung im Hartz IV-System? Geht mandavon aus, dass in der Arbeitslosenversicherung, woes auch Langzeitarbeitslose oder überschuldete Ar-beitnehmer gibt, die gerade erst arbeitslos sind, istdies kein Problem? Das heißt, die Frage der Präven-tion der rechtzeitigen Unterstützung und der sozia-len Stabilisierung muss ein Auftrag für beide Syste-me sein und hier sind beide defizitär.

Sachverständige Hofmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.): UnsereAuffassung ist es eher, dass wir einen eigenen undvom Rechtskreis des SGB III unterschiedlichen För-der- und Instrumentenkasten im SGB II benötigen.Es ist zwar richtig, dass die Arbeitslosen auf dengleichen Arbeitsmarkt zu vermitteln sind, allerdingssind es ganz unterschiedliche Personenkreise mitsehr unterschiedlichen Förderbedarfen und Themen

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der Förderpraxis. Ganz typisch ist zum Beispiel fürden Personenkreis der Arbeitslosen im RechtskreisSGB II, dass es um längerfristige Förderung geht. Dakomplex anzusetzen an den vielfältigen Problemendes Personenkreises, etwa Suchtproblemen, gesund-heitlichen Problemen, Qualifikationsdefiziten unddass hierfür eine Kooperation rechtskreisübergrei-fend mit der Kinder- und Jugendhilfe von Nöten ist,mit der Suchthilfe beispielsweise und eine Gesund-heitsförderung. Außerdem ist es notwendig, Beschäf-tigungsverhältnisse zu stabilisieren, die gerade beidiesem Personenkreis häufig nur sehr kurzfristig undprekär erreichbar sind und zu guter Letzt gibt es dieBesonderheit, dass es einen nicht zu unterschätzen-den Personenkreis von Langzeitarbeitslosen gibt. Wirschätzen, dass es 400.000 Personen sind, die dauer-haft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind und wowir soziale Teilhabe über längerfristige öffentlichgeförderte Beschäftigungsangebote schaffen müssen.

Vorsitzende Kipping: Vielen herzlichen Dank. Damitsind wir am Ende der SPD-Runde und kommen zuder Fragerunde der FDP. Diese hat maximal 14 Mi-nuten in dieser Runde und Herr Vogel beginnt.

Abgeordneter Vogel (FDP): Ich würde gerne ersteinmal mit einer allgemeinen Frage an BA und IABbeginnen. Wir haben schon darüber diskutiert. Zieldes Gesetzgebungsverfahrens ist es, mehr Flexibilitätfür die Betreuer vor Ort, sowohl im SGB III als auchim SGB II zu schaffen. Wie beurteilen Sie das grund-sätzlich? Wie weit gelingt das im Rahmen diesesGesetzesentwurfes? Spezielle Frage an die BA: Umsomehr Entscheidungsspielraum für die Vermittler vorOrt, umso mehr auch Anforderung an deren Quali-tät. Inwiefern passen Sie denn das interne Ausbil-dungsqualifizierungssystem in der BA entsprechendan und wollen Sie da möglicherweise gleichlaufendeOptimierung über die nächsten Jahre vornehmen?Was ist da geplant?

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Vielen Dank für die Frage. Wir sehen schon, dass derEntwurf eine Reihe von Aspekten beinhaltet, der zumehr Flexibilität für die Vermittler vor Ort führt.Wir sehen das allerdings auch an verschiedenenStellen wieder durchbrochen, z. B. bei der Förde-rung von Aktivierungs- und Vermittlungsgutschei-nen, wo wir eben nach einem bestimmten Zeitablaufauch wieder die Pflichtleistung haben und das Er-messen eingeschränkt ist. Auch im Bereich desGründungszuschusses sehen wir ein durchaus mate-riell-rechtlich gebundenes Ermessen für die Arbeits-vermittler, dass es dem Grunde nach bei Erfüllen derTatbestandsvoraussetzungen schwierig sein wird,das Ermessen in der Tat auszuüben. Wir sehen ins-besondere auch für die Grundsicherung von Bedeu-tung strukturell keine Möglichkeiten im Bereich derberuflichen Weiterbildung, neben dem Bildungsgut-schein auch über Auftragsmaßnahmen, zielgerichtetfür einzelne Gruppen bzw. Zielgruppen von Arbeit-nehmern, Maßnahmen zusammenzustellen und zufördern. Hier bietet es sich eben nicht an, sozusagenvon der Stange über den Bildungsgutschein hinwegdie Förderungen erfolgsfähig führen zu können.Insgesamt - wie gesagt - ein durchaus positivesGrundbild, das aber eben getrübt ist durch eine Rei-he von Einschränkungen im Bereich der Flexibilität

für die Arbeitsvermittler vor Ort. Die Anforderungenan die Ermessensausübung werden nicht geringer.Wir sehen es durchaus, dass wir im Bereich derQualifizierung unserer Fachkräfte in beiden Rechts-kreisen unsere Qualifizierung ausbauen müssen, undwir werden unmittelbar mit dem Inkrafttreten desGesetzes dazu mit Auftaktveranstaltungen beginnen,um die Mitarbeiter eben auch für unsere Kunden zueinem rechtssicheren Handeln in diesem Bereich zubefähigen.

Sachverständige Dr. Koch ( Institut für Arbeits-markt- und Berufsforschung): Auch wir würdensehen, dass die Flexibilität im Instrumentenkastenmit dieser, aber auch mit der vorangegangenen In-strumentenreform in der Tendenz zugenommen hat,auch wenn es einige Punkte gibt, wo man sich si-cherlich noch mehr Flexibilität wünschen würde.Wir möchten aber auch darauf hinweisen, dass die-ser flexible Instrumentenkasten natürlich nur einHandwerkszeug sein kann für die Vermittler imUmgang mit den zu vermittelnden Arbeitslosen undArbeitssuchenden. Ein Handwerkszeug, was ihnenermöglichen soll, passgenau und individuell dieBetreuung zuzuschneiden. Um dieses Instrumentrichtig anwenden zu können, bedarf es hoher Kom-petenzen und je flexibler der Instrumentenkasten ist- Herr Knorr hat darauf hingewiesen -, um so größersind die Kompetenzen, die von den Fachkräftenerwartet werden müssen. Hier haben wir in einigenStudien in der Vergangenheit gesehen, dass wir dortdoch sicherlich noch Luft nach oben haben, was dieDiagnosekompetenzen und die Möglichkeiten derFachkräfte angeht, Instrumente dort tatsächlichpassgenau zuzuschneiden. Natürlich ist der Aufbauvon Kompetenzen, die zusätzliche Qualifizierung,die eine Seite der Medaille. Es ist sicherlich aberauch so, dass wir genügend Zeit für solche diagnos-tischen, beraterischen Aktivitäten brauchen und denAufbau einer Beratungsbeziehung, was wieder da-rauf hinweist, dass man sicherlich insbesondere imSGB II auch nochmal darüber nachdenken muss, obdie Betreuungsrelation dort tatsächlich das letzteWort ist oder weiter verbessert werden kann.Schließlich ist es auch so, dass wir aus Studien se-hen, dass viele Fachkräfte die Verfügbarkeit einerMaßnahme immer noch als einen wichtigen limitie-renden Faktor für den Instrumenteneinsatz nebendem individuellen Einsatz nennen, was darauf hin-weist, dass natürlich auch der Mitteleinsatz und dieBeschränkung der Mittel der Flexibilität und derindividuellen Betreuung erheblich entgegenstehenkann.

Abgeordneter Vogel (FDP): Ich habe jetzt eine Fragean die BDA und zwar geht es um das Instrument desVermittlungsgutscheins für private Arbeitsvermitt-ler. Es ist im Gesetzentwurf vorgesehen zu verän-dern, dass die Auszahlungsrelation nicht mehrhalb/halb, sondern ein Drittel/zwei Drittel in denZeittranchen erfolgen soll und der Anspruch erstnach 12 Wochen entsteht, statt wie bisher nachsechs Wochen. Wie beurteilen Sie das?

Sachverständiger Dr. Wuttke (Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbände): Wir befürwor-ten sehr, dass der Rechtsanspruch erhalten bleibt.Das ist auf den ersten Blick ein bisschen überra-

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schend, weil wir in allem hier für mehr Flexibilitätbei der Ermessensleistung eingetreten sind. Wirhalten es aber für erforderlich, weil man leider fest-stellen muss, dass auch in der Organisation der BAdas Zusammenwirken mit Privaten noch nicht so zurSelbstverständlichkeit geworden ist, wie wir uns daswünschen würden. Es sind oftmals doch noch Be-findlichkeiten, in denen man eher Private als Kon-kurrenten sieht, statt als vernünftige und sinnvolleErgänzer, als Dienstleister zu den eigenen Anstren-gungen. Deswegen halten wir es für eine Übergangs-zeit für sehr notwendig, das als Rechtsansprucheinzuführen, würden so etwas auch empfehlen, fürdas SGB II-System zu machen. Die eine Verände-rung, Herr Abgeordneter Vogel, die Sie gerade ange-sprochen haben, die Verlängerung auf 12 Wochen,bevor die erste Rate gezahlt wird, halten wir durch-aus für sinnvoll. Das ganze Instrument, was einereine Erfolgsabhängigkeit besitzt, die immer daraufabzielt, dass Arbeitslosigkeit dann beendet wird,dass also auch Leistungen der Arbeitslosenversiche-rung beendet werden, dass Beiträge gezahlt werdenin das System. Es ist per se ein sehr sinnvolles In-strument. Wir hätten die bisherige Ausgestaltung dereinhalb/einhalb-Regelung für sinnvoller gehalten,weil wir meinen, dass die jetzige Regelung schon aufnachhaltige Integration durchaus abzielt, weil jederprivate Arbeitsvermittler natürlich ein Interessedaran hat, dass das Arbeitsverhältnis bestehenbleibt, um nun auch die zweite Rate zu erhalten.Man muss durchaus anerkennen, dass ein privaterArbeitsvermittler den gesamten Arbeitsaufwand zuBeginn hat. Da fallen für ihn die Kosten an. Auf denweiteren Fortbestand des begonnenen Arbeitsver-hältnisses hat er nur gering Einfluss. Deswegen hiel-ten wir es eher nicht für marktgerecht, das hier zuverschlechtern und würden davon abraten. Wir den-ken auch, dass durch die Verlängerung der sechsWochen- auf die 12 Wochen-Frist, durchaus derAktionsspielraum für die BA verlängert wird, zumalman das im Zusammenhang sehen muss mit derohnehin für jeden arbeitslos werdenden bestehendenVerpflichtung zur frühzeitigen Arbeitssuchendmel-dung, wonach die BA in der Regel ohnehin schoneinen dreimonatigen Aktionsspielraum hat, bevorüberhaupt Arbeitslosigkeit nach Beendigung einesBeschäftigungsverhältnisses eintritt. Da stellen wirauch fest, dass wir in den letzten Jahren eine Verbes-serung der Job-to-Job-Vermittlung hatten. Vor demHintergrund also meinen wir, ist das Instrumentdurchaus gut austariert. Die 12 Wochen sind in Ord-nung. Die Beibehaltung einhalb/einhalb würden wireher empfehlen, weil es auch dem privaten Arbeits-vermittler kaum zumutbar ist, so lange vorzufinan-zieren.

Abgeordneter Vogel (FDP): Ich hätte jetzt eine Fragean das IAB für die Arbeitsmarktforschung und anden DIHK für sozusagen die Seite der Wirtschaft,und zwar zum Themenkomplex Förderung berufli-cher Weiterbildung beschäftigter Arbeitnehmer nach§ 81 und § 82 des Gesetzentwurfes. Das ist erstmaligentfristet worden. Der Gedanke, ältere und geringqualifizierte Arbeitnehmer, die möglicherweise vonArbeitslosigkeit bedroht sind, auch vor dem Hinter-grund des Fachkräftemangels zu qualifizieren. Ers-tens: Wie beurteilen Sie diesen Gedanken grundsätz-

lich? Zweitens: Wie beurteilen Sie die Einschrän-kung? Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, möglicher-weise noch darüber hinaus zu gehen, also mehrArbeitnehmern das noch zu eröffnen als Älteren beiKMU und gering Qualifizierten ohne Berufsausbil-dung und wenn ja, in welchem Ausmaße und wie?

Sachverständige Dr. Koch (Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung): Grundsätzlich sind Investiti-onen in Weiterbildungsaktivitäten generell sinnvoll,vor allen Dingen natürlich vor dem Hintergrund sichabzeichnender Fachkräftebedarfe. Es ist aber bei demThema Weiterbildung aus ordnungspolitischer Sichtimmer zu fragen, wer die Kosten tragen soll, weilvorwiegend private Erträge auf Seiten der Arbeit-nehmer, auch auf Seiten der Arbeitgeber anfallen.Auf Seiten des Individuums kann dann immer ar-gumentiert werden oder kann für bestimmte Perso-nenkreise argumentiert werden, dass es zum eineneine Unsicherheit über diese Erträge der Investitio-nen gibt, die in Weiterbildung getätigt werden, diedazu führt, dass das Individuum für sich genommenzu geringe Investitionen tätigen und zu wenigWeiterbildungsaktivitäten unternehmen wird, wasstaatliche Interventionen hier rechtfertigen könnteund damit eben eine Finanzierung durch die Ar-beitsmarktpolitik. Gleiche Informationsasymmetrienkann man natürlich auch auf Seiten der kleinen undmittleren Unternehmen feststellen, die nicht in derLage sind, hier für solche Investitionen unternehmenin Vorleistung zu gehen. Deswegen halten wir aufder einen Seite die Entfristung der Regelung zurberuflichen Weiterbildungsförderung von Beschäf-tigten für richtig, aber genauso auch die Beschrän-kung auf ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer, weil man nur dort einen kurzen Amortisations-zeitraum unterstellen kann, der diese privaten Inves-titionen besonders erschwert. Die Beschränkung aufkleine und mittlere Unternehmen wird mit der Be-gründung vollzogen, dass das ein Bereich auf Seitender Arbeitgeber ist, die wirklich wenig Möglichkei-ten zur Finanzierung solcher Weiterbildungsaktivitä-ten haben.

Sachverständiger Dr. Dercks (Deutscher Industrie-und Handelskammertag): Vielen Dank, Herr Vogel.Auf der einen Seite ist Weiterbildung angesichts desFachkräftemangels in der Tat die Antwort schlecht-hin. Auch aus Sicht der Betriebe, das verschiebt sichauch von Ausbildung stärker hin zur Weiterbildung,weil wir aus demografischen Gründen weniger jungeMenschen haben. So gesehen ist es natürlich nahe-liegend, dass sich die Politik auch mit diesem The-ma beschäftigt und dann nach Förderinstrumentensucht. Wir waren allerdings bei der Integration die-ses Themas in den Förderkanon der Arbeitsmarktpo-litik von Anfang an skeptisch, das ist ja schon vieleJahre her und begann irgendwann mal im Rahmeneines Bündnis für Arbeit und war damals auch im-mer als befristet und nur kurzfristig angelegt. Jetztsind wir an der Schwelle zur Entfristung irgendwieangelangt, das zeigt, dass das ein Weg ist, der dannimmer weiter geht. Auch deshalb sind wir da sehrzurückhaltend. Die Erfahrung ist nämlich, dass gera-de mittelständische Unternehmen trotz aller Werbe-bemühungen gar nicht so sehr auf diese Fördermaß-nahmen springen. Es ist aus ihrer Sicht auch oftmalszu kompliziert. Die Bedingungen der Bundesagentur,

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das ist jetzt gar nicht kritisch gemeint, sind dannoftmals so, dass sie nicht passen. Sie können aberauch nicht für jeden Einzelfall passen. Von daher istes unseres Erachtens schon sehr sinnvoll, da auchdie Investitionsbereitschaft der Betriebe zu sehen.Wenn es sich rechnet, dann scheint es auch sinnvollzu sein. Auch die Mitarbeiter werden dann im Zwei-fel ihren Beitrag leisten, in Form von Zeit, die sieeinbringen. Vor diesem Hintergrund warnen wirdavor, diesen Bereich der Weiterbildung tröpfchen-weise Richtung BA und damit auch Richtung Ver-staatlichung zu bewegen. Richtig ist, wir müssenhier das Bewusstsein weiter schärfen, es fängt aber,das zeigen unsere Umfragen, an sich sehr deutlichzu bewegen. Von daher ist hier auch längst nichtüberall, wo man es in der ersten Runde denkt, einFörderkanon überhaupt erforderlich.

Vorsitzende Kipping: Wollen Sie jetzt in 30 Sekun-den noch eine Frage loswerden, die auch beantwor-tet werden soll? Mein Vorschlag wäre, dass wir dieAntwort in die zweite Fragerunde schieben und wirdann gleich mit der Antwort von Herrn Adamy. Siesparen so die Fragezeit. Jetzt kommen wir zu den 11Minuten Fragezeit der Fraktion DIE LINKE. Es be-ginnt Frau Sabine Zimmermann.

Abgeordnete Zimmermann (DIE LINKE.): Danke-schön, Frau Vorsitzende. Ich habe eine Frage an denSachverständigen Herrn Rosenthal von der Arbeit-nehmerkammer Bremen und Herrn Dr. Adamy vomDGB. Die zentrale Zielsetzung der Arbeitsmarktre-form oder dieses Gesetzesentwurfes ist ja eigentlichdie Dezentralität, die höhere Flexibilität, aber auchdie größere Individualität. Werden damit trotzdemtatsächlich die mit diesem Regierungsentwurf dieproblematischen Zielgruppen wie z. B. Langzeiter-werbslose, ältere Erwerbslose und junge Menschenohne Berufsausbildung erreicht? Wenn nein, warumnicht?

Vorsitzende Kipping: Als Erstes wurde in dieserFrage Herr Rosenthal angesprochen. Bitteschön.

Sachverständiger Rosenthal (ArbeitnehmerkammerBremen): Vielen Dank. Der vorliegende Gesetzent-wurf zielt darauf ab, schnellere Integration in vor-nehmlich sozialversicherungspflichtige Beschäfti-gung, eine bessere Erschließung des Erwerbsperso-nenpotenzials, eine höhere Beschäftigungsquote (zuerreichen) und eine größere Dezentralität, Flexibili-tät sowie mehr Qualität und Transparenz werden alsBausteine auf diesem Weg gesehen. In diesem Zu-sammenhang sind aus unserer Sicht zwei Punkte zubeachten, zum einen der Punkt, dass der Gesetzent-wurf nicht losgelöst vor den beschlossenen Kürzun-gen im Bereich der Arbeitsförderung betrachtet wer-den kann. Zum Zweiten ist aus unserer Sicht aberauch wichtig, inwieweit sich das Verständnis vonArbeitsförderung im Rahmen dieses Gesetzentwurfesin der letzten Zeit verändert hat, nämlich dass derFokus auf eine schnelle Reintegration in Beschäfti-gung gerichtet wird und andere Zieldimensionen,wie soziale Integration oder gesellschaftliche Teilha-be auf diesem Weg zurückgedrängt werden. Insofernsehen wir das Problem, dass in dieser Gemengelagebesonders förderungsbedürftige Personen wie ebenauch Langzeiterwerbslose in geringerem Umfanggefördert werden und sich die Fördermaßnahmen

auf erwerbs- und arbeitsmarktnahe Personengruppenkonzentrieren. Zum Zweiten ist eine verstärkte De-zentralisierung in der Ausgestaltung der Instrumentenatürlich auch abhängig von einer Mittelhinterle-gung. Sonst läuft die Dezentralisierung und Flexibi-lisierung des Instrumentenkastens ins Leere.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Vielen Dank, Frau Abgeordnete Zim-mermann. Dezentralität und Spielräume ohne Geldführten letztendlich nur dazu, dass politische Ver-antwortung an die Regionen abgegeben wird undman das nur damit begründet, dass man entspre-chend individueller Situationen reagieren könnenwill. Das ist genau der große Gefahrenmoment beidiesem Instrument. Zum Teil werden, das ist schondeutlich geworden, bezogen auf einige Personen-gruppen, Handlungsmöglichkeiten eher einge-schränkt, auch rechtlicher Art über die Frage derFinanzen hinweg, beispielsweise ABM für Langzeit-arbeitslose in der Arbeitslosenversicherung, dieMöglichkeiten für Sozialversicherungspflichtige,öffentlich geförderte Beschäftigung im Hartz- IV-System generell, also das nur als ein Ansatzpunkt.Wir sehen Handlungsmöglichkeiten insbesonderebei der Frage des Hartz- IV- Systems, dass wir fürdiesen Personenkreis ähnliche Möglichkeiten schaf-fen, wie wir sie in der Arbeitslosenversicherunghaben. Ich sage hier nicht zu viel, denn dass dasWeGebAUprogramm der BA ist auf gewerkschaftli-che Initiativen im Verwaltungsrat zurückzuführen.Im Hartz- IV- System gibt es keinerlei Fördermög-lichkeiten, um entsprechend zu sagen, was tun wirhier. Es gibt genauso wenig Fördermöglichkeiten fürIFLAS (Initiative zur Flankierung des Strukturwan-dels), wo Geringqualifizierte einem Berufsabschlusszugeführt werden. Das wären Ansatzpunkte, hiergezielt zusätzliche Mittel für diesen Personenkreisvorzusehen. Es ist falsch, den Entgeltzuschuss fürältere Erwerbslose zu streichen, weil das eher denDruck noch einmal zur Annahme ungünstiger Ar-beitsbedingungen verschärft. Wir müssen viel stärkeran der Frage der Nachhaltigkeit beim Steuerungssys-tem, sowohl in der Arbeitslosenversicherung wie imHartz- IV- System ansetzen. Hier ist das Steuerungs-system im Unterschied zu den Äußerungen vonHerrn Wuttke aus unserer Sicht keinesfalls zufrie-denstellend. Wir müssten ebenso stärker daraufausrichten, dass wir die Frage der Beschäftigungsfä-higkeit stärker ausbauen und, wie gesagt, die Ver-mittlung intensivieren. Auch hier haben wir qualita-tive Probleme im Vermittlungsbereich, die voraus-setzen, dass wir den Personalkörper stabilisierenkönnen.

Abgeordnete Krellmann (DIE LINKE.): Ich habe aucheine Frage an Herrn Rosenthal, Stichwort Vermitt-lungsgutscheine. Ich war ganz irritiert, nachdem ichgelesen habe, dass diese Vermittlungsgutscheine zuweniger als zehn Prozent genutzt werden. Von mei-nem Verständnis her ist das so wenig, dass eigent-lich das Ziel verfehlt ist und man alleine deswegenden Vermittlungsgutschein abschaffen und nichtverlängern müsste. Meine Frage an Sie ist, gibt esnoch Impulse, die man daraus erwarten kann, wenndie Vermittlungsgutscheine jetzt verlängert werdensollen? Das andere ist, welche Schwierigkeiten se-

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hen Sie bei der Ausweitung des Gutscheinmodellsauf Maßnahmen zur Aktivierung?

Sachverständiger Rosenthal (Arbeitskammer Bre-men): Vielen Dank. Die Entfristung des Vermitt-lungsgutscheins ist aus unserer Sicht nicht sachge-recht. Ein kritischer Punkt wurde in der Frage schonangesprochen, nämlich die geringe Einlösung desVermittlungsgutscheins. Nur 10 Prozent der Gut-scheine werden überhaupt eingelöst. Weitere kriti-sche Punkte sehen wir dahingehend, dass Evaluati-onsstudien gezeigt haben, dass zumeist Gutscheinean Arbeitslose mit tendenziell besseren Eingliede-rungschancen vergeben werden und damit geradedas implizite Ziel, besonders arbeitsmarktferne Per-sonen über den Vermittlungsgutschein zu integrie-ren, nicht erreicht wird. Ein weiterer problemati-scher Effekt bei den zustande gekommenen Arbeits-verhältnissen mit Vermittlungsgutscheinen, ist derengeringe Nachhaltigkeit, da nur rund die Hälfte derArbeitsverhältnisse länger als ein Jahr besteht. Daherwürden wir dafür plädieren, die Regelung zum Ver-mittlungsgutschein auslaufen zu lassen. Die zweiteFrage richtete sich auf den Bereich der Aktivie-rungsmaßnahmen und wie weit ein Gutscheinmo-dell in diesem Bereich aus unserer Sicht sachgerechtist. Die Erfahrungen, nicht nur mit dem Vermitt-lungsgutschein sondern auch mit dem Bildungsgut-schein zeigen, dass solche Gutscheinmodelle vor-aussetzungsvoll sind, um das Ziel, nämlich einehöhere Autonomie der Gutscheinbesitzer zu errei-chen, in der Realität schwierig durchzusetzen ist. Eshapert vor allen Dingen immer daran, die Markt-transparenz für die Gutscheinbesitzer herzustellen,so dass sie sich auf diesen Gutscheinmärkten bewe-gen können. Und es drohen vor allen Dingen Selek-tionseffekte für benachteiligte Personengruppen. Vordiesem Hintergrund erscheint es für uns nicht nach-vollziehbar, das Gutscheinmodell in diesem Bereichauszuweiten, gerade weil mit diesem Instrumentari-um tendenziell benachteiligte Personengruppenerreicht und unterstützt werden sollen. Daher wür-den wir von einer Ausweitung des Gutscheinsystemsin diesem Segment abraten.

Abgeordneter Birkwald (DIE LINKE.): Auch meineFrage richtet sich an den Sachverständigen Rosen-thal von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Es gehtum das Thema Arbeitsgelegenheiten. Bei der Umge-staltung des § 16 d im SGB II ist vorgesehen, diesozialversicherungspflichtige Entgeltvariante abzu-schaffen und die sogenannten 1-Euro-Jobs, die Ar-beitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungbeizubehalten. Wäre es aus Ihrer Sicht nicht umge-kehrt besser gewesen? Wer ist nach der vorgesehenUmgestaltung aus Ihrer Sicht besonders benachtei-ligt bei der Neuregelung?

Sachverständiger Rosenthal (Arbeitskammer Bre-men): Die Neuregelung zu den Arbeitsgelegenheitensind aus unserer Sicht tatsächlich widersprüchlich.Einerseits haben Evolutionsstudien gezeigt, dassgerade die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvarian-te im Vergleich zu anderen, Beschäftigung schaffen-den Instrumenten und damit auch den Arbeitsgele-genheiten mehr Aufwand und die höchsten Beschäf-tigungseffekte aufweisen. Eine Förderung in derEntgeltvariante wäre dadurch für den Personenkreis

vielleicht zielführender gewesen. Zum zweiten istdarauf hinzuweisen, oder dieser Befund ist vielleichtauch darauf zurückzuführen, dass mit der Entgeltva-riante durchaus auch marktnähere möglich sind. Vordiesem Hintergrund erscheint uns die Abschaffungdieses Instrumentes kontraproduktiv. Zwar wirkt dieAusweitung oder würde die Ausweitung von Ar-beitsgelegenheiten in der Entgeltvariante in markt-nahen Einsatzfeldern durchaus die Gefahr bringen,reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungzu verdrängen. Allerdings ist es aus unserer Sicht imlokalen Zusammenhangen durchaus möglich, dortdifferenziert und vor allen Dingen auch unter Einbe-ziehung der Sozialpartner zu schauen und dieseGefahr der Verdrängung zu minimieren. LetzterGedanke vielleicht dazu: Insbesondere die jetzt imGesetz vorgesehenen Regelungen zur Budgetierungder sozialversicherungspflichtigen Förderung imNachfolgeinstrument Jobperspektive BEZ halten wirnicht für zielführend. Zum einen beschränkt dieBudgetierung die regionalen Spielräume und läuftdamit eigentlich dem Ziel einer höheren Dezentrali-tät in der Arbeitsförderung entgegen. Zu dem deutenStudien darauf hin, dass mit sozialversicherungs-pflichtigen Förderungen durchaus größere Teilhabe-effekte auszulösen sind als mit den MAE-Förderungen. Von daher würden wir auch dieseBudgetierung auf 5 % des regionalen EGT ablehnen.

Vorsitzende Kipping: Dankeschön und wir kommenzur Fragerunde der GRÜNEN, die 10 Minuten haben.Es beginnt Frau Pothmer.

Abgeordnete Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Meine Frage geht an die BAG der Freien Wohl-fahrtspflege, an den Paritätischen Wohlfahrtsver-band und an die Caritas. Sie wissen wahrscheinlichalle und kennen sie auch, nämlich die Formulie-rungshilfe der Bundesregierung für einen Ände-rungsantrag zum Gesetzentwurf, der uns heute vor-liegt. Mich würde interessieren, wie Sie diesen Än-derungsantrag bewerten? Insbesondere im Bezug aufdie Frage des Bereichs Integration der Langzeitar-beitslosen und der Frage des sozialen Arbeitsmark-tes.

Sachverständige Zwickert (Bundesarbeitsgemein-schaft für Freie Wohlfahrtspflege): Ich kann zu die-sem Punkt leider keine Aussage machen.

Sachverständige Hoffmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V.): Wennich richtig informiert bin, ist angedacht, auf die Pau-schalierung und Festlegung einer bundesweit gülti-gen Maßnahmekostenpauschale einerseits bei derDurchführung von Zusatzjobs zu verzichten, ande-rerseits aber klar zu machen, dass das, was förderfä-hig ist, alleine die Anleitung der Beschäftigung ist.Das halte ich für eine Verschlimmbesserung derFörderungsbedingungen, um es mal ganz deutlich zusagen. Arbeitsgelegenheiten werden, wenn man sichdas Gesamtregelwerk dann anschaut, zu sinnentleer-ten überflüssigen Beschäftigungen, in denen ar-beitsmarktfernste Personen, die einen großen Unter-stützungsbedarf haben, dann lediglich nur noch beider Beschäftigung angeleitet werden können. Eswird weiterhin nicht möglich sein auch gegenüberdem vorherigen Gesetzentwurf, sozialpädagogischeBetreuung zu finanzieren, notwendige Qualifizie-

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rung zu finanzieren. Da muss man sich fragen, wassoll dieses Instrument eigentlich zukünftig nochleisten? Und ich komme da zu folgendem Schluss:Es kann eigentlich nur noch darum gehen, bei ar-beitsmarktfernsten Personen in reinen Beschäfti-gungsmaßnahmen die Überprüfung der Arbeitsbe-reitschaft vorzunehmen. Wenn das so ist, wenn dasSinn und Zweck dieses neuen Förderinstrumentessein soll, dann wäre es meine Bitte, z. B. an HerrnSchiewerling, dass das in der Gesetzesbegründungauch klargestellt wird. Zu dem zweiten Punkt: Wei-terentwicklung zusätzlicher Arbeitsverhältnisse.Hier ist offensichtlich angedacht, zukünftig 20 % derEingliederungsmittel gemeinsam vorzusehen für dieFreiförderung und dem neuen § 16 e SGB II. Das istauch eine kontraproduktive Neuregelung, weil siekeine neuen Spielräume für sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigungsverhältnisse schaffen wird.Im Gegenteil, war es im letzten Jahr so, dass dieJobcenter 22 % ihrer Eingliederungsmittel für denBeschäftigungszuschuss und Arbeitsgelegenheiten inder Entgeltvariante ausgegeben haben. Damit würdesozusagen im Vergleich zur neuen Regelung dasFördervolumen gekappt und es bliebe keinerleiSpielraum für die notwendige freie Förderung, umalso wie von der Bundesagentur für Arbeit bei-spielsweise dargestellt, innovative neue Projekteaufzulegen oder um notwendige Kofinanzierungenvon Bundes- und Landesprogrammen vorzunehmen.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Ich kann jetzt nichts zu dieser Formu-lierungshilfe sagen, aber ich kann zu den Problemenetwas sagen, die jetzt hier angesprochen wurden.Zum einen geht es um die Maßnahmekosten-pauschale, die auf 150 Euro beschränkt ist im jetztvorliegenden Gesetzentwurf, auf den ich mich jetztbeziehe. In unserer Position oder in unserer Sicht-weise sind auch in der bisher von uns ausgeübtenPraxis Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsent-schädigungen verbunden mit Qualifizierung, mitBegleitung, mit Stabilisierung. Das halten wir auchfür dringend erforderlich. Arbeitsgelegenheiten sol-len in unserem Verständnis mehr sein als Beschäfti-gung. Das ist im Rahmen von 150 Euro nicht zuleisten. Insofern plädieren wir dafür, diese Ober-grenze im Gesetz aufzuheben. Sollte jetzt eine Tren-nung vollzogen werden zwischen der Arbeitsgele-genheit selbst und weiterreichenden Maßnahmen, somüssten diese dann unter Verweis auf § 45 SGB IIIabgesichert werden. Da kommen wir in folgendeProblematik herein: Die Maßnahmen nach § 45 SGBIII müssen ausgeschrieben werden, und sie werdendann möglicherweise von einem anderen Trägerwahrgenommen. In unserer Erfahrung ist es zwin-gend erforderlich, die notwendige Begleitung, Quali-fizierung, pädagogische Unterstützung usw. imRahmen einer Arbeitsgelegenheit mit Menschen miterheblichen Vermittlungshemmnissen integriert auseiner Hand zu leisten. Insofern müsste man, wennman eine solche Kombination macht, wenigstensdann sagen, dass diese Dinge, die im Rahmen des §45 SGB III abgesichert werden, nicht über Aus-schreibungen zugewiesen werden, sondern überLeistungsvereinbarungen, damit Hilfen aus einerHand möglich sind. Das scheint uns eine zwingendeErfolgsvoraussetzung zu sein. Zudem kommen wir,

wenn wir einen Bezug zu § 45 SGB III herstellen, indie Problematik der nun deutlich verschärften An-forderungen an Zertifizierung. Es gibt kleinere Trä-ger, die durchaus sinnvolle Maßnahmen im Rahmendes § 16 d machen, Arbeitsgelegenheiten schaffen,die sich dann von diesem Hilfefeld zurückziehenmüssten. Im Sinne der Flexibilisierung, die grund-sätzlich eine Intention des Gesetzentwurfs ist, plä-diere ich sehr dafür, die Obergrenzen aufzuheben.Das bezieht sich sowohl auf den § 16 e als auch aufdie freie Förderung. Aber das könnte man natürlichauch in getrennten Obergrenzen machen. Jedenfallswürde die Anhebung der Obergrenzen die intendier-te Flexibilität deutlich für die Arbeitsmarktakteurevor Ort erhöhen.

Abgeordnete Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich würde gerne eine Frage zum Komplexgrün-dungszuschuss stellen und zwar an die Bundesagen-tur für Arbeit und an das Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung. Insbesondere die Bundesagen-tur für Arbeit sagt in Ihrer Stellungnahme, dass Siedie Einsparvolumina insbesondere beim Gründungs-zuschuss für hoffnungslos überzeichnet hält. Ichwürde gerne einmal von beiden wissen: Wie bewer-ten Sie eigentlich die Umwandlung der Pflichtleis-tung in eine Ermessensleistung? Was bedeutet dasfür die Jobcenter und für die Agentur vor Ort?

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):In einer Minute ist das schwierig. Die Bundesagenturfür Arbeit hat ausformuliert, dass wir die Einsparzie-le im Bereich des Gründungszuschusses für sehrambitioniert halten. Das bedeutet ganz einfach, dasswir im Kontext zu den materiell rechtlichen Rah-menbedingungen gewisse Schwierigkeiten sehen in2012 bei einer gleichbleibenden Inanspruchnahmeund Verhalten der Kunden, dies auch tatsächlich imHaushalt zu realisieren. Es würde bedeuten nachunseren Berechnungen, dass das Eintrittsvolumen –also Neueintritte in die Förderphase I – drastischzurückgehen müsste von rund 85.000 auf rund25.000 Teilnehmer.

Sachverständiger Prof. Dr. Möller (Institut für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung): Ganz kurz zudieser komplexen Problematik. Nach den bisherigenEvaluationsstudien ist die Gründungsförderung einsehr erfolgreiches Instrument im Hinblick auf Be-schäftigungschancen, aber auch im Hinblick aufSchaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-gung. Allerdings ist unklar, wie weit die Mitnahmedort eine Rolle spielt. Die Neuregelung spiegelt zu-mindest vordergründig bzw. zielt darauf ab, dieseMitnahme zu reduzieren. Klar ist aber, dass es imWesentlichen um die Einsparung geht. Positiv istsicher die Entscheidungsfreiheit und die Verantwor-tung der Vermittler, dass dies gleichzeitig damitzunimmt. Es sind dadurch klare Förderkriteriennotwendig. Es gibt aus unserer Sicht ein Dilemmafür die Vermittler, denn wenn sie sich in Zukunftdarauf stützend und die positiven Projekte auswäh-len, dann wird es genau dazu führen, dass die Mit-nahmeeffekte noch gesteigert werden. Denn das sinddie Projekte, die auch ohne Förderung in der Regelgut laufen würden. Da sehen wir einen Konflikt, derauf die Vermittler zukommt. Nun könnte man gene-rell sagen, die Mitnahmeeffekte in diesem Bereich

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sind nicht so negativ zu bewerten, denn es ist gut,wenn in Deutschland – wir haben im internationalenBereich geringe Gründungsraten – die Gründunggefördert wird. Die Frage besteht aber, ob das dieBeitragszahler komplett finanzieren sollten. Das istaber eine allgemeinere Frage, die sich hier stellt.

Vorsitzende Kipping: Vielen herzlichen Dank undmit dieser punktgenauen Landung sind wir am Endeder ersten Fragerunde. Es kommt jetzt eine zweite.Es gab die Anregung von Seiten der Obleute, dasswir uns jetzt wirklich exakt eine fünfminütige Pausegönnen im Interesse der Sachverständigen, falls Siesich dringend die Beine vertreten müssen. Punkt12.40 Uhr fahren wir hier fort. Es lohnt sich alsonicht, das Weite zu suchen, denn wir fahren pünkt-lich nach fünf Minuten fort mit der nächsten Frage-runde.

…Pause…

Vorsitzende Kipping: Die fünf Minuten sind vorü-ber. Deswegen bitte ich Sie, die bestimmt spannen-den Gespräche wieder zu beenden und die Plätzeeinzunehmen, damit wir mit den Fragen der Abge-ordneten fortfahren können. Wir steigen in die zwei-te Fragerunde ein und beginnen mit den Fragen derCDU/CSU-Fraktion. Diese hat 30 Minuten für dieseFragerunde und das Wort hat Herr Schiewerling.

Abgeordneter Schiewerling (CDU/CSU): Ich möchtenoch einmal auf den § 16 f, freie Förderung, zurück-kommen. Darin war bisher das Aufstockungs-undUmgehungsverbot geregelt, das jetzt aufgehobenwerden soll. Meine Frage richtet sich zunächst andas IAB. Wie beurteilen Sie das? Führt das zu einerbesseren Ausnutzung? Wie sehen Sie die Chancenhinsichtlich der Vermittlungsergebnisse? Es wäregut, wenn Sie etwas zur Höhe des Budgets sagenkönnen.

Sachverständige Dr. Koch (Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung): Wir wissen ausImplementationsstudien, dass von den Grundsiche-rungsstellen im Instrumentenkasten im SGB II, vorallem bei den Maßnahmen für Langzeitarbeitslose,Lücken gesehen werden. Das gilt vor allen Dingenbei solchen Maßnahmen, die nicht in erster Linie aufIntegration oder sofort auf Integration und Beschäfti-gung zielen, sondern dieser vorbelagert sind, vorbe-reitend für weitere Schritte dieser Integration. Wirkönnen das unter einem Schlagwort wie sozialeAktivierung zusammenfassen, wo es offensichtlichBedarf gibt, den die Grundsicherungsstellen sehen.Insofern halten wir es für schlüssig, dass man dortinsbesondere eine Öffnung in § 16 f erreicht, weilhier komplexe Problemlagen zu bearbeiten sind. Mitder Öffnung des § 16 f wird es vereinfacht möglich,dort Kombinationen von Instrumenten und andereInstrumente heranzuziehen, die mehr auf Integrationund Beschäftigung zielen.

Wir denken aber auf der anderen Seite, dass derInstrumentenkasten, wie er zu Integration und Be-schäftigung vorliegt, so flexibel ist, dass man ehereinen moderaten Anstieg bei diesen nicht primär aufErwerbsintegration ausgerichteten Maßnahmen zuerwarten hat. Befunde über die richtige Höhe desBudgets gibt es aus wissenschaftlicher Sicht nicht.Insofern kann ich hierzu keine Aussagen treffen.

Abgeordneter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ichmöchte bei dem Thema freie Förderung bleiben undden Deutschen Caritasverband und Deutschen Land-kreistag um eine Einschätzung bitten. Mit der letztenReform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente istdie freie Förderung bis zu zehn Prozent des Einglie-derungstitels geschaffen worden, um vor allem dieMöglichkeit zu schaffen, dass die Jobcenter auf dieunterschiedliche Lage des Arbeitsmarktes und derKlientel von Langzeitarbeitslosen regional und lokalangepasste Antworten finden können. Dieses In-strument ist angesichts der gesetzlichen Beschrän-kungen und der weiteren Vorgaben nur relativ weniggenutzt worden. Deswegen an Sie die Frage: Wennwir jetzt, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, erstensdas Aufstockungs- und Umgehungsverbot abschaf-fen, zweitens evtl. den Anteil der freien Förderungam Budget des Eingliederungstitels erhöhen würden- können wir dann davon ausgehen, dass das In-strument intensiver genutzt wird und dass es vorallen Dingen auch dazu genutzt wird, auf besondersschwierige Situationen von schwer vermittelbarenLangzeitarbeitslosen mit angemessenen Instrumen-ten zu antworten? Oder sehen Sie wenig Chancen,das Instrument der freien Förderung intensiver zunutzen als bisher?

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Mittel für freie Förderung sind einwichtiges Element im Sinne der Flexibilität. DieAufhebung des Aufstockungs- und Umgehungsver-botes ist für langzeitarbeitslose Menschen positiv, dadas bisherige Aufstockungs- und Umgehungsverbotein wesentlicher Punkt für die ungenügende Nut-zung ist und natürlich in vielen Fällen flexible pass-genaue Lösungen erschwert. Es ist jetzt im Gesetz-entwurf vorgesehen, dies für langzeitlose Arbeitsloseaufzuheben. Ich möchte nur darauf hinweisen, dasses natürlich auch eine Problemgruppe von Jugendli-chen gibt, die noch gar nicht lange genug arbeitsloswar, um langzeitlos arbeitslos zu sein und wo flexib-le Maßnahmen bereits im ersten Jahr der Arbeitslo-sigkeit Sinn machen können. Insofern wäre es mei-nes Erachtens sehr wünschenswert, die Aufhebungdes Aufstockungs- und Umgehungsverbotes aufjunge Erwachsene zu erweitern. Jetzt zu Ihrer Frage,ob dieses Instrument dadurch mehr genutzt würde.Das ist meines Erachtens neben der Frage des Auf-stockungs- und Umgehungsverbots auch die Frage,wie dann auf untergesetzlicher Ebene im ganzenVerordnungswege und in den Anwendungsrichtli-nien der BA mit diesem Instrument umgegangenwird. Freie Förderung heißt, dass es einen bestimm-ten Anteil des Budgets gibt, das Leute kreativ nutzenkönnen. Kreativität führt dann dazu, dass dieRechtsanwendung nicht einheitlich ist. Wenn mandann praktisch durch Vorgaben zu erreichen ver-sucht, dass die Kreativität bundesweit überall zumselben Ergebnis führt, dann wird die freie Förderungin ihrer Wirkung wieder eingeschränkt. Es geht dannganz stark um die Konkretisierung der freien Förde-rung in den Richtlinien.

Was die Obergrenze angeht, müssen wir berücksich-tigen, dass der Eingliederungstitel insgesamt rück-läufig wird, dass wir es mit einer Zunahme vonLangzeitarbeitslosen im Arbeitslosenbestand zu tunhaben - einfach aufgrund der erfreulichen Entwick-

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lung, dass arbeitsmarktnähere Personen jetzt größereChancen haben. Das wäre für mich ein Argument,die freie Förderung von der Obergrenze her gegen-über dem Gesetzentwurf anzuheben.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Ich würde zunächst weiter ausholen und daraufhinweisen - das hat das IAB vorhin schon gemacht -,dass es vor der Einführung der freien Förderung diesonstigen weiteren Leistungen gab. Diese warenmengenmäßig die meistgenutzte Maßnahme im SGBII überhaupt. Dann wurden sie verwaltungspraktischverbaut. Das ist kein Geheimnis. Das war eine mas-sive Intervention, die hier vor allem über das BMASerfolgt ist - bei den Optionskommunen ein bisschenfrüher und intensiver als bei der Bundesagentur. Aufdiesem Weg wurde dieses Masseninstrument, wohäufig auch Dinge gemacht wurden, die eigentlich inder Regelförderung hätten stattfinden können, wur-den komplett zurückgedrängt. Dann hat der Gesetz-geber mit dem § 16 f reagiert, der von vornhereineine relativ unglückliche Regelung war, die offen-kundig einen sehr starken Kompromisscharaktertrug. Wenn Sie sich die Regelung durchlesen, ist siein Länge weit und breit ungeschlagen, was dieMaßnahmebeschreibung und Einschränkungen anbe-trifft. Vor diesem Hintergrund würde ich zunächstsagen, die vorgesehene Streichung eines Satzes, dieeigentlich etwas für zulässig erklärt, kann nach mei-nem Verständnis schlecht dazu führen, dass mantatsächlich ernsthaft davon ausgeht, dass damit dasAufstockungs- und Umgehungsverbot erkennbar unddeutlich sichtbar weggenommen würde. Ich würdehier zu einer kompletten Neuformulierung raten, umden Paragraphen überhaupt erst einmal anwendbarzu machen. Wie wenig er zurzeit anwendbar ist,merkt man an der unglaublich niedrigen Höhe derInanspruchnahme. Vor diesem Hintergrund diedringende Bitte, den § 16 f so zu formulieren, dassman ihn verstehen und anwenden kann, und zwar innennenswertem Umfang. Dabei muss auch die Kate-gorie der Jugendlichen eine große Rolle spielen.Einer der wichtigsten Wege der gerade in den An-fangsjahren des SGB II beschritten wurde, war dieFörderung des Hauptschulabschlusses mit solcheneigenen SGB-II-spezifischen Maßnahmen. Die gibt esnicht mehr. Es gibt jetzt den Anspruch im SGB III.Der wird mitnichten so gut und erfolgreich genutzt,wie das vormals bei den Maßnahmen im SGB II, dendie Jobcenter damals selbst gemacht haben, gewesenist. Vor diesem Hintergrund muss man sagen: Hierbringt mehr Freiheit sicherlich viel. Ihre Frage, wieviel wird das dann in Prozenten oder auch in Zahlenbedeuten, würde ich sagen: Je besser der Instrumen-tenkasten ansonsten ist, umso weniger nötig ist der §16 f.

Das hat man etwas schon im Rahmen der letztenReformen gemerkt. Mit den Förderungen im § 45, 46SGB III hat man vieles von dem aufgefangen, wasfrüher sonstige weitere Leistungen waren, aber ebenlange noch nicht alles. Deshalb gehe ich davon aus,bei einer gut aufgebauten, freien Förderung, die ganzklar ergänzend ist - also nicht ersetzend, sonderndarauf aufbauend ergänzend - wird es zu einer höhe-ren Inanspruchnahme kommen. Die Frage ist, wel-cher Budgetanteil wäre da richtig? Aus meiner Sichtmachen diese ganzen Budgetbeschränkungen über-

haupt gar keinen Sinn. Wenn Sie sich klar machen,wie kurz das Tischtuch geworden ist, kommt keinerauf die Idee, auf ein Einzelinstrument zu viel Geldzu verwenden, weil ihm das für die ganzen restli-chen Personenkreise fehlt. Das gilt bei den Arbeits-gelegenheiten genauso wie der freien Förderung. Vordiesem Hintergrund würde ich Ihnen dringend dazuraten, hier auch den Mut zu haben, die Regelungenmit Obergrenzen ganz herauszunehmen. Ich trauemir zu, zu prognostizieren, dass das keine fatalenFolgen hat, weil die Eigenverantwortlichkeit in denJobcentern und in den Arbeitsagenturen gleicherma-ßen so hoch ist, dass da vernünftig damit umgegan-gen werden kann. Schwieriger ist es, mit dem deut-lichen Rückgang der Mittelmöglichkeiten umzuge-hen.

Abgeordnete Brehmer (CDU/CSU): Ich habe eineFrage an den Deutschen Landkreistag, an Herrn Kel-ler. Herr Keller, Sie haben eben noch einmal dieArbeitsgelegenheiten angesprochen und darauf hin-gewiesen, dass wir von dieser Pauschale weggehensollen. Welche Probleme sehen Sie, wenn es, wie imGesetzentwurf vorgesehen ist, bei dieser Pauschalebleibt? Welche Probleme sehen Sie bei der Umset-zung? Ist die Pauschale zur Finanzierung von Ar-beitsgelegenheiten ausreichend?

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Wir gehen davon aus, dass die Pauschale unglückse-lige Wirkungen entfaltet, so wie sie im Gesetzent-wurf steht, weil genau die Personenkreise, die manbesonders in den Blick nimmt, durchaus stärkereHilfestellungen brauchen, da man die möglicherwei-se noch nicht einmal spezifisch auf das unmittelbareArbeitsumfeld zuordnen kann, sondern insgesamteigentlich weiterhin die Freiheit bestehen sollte,dass Verantwortliche in den Jobcentern darüberentscheidet, wie man damit umgeht. Es gab ja diesenunglückseligen Hinweis, aus meiner Sicht auch inder Sache wenig überzeugend, dass die Pauschalenfür die Träger im Verhältnis zu den Ausgaben für dieMaßnahme selbst zu überhöht wären. Da darf mannicht aus dem Blick verlieren, dass auch noch dieSGB- II- Leistungen ausgekehrt werden und dassgerade die Arbeitsgelegenheiten häufig dazu genutztwurden, auch relativ individuell Förderwege aufzu-bauen. Ich möchte auch dafür werben, sich solcheArbeitsgelegenheiten einmal anzusehen. Ich habeeinige Beispiele vorliegen, wo auch im Prinzip ge-standene Akademiker, die irgendwie auf dem Wegzur Promotion oder kurz vor dem Diplom den Bezugzum Arbeitsleben verloren haben und da ohne Hilfe-stellung nicht wieder hingekommen wären, mitrelativ einfachen Mitteln in absehbarer Zeit auchwieder auf den Pfad der Tugend geführt werdenkonnten. Solche Hilfsmöglichkeiten brauchen wir ineinem Jobcenter, um tatsächlich die Leute möglichstwirtschaftlich fördern zu können. Es ist mein Plädo-yer, einfache und relativ wirtschaftliche Wege för-dern zu können, um möglicherweise dauerhaft ausdem Hilfebezug zu kommen. Insofern ist es einedeutliche Werbung dafür, diese Trägerpauschalewegzunehmen.

Abgeordneter Dr. Linnemann (CDU/CSU): Ich greifenoch einmal die Frage von Frau Pothmer zum The-ma Gründungszuschuss auf. Die Frage war mir eben,

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von der BA, nicht richtig genug beantwortet worden.Die Frage war, ob es richtig ist, die Pflichtleistung ineine Ermessensleistung umzuwandeln. Vielleichtnoch einmal Ihre Stellungnahme von dem BA undvielleicht auch die von der BDA.

Vorsitzende Kipping: Diese Frage ging zu einen andie Bundesagentur. Herr Knorr als erstes.

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Wir halten es grundsätzlich für richtig, die Leistungin eine Ermessensleistung umzuwandeln. Das ent-spricht auch unserer generellen Linie, die Leistun-gen der Arbeitsförderung als Ermessensleistungenauszubringen. Das Ermessen im Bereich des Grün-dungszuschusses, wie es jetzt materiell- rechtlichdarstellt, wird für die Anwender, also die Arbeits-vermittler vor Ort, sicher sehr anspruchsvoll sein,weil es beim Vorliegen der Tatbestandsvorausset-zungen schwierig sein wird, eine Förderung, imSinne einer Ermessensausübung auch abzulehnen.Demzufolge korrespondiert das dann mit den Erwar-tungen der Bundesregierung im Mittelvolumen, hieralso dem Grunde nach eine vergleichende Strukturzu ermöglichen. Dem Grunde nach teilen wir schondie Auffassung, aber wir hätten uns gewünscht, dasses auch in der Dauer und Höhe ein Ermessen gibt,aber ansonsten sehen wir die grundsätzliche Linieder BA wir hier schon bestätigt und begrüßen dasauch.

Sachverständiger Wuttke (Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände): Wir begrüßen dieReform, gleichwohl wir sagen, der Gründungszu-schuss ist ein erfolgreiches Instrument. Er zeigt hoheIntegrationsquoten, er zeigt, dass auch im besonde-ren Maße sogar sozialversicherungspflichtige Be-schäftigung von denjenigen, die sich selbstständigmachen, geschaffen wird. Nichtsdestotrotz wird derGründungszuschuss aus unserer Sicht an zwei Stel-len wesentlich verbessert. Die eine Stelle, die hattenSie eben nicht angesprochen, ist die Frage natürlich,welchen Restanspruch man aus dem Arbeitslosen-geld noch haben muss, bevor man in den Grün-dungszuschuss gehen kann. Als das Instrument ein-geführt wurde, hatten wir kritisiert, dass es nur nochdrei Monate sein mussten, weil es natürlich dazuführt, wenn jemand einen zwölfmonatigen Anspruchhat, dass er sich erstmal neun Monate Zeit lassenkann, dann in den Gründungszuschuss geht unddann praktisch auch jetzt in der ersten Phase neunMonate noch Arbeitslosengeld bekommen hätte. Dasheißt, wir haben bisher eine Verdopplung der Leis-tungen der Arbeitslosenversicherung, die wir nichtfür notwendig halten. Da sind starke Mitnahmeeffek-te enthalten. Ich habe das bisher noch nicht irgend-wo gerechnet gesehen, aber das kann man sicherlichvermuten, weil jeder, auch vernünftigerweise untereiner Anspruchsnorm machen will, sich entspre-chend weiter vorbereiten wird, um dann in dieSelbstständigkeit zu gehen. Er wird auch seine Vor-bereitungsphase im eigenen Interesse vergrößern.Das wird hier praktisch jetzt vermieden, indem auchdie erste Phase- sechs Monate wären in dem Referen-tenentwurf richtiger gewesen- jetzt hat man fünfMonate; das ist ein kleiner Unterschied- praktischauch dem noch fortbestehenden Arbeitslosengeldan-spruch entspricht. Das wird Mitnahmeeffekte ein-

dämmen. Das wird auch sicherlich zu Einsparungenführen.

Der Zweite Punkt, Herr Abgeordneter Linnemann, dahatten Sie jetzt noch konkret dazu gefragt, ist dieFrage der Ermessensleistung. Auch das halten wirfür sehr sinnvoll, weil bisher allein schon der beste-hende Anspruch natürlich zu verleiten kann, dassman, was wir ja generell nicht wollen, Existenz-gründung aus der Arbeitslosenversicherung betreibt.Dafür haben wir das reguläre sonstige Instrumenta-rium, was wir weder verdrängen noch irgendwieersetzen wollen, sondern es macht ja nur Sinn fürdiejenigen, die arbeitslos sind, die eine gezielte För-derung benötigen und die dann gezielt in Selbst-ständigkeit gefördert werden könnten. Da darf manallerdings- und das hat Herr Knorr, denke ich, ebensehr vorsichtig angesprochen- auch nach unsererAuffassung mit dieser zweiten Veränderung keinegroßen Einspareffekte erwarten, weil auch bisher jadie BA schon die Tragfähigkeit des Konzepts unddie Geeignetheit der Person geprüft hat. Immerhin,indem man jetzt eine Ermessensleistung hat statteines Anspruches, was auch generell besser über-haupt in das System der Arbeitsmarktförderung inder Arbeitslosenversicherung passt, denken wir,wird es einen Regel vorschieben, auch im Denkenderjenigen, die sagen, Existenzgründungsförderungmache ich auf einem sehr gezielten Weg über Ar-beitslosigkeit, was hier nicht mit dem Instrumentgewollt ist. Es wird auch auf Seiten des ErmittlersMöglichkeiten eröffnen, z. B. Bezug darauf zu neh-men, welche eigenen Möglichkeiten der Arbeitslosehat, welche vielleicht auch anderen regulären För-derinstrumente bereitstehen und man nicht jedesMal auf den Anspruch der Arbeitslosenversicherunggehen muss, weil das nicht sinnvoll wäre. Unterdem Strich aber wird man sagen müssen, dass auchnach unserer Prognose die erwarteten Einsparungensich jedenfalls in dieser Höhe wohl nicht realisierenlassen werden. Gleichwohl ist dort sicherlich einerhebliches Einsparpotenzial, mit den jetzt vorgese-henen Änderungen vorhanden.

Vorsitzende Kipping: Dankeschön. Abschließendging diese Frage an Herrn Dercks vom IHK.

Sachverständiger Dr. Dercks (Deutscher Industrie-und Handelskammertag): Ich kann nahtlos anschlie-ßen an die Aussagen von Herrn Wuttke. Bei denmehr als 300.000 Existenzgründungsberatungsge-sprächen der IHK, die unter anderem dazu dienen,die Tragfähigkeit solcher Vorhaben im Rahmen desSGB III zu überprüfen, merken wir in der Tat, dassdie Arbeitslosigkeit zunächst einmal das Hauptmotivfür sehr viele ist. Das ist ja auch nicht weiter ver-wunderlich. Die entscheidende Frage ist, ob tragfä-hige Konzepte auf den Tisch kommen. Um diesePrüfung, danach dann auch eine Ermessensent-scheidung durchzuführen, ist unserer Ansicht nachsehr sachgerecht. Im Übrigen, nicht nur um Geld zusparen, sondern auch um Frustrationen bei allenBeteiligten zu vermeiden. Von daher geht die Bun-desregierung hier den richtigen Weg. Wir empfehlenallerdings beim Thema Gründungsberatung auch inRichtung Bundesagentur sehr vorsichtig zu sein. Wirmüssen aufpassen, dass die sehr vielfältige Land-schaft zur Beratung von Existenzgründern in

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Deutschland hier keine Doppelung erfährt. Hier sindsehr viele Institutionen - ich nenne hier nur nochmal die KfW - auch ergänzend unterwegs. Man solltedoch sehr aufpassen - auch mit Blick auf die Arbeits-losen und die Förderung - dort die Kulisse einiger-maßen stringent zu formulieren. Unterm Strich einrichtiger Weg, allerdings unserer Einschätzung nachnicht der Weg, um so viel Geld zu sparen, wie es imMoment geplant ist. Das liegt auch daran, dass unse-re Gespräche zeigen, dass die Zahl derer, die aneiner Existenzgründung interessiert sind, eher zu-nimmt. Das hat etwas mit der Diversifikation auchdes Berufslebens zu tun. Gerade auch bei Frauenerleben wir einen verstärkten Trend in RichtungSelbständigkeit, so dass allein von dieser Seite herdie Zahlen eher zunehmen dürften als abnehmen.

Abgeordneter Heinrich (CDU/CSU): Ich möchtenoch einmal eine Frage ein bisschen feiner auf dieBerufsorientierungsmaßnahmen richten und insbe-sondere an Sie vom Caritasverband, Herr Prof. Dr.Cremer und an Herrn Keller vom Deutschen Land-kreistag. Sie hatten, Herr Knorr von der BA, vorhinschon in die Richtung etwas geantwortet. Wie be-werten Sie die in diesem Paragraphen eingefügteKlarstellung, die die Bedürfnisse von Schülerinnenund Schülern mit sonderpädagogischen Förderbe-darf betrifft, bei diesen Maßnahmen, dass die beson-ders zu berücksichtigen sind? Wie wird das vonIhrer Seite eingeschätzt? Macht das Sinn? Wie be-werten Sie das?

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Wir begrüßen die Beibehaltung derRegelung zur Berufsorientierung. Wir begrüßen, dassjunge Menschen mit sonderpädagogischem Förder-bedarf und schwerbehinderte junge Menschen anallgemeinbildenden Schulen intensiv und umfas-send eben bei der Entwicklung beruflicher Perspek-tiven unterstütz twerden sollen. Wir sehen das ineinem Kontext mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Wir würden aller-dings darauf hinweisen wollen, dass in der Umset-zung dann vor Ort und in den verschiedenen Maß-nahmen besser darauf zu achten ist, dass diese un-terschiedlichen Förderprogramme aufeinander abge-stimmt und damit in der Praxis handhabbar sind.Wir würden auch stark betonen wollen, dass Berufs-orientierung Elternarbeit beinhalten muss, also dassauch die Eltern erreicht werden müssen, soweit mandas eben irgendwie kann, dass diese Berufsorientie-rung in den allgemeinbildenden Schulen früh anset-zen muss, auch spielerisch und auch durchaus ineinem Alter einige Jahre vor dem Übertritt oder demVerlassen der Schule und nicht eine Maßnahme desletzen halben Jahres sein kann. Vielleicht noch einkritisches Wort zum § 130 - erweiterte Berufsorien-tierung -. Die ist jetzt über vier Wochen hinaus mög-lich. Das ist allerdings befristet auf Ende 2013, undwir würden vorschlagen, diese Befristung zu strei-chen.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Zur Berufsorientierung kann ich wenig sagen, weildas eben im Bereich der Bundesagentur spielt undinsofern wir weder über die Optionskommune nochüber die Jobcenter in gemeinsamen Einrichtungenbesondere Eindrücke bekommen. Ich kann aber in

diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass dieArbeitsgelegenheiten bisher das Instrument sind, daseigentlich zur Verdauung von Schwerbehindertenim SGB II eingesetzt wird. Das hat den Hintergrund,dass es an Alternativen mangelt. Auch vor diesemHintergrund muss man sich sehr genau überlegen,was man im § 16 d für Einschränkungen oder Be-schränkungen mit auferlegt. Da denke ich auch andie Jahresbegrenzung. Es scheint eben bisher wenigebis keine Fördermöglichkeiten zu geben, geschweigedenn Geld für besondere Fördermöglichkeiten. Dasfängt die Praxis bisher ganz erheblich mit Arbeitsge-legenheit auf. Das darf man vielleicht nicht aus demBlick verlieren.

Abgeordneter Dr. Zimmer (CDU/CSU): Ich habe eineFrage an den Vertreter der BDA. Ich habe Ihr Plädo-yer für die Beibehaltung der Vermittlungsgutscheinein ihrer bisherigen Form zur Kenntnis genommen.Nun gibt es zwei Probleme an dieser Stelle, und dawürde ich gerne mal um Aufklärung bitten, wie Sieselbst diese Probleme angehen würden. Das erste,was uns aus der Jurisprudenz zugetragen worden ist,ist die Befürchtung eines kollusiven Verhaltens zwi-schen Arbeitsvermittlern und Fallbearbeitern. Wiesoll man damit aus Ihrer Sicht umgehen? Und daszweite ist natürlich, dass wir besonders nachhaltigeArbeitsvermittlung fördern wollen. Ich weiß bei-spielsweise aus dem Versicherungsbereich, dass esPrämien beim Abschluss der Versicherung auchdann teilweise erst nach bis zu einigen Jahren gibt.Warum sollen wir dieses Modell nicht ähnlich auchauf die Vermittlung in Arbeit bei privaten Arbeits-vermittlern anwenden? Da wäre ich für einige For-mulierungsvorschläge Ihrerseits sehr dankbar.

Sachverständiger Dr. Wuttke (Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbände): Die Zahlen, dieuns bekannt geworden sind, geben keine vertiefen-den Hinweise auf solches in der Tat kollusives Ver-halten. Wenn das öfter stattfinden würde, wäre esnatürlich bei der BA bekannt und die würde demnachgehen. Denn gerade wenn man mit privatenVermittlern als Partnern zusammen arbeitet, gucktman sich diese genau an und schaut sie natürlichauch an, in welche Bereiche dann dort vermitteltwird. Deswegen würde ich das Problem in dem Ma-ße nicht so sehen. Wir glauben eher - darauf hatteich vorhin schon hingewiesen -, dass die BA einenerheblichen Aktionsradius bereits vorher hat für eineAktivierung durch die frühzeitige Arbeitssuchend-meldung, die immerhin ja drei Monate beträgt unddann geht’s ja noch mal um 6 + 6 Wochen, also eswird um 12 Wochen erweitert. Damit sollten aufjeden Fall alle marktnäheren Arbeitslose schon überJob-to-Job-Vermittlungen, wie das in zunehmendemMaße auch erfolgt, in Beschäftigung vermittelt wor-den sein. Sechs Monate halten wir durchaus für einenachhaltige Vermittlung. Wenn sie sich jetzt geradeansehen - das ist vorhin in der Runde mehrmalsbetont worden -, dass der Kreis der Arbeitslosen sichauch immer mehr zuspitzt auf Menschen mit zu-nehmenden oder mit schwereren Vermittlungs-hemmnissen - d. h., das wird ein Kreis, der eherschwieriger in Arbeit zu integrieren ist, und ichmeine, bei diesem Kreis würden wir schon sagen,alles was über sechs Wochen hinaus geht, ist einGewinn. Wir würden Ihre Sorge, es sei nicht nach-

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haltig genug, nicht teilen. Wir denken, dass jeder,jede Vermittlung, jede schnelle Integration in Arbeit,dass dies vor allen Dingen klare Zeichen setzt, dassEigeninitiative eingefordert wird. Es gibt aber auchZeichen an jeden, dass man zusätzliche Unterstüt-zung bekommt, auch neben den Arbeitsagenturen fürsich selbst zusätzlich tätig zu werden, in dem manpraktisch Unterstützer seines Vertrauens zusätzlichansprechen kann. Und es würde letztlich das klareSignal der klaren Vermittlungspriorität gegeben.

Abgeordneter Schiewerling (CDU/CSU): An denZDH und an den DGB: Es geht um die Frage derberufsvorbereitenden Maßnahmen. Wir haben80.000 Jugendliche, die die Schule ohne einenSchulabschluss verlassen. Die wären aber sehr wohlin der Lage, möglicherweise zu einem erheblichenTeil durch betriebliche Praktika an Betriebe herange-führt und über diesen Weg eine Motivation zu be-kommen und sich dann wieder neu auf die Schul-bank zu setzen. Wie schätzen Sie das ein?

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Vielen Dank für die Frage.Eine Verlängerung der betrieblichen Praktikaphasenwäre jedenfalls zu begrüßen, um den Jugendlichenauch bei der Einstiegsqualifizierung Praxiserfahrungzu vermitteln. Kombiniert mit weiterer Unterstüt-zung der Maßnahmeträger können Jugendliche somitauf die betriebliche Ausbildung vorbereitet werden.Ein solches Instrument ist insbesondere für solcheJugendliche geeignet, die Bedarf für eine stärkereBegleitung und Unterstützung durch einen Trägerhaben und damit noch nicht reif für EQJ sind. Inso-fern sind solche Praktikaphasen als vorgeschaltetesInstrument vor der Einstiegsqualifzierung ein sehrsinnvolles Instrument.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Betriebliche Praktika können auf dereinen Seite hilfreich sein, aber gleichzeitig zeigt EQJ,welche Schwierigkeiten wir in der Praxis haben, woes auch genau um eine ausreichende Zielorientie-rung und Sicherstellung geht, dass die Betriebe ihreVerantwortung übernehmen. Bei BVB sehen wirallerdings auch das Problem, dass nach wie vor vieleAusbildungsreife reinkommen. Wir empfehlen ange-sichts eines sich ändernden Arbeitsmarktes den Wegzu gehen, dass diejenigen, die BVB durchlaufenhaben, auch tatsächlich ein Recht auf eine Ausbil-dung erhalten und nicht neue Warteschleifen durch-laufen müssen.

Vorsitzende Kipping: Wir kommen zur Fragerundeder SPD. Es beginnt Frau Krüger-Leißner.

Abgeordnete Krüger-Leißner (SPD): Ich möchte dieÄußerung von vorhin zum Vermittlungsgutscheinnoch mal aufgreifen und eine andere Meinung hö-ren, und zwar von Herrn Dr. Adamy. Wie bewertetder Deutsche Gewerkschaftsbund den Vermittlungs-gutschein als arbeitsmarktpolitisches Instrument?Wie stabil sind die Beschäftigungsverhältnisse, indie vermittelt wurde? Sind die geplanten Änderun-gen dazu geeignet, dieses Instrument besser hand-habbarer zu machen, um Mitnahme oderCreamingeffekte zu vermeiden? Haben Sie Ände-rungsvorschläge dazu?

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Ich bin insofern überrascht von denArbeitgebern, die generell sagen, keine Rechtsan-sprüche. Aber hier, wenn es um eine Klientel geht,die selber davon profitiert, dann will man diesenRechtsanspruch erhalten. Ich nehme zugleich zurKenntnis, dass die Bundesregierung auch im Refe-rentenentwurf erst einmal vorgesehen hatte, weitge-hend auf dieses Förderinstrument zu verzichten. Wirhaben aus der Praxis sehr viele Hinweise, dass es beidiesem Instrument Missbräuche gibt. Man brauchtsich beispielsweise nur auf der Seite der Bundes-agentur für Arbeit die Hinweise anzuschauen, woMissbrauchstatbestände seitens der Bundesagenturfür Arbeit erkennbar sind. Es ist äußerst verwal-tungsaufwendig, aber das ist auch schon gesagt wor-den. Alle Forschungen zeigen, dass es keine Überle-genheit der privaten gegenüber einer öffentlichenArbeitsvermittlung gibt. Im Gegenteil: Durch eineintensivere Betreuung wie Pinguin könnte die öffent-liche Arbeitsvermittlung auch stabilere Arbeitsver-hältnisse vermitteln, und es müsste auch die Quali-tät öffentlicher Vermittlung deutlich verbessert wer-den in beiden Rechtskreisen. Hier bei diesem An-satzpunkt zeigt sich beispielsweise, dass die Bun-desagentur für Arbeit sehr offen ist und zum TeilTräger direkt privat beauftragt und dass das eher einzieladäquates Instrument ist für besondere Perso-nengruppen. Hier wird aber mit der Gießkanne drü-ber gegangen, damit Beitragsgelder auch zum Teilabgeschöpft werden können. Etwa 40 Prozent derVermittlungsgutscheine von Privaten gehen in Leih-arbeitsverhältnisse. Das zeigt, dass man hier Hand inHand arbeitet und dass dies ein ganz legaler Weg ist.Wenn ich mich als Vermittler selbständig mache,mich mit Jemandem zusammen tue, der Verleiher istund sage, alle Einstellungen laufen nur über mich,so ist die Frage hierbei, ob damit sinnvollere ar-beitsmarktpolitische Effekte realisiert werden. Es istein großer Gremieneffekt, das zeigen alle Begleitfor-schungen. Selbst der Bundesrechnungshof hat mehr-fach auf negative Auswirkungen bei diesem Instru-ment hingewiesen, und wir empfehlen von daherklar und deutlich, auf dieses Instrument ganz zuverzichten. Wir sehen allerdings im Gesetzentwurfdurchaus einige Ansatzpunkte, die darauf abzielen,Gremieneffekte zu reduzieren. Wir sind allerdingsder Auffassung, das wird sich in der Praxis wahr-scheinlich nicht als ausreichend erweisen. Deswe-gen plädiere ich für eine Stärkung der Arbeitsver-mittlung und Verzicht auf diesen Vermittlungsgut-schein bei allerdings weiterer Beauftragung derBundesagentur für Arbeit für gezielte Personengrup-pen, so dass die Vermittler durchaus für spezifischeAufgaben zum Zuge kommen können. Denn dieArbeitsverhältnisse sind auch hier häufig stabil undlängst nicht immer qualifikationsgerecht.

Abgeordnete Lösekrug-Möller (SPD): Ich möchteden Blick nochmal auf eine andere Fragestellungrichten. Ich frage Frau Dr. Koch vom IAB. Wir habenhier viel über Instrumente geredet, aber Sie haben inder ersten Runde auch schon einmal dargelegt, wiees eigentlich mit der Qualität der Rahmenbedingun-gen für Beratung für Vermittlung ist. Das zielt auf diePersonen, von denen wir eigentlich wollen, dass siehohe Erfolge bringen. Ich frage Sie: Wie wichtig sind

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diese Vermittler und Vermittlerinnen für erfolgrei-che Eingliederungsstrategien, wenn Sie dieses Re-formpaket betrachten?

Sachverständige Dr. Koch (Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung): Ich habe vorhin in meinerAntwort auch schon darauf hingewiesen, dass esdort durchaus ein Zusammenwirken gibt. Manbraucht einen gut gefüllten flexiblen Instrumenten-kasten, der das Handwerkszeug der Vermittler ist.Zum anderen braucht man auch gut ausgebildeteVermittler mit genügend Zeit für die Beratungen undmit genügend sicheren Rahmenbedingungen, umPersonen mit Vermittlungshemmnissen – insbeson-dere diese - gut betreuen zu können. Aus unsererSicht ist insbesondere die Zeit der entscheidendeFaktor, die man sich nehmen muss, um tatsächlichdie Vermittlungshemmnisse, die Ansatzpunkte fürIntegrationsfortschritte genau zu identifizieren, umdort zu einer sinnvollen Eingliederungsstrategie zukommen. Wir denken, dass sicherlich in der For-schung, die wir in den letzten Jahren – insbesonderedie sich auf die Zeit 2008, 2009, Anfang 2010 bezog -deutliche Defizite auch in der Betreuung und in denDiagnosekompetenzen aufgedeckt worden sind. Wirsind jetzt gespannt, wie sich mit dem Instrumentari-um, was in der Betreuung verbessert worden ist,durch die Einführung – beispielsweise durch das 4-Phasen-Modells oder der Beratungskonzeption –dort in der Betreuung Fortschritte gezeigt haben. Wirsehen aber auch, dass dieser Punkt in dem Instru-mentenreformgesetz, wie es jetzt vorliegt, natürlichnicht im Vordergrund stand.

Abgeordneter Juratovic (SPD): Mein Frage richtetsich an Herrn Prof. Dr. Knuth. Die Gesundheit ist einwichtiger Aspekt der Beschäftigungsfähigkeit. Wirddieser Aspekt durch die von der Bundesregierungvorgelegten Gesetzesinitiative ausreichend beachtet?Wenn nein, wo sehen Sie mögliche Ansatzpunktefür eine Verbesserungen?

Sachverständiger Prof. Dr. Knuth: Die Frage hatetwas oratorischen Charakter, denn, wenn Sie ein-mal durch die Materialien mit der Suchfunktiongehen, dann stellen Sie fest, das Wort kommt garnicht vor. Die Gesundheitsförderung kommt garnicht vor. Gerade angesichts der Dominanz, vorallem der erwerbsfähigen Leistungsberechtigtennach SGB II in der Gesamtgruppe, die wir betrach-ten, ist es eben ein ganz wichtiger Faktor, den mannicht außer Acht lassen kann. Ich denke, es wirdhöchste Zeit, dass wir die Erkenntnisse der Praxisaufgreifen und die Gesundheitsförderung integrie-ren. Wobei mir dabei klar ist, dass es schwierig ist,weil es hier viele Schnittstellen zu beachten gibt.Aber zumindest könnte man zwei Dinge im erstenSchritt tun. Man könnte klarstellen in den einfüh-renden Bemerkungen des SGB II, dass die Zielset-zung des Gesetzes, die Erwerbsfähigkeit zu erhaltenund zu verbessern, u. a. die Gesundheitsdimensioneinschließt. Zweitens könnte man ein Kooperations-gebot mit den jeweiligen anderen Trägern, insbeson-dere den Krankenkassen, vorsehen. Weitere Dingekann man durchaus später machen, wenn man mehrErfahrung gewonnen hat. Beim jetzigen Zeitpunktwürde ich nicht schon spezifische Instrumente ent-werfen wollen.

Abgeordnete Schmidt (SPD): Meine Fragte geht anden Paritätischen Wohlfahrtsverband, an die Caritas,den DGB und an den Deutschen Landkreistag. Ichmöchte eine generelle Frage stellen: Halten Sie dieRegelung des Gesetzentwurfes, der besonders behin-derte Menschen betrifft, überhaupt für vereinbar mitden Forderungen der UN-Konvention nach eineminklusiven Arbeitsmarkt?

Was muss man hinsichtlich der Schwerbehinderten-ausgleichsabgabe noch tun, bzw. wäre ein dauerhaf-ter Minderausgleich nicht sinnvoll, um für diesePersonengruppe generell eine Chance auf dem all-gemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen? Die im Referen-tenentwurf vorgesehenen Regelungen, wie Arbeits-assistenzen, Ausgestaltung des Arbeitsplatzes, sinddamit weggefallen. Weil meine Problemgruppen sichbesonders in den neuen Bundesländern aufhalten,möchte ich noch anfügen: Diese drastische Mittel-kürzung, die besonders den SGB-II-Bereich betrifft -ich komme aus der Region Mansfeld-Südharz-Kreismit sehr vielen SGB-II-Empfängern - kann man dasüberhaupt kompensieren, damit diese Menschennicht völlig aus der sozialen Teilhabe verschwin-den? Wenn man diese Mittelkürzung kompensierenkann, was schlagen Sie dafür vor?

Vorsitzende Kipping: Diese Frage ging an eine ganzeReihe von Institutionen. Als Erste war Frau Hof-mann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gefragt.

Sachverständige Hofmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.): Die Ideeeines inklusiven Arbeitsmarktes ist arbeitsmarktpoli-tisch noch zu wenig entwickelt und konzeptionellverankert, in dem Gesetzentwurf nur marginal tan-giert, ohne dass es dafür konzeptionelle Grundlagenund Ansatzpunkte geben würde. Wir sehen alleinbei der neuen Schwerpunktlegung der Berufsorien-tierung für Schülerinnen mit sonderpädagogischemFörderbedarf einen neuen Ansatzpunkt, den wirbegrüßen, um zu verhindern, dass Schülerinnen ausSonderschulen, beispielsweise Lernbehinderten-schulen dann automatisch in die Werkstätten fürbehinderte Menschen (WFBM) gelangen, sonderndass ihnen alternative Wege auch mit der Berufsori-entierung eröffnet werden. Wir sehen genauso, wieSie das eben angesprochen haben, massive Benach-teiligungen gerade für seelisch behinderte Menschendurch die beabsichtigte Neugestaltung des § 16 e,des Beschäftigungszuschusses in der alten Fassungund der Förderung von sozialversicherungspflichti-gen Arbeitsverhältnissen in neuer Form - dadurch,dass das Fördervolumen auf eine kleinere Restgrößevon nach unseren Berechnungen maximal unter20.000 Personen reduziert wird, dass eine längerfris-tige mehrjährige Förderung wie heute beim Beschäf-tigungszuschuss nicht mehr möglich wird, auch zuLasten von behinderten Menschen, und wie Sieansprechen, leider fehlt auch die Begleitung fürbehinderte Menschen durch eine Arbeitsassistenz.Es fehlt auch an einer Förderung von Investitions-kosten.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Ich kann mich den Ausführungen derFrau Hofmann anschließen. Die Gestaltung einesinklusiven Arbeitsmarkts für Menschen mit Behin-derungen war nicht der Schwerpunkt der jetzigen

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Gesetzesreform. Auf die positiven Möglichkeiten dererweiterten Berufsorientierung ist hingewiesen wor-den. Es geht einerseits natürlich um eine inklusiveArbeitsmarktpolitik für Menschen mit Behinderun-gen, die ein hohes Leistungspotenzial haben, aberaufgrund von Hürden bei der Beschäftigung undVorbehalten bei Arbeitgebern oder vielleicht auchbei Kollegen derzeit nicht beschäftigt werden. Undes geht um Menschen, bei denen eine starke psychi-sche Beeinträchtigung vorliegt, wo wir in einer ganzanderen Zielgruppe sind und wo wir es für dringenderforderlich halten, für diesen Personenkreis nebendem Gedanken der Arbeitsmarktintegration denGedanken der Teilhabe stark in der Begründung fürdas SGB II zu verankern. Da ist der § 16 e und einInstrument, das war eine der Intentionen für dieJobperspektive 2007 und hier sollte man durch eineAnhebung der Obergrenzen die entsprechende Fle-xibilität schaffen.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Ich kann mich Frau Hofmann undHerrn Cremer anschließen. Ich will ergänzend viel-leicht noch ein paar Punkte zusätzlich aufgreifen.Einmal kritisieren wir auch den Beschäftigungszu-schuss. Gerade das war ein sehr sinnvolles Instru-ment. Er wird jetzt gedeckelt, zeitlich verkürzt undist nicht mehr automatisch an tarifliche Entlohnunggebunden. Das wird sich sehr nachteilig auswirken.Auf der einen Seite sollte man auch gezielt überIntegrationsbetriebe nachdenken. Hier kann deutlichmehr getan werden, wenn sie beispielsweise geför-dert werden. Man muss generell feststellen, dass esjedenfalls nach unserem Eindruck für schwerbehin-derte Menschen hinsichtlich der Betreuung schlech-ter ist als in der Arbeitslosenversicherung. Geradeaufgrund des Zeitdrucks durch das immer nochrelativ schlechten Betreuungsverhältnisses haben diearbeitsmarktfernen Personengruppen meistens dasNachsehen. Das zeigt sich insbesondere auch imBereich der beruflichen Rehabilitation. Hier ist ei-nerseits die gesetzliche Konstruktion äußerst kom-pliziert, so dass nur wenige Experten in der Repub-lik überhaupt verstehen, wie die Aufgabenteilungbei der Frage der beruflichen Rehabilitation ist. Hierist dringender Handlungsbedarf gegeben, insbeson-dere auch bei den optierenden Kommunen, aberauch bei den ARGEn, die viel zu wenig für schwer-behinderte Menschen tun.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Sehr gerne greife ich die Thematik auf. Ich denke,ich kann auch an dem, was Herr Cremer und FrauHofmann gesagt haben, anschließen. Es wurde vor-hin schon deutlich, wir haben im SGB II immer nocheine sehr starke Mängelverwaltung. Die Personalsi-tuation ist vielfach höchst angestrengt, wenn nichtstrapaziös. Dass da Personengruppen zu kurz kom-men, die besonderes Augenmerk bräuchten undauch größere Ressourcen in Anspruch nehmen kön-nen müssten, ist naheliegend. Ich denke, das wirdauch daran deutlich, dass wir inzwischen in etwabei 70 Prozent liegen, was den Anteil der Menschenim Langzeitleistungsbezug anbetrifft - mindestens 21Monate in den letzten 24 Monaten. Das ist ein ziem-lich hoher Anteil. Ich denke, darunter fallen u. a.auch die Menschen mit Schwerbehinderungen.Wünschenswert wäre, da viel mehr tun zu können.

In die aktuelle Haushaltssituation und die Konsoli-dierungsanstrengungen, was die Haushalte auf öf-fentlicher Seite betrifft, passt das relativ schlecht.Nichtsdestotrotz muss man sich dieses Themas an-nehmen.

Abgeordnete Kramme (SPD): Meine Fragestellungrichtet sich an Prof. Knuth. Wir haben jetzt vielfälti-ge Veränderungen durch die Instrumentenreform imBereich der öffentlichen Beschäftigung, einerseitsAGH, ABM und Beschäftigungszuschuss. Es gehtnatürlich auch um die finanziellen Mittel. Brauchenwir in der Bundesrepublik Deutschland öffentlichgeförderte Beschäftigung und wie sollte sie IhresErachtens ausgestaltet sein?

Sachverständiger Prof. Dr. Knuth: Ich denke, wirbrauchen sie - wobei dieses natürlich eine politischund normativ zu entscheidende Frage ist. Es gibteinen erheblichen Teil von Arbeitslosen und Hilfe-bedürftigen, die auf absehbare Zeit nicht in denregulären Arbeitsmarkt integrierbar sind und dieFrage ist: Will man für die etwas tun und will mannichts für sie tun? Das ist eine politisch zu entschei-dende Frage. Wenn man etwas für sie tun will, sollteman sich über die Ziele klarer sein. Hier erleben wirim Grunde seit Jahrzehnten einen Schlingerkurs, woman ständig versucht, zwischen verschiedenen Di-lemmata hin- und herzusteuern - ohne klar auf denTisch zu legen, was für Optionen es überhaupt gibt.Es ist klar, wenn man diese Menschen in Tätigkeitenfern vom ersten Arbeitsmarkt einsperrt, die es aufdem ersten Arbeitsmarkt auch nicht gibt, dann kanndas durchaus sinnvoll sein, für Tagesstrukturierung,Teilhabe usw. Aber dann soll man doch bitte nichtdas Ganze an Integrationsquoten in den ersten Ar-beitsmarkt messen. Wenn man es daran nicht misst,muss man andere Wirkungsindikatoren haben, ebengenau Indikatoren für die Erreichung dieser Ziele.

Zweitens: Wenn man keine Vollförderung will,wenn man keine 100 Prozent staatlich geförderteBeschäftigung will, dann muss man Trägern erlau-ben, in Nischenmärkten tätig zu werden. Woher solldas Geld sonst kommen? Das betrifft das neue In-strument der Förderung von Arbeitsverhältnissen.Dieses allein dadurch regulieren zu wollen, dassman es durch Deckelung kleinhält, halte ich fürverfehlt. Dann kann man es auch fast ganz abschaf-fen. Ich könnte mich durchaus mit dem Vorschlagder BDA einverstanden erklären, die Wettbewerbs-neutralität auch hier durch Verfahren zu regeln. Dassetzt aber voraus, dass wirklich gesetzlich festgelegtwird, dass das Verfahren die Wettbewerbsneutralitätsicherstellt und nicht dass der Bundesrechnungshofdann wieder herkommt und sagt: Ätsch, ich machejetzt eine eigene Prüfung von Wettbewerbsneutralitätund stelle fest, dass das alles nicht rechtens ist. EineRegelung der Wettbewerbsneutralität durch Konsenshaben wir in Ansätzen in den 90er Jahren gehabt.Das hat funktioniert. Ich denke auch, die Akteurekönnen sich noch daran erinnern. Man kann zudiesen Praktiken zurückkehren und es ist dann eineFrage des regionalen Konsenses, wie viel Nischeman für solche Aktivitäten in der Region zugestehenkann, ohne dass das Handwerk leidet. Natürlich istes klar, wenn alle öffentlichen Parks von öffentlichgeförderten Beschäftigten gepflegt werden, dass

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dann Gärtner keine Aufträge bekommen. Natürlichist es ein reales Problem, das kann niemand wegdis-kutieren.

Vorsitzende Kipping: Dankeschön. Die Fragerundeder FDP beginnt mit der Antwort von Herrn Adamy.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Sie erinnern sich vielleicht, dass es aufInitiative des DGB zurückzuführen ist, dass es in derBA das WeGebAUprogramm gibt. Hier gibt es aller-dings Grenzen, dies inwieweit wir Beschäftigte ausBeitragsmitteln fördern. Wir sind von daher dankbar,dass die gesetzlichen Grundlagen jetzt entfristetwerden. Es ist allerdings ein Grenzbereich zu sagen,inwieweit ein Beitragssystem Anreize geben soll, umDefizite im betrieblichen Bildungssystem und in derbetrieblichen Weiterbildung zu korrigieren. Wirkönnen uns sehr viel an dieser Stelle vorstellen, sindbisher allerdings den Weg gegangen und haben ge-sagt, wir wollen diese Anreize auf diese beiden Per-sonenkreise begrenzen. Aus meiner Sicht ist aller-dings dringend erforderlich, , auch die Defizite beikleinen und mittleren Betrieben hinsichtlich derWeiterbildungsberatung zu beheben. Hier wäre essinnvoll, wenn man dies in stärkerem Maße unter-stützen könnte, beispielweise auch durch Sozial-partnerinitiativen in dem Bereich und man sagt, wirwollen auf die Betriebe und auf die Beschäftigtenzugehen, denn längst nicht alle Ungelernten oderÄlteren drängen auch von sich aus auf Weiterbil-dung. Hier ist partiell eine sinnvollere Unterstützungnotwendig.

Abgeordneter Vogel (FDP): Ich habe eine Frage anCaritas und den Deutschen Landkreistag zum The-menkomplex Pflege. Es wurde ja im Rahmen desKonjunkturprogramms vorübergehend das dritteAusbildungsjahr in der Altenpflege durch die Bun-desagentur übernommen. Das ist jetzt seit einemhalben Jahr ausgelaufen. Es gibt die Vereinbarung,dass andere Akteure dort einspringen. Mich würdeinteressieren, wie Sie einschätzen, wie das in derPraxis schon funktioniert.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Es bestreitet ja niemand, dass es sinn-voll ist, Personen, die dazu bereit und in der Lagesind, für den Pflegebereich auszubilden. Wir hattendie erfreuliche Situation, , dass diese Förderung ausMitteln dieses Konjunkturprogramms auf drei Jahremöglich war und damit eine vollwertige Ausbildungfür den Pflegebereich erzielbar war. Wir bedauernsehr, wenn jetzt diese Möglichkeit gestrichen wird,weil wir dann wieder in eine äußerst schwierige undkomplizierte Finanzierungssituation und die ent-sprechenden Grabenkämpfe zwischen den Kosten-trägern hineinkommen werden. Das ist bedauerlich,da wir gerade nun in der Qualifizierung für die Pfle-ge es mit einem Bereich zu tun haben, wo die Nach-haltigkeit dieser Maßnahmen eindeutig gesichert ist.Wenn es eine Wachstumsbranche in Deutschlandgibt, dann ist esder Pflegesektor. Da ist auch im Ge-gensatz zu allen anderen Prognosen die Zunahmeder älteren Personen, der pflegebedürftigen Personenklar gesichert. Kürzere Ausbildungen werden dazuführen, dass die Personen dann als Pflegehilfskräftequalifiziert sind, was ihnen geringere Beschäfti-gungsmöglichkeiten und den Einrichtungen auch

geringere Flexibilitäten bei der Betreuung ältererMenschen ermöglicht. Daher bitten wir sehr drin-gend darum, diese im Konjunkturprogramm getroff-ene Regelung beizubehalten und zu entfristen.

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Es tut mir leid, zu diesem Komplex kann ich keineAussage treffen.

Vorsitzende Kipping: Wir fahren jetzt fort mit denFragen der FDP-Fraktion. Herr Kober bitte.

Abgeordneter Kober (FDP): Zunächst einmal Herzli-chen Dank für die bisherigen Ausführungen. Ichhabe noch eine Frage zu dem sensiblen Thema deröffentlich geförderten Beschäftigung. Meine Fragerichtet sich zunächst an den Zentralverband desDeutschen Handwerks und an den Deutschen In-dustrie- und Handelskammertag. Dann hätte ichgerne zu den Antworten eine Stellungnahme vonHerrn Prof. Cremer und vom IAB. In ihrer Stellung-nahme des Deutschen Zentralverbandes des Deut-schen Handwerks äußern Sie sich sehr kritisch zuröffentlich geförderten Beschäftigung. Sie führensogar aus, dass die öffentlich geförderte Beschäfti-gung keine positiven sondern empirisch belegt sogarnegative Auswirkungen auf die Eingliederungschan-cen von Erwerbslosen hat. Könnten Sie das viel-leicht noch ein bisschen ausführen? Meine Fragewäre dann, anschließend an den Deutschen Indust-rie- und Handelskammertag, ob Sie das auch ausIhrer Arbeitgeberperspektive bestätigen würden.

Dann eben die Frage an Herrn Dr. Cremer. Was tunSie oder welche Chancen sehen Sie um Einbin-dungseffekte zu begegnen? Und dann die Frage ansIAB. Wie bewerten Sie das aus der wissenschaftli-chen Sicht, was Sie gehört haben?

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Vielen Dank für die Frage zuden Themen öffentlich geförderte Beschäftigung, 1-Euro-Jobs und Handwerk. Vor allen Dingen aberauch die Frage der Integrationswirkung in den erstenArbeitsmarkt. Es gibt eine Reihe von Studien, geradeauch vom Institut für Arbeitsmarkt -und Berufsfor-schung aus Nürnberg, aber auch von anderen Institu-ten, die untersucht haben, welche Eingliederungs-wirkungen die 1-Euro-Jobs haben. Und tatsächlichist diese negativ. Die Eingliederung in den erstenArbeitsmarkt zumindest wird sogar verzögert fürMaßnahmenteilnehmer durch diese öffentlich geför-derte Beschäftigung, und insofern ist das kein geeig-netes Instrument, um Langzeitarbeitslose wieder inden ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Darüberhinaus besteht eben die große Gefahr, dass jemandnäher die Tätigkeit ausgestaltet von 1-Euro-Jobbernbzw. von öffentlich geförderter Beschäftigung insge-samt, dass dann eben auch Beschäftigung in Hand-werksbetrieben verdrängt wird. Auf dieses Dilemmahatte auch Herr Cremer schon mehrfach hingewie-sen. Aber das ist nun mal ein Dilemma und insofernsind 1-Euro-Jobs kein geeignetes Mitteln für eineIntegration in den ersten Arbeitsmarkt. Wenn mansie denn anders ausgestaltet und eine andere Ziel-richtung vorgibt, dann ist die Frage, ob sie dennüberhaupt noch ein Mittel für die Arbeitsmarktpoli-tik sind. Dann sind sie nur zur Aufrechterhaltungvon Beschäftigungsfähigkeit vielleicht, aber dann

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muss man sich irgendwann die Frage stellen, ob esüberhaupt noch ein sinnvolles Instrument für dieArbeitsmarktpolitik zur Integration in den erstenArbeitsmarkt ist. Und das bezweifeln wir sehr.

Sachverständiger Dr. Dercks (Deutscher Industrie-und Handelskammertag): Ich kann nur nahtlos an-knüpfen. In der Tat ist es auch unserer Ansicht nachso, dass von öffentlicher Beschäftigung eher negativeAuswirkungen auf die Vermittlungserfolge ausge-hen. Das zeigen in der Tat die Erfahrungen der Ver-gangenheit. Das einzige, wozu sie wirklich unsererAnsicht nach geeignet sind, ist in der Tat ein Heran-führen an die Arbeitsfähigkeit sowie auch - HerrProf. Dr. Knuth hat es vorhin ausgeführt - an eingeregeltes Arbeitsleben, aber nicht in eine Vermitt-lung im engeren Sinne. Und gerade angesichts dersinkenden Arbeitslosigkeit und der demographi-schen Entwicklung sind auch andere Gründe füreinen öffentlichen Beschäftigungssektor im Ver-schwinden begriffen, so dass wir doch empfehlen,ähnlich, wie wir das auch bei jungen Menschen tun,das Thema Betriebsnähe auch hier noch einmalaufzurufen. Wir sollten die Phase nutzen, in dennächsten Jahren mit der reduzierten öffentlichenBeschäftigung nach neuen Wegen zu suchen. DieBetriebe werden gerade angesichts der Entwicklunggezwungen sein, sich auch mit schwächeren Arbeits-losen sozusagen auseinander zu setzen und das kannund sollte die Arbeitsmarktpolitik flankieren.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Es ist schön, das Herr Dannenbringmich zum Kronzeugen seiner Position macht, aber esist nicht ganz korrekt. Die Arbeitslosenzahlen sin-ken, aber sie sinken nicht bei dem Kreis, über denwir hier sprechen, nämlich Leute mit verfestigtenVermittlungshemmnissen, die über viele Jahre ar-beitslos sind. Jetzt kann man sie natürlich marktfernbeschäftigen. Das ist dann eine Beschäftigungsthera-pie. Das ist vielleicht für manche auch notwendig,aber es gibt einen Kreis von Personen, der unterstabilisierenden Bedingungen wieder an eine Be-schäftigung herangeführt werden kann. Jetzt habensie natürlich die Interessensvertretung derjenigen,die von Wettbewerbsverzerrungen betroffen seinkönnen. Dann bitte ich nur, dass das Handwerk unddie Industrie- und Handelskammern Fakten dieserVerdrängung wirklich empirisch gesichert auf denTisch legen. Nicht die Anzahl von klagenden Mailsin den Zentralen kann entscheidend sein, sondernFakten, die hierzu vorgelegt werden. Und dann kannman dieses Problem auch angehen. Was wir fürchtenist, dass aus der Auseinandersetzung jetzt um diemöglichen Verdrängungseffekte als Kollateralscha-den sinnvolle Dinge kaputt gehen, die wir für Perso-nen mit verfestigten Vermittlungshemmnissen ma-chen und durchaus mit einer Perspektive im Hin-blick auf den ersten Arbeitsmarkt. Diese Perspektivemuss aber langfristig erfolgen und sie mussmarktnah erfolgen. Mit der Entscheidung in denBeiräten hätten wir ein Verfahren, um die Arbeits-marktverwerfung vor Ort zu beurteilen und mög-lichst zu reduzieren.

Sachverständige Dr. Koch (Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung): Ich fange auch einmal bei denVerdrängungseffekten an. Da ist es so, dass wir aus

wissenschaftlicher Sicht dort keine Befunde dazuhaben, dass tatsächlich durch die Instrumente Be-schäftigungszuschuss und Arbeitsgelegenheiten inder Mehraufwandsvariante die Beschäftigung auf dergesamtwirtschaftlichen Ebene verdrängt wird. Wasdie negativen Beschäftigungswirkungen auf der in-dividuellen Ebene angeht, also die Veränderung derBeschäftigungschancen, so ist es tatsächlich so, dasswir diese sehr häufig sehen bzw. zumindest keinesignifikant positiven Wirkungen. Das differiert aller-dings erstens nach dem Instrument. Wir haben vor-hin schon gehört, AGH in der Entgeltvariante isteher ein Instrument, was durchaus schafft, die Be-schäftigungschancen von Personen zu steigern. Auchbei der AGH in der Mehraufwandsvariante ist dasdann der Fall, wenn es gelingt, den richtigen Perso-nenkreis zu fördern, nämlich Personen, die tatsäch-lich arbeitsmarktfern sind. Unserer Auffassung nachsind die negativen Beschäftigungseffekte, die manim Durchschnitt häufig erhält, ein Ausfluss daraus,dass man es nicht schafft, bei der Zuweisung denrichtigen Personenkreis zu erwischen. Im Wesentli-chen allerdings sehen wir durchaus auch Trägerhe-terogenität dabei. Das ist eine unterschiedliche Wir-kung nach Trägern. Schließlich würden wir aus denBefunden nicht folgern, dass öffentlich geförderteBeschäftigung in den Instrumentenkasten nicht mehrgehört. Gerade im SGB II wird man sicherlich nichtohne ein solches Instrument auskommen, was auchIntegrationsfortschritte und eine Verbesserung derBeschäftigungsfähigkeit vorgelagert zur eigentlichenIntegration ermöglicht. Allerdings ist es nur sinn-voll, wenn man es schafft, diese Maßnahmen inlangfristige Strategien sinnvoll einzubinden. Das istnach unseren Befunden im Moment noch nicht derFall.

Vorsitzende Kipping: Die Fragerunde der LINKEN.wird eröffnet von Frau Krellmann.

Abgeordnete Krellmann (DIE LINKE.): Ich habe eineFrage an Herrn Rosenthal in Richtung beruflicherBildung und auch noch etwas allgemeiner. WelcheChancen bietet oder hätte die neuerliche Instrumen-tenreform bieten können für die berufliche Bildung?

Sachverständiger Rosenthal (ArbeitnehmerkammerBremen): Aus unserer Sicht sind im vorliegendenGesetzentwurf zwei positive Elemente enthalten. DasErste betrifft die Phasen der Arbeitslosigkeit, Kin-dererziehung und Pflege mit Zeiten einer Beschäfti-gung in an- und ungelernter Tätigkeit. Zum Zweitenist positiv, dass die Weiterbildungsförderung ältererBeschäftigter und von Beschäftigten ohne Berufsab-schluss entfristet und in das Regelinstrumentariumübernommen wird. Das sind positive Impulse. Be-dauerlich ist aus unserer Sicht, dass auf zwei struk-turelle und auch durch Ergebnisse der Evaluations-forschung in diesem Bereich auf der Hand liegendeDefizite im Bereich beruflicher Weiterbildung nichtreagiert wird. In dem ersten Punkt möchte ich michbeziehen auf die Förderung beruflicher Weiterbil-dung durch Bildungsgutscheine und die damit ein-hergehenden negativen Selektionseffekte, sowohl beider Ausgabe des Bildungsgutscheines, als auch beimEinlösen des Bildungsgutscheins, vor allem durchunqualifizierte Personen. Hier würden wir dafürplädieren, neben dem Bildungsgutschein im System

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dafür zurückzugehen, auch Maßnahmen über Zu-weisung für bestimmte Personengruppen zu ermög-lichen, um diesen Selektionseffekten zumindestentgegenwirken zu können. Der zweite Aspekt, derstrukturell nicht berücksichtigt wird in dem Gesetz-entwurf, ist der Befund der Arbeitsmarktforschung,dass insbesondere Umschulungsmaßnahmen nach-haltig positive Integrationseffekte auch in der indi-viduellen Erwerbsbiografie aufzeigen. Diese Um-schulungsmaßnahmen oder abschlussbezogenenMaßnahmen haben in den letzten Jahren im BereichFörderung beruflicher Weiterbildung aber massiv anBedeutung verloren. Hier müsste aus unserer Sichtumgesteuert werden, da insbesondere auch der An-teil der SGB-II-Arbeitslosen, die über keinen abge-schlossenen Berufsabschluss verfügen, hoch ist. Dawäre Handlungsbedarf. Dies wird sich allerdings vordem Hintergrund der Mittelkürzung nur relativschwer realisieren lassen, zeigt aber auch noch ein-mal, dass ein Rückgang von Arbeitslosigkeit nichtgleichzusetzen ist mit einem automatisch sinkendenFörderbedarf, um Integrationschancen auch errei-chen zu können.

Abgeordneter Birkwald (DIE LINKE.): Meine Fragegeht an Herrn Dr. Adamy vom DGB zum ThemaEingliederungszuschüsse. Frau BMin von der Leyenhat gelegentlich behauptet, dass Menschen mit Be-hinderung von den jetzt geplanten Kürzungen nichtbetroffen sein werden. Nun ist aber vorgesehen, dassfür über 55-jährige schwerbehinderte Menschen diemaximale Förderungsdauer von 96 auf 60 Monateherabgesetzt werden soll. Vor diesem Hintergrundmöchte ich Sie fragen, wie der DGB angesichts derim Jahr 2010 erheblich angestiegenen Arbeitslosen-zahlen von älteren Menschen mit Behinderungendiese Maßnahmen bewertet.

Sachverständiger Dr. Adamy (Deutscher Gewerk-schaftsbund): Wir können durchaus nachvollziehen,dass der Eingliederungszuschuss (EGZ) insgesamtzusammengelegt wird. Wir halten aber genau dievon Ihnen erwähnte Regelung für vollkommenfalsch, weil behinderte Menschen einfach längereFörderung brauchen. Das ist eine eindeutig ungüns-tigere Regelung, die die Förderung in einer Situationverhindert, wo sie überdurchschnittliche Problemeauf dem Arbeitsmarkt haben. Diese Schlechterstel-lung von behinderten Menschen halten wir eindeu-tig für falsch.

Vorsitzende Kipping: Danke schön. Wir fahren fortmit den Fragen der Linken und Frau Zimmerman hatdas Wort.

Abgeordnete Zimmermann (DIE LINKE.): Ich habeeine Frage an Frau Hofmann vom ParitätischenWohlfahrtsverband. Wie bewertet der ParitätischeWohlfahrtsverband die von der Bundesregierunggeplanten Änderungen insbesondere im § 16 e SGBII hinsichtlich der Situation der Menschen mit Be-hinderung und vor dem Hintergrund der Behaup-tung von Frau von der Leyen, dass doch bei denMenschen mit Behinderungen nicht mit Kürzungenzu rechnen ist?

Sachverständige Hofmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.): Ich kannmeine Aussagen von vorhin wiederholen, vielleicht

auch etwas zusammenfassend. Wir wissen, dass vonder Förderung des bestehenden Beschäftigungszu-schusses nach § 16 e in hohem Maße auch behinder-te Menschen, vor allen Dingen seelisch behinderteMenschen, profitiert haben. Wenn es jetzt zu dengeplanten Gesetzesänderungen kommt, werden dieFördermöglichkeiten auf wenige Förderfälle im Jahrdrastisch reduziert. Ich hatte vorhin gesagt, wir ha-ben berechnet, dass es zu unter 20.000 Förderfällenjedes Jahr kommen würde. Neue Bewilligungen inden Folgejahren wären kaum noch möglich. Dasmuss man mit bedenken. Es ist bei dem förderfähi-gen Personenkreis kritisch zu bewerten, dass nurzeitlich befristete Förderungen ausgesprochen wer-den können, weil es eine Befristung der Förderunggibt. Innerhalb von fünf Jahren dürfen nur zwei Jahregefördert werden.

Vorsitzende Kipping: Danke schön. Jetzt werde ichkurz den Hut wechseln und als Abgeordnete eineFrage stellen. Diese stelle ich die aufgrund von Er-fahrungen, die ich in Sachsen gemacht habe. Es gibtnoch die Regelung im SGB III, es ist konkret der §176, dass auch Schulen, die der Aufsicht der Länderunterliegen, also ganz öffentliche Berufsschulzentren- die Frage geht übrigens an Herrn Keller vom Deut-schen Landkreistag -, dass die zusätzlich ein Zertifi-zierungsverfahren durchlaufen müssen, wenn siequasi Schüler mit Bildungsgutschein bei sich in dieSchule lassen dürfen. Nun ist an sich gegen dasZertifizierungsverfahren nichts zu sagen. Die Frageist nur - und die ist mir von verschiedener kommu-naler Seite herangetragen worden -, dass das fürSchulen, die bereits unter Aufsicht der Länder ste-hen, wie Berufsschulzentren lediglich eine Doppel-arbeit bedeutet und im Übrigen auch für die Kom-munen mit entsprechendem Mehraufwand verbun-den ist. Deswegen haben sich wohl auch fast alleBundesländer im Bundesrat auf einen Änderungsan-trag für das SGB III verständigt, dass das für Schulenin öffentlicher Trägerschaft nicht mehr notwendigwäre. Wie bewerten Sie als Deutscher Landkreistagdiesen Vorschlag des Bundesrates?

Sachverständiger Keller (Deutscher Landkreistag):Der Vorschlag des Bundesrates geht in die richtigeRichtung. Aber ich denke, er greift das Dilemma inseiner gesamten Größe noch gar nicht auf. Der Zerti-fizierung stehen - wenn ich das richtig sehe - eigent-lich alle, die sich damit intensiver befasst haben,kritisch gegenüber. Das hat einen einfachen Grund.Es ist bisher nicht klar, ob die Zertifizierung über-haupt eine positive Wirkung hat. Sicher ist dagegen,dass sie erheblichen bürokratischen Aufwand undKosten auslöst. Wenn man sich bewusst macht, dassdiese Kosten jedenfalls nicht irgendwo im Nirwanalanden, sondern entweder den Beitragszahler oderdem Steuerzahler treffen, muss man sich die Fragestellen, ob diese jetzt vorgesehene generelle Zertifi-zierungspflicht für Maßnahmeträger sinnvoll ist. Ausunserer Sicht muss man darauf sehr kritisch sehen.Vor allem wird im Gesetzentwurf rekurriert, dassman sehr stark auf den Bereich der beruflichen Fort-und Weiterbildung verweist, wo es die Zertifizierungtatsächlich schon einige Jahre gibt. Ob sie dort posi-tive Wirkungen hat, ist vollkommen unklar. Hierwird unter dem Mantel vermeintlicher Verbesserungund Qualitätssicherung etwas eingeführt, was in der

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Praxis auf erhebliche Vorbehalte stößt. Auch dieanekdotischen Analysen vor Ort zeigen, dass auchim Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildungalles andere als rein positive Wirkungen eingetretensind, weil beispielsweise kleine Fortbildungsträgerschlicht den Aufwand nicht stemmen konnten unddann aus diesem Markt für den Bereich der berufli-chen Eingliederung ausgeschieden sind. Das sollteman - denke ich - nochmals einer grundlegendenÜberprüfung unterziehen. Bei den von Ihnen ange-sprochenen Berufsschulen wird es ein Stück weitbesonders deutlich, aber auch in vielen anderenBereichen mutet es eigentlich abenteuerlich an, dassman einen mindestens fünfstelligen Aufwand proFortbildungseinrichtung in Kauf nehmen muss, umüberhaupt weiterhin an Markt präsent sein zu kön-nen, obwohl man jahrzehntelange Erfahrungen indiesem Bereich hat und obwohl Arbeitsagentur wieJobcenter vor Ort möglicherweise seit Jahren erfolg-reiche Maßnahmen durchführen. An dieser Stelle -denke ich - muss man in der Tat nochmals sehr sorg-sam darüber nachdenken, ob das der Schritt in dierichtige Richtung ist, oder ob man damit nicht nurMehrkosten und Mehraufwand auslöst, ohne dasssichergestellt wäre, dass dem auch positive Wirkun-gen gegenüberstehen.

Vorsitzende Kipping: Danke schön. Damit kommenwir zur Fragerunde der Grünen und dort hat sich alserster Herr Kurth gemeldet.

Abgeordneter Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich habe eine Frage an den ZDH und Herrn Dr. Cre-mer, und zwar gibt es eine ganze Reihe von öffent-lich geförderten Beschäftigungsmodellen, die sehrwohl auf einen Konsens von Handwerk und örtli-chen Akteuren zielen. Ich nenne das Beispiel des sogenannten Essener Konsens, wo sehr erfolgreichöffentliche Mittel, Mittel der Arbeitsverwaltung undauch Regionalförderungsmittel der EU miteinanderkombiniert wurden zu einer Win-win-Situation, oderden ausdrücklich wettbewerbsneutral ausgestaltetenBeschäftigungszuschuss nach § 16 e SGB II, der sichausdrücklich an die gewerbliche Wirtschaft richtetund in den Städten, wo das sehr erfolgreich gemachtwurde, wie in Dortmund zu 80 Prozent sehr zurZufriedenheit des Handwerks auch in Anspruchgenommen worden ist. Wie ist es eigentlich erklär-bar, dass Sie und der ZDH diese erfolgreichen Bei-spiele sozialpolitischer Public-Private-Partnershipnicht pro aktiv in ihrem Verband weiter betreiben.Warum wird das so wenig vom Handwerk bundes-weit in Anspruch genommen und gesucht. HerrCremer, welche Konsequenzen ziehen Sie für sichdaraus?

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Tatsächlich möchte ich hierkeinen falschen Eindruck erwecken, was unsereKritik an den öffentlich geförderten Beschäftigungs-maßnahmen im Allgemeinen angeht. Tatsächlichgibt es eine Reihe von Initiativen, die, wie Sie sagen,auf einem Konsens der Sozialpartner und der Trägervor Ort beruhen. Insofern unterstützen wir auch denVorschlag und haben auch den Vorschlag gemacht,dass bezüglich der Kontrolle und der Einführungvon öffentlicher Beschäftigung der Beirat mit ent-scheiden soll, und zwar nicht nur der Beirat insge-

samt, sondern ein Ausschuss, der aus Arbeitgebernund Arbeitnehmern besetzt ist, da die sehr vielsachnäher an der Thematik dran sind. Wenn dieserAusschuss im Beirat dann grünes Licht gibt, stehtöffentlich geförderter Beschäftigung natürlich nichtsim Wege. Aber diese Schrittfolge muss eingehaltenwerden. Insofern plädieren wir nachhaltig dafür,dass dieser Sozialpartnerausschuss in den Beiräteneingeführt wird. Gerade vor dem Hintergrund, dassbei den zusätzlichen Arbeitsverhältnissen die Triasder Kriterien der Zusätzlichkeit des öffentlichenInteresses und der Wettbewerbsneutralität jetzt ent-fallen ist. Umso wichtiger ist es, dass hier die Beiräteein konstitutives Mitspracherecht bekommen, ummögliche Verdrängungseffekte bei öffentlich geför-derter Beschäftigung zu vermeiden. Wenn dieseSchrittfolge eingehalten wird, dann hat auch dasHandwerk keine Bedenken gegen öffentlich geförder-te Beschäftigung, denn dann ist sichergestellt, dasses zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt.

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Dann setze ich da weiter an. Vielleichtmüssten sich alle noch ein kleines bisschen bewe-gen, um zu einer Lösung zu kommen. Es gibt Projek-te der öffentlich geförderten Beschäftigung, die hochsinnvoll sind. Beispielsweise in Mannheim wirdjeder junge Mensch, der einen Antrag auf ALG IIgestellt hat, einer Maßnahme zugewiesen. DieseMaßnahme ist sehr arbeitsmarktnah. Trotzdemherrscht dort darüber ein sehr hoher Konsens. Wennman jetzt über Beiräte kontrollieren will, muss maneinerseits auf die Kriterien sehen, nach denen dieseBeiräte handeln. Das nützt uns nichts, wenn erst dasJobcenter die drei Kriterien prüfen muss, der Bun-desrechnungshof dann auch noch da hineinsteigtund dann auch noch der Beirat es genehmigt. Dannhaben wir nur eine Hürde mehr, wenn wir uns aufdie Frage konzentrieren würden, wird reguläre Be-schäftigung verdrängt. Ich betone, sowohl bestehen-de reguläre Beschäftigung als auch die Entstehungneuer regulärer Beschäftigungen wird verhindert.Das müssen wir an einem dynamischen Arbeits-markt betrachten. Der Beirat vor Ort sagt, wir habendas geprüft, wir sehen, das wird so und so gehand-habt. Das ist dann in Ordnung. Dann muss als Er-gebnis dieses Verfahrens auch Akzeptanz sein. Ichbin kritisch mit der Forderung von DGB und Wirt-schaft, dass der Beirat ein Vetorecht haben muss,weil ich das verfassungsrechtlich nicht sehe. Dawerden Anleihen am Tarifvertragsrecht gemacht. Dasteht aber in unserer Verfassung die Tarifautonomie.Es steht nicht in unserer Verfassung, dass die Tarif-partner über öffentliche Hilfen bestimmen können.Aber es muss meines Erachtens im Benehmen mitdem Beirat sein und es muss sich dann auch diePraxis dieser Beiräte ändern. Die müssen dann überdie Knackpunkte dieser Beschäftigung auch wirklichinformiert und eingebunden werden und nicht - ichsage mal - mit Papier zugeschüttet werden, damitman die Mitwirkungsbereitschaft der Akteure vorOrt einschließlich der Tarifpartner erhalten kann.Ichwill noch auf einen Punkt hinweisen: Es gibt garkeine Maßnahme auf der Welt, die nicht auch ir-gendwelche negative Erfahrungen hat. Arbeits-marktnahe öffentliche Beschäftigung wird immerauch ein gewisses Verdrängungsrisiko von regulärer

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Beschäftigung beinhalten. Also geht es um eine ver-nünftige Abwägung dieser beiden Ziele, nämlich dasIntegrationsziel und der Schutz regulärer Beschäfti-gung und um eine Evaluierung dieser Maßnahmen.Wenn wir uns in diesem Sinne bewegen würden,dann könnte man dieses Instrument öffentlich geför-derte Beschäftigung als Instrument der Integration inden Arbeitsmarkt sinnvoll erhalten.

Vorsitzende Kipping: Vielen herzlichen Dank. Dienächste Frage vonseiten der Grünen kommt von FrauPothmer.

Abgeordnete Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Meine Frage geht an die Freien Wohlfahrtspflegeund den Paritätischen Wohlfahrtsverband. In diesemGesetzesvorhaben gibt es nur eine Zielperspektiveund das heißt Integration in den ersten Arbeitsmarkt.In einigen Stellungnahmen wird ausdrücklich daraufhingewiesen, dass es sinnvoll und notwendig wäre,die Ziele zu erweitern, Zwischenziele einzuführen,die auch die Heranführung an die Integration in denErsten Arbeitsmarkt auch als ein Erfolgskriteriumwerten. Wie würden Sie diese Forderung nach derZielkatalogerweiterung würdigen?

Sachverständige Zwickert (Bundesarbeitsgemein-schaft der Freien Wohlfahrtspflege): Ich denke, dasses sehr sinnvoll ist, über das vorrangige Ziel, das indem Gesetzesvorhaben programmiert wird, nämlichdie Integration in den ersten Arbeitsmarkt, weiterezu definieren. Wir haben gerade schon mehrfachgehört, dass wir hier eine große Gruppe von Lang-zeitarbeitslosen mit vielfachen Vermittlungshemm-nissen haben, die bei der Zielsetzung dieses Geset-zesvorhabens nicht angemessen berücksichtigt wer-den. Das heißt, es kann nicht darum gehen, neueArbeitsmarktinstrumente zu schaffen, die in derQuintessenz dazu führen würden, dass sich in derVermittlung die Träger vor Ort vor allen Dingendarauf konzentrieren werden, diejenigen zu vermit-teln, bei denen das relativ einfach ist, die eine größe-re Arbeitsmarktnähe haben. Ziel muss es sein, dieInstrumente so auszurichten, dass auch die Gruppeder arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen hier vorallen Dingen mit berücksichtigt wird. Das bedeutet,dass hier ein sehr viel größerer Begleitungs- undBeratungsbedarf notwendig ist, als der durch dievorgesehenen Maßnahmen tatsächlich überhauptermöglicht wird. Das würde dann auch bedeuten,dass es natürlich für Kriterien, was tatsächlich einErfolg ist, bei der Arbeitsmarktpolitik auch darumgehen müsste zu sehen, dass wir die langfristigePerspektive in den Blick nehmen. Wir schauen, wasist mit den Langzeitarbeitslosen, denn die braucheneine längerfristige Perspektive, und die vielleichtauch länger als zwei Jahre, wenn es darum geht,diese Menschen erst einmal wieder beschäftigungs-fähig zu machen.

Sachverständige Hofmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband-Gesamtverband e.V.: Ich halte esauch für absolut notwendig, endlich einen Vorstoßzu unternehmen, um die Integrationsfortschritte beider Förderung sinnvoll zu bemessen und zu evaluie-ren, was allerdings zugegebenermaßen sich in derPraxis als etwas schwierig herausstellt.

Vorsitzende Kipping: Wir treten jetzt ein in die freieRunde, dafür sind nur 10 Minuten vorgesehen, dasheißt, ich bitte alle Fragesteller/innen sich sehrknapp zu fassen und jeweils an nur einen Sachver-ständigen die Frage zu richten. Als erstes gemeldethat sich Herr Lehrieder.

Abgeordneter Lehrieder (CDU/CSU): Meine ab-schließende Frage geht noch einmal an die Bundes-agentur für Arbeit, Herrn Rudolf Knorr. Es wird javon einigen in der Diskussion der arbeitsmarktpoli-tischen Instrumente gleich der Untergang desAbendlandes an die Wand gemalt, nur weil ausPflichtleistungen in Zukunft Ermessungsleistungenwerden sollen, die im Bereich der Grundsicherungfür Arbeitsuchende eingeleitete Verlagerung derEntscheidungskompetenz. Auf die dezentrale Ebenesoll es für Jobcenter und Arbeitsagenturen fortentwi-ckelt werden. Teilen Sie die Auffassung, dass durchdie im Gesetzentwurf getroffenen Maßnahmen diedezentrale Entscheidungskompetenzen für den Ein-satz der Instrumente der aktiven Arbeitsförderungerweitert werden?

Sachverständiger Knorr (Bundesagentur für Arbeit):Wir teilen diese Einschätzung dem Grunde nachschon. Die Maßnahmen, die jetzt auch als Ermes-sensentscheidungen ausgebracht sind, tragen dazubei, dass Vermittler im Einzelfall angemessene In-strumente ausreichen können. Das gilt insbesondereauch für die Neuregelungen im § 45 SGB III. Wirsehen, dass im Bereich der Grundsicherung ja bisherschon eine explizite Budget- und Organisationsver-antwortung vor Ort liegt. Die sollte nicht einge-schränkt werden durch eine Parzellierung im Be-reich des Budgets für einzelne Instrumente, sondernauch hier weiterhin das Vertrauen auf die lokalenAkteure gelegt werden. Im Bereich der Arbeitslosen-versicherung trägt die Entwicklung dazu bei, weiterdie Zentralität in die Agenturen zu bringen.

Abgeordnete Mast (SPD): Ich habe eine Frage anHerrn Cremer. Wir haben ja vorhin schon von HerrnKeller und Frau Hofmann gehört, dass die Mittelkür-zungen im SGB II deutlich stärker sind als der Rück-gang der Arbeitslosigkeit. Jetzt haben wir gleichzeitigdiskutiert, wenn wir das Aufstockungs- und Umge-hungsverbot aufheben und die Deckelung beim Be-schäftigungszuschuss beim Haushaltstitel weg-kommt, dann kann man ja nach wie vor sehr inten-siv bei der Beschäftigungspolitik mit Langzeitarbeits-losen arbeiten. Es gibt für mich noch einen Konflikt.Sehen Sie den Konflikt auch, nämlich sinkendeMittel nach wie vor im Eingliederungstitel und dassdann die Aufhebung des Aufstockungs- und Umge-hungsverbots eben nicht ausreicht, um mit der Ziel-gruppe ordentlich beschäftigungspolitisch zu arbei-ten?

Sachverständiger Prof. Dr. Cremer (Deutscher Cari-tasverband): Es gibt jetzt zwei Aspekte. Die eine istdas, was wir vorrangig heute diskutiert haben, wiesoll das Gesetz gestrickt sein, damit sinnvolle Maß-nahmen für langzeitarbeitslose Menschen möglichsind. Da haben wir auch unter anderem über dieAufhebung des Aufstockungs- und Umgehungsver-bots gesprochen, weil das dann ermöglicht, im Sinneeiner freien Förderung passgenaue Hilfen zu ma-chen. Das andere ist nun, wie viel Mittel stehen zur

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Verfügung? Es wäre ja durchaus legitim, dass, wenndie Arbeitslosigkeit zurückgeht, auch dann derHaushaltsgeber einschreitet. Was bedeutet das nunfür die Haushaltsausstattung? Wir haben immerdarauf hingewiesen, dass wir jetzt einen sehr erfreu-lichen Rückgang der Arbeitslosigkeit bei arbeits-marktnahen Personen haben, wir allerdings jetztauch die Instrumente erhalten wollen, die wir brau-chen, wenn wir vielleicht mal wieder in eineschlechtere Arbeitsmarktsituation kommen. Es ist janicht Gott gegeben, dass es auf diesem Arbeitsmarktimmer nur nach oben gehen wird. Wir hoffen das,aber wir wissen das nicht.

Auch die Obergrenzen, über deren Anhebung wirgesprochen haben, sind ja keine Budgets, sondernsind nur Obergrenzen, d.h., wenn insgesamt dieDecke kürzer wird, dann kann man sie in die eineoder andere Richtung ziehen, aber das Dilemmableibt natürlich.

Vorsitzende Kipping: Dankeschön. Seitens der Frak-tion DIE LINKE. sind mir für die freie Runde mirFrau Krellmann oder Frau Zimmermann gemeldetworden. Frau Krellmann, bitteschön.

Abgeordnete Krellmann (DIE LINKE.): Meine Fragegeht entweder an den DPWV oder an den Caritasver-band.

Vorsitzende Kipping: Sie müssen sich leider ent-scheiden.

Abgeordnete Krellmann (Die Linke): Dann an denDPWV. In ganz Deutschland gibt es mittlerweilehaufenweise Jugendwerkstätten. Dort ist die großeSorge ausgebrochen, was jetzt im Zusammenhangmit der Instrumentenreform auf die Jugendwerkstät-ten zukommt Frau von der Leyen ist in Niedersach-sen im Kommunalwahlkampf und erklärt in derHannoverschen Allgemeinen Zeitung, dass sie denErhalt der Jugendwerkstätten verspricht. Die Frageist, wie ist denn Ihre Position dazu? Was müsstepassieren in den Jugendwerkstätten, dass tatsächlichauch die Möglichkeit, Jungendliche weiterhin aufzu-fangen und auszubilden, erhalten bleibt?

Sachverständige Hoffmann (Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband Gesamtverband e.V.) Die Ju-gendwerkstätten bieten ja heute eine nieder-schwellige berufliche Grundqualifizierung und einesozialpädagogische Begleitung für besonders benach-teiligte Jugendliche am Übergang von Schule zumBeruf an. Es ist ein absolut erhaltenswerter Förder-ansatz, der beispielsweise in Niedersachsen davonabhängt, dass es eine Co-Finanzierung der Jobcentermittels Arbeitsgelegenheiten gibt. Wenn jetzt aller-dings die Förderung der Arbeitsgelegenheiten in derMehraufwandsvariante - darum geht es - wie vorge-sehen derart stark beschnitten wird, dann bricht einewesentliche Finanzierungsgrundlage für die Ju-gendwerkstätten zusammen. Es werden auch Folge-schäden durch die fehlenden Möglichkeiten, Lan-desmittel für die Finanzierung dieser Angebote nochzu nutzen, verursacht. Es entsteht also ein regelrech-ter Kollateralschaden in der niederschwelligen För-derung Jugendlicher und junger Erwachsener. Dasgilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Wenn unsereForderung nach einem Erhalt einer umfassendenFörderung der Arbeitsgelegenheiten aufgegriffen

würde, könnte eine adäquate Finanzierungsbasiserhalten bleiben. Wenn das nicht gegeben ist, dannsehe ich als einzigen Ausweg eine Aufstockung derMittel für die freie Förderung und eine Regelung, dieauch nutzbar gemacht wird für besonders benachtei-ligte Jugendliche, d.h., eine Lockerung dieses Auf-stockungs- und Umgehungsverbotes für weiterePersonengruppen und nicht nur der Langzeitarbeits-losen.

Vorsitzende Kipping: Dankeschön. Wir fahren fortmit der Frage von Frau Müller-Gemmeke.

Abgeordnete Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Vielen Dank Frau Vorsitzende. Ich denke,es ist klar geworden, dass bei öffentlicher Beschäfti-gung die Marktnähe einerseits wichtig ist aber den-noch auch auf der anderen Seite umstritten ist. Des-wegen möchte ich doch nochmal eine Frage anHerrn Dannenbring vom Zentralverband des deut-schen Handwerks stellen. Die Notwendigkeit vonMarktnähe ist ja von Prof. Cremer sehr deutlich aus-gedrückt worden. Ich persönlich denke auch, dassMarktnähe etwas mit der Würde des Menschen zutun hat, dass die Menschen eben keine sinnlosenTätigkeiten verrichten sollen. Jetzt ist ja immer wie-der ausgedrückt worden, dass es eine Abwägunggeben muss zwischen den Interessen des Handwerksund auf der anderen Seite den gesellschaftlichenInteressen, integrationfördernde Maßnahmen anzu-bieten. Eine Abwägung ist aber nur möglich, wennman wirklich weiß, in welcher Größenordnung ei-gentlich solche Schädigungen bzw. Verdrängungenstattfinden, zumal ich vor Ort in der Regel keineProbleme aus dem Handwerk höre. Von daher wäreganz konkret meine Frage: Wie hoch können Siedenn die Verdrängung beziffern, jährlich z.B. in Eurooder prozentual? Nur wenn man wirklich solcheZahlen kennt, kann man ja wirklich dann auch ent-scheiden, was richtig ist.

Sachverständiger Dannenbring (Zentralverband desDeutschen Handwerks): Vielen Dank für die Frage.Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für Betriebe,an den Zentralverband des Deutschen HandwerksProbleme bezüglich öffentlich geförderter Beschäfti-gung zu berichten. Insofern sind wir auch nur aufdie freiwillig geleisteten Berichte angewiesen, dieuns von den Betrieben erreichen, und das sind zahl-reiche. Aber daraus lassen sich natürlich keine sta-tistisch validen Schlussfolgerungen ableiten. Aberalleine die Tatsache, dass der Bundesrechnungshofbei über 40 Prozent der öffentlich geförderten Be-schäftigung von Verdrängungseffekten ausgeht, be-stätigt, glaube ich, unsere Befürchtung, dass es hierimmer wieder zumindest zu Problemen kommt.Unseres Erachtens kann diesen Problemen nur vor-gebeugt werden, wenn die Beiräte bezüglich derFrage der Zulässigkeit von öffentlich geförderterBeschäftigung mit einem Vetorecht ausgestattet wer-den. Dann ist auch das Handwerk zufrieden. Danke.

Vorsitzende Kipping: Vielen herzlichen Dank. Damitsind wir am Ende der freien Runde und auch amEnde unserer öffentlichen Anhörung. Ich möchtemich ganz herzlich bei den Sachverständigen be-danken, dass sie uns mit ihrer Expertise zur Verfü-gung standen, und bei den Gästen für das Interessean unserer Anhörung. Sie sehen, selbst nach drei

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Stunden hätten die Abgeordneten noch viele Fragenparat. Wir werden das jetzt auswerten und ich hoffedoch, dass die gewonnenen Erkenntnisse entspre-chend in den Gesetzgebungsprozess einfließen. Ih-nen noch einen schönen Tag.

Sitzungsende: 14.12 Uhr

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Personenregister

Adamy, Dr. Wilhelm (DeutscherGewerkschaftsbund) 1152, 1153, 1156, 1158,1159, 1161, 1163, 1164, 1170, 1171, 1172, 1173,1175

Birkwald, Matthias W. (DIE LINKE.) 1151, 1165,1175

Blumenthal, Sebastian (FDP) 1151Brehmer, Heike (CDU/CSU) 1151, 1154, 1168Connemann, Gitta (CDU/CSU) 1151Cremer, Prof. Dr. Georg (Deutscher

Caritasverband) 1152, 1153, 1154, 1157, 1158,1159, 1165, 1167, 1169, 1172, 1173, 1174, 1176,1177, 1178, 1179

Dannenbring, Jan (Zentralverband des DeutschenHandwerks) 1152, 1153, 1155, 1156, 1157,1158, 1170, 1174, 1177, 1179

Dercks, Dr. Achim (Deutscher Industrie- undHandelskammertag) 1152, 1153, 1158, 1163,1169, 1174

Dörflinger, Thomas (CDU/CSU) 1151Göring-Eckardt, Katrin (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN) 1150, 1153Heinrich, Frank (CDU/CSU) 1151, 1155, 1169Hiller-Ohm, Gabriele (SPD) 1151, 1161Hofmann, Tina (Deutscher Paritätischer

Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.)1152, 1153, 1160, 1161, 1172, 1173, 1176, 1178

Juratovic, Josip (SPD) 1151, 1171Keller, Markus (Deutscher Landkreistag) 1152,

1153, 1154, 1156, 1160, 1167, 1168, 1169, 1170,1173, 1174, 1176, 1178

Kipping, Katja (DIE LINKE.) 1150, 1151, 1153,1157, 1158, 1161, 1163, 1165, 1166, 1168, 1169,1171, 1172, 1173, 1174, 1175, 1176, 1177, 1178,1179

Knorr, Rudolf (Bundesagentur für Arbeit) 1152,1153, 1154, 1155, 1157, 1161, 1162, 1166, 1168,1169, 1178

Knuth, Prof. Dr. Matthias 1152, 1153, 1171, 1173,1174

Kober, Pascal (FDP) 1151, 1174Koch, Dr. Susanne (Institut für Arbeitsmarkt- und

Berufsforschung) 1152, 1153, 1162, 1163, 1166,1171, 1175

Kolb, Dr. Heinrich Leonhard (FDP) 1151

Kramme, Anette (SPD) 1150, 1151, 1153, 1158,1173

Krellmann, Jutta (DIE LINKE.) 1150, 1151, 1153,1164, 1175, 1178

Krüger-Leißner, Angelika (SPD) 1151, 1171Kurth, Markus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

1150, 1151, 1153, 1176Lange, Ulrich (CDU/CSU) 1151Lehrieder, Paul (CDU/CSU) 1151, 1154, 1178Linnemann, Dr. Carsten (CDU/CSU) 1151, 1154,

1168, 1169Lösekrug-Möller, Gabriele (SPD) 1150, 1151,

1153, 1171Mast, Katja (SPD) 1150, 1151, 1153, 1159, 1178Michalk, Maria (CDU/CSU) 1151Möller, Prof. Dr. Joachim (Institut für

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) 1152, 1155,1166

Müller-Gemmeke, Beate (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) 1151, 1179

Nackmayr, Tanja (Bundesvereinigung derDeutschen Arbeitgeberverbände) 1152, 1153,1156, 1157

Pothmer, Brigitte (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)1150, 1151, 1153, 1165, 1166, 1168, 1177

Rosenthal, Peer (Arbeitnehmerkammer Bremen)1152, 1153, 1163, 1164, 1165, 1175

Schiewerling, Karl (CDU/CSU) 1151, 1155, 1156,1165, 1166, 1170

Schmidt (Eisleben), Silvia (SPD) 1151Schubert, Dr. Marlene (Zentralverband des

Deutschen Handwerks) 1152, 1153Straubinger, Max (CDU/CSU) 1151, 1157Vogel, Johannes (FDP) 1151, 1161, 1162, 1163,

1173Weiß (Emmendingen), Peter (CDU/CSU) 1151,

1154, 1167Wuttke, Dr. Jürgen (Bundesvereinigung der

Deutschen Arbeitgeberverbände) 1152, 1153,1156, 1162, 1164, 1168, 1169, 1170

Zimmer, Dr. Matthias (CDU/CSU) 1151, 1170Zimmermann, Sabine (DIE LINKE.) 1150, 1151,

1153, 1163, 1164, 1176, 1178Zwickert, Petra (Bundesarbeitsgemeinschaft der

Freien Wohlfahrtspflege) 1152, 1153, 1165,1177