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FRANK MEIER Von allerley Spil und Kurzweyl SPIEL UND SPIELZEUG IN DER GESCHICHTE thorbecke

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FRANK MEIERVon allerley Spil und KurzweylSPIEL UND SPIELZEUGIN DER GESCHICHTE

t h o r b e c k e

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Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet

diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2006 by Jan Thorbecke Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildernwww.thorbecke.de · [email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme

in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind dieRechte der Vervielfältigung – auch von Teilen des Werkes – auf photomechanischem

oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vortrags, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, der Übersetzung und

der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung.

DIESES BUCH IST AUS ALTERUNGSBESTÄNDIGEM PAPIER NACH DIN-ISO 9706 HERGESTELLT.GESTALTUNG: FINKEN & BUMILLER , STUTTGART

GESAMTHERSTELLUNG: JAN THORBECKE VERLAG, OSTFILDERNPRINTED IN GERMANY

ISBN-10: 3-7995-0170-3ISBN-13: 978-3-7995-0170- 5

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<7> VORWORT

<9> (1)/ DAZ KINT SPILETE UND WAS FRÔ …SPIEL UND SPIELZEUG IN DER GESCHICHTE

<15> (2)/ VON ALEXANDRIA BIS ROMANTIKE WURZELN DES EUROPÄISCHEN SPIELS

<33> (3)/ ALLERLEY KURZWEYL …SPIEL UND GESELLSCHAFT IM MITTELALTER

<41> (4)/ SPIELEN UM DER EHRE WILLENDAS TURNIER — EIN RITTERLICHER WETTSTREIT

<53> (5)/ WER SCHIESSEN WILL UND FÄLLT DES REIN …SCHÜTZEN, RINGKÄMPFER UND BRUCHENBALLSPIELER

<61> (6)/ STRATEGIE UND TAKTIK, GLÜCK UND UNGLÜCKBRETT- UND GLÜCKSSPIELE IM MITTELALTER

<91> (7)/ KLUCKER UND KREISELKINDERSPIELE IM MITTELALTER

<101> (8)/ DAS GEBETBUCH DES TEUFELSDER SIEGESZUG DES KARTENSPIELS

<113> (9)/ STUBENHOCKER UND GASSENBUBENKINDERSPIELE IN DER FRÜHEN NEUZEIT

<129> (10)/ SPIELZEUG ZWISCHEN KONTINUITÄT UND WANDELPUPPEN UND PUPPENHÄUSER

<149> (11)/ VOM HANDWERKER ZUM FABRIKANTENSPIELZEUGHERSTELLUNG IM WANDEL DER JAHRHUNDERTE

<169> (12)/ VON DER MECHANIK ZUR ELEKTRONIKSPIELWELTEN IN DER NEUZEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT

<177> SPIELANLEITUNGEN

<185> LITERATUR

INHALT

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Das Spiel ist ein herausragendes Beiviel für die epochenübergreifen-de Kontinuität kultureller Errungenschagen in der Geschichte, auchwenn im Laufe der Zeit viele Spiele verschwunden und neue hinzu-gekommen sind. Doch einige alte Brettviele wie Schach, Mühle,Dame oder Backgammon (Tricktrack) haben sogar mehr oder weni-ger unverändert bis heute überlebt und erfreuen sich nach wie vorgroßer Beliebtheit.

Gerade das Spiel iw es auch, welches uns ferne Epochennäherbringt, eine Brücke schlägt zum Menschsein in früherer Zeit.So kommt uns längwVergangenes seltsam vertraut vor. Und umZugänge zur Alltagskultur uns ferner Gesellschagen geht es in die-sem Buch, nicht um eine bloße Auflistung und Beschreibung vonhiworischen Spielen und Spielzeugen. Zahlreiche Lücken bleibendaher ofen und können hier nicht geschlossen werden. Archäo-logen, Volkskundler und Hiworiker werden daher wohl einiges ver-missen, was noch hinein gehört hätte.

Um die Lesbarkeit zu erleichtern, folgen die Kapitel keinengängigen Gliederungskriterien wie Epochen, Fundorten oder ande-ren sywematischen Kategorien. Aus diesem Grund wurde ebenfallsauf Anmerkungen verzichtet und nur die wichtigste Literatur zurVertiefung genannt.

Das erwe Kapitel fragt in Anlehnung an den niederländischenKulturhiworiker Johan Huizinga (1872–1945) nach der Bedeutungdes Spielens für den Menschen an sich. Die antiken Wurzeln deseuropäischen Spiels liefern im Anschluß die Folie für die ausführ-licher dargewellten Epochen des Mittelalters und der Frühen Neu-zeit, denen bekanntlich eine Gelenkfunktion in der europäischenGeschichte zukommt. Gefragt wird nach den verschiedenen Funk-tionen des Spiels für die mittelalterliche Gesellschag an sich, die von der Erholung vom Alltag bis hin zur Gemeinschaftssicherungund Abgrenzung, von der Rechtssprechung bis zur Kriegsertüch-tigung reichen. Ins Blickfeld geraten daher die Kampfviele derRitter ebenso wie die Vergnügungen der Bürger auf den Schützen-fewen, vom Armbruwschießen bis zum Bruchenball, vom Steine-woßen bis zum Wettrennen. Ein längeres Kapitel ist den mittel-alterlichen Strategie- und Glücksvielen, darunter Schach- und

VORWORT

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Wurfzabel, Würfeln und Kegeln, sowie ihren Verboten gewidmet.Wie die Spielkarten die Würfel verdrängten, sehen wir im Anschluß.

Mit den erwen Spielecken und Kinderzimmern verändertesich dann das kindliche Spiel. Zwar gaben die Gassenbuben auf derStraße immer noch den Ton an, doch vielten bereits die ersten adli-gen und bürgerlichen »Stubenhocker« in eigenen Kinderzimmernoder Spielecken mit Zinnsoldaten und Puppen. Der Geschichte derPuppe ist ein eigenes Kapitel gewidmet, denn wohl kaum einemSpielzeuggegenstand war eine derartige Erfolgsgeschichte von derAntike bis heute beschieden wie der Puppe. Wie sich die Spielzeug-herstellung von Heim- und Handarbeit zur induwriellen Massen-produktion veränderte, zeigt ein weiterer Abschnitt. Die mechani-sche und elektronische Revolution auf dem Spielesektor rundet in einem Resümee das Buch ab. Wenn ich mich dabei an die hiwori-schen Großepochen als Gliederung halte, dann nur, um schlaglicht-artig neue Entwicklungen und Besonderheiten in der Welt derSpiele herauszuwellen, ohne dabei eine in diesem Rahmen ohnehinnicht zu erreichende Vollwändigkeit anzustreben.

Zum Schluß möchte ich all denen recht herzlich danken,ohne die das Buch nicht hätte entstehen können, allen voran HerrnDr. Jörn Laakmann vom Thorbecke Verlag für seine Anregungdazu, Frau Dr. des. Janina Drostel, die als Lektorin in mühevollerKleinarbeit an der inhaltlichen Ausgewaltung, dem Spieleanhangund der Bildbeschafung mitwirkte, und dem Graphikerteam desVerlages.

Das Buch sei meinen Freunden Kerwin und Thomas sowiederen Kindern Fabian, Luisa und Simon in dankbarer Erinnerung anviele schöne Spielwunden in geselliger Runde gewidmet.

Karlsruhe, im Mai 2006Frank Meier

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Menschsein im Spiel Kinderviel hat seit jeher auadie Diater und Gelehrten besaägigt,die in ihm die versaiedenwen Avekte mensaliaen Lebens ver-körpert sahen. Daz kint vilete und was frô, diatete Ende des 12. Jahr-hunderts der Minnesänger Graf Rudolf von Fenis-Neuenburg. Inder zweiten Hälge des 18. Jahrhunderts entdeckte Johann HeinriaAmman aus Saafhausen in Anlehnung an den Holländer Jacob Cats(1577–1660) sogar die ganze Welt im Kinderviel widergeviegelt: -----------------------------------------------------

Dies viel ob es saeint ohne sinn, so wedt eine kleine Welt darin; dann alles wesen dieser Weltiwnur wie Kinderviel bewelt; wann ihr mit reatem fleiß besinntwas närrisae Jugend nur begintso merket ihr dann alsobaldder welt ihr siyen und gewalt. -----------------------------------------------------

Der deutsae Sarigweller Jean Paul (1763–1825) verwand das Spielals erwe Poesie des Mensaen und betonte die Kreativität des vie-lenden Kindes. Für FriedriaSailler (1759–1805) verbanden sia inihm Genuß, Wohlgefühl und Entvannung für den mensaliaenKörper und Geiw, ja, das Mensasein erweiw sia erw im Spiel, wieer in seinem Werk »Über die äwhetisae Erziehung des Mensaen«(15. Brief) sareibt: Denn, um es endlia auf einmal herauszusagen, derMensavielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensa iw, und er iwnur da ganz Mensa, wo er vielt.

Der niederländisae Kulturhiworiker Johan Huizinga (1872–1945) leitete in seinem Werk »Homo ludens« den Urvrung mensa-liaer Kultur sogar aus dem Spiel ab. Er wellt darin den vielendenMensaen (homo ludens) dem tätigen Mensaen (homo faber) gegen-über. Das Spiel selbw iwnaaHuizinga gekennzeianet dura freiesHandeln, es triy aus dem Alltag heraus und hat so einen eigenen

(1)/DAZ KINT SPILETE UND WAS FRÔ …SPIEL UND SPIELZEUG IN DER GESCHICHTE

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Wert. Es weht für ihn außerhalb der unmiyelbaren Befriedigungvon Notwendigkeiten und Begierden, iw in sia abgesalossen undzeitliabegrenzt, maat sogar süatig, bedarf der Wiederholung,hat eigene Regeln und erzeugt Spannung. -----------------------------------------------------

Das Spiel als solaes geht über die Grenzen rein biologisaer oder doa reinphysisaer Betätigung hinaus. Es iw eine sinnvolle Funktion. Im Spiel»vielt« etwas mit, was über den unmiyelbaren Drang naaLebensbehaup-tung hinausgeht und in die Lebensbetätigung einen Sinn hineinlegt. JedesSpiel bedeutet etwas. Nennen wir es das aktive Prinzip, das dem Spiel seinWesen verleiht, Geiw, dann sagen wir zuviel, nennen wir es Inwinkt, dann sagen wir niats. Wie man es aua betraaten mag, in jedem Fall triydamit, daß das Spiel einen Sinn hat, ein immaterielles Element im Wesendes Spiels selbw an den Tag. -----------------------------------------------------

Was aber maat das mensaliae Spiel zu etwas Besonderem? Denn niat nur Mensaen vielen, sondern auaTiere. Worin alsoliegt der Untersaied zwisaen mensaliaem und tierisaem Spiel? Im Untersaied zu einer mit einem Wollknäuel vielendenKatze sareiben bereits kleine Kinder ihren Spielgegenwändeneigene Namen zu, die so in ihrer Phantasie einen Funktionsweaselduramaaen. Ein Stück Holz wird zum Tier, zu einer Puppe oderzu einer Wafe. Bei den meiwen Naturvölkern bewehen die Puppender Kinder aus einfaaen, überall verfügbaren Materialien, ausHolz, Knoaen, Kürbissaalen, Maiskolben, Tannenzapfen,Rinde, Baw, Stroh, Leder und Ton. Bereits im kleinen Homo ludenskommt also der Homo faber zum Vorsaein.

Wir untersaeiden gewöhnliazwisaen Spiel und Ernwundgrenzen das Spiel als Freizeitvergnügen von der Arbeit ab. Und dennoabereitet gerade das Spiel auf den Ernwdes Lebens vor.Denn die imaginäre Spielwelt fördert insbesondere bei Kindern diehandwerkliae Gesaickliakeit, sault ihre Beobaatung undReaktionsfähigkeit, entwickelt das Denk- und Urteilsvermögen,fördert alle Sinne, erzieht zum Fair play und zur Selbwdisziplin,regt die Kommunikation mit anderen an, übt im Spiel die vätereRollenübernahme innerhalb der Erwaasenenwelt ein und trägt soganz entsaeidend zum kindliaen Sozialisationvrozeß und zumAbbau der Fixierung auf die eigene Person bei.

Spiel und Few gehören zusammen, von der grieaisaenOlympiade über die blutigen Gladiatorenviele, das adlige Turnierund die bürgerliaen Saützenfewe im Miyelalter bis hin zu öfent-liaen und privaten Feiern und dem Fußballviel heute. In vielen

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Spielen mit Weywreitaarakter geht es daher um Preis, Einsatz undGewinn. Sieg und Niederlage, Glück und Unglück liegen aber auaim Spiel mit Würfeln oder Karten eng beieinander. Das Risiko desVerlierens maat ogden eigentliaen Reiz des Spieles aus.

AuaSpiel, Religion und Zukungsdeutung hingen in dermensaliaen Gesaiate eng zusammen. In der Antike maß manetwa Würfelvielen eine sakrale Bedeutung zu. Alea iaea ew, derWürfel iw geworfen, soll Caesar gesagt haben, als er den Rubiconübersariyund damit einen Krieg unvermeidliamaate. In derFrühen Neuzeit suaten Wahrsager in den Tarot-Karten naaderZukung– eine Praxis, die bis heute hin überdauert hat.

Spiele ahmten gesellsaagliae Ereignisse wie Kriege inweniger ernwer Form naa. So wurden im römisaen Colosseumganze Seesalaaten naagewellt oder an miyelalterliaen Fürwen-höfen die Eroberung Jerusalems naagevielt. Elemente des Spielsbewimmten im Gegenzug auadie Kriegsführung. Die wrengenFormen und Regeln des Turniers etwa übernahm der Adel aua imKrieg. Lieber ritierte man eine Niederlage, wie in der Salaat amMorgarten 1315 gegen die eidgenössisaen Bauern, als vom Pferdabzuweigen und zu Fuß zu kämpfen, oder grif 1346 in der Salaatvon Crécy mit eingelegter Lanze die Stellungen der englisaenBogensaützen an, was mit einem Debakel des französisaen Riyer-tums endete. Mitunter hängen im Spiel Strategie und Taktik, Wissenund Einfallsreiatum ebenso wie im Krieg eng zusammen. Die Pa-leye reiat von den Strategievielen Go oder Saaa bis hin zu mo-dernen Computervielen.

Spiele und Spielzeug berücksiatigen darüber hinaus die kul-turellen Strömungen und teanisaen Erfindungen der jeweiligenZeit und sind Ausdruck des Zeitgeiwes. Zu allen Zeiten und in fawallen Kulturen aber dienten sie der Vorbereitung auf das Erwaase-nenleben. Davon, wie dieses gewaltet iw, hängt wiederum die Artder Kinderviele ab. In den bürgerliaen Familien der Neuzeit etwawaren sie eine wiatige Vorbereitung auf die Übernahme gesaleats-vezifisaer Rollen: Während Baukäwen, Riyerburgen, Kaufmanns-läden und Spielzeuggewehre den Jungen vorbehalten blieben, solltenMädaen mit Puppen und Puppenwuben, Spielzeugbügeleisen und Nähmasainen vielerisa in ihre vätere Aufgabe als Hausfrauund Muyer hineinwaasen. In der 1693 in Dillingen ersaienenen»Arae Noahs« etwa lesen wir: -----------------------------------------------------

Dem Frauenvolk klebet eine sonderliae Zuneigung gegen den Kindern an.Das siehet man an den kleinen Töaterlein, welae, obwohl sie noanit

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wissen, ob sie Mägdlein seind, noaviel minder, warumb sie solae seind,dannoa in ihren Kindervielen aus Lumpen zusammengemaate Dodenherumbtragen, wiegen, einfätsaeln und versorgen […]-----------------------------------------------------

Wie lehrreiaKinderviele etwa zu Beginn des 19. Jahrhundertssein sollten, weht in dem 1809 bei FriedriaCampe in Nürnbergersaienenen Bilderbua »Kinderfreuden« zu lesen: -----------------------------------------------------

Auf diesem Blay sehen wir eine Gesellsaaft junger Mädaen bei ihremliebwen Spiel, bei der Puppe. Traulia sitzen sie und putzen ihr kleinesPüppaen, nähen manaes für dasselbe und lernen so im Kleinen, ganzunvermerkt, ihren künftigen Beruf kennen. Rausaende Spiele passen fürdie weibliae Jugend niat. Siysame Häuuiakeit, Fleiß und mögliaweKenntnis aller wirtsaaftliaen Arbeiten, das sind die Grundlagen, wo-rauf sie ihr künftiges Glüd bauen müssen. Was könnte sie darauf besser vor-bereiten als das Spiel mit ihrer Puppe? Die Puppe iw das kleine hilfloseWesen, für das sie sorgen müssen. Da werden Kleidungswüde, Strümpfe,Hemden und Hauben gemaat, da wird an- und ausgezogen, sie hat ihrkleines Bey, das immer in Ordnung gehalten werden muß, sie besitzt ihreKüae, wo Haushaltsgerät angetroffen wird. Dies alles führt die Kleinenvielend in ihren Wirkungskreis, und sie können saon seine sehr guteRiatung für ihren weibliaen Charakter gewinnen, die bleiben wird,wenn verwändige Eltern ihre Spiele sorgsam anordnen und zuweilen einAuge darauf werfen. Möget Ihr lieben kleinen Mädaen, die Ihr dies Bua bekommt, das Puppenviel immer so benutzen, um künftig reat bravund glüdliazu werden. -----------------------------------------------------

Doadas Spiel unterlag im Laufe der Gesaiate auavielen Be-saränkungen und Regulierungen. Das Turnier oder der höfisaeTanz etwa waren im Miyelalter nur dem Adel vorbehalten und hiel-ten erwväter Einzug in die bürgerliae Welt. Mit der Auflösungder miyelalterliaen Feudalgesellsaagwurden dann zwar die wan-desbezogenen Spielsaranken niedergerissen, aber zugleianeueerriatet. Dies galt niat nur für das Glücksviel, sondern der früh-neuzeitliae Staat suate in seiner Regulierungswut auadas kind-liae Spiel zu kontrollieren und saeiterte doaog genug dabei. So klagte Goexe noa 1828 über die wärkere Regulierung des Kin-derviels in Deutsaland im Vergleiazum als vorbildhag angese-henen England: -----------------------------------------------------

Das Glüd der persönliaen Freiheiten, das Bewußtsein des englisaenNamens und welae Bedeutung ihm bei andern Nationen beiwohnt,

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kommt saon den Kindern zugute, so daß sie sowohl in der Familie als inden Unterriatsanwalten mit weit größerer Aatung behandelt werden undeine weit glüdlia-freiere Entwidlung genießen als bei uns Deutsaen. Ia brauae nur in unserm lieben Weimar zum Fenwer hinauszusehen, umgewahrt zu werden, wie es bei uns weht. Als neulia der Sanee lag undmeine Naabarskinder ihre kleinen Saliyen auf der Straße ausprobierenwollten, sogleiawar ein Polizeidiener da, und ia sah die armen Dinger-aen fliehen, so sanell sie konnten. Jetzt, wo die Frühlingssonne sie ausihren Häusern lodt und sie mit ihresgleiaen vor ihren Türen gerne einSpielaen maaten, sehe ia sie immer geniert, als wären sie niat siaer undals fürateten sie das Herannahen irgendeines polizeiliaen Maathabers.– Es darf kein Bube mit der Peitsae knallen oder singen oder rufen, sogleiaiw die Polizei da, es ihm zu verbieten. Es geht bei uns alles dahin, die liebeJugend frühzeitig zahm zu maaen und alle Natur, alle Originalität undalle Wildheit auszutreiben, so daß am Ende niats übrigbleibt als derPhiliwer. -----------------------------------------------------

Kinder sollen auaheute noa »artig« sein und auf den Spielplätzender wädtisaen Kommunen vielen, wo eine Tafel Auskungdarübergibt, was alles verboten iw. Kindern billigen wir in Fläaennutzungs-plänen weniger Platz als Parkplätzen zu. Ihr Gelärme und Gesareiwört uns mehr als der Verkehrslärm. Städtisae Betonwüwen und re-glementierte Parks saränken das kindliae Spiel immer mehr ein.Ausgelöwduradie zunehmende Gewalt unter Jugendliaen wird derRuf naawärkerer Kontrolle und Reglementierung weiterhin laut.

Was macht Spielzeug aus?Ein Kleinkind vielt mit allem. Erwmit zunehmendem Alter wei-aen die »natürliaen« Spielmiyel den »künwlia« hergewellten Spiel-saaen. Vom »Spielzeug«, das heißt eigens für das Spiel gefertigtenGegenwänden, untersaeiden Spieleforsaer das »Spielmaterial«,welaes selbwhergewellt wird oder der Ausgewaltung von Spielob-jekten und -situationen dient. Hinzu kommen »Spielgeräte«, dasheißt kindgereate Sportgeräte. Bewimmte Spielzeuge wie derReifen haben in ihrer Form bis heute hin nahezu unverändert über-dauert, allenfalls das Material hat sia geändert. Von der araai-saen Puppe bis hin zur Barbie war es gemessen am hiworisaen Zeit-raum und seinen gesellsaagliaen Veränderungen nur ein kleinerSariy. Andere Spielzeuge waren größeren Veränderungen unter-worfen bzw. kamen hinzu, wie das teanisae Spielzeug als Aus-druck des mensaliaen Erfindungsreiatums, versawanden gänz-

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liawie der Kreisel oder friwen ein Saayendasein wie die Murmeln. Wie beim Spiel aua sind bei den genannten Spielmiyeln die Über-gänge zwisaen kindliaen und erwaasenen Gegenwänden zumZeitvertreib fließend. Manae der von Erwaasenen hergewelltenSpielzeuge entwuasen im Laufe der Zeit sogar den Händen derKinder. Aus der Holzpuppe, der »Docke«, wurde mitunter ein kow-barer Repräsentationsgegenwand, aus dem einfaaen Riyer aus Ton ein solaer aus Metall für Herrsaersöhne oder aus der urvrüng-liaen Spielzeugeisenbahn eine teure Modellbahn für Liebhaber und Sammler. Kowbares Repräsentationsvielzeug war und iwognur zum Bewaunen da. In Spielzeugmuseen haben diese Dinge viel-faaüberlebt. Doa auader umgekehrte Weg iwbesariyen worden: Aus dem Puppenhaus des 16. und 17. Jahrhunderts als An-saauungsobjekt des privaten Haushalts etwa ging väter diebevielbare Puppenwube hervor.

In unserer Welt hat sia eine expandierende Freizeitinduwrieum das Spiel herum entfaltet. Naader meaanisaen Revolution im Kinderzimmer, naaDampfmasaine, Eisenbahn und Autorenn-bahn eroberten elektronisae Spiele den Spielemarkt. Doaverber-gen siahinter den neuen Medien og genug niat grundsätzlianeueSpielideen, vielmehr beruhen die meiwen elektronisaen Spiele aufälteren Ideen und Vorgaben, die noa immer niats von ihrer Faszi-nation verloren haben.

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Der Ritter

So fragte bereits der junge Parzival, worauf er eine unbewimmteAntwort eines älteren Riyers, den er zunäaw für Goy gehaltenhaye, bekam:

König Artus verleihe also riyers namn dem, der von riyers art sei(Parzival, 3. Bua, 123). Doawas iw ein Riyer?

Das Zeitalter des Riyertums iw dahin: das der Sophiwen, Krämerund Pfennigfuaser hat obsiegt, jetzt iw die Herrliakeit Europas fürimmer erlosaen, behauptete der englisae Hiworiker Edmund Burke1791 und setzte das Ende der Riyerzeit mit dem Ende des ancienrégime gleia.

Das Wort Riyer leitet siavom althoadeutsaen Verb ritan(reiten) ab und kann mit »Reiter« übersetzt werden. In den latei-nisaen Quellen iwvon miles, also vom beriyenen Krieger, die Rede.1231 verfügte Kaiser Friedria II. die Absaließung des Riyerwan-des naa außen, das heißt, niemand sollte von da an in den Riyer-wand aufgenommen werden, der niat einem riyerliaen Gesaleatangehörte, also riyerbürtig war. Im förmliaen Sinn maaten erwdie Sawertleite und der Riyersalag den Adligen zum Riyer. DerRiyersalag wammte urvrünglia aus Flandern und iw seit 1377aua im Reianaaweisbar. Er wurde begleitet von dem Sprua bes-

(4) / SPIELEN UM DER EHRE WILLEN DAS TURNIER — EIN RITTERLICHER WETTSTREIT

du nennew riyer: waz iw daz?hâwu niht gotlîaer kraft,sô sage mir, wer gît riyersaaft?

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Du erwähnst Ritter, was ist das?Wenn du selbst nicht göttliche Kraft besitzt, so sage mir, wer verleiht Ritterschaft?

daz tuot der künec Artûs.junaêrre, komt ir in des hûs,der bringet iua an riyers namn,daz irs iuanimmer durfet saamn.ir mugt wol sîn von riyers art.

Die verleiht der König Artus.Junger Herr, wenn ihr in dessen Haus kommt,der verleiht Euch Ritters Namen,und zwar so, dass Ihr Euch dessen nie schämen müsst.Ihr könnt wohl von ritterlicher Geburt sein.

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ser Riyer, denn Kneat und dem St. Georgs-Segen. Als Idee umfaßtedas Riyertum alle vom kleinen Miniwerialen (Dienwmann) bis hinzum König und war mit bewimmten wandewypisaen Verhaltens-formen verbunden.

Die höfisaen Romane um König Artus und seine Riyer, wieLancelot und Parzival, vermiyelten vor allem die exisae Seite desRiyertums. Auadie Kirae sang mit Bonizo von Sutri (gew. 1090),Bernhard von Clairvaux (gew. 1153) oder Johannes von Salisbury(gew. 1180) das Hohelied des ariwliaen Riyertums. Zahlreiaeweltliae Abhandlungen über das Riyerwesen ersaienen, so die»Ordene de aevalerie« von einem anonymen Autor um 1250, der»Libre del ordre de cavayleria« von Ramon Lull, einem Mywikeraus Mallorca, um 1276, der »Libre de aevalerie« von Geofroy deCharny, einem französisaen Riyer des 14. Jahrhunderts, oder der»Riyerviegel« von Johannes Roxum 1410.

An den europäisaen Fürwenhöfen entwanden, beginnend inFrankreia im 11. Jahrhundert, neue Verhaltensformen und einehöfisae Etikeye, unterwützt duradie in den höfisaen Riyerro-manen als vorbildlia gesailderten Tugenden, wie etwa in denRomanen von Chrétien de Troyes aus dem 12. Jahrhundert. Goy-fried von Straßburg gebrauate in seinem »Triwan« um 1210 sogarden Begrif gotes hövesaeit – selbwGoywar nun »höfisa«! Damitwar das vollendete riyerliae Tugendsywem gemeint, welaes aller-dings mit der Wirkliakeit niat übereinwimmte. Diese sogenanntecurialitas umfaßte um die Miye des 12. Jahrhunderts die zuht (disci-plina, Zuat), die saoene site (elegantia morum, edle Gesinnung),die fröude (hilaritas, Heiterkeit, Frohsinn), die mâze (temperantia, Maßhalten, Mäßigung), die milte (generositas, largitas, liberalitas,Freigebigkeit, Großzügigkeit), den hohen muot (ein Gefühl der Hoa-gewimmtheit im Bewußtsein der eigenen Ehre), die waete (Bewän-digkeit) und die triuwe (Treue).

Ein Riyer untersaied sia äußerliavon anderen dura seineKleidung, die Gewen und die ausgewählte Spraae, die höfisaeMahlzeit, die sogenannte »Herrenveise«, die er in Übereinwimmungmit den adligen Tisazuaten einnahm, die Auswayung mit Wafenund Streitroß, die Burg als repräsentativem Wohnsitz und Gold und Silber als Standessymbol. In seinem Verhalten aarakterisiertenihn der Minnedienw als Ideal des Dienwes an einer Dame und niatzuletzt Freizeitaktivitäten wie Jagen mit Hunden und Falken undvor allem das Turnier.

E I N G E R I C H TS K A M P FZ W I S C H E N E I N E MG E R Ü S T E T E N M A N NU N D E I N E R F R A U, B E ID E M S I C H D I E F R A UA L S S I E G R E I C HE R W E I S T ( S P I E Z E RB I L D E R C H R O N I K , 1 5 . J A H R H U N D E R T ) .

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Wie auf einem Turnier riy in der Salaat von Crécy 1346 die Blütedes französisaen Riyertums mit eingelegter Lanze gegen die Stel-lungen der englisaen Bogensaützen und wurde von deren über-legenen Langwreckenwafen aus dem Sayel gesaossen. Bald sangman landauf landab das Spoylied »Hoppe, hoppe Reiter, wenn erfällt, dann sareit er…« auf das Riyertum, dem der Standesdünkelüber alles ging.

Was also hat es mit dem Turnier auf sia, wenn dieses Kampf-viel selbwdie Regeln des Krieges beeinflußte? Der MinnesängerUlriavon Lieatenwein (gew. 1275) sarieb im »Frauendienw« überdie Gründe für das Turnieren folgende Zeilen:

Das Turnier (französisa tournoi) als adliger Weykampf entwandim 11. Jahrhundert in Frankreia. Für 1127 beriatet Oyo vonFreising in seinen »Gewa Friderici«, in denen er die Taten KaiserFriedriaBarbarossas besareibt, von einem Turnier der sawä-bisaen Herzöge vor Würzburg. Es handelt siaum das früheweZeugnis für ein Turnier im deutsaen Raum.

Die mit dem Turnier verbundenen Elemente dienten dersozialen Abgrenzung des Riyertums. Die Teilnehmer wurden for-mell eingeladen, die finanziellen und kampfeweanisaen Be-dingungen verabredet – der Unterlegene verlor in der Regel Roßund Rüwung –, die Art der Wafen und die Anzahl der Wafen-gänge fewgelegt, die Kämpfer in gleiawarke Saaren, Länder(maraes), Lehnsverbände, Turnierparteien oder Turniergesell-saagen (seit dem 14./15. Jahrhundert) eingeteilt, der Einsatz saarfer Wafen oder abgewumpger Sawerter bzw. mit Krönleinversehener Lanzen bewimmt und der Siaerheitsbezirk abgeweckt.In Deutsaland iw ein abgeweckter Turnierplatz bereits um 1220naaweisbar. Auf dem Turnierplatz sorgten die sogenannten Gries-wärtel mit Stangen für Ordnung. Turniervögte fungierten als Preisriater. Aus den Turnierparteien gingen seit 1325 berühmteweltliae Riyerorden hervor, die von Königen und Fürwen ge-wiget wurden, so der Orden des blauen Hosenbandes (Hosenband-

die stachen hie durch hohen muotdie andern dort wan umb daz guotda tyostirt manges ritters lipdurch anders niht wan durch diu wipso stachen die durch lernen da jen durch pris dort anderswa.

Die einen turnierten aus lauter Lust,die anderen aus Hoffnung auf materiellen Gewinn,einige allein im Dienst der Damen,andere zur Übung und wieder andere um des Preises willen.

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Das Turnier

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Orden; 1348 duraKönig Eduard III. von England gewiget), derAnnunziatenorden (1362 gewiget duraAmadeus VI., Graf vonSavoyen), der Bax-Orden (gewiget 1399 duraKönig Heinria IV.von England), der Orden vom Goldenen Vließ (gewiget 1429 duraPhilipp III., Herzog von Burgund) oder der Orden des Elefanten(gewiget 1462 duraChriwian I., König von Dänemark). Im Reiagab es zwisaen 1331 und 1517 allein 92 Turniergesellsaagen, da-runter die zwölf Turniergesellsaagen der »Vier Lande« (Franken,Sawaben, Rheinland und Bayern).

Das Turnier wurde in zwei Formen ausgeführt: dem Buhurtund dem Tjow. Der bu hu rt war ein Kampfviel, bei dem zweiGruppen – meiwzu Pferd – mit wumpfen Wafen gegeneinanderantraten. Der tjost wurde als Zweikampf in der Rüwung zuPferde ausgetragen. Mit der Lanze zielten die Riyer auf den Saildoder Helm des Gegners, um diesen aus dem Sayel zu woßen. Beim

sch a r f r e n ne n wurde eine Lanze mit Eisenvitze einge-setzt, während beim steche n die Lanzen mit wumpfen Krön-lein aus Holz oder Metall »entsaärg« waren.

Im 15. und 16. Jahrhundert hielten große Turnierbüaer Ren-nen und Steaen einzelner Riyer few, besarieben die Turnier-folgen an einzelnen Orten oder dokumentierten die Turnierfähig-keit eines adligen Gesaleates. In dieser Absiat erwellte AlbreatDürer den »Freydal« für Kaiser Maximilian I. (1459–1519). Dersäasisae Kurfürw Johann Friedriader Großmütige (1503–1554)beaugragte die Cranaa-Werkwaymit der Anfertigung eines Tur-nierbuaes, worin niat weniger als 146 Turniere dokumentiertsind, an denen er teilgenommen haye. Der bayerisae Herzog Wil-helm IV. (1493–1550) ließ sia ein Turnierbuavon Miaael Owen-dorfer anfertigen. Réné von Anjou (1409–1480), Titularkönig vonNeapel und Jerusalem sowie Herzog von Loxringen, entwarf sogarein eigenes Regiebua für Turniere mit dem Titel »Traicité de la forme et devis comme on fait les tournois«. Das wädtisae Patriziateiferte dem Adel auabei den Turnieren naa. Der AugsburgerPatrizier Marx Walxer (geb. 1456) beivielsweise hat sia sein eige-nes Turnierbuamalen lassen.

Turniere fanden zumeiw als Teil größerer Fewe way, anläß-liavon Hoazeiten, Friedenssalüssen oder Bündnissen und zur Fawnaat. Am Turnier im Rahmen der Sawertleite der Kaiser-söhne FriedriaBarbarossas von 1184 nahmen ca. 20.000 Riyer teil. Hartmann von Aue besareibt in seinem um 1190 entwandenenerwen deutsaen Artusroman namens »Erec« aua ein Turnier,welaes von König Artus als Absaiedsfew für seinen Helden einbe-

(4) / SPIELEN UM DER EHRE WILLENDAS TURNIER —EIN RITTERLICHERWETTSTREIT

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rufen wurde. Für den jungen Erec war es die erwe Teilnahme aneinem Turnier, und er erhielt von König Artus die kowbare Aus-rüwung als Gesaenk (Vs. 2327–2330):

Das war von allem nur das Bewe. Der Turniervort war eben teuer,und mana ein Riyer ruinierte siadabei. Vor Beginn des Turnierswurde Erec von zwei Riyern zum Tjow gefordert (Vs. 2427–2432):

Dann fand das eigentliae Turnier way (Vs. 2459–2462):

Blieb der Zweikampf mit Lanzen zu Pferde unentsaieden, ging der Kampf zu Fuß mit Sawertern weiter, bis ein Sieger fewwand(Vs. 2471–2475):

Die literarisaen Helden wie Erec waren alle groß, wark und mutigund galten als Vorbilder. 1240 nahm Ulriavon Lieatenwein (gew.1275) aus der Steiermark mit zwölf Riyern an einer Artusfahrt naaepisaem Vorbild naaBöhmen teil. In seinem »Frauendienw« er-zählt er von seiner – wahrsaeinliafiktiven – Venusfahrt, die ihn

Der ein tjostierte wider in:den selben er von dem rosse stachdem andern alsam geschach.ir rosse er niene ruochte,wan daz er vürbaz suochteritterschefte mêre.

Der eine tjostierte gegen ihn,den stach er vom Pferde,und dem andern ging es ebenso.Ihre Pferde rührte Erec nicht an,weil er weitere ritterliche Kämpfe suchte.

dô wart ritterlîche genuoc getjostieretund wol gepunieretund geslagen mit dem swerte.

Da wurde ritterlich tjostiert, mit Lanzen gestochenund mit dem Schwert geschlagen.

er was ie der erste darund der jungeste danErec den pris gewandes abendes ze beiden siten: des jahen si ane striten.

Er war der Besteund zugleich der Jüngste,Erec wurde abends von beiden Seiten der Preis zuerkannt,das wurde von allen ohne Streiten gesagt.

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vünf ros von Spanjehelme von Poitiershalsberge von Schamliersîserkolzen von Glenîs

Fünf Pferde aus Spanien,Helme aus Poitiers,Halsberge aus Schamliers,Beinschienen aus Glenis.

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1227 in einer Verkleidung als »Frau Venus« von Venetien naaKärn-ten geführt habe.

Seit 1280 wurden naader »Magdeburger Saöppenaronik«in Magdeburg Turniere naadem Vorbild des Artushofs ausgetragen,wobei dem Sieger als Kampfpreis die Verlobung mit einer Jungfrauwinkte. Diese Siye entvraadem Vorbild Gahmurets, dem inSpanien als Siegerpreis in einem Turnier die Hand der jung verwit-weten Herzeloyde, der Toater des Gralskönigs, zugefallen war.Obwohl Gahmuret diese Ehe niat eingehen wollte, zwang Herze-loyde ihn, den Turnierpreis anzunehmen. Aus dieser Verbindungging dann Parzival hervor, wie es in der gleianamigen DiatungWolframs von Esaenbaaheißt. Das erwe erwähnte »Tafelrunden-turnier« fand 1223 auf Zypern way anläßliader Sawertleite zweier Söhne Johanns von Ibelein, des »Alten Herrn von Beirut«.

Turniere gab es aua 1184 in Worms, 1486 in Köln und 1491 inNürnberg unter Beteiligung Kaiser Maximilians I. Das Turnier-buades Reiasherolds Jerusalem (Georg Rixner) von Kaiser Karl V.liwet 36 wädtisae Turniere auf. Das erwe soll 938 in Magdeburgwaygefunden haben, wofür es aber keinen Naaweis gibt. Das letztefand naaRixner 1487 in Worms way. Nahezu jede größere wädti-sae Rüwkammer wellte Leihweazeuge für die weniger Begütertenzur Verfügung.

Kritik am TurnierDie Kirae versuate immer wieder, die adligen Kampfviele mit demHinweis auf ihre Gefährliakeit zu unterbinden, so das Konzil vonClermont 1130 und die lateranisaen Konzile in den Jahren 1139, 1179und 1193. Dabei untersagte der Konzilsbesaluß von Clermont aus-drücklia jene verwerfliaen Spiele und Fewe, wo Riyer naaVerabre-dung zusammenkommen pflegen und siazwecks Zursaauwellung ihrerKräge und ihrer besonnenen Kühnheit trefen.

1215 verbot Papw Innozenz III. aus Sorge um den geplantenKreuzzug das Turnier für drei Jahre, 1275 forderte PapwGregor X.König Rudolf von Habsburg auf, das Turnier im Reiazu untersa-gen, und 1287 wandte siadas Würzburger Konzil gegen Turniere.Erw 1316 wurde das kiraliae Turnierverbot duraPapw Johan-nes XXII. wieder aufgehoben. Unter den dem Prunk verfallenenPäpwen der Renaissance fanden dann saließlia sogar Turniere imTheaterhof des Vatikans way.

Doader Adel ließ sia auazuvor sein Freizeitvergnügenniat nehmen und war sogar bereit, dafür einen hohen Preis zu

V O R I G E S E I T E N

L I N KS :D I E M I N I AT U R A U S E I N E RH A N D S C H R I F T D E S» J Ü N G E R E N T I T U R E L « A U S D E R Z E I T U M 1 4 3 0S T E L L T E I N G R O SS E ST U R N I E R D A R , A N D E MA U C H D E R J U N G EPA R Z I VA L T E I L N I M M T –U N D S I E G T.

R E C H TS :D I E S E M I N I AT U R A U S D E M 1 5 . J A H R H U N D E R TZ E I G T E I N E N Z W E I -K A M P F V O R KÖ N I G A R T U S .DAS TURNIER BEFINDETSICH BEREITS IM ZWEITENWA F F E N G A N G M I TS C H W E R T E R N , A U F D E MB O D E N L I E G E N D I E V E R B R A U C H T E N L A N Z E NV E R S T R E U T. A U F D E NT R I B Ü N E N S I E H T M A NA D E L I G E D A M E N U N DH E R R E N A L S Z U S C H A U E R .

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zahlen: 1152 fiel König Heinria II. tot vom Pferd, als dessen Helm-visier dem Stoß der gegnerisaen Lanze naagab und diese durasein Auge ins Gehirn drang. 1175 kamen in Saasen 16 Riyer umsLeben. Weitere prominente Opfer, die beim Turnier warben, waren1176 der Markgrafensohn Dietriavon Meißen, 1186 GeofroiPlantagenet, Sohn König Heinrias II. von England, und 1295Herzog Johann von Brabant. 1290 warb Ludwig, Sohn des bayeri-saen Herzogs, als die saarfe gleve des Gegners seine Kehledurasaniy. Albreat von Brandenburg, genannt Aailles, einerder berühmtewen Turnierkämpfer seiner Zeit, sareibt 1480: -----------------------------------------------------

Wir sind auavon den gnaden gots gesundt und mitsambt unserer gemahel,sonen und toatern, unnd iw könig Artes hofe hie mit jagen, payssen, hetzen,weaen, rennen und aller kurtzwil. Wir sind auanaaGoyes Gnade gesund mitsamt unserer Gemah-lin, den Söhnen und Töatern, und bei uns iwKönig Artus’ Hof mitJagen, Beizen, Hetzen, Steaen, Rennen und allerlei Kurzweil.-----------------------------------------------------

Mana ein Turnierteilnehmer verhielt sia jedoa alles andere alsriyerlia. So fand 1376 in Basel die »Böse Fawnaat« way, auf dersia auf dem von Herzog Leopold von ÖwerreiaveranwaltetenTurnier einige Riyersleute an Bürgersfrauen vergrifen. Die erbo-wen Bürger waaen viele Adlige nieder. Als Markgraf AlbreatAailles von Brandenburg 1442 mit 54 Riyern und 300 edlen Teil-nehmern zum fawnäatliaen Turnier in Augsburg einriy, welltendie besorgten Stadtväter sogar 1360 gewappnete Männer, die fürRuhe und Ordnung sorgen sollten.

So verwundert es niat, wenn sia auakritisae Stimmenzum Turnier erhoben. Der norditalienisae Geiwliae Thomasinvon Zerklaere verfaßte 1215/16 mit seiner Sarig »Der WelsaeGaw« eine riyerliae Tugendlehre, in der er aua auf das Turnier ab-hebt und die Hofärtigen und Ruhmsüatigen kritisiert:

Z W E I R I T T E R S T E H E NE I N A N D E R I M Z W E I -K A M P F M I T L A N Z E NG E G E N Ü B E R ( T U R N I E R -B U C H J O H A N N F R I E D -R I C H S D E S G R O SS -M Ü T I G E N , U M 1 5 3 5 ) .

So lait er auf in seinem mutAinn turnay da manech gutReitter zu bechomen solDa will erz tun hart wolSo machet manigen satel lereSeiner torschen gedanch spereNiemen mach sich zim geleichenSi muzzen im alle entweichen.

So kommt ihm ein Turnier in den Sinn, zu dem viele gute Ritter kommen sollen,dort will er sein Bestes tun. So leert der Speer seiner törichten Gedanken viele Sättel.Niemand kommt ihm gleich, alle müssen vor ihm weichen.

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Der Bamberger Saulrektor Hugo von Trimberg (um 1230–naa1313) besarieb in seinem um 1300 vollendeten Werk »Der Renner«den Kampf des Mensaen gegen die sieben Todsünden, wobei erunter frâz (Völlerei, Unmäßigkeit) auadas Turnieren einreihte.AuaReinmar von Zweter, ein Spruadiater in der NaafolgeWalxers von der Vogelweide, kritisierte in der zweiten Hälge des13. Jahrhunderts das Turnier:

Größer konnte die Ditrepanz zwisaen dem idealisiertenRiyerbild und der Wirkliakeit niat sein.

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Turnieren was ê ritterlîchnû ist ez rinderlich, toblich, tôtreis, [mordes] rîch mortmezzer unt mortkolbe, gesliffen aks gar ûf des mannes tôt.Sus ist der turnei nû gestalt.des werdent schoener vrouwen ir ougen rôt,

ir herze kalt,swan si ir werden lieben man dâ weiz in

mortlîcher nôt.Dô man turnierens phlac durch ritters lêredurch hôhen muot, durch hübescheit unt durch êre,dô hete man umb eine decke ungerne erwürget guoten man:swer daz nû tuot unt daz wol kan, der dunket sich ze velde gar ein recke.

Turnieren war früher ritterlich jetzt ist es viehisch, wüst, todbringend, mordreich. Mordmesser und Mordkolben, geschliffene Axt gar für den Tod des Mannes. Solchergestalt ist das Turnier jetzt davon werden einer schönen Frau die Augen rot,

das Herz kalt wenn sie ihren liebsten Mann dort in

mörderischer Not weiß.Als man noch nach ritterlicher Lehre turnierte mit hohem Mut, Höfischheit und Ehre, da hätte man kaum einen guten Mann um den Gewinn einer (Pferde-)Decke getötet. Wer jetzt so etwas tut und das gut beherrscht, der glaubt, im Feld ein Held zu sein.

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