Voigt Presse Selection 1

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  • Katharinenstr. 10, 04109 Leipzig, T. 216 99 914, F. 216 99 999, www.mdbk.de, [email protected]

    PRESSEINFORMATION

    ROSENKRANZ KUBIS IX: JORINDE VOIGT 10. September bis 3. November 2010

    Meine Arbeit ist wie Musik, man kann sie genieen, auch wenn man die Partitur nicht lesen kann. (Jorinde Voigt)

    Der neunte Rosenkranz Kubus prsentiert Arbeiten der Knstlerin Jorinde Voigt (*1977 Frankfurt am Main) aus der Sammlung Dieter und Si Rosenkranz. Mit neun Jahren lernte Jorinde Voigt Cello spielen und Noten lesen. 1996 begann sie Philosophie und Literatur an der Georg-August-Universitt in Gttingen zu studieren. Zum besseren Verstndnis der Themen zeichnete sie sich Diagramme, die die Worte in Gedankenbilder verwandelten. Ich hatte das Gefhl, das Studium der Philosophie war durch Stze eingeschrnkt. Ich wusste, wie Noten funktionieren, wie sie zu lesen waren. Es war fr mich nicht schwer, eine Musiknote fr eine Idee, Situation oder Handlung einzusetzen. Diese Vorgehensweise half mir, Descartes und Wittgenstein zu verstehen. (Jorinde Voigt, 2010) Daraus entwickelte sich, nach dem Wechsel der Fachrichtung zur bildenden Kunst an die Universitt der Knste in Berlin, eine ganz eigene Bildsprache und Herangehensweise.

    Jorinde Voigts filigran anmutende Arbeiten bewegen sich zwischen Schreiben und Zeichnen, sind begrifflich als Schrift, Partituren, Konzepte oder Notationen zu fassen. Es sind jedoch keine linear lesbaren Texte, sondern vielmehr diffizile Diagramme, die sie bestimmten Ordnungskriterien wie der Fibonacci-Folge unterwirft. Ihre Werke basieren meist auf messbaren physikalischen Parametern, etwa Temperaturverlufen oder akustischen Impulsen, die sie wie in naturwissenschaftlichen Diagrammen anordnet. Die rhythmischen Linienverlufe haben die Anmutung abstrakter Zeichnungen oder Konstruktionsplne, deren Systematik sich erst nach eingehender Betrachtung erschliet. Es ist der Knstlerin wichtig, ihren Arbeitsprozess nachvollziehbar zu machen und die zugrunde liegenden Algorithmen ihrer Zeichnungen zu offenbaren. Ich finde es aufregend, den Betrachter aufzufordern, etwas auf eine andere Weise zu sehen. Natrlich knnen die Leute meine Arbeit rein visuell genieen, aber ich teile gern meine Denkweise mit und helfe ihnen, die Logik dahinter zu verstehen, damit sie wenn man so will die Partitur lesen knnen. Mittels Pfeilen, Klammern, Plus- und Minuszeichen versucht sie, die Welt zu erfassen und zu ordnen, die Gleichzeitigkeit von Ereignissen sichtbar zu machen und miteinander in Bezug zu setzen.

    Jorinde Voigt zeichnet oftmals monatelang, bis zu zwlf Stunden tglich am Boden liegend, auf zum Teil berdimensioniertem Papier, geduldig und diszipliniert alles aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtend. Dabei setzt die Knstlerin eine lineare Kettenreaktion in Gang, die zu dynamischen, feingliedrigen Bildwelten fhrt. Ihr Medium ist die Zeichnung, sie ist eben die direkteste Form. Da ist auer der Bewegung des Krpers nichts mehr zwischen Denken und Tun geschaltet. Voigts Zeichnungen erscheinen wie der Versuch, sich einen berblick ber die symbolischen Aspekte unserer sozialen Organisation zu verschaffen. Ein Ordnungsstreben und Verstehenwollen der sie umgebenden Welt ist der Motor ihrer Arbeit.

  • DIETER UND SI ROSENKRANZ Das in Berlin lebende Ehepaar untersttzt seit Jahren Museen in Paris, Bilbao, Los Angeles, Santa Barbara und Deutschland mit Leihgaben. Seit einigen Jahren haben Dieter und Si Rosenkranz ihr Augenmerk auch auf Leipzig gerichtet. Sie mchten zum einen die Kunst vor Ort frdern, zum anderen die Prsenz internationaler Kunst in der Stadt verstrken. 2006 haben Dieter und Si Rosenkranz deshalb dem Museum rund 500 Werke aus ihrer umfangreichen Kollektion moderner Kunst per Dauerleihvertrag auf zehn Jahre zur Verfgung gestellt. Zweimal jhrlich wird eine Auswahl im Kubus im ersten Obergeschoss des Museums prsentiert.

    Die Sammlung Rosenkranz lsst sich in drei Schwerpunkte teilen: geometrisch-konstruktivistische Kunst der europischen Moderne (u. a. Auguste Herbin, Laszlo Moholy-Nagy, Victor Vasarely), konzeptionelle und prozessorientierte Kunst der 1960er Jahre bis heute (u. a. Christo, Nam June Paik, Klaus Rinke) und Gegenwartskunst von Knstlern der amerikanischen Westkste (u. a. Greg und Jeff Colson, Sam Francis, Ed Ruscha), wo das Ehepaar Rosenkranz von 1987 bis 2005 einen zweiten Wohnsitz hatte.

    ROSENKRANZ KUBUS I VIII Enrique Martnez Celaya: Schneebett (22. Juni 30. Juli 2006) | Christo und Jeanne-Claude: Objekte und Projekte (15. November 2006 14. Januar 2007) | Ed Ruscha (6. September bis 18. November 2007) | Klaus Rinke (5. Dezember 2007 30. Mrz 2008) | Auguste Herbin (4. September 23. November 2008 | Nam June Paik (1. Mrz 1. Juni 2009) | Robert Therrien (25. Februar 2. Mai 2010) | Carsten Nicolai: Rota (25. Februar 2. Mai 2010)

    SCHENKUNG 2003 schenkten Dieter und Si Rosenkranz dem Museum der bildenden Knste die Arbeit Queen of the Seas des Knstlers Klaus Rinke (*1939), die auf einer der Terrassen des Museums gezeigt wird. Zur Erffnung des ROSENKRANZ KUBUS I schenkten sie dem Museum die groformatigen Papierschnitte Sieger der Geschichte der Leipziger Knstlerin Annette Schrter (*1956), zur Erffnung des KUBUS II die Arbeit VOID von Carsten Nicolai (*1965) und die Skulptur Scheiterhaufen von Jan Bnnig (*1972).

    VERANSTALTUNGEN Ausstellungsgesprch: Mittwoch, 15. September 2010, 17 Uhr mit Jorinde Voigt und Dr. Andreas Schalhorn, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin Fhrung: Sonntag, 31. Oktober 2010, 11 Uhr mit Ariane Frauendorf

    EINTRITT & FFNUNGSZEITEN Eintritt: 5 , ermigt 3.50 , am zweiten Mittwoch im Monat Eintritt frei.

    ffnungszeiten Dienstag und Donnerstag bis Sonntag 10-18 Uhr | Mittwoch 12-20 Uhr Montag geschlossen | Feiertage 10-18 Uhr

    Kontakt & Informationen Museum der bildenden Knste Leipzig | Tel.:0341.21 69 99 42 | [email protected]

    www.mdbk.de | www.jorindevoigt.com

  • Katharinenstr. 10, 04109 Leipzig, T. 216 99 914, F. 216 99 999, www.mdbk.de, [email protected]

    PRESSEBILDER

    Symphonic Area (Blue) II, 2009 | Tinte, Bleistift auf Papier

    Symphonie Studie Var. XII/3, 2009 | Tinte, Bleistift auf Papier

    Schwerkraft ,11 Studien zur Gravitation I, 2010

    Tinte, Bleistift auf Millimeterpapier

    alle Abb.: Jorinde Voigt, Sammlung Dieter und Si Rosenkranz, VG Bild-Kunst Bonn, 2010

  • 24.10.10 17:59Meet the Germans Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut

    Seite 1 von 3http://www.goethe.de/cgi-bin/print-url.pl?url=http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm

    Meet the Germans Typically German - The Arty - Jorinde Voigt - Goethe-Institut http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/enindex.htm

    Jorinde Voigt interviewed by Rory MacLeanJorinde Voigt is one of German arts rising stars. Tall and lean with intensedark eyes and high cheek bones, she met me in her studio near BerlinsHackescher Markt. She wore black from head to toe, apart from a pair ofstartling yellow sneakers. Likewise her studio offered only rare flashes ofcolour: purple lilies on the desk, a plastic East German KINO sign in thecourtyard. Across the floor spread a vast black ink work-in-progress for one ofthe dozen solo and group shows coming up this year.

    My work is like music, she said, nodding at the drawing. You can enjoy itwithout being able to read the score.

    Voigt is best knownfor her gracefulspiralling arcs andparallel looped lines,stretched andinterwoven, burstingacross the page as ifcaught up in astrange temporalchain reaction. Hermeticulous drawingsare schematic yet of

    the natural world, reminiscent of ocean current charts and water droplets falling in slow motioninto a pool. They are part timeline, part electronic wiring diagram, part exotic system of musicalnotation which chronicles subjective experience. Her work seems to be both familiar and totallynew, controlled yet wild and unhinged.

    I stared at her drawings like a code-breaker, trying to decipher line and meaning, to understandworkings of her mind. To that end I asked about the process - the journey - which had broughther to create such extraordinary, dynamic drawings.

    My family was extremely strict, Voigt told me. She was born in 1977 in Frankfurt. I grew upwith an exaggerated respect for authority. At first that limited me. I had to fight to find my ownway, fighting not against the old but for the new.

    At nine years old she began to play the cello, learnt to read music and matured into a giftedyoung performer. In 1996 she went to Gttingens Georg-August-Universitt to study literatureand philosophy. To help her understand the subjects she drew diagrams for herself, transformingwords into idea maps.

    I felt the study of philosophy was limited by sentences. I knew how the musical score functioned,how its meant to be read. It wasnt hard for me to exchange a note of music for an idea,situation or action. The approach helped me to understand Descartes and Wittgenstein.

    After a year she decided to move to Berlins Freie Universitt. When she arrived its students wereon strike. As their argument wasnt hers and she wanted to work, Voigt assembled herphilosophical idea maps into a portfolio and applied to the University of the Arts ('UdK'). She wasoffered a place immediately. But once in UdKs Multimedia faculty she again rejected old formulas.

    Photography pretends to be objective but its not. It claims to tell the truth, but it doesnt, she

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    said. I needed to rid myself of the cameras limited perspective. In those days photography wasalso really expensive. I spent all my money on prints. So I asked myself, what do I need? Theanswer was only a pen and paper. I started again from zero, trying to look at my subjects anew,as if for the very first time.

    In Berlin and on trips to Florida and Indonesia her workbegan to develop its distinctive style. Her subjects forexample two men at a caf table, the colour of clothes on astreet, overheard pop songs and arbitrary text werereduced to black and white notations as if on a score. In herprecise and careful hand those notations then began tointeract on the page, enabling Voigt to portray her subjectsfrom different points-of-view, and across time.

    Drawing allows me to develop maps to many constellations,across many possibilities she told me. I deal a lot with whatis subjective and objective. I create a time construct which is

    beyond our ability to experience. When I asked her to explain she smiled and said, We arealive. We are not the person that we were yesterday. Thats why I am interested in multipleperspective. Her answer helped to explain why her shows have titles like EPM (emotions perminute), Rotating Remains and Collective Time.

    Voigt added, It takes years to invent ones own structures. But I learnt to be disciplined byplaying the cello. For the first five years you just have to practice, practice.

    In her studio stood an intriguing new sculptural work. Institution consists ofseven black poles, each with two narrow bands of white on which was writtenbrown eyes or pink silk-nylon-gold'.

    I travel a lot, she said. When I arrive in a new country I always try to figureout the relationship between men and women. Last year I was in Lamu wheremany women wear a burka. The clothes seemed to reduce the individual toeyes and ankles. She went on, At the same time I had wanted to develop mywork beyond paper, into a third dimension. I knew that my drawings alwayshave a vertical structure. I was interested in the round surface, as it concernsinfinity. So I came on the idea of the poles: vertical yet rounded. I wanted toreduce my first impressions, my perception of the women of Lamu, to a kind

    of short language, a society looking at you.

    She laughed, Of course its all an experiment. I am always discovering in my work.

    On a wall behind the desk was the prototype for Grammatik, a huge work of64 graceful, spinning, black carbon aircraft propellers, each blade inscribedwith opposing handwritten words of love: Ich liebe mich, Ich liebe mich nicht,Er liebt mich, Er liebt mich nicht.

    Voigt looked around her office and studio. Almost everything in our urbanenvironment is a construct. This chair, that desk began as someones idea. Ifyou can deconstruct the process, you can see the possibilities. You canimagine what might have been.

    In her yellow sneakers, with and without her cello, Jorinde Voigt seemed to beforever questioning, challenging pre-conceptions. I find it exciting to ask a

    viewer to imagine something in a different way, in ten different ways. Of course people can justenjoy my work visually but I liked to share my thinking, to help them to understand its logic sothey can if you like read the score.

    Rory MacLean

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    February 2010

    Related links

    Jorinde Voigt Homepage http://www.jorindevoigt.com/

    Goethe-Institut

  • 24.10.10 17:58Meet the Germans Typisch deutsch - Die Knstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut

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    Meet the Germans Typisch deutsch - Die Knstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut http://www.goethe.de/ins/gb/lp/prj/mtg/men/kun/voi/deindex.htm

    Jorinde Voigt im Interview mit Rory MacLeanJorinde Voigt ist ein aufsteigender Stern am deutschen Kunsthimmel. Gro undschmal, mit intensiven dunklen Augen und hohen Wangenknochen, empfngtsie mich in ihrem Atelier in der Nhe des Hackeschen Marktes von Berlin. Sieist ganz in Schwarz gekleidet, nur an den Fen trgt sie ein Paar verblffendgelbe Turnschuhe. Ebenso bietet ihr Atelier nur hier und da einen Farbtupfer:lila Lilien auf dem Schreibtisch, ein ostdeutsches KINO-Schild aus Plastik imInnenhof. Auf dem Boden ist eine riesige, in Arbeit befindliche Zeichnung inschwarzer Tinte ausgebreitet, fr eine der etwa ein Dutzend Einzel- undGruppenausstellungen, die dieses Jahr vorgesehen sind.

    Meine Arbeit ist wie Musik, sagt sie mit einem Kopfnicken in Richtung derZeichnung. Man kann sie genieen, auch wenn man die Partitur nicht lesen

    kann.

    Voigt ist am besten fr ihre anmutigenSpiralbgen und schlaufenfrmigenParallellinien bekannt, die gedehnt undmiteinander verwoben sind oder auf demPapier explodieren, als seien sie in einerseltsamen zeitlichen Kettenreaktiongefangen. Ihre akribischen Zeichnungensind schematisch und gehren doch dernatrlichen Welt an; sie erinnern anKarten von Meeresstrmungen oderWassertrpfchen, die in Zeitlupe in einBecken fallen. Sie sind teils Zeitlinie,

    teils elektronischer Schaltplan, teils ein exotisches System musikalischer Notation, das subjektiveErfahrungen aufzeichnet. Ihre Arbeit scheint sowohl vertraut als auch vllig neu zu sein,kontrolliert und doch wild und berdreht.

    Ich starre ihre Zeichnungen an, als wre ich ein Code-Knacker und wrde versuchen, den Sinnihrer Linien zu entschlsseln, um ihre Gedankengnge nachzuvollziehen. Zu diesem Zweck frageich nach dem Entstehungsprozess, nach der Reise, die sie dazu gebracht hat, soauergewhnliche, dynamische Zeichnungen zu schaffen.

    Meine Familie war uerst streng, erzhlt mir Voigt. Sie wurde 1977 in Frankfurt geboren. Ichbin mit einem bertriebenen Respekt vor Autoritt gro geworden. Anfangs hat mich daseingeschrnkt. Ich musste kmpfen, um meinen eigenen Weg finden, kmpfen nicht gegen dasAlte, sondern fr das Neue.

    Im Alter von neun Jahren begann sie Cello zu spielen, lernte Noten lesen und entwickelte sich zueiner begabten jungen Musikerin. 1996 ging sie zum Studium der Literatur und Philosophie an dieGttinger Georg-August-Universitt. Zum besseren Verstndnis der Themen zeichnete sie sichDiagramme, um Worte in Gedankenbilder zu verwandeln.

    Ich hatte das Gefhl, das Studium der Philosophie war durch Stze eingeschrnkt. Ich wusste,wie Noten funktionieren, wie sie zu lesen waren. Es war fr mich nicht schwer, eine Musiknote freine Idee, Situation oder Handlung einzusetzen. Diese Vorgehensweise half mir, Descartes undWittgenstein zu verstehen.

  • 24.10.10 17:58Meet the Germans Typisch deutsch - Die Knstlerischen - Jorinde Voigt - Goethe-Institut

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    Nach einem Jahr beschloss sie, an die Freie Universitt von Berlin zu wechseln. Als sie dortankam, streikten die Studenten gerade. Da deren Streitpunkte nicht die ihren waren und siearbeiten wollte, stellte Voigt eine Mappe ihrer philosophischen Gedankenbilder zusammen undbewarb sich an der Berliner Universitt der Knste. Man bot ihr sofort einen Studienplatz an. Abernachdem sie sich in der Fakultt Multimedia der UdK eingeschrieben hatte, stellte sie sich wiedergegen alte Formeln.

    Die Fotografie soll objektiv sein, ist es aber nicht. Sie sagt angeblich die Wahrheit, tut es abernicht, sagt sie. Ich musste mich von der beschrnkten Perspektive der Kamera lsen. Damalswar die Fotografie auerdem richtig teuer. Ich gab mein ganzes Geld fr Abzge aus. Also fragteich mich, was brauche ich? Die Antwort war, nur einen Stift und Papier. Ich fing wieder bei Nullan und versuchte, meine Subjekte ganz neu zu sehen, wie zum allerersten Mal.

    In Berlin und auf Reisen nach Florida und Indonesien begannihre Arbeit, ihren unverkennbaren Stil zu entwickeln. IhreSubjekte, z.B. zwei Mnner an einem Caftisch, die Farbender Kleidung auf der Strae, zufllig gehrte Popsongs undbeliebige Texte, reduzierten sich auf Schwarz-Wei-Notationen wie auf einer Partitur. In ihrer przisen,sorgfltigen Handschrift traten diese Notationen dannallmhlich auf dem Papier miteinander in Beziehung undermglichten Voigt, ihre Subjekte aus verschiedenenGesichtspunkten und im Zeitverlauf darzustellen.

    Das Zeichnen erlaubt mir, Karten fr viele Konstellationenmit vielen Mglichkeiten zu entwickeln, erzhlt sie mir. Ich befasse mich ganz stark mit dem,was subjektiv und was objektiv ist. Ich schaffe ein Zeitkonstrukt, das jenseits unsererErlebensmglichkeiten liegt. Als ich sie um eine Erklrung bitte, sagt sie lchelnd: Wir sindlebendig. Wir sind nicht der gleiche Mensch wie gestern. Deswegen bin ich an multiplerPerspektive interessiert.

    Ihre Antwort erklrt teilweise, warum ihre Ausstellungen Titel wie EPM (emotions per minute),Rotating Remains und Collective Time haben.

    Voigt fgt hinzu: Man braucht Jahre, um eigene Strukturen zu entwickeln. Aber ich habe durchdas Cellospielen Selbstdisziplin gelernt. Die ersten fnf Jahre muss man einfach nur ben, ben,ben.

    In ihrem Studio steht eine faszinierende rumliche Arbeit. Institution bestehtaus sieben schwarzen Pfosten, jeder mit zwei schmalen weien Streifen mitAufschriften wie brown eyes oder pink silk-nylon-gold.

    Ich reise viel, sagt sie. Wenn ich in einem neuen Land ankomme, versucheich immer, die Beziehung zwischen Mnnern und Frauen herauszufinden.Letztes Jahr war ich in Lamu, wo viele Frauen eine Burka tragen. Die Kleidungschien die Person auf die Augen und Fuknchel zu reduzieren. Sie fhrt fort:Gleichzeitig wollte ich meine Arbeit ber das Papier hinaus in eine dritteDimension entwickeln. Ich wusste, dass meine Zeichnungen immer einesenkrechte Struktur haben. Mich interessierten runde Flchen, da diese etwasmit der Unendlichkeit zu tun haben. So kam mir die Idee der Pfosten:

    senkrecht, aber rund. Ich wollte meine ersten Eindrcke, meine Sicht der Frauen von Lamu, aufeine Art Kurzsprache reduzieren, auf eine Gesellschaft, die dich ansieht.

    Sie lacht: Natrlich ist das alles ein Experiment. Bei meiner Arbeit bin ich immer am Entdecken.

    An der Wand hinter ihrem Schreibtisch steht der Prototyp fr Grammatik, eineriesige Arbeit von 64 anmutigen, rotierenden Flugzeugpropellern ausschwarzem Karbon, deren Bltter alle mit gegenstzlichen, handgeschriebenenLiebesworten beschrieben sind: Ich liebe mich, Ich liebe mich nicht, Er liebt

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    mich, Er liebt mich nicht.

    Voigt schaut sich in ihrem Bro und Atelier um. In unserer urbanenUmgebung ist beinahe alles ein Konstrukt. Dieser Stuhl, dieser Schreibtischbegannen als Idee von irgendjemand. Wenn man den Prozess dekonstruierenkann, sieht man die Mglichkeiten. Man kann sich vorstellen, was htte seinknnen.

    In ihren gelben Turnschuhen, mit oder ohne Cello, scheint Jorinde Voigt vorgefasste Meinungenstndig zu hinterfragen, in Zweifel zu ziehen. Ich finde es aufregend, den Betrachteraufzufordern, etwas auf eine andere Weise zu sehen, auf zehn verschiedene Weisen zu sehen.Natrlich knnen die Leute meine Arbeit rein visuell genieen, aber ich teile gern meineDenkweise mit und helfe ihnen, die Logik dahinter zu verstehen, damit sie wenn man so will die Partitur lesen knnen.

    Rory MacLeanFebruar 2010

    bersetzt von Susanne Mattern

    Links zum Thema

    Jorinde Voigt Homepage http://www.jorindevoigt.com/

    Goethe-Institut

  • Jorinde Voigt STAAT / Random I - XI

    1 mei 22 augustus 2010 Docum

    entatie

    Gemeentemuseum Den Haag

    Gemeente Museum

    Den Haag