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Aus der K6niglichen Universit/itsklinik fiir OMen-, Nasen- und Kehl- kopfkrankheiten in Halle a. S. (Direktor Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Denker.) Uber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebielen. Von Alfred Denker*). (Mit 15 Abbildungen.) W/ihrend des gegenw/irtigen Krieges hat die Universit/its-Ohren- und Kehlkopfklinik in Halle in gleicher Weise wie die iibrigen hiesigen Universit~itskliniken einen groBen Teil ihrer R/iume fiir die Einrichtung eines Reservelazaretts zur Verfiigung gestellt. In der Klinik selbst war es m6glich, unter Zuhilfenahme des H6r- saales etwa 4o Betten unterzubringen. Ferner iibernahmen wit einen Fliigel der chirurgischen Klinik mit 55 Betten, und endlich wurden in dem physiologischen Institut noch 22 Verwundete untergebracht, deren Behandlung dutch die nicht im Felde befindlichen Arzte der Ohren- und Kehlkopfklinik iibernommen wurde. Wir hatten demnach bei vollst~indiger Besetzung im ganzen in unserem Reservelazarett 117 Verwundete zu versorgen. Von diesen Verwundeten wies eine ganze Anzahl Verletzungen auf, die auch speziell yon seiten der Oto-Laryngologen Interesse bean- spruchen. Zum Teil wurden diese Verwundeten mir als beratendem Facharzt des iV. Armeekorps fiir Oto-Laryngologie zugewiesen, l~ber einige dieser F~ille sei mir gestattet, an dieser Stelle zu berichten. Fall I. In diesem ersten Falle handelt es sich um einen englischen Offizier R. Th., der am 27. August bei Etreux durch Gewehrschug in den Kopf verletzt wurde. Er wurde an dem genannten Orte in ein Reserve- lazarett aufgenommen, wo der Luft~6hrenschnitt ausgefiihrt wurde. Dann wurde er in das Reservelazarett in T. verlegt, wo folgender Befund erhoben wurde. Der Patient ist absolut stimmlos, tr/igt Trachealkaniile, die sehr bald mit blutig-ser6sem Sekret verlegt wird. Bei der Kehlkopf- *) Nach einem Vortrage im ~irztlichen Verein zu Halle a. S. Archly f. Ohren-~ Nasen- u. Kehlkopfheflkunde. ~dd. 9 8, I

Über Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten

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Aus der K6niglichen Universit/itsklinik fiir OMen-, Nasen- und Kehl- kopfkrankheiten in Halle a. S.

(Direktor Geh. Medizinalrat Prof. Dr. D e n k e r . )

Uber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebielen.

Von Alfred Denker*).

(Mit 15 Abbildungen.)

W/ihrend des gegenw/irtigen Krieges hat die Universit/its-Ohren- und Kehlkopfklinik in Halle in gleicher Weise wie die iibrigen hiesigen Universit~itskliniken einen groBen Teil ihrer R/iume fiir die Einrichtung eines Reservelazaretts zur Verfiigung gestellt.

In der Klinik selbst war es m6glich, unter Zuhilfenahme des H6r- saales etwa 4o Betten unterzubringen. Ferner iibernahmen wit einen Fliigel der chirurgischen Klinik mit 55 Betten, und endlich wurden in dem physiologischen Inst i tut noch 22 Verwundete untergebracht, deren Behandlung dutch die nicht im Felde befindlichen Arzte der Ohren- und Kehlkopfklinik iibernommen wurde. Wir hat ten demnach bei vollst~indiger Besetzung im ganzen in unserem Reservelazarett 117 Verwundete zu versorgen.

Von diesen Verwundeten wies eine ganze Anzahl Verletzungen auf, die auch speziell yon seiten der Oto-Laryngologen Interesse bean- spruchen. Zum Teil wurden diese Verwundeten mir als beratendem Facharzt des iV. Armeekorps fiir Oto-Laryngologie zugewiesen, l~ber einige dieser F~ille sei mir gestattet , an dieser Stelle zu berichten.

F a l l I.

In diesem ersten Falle handelt es sich um einen englischen Offizier R. Th., der am 27. August bei Etreux durch Gewehrschug in den Kopf verletzt wurde. Er wurde an dem genannten Orte in ein Reserve- lazarett aufgenommen, wo der Luft~6hrenschnitt ausgefiihrt wurde.

Dann wurde er in das Reservelazarett in T. verlegt, wo folgender Befund erhoben wurde.

Der Patient ist a b s o l u t s t i m m l o s , tr/igt Trachealkaniile, die sehr bald mit blutig-ser6sem Sekret verlegt wird. Bei der Kehlkopf-

*) Nach einem Vortrage im ~irztlichen Verein zu Halle a. S. Archly f. Ohren-~ Nasen- u. Kehlkopfheflkunde. ~dd. 9 8, I

2 A L F R E D D E N K E R ,

spiegelung werden die Stimmb~inder, da nicht phoniert werden kann. nicht sichtbar. Sondierung mit weieher Gummisonde yore Luftr6hren- schnit t aus nach oben nicht m6glich. Wundr~inder wenig gereizt. Atmung dutch gereinigte Kaniile frei und ungehindert. R e s p i r a t i o n d u t c h den M u n d n i c h t m 6 g l i c h . Allgemeinbefinden gut. Die Behandlung in T. bestand im Erneuern und Reinigen der Kaniile. Es wurde ferner der Versuch gemacht, die Kaniile durch Kork mit Kerbe teilweise zu schliel3en.

Der Patient wurde zwecks spezialistischer Behandlung naeh Halle verlegt und uns am 22. Oktober iiberwiesen.

Am 23. Oktober wurde in unserer Klinik folgender Befund auf- genommen :

AuBer der Verletzung am Hals hat der Verwundete am 27. August noch einen Schul3 am Arm bekommen. Am K e h l k o p f b e f i n d e t s i ch in de r H 6 h e des R i n g k n o r p e l s in de r M e d i a n l i n i e u n d I e r n e r 3 cm w e l t e r n a e h l i n k s je e ine p f e n n i g s t i i c k g r o l 3 e r e a k t i o n s l o s e N a r b e . U n t e r h a l b des R i n g k n o r p e l s 0 I f n u n g in der T r a c h e a , die m i t e i n e r T r a e h e a l k a n i i l e o h n e i n n e r e n E i n s a t z a r m i e r t i s t .

Bei der K e h l k o p f u n t e r s u c h u n g erkennt man eine starke R6tung der Epiglottis, deren Rand nach hinten iibergelagert ist. Die Stimmb~inder sind schwer zu erkennen; das rechte erscheint stiirker geschwollen und ger6tet.

Der Patient erh~ilt zun/ichst Inhalationen mit Emser Salz. Im Verlaufe des ersten Tages klagt Patient pl6tzlich fiber Atembeschwer- den. Die alte Kaniile wird herausgenommen und eine neue mit Einsatz- rohr eingelegt.

Am 24. Oktober wurde unter Lokalan~isthesie des Rachens und des Kehlkopfes sowie der Trachealfistel der Versuch gemacht, eine d i r e k t e B e s i c h t i g u n g unter Einfiihrung eines Tracheoskopierohrs auszufiihren. Es tr i t t dabei eine starke Cyanose und Atemnot auf, die die sofortige Einfiihrung der Kaniile wieder erforderlich machte.

In der niichsten Zeit ha t sich der 13efund am Kehlkopf wenig ver- ~ndert. Die Respiration durch den Kehlkopf l~tgt sich bei gefensterter Kaniile nur unter gr6Bter Anstrengung und starken Stenoseger~uschen fiir einen Atemzug ausfiihren.

Die R 6 n t g e n p h o t o g r a p h i e des Kehlkopfes, die mit einer weichen R6hre (in Fechterstellung) bei einer Expositionsdauer yon 8 Sekunden aufgenommen wurde, ergab deutliche Veriinderungen an den unteren Teilen des Kehlkopfes. Wenn man das gewonnene Bild vergleicht mit der Photographie eines normalen Kehlkopfes (vgl. Abb. I und 2), so l~iBt sich erkennen, dab sich in der unteren Partie des Kehlkopfes, und zwar in der Gegend des Ringknorpelbogens eine Vet-

13bet 1,2riegsverletzungen am Ohr, den oberen L u f t w e g e n u n d den Grenzgebie ten . ,3

~inderung befindet, die dar- auf hindeutet, dab die Cartilago cricoidea an dieser Stelle dutch den SchuB zertriimmert wor- den ist. W~ihrend an dem normalen Kehlkopf deut- lich der Ringknorpelbogen sich abgrenzen l~iBt und durch die heller erschei- nende Partie des Liga- mentum conicum dentlich yon dem unteren Rande des Sehildknorpels diffe- renziert, fehlt diese Pattie an dem verletzten Kehl- kopf. Die Ringknorpel- p l a t t e scheint erhalten zu

Abb. I.

sein und grenzt sich nach vorn zu durch eine unregeln~Bige Linie ab. Bei dem Versuch, vonder Trachealfistel aus nach oben in den Kehl-

kopf hereinzugelangen, lieB sich nut eine feint gekn6pfte Sonde durch.- fiihren.

Auf Orund dieser Feststellung und im Zusammenhalt mit dem R6ntgenbefunde liel3 sich annehmen, dab es im Anschlul3 an die Ver-

letzung zu einer hochgradi- gen Stenose des subglotti- schen Raumes, respektive des oberen Teiles der Trachea ge- kommen war. Da es ausge- schlossen scheint, durch Dila- tation vom Munde her den Kehlkopf wieder wegsam zu machen, wurde beschlossen, eine Spaltung des Kehlkopfs vorzunehmen, das voraus- sichtlich vorhandene Narben- gewebe zu exzidierenund dann die Offenhaltung des Kehl- kopfrohres vermittelst der Thos t schen oder B r i i g g e - m a n n s c h e n Bolzenkaniilen anzustreben. Bevor wir an

Abb. 2. diesen Eingriff herantraten, I*

4 ALFRED DENKER,

wurden die wulstartigen Verdickungen, die sich in und unterhalb der Trachealkaniile an den Seitenw~inden der Luftr6hre gebildet batten, in Cocain-Adrenalin-Aniisthesie mit dem Conchotom ausger~iumt.

Am 2o. N o v e m b e r wurde alsdann in Scopolamin-Pantopon- narkose und lokaler Infiltrationsan/isthesie und unter Cocainisierung des Kehlkopfes der in Aussicht genommene Eingriff ausgefiihrt. Der Schnitt dutch Haut- und Weichteile, in der Medianlinie oberhalb des oberen Schildknorpelrandes beginnend und bis auf den Knorpel durch- dringend, wurde bis zur Tracheal6ffnung heruntergefiihrt. Durch einen Einstich unterhalb der Mitre des unteren Schildknorpelrandes wurde alsdann der subglottische Raum er6ffnet, wobei die Arteria cricothyre- oidea durchschnitten und unterbunden wurde. u dem subglottischen Raume aus gelang es, yon obenher eine Sonde naeh der Trachea durch- zufiihren. Es iolgt nun die Durchtrennung der nach auBen zu yon der Sonde liegenden Weichteile mit dem Messer. Das durchtrennte Ge- webe bestand aus straffem Binde- und Narbengewebe, in das einzelne Knorpelstfickchen eingestreut waren. Um die beiden Wundr~nder besser auseinanderziehen zu k6nnen, wird nun noch der Schildknorpel in der Medianlinie yon unten her etwa I cm weit nach oben, also etwa bis zur vorderen Commissur der Stimmb~nder mit der Schere gespalten. Das Gewebe wird mit dem Conchotom, mit Nesser nnd Schere soweit exzidiert, dab ein Lumen yon etwa I cm im Durchmesser entsteht. Dutch Sondierung nach oben wurde festgestellt, dab der Weg nach dem Larynx frei ist. Darauf wurde ein kleinfingerdicker, zylindrischer, fest zusammengepreBter Jodoformgazetampon eingelegt, dessen oberer Teil bis an die Glottis herangefiihrt wird. Alsdann erfolgt die Vereinigung der ganzen ~iuBeren Schnittwunde dutch die Naht und Einlegung einer Trachealkaniile.

Der Eingriff wurde yon dem Patienten ohne besondere Sehmerzen ertragen.

In den Tagen nach dem Eingriff klagte der Patient fiber m~Bige Schmerzen und hustete etwas blutig gef~rbtes schleimiges Sekret in ziemlicher Menge aus.

24. N o v e m b e r . Es wurden die F~den herausgezogen, wobei sich zeigte, dab aus einem Nahtkanal eitriges Sekret entleert wurde. Naeh der Herausnahme des Jodoformgazetampons wurde der T h o s t s c h e Bolzen Nr. 5 und die entspreehende Kaniile eingelegt. Patient ist fieberfrei und ~ul3ert nut Klagen fiber m~iBige Druckschmerzen.

26. N o v e m b e r . Herausnahme des Tampons und der Kaniile und Einlegung des Bolzens und der Kaniile Nr. 7. Aus dem Nahtkanal ent- leert sich heute kein Sekret mehr.

I. D e z e m b e r . Einlegung der Kaniile und des Bolzens Nr. 8 gelingt ohne groBe'/Schwierigkeit. Die Operationswunde i s t g~tnzlich verheilt.

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in den n~ichsten Tagen klagt Patient nur tiber geringgradiges Druck- gefiihl in der Kehlkopfgegend.

9. D e z e m b e r . Einlegung yon Kantile und Bolzen Nr. 9- Patient ffihlt sich im ganzen durchaus wohl und hat keine besonderen Beschwer- den am Hale.

Was die P ro g n o s e dieser Verletzung anbetrifft, so l~gt sich wohl bet gentigend langdauernder Fortftihrung des Dilatationsverfahrens mit Bestimmtheit annehmen, dab es gelingen wird, die Respiration durch den Kehlkopf wieder herzustellen.

Ganz anders verh~ilt sich dagegen die Prognose beztiglich der Wie- derherstellung der Stimmfnnktion. Bet der Art der Verletzung ist an- zunehmen, dab beiderseits sowohl der M. crico-arytaen.qateralis als auch der M. crico-thyreoideus schwer verletzt worden sind und ihre Funktion eingebtil3t haben. Es ist ferner keineswegs ausgeschlossen, dab auch der Nervus recurrens, wenn anch nicht verletzt, so doch viel- leicht gequetscht oder gezerrt worden ist. Ob sich unter diesen Ver- hiiltnissen die laute Sprache wird wieder herstellen lassen, ist demnach sehr zweifelhaft, jedoch erscheint es nach den ]3eobachtungen, die wir bet votlst~indiger gxst irpat ion der Stimmb~inder und Fortnahme yon Teilen des Kehlkopfes machen, keineswegs ausgeschlossen, dab der Patient spgter wieder, wenn auch nicht fiber eine normale, so doch viel- leicht gut vernehmbare Stimme verftigen wird.

F a l l 2.

Der Verwundete P. S., 25 Jahre alt , russischer Reservist, wurde uns yon dem Reservelazarett in W. mit folgenden Angaben tiberwiesen :

,,Die Verwundung am Halse ist anscheinend durch ein Spreng- stfick einer Schrapnellhiilse zustande gekommen. Das Sprengsttick hat die vordere H~ilfte des linken Kopfnickermuskels in der H6he des Kieferwinkels durchschlagen und sitzt jetzt reehts neben der Luftr6hre, nachdem es dieselbe anscheinend durchschlagen und wahrscheinlich noch in dieselbe hineinragt. Die EinschuBstelle pulsiert. Zeichnungen nach R6ntgenaufnahme yon vorn und Aufnahme yon der linken Seite, w~hrend welcher eine Magensonde in die Speiser6hre eingeftihrt war, liegen bet."

Der in unserem Lazare• aufgenommene Befund war folgender: Auf der linken Halsseite, etwa einfingerbreit yon der Medianlinie ent- fernt, befindet sich in der H6he des Ringknorpels eine etwa pflaulnen- groBe fluktuierende Oeschwulst; rechts neben der Medianlinie eine marksttickgrol3e ei terndeWunde. Da die Oeschwulst an der linken Hals- seite Fluktuation aufwies, wurde sofort eine Inzision gemacht, bet der sich reichlich dicker Eiter, mit Blur gemischt, entleerte. Es zeigte sich nun, dab der er6ffnete AbszeB mit der Wunde an der r e c h t e n Hals-

6 ALFRED DENKER,

seite durch einen kleinen Kanal in Verbindung steht. Beim Sondieren des Kanals gleitet die Sonde fiber einen rauhen Oegenstand, der ver- mutlich das Gesehol3 ist.

R 6 n t g e n b e f u n d : Auf dem R6ntgenbild, das in der Richtung yon links vorn nach reehts hinten nach Einfiihrung einer Magensonde aufgenommen war, sieht man das Oesehol3 vor dem 0sophagus, schein-

bar der unteren H~ilfte des Kehl- kopfes und dem oberen Tell der Tra- chea anliegend (vgl. Abb. 3)-

Der Patient war g~inzlich aphonisch und hatte leichtes Stenoseatmen. Bei der laryngoskopi- schenUntersuchung ergab sich, dab nicht aut der rechten Kehlkopfseite, son- dern auf der linken Ver~nderungen vor- handen waren. Das rechte Stimmband funktionierte ganz normal,w~threndder linke Aryknorpel vollkommen still- s tand und das Stimmband nieht

Abb. 3- siehtbar war, weil eine diffuse Schwel-

lung und R6tung des Tasehenbandes den Einblick verhinderte. Da das OeschoB yon der linken Seite den Hals getroffen hatte, geht man wohl nieht fehl mit der Annahme, dab zun~chst auf dieser Seite eine Verletzung des Kehlkopfes, respektive auch des Nervus recurrens stattgefunden hat.

4. D e ze m b e r. Operation zur Entfernung des OesehoBstiiekes in -4ther- Sauerstoffnarkose �9

Durch die Fistel auf der rechten Halsseite wird eine etwa 8 cm lange Inzision entlang dem inneren ~,~nd~ ~ r . . . . . 1~1~-rl . . . . . -~ ..... U C ; ~ ~ L~ ,111 U l ~ l ~ l U U IJ:II2L~ L O I U l G LI~

gemacht. Nach Beseitigung der unter dem Schnitt zutage tretenden

13ber JC2riegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten, 7

Oranulationen st6Bt man bald auf das OeschoBsttiek. Da das obere Ende dieses Sprengstiickes bis in die Oegend des unteren Schildknorpel- randes reicht, wird der Schnitt noch um I - -2 cm nach oben und median- w~irts weiterge~iihrt. Nun gelingt es, das GeschoBstiick in seiner ganzen L~inge freizulegen, und aus dem unteren Ende der Schnittwunde zu extrahieren. Das OeschoBstiick, das dem Mantel einer Granate ent- stammen dtirfte, hat eine L/inge yon 5 �89 cm, eine Breite yon 1 �89 cm und eine Dicke yon 3 mm. Wtihrend der eine Rand glatt erscheint, ist der andere ausgezackt (vgl. Abb. 3). Besonders gef~ihrlich fiir den Pa- tienten war das obere in eine scharfe Spitze auslaufende Ende, das in den Kehlkopf hineinragte. Nach Extraktion des OesehoBsttickes zeigt sich, dab eine Kommunikation der Wundh6hle mit dem subglottischen Raume in der seitlichen Partie des Ligamentum conicum vorliegt. Sofort nach Entfernung des Geschosses erfolgt die Atmung durch diese Offnung. Nach sorgf~iltiger Blutstillung wird die Wunde prim~ir ver- n/iht. Auch die vor einigen Tagen gemachte Inzisions6ffnung des auf der linken Seite aufgetretenen Abszesses wird bis auf den unteren ~lundwinkel vern~iht. Okklusivverband mit Jodoformgaze.

7. D e z e m b e r . Verbandwechsel und Entfernung der N~ihte. Zwei Stellen weisen Nahteiterung auf. Im iibrigen hat abet die Naht gut gehalten. Es besteht keine Kommunikation yon augen nach dem Kehl- kopf zu, und es ist auch kein Hautemphysem aufgetreten. In den n~ich- sten Tagen glatter Heilungsverlauf der ~tuBeren Wunde.

Die Heiserkeit besteht noch weiter; ob sie sich vollst~ndig wieder heben lassen wird, erscheint zweifelhaft, denn man mul3 bei der Iest- gestellten Verletzung am Kehlkopf damit rechnen, dab der Recurrens der linken Seite verletzt worden ist.

F a l l 3.

In den n~tchsten drei F~illen handelt es sich um Verletzungen, welche in der Hauptsaehe die Nase und ihre Nebenh6hlen betreffen, zum Teil aber auch das Geh6rorgan in Mitleidenschaft gezogen haben. In dem ersten Falle gab uns der verwundete Fahnenjunker E. W. (Soissons) an, dab er dutch tin InfanteriegesehoB im Gesicht verwundet worden sei. Er klagt bei seiner Ankunft in Halle tiber Kopfschmerzen, Ohrensausen links, Schwerh6rigkeit auf der linken Seite und Flimmern vor den Augen. Er wurde hier in das Vereinslazarett I I I aufgenommen, und dort wurde am 8. Oktober folgender Befund konstatiert :

,,DIG rechte Gesichtsh~ilfte ist geschwollen und weist eine mit Gra- nulationen bedeckte EinschuB6ffnung auI. Der Ausschul3 ist durch den linken Geh6rgang erfolgt. Hier ist an der Helix eine yon der Ver- letzung herriihrende Narbe sichtbar. Aus dem linken Ohr entleert sich triibes Sekret. Der Molaris rechts oben ist zu Verlust gegangen. Die

S A L F R E D D E N K E R ,

~uBere Wand der Kieferh6hle ist druckempfindlich. Es besteht eine freie Kommunikation mit der Kieferh6hle, aus der sich reichlich nicht f6tider Eiter entleert. Bei der rhinoskopischen Untersuchung sieht man auf der linken Seite im mittleren und unteren Nasengang Eiter."

R 6 n t g e n b e f u n d : ,,Im R6ntgenbild befindet sich fiber der rech- ten Kieferh6hle eine Verschleierung, und man kann im Profilbild zwei kleine Schatten im SchuBkanal erkennen." Der Patient wurd balde darauf zur genaueren Untersuchung und Behandlung der Universit~its-

Abb. 4.

Ohren- und Kehlkopfklinik iiberwiesen mit der Diagnose: Rechts- seitiges Kieferh6hlenempyem, linksseitigc Otitis media (vgl. Abb. 4 und 4a).

In unserer Klinik wurde beziiglich des Ohres auf der l i n k e n Seite eine erhebliche Striktur und schleimig-eitriges Sekret im Gch6rgang festgestellt. Das Trommelfell war nicht sichtbar, der Warzenfortsatz etwas infiltriert und druekempfindlich.

Die Iunktionelle Prtifung des Ohres ergab folgendes: R e c h t s H6rweitc fiir Fliistersprache 6m, l i n k s wurde bei Anwendung der B a r a n y s c h e n L~irmtrommel auf der rechten SeRe Fliistersprache nicht perzipiert und nm- lautes Rufen in der N~ihe des Ohres vernommen.

Uber /(r iegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 9

Die Stimmgabel a 1 wird links per Luft nieht geh6rt.

A vom Scheitel ins linke Ohr, a 1 ,, ,, ,, rechte ,, .

Wegen der Flimmererscheinungen auf dem rechten Auge wurde der Patient in der Universit/its-Augenklinik (Prof. i g e r s h e i m e r ) u n t e r - sueht und dort folgender Befund aufgenommen:

,,Auf dem r e c h t e n Auge kleine subkonjunktivale H~imorrhagie.

Abb. 4 a.

Cornea, Linse, OlaskSrper, Netzhaut intakt. Optieus in seinen Orenzen unseharf (aber aueh links) und temporal ein wenig blasser als links. Das Oesichtsfeld ergibt kleines absolutes Skotom direkt fiber dem Fixierpunkt, daran anschlieBend nach oben relatives Skotom. Dabei normaler Visus.

L i n k e s A u g e normal, abgesehen yon der geringen Orenzver- schleierung der Papille, yon der es fraglich ist, ob sie als pathologJsch a~ffgefal3t werden darf. Es diirfte sich wohl um eine Affektion des rechten Opticus handeln."

I O A L F R E D D E N I K E R ,

Am 26. Oktober war der Befund am r e c h t e n Auge unverEndert. Wahrscheinlich diirtte die Opticusaffektion der rechten Seite be-

bedingt sein durch eine leichte Basisfraktur, die bei der schweren Ver- 1etzung mit aufgetreten ist.

In Rficksicht auf die Beschwerden in der rechten Kiefergegend und auf die stark sezernierende Fistel, durch die man bei der Sondie- rung d i rek t in die Kieferh6hle hineingelangte, wurde beschlossen, die Radikaloperation der rechten Kieferh6hle auszufiihren. Sie wurde am 27. Oktober in der yon mir empfohlenen Weise vorgenommen und ergab folgenden Befund:

O p e r a t i o n in S c o p o l a m i n - P a n t o p o n - D ~ m m e r s c h l a f . Schnitt wie iiblich in der Ubergangsfalte mit Umschneidung der Fistel am hinteren Ende. Abschieben des Periostes, Er6ffnung der Kiefer- h6hle, deren Sehleimhaut stark verdickt und hyperEmisch erscheint. In der Kieferh6hle selbst befindet sich schleimig-eitriges, nicht f6tides Sekret, und am Boden zahlreiche kleinere und gr6Bere Knochensplitter. Abtragung der medialen Kieferh6hlenwand bis hinten bin. Bildung eines groBen Sehleimhautlappens. Resektion eines kleinen Stfickes des vorderen Endes der unteren Muschel. An der Hinterwand keine Besonderheiten, dagegen erscheint der Knochen am Boden der Orbita in ziemlich groBer Ausdehnung infrakturiert. Einzelne Splitter werden auch bier extrahiert. Prim~irer VerschluB der oralen Wunde dutch Knopfn/ihte.

Tamponade mit Vioformgaze. Eingriff verl~iuft ohne St6rung. Dauer der Operation dreiviertel Stunde.

Der Verlauf der Erkranknng nach dem Eingriff hielt sich in ganz normalen Orenzen. Die oraleWunde schloB sich bis auf einen ganz kleinen Kanal, dutch den der Patient eine Zeitlang imstande war, Luft hinein- zublasen. Die Sekretion versiegte vollstiindig, Die Fistel in der Wange sehloB sich sehr schnell nach dem Eingriff. Die vorher vorhandenen Beschwerden in der Kieferh6hlengegend verschwanden mit dem Eingriff.

Auch die Sekretion aus dem Geh6rgang lieg erheblich nach und sistierte allm~thlich fast vollkommen. Jedoch liel3 sich die infiltration nnd vor allem anch die Druekempfindlichkeit in der Fossa mastoidea immer wieder konstatieren; sie konnte dutch l~ingere Zeit fortgesetzte Eisapplikation nicht vollkommen zum Schwinden gebracht werden. In Riicksicht auf diesen Befund wurde am 24. N o v e m b e r de r W a r - z e n f o r t s a t z er6ffnet. Bei diesem Eingriffe t rat folgender Befund zutage :

Sehnittffihrung wig bei der Radikaloperation. Nach Zuriick- schiebnng der Weichteile schimmert in der nnteren H~ilfte des Warzen- fortsatzes dutch die Corticalis Blut hindnrch. Bei der Er6ffnung der Zellen zeigt sich nur ganz wenig Sekret und Blur. Im ganzen sieht der

1Jber Kriegsverietzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. I I

Knochen bl~iulich verf~irbt aus. Die Schleimhaut der Zellen ist blaB- bl~iulich, das Antrum vollkommen frei yon Sekret. Die Spina supra meatum ist m~iBig, die Crista temporalis gut ausgebildet. Nach Zuriick- schiebung der h~iutigen Geh6rgangswand mit dem Elevatorium zeigt sich, dab im Oeh6rgang ein gr6gerer Knochensplitter yon der Gestalt einer dreieckigen Pyramide liegt, deren L~inge etwas mehr wie I cm miBt. Es wird die dariiberliegende h~iutige Geh6rgangswand nach M6glichkeit abgehebelt und dann der Knochensplitter extrahiert. Die Geh6rgangswand reiBt dabei in einer Ausdehnung yon I cm ein. Von einer Radikaloperation wird in Rticksicht auf den Befund im Warzen- Iortsatz Abstand genommen, durch Tamponade die membran6se C-e- h6rgangswand an die kn6cherne antamponiert und die Wunde hinter dem Ohr primer mit Miche lschen Klammern geschlossen. Das im Geh6rgang liegende Knochenstiick s tammt vom Boden, resp. der vor- deren unteren Wand, also yore Tympanicum. Reinigung der Wund-- h6hle mit Kochsalzl6sung. Tamponade mit Jodoformgaze. Dauer des Eingriffes dreiviertel Stunde,

Das Befinden des Patienten nach dem Eingreifen war durchaus normal. Er hatte keine Temperaturerh6hung, und bei dem ersten Ver- bande, der am I. Dezember vorgenommen wurde, zeigte sich, dab die Wunde hinter dem Ohr bis auf einen kleinen Kanal am unteren Ende, durch den wir einen kleinen Jodoformgazetampon hereingeiiihrt hatten, per primam geschlossen ist. Die Klammern wurden entfernt. Bei Herausnahme des Tampons aus dem Geh6rgang zeigte sich, dab nun die h~iutige Geh6rgangswand sich dem Boden und der hinteren Wand gut angelegt hatte. Die Sekretion aus dem Geh6rgang war m~ifiig. Das linke Trommelfell weist, soweit es iibersehbar ist, keine Ver~inderungen auf.

Es unterliegt keinem Zweifel, dab nach kurzer Zeit auch die Geh6r- gangswunde vernarbt und die noch bestehende Sekretion versiegt sein wird.

Wenn wir uns die Verlaufsriehtung des Geschol3kanals vor Augen halten, so mug man geradezu erstaunt sein, wie der Patient mit dem Leben davongekommen ist. Das GeschoB hat die Wange und die faziale Wand der Kieferh6hle durchschlagen, ist dann dureh die hintere Gegend der Nase gedrungen, an der Schiidelbasis entlang der Tuben- gegend bis zur Paukenh6hle und zum Boden des Geh6rganges durch- gegangen Und ist endlich dutch den Meatus hindurch wieder heraus- getreten. Aui diesem Wege ~vurde am oberen Alveolarrand der dritte Molaris zertr/immert, in der Kieferh6hle eine eitrige Sinuitis verursacht die Nasenscheidewand in ihrem hinteren Teile durchschlagen und dann in der Gegend der Tube eine Verletzung hervorgerufen, die zu einer Atresie der Ohrtrompete fiihrte. Die Atresie lieB sich durch den Kathe-

I 2 A L F R E D D E N K E R ,

terismus nachweisen, es ging beim Katheterisieren keine Luft in das Mittelohr, resp. dureh den Geh6rgang heraus. Es ist fast als ein Wunder zu bezeichnen, dab bei der Verlaufsrichtung des Gesehosses nicht die Carotis im Canalis caroticus oder der Bulbus der Vena jugularis verletzt worden ist. Wenn auch die H6rf/ihigkeit, wahrseheinlich durch eine Commotio labyrinthi, dauernd zu Verlust gegangen ist, so kann der Patient doch yon groBem GEick sagen, dab nicht eins der groBen Blut- gef/il3e in der N/ihe des Ohres mit zerrissen ist, wodurch ja zweifellos der sofortige exitus letalis herbeigeftihrt worden wSre.

F a l l 4.

Der lVfusketier A. K. erhielt am 23. August (Qu.) einen Schrapnell- schul3 durch die Nase und die rechte Backengegend. Er wurde 3 Stunden nach der Verwundung verbunden und blieb zun/ichst im Etappen- lazarett, wo er sich etwa 8 Tage aufhielt, und wurde damn in Halle zun/ichst in das Vereinslazarett I aufgenommen. Der Befund, der bier festgestellt wurde (Dr. Nik las ) , war folgender :

,,Uber der Nasenmitte, ungef/ihr querfingerbreit unterhalb der Nasenwurzel, befindet sich eine kleine, strahlige Narbe, die mit der Unterlage lest verwaehsen ist. Entsprechend der rechten Nasolabial- falte sieht man eine ca. 2 cm lange line/ire Operationsnarbe, in deren Gebiet die IIaut noch etwas infiltriert ist. Schon geringer Druck auf den inneren Rand der Orbita rechts ist stark empfindlich und zwar an einer eng umsehriebenen Stelle, die ungef/ihr dem Ansatz des Tr/inen- beins an dem Orbitafortsatz des Oberkiefers entspricht. Ebenso ist der proximale Teil des Alveolarfortsatzes des Oberkiefers stark druck- empfindlich, Die rechte Nasenseite ist fiir Luft schlecht durchg/ingig."

Der Patient wurde darauf zur Behandlung der rechten Kieferh6hle unserer Klinik iiberwiesen.

Dem obigen Befunde konnten wir in bezug auf das Naseninnere noch hinzufiigen, dab in der reehten Nasenseite ausgedehnte Ver- wachsungen zwischen der lateralen Nasenwand, resp. der unteren Musehel einerseits und dem Septum andererseits bestanden. Ein Ein- blick in die tieferen Abschnitte der Nase war durchaus unm6glich. Unterhalb der Warzenfortsatzspitze 1/iBt sich in dem Ansatz des Sterno- kleidomastoideus unter der Haut ein etwa haselnuBgroBer Fremd- k6rper palpieren.

Rechter Geh6rgang und Trommelfell unver/indert. Da der Patient fiber Flimmern im rechten Auge klagt, wurde die

Universit/its-Augenklinik um eine Untersuchung gebeten. Das Resultat war folgendes: ,,Beiderseits normale SehsehSrfe. Rechts im oberen, ~iuBeren Quadranten der Netzhaut eine verst/irkte Pigmentierung, die auf eine Verletzung der hinteren Ziliargef~iBe zuriickzufiihren ist ."

Ober Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den GrenzgebieLen. 13

Die R 6 n t g e n a u f n a h m e ergab folgendes: In der H6he der oberen Zahnreihe befindet sich auf der rechten Seite dicht unterhalb der Spitze des Warzenfortsatzes ein fiinfpfennigstiickgroger Schatten, der augen- scheinlich yon einem hier befindlichen GeschoBstiiek herriihrt. Von diesem Punkte aus liegen in einer Linie, die nach innen zu bis an die rechte seitliche Nasenwand fiihrt und den unteren Rand der rectlten Orbita gerade streift, zahlreiche kleinere GeschoBsplitter. Auch auf der Profilaufnahme sieht man yon der EinschuBOffnung am unteren

Abb. 5.

Rand derOrbi ta bis zum Geschol3schatten hin ebenfalls kleinere Spreng- stiickschatten, im VerlauI des Oeschofikanals (vgl. Abb. 5 und 6).

Da der Patient fiber erhebliche Schmerzhaftigkeit in der Oegend unterhalb des rechten unteren Orbitarandes und vor allem iiber starke Druckempfind!ichkeit in dieser Gegend klagte, wurde am 26. September die Kieferh6hle radikal er6ffnet und auBerdem das GeschoB in der rech- ten Halsseite extrahiert. Der ]3efund war folgender:

Bei der Zuriickschiebung der Weichteile der fazialen Wand der Kieferh6hle zeigt sich an dem oberen Teil des Proe. frontalis des Ober- kiefers ein etwa x cm im Durchmesser haltender Defekt, der in die Nase

I 4 A L F R E D D E N K E R ,

hineinfiihrt und an dem eine gr6Bere Reihe kleinerer Knochensplitter gelagert ist. Bei der Er6ffnung der Kieferh6hle erscheint der Knochen der fazialen Wand ungew6hnlich verdickt. Die Schleimhaut ist an der hinteren und an der oberen Wand stark geschwollen und 6demat6s durchtr~tnkt. An der fazialen Wand ist sie nicht erheblich ver~ndert. An dem unteren Teil der hinteren Wand finder sieh nach auBen zu eine Offnung, die in die Fossa infraorbitalis fiihrt. Alle Knochen- und Oe- schoBsplitter werden entfernt, die erkrankte Mukosa exkoehleiert.

Abb. 6.

Darauf wird der kn6eherne Teil der lateralen Wand des unteren Nasen- ganges reseziert, der in der iiblichen Weise gebildete Schleimhautlappen auf den Boden der Kieferh6hle plantiert und die orale Wunde dutch die Naht geschlossen.

Nun werden durch einen ca. 6---8 cm langen, etwa oberhalb der Spitze des Warzenfortsatzes beginnenden Schnitt in der Verlauts- richtung des Sternokleidomastoideus die Weichteile und die Fascie durchtrennt. Dutch die Muskulatur hindurch gelangt man auf die tie- fete Halsfascie, die ebenfalls seharf gespalten wird. Unter ihr kommt die etwa I cm im Durchmesser haltende, an einer Seite stark deformierte Schrapnellkugel z u m Vorschein und kann leicht extrahiert werdeI1. Die

13ber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 15

Kugel weist in Gestalt eines Einschnittes einen Defekt auf, der wohl bei dem Durchtri t t durch das Gesichtsskelett entstanden ist. Prim/ire Naht der Wunde.

Die Heilung der Halswunde erfolgte per primam; auch die orale Wunde heilte schnell.

Am I3. Oktober wurde alsdann eine Durchtremmng der Synechien in der rechten Nasenseite, mit Abtragung eines Teiles der unteren und mittleren Muschel, vorgenommen. Durch diesen letzten Eingriff wurde dem Patienten die Durchg/ingigkeit der rechten Nasenseite wieder voll- st/indig hergestellt. Eine R6ntgenaufnahme, die zur Kontrolle noch ausgefiihrt wurde, zeigte, dab im Bereich der Kieferh6hle die frikher vorhandenen Knoehen- und GesehoBsplitter zum gr~3gten Teil ver- schwunden und dab nur noch ganz kleine GeschoBsplitterschatten zu konstatieren sind. Die Beschwerden, die clef Pat ient vor dem Eingriffe zu klagen hatte, sind vollkommen verschwunden, so dab er am 23. November wieder zur mobilen Truppe entlassen werden konnte.

F a l l 5.

Der Kriegsfreiwillige F. L., I9 Jahre alt, wurde am 22. Oktober d. J. bei D. durch Schrapnellschul3 am Kopf verletzt und im Feld- lazarett verbunden. Er wurde am 27- Oktober nach Briissel transpor- tiert und kam am 9. November in Halle an, wo er in das Reservelazarett der Augenklinik eingeliefert wurde.

DiG in der Universi t / i ts-AugenMinik vorgenommene Unter- suchung ergab folgenden Befund:

,,Das rechte Auge fehlt. Das rechte Oberlid ist an seiner Grenze zwischen mittlerem Drittel gerissen; die laterale Partie h/ingt iiber die leere Orbita herab. Der RiB setzt sich oben parallel dem Lidrand etwas nach lateral fort. Wundfi/iche stark granulierend, die Orbita zum gr/SBten Teil narbig geschlossen und mit Schleimhautfetzen iiberkleidet, nur noch einzelne wenige granulierende Stellen in ihrer Tiefe zu sehen.

Linkes Auge ohne Besonderheiten. Visus 5/5 N z/I,O5 ph. 5/5 P. N. z. Wunde an der Spina scapulae sin. in Heilung, ebenso an der AuBen-

fl/iche des linken Oberarms eine kleine Erosion. Verbandwechsel. zz. N o v e m b e r . Verbandwechsel. Wundverlauf ohne St6rung.

Relativ wenig Sekretion. Wohlbefinden. z 3. N o v e m b e r. Verbandwechsel. Gutes Aussehen der Wunde und

Naht. Fieberfrei. A n f r i s c h u n g der Wunde und Naht. Entspannungs- schnitt wie bei der Tr/inensackoperation. Die Vereinigung der Wund- r/inder war nicht leicht, da in den nasalen Partien starke Spannung besteht. Verband.

x5. N o v e m b e r . Verbandwechsel. Ein Faden hat sich gel6st und zwar medial nach der Nase zu.

I6 ALFRED DENKER,

17. N o v e m b e r. T~iglicher Verbandwechsel. Gutes Aussehen. Hei- lungsverlauf ungest6rt.

i8. N o v e m b e r . Noch zwei F~iden haben sich gel6st. Die nasale Partie hat sieh gesenkt. Keine Sekretion mehr. T/iglich friseher Ver- band.

22. N o v e m b e r . R6ntgenplatte zeigt viele Splitter im Bereich des Oberkiefers. Visus links der gleiehe wie am IO. November.

26. N o v e m b e r . Patient wird zur Operation in die Ohren-und

Abb. 7.

Kehlkopfklinik verlegt. Nur noch der senkrechte Spalt am Oberlid wenig sezernierend, gut granulierend.

]3ei der Untersuchung in unserer Klinik konnte folgendes konsta- t iert werden :

Die Weichteile iiber der fazialen Wand der Kieferh6hle sind m~iBig geschwellt und stark druekempfindlieh. In der Nase erseheint bei der rhinoskopischen Untersuehung im mittleren Nasengang iibelriechender Eiter. Durch den Defekt am Alveolarfortsatz, in der Oegend des rechten oberen Weisheitszahnes, gelangt man in dig KieferhShle. Auch hier trit t durch die Fistel eitriges Sekret hervor.

Da im R 6 n t g e n b i l d e (vgl. Abb. 7 und 7c~) ein gr613eres OeschoB-

l~ber Kriegsver le tzungen am Ohr, den oberen Luf twegen und den Grenzgebieten. 17

stiick in der Kieferh6hle deponiert ist, erschcint es ziemlich aussichts- los, durch konservative MaBnahmen das bestehende Kieferh6hlen- empyem zur Heilung zu bringen. Es wird deswegen beschlossen, so- fort die breite ErSffnung der KicferhShle vom Munde her vorzunehmen.

2 7. N o v e m b e r. Radikaloperation der rechten KieferhShle in Sco- polamin-Pantopon-D~immerschlaf und lokaler Infiltrationsan~isthesie. Schnittfiihrung in der iiblichen Weise dutch die Umschlagsfalte der

Abb. 7 a.

Wangenschleimhaut und Gingiva. Bei der Zuriickschiebung der Weich- teile zeigt sich, dab die faziale Wand der Kieferhahle mehrere Fraktur- stellen und Defekte aufweist. Sie ist in gleicher Weise wie auch ein Teil der medialen KieferhShlenwand durch das GeschoB zerschmettert worden. Die Schleimhaut ist hochgradig ver~ndert, stark 6dematSs geschwellt und verdickt. Am Boden der Kieferh6hle findet sich fast versteckt in den polypSsen Schleimhautschwellungen ein stark de- formiertes GeschoB, das yon dem Verwundeten als ein Projektil yon einem Maschinengewehr bezeichnet wird. - - D a s OeschoB ist

Archiv f. Ohren-, Nasen- u. Kehlkopfheilkunde. ]3d. q8, 2

18 ALFRED DENKER,

seines inhaltes gr6Btenteils beraubt und der Geschol3mantel in bizarrer Form ver/indert. Die noch gut erhaltene Spitze des Geschosses ist nicht mit einem Metallkern, sondern mit einer salz- artigen kristallinischen Masse angefiillt. Die chemische Untersuchung dieses Inhaltes, welche Herr Prof. A b d e r h a l d e n die Freundlichkeit hatte zu iibernehmen, ergab, dab die Substanz sich aus Kiesels/iure, Kalzium und Kohlens/iure zusammensetzt und dab es sich wahrschein- licit um ~]berreste, resp. Umwandlungsprodukte yon Sprengstoffen handelt.

Der kupferne Mantel des Oeschosses ist zum Teil mit Griinspan iiberzogen.

Es wird nun das OeschoB extrahiert, die Schleimh~iute werden vollst~indig exkochleiert, und die mediaie, s~ark zertriimmerte Kiefer- h6hlenwand wird in toto abgetragen. Darauf wird in der iiblichen Weise aus dem unteren Teil der Schleimhaut des unteren Tells der lateralen Nasenwand ein Lappen gebildet und auf den Boden der Kiefer- h6hle plantiert. Prim/irer Verschlul3 der oralen Wunde. Dauer des Eingriffes 4 ~ Minuten.

Der Verlauf war ein gtinzlich normaler. Am I. D e z e m b e r werden die N~ihte aus der Wunde und die Tam-

pons aus der Nase entfernt. Unter Anwendung feuchter Umschl/ige mit essigsaurer Tonerdel6sung nimmt die Schwellung der rechten Wangengegend bald ab.

5. D e z e m b e r . Orale Wunde fast ganz geschlossen. 7. D e z e m b e r . Noch ziemlich starke Absonderung aus der Augen-

h6hle. Io. D e z e m b e r . Die Wunde im lV[und ist g/inzlieh verheilt. Es be-

steht aus der Nase, resp. der Kieferh6hle nut noch geringe sehleimige, nicht iibelriechende Sekretion, und es ist nieht daran zu zweifeln, dab nach Epidermisierung der Kieferh6hle keinerlei Spuren der schweren Verletzung zuriickbleiben werden. Es ist also aueh in diesem Falle dutch die chirurgische Behandlung ein roller und dauernder Er%lg erzielt worden.

F a l l 6.

In diesem Falle handelt es sich in der Hauptsaehc um eine Ver- letzung des Ohres am Warzenfortsatz.

Der Reservist J. N., 24 Jahre alt, wurde am I. September durch ein infanteriegesehotl in der Riehtung yon vornher getroffen. Der erste Verband wurde auf dem Schlachtfelde angelegt, die wcitere Behand- lung fand dann im Kriegslazarett D. statt. Acht Tage sp[iter wurde er ins Reservelazarett in 1K. verlegt, wo tiiglicher Verbandweehsel vor- genommen wurde. Unmittelbar nacll der Verletzung soil eine heftige

1Jber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 19

Blutung hinter dem Ohr erfolgt seth. Im Verlaufe der ersten 8 Tage war starkes Schwindelgefi~hl vorhanden, auch zeitweise erhebliche Oleich- gewiehtsst6rungen. Erbrechen und BewuBtlosigkeit traten nicht auf, auch war kein besonders starker Kopfschmerz bemerkbar. Der Patient wurde dann am 21. September vom Reservelazarett in IV[. uns iiberwiesen.

Bet seiner Aufnahme klagte er fiber m~iBige Schmerzen im rechten Ohr und hinter der rechten Ohrmuschel. Es bestand ferner Spannen in der ganzen rechten Wange und die Unf~ihigkeit, den Kund zu 6ffnen. AuBerdem klagte der Patient tiber Sausen im rechten Ohr. Der ob- jektive Befund war folgender: ca. zweifingerbreit vom rechten Nund- winkel nach auBen und hinten befindet sich nahe dem Unterkieferrand eine reaktionslos verheilte, etwa 2 cm lange, strahlenartige Narbe. Die Stelle entspricht ann/ihernd der Austrittstelle des Nervus mentalis. Die ganze rechte Wangengegend, das Gebiet der Parotis und die Gegend des Unterkieferwinkels ist deutlich inflltriert und druckempfindlich. Es bes teh t eine Parese des Mundastes des rechten Fazialis. Die Zahn- reihen k6nnen nut ungef~ihr in I cm Abstand voneinander entfernt werden. Die Zunge wird ohne Beschwerden vorgestreckt. Auf der rechten Seite kann Patient angeblich nicht kauen wegen der Schmerzen. Bet teilweiser Karies der Z~hne besteht Gingivitis. Wangenschleim- haut etwas ger6tet und gesehwollen. Im Mund sind keinerlei patholo- gische Anzeichen vorhanden, i3ber der Spitze des Warzenfortsatzes befindet sich eine nngef/ihr 4 cm lange, anscheinend die Ausschug- 6ffnung darstellende senkrecht verlaufende, klaffende Wunde miL reaktionslosen R~ndern. In der Tiefe der Wunde liegt nach vorn zu, nahe d e m Porus acusticus externus, der Knochen fret; ebenso am Boden der Wundh6hle, an dem sich diinnfliissiges, ser6s-eitriges Sekret zeigt. Im iibrigen ist die Wundh6hle mit.gesundaussehenden Granu- lationen iiberkleidet. Soweit man durch vorsichtiges Sondieren fest- stellen kann, liegt an der medialen Wand der Wundh6hle weder Dura noch Sinus fret. Keine Pulsation. Es besteht keine Kommunikation der Wundh6hle mit dem Lume.n des Geh6rganges. Die st~rkste Druck- empfindliehkeit zeigt sich im unteren Pol der Wunde, dieht hinter dem Lobulus. In der Tiefe des Oeh6rganges, dessen Wand keine entziind- lichen Erscheinungen aufweist, liegen alte Blutkoagula und schw~irz- liche, schmierige Massen, die das Trommelfell bedecken.

Fliisterspraehe wird bet Anwendung der B a r a n y s c h e n L~irm- trommel auf der linken Seite deutlich vom rechten Ohr her perzipiert und nachgesprochen. Stimmgabel a t wird am r e c h t e n Ohr per Luft geh6rt. A vom Scheitel ins linke (Angabe unsicher). Es besteht kein Nystagmus, ebenfalls fehlt jegliche Druckempfindliehkeit der rechten Sch~idelh~lfte. Auch sonst sind keine weiteren St6rungen an dem Patienten zu konstatieren.

2~

20 A L F R E D D E N K E R ,

R / S n t g e n b e f u n d .

I. Fronto-okzipitale Aufnahme: Auf der Platte liegen im Bild zahlreiche Gescho/3splitter, die sich entsprechend der SchuBriehtung auf dem horizontalen und aufsteigenden Unterkieferast in der Gegend der Fossa retromandibularis bis zur Spitze des Warzenfortsatzes er- strecken (vgl. Abb. 8).

2. Profilaufnahme des Sch/idels: Aueh hier zahlreiehe GesehoB- splitter in der Gegend des aufsteigenden Unterkieferastes in der Fossa

Abb. 8.

retromandibularis und an der Warzenfortsatzspitze. Im Zusammenhalt mit der Fronto-Okzipitalaufnahme 1513t sieh jedoch annehmen, dab diese Splitter in der Warzenfortsatzspitze lediglieh in den Weiehteilen stecken und sieh nieht in den Knochen befinden (vgl. Abb. 9)-

Um die im Warzenfortsatz eiternden Zellen sehneller zur Heilung zu bringen, wird am 26. September eine Operation vorgenommen.

Die EinschuBSffnung in der Spitze des Warzenfortsatzes wird durch eine etwa IO cm lange Inzision nach oben und nach unten er- weitert. Bei der Zurfieksehiebung der Weichteile erkennt man, dal3

0 b e r Kriegsverletzungen a m Ohr, den oberen Luf twegen nnd den Grenzgebieten. 2 1

die gauze untere H~ilfte des Warzenfortsatzes zertriimmert, resp. frak- turiert ist: Bei Abschiebung der Weichteile in der Gegend des Planum mastoideum wird bier die Corticalis, die an den Weichteilen der hin- teren Fl~che der Ohrmuschel h~ingen bleibt, mit abgehebelt. Neben wuchernden Granulationen findet sich in den er6ffneten Warzenfort- satzstellen nur wenig, nicht f6tides Sekret. Das Antrum mastoideum wird nicht freigelegt. Okklusivverband mit Jodoformgaze.

Die Heilung der Operationswunde geht innerhalb yon 2--3 Wochen glat t vor sich. Dutch regelm~iBige Anwendung des galvanisch-*aradi- sehen Stromes wird die Funkt ion des Mundastes des Fazialis wesentIich

Abb. 9.

gebessert, so dab der Patient bei seiner Entlassung zur Truppe (23. Nov.) die Zahnreihen 3- -4 cm welt zu 6ffnen imstande ist. Die Narbe am Warzenfortsatz ist g~nzlich reaktionslos.

F a l l 7.

Der Fiisilier E. W., 23 Jahre alt, wurde am 26. August durch ein InfanteriegeschoB; welches yon obenher (H~iuserkampf) in die rechte Schl~fengegend eindrang, verwundet. Er war sofort einige Zeit be- wuBtlos. Der erste Verband wurde auf dem Schlachtfelde angelegt. Weitere Behandlung zun~ichst im Feldlazarett und dann sp~iter im Kriegslazarett zu L.

Der Verwundete gibt an, dal3 er nach Wiedererlangung des Bewu~3t-

2 2 ALFRED DENKER,

seins nicht fiber Schwindel und Kopfschmerzen geklagt habe und dab auch kein Erbrecheil auftrat . Aus dem reehten Ohr, auf dem er seit der Verletzung nieht mehr h6rt, wurde yon dem behandelnden Arzte eingetrocknetes Blur durch Auswischen entfernt. Die /iul3ere Wunde heilte rasch, es t rat aber bald darauf eine schmerzlose Schwellung an dem rechten Unterkieferrande auf. Der Pat ient klagt zurzeit fiber Schwerh6rigkeit und Sauseil rechts und leichtes Trfnen des rechteil Auges.

O b j e k t i v e r B e f u i l d : Ungef~thr 2 cm vor der Crus helicis liegt eine in der Hauptsache vertikal verlaufende, ca. 2 �89 cm lange, zackige, noch hyper~tmische, im fibrigen abet reaktionslose Narbe, die auf der kn6ehernen Unterlage kauln verschieblich erscheint. Die Um- gebung ist nicht druckempfiildlich, jedoch hat man bei der Palpation die Empfindung, als ob am unteren Ende de r Narbe ein rinnenartiger Defekt im Prec. zygomaticus vorhanden sei. D e r F a z i a l i s i s t in- t a k t . Der Mund kann in ziemlich normaler Weise und ohne Sehmerzen ge6ffnet werden, im /~ul3eren Geh6rgang besteht eine hochgradige Narbenstenose, die in der Hauptsache dadurch bedingt ist, dab die vor- dere Geh6rgangswand in ihrem kn6cherneil Teil infrakturiert und nach dem Lumen des Oeh6rganges disloziert ist. Zum Teil jedoch ist die Stenose dadurch bedingt, dab die h~tutige Geh6rgangswaild an der korrespondierenden Stelle einen kleinen granulierenden Defekt zeigt. Es gelingt, mit eiiler Knopfsonde die Stenose noch eben zu passieren. Medial yon der Stenose liegen schmierige, iibelriechende Epidermis- massen und anscheiilend etwas Sekret. Vom Trommelfell ist niehts zu sehen. Unterhalb des rechten Unterkieferwinkels liegt eine reichlich pflaumeilgroBe Geschwulst, die sich aus mehreren einzelnen Knoten zusammensetzt. Sie entsprechen zum Teil wohl zweifellos s tark infil- trierten, aber indolenten Drfisen. Eine Vorw61bung, die i/inglich ge- s tal tet unter dem Kieferwinkel liegt und ungef~ihr in der Richtuilg des inneren Randes des Sternokleidomastoideus verlfuft , entspricht wohl dem hier eingebetteten GeschoB. In der Parotisgegend, die ja yon dem OeschoB durchdrungen sein muB, sind keinerlei Ver/inderuilgen vor- handen, ebensowenig im Warzenfortsatz.

F u n k t i o n e l l e Pr f i fung : Fltistersprache rechts: am Ohr, links: 6 m. Umgangssprache rechts: 1A m. Untere Tongrenze rechts D 1, links G 2. A veto Scheitel ins rechte Ohr - - Io" , a 1 vom Scheitel ins rechte Ohr - - I o " . Rinne a 1 rechts q-5", Rinne a 1 links +35" . Galton rechts a 6, links e 7 (normal).

Schluckbewegung unbehindert . Keine Atemnot. Auf der R 6 n t g e n p l a t t e sieht man auf der Fronto-Okzipital-

aufnahme das Oeschol3 an dem unteren horizontalen Rande des Unterkiefers liegen (vgl. Abb. IO).

LTber IKriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 2 3

Bei der Behandiung der Geh6rgangsstenose wird versucht, die Verengerung dutch Salbentampons und Drainrohre zu beseitigen. Sollte die Dilatation nieht gelingen, so wtirde es notwendig sein, eine Plastik, wie wir sie bei der Radikaloperation naeh den Vorschriften yon K 6 r n e r , S i e b e n m a n n , P a s s o w oder Panse zu machen ge- w6hnt sind, auszufiihren. Da im weiteren Verlaufe die Schwellung an

Abb. Io.

der rechten Kieferwinkelgegend sehmerzhaft und druckempfindlich wird, wurde am 9. Oktober die Entfernung des Geschosses vorgenommen.

O p e r a t i o n : Schnittfiihrung an der Warzenfortsatzspitze be- ginnend, in der Richtung nach unten entlang dem Verlauf des IV[. sterno- kleidomastoideus, ann~hernd xocm lang. Da nach dem in transversaler Richtung aufgenommenen R6ntgenbild das GeschoB mit seinem oberen Ende ann~thernd in der Spitze des Warzenfortsatzes sitzen muBte, wurde zun~chst in dieser oberen Partie der Nuskulatur des Sterno- kleidomastoideus und weiter in der Tiefe unterhalb der tiefen Hals-

2 4 A L F R E D D E N K E R ,

fascie nach dcm OeschoB gesucht. Da sich jcdoch in dicser Gegend kein Fremdk6rper palpieren lieB, wurdc welter abwgrts an dem Unter- kieferrande nach dem Geschol3 gcsucht. Bei dem weitcren Vorgehen in der Gegend der Glandula submaxillaris entleert sich beim stumpfen Pr/iparieren p16tzlich wgsserig-eitriges Sekret. Die eingefiihrte Sonde gelangt in eine AbszeBhShle, die zum Tell in der Submaxillardriise ge- legen ist, und auf dcren Grundc sich nun das GeschoB mit der Sonde

A b b , I I .

feststellen liBt. Es wird nun der Zugang zu der AbszeBh6hle breit frei- gelegt und darauf mit leichter Mfihe das InfanteriegeschoB entfernt. Nach Einlegen eines Drainrohres wird die Wunde prim~ir verschlossen.

Das Geschol3 (vgl. Abb. Io) en ts tammt einem englischen In- fanteriegewehr und ist an seiner Spitze yore Mantel entbl/SBt und etwas abgebogen. Es tri t t an dieser Stelle ein Tell des Bleikerns in unregel- m~iBiger Form heraus. Diese Deformation des Geschosses dfirfte wahr- scheinlich beim Vorbeigleiten am Knochen des Unterkieferrandes zu- stande gekommen sein.

Crber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 2 5

Die Operationswunde heilte per primam innerhalb yon 8 Tagen. Die Stenose wurde solange mit Tampons (Pellidolsalbe) behandelt,

bis sich der Kanal vollkommen epidermisiert hatte. Von Interesse erscheint in diesem Falle, dab wir bei dem Eingliffe

durch das in transversaler Richtung aufgenommene R/Sntgenbild zu- ngchst auf einen falsehen g e g geleitet wurden. Das GeschoB lag, wie oben ausgefiihrt und wie es aueh die Fronto-Okzipitalaufnahme demon- strierte, in der Oegend der Olandula submaxillaris und nicht an der Warzenfortsatzspitze. Der irr tum war dadurch entstanden, dab die R6ntgenaufnahme nicht genau in querer Richtung, sondern in der Rich- tung yon rechts unten nach links oben gemacht worden war, dabei war das OeschoB auf die Gegend der Warzenfortsatzspitze projiziert worden.

Sehr auffallend ist auch, dab bei der Verlaufsriehtung des Geschos- ses eine Verletzung der Nervus-facialis-Gegend nicht zustande gekom- men ist. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dab das Geschog noch unterhalb der Parotis dicht an den Knochen des aufsteigenden Unterkieferastes entlang gefahren ist.

Fa l l 8.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um eine vollkommene doppel- seitige E r t a u b u n g ohne e ine guBere V e r l e t z u n g .

Der Reservist K. E., 25 Jahre alt, gibt an, dab er am I8. September bei A. im Schiitzengraben liegend infolge der Explosion einer Granate, die mit sehr lautem Knall explodierte, ohne eine gugere Verletzung zu veranlassen, ertaubt sei.

Der Patient hatte das Gefiihl, als fl6ge ihm der ganze Kopf ab. Er war jedoch nicht bewuBltos und konnte sieh ohne Beihilfe aus der dutch das Platzen der Granate bedingten Versehfittung herausarbeiten. Er wurde bis zum 25. Oktober in C. im Lazarett behandelt; worin diese Behandlung bestand, weiB er nicht anzugeben. Er will bisher nie ohrenleidend gewesen sein, auch seien in seiner Familie Ohrenerkran- kungen nicht vorhanden. 131ut sei nicht aus dem Ohr herausgeflossen.

Die o t o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g ergab beiderseits normale Trommelfelle und Geh6rg~nge.

~Bei der ersten f u n k t i o n e l l e n P r f i fung reagierte der Patient weder vom rechten noch vom linken Ohr aus auf lautes Anrufen und perzipierte keine Stimmgabeln und Pfeifent6ne.

Die Untersuchung des s t a t i s ch en A p p a r a t e s eigab: links kalo- rischer Nystagmus bei Ausspritzung mitWasser yon 27o C, tritt auf nach DurchflieBen yon 42 ccm gasser . Auf der rechten Seite bei 4 ~ ccm gasser .

Nach der Anamnese und dem objektiven Betunde konnte es sich in dem Vorliegenden Falle entweder um eine zentral bedingte funktio-

2 (J A L F R E D D E N K E R ,

helle Taubheit oder um eine indirekte Sch~idigung des peripheren Geh6r- organs handeln. In letzterem Falle war es yon Interesse, nach 1K6glich- keit zu eruieren, ob die Sch~idigung des akustischen Apparates bedingt wurde durch die Wirkung der Explosion, oder durch die Wirkung der Detonation.

Um die Differentialdiagnose zwischen ether zentral bedingten Taub- heir und einer L~ision des inneren Ohres m6glichst sicher festzustellen, bat ich den Direktor der hallischen Nervenklinik, Herrn Geheimrat A n t on, durch eine genaue Untersuchung des ganzen Nervensystems zu konstatieren, ob noctl sonstige funktionelle oder dutch Shok bedingte hysterische Symptome vorhanden seien. Herr Kollege A n t o n hatte die Freundlichkeit, mir folgenden 13ericht zu iibersenden:

,,Bet dem Soldaten E. ist nur auff~illig, dab die konjunktivalen Reflexe herabgesetzt, die Kniesehnenreflexe gesteigert sind; sonst kein Zittern, keine Druckpunkte. Er ist apathischer, als es dutch die Taubheit bedingt erscheint, so dab auch seine Taubheit fiir Optisches relativ gering ist. Auch wenn er mit Hilfe eines h6rverbessernden Apparates etwas perzipiert, so fal3t er das Geh6rte ziemlich sch]echt auf, z. B. wenn er auf Kommando Finger z~ihlen soll.

Schwindel und 13a]ancest6rungen fehlen. Es sind dies keine hod> gradigen Symptome, aber sie sprechen doch fiir gleichzeitige Anwesen- heit ether funktionellen St~Srung, so dab auch wenigstens ein Tell der H6rst6rungen als funktione]l bedingt nicht auszuschliel3en ist."

Bet einer Untersuchung am Io. November hatte sich nun der aku- stische Befund sehr wesentlich verindert . W/ihrend auf dem rechten Ohr noch vollst~indige Taubheit vorhanden war, wurden in das linke Ohr ]ant hineingerufene Zahlen nachgesprochen. Auch Stimmgabel- und Pfeifent6ne wurden an diesem Tage geh6rt, und zwar lag die u n t e r e T o n g r e n z e bet Dis 1. Von diesem Tone an his herauf zu dem i s der Galtonpfeife wurden simtliche S~immgabeln und Pfeifent~Sne perzipiert. Die t t 45 r d a u e r fiir Stimmgabeln war j e doch de m Normalh 6renden gegen- iiber erheblich verkiirzt.

Die auf den Scheitel aufgesetzte Stimmgabel A wird im linken Ohr kurze Zeit ganz schwach geh6rt.

Die Stimmgabel a 1 wird vom Knochen aus nicht perzipiert. I I . D e z e m b e r . Bet der am heutigen Tage vorgenommenen H6r-

priifung ist der Patient imstande, einzelne Fliisterzahlen direkt am Ohr wat~rzunehmen. Links wird Umgangssprache auf I ~ m gehOrt.

Auf dem r e c h t e n Ohr bestebt weiterhin komplette Taubheit. Ob eine inzwischen durchgeffihrte Schwitzkur einen EinfluB auf

die Besserung der H6rf~ihigkeit ausgeiibt hatte, ]ieB sich mcht mit Sicher- heit feststellen.

Wenn man auf den vorstehend wiedergegebenen Befund zusammen-

1Jber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 2 7

iassend zuriickblickt, so l~il3t sich an der Hand der in der Nervenklinik vorgenommenen Untersuchung vielleicht annehmen, dab die T a u b h e i t v~enigstens zum Teil zerebral bedingt und als eine funktionelle Taubheit aufzufassen ist. Mit Sicherheit l~tBt sich dies jedoch kaum behaupten. Wenn auch bei durch starke Explosion nnd Detonation bedingten L~isionen des Labyrinths meistens dauernd Taubheit auftritt , so ist jedoch nicht ausgeschlossen, dab bisweilen ein Teil der H6rf~ihigkeit zuriickkehrt. Nachdem seit der Verletzung 6- - 7 Wochen vergangen sind, ist eine vollstgndige Wiederherstellung der H6rf/ihigkeit zwar nicht g/inzlich auszuschliel3en, aber doch nicht sehr wahrscheinlich. Die Frage, ob die Sch~idigung des akustischen Apparates durch den bei der Explosion erzeugten Luftdruck oder durch den starken Knall ver- ursacht wurde, l~il3t sich ebenfalls nicht entscheiden.

F a l l 9.

In den F~illen 9 und IO handelt es sich weder um eine Verletzung oder Sch~idigung des Geh6rorgans und der oberen Luftwege, sondern um Kopfverletzungen. Da aber im AnschluB an die Verletzungen bei beiden Patienten sich intrakranielle entziindliche Affektionen ausgebildet bat ten, in ~ihnlicher Weise, wie wir sie bei otogenen Komplikationen oftmals zu beobachten Gelegenheit haben, so glaube ich, zu der Publikation dieser Beobachtungen auch an dieser Stelle berechtigt zu sein.

Der franz6sische Soldat A. N., 24 Jahre alt, wurde am 28. August am Kopf verwundet und auf dem Schlachtfelde yon einem deutschen Arzt verbunden. Die Einlieferung in unser Lazarett fand am 9. Sep- tember start. An diesem Tage konnte folgender Befund erhoben werden :

An der linken Kopfseite, nahe der Mittellinie, findet sich in dem hinteren Teil des Parietale eine unter Blutschorf verheilte kleine Ein- sehuB6ffnung, und in einer Entfernung yon etwa 5 cm in der Richtung nach vorn und lateralw~irts eine ebenfalls sehr kleine AusschuB6ffnung, aus welcher spontan reichlich gelbbr~iunlicher Eiter herausquillt. Die Weichteile zwischen beiden 0ffnungen sind stark infiltriert. Die vor- sichtig yon der AusschuB6ffnung aus eingefiihrte Sonde dringt I ~ cm in die Tiefe, bevor sie auf Knochen st6Bt. Die Verletzung war dutch ein InfanteriegeschoB zustande gekommen.

R 6 n t g e n b e f u n d : Bei der Profilaufnahme sieht man in dem ab- steigenden Tell des Parietale eine Unterbrechung in der Beschaffenheit dieses Knochens. Die darunterliegende Partie (Lob. pariet.) weist eben- falls Unregelm/iBigkeiten (Knochensplitter ?) auf (vgl. Abb. 12).

Der Verwundete hat aul3erdem am linken Oberschenkel eine yon einer Schrapnellkugel herriihrende, etwa 3 cm lange, mit Borken be- deckte Streifsehugwunde.

Der Patient zeigte bei seiner Einlieferung so gut wie gar keine

28 A L F R E D D E N K E R ,

krankhaften Symptome. Er war fieberfrei und hatte keine allgemeinen Hirnsymptome, noch irgendwelche Herdsymptome.

Zur Klarstellung des Befundes wurde am Tage darauf in Ather- Sauerstoffnarkose eine Operation in folgender Weise vorgenommen: Ein 8--xo cm langer, durch Ein- und Ausschu136ffnung verlaufender Sehnitt spaltet die auf x cm verdickten Weiehteile. Naeh der Durch- trennung quillt zwischen Sch~idel und Periost gelbbr~unlicher, nicht f6tider Eiter in gr6Berer Masse heraus. Nach Zurfiekschiebung des Pe-

riosts erkennt man eine in der Richtung yon vorn nach hinten verlaufende, et- wa 3 em lange

Splitterfraktur im Seheitelbein. Die zertrSmmer- ten Knochen- stficke liegen zum Tell oberfl~ichlich zwisehen Dura und Sch/idelkno- chen. Sie werden entfernt, naeh- dem ringsum die R~inder der Kno- chenverletzung

abgemeiBelt wa- ten. Naeh der auf diese Weise erfolgten breiten

Abb. I2. Freilegung der verletzten Sch/i-

delpartien kil3t sich erkennen, dab durch die Dura hindurch eine Fistel in das Oehirn hineinfiihrt. Bei der Sondierung des Fistelkanals, aus dem I - - I Teel6ffel voll braungelbliehen rahmigen Eiters hervordringt, zeigt sigh, dab in der Hirnmasse selbst ebenfalls mehrere Knochensplitter vorhanden sind. Es werden vier kleinere und ein gr/Sgeres Knochenstiick aus dem Oehirn extrahiert, und man kann nun erkennen, dab in dem Parietalhirn eine AbszeBh6hle yon etwa 5cmTiefe besteht. Naeh sorgf~il- tiger Entfernung der sondierbaren Knoehenstfieke und Oewebsfetzen wird ein etwa 5 em langes Olasdrainrohr in das Oehirn eingelegt und darauI naeh Exzision der granulierenden Wundr~tnder mit Jodoformgaze verbunden.

l~ber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und den Grenzgebieten. 2 9

In Riicksicht auf den vorhandenen AbszeB wird yon einer Vereini- gung der Wundr/inder dutch die Naht Abstand genommen.

Der Verlauf nach diesem EingrifI war ein durchaus giinstiger. Es kam niemals zu Temperatursteigerungen. Bei dem ersten, nach 2 Tagen vorgenommenen Verbandweehsel war die Gaze nur m~il3ig durchtr~inkt, im Drainrohr nut wenig eitriges Sekret.

Im Laufe der ngchsten Wochen jedoch stiel3en sich noch mehrfach Knochensplitter ab. /?;in gr6Berer Sequester wurde I6 Tage naeh der Operatior~ entfernt. Der letzte Splitter am 6. Oktober mit der Pinzette extrahiert.

Die Sekretion wechselte in bezug auf ihre Intensit~it, Liquorabflug wurde niemals bemerkt. Crehirn und Dura bat ten sich inzwischen mit guten Oranulationen bedeckt, fiber die sich naeh und nach die tiugere Haut heriiberschob. Die Absonderung nahm immer mehr ab und ver- siegte schliel31ich g~inzlieh. Der Patient konnte bereits als geheilt ent- lassen werden.

In dem vorliegenden Falle haben wit es, wie aus dem Bericht her- vorgeht, mit einem traumatischen HirnabszeB zu tun. Ein Tangential- schuB hatte das Os parietale getroffen und zahlreiche Splitter tier in die Oehirnmasse hineingeschleudert. Ob es in der ersten Zeit nach der Ver- letzung zuerst zu einer zirkumskripten 1Keningitis gekommen ist, l~iBt sich nieht mehr nachweisen. Da bei seiner Aufnahme keine Symptome vorhanden waren, die fiir eine Hirnhauterkrankung sprachen, diirfte es sehr schnell zu einem Abschlug der Subarachnoidalr/iume dutch Ver- klebung der weichen Hirnh/iute untereinander und mit der Dura ge- kommen sein.

F a l l Io.

Der Verwundete, ein franz6sischer Soldat P. G., 2I Jahre alt, wurde am 2 9. August, 5 km yon S. entfernt, durch ein Infanteriegeschol3 an der rechten Kopfseite verletzt. Er blieb nach der Verwundung eine Zeitlang bewuBtlos liegen. Am 8. September wurde er in unser Reserve- l~zarettanfgenommen, und es konnte an diesem Tage folgender Befund aufgenommen werden :

An der rechten Kopfseite befindet sich in tier hinteren Gegend des Parietale, etwa in der H6he des oberen Randes der Ohrmuschel, eine kleine Weichteilverletzung und yon dieser Wunde nach hinten zu in einer Entfernung yon 3 cm eine etwa 8 cm lange zweite Wunde mit un- regelm~tBig gezaekten R~ndern. Nach Angabe des Patienten handelt es sich um die EinschuB6ffnung eines Infanteriegesehosses. Aus der letz- teren tr i t t eitriges, nicht iibelriechendes Sekret heraus. Bei der Son- dierung stellt sich heraus, dab in der Gegend der AusschuB6ffnung eine Verletzung des Knochens stattgefunden hat. Man kommt bei der Son-

3o A L F R E D D E N K E R ,

dierung auf die Dura, und es 1/iBt sich ebenfalls dutch die Inspektion feststellen, dab die pulsierende Dura an dieser Stelle zutage tritt .

R 6 n t g e n b e f u n d : Auf der R6ntgenplatte sieht man auf der Profil- aufnahme einen grSBeren und mehrere kleinere Gesehogsplitter, sowie in der gleichen Gegend Unregelm~Bigkeiten in der Hirnsubstanz (vgl. Abb. I3).

Auch dieser Patient hatte keine meningitisehen oder zerebralen Symptome. Er war fieberfrei und ftihlte sich vollkommen wohl. In Riick-

Abb. 13

sicht auf die bestehende Eiterung wurde am Io. September zum Zweck der Freilegung des verletzten Oebietes und der Extraktion yon Creschog- splittern in Ather-Sauerstoffnarkose ein Eingriff in folgender Weise vorgenommen :

Der Schnitt wurde in der Verbindungslinie zwischen Ein- und Aus- schuBSffnung und tiber beide Offnungen hinaus noeh 2--3 cm weiter abw~irts gefiibrt. Nach Zurtickschiebung der Weichteile und des Periosts erkennt man im Parietale eine etwa z �89 em im Durchmesser haltende Frakturstelle, in weleher mehrere gr6Bere und zahlreiche kleinere Knochensplitter liegen und in die Dura hineingedrtiekt sind. Entspre-

1Jber Kriegsverletzungen am Ohr, den oberen Luftwegen und dell Grenzgebieten. 3 1

chend der verletzten Stelle hat auch die Dura eine L~ision erfahren. Sie ist in dieser Gegend mit sehmierig-eitrigem Belag bedeckt. Nach vorn zu sieht man nach Abtragung mit der Luer schen Zange mehrere kleinere und zwei gr613ere GeschoBstficke. Es wird nun der Knochen in gr6Berer Ausdehnung soweit abgetragen, dab die in der Umgebung der Dura- wunde in starker Granulation begriffene Hirnhaut Yon der gesunden glatten Dura sich abgrenzt. Nach Extraktion s~imtlicher Knoehen- splitter und Geschol?stiicke werden die zerrissenen und granulierenden Wundr~inder der EinschuB6ffnung exzidiert und die ganze Wunde mit Jodoformgaze verbunden.

I I . S e p t e m b e r . AmTage nach der Operation klagt der Patientiiber Kopfschmerzen und hat erh6hte Temperatur (38,3~ Auch die Puls- frequenz ist etwas erh6ht. Er bekommt t/iglich dreimal 0,5 g Urotropin.

12. S e p t e m b e r . BeimVerbandwechsel erscheint die Oberfl~icheder Dura noch schmierig mit Eiter belegt. Etwa im Zentrum der freigelegten Dura tri t t durch einen kleinen Defekt der Hirnhaut wenig Sekret aus der Tiefe heraus. IKan hat den Eindruck, dab es sich entweder um einen oberfl/ichlichen kleinen RindenabszeB oder auch nur um eine subdurale Eiteransammlung handelt. Es wird an dieser Stelle ein kleiner Jodoform- gazetampon unter die Dura geschoben. Abendtemperatur 37,9 ~

14. S e p t e m b e r . Beim zweitenVerbandwechsel hat sich der eitrige Belag der Wunde noch nicht abgestoBen, und es l~iBt sich an diesem Tage aus der infiltrierten und zum Teil zerst/frten Hirnhaut noch ein kleiner Knochensplitter und ebenfalls noeh ein Geschol3stiiekchen entfernen. Die Wunde wird mit Borpulver bestreut und dann mit Jodoformgaze verbunden. Temperatur ist noch etwas erh6ht, 37,7 ~

I6. S e p t e m b e r . Der Pa[ient klagt noch fiber Kopfschmerzen und ferner fiber Beschwerden im rechten Auge. Die Untersuchung des Augenhintergrundes ergab beiderseits keine krankhaften Ver~inderungen in der Papille. Die Wunde ist auch heute noch mit eitrigem Sekret belegt. Die Granulationsbildung ziemlich kr/iftig; das Gehirn pulsiert. Patient ist fieberfrei.

18. S e p t e m b e r ~ Sekretion ge~in~er, gut aussehende GranulMionen in kr~iftiger Bildung begriffen.

20. S e p t e m b e r . Die Eiterabsonderung ist wieder st/irker. In der 1Kitte der Wunde grenzt sieh eine nekrotische Partie als halbmond- f6rmige weiBliche Stelle yon der in d~r weiteren Umgebung gut granu- ]ierenden Wunde ab.

2~. S e p t e m b e r . Die nekrotisehe Partie hat sich etwas verkleinert. 23. S e p t e m b e r . W~ihrend die Qranulationen tags zuvor ein mehr

blasses und sehwammiges Aussehen batten, erscheinen sie heute wieder friseher. Die nekrotische Hirnhautpartie hat sich wieder etwas verklei- nert und loekert sich allm{ihlieh an den R{indern. Es wird ffir einen Tag

3 2 A L F R E D DENIKER, l~ber Kriegsverletzungen a m Ohr, den oberen Luftwegen usw.

die Applikation eines Verbandes mit essigsaurer Tonerde angeordnel. Bet den Verbinden in den nichsten Tagen verbessert sich das Aussehen der Wunde immer mehr, und die nekrotische Pattie stSl3t sich nach und naeh g~inzlieb ab. Die Temperatur ist skit dem z6. September normal.

Am 3o. S e p t e m b e r wird noch ein kleiner Knochensplitter arts den Granulationen entfernt. Die Sekretion wird nun wesentlich geringer.

Am 8. O k t o b e r ha t sieh die nekrotisehe Partie vollkommen ab- gestol3en. Die Wunde weist yon nun an immer ein gutes Aussehen auf, verMeinert sieh yon den R{indern her und hat sich am 6. Oktober ginz- lich geschlossen.

Auch in diesem Falle hat es sich, wie gesehildert, um eine intra- kranielle Komplikation, u. zw. um einen extraduralen und intraduralen Abszel3, vielleicht such um einen Meinen Rindenabszel3 gehandelt. W/hrend der Patient sich vorher ganz wohl fiihlte und keine Temperatnr- steigerung bestand, stellte sich im AnsehluB an den operativen Eingriff Fieber ein; zugleich traten Kopfschmerzen auf, und diese Beschwerden deuteten zusammen mit der Temperatursteigerung zweifellos darauf hin, dab es im AnschluB an die Manipulationen an den Hirnh~iuten in der Umgebung der Wunde zu ether zirkumskripten meningitisehen Affektion gekommen war. Gliieklicherweise hat sich die Hirnhautentziindung nicht zu einer diffusen Meningitis wetter entwickelt. ]?;in absehlieBendcr Gra- nulationswall diirfte anch hier das weitere Vordringen der Nikroorganis- men in den Subarachnoidalraum verhindert haben.

Aus einem Vergleich dieses Falles mit dem vorigen ersieht man, dab die Gefahr der Entstehung einer lV[eningiiis keineswegs yon dez Or/513e der Verletzung abhingig ist. W/hrend in dem Falle 9 die Litsion in dem Gehirn und seinen H/uteri eine gr6fiere Ausdehnung aufwies, handelt es sich in diesem Falle nur um eine geringfiigige Verletzung der Dura. Und trotzdem traten hier die Erseheinungen ether zirkumskripten postopera- riven Keningitis auf, wihrend in dem zuerst geschilderten Falle der Heilungsverlaui ein ganz glatter war.

E rw/hn t set noch, dab wir beabsichiigt batten, in beiden F/lien in {ihnlicher Weise, wie wit es mehrfach bet otogenen Komplikationen ausgefiihrt haben, eine Knochentransplantation yon der Vorderfl/che der Tibia vorzunehmen, um den Sehideldefekt zu deeken. Leider hat uns Arbeitsiiberlastung an der Ausfiihrung dieses Eingriffes verhindert.