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Ober die Bedeutung der Furchung gepresster Eier. Von Professor Karl Heider. Briefliehe Mittheilung an den Herausgeber. Mit 6 Figuren im Text. Innsbruck, den 31. Miirz 1897. Sehr verehrter Herr Kollege! Bekanntlich ftihren O. HERTWIG und DRIESCH gegen die An- nahme einer qualitativen Vel~heilung des Idioplasmas w~hrend der Furchung haupts~ichlich die Resultate ihrer Versuche fiber Furchung unter Pressung an.. Die g'enannten Autoren geben zu, dass durch die deforinirende Wirkung der Pressung die typische Vertheilung der Substanzen im Eiprotoplasma in keiner Weise beeinflusst wird. So sagt DRIESCH,I}: :~Der Druck vermag das Plasma nur zu deformiren, aber nieht seine Besehaffenheitsdifferenzen aufzuheben.,, Ahnlich spricht sich 0. HERTWm aus; und DRIESCH hat diesen Gedanken auch an anderen Orten z. B. in seiner )~Analytischen Theorie(, fest- gehalten. Dagegen soll die Vertheilung dar Kernsubstanzen bei der Furchung .unter Pressung eine ganz andere werden, als bei der nor- malen Furchung, derart, dass bei der Furchung unter Pressung eine bestimmte Partie yen Kernsubstanz mit ganz anderen Plasma- portionen zusammenkommt, als dies normaler Weise der Fall ist. Die Kerne werden durch die Pressung an andere Punkte beF6rdert, als sie im normalen Entwickelungsverlauf eingenommep hiitten. Diese letztere An~ahme seheint mir abet noeh night bewiesen zu sein. Nehmen wir eine polar differenzirteZelle Fig. 1 A an, deren Kern die gleiche polare Differenzirung aufweist, welche normaler Weise dureh zwei auf einander folgende Furehen ([ und H) in vier Zellen zerlegt l) Entwickelungsmechanische Studien. X. Mittheil. Zool. Stat. Neapel. 11. Bd. 1895. paff. 242.

Über die Bedeutung der Furchung gepresster Eier

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Ober die Bedeutung der Furchung gepresster Eier. Von

Professor Karl Heider.

Briefliehe Mittheilung an den Herausgeber.

Mit 6 Figuren im Text.

I n n s b r u c k , den 31. Miirz 1897.

Sehr verehrter Herr Kollege!

Bekanntlich ftihren O. HERTWIG und DRIESCH gegen die An- nahme einer qualitativen Vel~heilung des Idioplasmas w~hrend der Furchung �9 haupts~ichlich die Resultate ihrer Versuche fiber Furchung unter Pressung an.. Die g'enannten Autoren geben zu, dass durch die deforinirende Wirkung der Pressung die typische Vertheilung der Substanzen im Eiprotoplasma in keiner Weise beeinflusst wird. So sagt DRIESCH,I}: :~Der Druck vermag das Plasma nur zu deformiren, aber nieht seine Besehaffenheitsdifferenzen aufzuheben.,, Ahnlich spricht sich 0. HERTWm aus; und DRIESCH hat diesen Gedanken auch an anderen Orten z. B. in seiner )~Analytischen Theorie(, fest- gehalten. Dagegen soll die Vertheilung dar Kernsubstanzen bei der Furchung .unter Pressung eine ganz andere werden, als bei der nor- malen Furchung, derart, dass bei der Furchung unter Pressung eine bestimmte Partie yen Kernsubstanz mit ganz anderen Plasma- portionen zusammenkommt, als dies normaler Weise der Fall ist. Die Kerne werden durch die Pressung an andere Punkte beF6rdert, als sie im normalen Entwickelungsverlauf eingenommep hiitten. Diese letztere An~ahme seheint mir abet noeh night bewiesen zu sein.

Nehmen wir eine polar differenzirteZelle Fig. 1 A an, deren Kern die gleiche polare Differenzirung aufweist, welche normaler Weise dureh zwei auf einander folgende Furehen ([ und H) in vier Zellen zerlegt

l) Entwickelungsmechanische Studien. X. Mittheil. Zool. Stat. Neapel. 11. Bd. 1895. paff. 242.

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wird (Fig. 1 B and C). Wenn ich nun durch Druck erzielen kann, dass die Furche / / vor der Furche I auftritt, so wird die Furchung vor

sich gehen wie in Fig. 2 B ' and Fig. 1.

I I

B C \

] I

Fig. 2.

C'. Das Resultat ist in beiden Fallen vollkommen das gleiche. l~ur dcr Rhythmus im Auftreten dcr Furchen wurde geiindcrt. Im Llbrigen crhiilt auch in C' jede Zelle genau jene. Kern- portion, welche sie erhalten haben wUrde, w~ire die Fur- chunff normal verlaufcn.

.Unter dem gleichen Ge- sichtspunktc kSnnen wir auch die Furchung unter Pressung betrachten. Nehmen wir das

Amphibienei und nehmen wir an, dass die Figuren .A, B, C, D (Fig. 3) das normale Furchangsschema darstellen in der Ansicht vom animalen

Fig. 3. ..4 I M

I B z z .~ D

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Uber die Bedeutung der Furchung gepresster Eier. 375

Pole und dass die Zerlegung der Kernqualitiiten in der Weise vor sich gehe, wie dies durch die verschiedenen Zeichen im Kern angedeutet ist. A' B' C' D" stellen uns die Furchung bei Pressung zwischen horizon- talen Platten dar. Hier tritt in C' die Meridionalfurche I V auf. Dem entsprechend haben die Kerne andere Qualit~iten zugetheilt bekommen, als in C. Aber diese Versehiedenheit gleicht sich bald aus, indem im Stadium D' die bisher gehemmte Horizontalfurehe [ I I auftritt, wodurch ftir die Vertheilung der Kernqualitiiten ganz der gleiche Zustand crreieht ist, wie bei der normalen Furehung. Dasselbe l~isst sich far die Furchung bei Pressung zwischen vertikalen Platten nachweisen. Hier ist die Medianfurche I in ihrem Auftreten sehr verspatet. Als erste Furehe tritt die Horizontalfurche l I I auf (A"), als zweite Furehe die Querfurehe / / (B"). Die in C" auftretende Furehe betrachte ich als das *quivalent der Meridionalfurehe IV, welche dutch die Einwirkung des Drnckes aus ihrer sehr~gen Lage in eine auf die pressenden Platter senkrechte Richtung abgedr~ngt wurde. Erst in D': tritt an den Zellen der animalen H~ilfte die ver- sp~itete Medianfurche [ auf.

Einer derartigen Betrachtungswei'se des Furchungsschemas ge- presster Eier unter dem Gesichtspunkte der Anachronisnlen hat sich auch O. HERTWIG nicht ganz entziehen kSnnen. Er schreibt (Uber den Werth der ersten Furchungszellen pag. 673): ,dass die Theilungs- richtung, welche im normalen Verlauf erst im dritten Furchungsstadium vorkommt, hier sehon im zweiten Stadium gewissermaBen vorweg genommen wird~.

Es llisst sieh unter der Annahme solcher Anachronismen leicht einsehen, dass z. B. der Kern in der kleinen oberen Zelle yon A" alle jene Qualit~tten in sich enthalten muss, welche bei normaler Furehung in den ZeUen des Zellenkranzes der animalen H~tlfte ober- halb dcr Horizontalfurehe'enthalten sind und dass die weitere Sonde- rung in der Weise vor sieh gehen muss, wie ich das in dem Schema .A"--D" angedeutet habe. Sehr lehrreich ist ein Vergleich der End- stadien D' und D", welehe (abgesehen yon der durch den Druck gesetzten Deformation und yon der unvollstiindigen Ausbildung der Furche / in D") genau mit dem Schema D tibereinstimmen. Jeder Kern liegt genau in jener Portion yon Zellprotoplasma, in der er auch bei normaler Furchung liegen wiirde.

Ganz die gleiche Vorstellungsweise lasst sieh aber auch fur die Eehinodermeneier ungezwungen durchfUhren. Ieh will yon der Be- traehtung eines 32zelligen Stadiums ausgehen und der Einfaehheit

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halber annehmen, die Fig. 4 A stelle den vertikalen Durchsehnitt eines Fltrehungsstadiums dar, welches aus vier tiber einander liegenden Kreisen

yon je acht Zellen besteht, yon denen die des Fig. 4. obersten Kreises am animalen Pole etwas

" A . / ~ kleiner sind, als die Ubrigen. Wie wird dieses Stadium aussehen mUssen, wenn die Furchung dutch einen Druck in der Richtung der Eiaehse abge~tndert wird? Dann wird die

~ ~ ~ - - - ~ ~---- Horizontalfurche 2 sehr versp~ttet auftreten, wie alle Furehen, welche den pressenden

' Platten parallel laufen und die sehriig ge- stellten Furehen 1 und 3 werden derart ab- gelenkt werden, dass sie auf die pressenden

Platten senkrecht stehen. Wir kommen auf diese Weise dutch Vermittlung der Fig. 5 B zur Fig. C.

Die Fig. 5 C wUrden wit zu betraehten haben als den Vertikal- durchschnitt einer Zellplatte, welche aus zwei koncentrischen Kreisen yon je acht Furchungskugeln besteht. Die Ringfurche, welehe die beiden Cyklen sondert, entspricht den Horizontalfurchen I und 3 des normalen Furehungsbildes, w~thrend die Horizontalfurche 2 noch unterdrUekt erscheint. Diese tritt bei Nachlass der Pressung in dem n~tchsten Stadium auf, dessert Vertikaldurchsehnitt unserer Fig. 5 B entspreehen wUrde. Ich babe an meinen Figuren auf der rechten

B

Fig. 5.

~ I 0

2 � 9

3

Pig. 6.

Seite angedeutet, wie man sich hier die Vertheilung der Kernquali- t~ten vorstellen k~nnte.

•ehmen wir an, der Druck h~tte in der Richtung der Furehe 2 eingewirkt. In diesem Falle wird die Furche 00 unterdruckt und es mUssten dann die Mikromeren am Rande der Zellplatte liegen, wie dies thats~chlieh in einzelnen F~tllen yon DRIESCa beobaehtet

Uber die l~edeutung ~ler Furchung gepresster Eier. 377

worden ist (vgl. Fig. 6 B' und C'). In gleieher Weise liisst sieh kon- struiren, in welcher Weise das Furchungsbild bei schr~ger Einwirkung der Pressung abgeiindert wird.

Worauf ieh Gewicht lege, ist nur das Faktum, dass wir keine Ursaehe haben anzunehmen, dass bei der Furchung unter Pressung die KernG irgend eine Verlagerung erfahren, welehe die Kernsub- stanzen an andere Stellen hinbringt, als dies unter normalen Ver- hliltnissen der Fall sein wiirde. Wir sind gar nieht geniithigt, eine derartige Annabme zu maehen. HierFtir mUssten erst specielle Be- weise beigebracht werden. Die Furchung unter Pressung beweist also wGder etwas fur noch gegen die qualitativG Kernhalbirung.

Wenn es sigh beweisen lieBe, class bei der Furchung unter Pressung die Kernsubstanzen auch stets an jene Stelle hinkommen, an welehe sie unter normalen Verhaltnissen gerathen wlirden (und dieser Fall ist ja dGnkbar, wig aus meinen Sehemen zu Grsehen ist), dann wUrde die durch die Pressung im Eiraume angeriehtGte Kon- fusion viel gednger sein, als dies DRIESCH und O. HERTWIG an- nehmen. Dann warden wir sagen kSnnen, dig Furehung unter Pressung unterseheidet sigh yon der normalen nur durch die Ana- chronismen im Auftreten einzelner Furchen und dutch geringft|gige Ablenkungen der Richtung der Furchen. Die Vertheilung der Sub- stanzen (sowohl des Zellleibes als tier Kerne) dagegen ist eine ganz gesetzmi~Bige und wird durch dig Pressung in keiner Weise alterirt.

Ich muss allerdings gestehen, dass ieh den Standpunkt yon DRIESCH und ~tERTVVIG theile, welche annehmen, dass s~mmtliche Kerne des Organismus bezUglich ihrer idioplastischen Potenz gleich- werthig sind. HierfUr scheinen mir dig Processe der HGteromorphose und Regeneration zu spreehen und dig Annabme besonderer Reserve- idioplasmen erseheint mir UberflUssig. Was ieh durchfUhrGn wollte, ist nur~ dass ich die Furehung unter Fressung nicht als Beweis fur diese Annahme anerkennen kann. Aueh seheint mir doeh aus Allem hervorzugehen, dass die Furehung in bestimmten gesetzm~Bigen Be= ziehungen zu dem sich entwiekelnden Embryo steht und dass DRIESCH und O. I~ERTWIG diesbezUglich tiber das Ziel hinaus- gesehossen haben.

Ihr etc. K. Heider.