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Dem würde Jan Isenbart, Direktor Forschung beim RTL-Vermarkter IP Deutschland, auch vehement wider- sprechen. Ohne sich konkret zu der Studie des öffentlich-rechtlichen Sen- ders zu äußern, stellt er generell in- frage, ob die geringe Zahl von Inter- views genügt, „ganzen Sendern oder Programmschienen einen ‚Persil- schein‘ in puncto Involvement oder Wirkung“ auszustellen. Isenbart ver- weist in diesem Zusammenhang auf den Impact Index, mit dem IP seit ei- nigen Jahren intensiv der Werbewir- kung auf den Grund zu gehen ver- sucht. „Er ist ein Maß für die Zuschau- erbindung und auch für eine hundert- prozentige Kontaktchance mit der Werbung“, sagt der Forscher. D ie Zahlen, die man dabei seit Jahren generiere, „sprechen über die Zuschauerbindung bei ARD und ZDF am Vorabend Bände und zeigen sie eher im Mittelfeld und unteren Bereich denn an der Spitze“, stänkert Isenbart. Er fügt aber auch an, dass als Fazit aus der eigenen For- schung gelte: „Das konkrete Pro- gesehenen Werbespots erinnern. Im zweiten, dem „zerstreut involvierten Modus“ wird Werbung zwar wahrge- nommen, die volle Konzentration liegt aber nicht darauf. Der dritte Zustand ist schließlich das „abgespaltene Durchrauschen“: Die Probanden sa- hen zwar so aus, als würden sie den Werbeblock aufmerksam verfolgen, konnten sich im Anschluss aber nicht zu Marken oder Spotinhalten äußern. „Das wäre für Werbungtreibenden natürlich nicht die Optimallinie beim TV-Publikum“, sagt Uwe Esser, Leiter der TV-Vermarktung ARD-Werbung Sales & Services (AS&S). „Unser Kon- zept zielt auf die aktive Involvierung der Zuschauer.“ Erfreulich für Esser ist dabei, dass laut Studie die Nutzer des ARD-Programms zu einem großen Teil genau in dieser aufmerksamen Haltung sind, wenn sie das dortige Vorabendprogramm sehen. Wohlge- merkt: „Es handelt sich dabei um Wir- kungsvoraussetzungen“, sagt Esser. Ob das Involvement jedes einzelnen ARD-Zuschauers tatsächlich höher ist als das von Privatsendernutzern, kann mit der Studie nicht belegt werden. grammumfeld und das dadurch gene- rierte Zuschauer-Involvement kann die Wirkung des Werbeblocks signifi- kant beeinflussen.“ Und damit befindet er sich dann doch exakt auf einer Linie mit den Kol- legen der ARD, die dies gar nicht be- streiten. Im Gegenteil: „Jeder sucht sich doch bewusst das Programm, das zu seiner Stimmung passt“, sagt Mat- thias Kiefer, Leiter der AS&S-Fernseh- forschung. „Die Erzählweise des Vor- abendprogramms im Ersten und dem der Privaten unterscheidet sich deut- lich. Bei uns kommt der Zuschauer in verlässlichen Qualitätsumfeldern zur Ruhe und steigt behutsam in den Pro- grammfluss ein, bei den Privaten wird eher der Thrill des Alltags in kurzer Taktung weitergedreht.“ Wer sich also bewusst für das in der Regel tempoärmere ARD-Angebot entscheidet, ist grundsätzlich schon in einer anderen Grundstimmung – und damit aufnahmefähiger für die Wer- bung. „Natürlich kann auch ein Zu- schauer bei RTL und Sat 1 in diesen Modus kommen“, so Kiefer. „Wir sprechen hier nur von Tendenzen.“ Bestätigung finde man mit den Stu- dienergebnissen allemal bei Werbe- kunden, so Vermarktungschef Esser. In einer extrem zahlengetriebenen Me- dienlandschaft stellt er zunehmend fest, dass Kunden wieder verstärkt nach der Wirkung des Investments fra- gen: „Was nützt schließlich der beste Rabatt, wenn beim Zuschauer nichts ankommt oder die Umfelder nicht stimmen?“ Nicht zuletzt versuchen die Verantwortlichen, die Ergebnisse für die Programmplanung des Vorabends zu nutzen – der seit Jahren das Sor- genkind des Senders ist. Die anfäng- lichen Reichweitenerfolge des Spin- offs „In aller Freundschaft – Die junge Ärzte“, seit Ende Januar on Air sehen Esser und Kiefer als Bestätigung: „Das Programm hat viel ausprobiert und ist auch mit einigem gescheitert. Aber die- ses Format ist vielversprechend und bedient genau diese psychologische Rezeptionshaltung unserer Zuschauer am Vorabend.“ BETTINA SONNENSCHEIN Das Programm zur Stimmung Der TV-Vorabend dient vielen Zuschauern zum Entspannen – je weniger gestresst sie sind, umso besser nehmen sie auch die Werbung wahr HORIZONTEXTRA 9-2015 / 26. Februar 2015 TV-Werbetrends 2015 Anzeige Neukundengeschäft im TV 34 Mediaexperten zu RTA 35 Werbung pusht Website-Traffic 35 F eierabend, Fernsehgerät an- schalten, Alltag ausblenden: Für viele TV-Zuschauer ist das ein Ritual. Doch in welcher Stim- mung sind sie in diesen frühen Abend- stunden? Nehmen sie die Botschaften von Werbungtreibenden wahr, wäh- rend ihr Geist zur Ruhe kommt? Wel- che psychologischen Aspekte spielen dabei eine Rolle? Diesen Fragen woll- ten die Verantwortlichen der ARD Fernsehforschung auf den Grund ge- hen und haben gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen Con- cept M eine qualitative Studie erstellt, die die Werberezeptionsverfassung jenseits von messbaren Zahlenwerten untersucht. Im Alltagsstudio von Con- cept M fanden dafür 30 Sessions mit Testzuschauern statt, die sich dort bei ihrem normalen Vorabend-Fernseh- konsum beobachten ließen. Das Ergebnis zeigt drei Modi, die die unterschiedlichen Wahrneh- mungsstufen beschreiben. Im soge- nannten „aktiv involvierten Modus“ herrscht beim Zuschauer eine hohe Aufmerksamkeit, er ist entspannt und kann sich auch später bestens an die

TV-Werbetrends 2015

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Dem würde Jan Isenbart, DirektorForschung beim RTL-Vermarkter IPDeutschland, auch vehement wider-sprechen. Ohne sich konkret zu derStudie des öffentlich-rechtlichen Sen-ders zu äußern, stellt er generell in-frage, ob die geringe Zahl von Inter-views genügt, „ganzen Sendern oderProgrammschienen einen ‚Persil-schein‘ in puncto Involvement oderWirkung“ auszustellen. Isenbart ver-weist in diesem Zusammenhang aufden Impact Index, mit dem IP seit ei-nigen Jahren intensiv der Werbewir-kung auf den Grund zu gehen ver-sucht. „Er ist ein Maß für die Zuschau-erbindung und auch für eine hundert-prozentige Kontaktchance mit derWerbung“, sagt der Forscher.

D ie Zahlen, die man dabei seitJahren generiere, „sprechenüber die Zuschauerbindung bei

ARD und ZDF am Vorabend Bändeund zeigen sie eher im Mittelfeld undunteren Bereich denn an der Spitze“,stänkert Isenbart. Er fügt aber auchan, dass als Fazit aus der eigenen For-schung gelte: „Das konkrete Pro-

gesehenen Werbespots erinnern. Imzweiten, dem „zerstreut involviertenModus“ wird Werbung zwar wahrge-nommen, die volle Konzentration liegtaber nicht darauf. Der dritte Zustandist schließlich das „abgespalteneDurchrauschen“: Die Probanden sa-hen zwar so aus, als würden sie denWerbeblock aufmerksam verfolgen,konnten sich im Anschluss aber nichtzu Marken oder Spotinhalten äußern.

„Das wäre für Werbungtreibendennatürlich nicht die Optimallinie beimTV-Publikum“, sagt Uwe Esser, Leiterder TV-Vermarktung ARD-WerbungSales & Services (AS&S). „Unser Kon-zept zielt auf die aktive Involvierungder Zuschauer.“ Erfreulich für Esserist dabei, dass laut Studie die Nutzerdes ARD-Programms zu einem großenTeil genau in dieser aufmerksamenHaltung sind, wenn sie das dortigeVorabendprogramm sehen. Wohlge-merkt: „Es handelt sich dabei um Wir-kungsvoraussetzungen“, sagt Esser.Ob das Involvement jedes einzelnenARD-Zuschauers tatsächlich höher istals das von Privatsendernutzern, kannmit der Studie nicht belegt werden.

grammumfeld und das dadurch gene-rierte Zuschauer-Involvement kanndie Wirkung des Werbeblocks signifi-kant beeinflussen.“

Und damit befindet er sich danndoch exakt auf einer Linie mit den Kol-legen der ARD, die dies gar nicht be-streiten. Im Gegenteil: „Jeder suchtsich doch bewusst das Programm, daszu seiner Stimmung passt“, sagt Mat-thias Kiefer, Leiter der AS&S-Fernseh-forschung. „Die Erzählweise des Vor-abendprogramms im Ersten und demder Privaten unterscheidet sich deut-lich. Bei uns kommt der Zuschauer inverlässlichen Qualitätsumfeldern zurRuhe und steigt behutsam in den Pro-grammfluss ein, bei den Privaten wirdeher der Thrill des Alltags in kurzerTaktung weitergedreht.“

Wer sich also bewusst für das in derRegel tempoärmere ARD-Angebotentscheidet, ist grundsätzlich schon ineiner anderen Grundstimmung – unddamit aufnahmefähiger für die Wer-bung. „Natürlich kann auch ein Zu-schauer bei RTL und Sat 1 in diesenModus kommen“, so Kiefer. „Wirsprechen hier nur von Tendenzen.“

Bestätigung finde man mit den Stu-dienergebnissen allemal bei Werbe-kunden, so Vermarktungschef Esser.In einer extrem zahlengetriebenen Me-dienlandschaft stellt er zunehmendfest, dass Kunden wieder verstärktnach der Wirkung des Investments fra-gen: „Was nützt schließlich der besteRabatt, wenn beim Zuschauer nichtsankommt oder die Umfelder nichtstimmen?“ Nicht zuletzt versuchen dieVerantwortlichen, die Ergebnisse fürdie Programmplanung des Vorabendszu nutzen – der seit Jahren das Sor-genkind des Senders ist. Die anfäng-lichen Reichweitenerfolge des Spin-offs „In aller Freundschaft – Die jungeÄrzte“, seit Ende Januar on Air sehenEsser und Kiefer als Bestätigung: „DasProgramm hat viel ausprobiert und istauch mit einigem gescheitert.Aber die-ses Format ist vielversprechend undbedient genau diese psychologischeRezeptionshaltung unserer Zuschaueram Vorabend.“ BETTINA SONNENSCHEIN

Das Programm zurStimmungDer TV-Vorabend dient vielenZuschauern zum Entspannen –je weniger gestresst sie sind,umso besser nehmen sie auchdie Werbung wahr

HORIZONTEXTRA9-2015 / 26. Februar 2015

TV-Werbetrends 2015

Anzeige

Neukundengeschäft im TV 34Mediaexperten zu RTA 35Werbung pushtWebsite-Traffic 35

Feierabend, Fernsehgerät an-schalten, Alltag ausblenden: Fürviele TV-Zuschauer ist das einRitual. Doch in welcher Stim-

mung sind sie in diesen frühen Abend-stunden? Nehmen sie die Botschaftenvon Werbungtreibenden wahr, wäh-rend ihr Geist zur Ruhe kommt? Wel-che psychologischen Aspekte spielendabei eine Rolle? Diesen Fragen woll-ten die Verantwortlichen der ARDFernsehforschung auf den Grund ge-hen und haben gemeinsam mit demMarktforschungsunternehmen Con-cept M eine qualitative Studie erstellt,die die Werberezeptionsverfassungjenseits von messbaren Zahlenwertenuntersucht. Im Alltagsstudio von Con-cept M fanden dafür 30 Sessions mitTestzuschauern statt, die sich dort beiihrem normalen Vorabend-Fernseh-konsum beobachten ließen.

Das Ergebnis zeigt drei Modi, diedie unterschiedlichen Wahrneh-mungsstufen beschreiben. Im soge-nannten „aktiv involvierten Modus“herrscht beim Zuschauer eine hoheAufmerksamkeit, er ist entspannt undkann sich auch später bestens an die

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TV-Werbetrends 201534 HORIZONTEXTRA / 9 / 2015 - 26.Februar 2015

Ein Umsatzanstieg von 70 Pro-zent im Vergleich zum Vorjahr.Die Steigerung der Markenbe-kanntheit von 48 auf 68 Pro-

zent. Eine Verdoppelung der Werbeer-innerung – Helmut Schlotterer, Grün-der, Inhaber und Vorsitzender der Ge-schäftsführung des FashionlabelsMarc Cain im baden-württembergi-schen Bodelshausen, kann wirklichmehr als zufrieden sein. Im Frühjahr2014 hat das Unternehmen seine erstenTV-Spots ausgestrahlt und die Ergeb-nisse sprechen für sich: „Ergänzend zuden klassischen Anzeigen in Print undOnline sowie unseren Point-of-Sale-Aktivitäten haben wir mit der neuenTV-Kampagne den idealen Mix unse-rer Markenkommunikation erreicht“,sagt Schlotterer.

Die Marke ist nur ein Beispiel vonvielen. Einstimmig bestätigen Fernseh-vermarkter einen spürbaren Zulauf anNeukunden oder solchen, die langenicht im TV geworben haben. „Fern-sehwerbung ist zurzeit bei vielen klei-neren und mittelständischen Unter-nehmen en vogue“, sagt Sabine Eck-hardt, Geschäftsführerin von Seven-

One Media, München. „2014 war füruns mit 134 zahlenden Neukundendiesbezüglich wirklich ein Rekord-jahr.“ Allein seit Jahresbeginn seienweitere 30 hinzugekommen. Und dieBetonung liegt wohlgemerkt auf zah-lend. Schließlich ist der Vermarkter derPro-Sieben-Sat-1-Sender auch bekanntfür seine intensiven Aktivitäten rundum Media for Equity. Doch ob MarcCain, Thomas Sabo, Kieser Trainingund seit diesen Tagen Dehner Garten-Center – hier fließt Geld. Vielleichtnicht gerade in Massen, aber Kleinviehmacht bekanntlich auch Mist.

„Wir sprechen hier von Kampagnenmit fünf- bis siebenstelligen Budgets“,bestätigt auch Verkaufsdirektorin Ni-

cola Zeus von IP Deutschland in Köln,wo der Trend wie bei den MünchnerKollegen positive Auswirkungen aufden Umsatz hat. Er passt zudem ganzins Konzept von IP-Chef MatthiasDang, der seit geraumer Zeit immerwieder die deutliche Absicht kundtut,klassische Printkunden von den Vor-teilen im Fernsehen zu überzeugen.

Testlauf für geringes Geld

Ob die Neukunden tatsächlich aus-schließlich Werbegelder umverteilen,um sich den vergleichsweise teuren TV-Auftritt zu leisten, ist indes noch nichteindeutig zu erkennen. „Das Budgetfür TV wurde zusätzlich investiert“,betont Marc-Cain-Chef Schlotterer.Das Ziel der gesteigerten Markenbe-kanntheit in Deutschland, Österreich,den Niederlanden und Belgien ist esihm wert, sodass die Marke gerade dienächste Spotserie abgedreht hat.

„Das Geld kommt aus unterschied-lichen Marketing- und Vertriebstöp-fen, aber gefühlt legen viele im Mo-ment ein bisschen aufs Budget drauf,um den Versuch zu starten“, sagt IP-

Managerin Zeus und Seven-One-Ge-schäftsführerin Eckhardt ergänzt: „Ei-nen Anreiz bietet sicher auch, dass dasswir durch unsere neuen Zielgruppen-sender passgenauere Angebote erstel-len können und beweglicher gewordensind.“

Soll heißen: Die Investitionen ma-chen sich bezahlt, die sowohl Pro Sie-ben Sat 1 als auch RTL Goup in denvergangenen Jahren in Nischenkanälegetätigt haben. Die nicht so sehr reich-weitenorientierten, aber zielgruppen-spezifisch klar austarierten Program-me wie Sixx, Sat1Gold und RTL Nitrobieten gerade kleineren Unternehmenein Umfeld, für etwas weniger Geld TVauszuprobieren. Die Möglichkeiten

der Aussteuerung sind damit um eini-ges reicher geworden. „Heute fragenNeukunden sehr gezielt nach Sonder-werbeformen“, sagt Eckhardt. Für sieist das Anschwellen der „Mittelstands-welle“ auch ein persönlicher Erfolg:Bei der Schaffung der Pro-Sieben-Sat-1-Nischensender sei ihr schon baldbewusst gewesen, dass hier ein Umfeldfür kleinere Budgets geschaffen werde.

Nur dass es preislich heute ehermachbar erscheint als vor einigen Jah-ren, erklärt aber nicht allein den Trendzur Fernsehkampagne. So unterliegenbeispielsweise viele E-Commerce-Un-ternehmen dem Druck, durch die aus-schließliche Präsenz in ihrem Heimat-kanal nicht genügend Geschäft zu ge-nerieren. „Mit dem Digitalen alleinkommen sie nicht voran beim Marken-aufbau“, sagt Jens Ihlenfeld, der alsfreier Mediaberater tätig ist. „Da stehtirgendwann die Frage im Raum, wieman effizient und effektiv Erfolge inSachen Markenbekanntheit undImagepositionierung erzielt.“ Bewegt-bild sei hier oft das Werbemittel derersten Wahl. Auch Unternehmen, diezuvor nur im regionalen Umfeld oderin Fachzeitschriften geworben haben,nennt Ihlenfeld als deutlich interessier-ter an TV als noch vor kurzem.

Ein Beispiel dafür ist Bora. Die Hol-ding mit Sitz im österreichischen Nie-derndorf und oberbayerischen Raub-ling produziert einen Dunstabzug derbesonderen Art: Nicht nach oben, son-dern nach unten werden Koch- undKüchengerüche abgesaugt. Hört sichmerkwürdig an? „Unser Produkt lässtsich tatsächlich am besten durch Be-wegtbild verstehen“, sagt Goce Ando-nov, Leitung Marketing Bora. Weilman das Gerät einfach in Aktion sehenmuss, habe man auf klassische Print-werbung schon immer verzichtet undviel im PR- und Eventbereich gemacht.Ausgelöst von einem im vergangenenSommer begonnenen Sponsoring imRadsport setzte man dann erstmals aufentsprechende Spots im Umfeld derSportberichterstattung.

Dabei wurde klar, dass die Bora-Zielgruppe eine sehr sportliche ist:„Bei Ausstrahlung der Spots unter derWoche haben sich die Kataloganfragenauf unserer Website verdoppelt, amSamstag und Sonntag jeweils sogarverfünffacht“, erzählt Andonov. Auchdas – neben gestiegenen Abverkäufen –hat das Unternehmen dazu bewogen,das TV-Engagement noch auszudeh-nen. Neben Eurosport stehen ARDund N-TV im Fokus – stets gezielt imRahmen von Sport.

Video-Content im Netz ermutigt

Inzwischen zieht das Unternehmenauch eine Mediaagentur zur Auswahlder Sendeplätze hinzu. „Bislang habenwir es gut allein hinbekommen“, soAndonov. Nun aber gehe es um die in-ternationale Ausrichtung unter ande-rem nach Holland und Australien. Umden dortigen TV-Markt zu bedienen,sollen die Profis ran. Eine Einstellung,die Berater Ihlenfeld nur gutheißt, be-obachtet er doch die direkte Abwick-lung zwischen Vermarktern und Wer-bungtreibenden verständlicherweisemit gemischten Gefühlen.

Gefühle wiederum sind es eben, dieden TV-Vermarktern die neuen Kun-den ins Haus bringen. Ob Dunstabzugoder Mode – die Emotionalisierungdurch bewegte Bilder tut offensichtlichallen gut. Der Boom von Video-Con-tent im Digitalen mag dabei noch einzusätzlich inspirierender Faktor sein:„Es sieht durchaus danach aus, dassdie Kunden grundsätzlich von Bewegt-bild überzeugt sind, in TV und imNetz“, sagt IP-Frau Zeus.

BETTINA SONNENSCHEIN

Auch KleinezeigenGefühleDie Investitionen in Nischensender, der Hype um Bewegt-bild und die Möglichkeit, Marken zu emotionalisieren,überzeugen immer mehr Kunden von TV-Werbung

Bora und Marc Cain (oben und Mitte) sind nach kurzem Engagement im TVbereits davon überzeugt, Dehner startet gerade die ersten Versuche

HORIZONTEXTRAist ein Sonderteil vonHORIZONT, ZeitungfürMarketing,Werbung undMedien

Chefredaktion:Dr. UweVorkötter(V.i.S.d.P.), Volker Schütz, Jürgen ScharrerRessortleitung:Dr. Jochen ZimmerTelefon 069/7595-2695E-Mail: [email protected]: Bettina Sonnenschein,LisaNaumann

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35TV-Werbetrends 2015HORIZONTEXTRA / 9 / 2015 - 26.Februar 2015

CATWALK ALS MARKENBÜHNEProduktplatzierungen und TV-Spots könnenzu deutlich mehr Visits auf den Websites vonWerbungtreibenden führen: Diese Erfahrunghat der Erlebnisgeschenk-Anbieter Mydaysgemacht, der in der 9. Staffel der Cast-ingshow „Germany’s next Topmodel“ ent-sprechende Werbebuchungen auf Pro Siebenvorgenommen hat. Eine begleitende Studiezeigt, dass Mydays seine Bekanntheit deut-lich steigern konnte. Das Interessante dabei:Unmittelbar nach dem Fernsehspot oder Pro-duct Placement schossen die Visits auf My-days.de in die Höhe – bis zu 480 Besucher,etwa zehnmal mehr als während der laufen-den Sendung. Ein Großteil der Zugriffe erfolg-te von mobilen Endgeräten, vor allem vonSmartphones (circa 60 Prozent), etwa einFünftel über Tablets und Laptops. Die Studieentstand in Zusammenarbeit mit dem Markt-forschungsinstitut Forsa mithilfe einer Tra-ckingmethode. Dazu wurden bis zu1000 Frau-en zwischen 14 und 49 Jahren befragt.

LISA NAUMANN

Visits in Abhängigkeit von TV-Spots und Produktplatzierung

Mydays-Werbung führt zu Interaktion

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Quelle: Seven-One Media HORIZONT 9/2015

Angaben in Tausend

Produktplatzierung

Sendung„Germany’s Next Topmodel“vom 27.03.2014

TV-SpotMobiltelefonGesamt

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Die Zukunft klopft an die Tür

Anja Stockhausen, Director TVZenith Optimedia

Andrea Malgara, GeschäftsführerMediaplus Gruppe

Frank Sültmann, GeschäftsführerAmnet

Christian Zimmer, Managing Di-rector Media Team OMD

Real Time Advertising für TV wird dann zumDurchbruch kommen, wenn TV großflächigkomplett über das Internet-Protokoll aus-gestrahlt wird beziehungsweise ausge-strahlt werden kann. Sobald TV-Spots nichtmehr über die Sendeanstalten verwaltet,sondern direkt über agentureigene Ad-Server zum Sender gelangen, eröffnen sichquasi alle Möglichkeiten des Real TimeAdvertising, das wir bereits heute vonOnlinedisplay-Kampagnen kennen.Und was den Einkauf betrifft, ist dieserheute schon viel näher dran an Real Time alsnoch vor wenigen Jahren: Schaltungenwerden inzwischen bis zur Ausstrahlung imSchnitt ein Dutzend Mal optimiert – undvieles davon läuft bereits automatisiert überOnline-Buchungssysteme. Die Zeiten vonPapier, Bleistift und einer Excel-Tabelle sindlängst vorbei!

In den USA laufen bereits von einzelnenSendern Tests in einzelnen Programm-formaten. Für Deutschland sehe ich einenmöglichen Beginn in den nächsten drei bisfünf Jahren. Real Time Advertising imMedium TV wird den herrschenden TV-Planungs-, Buchungs- und Optimierungs-prozess revolutionieren und der digitalenWirtschaft angleichen. Das wird für alleBeteiligten nachhaltige Konsequenzenhaben, vor allem aber für die TV-Vermarkter.Die wichtigsten Voraussetzungen sindtechnisch zuverlässige und solide Lösungen,etwa solche, die das „live“ Ausspielen desTV-Spots durch den sekundenschnellenRTB-Prozess ermöglichen. Zudem müsstenmehr als aktuell circa 40 Prozent der Smart-TVs in deutschen Haushalten tatsächlichauch ans Internet angeschlossen sein.

Wann wird Real TimeAdvertising für TV nachIhrer Schätzung zumDurchbruch kommenund unter welchenVoraussetzungen?

Mit welchen Aus-wirkungen auf diePreisgestaltungrechnen Sie, wenndas TV-Inventargroßflächig überRTA verfügbar ist?

Programmatic-TV würde den Verkauf vonTV-Inventar effizienter machen, für besseresYield-Management sorgen, Transaktionenauf Datenbasis ausführbar machen, eineEchtzeitoptimierung realisieren und schließ-lich sogar einzelne Haushalte adressieren,um dem immer fragmentierteren Medien-nutzungsverhalten gerecht zu werden. Damithätten die Werbeträger und die Agenturendie Möglichkeit, den aktuell noch indirektüber Panel-Ableitungen stattfindendenZielgruppen-Einkauf datengestützt und inEchtzeit für die Werbungtreibenden um-zusetzen. Die technischen Möglichkeitenwären in zwei bis drei Jahren vorhanden, derKundenbedarf ist heute schon zu erkennen,um die Nachweisbarkeit von Wirkungs-parametern von TV, Online-Bewegtbild,Youtube und und Co vergleichbar zu machen.

In unserer Zukunftsstudie „Media Map 4“prognostizieren wir, dass 2020 circa 44Prozent der Werbung programmatischausgeliefert werden. Das gilt nicht nur fürdigitale Kanäle, sondern auch für (On-Demand-)TV. Voraussetzungen sind internet-fähige Endgeräte in einer relevanten Grö-ßenordnung und die Möglichkeit der Aus-lieferung der Werbemittel durch einen AdServer. Eine zentrale Data-Management-Plattform und die Investition in technischesKnow-how sowie in Datenintelligenz viaBusiness Intelligence Units sind ebenfallsvon zentraler Wichtigkeit. Schon heutewerden die Grundlagen geschaffen: DieKommunikation wird immer personalisierterund auch die gängigen Preismodelle ändernsich. Sie wandeln sich weg von TKP-Model-len hin zu Abrechnungsmodellen für relevan-te Kontakte und auktionsbasierte Ansätze.

Es wird eine Angleichung an die digitaleWelt stattfinden. Über RTB wird TV-Contentvermarktet, der zur breiten Streuung in derMasse oder im gewünschten Zielgruppen-bereich beiträgt. Hier werden die Vermarkterdie Preisgestaltung weniger in ihrem Sinnesteuern können als zuvor. Aber: Sofern derTV-Markt weiterhin so überhitzt, wie es sichderzeit abzeichnet, könnte dies auch positivim Ergebnis ausfallen. Darüber hinaus wirdes TKP-Buchungen für Premium-Contentgeben, hier werden die TV-Vermarkter einerAnbindung an RTB-Prozesse zunächst ehernicht zustimmen. Insgesamt rechne ich miteinem neutralisierenden Effekt: Die Ver-marktung von Spotplatzierungen über RTBwird das Preisgefüge eher drücken, beiPremium-Content eher steigern.

Wir gehen davon aus, dass RTA im TVvorerst noch eine marginale Rolle spielenbeziehungsweise vor allem den Longtail-Bereich betreffen wird. Aber wenn der„Echtzeitschnitt“ irgendwann kommt, gehenwir davon aus, dass sich TV-Schaltungen indrei Kategorien einteilen lassen. Erstens:Heiß begehrte Top-Platzierungen, bei deneneine Echtzeit-Versteigerung einen höherenPreis bringen kann. Zweitens ein mittleresQualitätsniveau, bei dem nach Preislisteverrechnet wird, und drittens Inventar mit„geringerer Qualität“, das einen geringerenBeitrag zu den Kampagnenzielen leistet undbei dem RTA sicherlich zu Preisreduktionenführen kann.

Die eingängige Meinung, programmatischsei gleichzusetzen mit einem automatischenPreisverfall, wird wie im Display-Bereichauch im TV nicht der Fall sein. Die Preis-hoheit wird jedoch nicht mehr ausschließlichbeim Werbeträger liegen und sich mit derMarke oder den redaktionellen Inhaltenbegründen lassen, sondern wird durch denmessbaren Wirkungsbeitrag ermittelt.Dieser wird von Agenturen, die diesesZusammenspiel orchestrieren, für denKunden aufbereitet und als Handlungs-empfehlung in den Planungsprozess zurück-geführt. Doch solange die nicht programma-tische Nachfrage weiter ein Nettowachstumproduziert, wird die Frage zur Effizienz oderEffektivität nicht beantwortet werdenkönnen und damit auch nicht die Aus-wirkungen von verändertem Mediennut-zungsverhalten durch die der Konsumenten.

Preise müssen, wie wir auch schon in deraktuellen Entwicklung im digitalen Bereichsehen, durch einen Real-Time-Advertising-Ansatz nicht zwingend erodieren. Ziel-gruppenkontakte, die aufgrund von Daten-anreicherungen spezifischer werden, wer-den in ihrer „Wertigkeit“ steigen, da einnahezu streuverlustfreier Einkauf möglichist. Die Preise werden sich somit entspre-chend anpassen.

Internetfähige TV-Gerätemachen das automatisier-te Ausspielen von Kam-pagnen auch im Fernse-hen möglich. HORIZONThat Mediaexperten nachReal Time Advertising imTV gefragt

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