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Tieffrequente Luftschalld¨ ammung mit akustischen Membran-Metamaterialien Felix Langfeldt * , Wolfgang Gleine Hochschule f¨ ur Angewandte Wissenschaften Hamburg, 20099 Hamburg, Deutschland * E-mail: [email protected] Knapp zehn Jahre sind vergangen, seitdem Yang u.a. [1] zum ersten Mal die so genannten akustischen Membran- Metamaterialien (engl. membrane-type acoustic metama- terials, MAMs) vorgestellt haben. Diese Metamaterialien haben bei Forschern und Industrie großes Interesse f¨ ur eine m¨ ogliche Anwendung im Schallschutz, insbesondere im tieffrequenten Bereich gefunden. Akustische Membran-Metamaterialien bestehen aus ei- ner d¨ unnen, vorgespannten Membran mit darauf auf- gebrachten Massen. Eine Rahmenstruktur unterteilt die Membran in mehrere rechteckige Einheitszellen, die oglichst klein gegen¨ uber der akustischen Wel- lenl¨ ange sein sollen. Abb. 1 zeigt den Aufbau und die Komponenten einer typischen MAM-Einheitszelle. Durch diesen Aufbau sind MAMs sehr leicht und unn. Das Schalld¨ ammmaß R einer solchen Einheits- zelle weist im tieffrequenten Bereich – trotz geringer Fl¨ achenmasse schmalbandige Frequenzbereiche mit sehr hoher Schalld¨ ammung auf, die das zugeh¨ orige Mas- segesetz deutlich ¨ ubersteigt. Diese hohe Schalld¨ ammung ist die Folge von Anti-Resonanzen, bei denen die ¨ uber die Einheitszelle gemittelte Auslenkung der Membran ungef¨ ahr null ist und demzufolge keine Schallabstrah- lung in das Fernfeld erfolgen kann [1]. Die zugeh¨ origen Anti-Resonanzfrequenzen onnen beim Entwurf von Membran-Metamaterialien ¨ uber weite Frequenzbereich hinweg eingestellt werden, indem passende Membran- und Masseparameter gew¨ ahlt werden. Diese Eigenschaf- ten machen akustische Membran-Metamaterialien f¨ ur den Schallschutz interessant, vor allem in solchen An- wendungsbereichen, in denen die Masse und der zul¨ assige Bauraum f¨ ur Schallschutzmaßnahmen strengen Begren- zungen ausgesetzt sind (z. B. im Fahrzeug- oder Flug- zeugbau). Viele Untersuchungen zum besseren Verst¨ andnis und zur Optimierung der Schalld¨ ammung von MAMs sind seit der Ver¨ offentlichung durch Yang u.a. [1] durchgef¨ uhrt Rahmen Masse Membran Abbildung 1: Aufbau und Komponenten einer Membran- Metamaterial-Einheitszelle. worden, darunter z. B. experimentelle [1, 2] und analy- tische [3, 4] Arbeiten. Ein Großteil dieser Untersuchun- gen beschr¨ ankt sich jedoch auf einzelne bzw. wenige Ein- heitszellen, deren Schalld¨ ammung im Impedanzrohr bzw. unter ¨ ahnlichen Bedingungen in Simulationen ermittelt wird. Diese Testbedingungen repr¨ asentieren nur einen niedrigen Technologiereifegrad (engl. technology readi- ness level, TRL) von h¨ ochstens TRL 3, der sich nicht ohne weitere Entwicklungsarbeit auf industrielle Anwen- dungen ¨ ubertragen l¨ asst [5]. Bevor eine Erprobung von Membran-Metamaterialien an einem Prototypen im in- dustriellen Maßstab erfolgen kann, muss diese Schall- schutztechnologie mindestens TRL 5 erreichen. Daf¨ ur sind noch weitere Untersuchungen unter deutlich kom- plexeren Versuchsbedingungen n¨ otig, als bisher in der Li- teratur ver¨ offentlicht worden sind. In dem vorliegenden Beitrag werden aktuelle Forschungs- ergebnisse der Hochschule f¨ ur Angewandte Wissenschaf- ten Hamburg vorgestellt, die darauf abzielen, akusti- sche Membran-Metamaterialien als tieffrequent wirksa- me Schallschutztechnologie im Flugzeugbau zu h¨ oherer Technologiereife zu bringen. Dazu werden im folgen- den Abschnitt die wichtigsten technologischen Heraus- forderungen bei der Anwendung von MAMs als tief- frequente Luftschalld¨ ammungselemente dargelegt und ogliche L¨ osungsans¨ atze pr¨ asentiert. Anschließend wer- den erste Zwischenergebnisse von experimentellen Unter- suchungen an einem großskaligen Schallschutzschildde- monstrator mit integrierten Membran-Metamaterialien pr¨ asentiert, der eine Erreichung des f¨ ur die Industrialisie- rung so wichtigen TRL 5 erm¨ oglichen soll. Abschließend wird der aktuelle Stand der Technologiereife von akusti- schen Membran-Metamaterialien zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere Forschungs- und Entwicklungs- arbeiten gegeben. Technologische Herausforderungen ur die erfolgreiche Anwendung von akustischen Membran-Metamaterialien als tieffrequente Schallschutz- maßnahmen in praxisrelevanten Umgebungen sind noch viele technologische Herausforderungen zu l¨ osen. Neben zahllosen anwendungsspezifischen Anforderungen (z. B. armed¨ ammung oder Zertifizierung im Flugzeugbau) gibt es auch eine Reihe von akustischen Problemen. In den folgenden Unterabschnitten wird auf die drei wich- tigsten technologischen Herausforderungen beim Einsatz von akustischen Metamaterialien unter praxisnahen Be- dingungen eingegangen und m¨ ogliche L¨ osungsans¨ atze werden diskutiert. DAGA 2018 München 60

Tieffrequente Luftschalldämmung mit akustischen Membran

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Page 1: Tieffrequente Luftschalldämmung mit akustischen Membran

Tieffrequente Luftschalldammung mit akustischen Membran-Metamaterialien

Felix Langfeldt∗, Wolfgang GleineHochschule fur Angewandte Wissenschaften Hamburg, 20099 Hamburg, Deutschland

∗ E-mail: [email protected]

Knapp zehn Jahre sind vergangen, seitdem Yang u. a. [1]zum ersten Mal die so genannten akustischen Membran-Metamaterialien (engl. membrane-type acoustic metama-terials, MAMs) vorgestellt haben. Diese Metamaterialienhaben bei Forschern und Industrie großes Interesse fureine mogliche Anwendung im Schallschutz, insbesondereim tieffrequenten Bereich gefunden.

Akustische Membran-Metamaterialien bestehen aus ei-ner dunnen, vorgespannten Membran mit darauf auf-gebrachten Massen. Eine Rahmenstruktur unterteiltdie Membran in mehrere rechteckige Einheitszellen,die moglichst klein gegenuber der akustischen Wel-lenlange sein sollen. Abb. 1 zeigt den Aufbau unddie Komponenten einer typischen MAM-Einheitszelle.Durch diesen Aufbau sind MAMs sehr leicht unddunn. Das Schalldammmaß R einer solchen Einheits-zelle weist im tieffrequenten Bereich – trotz geringerFlachenmasse – schmalbandige Frequenzbereiche mitsehr hoher Schalldammung auf, die das zugehorige Mas-segesetz deutlich ubersteigt. Diese hohe Schalldammungist die Folge von Anti-Resonanzen, bei denen die uberdie Einheitszelle gemittelte Auslenkung der Membranungefahr null ist und demzufolge keine Schallabstrah-lung in das Fernfeld erfolgen kann [1]. Die zugehorigenAnti-Resonanzfrequenzen konnen beim Entwurf vonMembran-Metamaterialien uber weite Frequenzbereichhinweg eingestellt werden, indem passende Membran-und Masseparameter gewahlt werden. Diese Eigenschaf-ten machen akustische Membran-Metamaterialien furden Schallschutz interessant, vor allem in solchen An-wendungsbereichen, in denen die Masse und der zulassigeBauraum fur Schallschutzmaßnahmen strengen Begren-zungen ausgesetzt sind (z. B. im Fahrzeug- oder Flug-zeugbau).

Viele Untersuchungen zum besseren Verstandnis und zurOptimierung der Schalldammung von MAMs sind seitder Veroffentlichung durch Yang u. a. [1] durchgefuhrt

RahmenMasse

Membran

Abbildung 1: Aufbau und Komponenten einer Membran-Metamaterial-Einheitszelle.

worden, darunter z. B. experimentelle [1, 2] und analy-tische [3, 4] Arbeiten. Ein Großteil dieser Untersuchun-gen beschrankt sich jedoch auf einzelne bzw. wenige Ein-heitszellen, deren Schalldammung im Impedanzrohr bzw.unter ahnlichen Bedingungen in Simulationen ermitteltwird. Diese Testbedingungen reprasentieren nur einenniedrigen Technologiereifegrad (engl. technology readi-ness level, TRL) von hochstens TRL 3, der sich nichtohne weitere Entwicklungsarbeit auf industrielle Anwen-dungen ubertragen lasst [5]. Bevor eine Erprobung vonMembran-Metamaterialien an einem Prototypen im in-dustriellen Maßstab erfolgen kann, muss diese Schall-schutztechnologie mindestens TRL 5 erreichen. Dafursind noch weitere Untersuchungen unter deutlich kom-plexeren Versuchsbedingungen notig, als bisher in der Li-teratur veroffentlicht worden sind.

In dem vorliegenden Beitrag werden aktuelle Forschungs-ergebnisse der Hochschule fur Angewandte Wissenschaf-ten Hamburg vorgestellt, die darauf abzielen, akusti-sche Membran-Metamaterialien als tieffrequent wirksa-me Schallschutztechnologie im Flugzeugbau zu hohererTechnologiereife zu bringen. Dazu werden im folgen-den Abschnitt die wichtigsten technologischen Heraus-forderungen bei der Anwendung von MAMs als tief-frequente Luftschalldammungselemente dargelegt undmogliche Losungsansatze prasentiert. Anschließend wer-den erste Zwischenergebnisse von experimentellen Unter-suchungen an einem großskaligen Schallschutzschildde-monstrator mit integrierten Membran-Metamaterialienprasentiert, der eine Erreichung des fur die Industrialisie-rung so wichtigen TRL 5 ermoglichen soll. Abschließendwird der aktuelle Stand der Technologiereife von akusti-schen Membran-Metamaterialien zusammengefasst undein Ausblick auf weitere Forschungs- und Entwicklungs-arbeiten gegeben.

Technologische Herausforderungen

Fur die erfolgreiche Anwendung von akustischenMembran-Metamaterialien als tieffrequente Schallschutz-maßnahmen in praxisrelevanten Umgebungen sind nochviele technologische Herausforderungen zu losen. Nebenzahllosen anwendungsspezifischen Anforderungen (z. B.Warmedammung oder Zertifizierung im Flugzeugbau)gibt es auch eine Reihe von akustischen Problemen. Inden folgenden Unterabschnitten wird auf die drei wich-tigsten technologischen Herausforderungen beim Einsatzvon akustischen Metamaterialien unter praxisnahen Be-dingungen eingegangen und mogliche Losungsansatzewerden diskutiert.

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Schmalbandigkeit der Anti-Resonanzen

Typischerweise betragt die relative Bandbreite des Fre-quenzbands, in dem das Schalldammmaß eines MAMsdas Massegesetz um 15 dB ubersteigt, etwa 25 % bezogenauf die zugehorige Anti-Resonanzfrequenz. Das bedeutetzum Beispiel fur eine zu dammende tonale Schallquellebei 100 Hz, dass die Metamaterialien auf ±12.5 Hz genauabgestimmt werden mussen bzw. die Frequenz der Schall-quelle, z. B. aufgrund von Drehzahlanderungen, nur indiesem Frequenzbereich variieren darf, um eine hinrei-chend große Schalldammung zu gewahrleisten. Fur vie-le praktische Schallschutzprobleme ist diese Bandbreitezu gering. Bei Flugzeugen mit neuartigen Propellertrieb-werken z. B. schwankt die Drehzahl (und damit die Fre-quenzen der Grundtone im Triebwerkslarmspektrum) umetwa 30 % [6].

Zur Verbesserung der Bandbreite von MAMs sind ver-schiedene Ansatze bekannt. So konnen beispielsweisemehrere MAM-Lagen ubereinander angeordnet werden.Die Anti-Resonanzen der einzelnen Lagen uberlagernsich dann, wodurch die Bandbreite verbessert werdenkann [2]. Dieser Ansatz hat jedoch den Nachteil, dassmit jeder weiteren Lage die Masse und der notige Bau-raum fur die Metamaterialien ansteigt und somit die ge-wonnene Bandbreite effektiv verringert wird. Aus die-sem Grund wurden alternative Konzepte zum Umgangmit der Schmalbandigkeit von MAMs entwickelt. In[7] wird z. B. gezeigt, dass es moglich ist, die Anti-Resonanzfrequenzen von MAMs gezielt zu verschieben,indem die Membranoberflache mit einem statischen Dif-ferenzdruck beaufschlagt wird, der z. B. aus vorhandenenDruckluftleitungen fur die Klimatisierung entnommenwerden kann. Durch die geometrische Nichtlinearitat beider Verformung der Membran erhoht sich die Membran-steifigkeit und die Anti-Resonanzen konnten um 15 % beieinem Differenzdruck von 1000 Pa erhoht werden. Da-durch wurde sich die effektive Bandbreite der MAMs aufetwa 40 % vergroßern. Ein anderer, grundsatzlich passi-ver Losungsansatz verwendet Ringmassen und Perfora-tionen in der Membran [8]. Durch das in der Ringmas-se und der Perforation eingeschlossene Luftvolumen wirdein zusatzlicher Freiheitsgrad in das System eingefuhrt,der nahezu unabhangig von der Membran schwingenkann. Das fuhrt zu eine zusatzlichen Anti-Resonanz imSchalldammmaß des Metamaterials, ohne dass die Masseverandert wurde. Durch diesen Effekt konnte die rela-tive Bandbreite eines MAM (summiert uber alle Anti-Resonanzen) auf 60 % erhoht werden.

Skalierbarkeit

Ein weiterer praxisrelevanter Aspekt, der bisher nur vonwenigen Studien in Betracht gezogen worden ist, istdie Skalierbarkeit der MAMs von einfachen Einheits-zellen auf großflachigere Geometrien. Wie Peiffer u. a.[9] gezeigt haben, konnen die akustischen Eigenschaftenvon Einheitszellen (z. B. durch Impedanzrohrmessungenermittelt) nicht unbedingt auf großere, mehrere Qua-

dratmeter große Strukturen ubertragen werden. Grundhierfur ist die Nachgiebigkeit der Strukturen (z. B. desGitters im Falle von mehrzelligen MAM-Paneelen), dieim Falle von Einheitszellen oft vernachlassigt bzw. imImpedanzrohr aufgrund von Einspanneffekten viel zu ge-ring ist.

Zur Untersuchung der Skalierbarkeit von Membran-Metamaterialien wurden FEM-Simulationen fur dieSchalldammung eines MAM-Paneels mit 120 doppelsei-tigen Einheitszellen (1,2 × 1 m2) durchgefuhrt und mitMessergebnissen aus einem Transmissionsprufstand nachDIN EN ISO 15186-1 verglichen. Abb. 2 zeigt den Aufbaudes Simulationsmodells. Weitere Details uber den Aufbaudes MAM-Paneels konnen aus [10] entnommen werden.Das angrenzende Fluid wurde mit perfectly machted layer(PML) begrenzt, um eine Abstrahlung ins Freifeld zu si-mulieren. Das Stutzgitter wurde einmal mit elastischenEigenschaften (MDF, wie im Experiment) und einmalideal starr simuliert, um den Einfluss der Gitternachgie-bigkeit zu quantifizieren. Die Simulations- und Messer-gebnisse sind in Abb. 3 dargestellt. Mann erkennt, dassim Falle eines ideal starren Gitters (rote Kurve) die bei-den Anti-Resonanzen der MAM-Lagen bei 140 Hz und190 Hz deutlich sichtbar sind mit Schalldammmaßwertenvon zum Teil uber 35 dB. Im Vergleich dazu sind dieAnti-Resonanzen in der Messung und der Simulationmit elastischem Gitter aus MDF nicht mehr so deut-lich und die gemessene Schalldammung betragt hochstens25 dB, was im Vergleich zum Massegesetz aber immernoch ein betrachtlicher Wert ist. Auch ist zu erkennen,dass bei ganz tiefen Frequenzen im so genannten steifig-keitsdominierten Bereich die Schalldammung des MAM-Paneels mit starrem Gitter sehr groß wird, wahrend inden Messungen und Simulationen mit MDF-Gitter dieSchalldammung im wesentlich realistischeren Wertebe-reich um 10 dB liegt.

Zusammenfassend lasst sich sagen, dass die Skalierbar-keit von MAMs gegeben ist, solange die Stutzstruktureine genugende Steifigkeit besitzt. Es muss aber, im Ver-gleich zu ideal starren Gitterstrukturen, mit Einbußen inder maximal erreichbaren Schalldammung gerechnet wer-den. Außerdem sind hinreichend steife Gitterstrukturenunter Umstanden vergleichsweise schwer. Deswegen soll-ten hierfur neue, leichtgewichtige Materialien eingesetztwerden, die das geringe Gewicht der MAMs nicht zu sehrbeeintrachtigen.

MAM 1

Gitter

MAM 2

Fluid

PML

Abbildung 2: Aufbau des FEM-Simulationsmodells fur dasMembran-Metamaterial-Paneel mit 120 doppelseitigen MAM-Einheitszellen.

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Rin

dB

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starres Gitter

MDF-Gitter

Messung

Abbildung 3: Mess- und Simulationsergebnisse fur dieSchalldammung eines doppelseitigen MAM-Paneels.

Integration in mehrschalige Strukturen

Wenn Membran-Metamaterialien zur Verbesserung dertieffrequenten Schalldammungseigenschaften in mehr-schalige Bauteile (z. B. Doppelwande) eingebaut werden,so kann die Effizienz der MAMs in so einer Konfigu-ration deutlich herabgesenkt sein. Wie in [10] gezeigtwurde, werden durch dein Einbau von MAMs in eineDoppelwand zusatzliche Resonanzen (so genannte Mehr-schichtresonanzen) eingefuhrt, die mit den MAM-Anti-Resonanzen interagieren und die Bandbreite deutlich re-duzieren konnen. Abb. 4 zeigt Mess- und Simulationser-gebnisse fur das Einfugeschalldammmaß ∆R des gleichenMAM-Paneels wie in Abb. 3 nach dem Einbau in eineDoppelwand. Der Aufbau entspricht dem in [10] unter-suchten Doppelwandaufbau. Es ist zu erkennen, dass derUnterschied zwischen dem starren Gitter und der biegsa-men Gitterstruktur hier nicht so groß ist wie beim MAM-Paneel alleine. Das bedeutet, dass in so einer mehrscha-ligen Struktur die Skalierungseffekte eine untergeordneteRolle spielen. Die Schalldammmaßverbesserung bei denAnti-Resonanzen betragt hier nur noch hochstens 8 dB,was im Vergleich zu den in Abb. 3 gemessenen Wertenfur das MAM-Paneel deutlich reduziert ist und auf dieMehrschichtresonanzen zuruckgefuhrt werden kann.

Bei der Integration von Membran-Metamaterialien inmehrschalige Strukturen muss also darauf geachtet wer-den, dass der negative Einfluss der Mehrschichtresonan-zen minimiert wird. Dies kann z. B. durch einen moglichstasymmetrischen Lagenaufbau oder die Erhohung der Ab-sorption in der Doppelwand erfolgen.

−10

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10

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30

50 100 1000

∆R

ind

B

f in Hz

starres Gitter

MDF-Gitter

Messung

Abbildung 4: Mess- und Simulationsergebnisse fur dasEinfugeschalldammmaß des MAM-Paneels in einer Doppel-wand.

Schallschutzschilddemonstrator

Im Rahmen des Forschungsprojekts COCLEA konnte eingroßskaliger Demonstrator fur ein Flugzeugrumpfschall-schutzschild (2,7 × 2,7 m2) mit integrierten Membran-Metamaterialien aufgebaut und am Acoustic Flight-LABvorlaufig experimentell untersucht werden. Das AcousticFlight-LAB ist eine von der HAW Hamburg und Airbusgemeinsam aufgebaute Rumpfstruktur in realitatsnaherBauweise, an der vibro-akustische Tests mit realistischerSchallanregung uber ein Lautsprecherarray durchgefuhrtwerden konnen [11].

Abb. 5 zeigt die Innenseite des Schallschutzschilds, be-vor es auf den Rumpf geklappt worden ist. Es enthaltinsgesamt 225 doppellagige MAM-Einheitszellen, die in3 × 3-Elementen mit Aluminium-Stutzgitter angeordnetwaren. Alle Spalten und Kanten wurden mit Gummi undGlaswolle abgedichtet. Weitere Details uber den Aufbauund das Messverfahren konnen [12] entnommen werden.Abb. 6 zeigt exemplarisch die bei Breitbandanregung ge-messene Schallpegelanderung ∆Lp in der Flugzeugkabi-ne fur das Schallschutzschild mit MAMs im Vergleich zurKonfiguration ohne MAMs. Darin stehen negative Wer-te von ∆Lp fur eine Verbesserung der Schalldammungdurch die MAMs und positive Werte fur eine Verschlech-terung (z. B. aufgrund von eingebrachten Resonanzen).Man sieht, dass im Bereich der Anti-Resonanzfrequenzender MAMs um 100 Hz nur Schallpegelreduktionen um3 dB gemessen wurden. Bei 75 Hz erhoht sich sogarder Kabinenschallpegel aufgrund einer Mehrschichtreso-nanz um 4 dB. Die geringe Schallpegelreduktion durchdie MAMs kann nicht ohne weiteres nur den Metama-terialien zugeschrieben werden. In weitergehenden Un-tersuchungen hat sich herausgestellt, dass auch außer-halb des vom Schallschutzschild abgedeckten Bereichsauf der Rumpfoberflache noch Schallpegel vorhandenwaren, die weniger als 10 dB unter dem Direktschall-pegel der Lautsprecheranregung lagen. Dies kann da-zu fuhren, dass Schallnebenwege die Schalldammwirkungder MAMs beeintrachtigten. Die schwarzen Kurven inAbb. 6 illustrieren dies anhand analytischer Rechnun-gen mit und ohne Schallnebenwege, fur die angenom-men wurde, dass lediglich 10 % der einfallenden Schalllei-stung am Schallschutzschild vorbeigehen. Dies zeigt, dassSchallpegelreduktionen durch die Nebenwege deutlich ab-

Abbildung 5: Innenseite des Schallschutzschilds.

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∆Lp

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B

f in Hz

ohne Nebenwege

mit Nebenwege

Messung

Abbildung 6: Experimentelle und analytische Ergebnisse furdie Kabinenschallpegelanderung ∆Lp durch die MAMs imSchallschutzschild.

geschwacht werden (z. B. von 16 dB auf 6 dB), wahrendErhohungen des Schallpegels nicht durch die Nebenwe-ge beeintrachtigt werden. Somit konnte die tatsachlicheSchalldammwirkung der MAMs in diesem vorlaufigenMessaufbau nicht erfasst werden und ist wahrscheinlichhoher als die gemessenen 3 dB. Deshalb mussen Schall-nebenwege in kunftigen Messungen (und auch in derspateren Anwendung) weitestgehend minimiert werden.

Zusammenfassung & Ausblick

Im vorliegenden Beitrag wurde gezeigt, dass akustischeMembran-Metamaterialien zwar ein hohes Potential furdie effiziente Dammung tieffrequenten Luftschalls haben.Es gibt jedoch viele technologische Herausforderungen,die bewaltigt werden mussen, bevor eine Industrialisie-rung dieser Technologie absehbar ist. In diesem Bei-trag wurde insbesondere auf die Schmalbandigkeit derMAMs, deren Skalierbarkeit auf großere Flachen und dieIntegration in mehrschalige Strukturen eingegangen undLosungsmoglichkeiten diskutiert. Diese Schallschutztech-nologie befindet sich damit auf TRL 4. Experimentel-le Untersuchungen eines Technologiedemonstrators aufeiner realitatsnahen Rumpfstruktur zeigen jedoch, dassSchallnebenwege und Einflusse der komplexen Geometriebeseitigt werden mussen, bevor die Technologie TRL 5erreichen kann.

Hierfur ist geplant, eine genauere Charakterisierung derMAMs im Schallschutzschilddemonstrator mit deutlichreduzierten Schallnebenwegen durchzufuhren. Außerdemsoll der Unterschied zwischen Messungen im Labor-prufstand und am Flugzeugrumpf quantifiziert werden.

Danksagung

Die in der vorliegenden Arbeit gezeigten Forschungser-gebnisse wurden im Rahmen folgender Forschungspro-jekte erzielt:

”Comfortable Cabin for Low-Emission Air-

craft“ (COCLEA), gefordert vom Bundesministerium furWirtschaft und Energie,

”CROR Acoustic Fuselage De-

monstrator“ (CRAFD), gefordert durch die Airbus Ope-rations GmbH, und

”New Acoustic Insulation Metama-

terial Technology for Aerospace“ (NAIMMTA). Die Au-toren danken den Fordergebern fur die finanzielle Un-terstutzung.

Literatur

[1] Yang, Z., Mei, J., Yang, M., Chan, N. H. undSheng, P.: Membrane-type acoustic metamaterialwith negative dynamic mass. Physical Review Let-ters 101(20), 204301 (2008).

[2] Naify, C. J., Chang, C.-M., McKnight, G. undNutt, S. R.: Scaling of membrane-type locally re-sonant acoustic metamaterial arrays. The Journalof the Acoustical Society of America 132(4) (2012),S. 2784–92.

[3] Chen, Y., Huang, G., Zhou, X., Hu, G. und Sun, C.-T.: Analytical coupled vibroacoustic modeling ofmembrane-type acoustic metamaterials: Membranemodel. The Journal of the Acoustical Society ofAmerica 136(3) (2014), S. 969–979.

[4] Langfeldt, F., Gleine, W. und von Estorff, O.: Ana-lytical model for low-frequency transmission losscalculation of membranes loaded with arbitrarilyshaped masses. Journal of Sound and Vibration 349(2015), S. 315–329.

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[7] Langfeldt, F., Riecken, J., Gleine, W. und vonEstorff, O.: A membrane-type acoustic metamate-rial with adjustable acoustic properties. Journal ofSound and Vibration 373 (2016), S. 1–18.

[8] Langfeldt, F., Kemsies, H., Gleine, W. und vonEstorff, O.: Perforated membrane-type acousticmetamaterials. Physics Letters A 381 (2017),S. 1457–1462.

[9] Peiffer, A., Grunewald, M. und Lempereur, P.:Comment on

”A lightweight yet sound-proof ho-

neycomb acoustic metamaterial“ [Appl. Phys.Lett. 106, 171905 (2015)]. Applied Physics Letters107(21) (2015), S. 216101.

[10] Langfeldt, F., Gleine, W. und von Estorff, O.: En-hancing the low-frequency noise reduction of a dou-ble wall with membrane-type acoustic metamate-rials. Proceedings of Inter-Noise 2016. Hamburg,2016, S. 7551–7562.

[11] Wandel, M. und Scheel, H.: Design Requirementsof Acoustic Flight LAB Platform. Proceedings ofInter-Noise 2016. Hamburg, 2016, S. 3264–3273.

[12] Langfeldt, F. und Gleine, W.: Abschlussbericht furdas LuFo IV-4 Verbundvorhaben

”Comfortable Ca-

bin for Low-Emission Aircraft“. HAW Hamburg,2017. doi: 10.2314/GBV:886932548.

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