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Reihe 5 Das Magazin der Staatstheater Stuttgart Oper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart Nr.10 Dez 2017 – Feb 2018 Menschen am Theater Ein Heft über uns Gewinnen Sie 23 Dinge, die es nirgendwo zu kaufen gibt Bescherung!

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Reihe 5Das Magazin der Staatstheater StuttgartOper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart

Nr.10 Dez 2017 – Feb 2018

Menschen am TheaterEin Heft über uns

Gewinnen Sie 23 Dinge,

die es nirgendwo zu kaufen gibt

Bescherung!

Reihe 5Das Magazin der Staatstheater StuttgartOper Stuttgart / Stuttgarter Ballett / Schauspiel Stuttgart

Dez 2017 – Feb 2018

Gewinnen Sie 23 Dinge,

die es nirgendwo zu kaufen gibt

Bescherung!Bescherung!

Menschen am TheaterEin Heft über uns

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EDITORIAL

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Glück ist, wenn es passt. Zwei Menschen finden sich, ein Gedanke wird zur Idee, ein Akkord schwingt, eine Drehung sitzt, ein Satz fliegt – schon ist der Moment vorbei. Nicht schlimm, wir wissen ja, das Glück ist flüchtig. Trotzdem jagen wir ihm hinterher, als wäre das Glück auf der Flucht und nicht wir.

In diesem Heft stellen wir Ihnen Menschen vor, die am Theater arbeiten. Regisseure, Schauspieler, Tänzer, Sänger, Musiker, eine Schneiderin ist dabei, ein Puppenspieler, eine Bühnentechnikerin und auch ein Physiotherapeut. Sie erzählen, was sie tun, was sie antreibt, C

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SCHWERPUNKT MENSCHEN AM THEATERDieses Heft ist eine Bühne für alle. Für die im Rampenlicht, die sich die Seele aus dem Leib spielen, tanzen, singen. Für die im Dunkeln, die Fäden ziehen im Verborgenen. Für alle, die vor und hinter den Kulissen wuseln, basteln, ringen, fiebern

was ihnen Spaß macht. Ohne dass wir es geplant hätten, sind dabei Gespräche und Geschichten darüber entstanden, was Menschen glücklich macht.

Es führen viele Wege zum Glück, aber die stete Auseinandersetzung mit einer Sache, für die man sich wirklich interessiert, ist schon mal ein guter. Zu finden, was man gern tut, und das dann auch zu tun, hat etwas von Ankommen. Wohlgemerkt: »Ankommen«, nicht »Aus-ruhen«, denn es geht ja ums Arbeiten.

Das ist aber nicht alles. Unsere Arbeit ist erst fertig, wenn sie ankommt – und zwar bei Ihnen. Erst wenn es passt, wenn im Publikum der Funke überspringt, wenn sich ein Türchen öffnet (oder ein Tor?),

wenn Sie bereichert sind um eine Idee, eine Empfindung, um diesen gewissen Moment, erst dann schließt sich der Kreis. Diese Momente sind Privileg und Glück für Menschen, die Theater machen.

Deshalb sagen wir Danke mit dieser Ausgabe von Reihe 5 und schenken Ihnen etwas zurück, Stichwort »Türchen öffnen«: Schauen Sie mal nach, ab Seite 6. Wir haben uns was ausgedacht!

Viel Glück bei allem, was Sie tun. Ihre Staatstheater Stuttgart

So sieht die Welt aus unserer Perspektive aus: die Bühne von innen

Ich leiste mir den geheimen Luxus zu ho�en, dass da eine Möglichkeit schlummert, die Welt zu verbessern Claus Peymann (Seite 12)

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INHALT

3 Editorial

6 Tolle Bescherung! Wir haben uns was ausgedacht, und zwar jede Menge Geschenke – für unser Publikum. Sie müssen sich nur etwas Schönes aussuchen

8 Glückspilze! 25 Theaterkollegen erzählen,

was sie an ihrer Arbeit lieben

22 Was soll das Theater? Vor drei Monaten wurde Kirill

Serebrennikov, Regisseur der ersten Premiere der Opernspielzeit, unter fadenscheinigen Gründen in Russland verhaftet. Die Oper ließ sich etwas einfallen, aber was nun? Ein Essay über die Freiheit der Kunst

BACKSTAGE

40 Das Gespräch Eine Schauspielerin und ein

Tänzer über den Reiz, hinter die Bühne zu wechseln

41 In der Probe Was ein Zuschauer bei der Probe zu

der Oper Figaros Hochzeit erlebte

42 Mein Arbeitsplatz Eva Bunte führt die Geschäfte

des Orchesters – und hält Musikern damit den Rücken frei

42 Abgeschminkt Wie die Tänzerin Hyo-Jung Kang

ihr tägliches Training liebhasst

43 Infografi k Was hinter, über und neben der Bühne bei einer Vorstellung geschieht

44 90 Grad Einfach mal das Heft drehen und ’ne

Leiche im Keller fi nden: unsere neue Seite für Leute von elf bis dreizehn

46 Was war da los? Ein Foto und seine Geschichte

8 Daniel & Kai Kluge b acken einen Kuchen 10 Thomas Höfs haut auf die Pauke 10 Am i Morita führt ein Doppelleben 12 Claus Peymann kehr t zurück 14 Mareile Eder mag es schnittig 14 Cemile Soy lu spielt gern im Team 16 Jason Reilly geht seinen Weg 20 Dan a Kutschke liebt es gruselig 20 Michael Pietsch & J an-Christoph Gockel lassen die Puppen tanzen 21 Christ opher Greenaway klappt das Visier hoch 21 Ekkehard Klei ne bleibt unsichtbar 22 Kirill Serebrennikov hat Hausarrest 26 Peter Konwitschny versteht die Frauen 28 El ena Graf trifft den richtigen Ton 29 Berit Jentzsch ist do ppelbegabt 29 Daniel Strobel verleiht Flügel 30 Muriel Bardo n verzaubert Kinder 33 Matthias Knop knetet Muskeln 33 Péter Sanyó gibt Acht 33 Catelijne Smit klimp ert mit Ihnen 34 Alicia Amatriain tanzt Spitze 36 Kay Vog es probt den Zweifel 39 Natascha von Steiger malt riese ngroße Bilder Hier geht’s zu den

Geschenken

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Wir lieben das Spiel, den Tanz, Musik und Gesang, die ganze, tolle, volle Arbeit vor, hinter, unter, über und auf der Bühne. Weil uns diese Arbeit so viel Freude beschert, wollen wir den Spaß mit Ihnen teilen – und schenken Ihnen etwas: unsere Zeit und unser Wissen, Schätze, Souvenirs und Fundstücke, große und kleine Dinge, die Sie nirgendwo auf der Welt und schon gar nicht für Geld kaufen können.

Lernen Sie auf den folgenden Seiten 25 Menschen ken-nen, die erzählen, was sie tun und warum sie das tun. Wie sie trainieren, proben und studieren, an welchen Stücken sie mitwirken. Jeder dieser Menschen hat sich ein ganz beson-deres Geschenk ausgedacht.

Alles, was Sie brauchen, um ein solches Geschenk zu gewinnen, ist eine E-Mail-Adresse und etwas Glück.

So gewinnen Sie Theater!

1. Jeder Schenker spendet etwas Besonderes, dessen Be-schreibung fi nden Sie unter dem kleinen, bunten Jeder Schenker spendet etwas Besonderes, dessen Be-

. Suchen Sie sich Ihr Wunschgeschenk aus, notieren Sie die Nummer und das farbige Stichwort.

2. Mit einer E-Mail nehmen Sie an der Verlosung teil. Tragen Sie Nummer und Geschenkstichwort in die

Betreffzeile ein (mehr nicht). Im Textfeld der E-Mail geben Sie bitte Ihren Namen und Ihre Adresse an. Dann senden Sie die Mail an [email protected]. Einsende-schluss ist der 31. Januar 2018.

3. Für die Ziehung werden die E-Mails nach Stichworten gruppiert. Ob Sie gewonnen haben, erfahren Sie bis

zum 10. Februar 2018. Viel Glück!

Teilnahmebedingungen Teilnahmeberechtigt sind alle Personen über 18 Jahren (sowie Jugendliche unter 18 Jahren, sofern deren gesetzliche/r Vertreter ihre schriftliche Zustimmung zu der Teilnahme erklären), mit Ausnahme von Mitarbeitern der Staatstheater, von Unternehmen, die bei der Umsetzung des Gewinnspiels beteiligt sind, sowie deren Familienangehörige. Jeder Teilnehmer darf sich nur einmal um jeweils ein Geschenk bewerben. Mehrfachbewerbungen werden aussortiert, nur die jeweils erste Einsendung geht in die Verlosung ein.

Der Gewinner wird nach Ende des Gewinn- spiels telefonisch oder per E-Mail benach-rich tigt. Sofern der Gewinner nicht erreichbar ist und er sich nicht inner halb von 48 Stunden nach der Kontaktaufnahme zurückmeldet, verfällt der Gewinn, und es wird ein neuer Gewinner ermittelt.

Sachpreise werden abgeholt oder zuge -sendet, Details klären wir nach der Benachrichtigung. Besuche und ähnliche Gewinne klären wir ebenso individuell.

Die erhobenen personenbezogenen Daten werden von uns ausschließlich zum Zweck der Durchführung des Gewinnspiels genutzt.

Wir behalten uns vor, das Gewinnspiel insbesondere aus technischen oder rechtlichen Gründen abzubrechen. Den Teilnehmern stehen in einem solchen Fall keinerlei Ansprüche gegen die Staatstheater zu. Gewinnansprüche sind nicht übertragbar. Barauszahlung ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Veranstalter des Gewinnspiels sind die Staatstheater Stuttgart, Oberer Schlossgarten 6, 70173 Stuttgart.

Tolle Bescherung!!!

Ihnen gefällt, was wir machen? Dann verschenken Sie einfach uns an die Menschen, die Ihnen am Herzen liegen. Neben normalen Eintrittskarten haben wir extra zum Fest besondere Vorstellungs -pakete geschnürt. In unserem Theatershop finden Sie eine große Auswahl an Büchern, CDs, Postern, T-Shirts und vieles mehr. Fällt Ihnen die Entscheidung schwer? Geschenkgutscheine gibt’s natürlich auch. Informationen unter 0711 20 20 90 und www.staatstheater-stuttgart.de

Verschenken Sie die Staatstheater Stuttgart!

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Zweiaus einem

GussSie singen in derselben

Stimmlage – und das am selben Opernhaus.

Klingt nach Bruderstreit und Eifersucht, nach

Drama und fi eser Stichelei. Oder nicht?

K ai Kluge stürmt ins Presse-büro der Oper: wilde Lo-cken, Dreitagebart, graues Kapuzenshirt. Daniel Kluge erscheint etwas später: ge-

geltes Haar, feines Bärtchen, nachtblaues Hemd, die drei oberen Knöpfe offen. Die Brüder fl iegen sich in die Arme, im glei-chen Bühnenkostüm sähen sie einander zum Verwechseln ähnlich. Braunes Haar und braune Augen, kräftige Statur, ent-schlossener Gang.Daniel, Kai, wer von Ihnen ist die größere Rampensau?Daniel Kluge: Wir beide! Wir brauchen es, im Rampenlicht zu stehen!Kai Kluge: Vor Publikum spielen und sin-gen wir besser. Wir Sänger sind leicht nar-zisstisch veranlagt, wir müssen uns schon selbst ein bisschen geil fi nden. Wie könnten wir sonst andere von uns überzeugen?

Daniel: Wir sind mit Hauskonzerten und pri-vaten Auftritten aufgewachsen. Alle singen und reden. In unserer Familie braucht man einen großen Schädel, um das Durchein-ander auszuhalten. Redekultur haben uns die Eltern nicht beigebracht. Dafür, immer ehrlich und offen miteinander zu sein. Und wer ist der bessere Tenor? Sie setzen sich ruckartig auf, schauen ein-ander in die Augen, dann lachen sie laut. Daniel: Diese Frage werden wir ganz sicher nicht beantworten!Kai: Doch, ich kann das, ganz diplomatisch: Durch den Altersunterschied durchleben wir verschiedene Phasen des Sängerseins. Die Stimme trainiert man wie einen Muskel. Da-niel ist mir acht Jahre voraus. Dadurch kann er körperlich mehr leisten und Rollen über-nehmen, die ich noch nicht singen könnte.Daniel: Einen Sänger kann man nur subjek-tiv bewerten. Seine Situation und Gefühls lage

Daniel (l.) und Kai Kluge 1991 beim Plätzchenbacken zu Hause in Calw und

Die Tenöre Daniel und Kai Kluge sind Mitglieder im Ensemble der Oper Stuttgart. Daniel ist in dieser Spielzeit u.a. als Orpheus in Jacques Offenbachs ORPHEUS IN DER UNTERWELT (ab 22. Dezember) und als Max in Carl Maria von Webers FREISCHÜTZ (ab 2. Mai) zu erleben. Kai singt u.a. Tamino in Wolfgang Amadeus Mozarts DIE ZAUBERFLÖTE (ab 29. Januar) und Lurcanio in Georg Friedrich Händels ARIODANTE (ab 17. Dezember), jeweils im Opernhaus

fl ießen in die Rolleninterpretation ein. Ich habe mehr Lebenserfahrung als Kai, bin ver-heiratet, Vater dreier Töchter. Ihn berüh ren gerade andere Themen. In Mozarts Zau ber-fl öte könnten wir beide den Tamino singen, die Frage ist, welche Stimmlage er haben soll: Kais runden, weichen, dunklen Tenor. Oder meine grellere, metallisch-schneidende Stimme.Ist diese Nähe nicht der Nährboden für maximale Rivalität?Daniel: Konkurrenzgedanken haben nur die anderen. Manche versuchen sogar, die Riva-lität aus uns rauszukitzeln. Aber wir freuen uns, wenn der Bruder einen Triumph erlebt! Unsere Ähnlichkeit hat sogar Vorteile: Wir können die Rolle des anderen übernehmen, wenn der unerwartet ausfällt. Was unterscheidet Sie beide?Beide: Unser Charakter! Das sagen alle.Daniel: Ich bin mehr der Affenkönig im Dschungelbuch, Kai ist eher der Aladin. Ich

bin der größere Sarkast, ich liebe Intrigen und kantige Rollen, die die Story vorantrei-ben wie der Bösewicht Monostatos in der Zauberfl öte. Kai ist am liebsten der Gute. Er mag lyrische Helden wie den Tamino oder D’Artagnan. Reine Charaktere, die mit mei-nen Bösewichten klarkommen müssen und die ich zum Kämpfen zwinge!Kai, wie würden Sie Daniel beschreiben?Er überlegt ein paar Sekunden lang.Kai: Was soll ich jetzt sagen? Daniel mischt sich immer ein. Er will alles kontrollieren

so guten Draht, dass wir bald nicht mehr in einer Mannschaft spielen durften, weil wir alle Tore holten.Beide sprechen mit großer Gebärde. Kai fällt seinem Bruder oft ins Wort, dafür wirft Daniel leise Kommentare ein. Sie erzählen von ihren deutsch-argentinischen Wurzeln, dass die Mutter Klavierlehrerin ist, der Vater Akkordeonspieler, beide Schwestern Musi-kerinnen, die Tante Chorleiterin.Kai: Daniel gab das Tischtennisspielen mit vierzehn auf. Als ich selbst so alt war und ge-rade bei den württembergischen Tischtennis-Meisterschaften spielte, forderte unsere Mutter eine Entscheidung von mir: Chor oder Sport. Daniel: Ich dachte, hoffentlich wird er Sport-ler und nicht Sänger.Kai: Ich habe kurz die Argumente abgewo-gen und mich fürs Singen entschieden.Daniel, wie ging es Ihnen damit?Daniel: Ich war es ja gewohnt. Aber dann wurde unser Verhältnis richtig schwierig. Zwischen sechzehn und zwanzig ließ sich Kai nichts mehr von mir sagen, machte vogelfrei seine eigenen Erfahrungen und Fehler. Dafür ärgerte ich ihn bis zur Weißglut.Kai: Das tust du heute noch! Trotzdem bist du immer ein guter Bruder.Wie fi nden Sie es, verglichen zu werden?Daniel: Ich hasse das, genauso sehr wie Kai. Brüder leben mit Vergleichen, schon zu Hause und in der Schule. Anstrengend wird es, wenn andere Skandale suchen, wo keine sind. Aber das bringt uns nicht auseinander!Wie sind Sie an derselben Oper gelandet?Kai: Daniel war schon Ensemblemitglied, als ich das Angebot erhielt, ans Stuttgarter Opernstudio zu gehen. Das war verlockend, aber ich hatte auch Angst. Ich fragte mich, ob unsere Beziehung das aushält.Daniel: Als Kai damit zu mir kam, haben wir das offen diskutiert. Ich riet ihm zu, denn die Oper Stuttgart ist ein großes Haus mit einem sehr guten Ruf. Und ich habe mich riesig gefreut, als er dann hierherzog.Kai: Den Ausschlag gab aber mein Gesangs-professor. Der sagte: »Nimm das Angebot an. Du wirst es deinem Bruder eventuell später unbewusst vorwerfen, wenn du wegen ihm ablehnst.«

beim Faxenmachen heute in Stuttgart. Sie backen immer noch gern gemeinsam

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Daniel und KaiKluge schenken einen gemeinsamen Nachmittag. Zur Auswahl stehen Backen oder Basketballspielen

01 und sagt, was er denkt – meistens ohne Filter und ohne es böse zu meinen. Selbst wenn es so rüberkommt.Machen Sie immer dasselbe wie Ihr großer Bruder?Die Brüder biegen sich vor Lachen. Dann schaut Daniel erwartungsvoll zu Kai.Kai: Das klingt ein bisschen böse, aber ja, man könnte es so sagen, obwohl es nie mei-ne Absicht war. Ohne Daniel wäre ich viel-leicht Profi sportler geworden.Daniel: Als Kai geboren wurde, war ich acht Jahre alt und sang schon bei den Aurelius Sänger knaben, so wuchs er in meiner Mu-sikwelt auf. Als Baby schlief er seelenruhig während der Johannespassion direkt neben den Blechbläsern.Kai: Ich habe meinen Bruder immer bewun-dert. Er sang, also wollte ich auch singen. Daniel: Er hörte meine Musik, spielte wie ich Fußball und Tischtennis. Wir hatten einen

INTERVIEW: SABINE MELLENTHIN

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Ihr Name, ganz oben! Ami Morita steht vorm Schwar-zen Brett des Stuttgarter Balletts und hält den Atem an. Diesen Moment hat sie immer herbeigesehnt, damit ge-rechnet hat sie nicht. Schwanensee, Hauptrolle: Morita, verkündet die Besetzungsliste. Sie schaut noch mal hin, dann lässt sie die Freude zu. Riesige Freude, pures Glück.

Die Menschen beim Ballett, die ihr diese Doppelrolle anvertrauen, wissen, dass sie es kann. Mit ihrer lang-gliedrigen Figur ist sie dafür wie geschaffen. Vor allem aber ist sie facettenreich genug, um zwei Polaritäten zu verkörpern: den romantischen weißen Schwan, Odette, und den verführerischen schwarzen, Odile. Doch am nächsten Tag, in einem Hinterzimmer des Opernhau-ses, ist Moritas Euphorie verschwunden. Sie sitzt am Tisch und windet sich beim Gedanken an die Aufgabe. Ihr Blick huscht unter den rötlichen Ponyfransen hin und her. Sie müsse sich erst mal herantasten, sagt sie. So scheu, wie sie wirkt, scheint ihr zumindest die zarte Odette zu liegen, die verzauberte Prinzessin. Das Ge-genteil ist der Fall: »Es ist der weiße Schwan, der mir fremd erscheint.«

Sie wird nun zum Herzen der Handlung und mit ihrem Körper erzählen, was zwei grundverschiedene Frauen fühlen und wollen. »Dabei muss ich sehr auf meine Arme achten«, sagt sie. Mit dem rechten demonstriert sie ein paar Flügelschläge. Ellenbogen und Handgelenk geben den Impuls, der Arm schwingt hoch nach hinten, leicht und graziös. Dann streckt sie beide Arme über den Kopf, und plötzlich wirkt sie stolz und mächtig. »Zum schwarzen Schwan fi nde ich leichter Zugang.« Den Pas de deux der dämonischen Odile hat sie in Japan schon getanzt. Da spürt sie keine Angst? Nicht einmal vor den schwindelerregenden Fouettés, den 32 Drehungen auf Spitze, mit denen Odile dem Prinzen den Kopf verdreht? Ein klares Nein, die Augen funkeln.

Morita tanzt, seit sie drei Jahre alt ist, den ersten Unter-richt nimmt sie in ihrer Heimatstadt Nagano. Ein Stipen-dium bringt sie mit fünfzehn Jahren an die John Cranko Schule nach Stuttgart. Für Heimweh bleibt keine Zeit. Training, Schule, das fremde Land und seine Sprache – es gibt so viel zu lernen. Seit 2009 ist sie Mitglied der Com-pagnie. Ihre Karriere laufe gut, sagt Morita und strahlt. Jetzt ist sie ganz da, ihre starke Seite. Julia Lutzeyer

Ami Morita ist Solistin beim Stuttgarter Ballett. Sie tanzt die Doppelrolle der Odette und Odile in John Crankos SCHWANENSEE, ab 6. Dezember im Opernhaus

Die Schöne und ihr Biest Wie die Tänzerin Ami Morita ihre dunkle und ihre helle Seite erforscht

Ami Morita verschenkt den Schwanenkopfputz einer Tänzerin aus dem Ballett Schwanensee

Thomas Höfs ist erster Schlagzeuger im Staatsorchester Stuttgart. Zu seinem Instrumentarium gehören Trommeln, Becken, Gongs und Geräusch-quellen jeglicher Herkunft. Beim KAMMERKONZERT SCHLAGZEUG + spielt er mit seinen Schlagzeugkollegen als gleichberechtigte Klangfarbe neben Klavier und Sopran, am 20. Dezember in der Liederhalle

Wie ein Reiter den Parcours durch-schreitet, so studiere ich vor dem Spielen die Abfolge meiner Instrumente in der Partitur, stelle mir die Distanzen vor und die Zeit, die ich für die Wechsel brauche

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Thomas Höfs schenkt eine Fragestunde.Er erzählt Ihnen alles, was Sie übers Schlagzeugspielen wissen möchten

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Setzt den Pulsschlag im Orchester: Schlagzeuger Thomas Höfs

Eine Tänzerin, zwei Gesichter: Die Japanerin Ami Morita ist zum ersten Mal als schwarzer und weißer Schwan zu sehenFoto

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Herr Peymann, Sie inszenieren König Lear, der abtritt, aber den Abgang versemmelt. War Ihr Abgang am Berliner

Ensemble (BE) gelungen?Unser Finale war grandios: die wunderbaren Schauspieler auf der Bühne, viele Tausend Zuschauer im Theater, auf den Probebüh-nen, im Foyer, im Hof, vor dem Theater … ein Theater fest des Dankes und des Abschieds. Mit dem Ende des Vertrags war ich ja ein-verstanden, aber jetzt empfi nde ich doch Schmerz. Das BE war achtzehn Jahre lang meine Familie, mein Haus, mein Herz. Von heute aus gesehen, hätte ich mich gern noch zwei weitere Jahre getraut. Nun ja, meine Taschen sind voller Pläne, die werde ich jetzt woanders umsetzen. Was ist das Unangenehmste am Machtverlust? Es entstehen bestimmte Abhängigkeiten, Notsituationen, Engpässe, etwa wenn ich für Stuttgart proben will. Wo kann ich vor-sprechen lassen? Aber Macht? Ich bin ein sehr guter Theaterdirektor, weil ich mein Handwerk gelernt habe. Autorität sein durch Erfahrung und Können, Vision und Traum, aber doch nicht autoritär! Was soll dieser Quatsch? Sie haben einmal gesagt, Sie würden mit den Jahren immer aggressiver …

Wenn ich mal brülle, dann nur aus Verzweif-lung. Am Theater brüllen wir gegen uns selbst an, weil unsere Vision des Richtigen oder Schönstmöglichen gerade nicht erfüllt wird. Und manche Schauspieler brauchen einen scharfen Satz, um ihre Ängste zu über-winden. Dann brüllt man, und plötzlich geht es. Wer kein Mittelmaß wie im Fernsehen will, muss das akzeptieren.Wann ist es Zeit, Platz für Jüngere zu machen? Es geht nicht ums Platzmachen. Schlimmer ist, dass junge Regietalente nach oben schie-ßen und ebenso schnell wieder verglühen. Die Reizkultur ist die letzte Runde einer Zer-störungsphase des Theaters. Danach wer-den wieder Professionalität und Visionen gefragt sein. Es fehlt an Professionalität?Wir verscherbeln unsere wichtigsten Schätze – indem wir glauben, die Literatur verbes-sern zu müssen. Und wir haben nicht mehr den Mut, Visionen und Utopien zu vermit-teln. Ich gelte als Krachmacher, aber ich habe Theater immer auch als eine Einmi-schung verstanden, weil wir eine wichtige Botschaft haben oder haben sollten: den Mut zu Ungehorsam und Subversion – für eine gerechtere Welt. Was sollen das für Utopien und Visionen sein? Der bequeme Platz der Linksintellektuellen ist uns durch den großen Utopieverlust ge-nommen worden. Aber deshalb ist ja der So-zialismus nicht tot, der blüht im Geheimen, der kommt ja wieder.Im Ernst, der Sozialismus? Praktisch hat alles versagt, das weiß ich doch. Aber in meinem Alter leiste ich mir den geheimen Luxus, darauf zu hoffen, dass da eine Möglichkeit schlummert, die Welt zu verbessern. Das globale schreiende Un-recht erzwingt ja pazifi stische Positionen und ein neues Verständnis zum Erhalt un-serer Lebensgrundlagen. War die Theaterarbeit früher einfacher? Ist das Feindbild klar, ist der Krieg einfacher zu führen, ja. Heute fühlen sich viele unwohl, im Alltag, in der Politik. Wer ist der Feind? Der abstrakte Kapitalismus? Schwierig. Wo es autoritäre Strukturen gibt, läuft das Theater zur Hochform auf. Wie in der DDR – und gerade wieder unter Putin. Schlechte Zeiten sind gute Theaterzeiten. Ministerpräsident Hans Filbinger wollte Sie seinerzeit als Stuttgarter Schau spieldirektor loswerden, weil Sie einen Spendenaufruf für die

König in Köpenick: der Regisseur Claus Peymann in seinem Garten bei Berlin. Die Krone gehört zum privaten Fundus des Achtzigjährigen

Claus Peymann war von 1974 bis 1979 Intendant am Schauspiel Stuttgart. Als Gast-regisseur kehrt er zum ersten Mal zurück und inszeniert William Shakespeares KÖNIG LEAR, Premiere am 16. Februar im Schauspielhaus

Claus Peymann schenkt ein gemeinsames Abendessen. Er führt das Gewinnerpaar ins Stuttgarter Restaurant Zirbelstube aus

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Zahnbehandlung der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin ans Schwarze Brett hängen ließen …Filbinger erklärte im Fernsehen, dieser »Sympathisant des Terrorismus«, also ich, habe sofort das Theater und die Stadt zu verlassen. Aber Oberbürgermeister Manfred Rommel verhinderte, dass ich rausgeschmis-sen wurde. Ich wurde anonym bedroht und musste um mein Leben fürchten. Als ich später nach Bochum ging, schlug das Pen-del um in eine unglaubliche Solidarität. Ein Wahnsinn. Wie fühlt sich die Rückkehr nach Stuttgart an? Ich freue mich sehr über die Einladung. Ich habe aber Angst, dass ich die extrem hohen Erwartungen enttäuschen werde – das Stück ist verdammt schwer. Warum musste es König Lear sein? Weil es so zu passen schien. Aber niemand soll glauben, dass ich mit dem Lear die Freiheit des Claus Peymann feiere. Jetzt, während der Arbeit am Stück, fi nde ich es spannender, den Enttäuschungsprozess von Lear zu erleben, den ich in gewissen Grenzen auch selber erlebe. Wieso?Manche sogenannte Freundschaft erweist sich bei Belastung als spekulativ. Viele waren wohl mehr an der Funktion des BE-Direktors interessiert als an dem Regisseur oder Künstler Claus Peymann. Was kann das Publikum also erwarten?Die Erwartung ist mir scheißegal, das Pub-likum soll überrascht werden. Lear ist eine Hiob-Figur in modernem Gewand. Wie er entdeckt, dass er Subjekt einer verkomme-nen Gesellschaft ist, die er selbst mitformte. Wie er seine Fehler erkennt, das ist für mich faszinierender als die Parallele zwischen dem Schicksal zweier alter Knacker, von de-nen einer ich bin. Haben Sie Angst vor der Premiere?Ich habe tiefste Selbstzweifel, es ist für mich ein echtes Abenteuer. Zumal ohne meine alte Truppe. Aber die bisher schönste Erfah-rung war die Leidenschaft, die enorme Spiel-freude des Ensembles – ein perfektes Klima für mich. Und dass ich den Martin Schwab für die Rolle des König Lear mitbringen kann, der auch noch Schwabe ist, das ist schön. In dieser Hinsicht wird es also doch eine Art Heimspiel.

Ein alter Herrscher tritt zurück: Das ist die Geschichte von König Lear – und

auch die von Claus Peymann, der sie jetzt auf die Bühne bringt. Ein Gespräch über

den Schmerz des Machtverlusts

Der nackte König

INTERVIEW: RAINER SCHMIDT

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DES IGN ZUM ANFASSEN STUTTGART02. + 03. DEZEMBERPHOENIXHALLE

KÖLN02. + 03. DEZEMBERSARTORY SÄLE

HAMBURG09. + 10. DEZEMBERHAMBURG MESSE

BERLIN16. + 17. DEZEMBERARENA BERLIN

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Gerade habe ich in Singapur dreißig Bühnen-techniker aus China, Indien, Deutschland und Malaysia angeleitet. Wir haben uns problemlos verstanden. In dem Beruf ticken alle gleich: cool, fl exibel, standfestCemile Soylu ist Bühnenmeisterin bei den Staatstheatern. Die Ausstattung für Mozarts Oper DON GIOVANNI kennt sie schon lange – Soylu hat sie am Theater Bremen mitentwickelt, bevor sie ihr in Stuttgart wieder begegnete, ab 19. Januar im Opernhaus

Wenn der Regisseur Schorsch Kamerun ein Stück in Stutt-gart inszeniert, landen bei Mareile Eder seltsame Auf-träge: »Letztes Mal haben

wir eine Tänzerin als Wasserpfeife verklei-det.« Kostüme, die üppig dekoriert und un-terpolstert werden, fertigt die Schneiderei gemeinsam mit der Hutmacherei und dem Kunstgewerbe. Eder mag das: die vielen Typen mit ihren verschiedenen Fähigkeiten, die ständige Abwechslung. »Bevor ich hier anfi ng, dachte ich, das Theater sei etwas zu verrückt«, sagt sie. »Doch dass es keine Rou-tine gibt, ist eigentlich das Tollste daran!«

Manchmal geht alles drunter und drü-ber. Wenn sie kurz vor einer Premiere noch ganz neue Ideen verwirklichen soll. Selbst im größten kreativen Chaos müssen die Kostü-me am Ende perfekt sein. Eder kontrolliert, ob ein Rock fällt wie gedacht, ein Mantel zu lang oder zu kurz ist: Die Kleidung muss zur Rolle passen. »Und die Schauspielerinnen müssen sich wohlfühlen«, sagt sie. »Erst dann sitzt für sie wirklich alles.«

Mareile Eder leitet als Gewandmeisterin die Damenschneiderei. Mit irren Ideen rechnet sie bei Schorsch Kameruns EIN SOMMER-NACHTSTRAUM IM CYBER VALLEY, Urauffüh-rung am 23. Februar im Kammertheater

Die Sturmerprobte Mareile Eder schneidert Kostüme fürs Schauspiel Stuttgart. Da wird es vor der Premiere oft noch mal richtig turbulent

Cemile Soylu schenkt einen Abend in der Bühnentechnik und lässt sich backstage bei der Arbeit begleiten

Mareile Eder schenkt ein Schnitt muster für einen Damenrock nach Maß

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Teamplayer: Cemile Soylu spielt seit 26 Jahren Basketball

Millimeterarbeit: Selbst in der größten Hektik ist in der Schneiderei eine ruhige Hand vonnöten Fo

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W enn man ihm draußen vor dem Theater begegnet, dann ist er so gar nicht der Typ, von dem Ballett-mütter ihre Prinzessin retten lassen würden: die Wollmütze tief ins Gesicht gezogen, das Outfi t läs-

sig, unter den Ärmeln blitzen Tattoos hervor. Als Jason Reilly beim Stuttgarter Ballett anfi ng, kontrollierte ihn die Polizei ungewöhnlich oft beim Gang durch den Schlossgarten. Zwei Stunden später küsste er, hübsch frisiert und in weißen Strumpfhosen, Dornröschen wach.

Auf der Bühne brilliert Jason Reilly in den unterschiedlichsten Rollen – als Liebhaber, Macho, Dämon, Feingeist. Er ist der stärkste Mann der Stuttgarter Compagnie, bevorzugter Partner sämtlicher Ballerinen. Als das Stuttgarter Ballett die Compagnie als Superhel-den inszenierte, war er Captain Fantastic. Und nun, nachdem Sue Jin Kang ihre Tänzerinnenkarriere beendet hat, ist der Kanadier dienst-ältester Athlet, seit zwanzig Jahren tanzt er beim Stuttgarter Ballett. 1997 kam er aus Toronto nach Stuttgart – und wollte eigentlich nur zwei Jahre bleiben. Reilly gehört zu Stuttgart und Stuttgart zu Reilly, doch es war Liebe auf den zweiten, wenn nicht gar den dritten Blick.

Heute ist Jason Reilly nicht mehr aus dem Ensemble wegzuden-ken, und es gibt zahlreiche Compagnien, die Stuttgart um den virilen, vielseitigen Kanadier beneiden. Dabei passte er nie ins Klischee des zarten Ballett prinzen. Mit fünf fl iegt der kleine Jason in Toronto von der National Ballet School, weil er ein Mädchen gebissen hat, zum Glück lässt man ihn wieder rein. Reid Anderson bewundert er bereits, als der heutige Stuttgarter Ballettchef noch die kana-dische Nationalcompagnie leitet. Keine Frage, dass der Ballettschüler das Angebot annimmt, dem Meister ins unbekannte Stuttgart zu folgen: »Es war der Traumjob: Du wirst dafür bezahlt, zwei Jahre in Europa zu leben! Ich kann tanzen und mir all die großartigen Länder an-schauen.« Vorher aber entwickelt der Sechzehnjährige einen ungeahnten Bildungsehrgeiz, will die Highschool

beenden. Er absolviert die letzten zwei Schuljahre in zwölf Monaten – und besteht. Seine Eltern staunen: »Wie hast du das geschafft, sechs Jahre so mittelprächtig zu sein, dann gibt es etwas, worauf du hinarbeitest, und plötzlich geht es?«

Von Downtown Toronto auf den Schlossplatz

Ohne jegliche Deutschkenntnisse trifft Reilly in Stuttgart ein, stam-melt dem Taxifahrer »Am Kochenhof« vor, wo man ihm ein Zimmer besorgt hat – und zweifelt an der neuen Heimat, als er auf der Fahrt grasende Schafe sieht, auf einem Hügel mitten in der Stadt. Nach zwei Wochen fragt er die Ballettkollegen: »Wir gehen immer nur in die gleichen Läden, hier gibt’s doch sicher noch was anderes?« Und die antworten: »Nope.« Von Downtown Toronto mit den vielen Hoch-häusern auf den beschaulichen Schlossplatz – wie so viele Tänzer aus der großen weiten Welt muss sich auch Jason Reilly arrangieren mit der schwäbischen Metropole, in der das Ballett zwar Weltstadt-niveau hat, nicht aber die Klubszene. Never ever, lacht er, hätte er sich damals vorstellen können, zwanzig Jahre zu bleiben. Und tatsächlich packt ihn, trotz der großen Rollen, trotz seines raschen Aufstiegs

zum Ersten Solisten, nach den ersten aufregen den zehn Jahren grausam das Heimweh.

Reilly vermisst es, morgens um halb fünf den Schnee von der Einfahrt zu schaufeln, um dann zwei Stunden zur Schule zu fahren, er vermisst die unend-liche Weite des Landes, seine Familie vor allem. Und dann ist da die Bar, die er gern nach seiner Karriere in Toronto eröffnen würde. »Ich war irgendwie zu euro-päisch geworden. Diese ganze kanadische Mentalität hatte ich verloren, und 2009 dachte ich, ich kann mir das wieder angewöhnen.« Er kündigt schweren Her-zens, will zum National Ballet of Canada wechseln, wo man den berühmten Landsmann mit offenen Armen

Jasons WegEr ist der stärkste Mann der Compagnie, bevorzugter

Partner der Ballerinen. Kein Tänzer ist vielseitiger, er ist Liebhaber, Dämon, Macho, Feingeist. Wie aus einem

fröhlichen Jungen aus Toronto jener Jason Reilly wurde, den wir kennen: Superstar des Stuttgarter Balletts

Unprätentiös und voller Talente, für Reid Anderson ein »Phänomen«: Jason Reilly unterwegs in Bangkok bei einem Gastspielaufenthalt

Jason Reilly schenkt einen

Proben besuch mit einem

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TEXT: ANGELA REINHARDT

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empfängt. Stuttgart zelebriert ein halbes Jahr lang den Abschied von seinem Liebling – bis Reilly bei Reid Anderson im Büro steht und fragt, ob er bleiben kann.

»Ich konnte es nicht aufgeben, ich hatte mich so daran gewöhnt«, sagt er heute. Natürlich hat sein Bleiben auch berufliche Gründe – das Repertoire in Stuttgart ist größer, man arbeitet hier viel mehr mit Choreographen. Und dann hatte er sich irgendwie »an die europäi-schen Größen gewöhnt – die Straßen sind schmaler, die Wohnungen kleiner, der Weg zur Arbeit kürzer. Ich liebe die Stadt, ich liebe mei-ne Arbeit. Ich liebe es, wie schnell wir überall in Europa sind. Eine Stunde Flug, und ich bin in Berlin, sechs Stunden Autofahrt, und wir liegen in Italien am Strand! Zu Hause bin in nach sechs Stunden im-mer noch in Ontario … Ich bin wirklich ein Europäer geworden, oder?«

Natürlich nimmt Anderson ihn zurück, schließlich hat er Reilly entdeckt und gefördert. »Jason ist ein Phänomen«, sagt sein Direktor über ihn. »Dabei meine ich nicht nur seine Vielseitigkeit oder seinen ungeheuren inneren Antrieb. Ich kenne ihn, seit er zehn Jahre alt ist, und im Grunde ist er immer noch derselbe: aufgeweckt, aufge-schlossen, äußerst positiv und vor allem lustig. Ich habe ihm viel zugetraut; er hat uns sehr viel zurückgegeben.« Reilly ist der seltene Fall eines absolut wandelbaren, nicht festzulegenden Tänzers, dem körperlich und technisch alle Talente zur Verfügung stehen – mit einer fröhlichen Selbstverständlichkeit, die auch heute, nach zwan-zig Jahren, immer wieder staunen macht.

Reilly liebt die gebrochenen Charaktere

Wie es im Stuttgarter Ballett so wichtig ist, beherrscht Reilly alle Stile, von klassisch bis modern, von rasant bis elegant. Vor allem aber kann er, was hier am wichtigsten ist: Cranko, Schauspiel, Dra-matik. Er walzt nicht klischeehaft durch seine Rollen, spielt sie stets mit feinsten, eigenen Nuancen. »Es kommt alles von innen, sein Talent ist instinktiv, und das ist immer am besten, weil es bedeu-tet, dass es ganz tief in ihm wurzelt«, sagte die berühmte Ballerina Alessandra Ferri über ihn, als sie mit dem damals 24-Jährigen End-station Sehnsucht tanzte. Hier sah man den jungen Solisten plötzlich anders: dunkel, berechnend, brutal. Reilly liebt die gebrochenen, geheimnisvollen Charaktere: Shakespeares Hamlet und Othello, die böse Fee in Dornröschen. Am Ende ist es nie die Technik oder

die schöne Linie, die große Tänzer ausmacht, es ist diese fesselnde Darstellungskraft, die große Persönlichkeit.

Kann er sich an seinen schlimmsten Tag im Theater erinnern? »Als Georgette mich zum Weinen gebracht hat«, sagt der große, starke Mann. »Ich war neu in der Compagnie, siebzehn Jahre alt, hatte das Stück noch nie gesehen. Der Tänzer vor mir war schon länger in der Compagnie, er wich zurück, also startete ich – und Georgette Tsinguirides, die legendäre Ballettmeisterin, schnauzte mich an. Ich fing an zu weinen! Da kam plötzlich alles zusammen: das Heimweh, zu Hause in der Ballettschule hat nie jemand mit mir geschimpft, dann dieses Gefühl, mit dem man als junger Tänzer in seine erste Compagnie kommt: Hey, ich bin der Wahnsinnstyp, ich werde hier innerhalb kürzester Zeit alles wuppen. Und dann macht mich diese winzige Frau vor versammelter Mannschaft fertig! Mir lief eine einzelne Träne über die Wange, wie bei kleinen Kindern, wenn die Unterlippe zittert.« Er lacht heute noch darüber – auch weil er später ein Herz und eine Seele mit Georgette war.

Die eigene Bar ist immer noch im Rennen, aber eigentlich will Reilly bald weitergeben, was er gelernt hat: »Ich wäre gern Coach oder Ballettmeister, möchte Türen öffnen, vielleicht selbst eine Compagnie leiten. Es schadet gewiss nicht, dass ich zwanzig Jahre lang mit dem besten Direktor gearbeitet habe. Ich weiß, ich wäre in keiner anderen Compagnie so weit gekommen, hätte Reid Anderson mir nicht diese Chancen gegeben! Er sieht anders hin, mehr auf die Persönlichkeit, auf die darstellerischen Fähigkeiten. Manchmal sagt er nur ›Mhm‹. Wie ein Makler, der vor einem Bauplatz für ein wirk-lich schönes Haus steht. Aber er macht nachher ein Multimillionen-Dollar-Anwesen draus! Er hat dieses Auge, absolut.«

Seine neue Rolle: Familienvater

Im vergangenen Jahr war Reilly verletzt und konnte nicht tanzen. Weil er aber unbedingt arbeiten wollte, wurde er Ballettmeister für Demis Volpis Operninszenierung Der Tod in Venedig: »Ich dachte, das wäre eine tolle Gelegenheit, die andere Seite kennenzulernen. Wie funktioniert die Oper, wie die Kommunikation mit den anderen Ab-teilungen? Erst jetzt kann ich all die Arbeit schätzen, die hinter den Kulissen vorgeht. Als Tänzer denkt man immer: Warum geht’s nicht los, ich bin doch da … Wir haben keine Ahnung, was es heißt, das alles zu organisieren! Für mich war das ein großartiger Lernprozess.«

Eine riesige Veränderung in Reillys Leben ist Tochter Luna, die im April zur Welt kam. Ihre Mutter ist seine Kollegin, die Erste Solis-tin Anna Osadcenko. Wie hat sich sein Leben verändert? »Es klingt komisch, aber ich möchte noch härter arbeiten für sie. Damit sie stolz auf mich ist, wenn sie groß wird. Es hat sich verändert, wie ich die Menschen und die Welt sehe. Ich liebe viel mehr. Ich sehe einen Baum, weil sie ihn anschaut, und denke: Den hab ich nie zur Kenntnis genommen. Aber sie lächelt ihn an, und ich erfreue mich am Grün. Sie gibt mir Ruhe. Sie liegt auf meiner Brust, ich bin ein-fach völlig entspannt! Der Hund ist glücklich, Anna ist glücklich, ich bin glücklich, weil dieses kleine Wesen glücklich ist.«

Die Mütze ist immer noch da, auch nach zwanzig Jahren. Ist das so ein Rapper-Ding? »Nein. Für mich ist es sicherer, ich fühle mich nicht so nackt. Wenn ich nach Hause gehe, will ich privat sein. Mit der Mütze verschwinde ich irgendwie.« Auch wenn er auf der Bühne alles preisgibt, ein paar Geheimnisse behält Jason Reilly für sich.

Jason Reilly ist Erster Solist beim Stuttgarter Ballett. Auf der Bühne steht er beim Ballettabend BEGEGNUNGEN, Premiere am 13. Januar im Opernhaus

Jason Reilly tanzt Maurice Béjarts Bolero – eine Rolle, die enorme Aus- drucks stärke erfordert und magnetische Anziehungskraft verströmt

Ich traute ihm viel zu. Er gab uns sehr viel zurück Reid Anderson, Intendant des Stuttgarter Balletts

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Warum sie mit Puppen arbeitenMichael Pietsch: Man kann mit den Figuren Realitäten kreieren, die man mit Schauspielern nicht herstellen kann: Puppen können hervorragend sterben. Also wirklich sterben. Man legt sie weg, und sie sind tot. Als Schau-

spieler muss man eine Stunde schwit-zen, um einen Zuschauer annähernd emotional an diesen Punkt zu bringen. Jan-Christoph Gockel: Das Publikum reagiert extrem emotional auf die Ma-rionetten. Wenn wir die Empathie, die die Menschen den Puppen entgegen-

»Das Theater hat einen ganz eigenen Geruch«, sagt Dana Kutschke. »Der hat mich schon beim ersten Besuch ange-zogen!« Eigentlich wollte sie

Kosmetikerin werden. Als sie mit ihrer Schul-klasse die Maskenabteilung eines Theaters besuchte, war sofort klar: »Perücken zu machen, Wunden und Falten zu schminken ist viel spannender.« Am meisten liebt sie es, mit den Kollegen von Kostüm, Ton, Licht und Kulissen Hand in Hand zu arbeiten und dann das Ergebnis zu genießen. Zum Bei-spiel bei der Oper Parsifal: »Eine richtige Materialschlacht – hässlich, brutal und ganz wunderbar!« Vor der Vorstellung muss Kutschke schnell und sauber arbeiten, alle zehn Minuten sitzt ein anderer Darsteller auf ihrem Stuhl. »Einige sind nervös. Die beruhige und stärke ich – und klopfe in der Pause auf die Schulter.«

Ekkehard Kleine ist Inspizient beim Stuttgarter Ballett. Er sorgt für den reibungslosen Ablauf einer Vorstellung, etwa beim Ballett abend BEGEG-NUNGEN, Premiere am 13. Januar im Opernhaus

bringen, auch anderen Menschen ent-gegenbringen würden, wären wir weit gekommen in der Gesellschaft. Das ist wirklich politisches Theater, fi nde ich. Weil wir Menschen verbinden. Und nicht irgendwelche Meinungen verkünden.Pietsch: Wir hatten mal eine Figur aus Struwwelpeter, den Daumen-lutscher, dem mit der Axt die Hand zertrümmert wurde. Da sind Leute rausgegangen und haben sich beim In-tendanten beschwert. Das sei zu brutal. Aber das ist doch wichtig: dass man ein Leben aufbaut und es dann mitunter am Abend auch wieder zerstört – und diesen Weg mit den Zu-schau ern gemeinsam geht. Gockel: Die Puppe ist eine Projektionsfl äche. Das ist eine tolle Grundverabre-dung von Kunst und Thea-ter: Jeder weiß, dass es nur Holz ist, aber alle glauben daran, dass es lebt. Wir konstruieren Leben.Pietsch: Selbst altgediente Schau-spieler sitzen mitunter minutenlang vor den Puppen und staunen.

Wie sie angefangen habenGockel: Mit fünfzehn waren Michael und ich Statisten am Theater. Irgend-wann kam er zu mir und sagte: »Ich hab hundert Puppen zu Hause. Darf ich dir die mal zeigen?« Das klang gruselig. Pietsch: Wir hatten immer Holz im Haus – mein Vater ist Förster. Mario-netten haben mich schon immer faszi-niert, man baut sie wie ein Instrument; muss errechnen, wo der Schwerpunkt liegt, wie sie richtig laufen. Ich habe mir das alles selbst beigebracht. Gockel: Wir haben dann schnell un-ser erstes Stück mit Puppen insze-niert, das wir im Foyer des Theaters aufführen durften. Dann habe ich Re-gie studiert und Michael Schauspiel. Am Staatstheater Oldenburg sind wir uns wieder über den Weg gelaufen und haben eigentlich gleich weiter-gemacht. Der Intendant hat gesagt: »Macht mal.« Seitdem arbeiten wir zusammen – wie jetzt für Moby Dick. Wir erzählen die Geschichte von Ka-pitän Ahab, der den weißen Wal töten will, als Geschichte vom Kampf der

Menschen gegen die Natur. Das The-ma bewegt uns.

Wie sie zusammenarbeiten Pietsch: Der Prozess des Kreierens ist irrsinnig aufwendig. Man muss das Lindenholz ranschaffen, pro Zentime-ter muss es erst mal ein Jahr trocknen, es dauert einen halben Tag, bis alle Messer scharf sind, dann geht es los:

Man kämpft gegen das Holz. Für Moby Dick etwa habe ich eine Hand ge-schnitzt, die ich zu fragil fand, und habe eine neue begonnen. Man sitzt so lange vor dem Holz, bis es einen anschaut.Gockel: Während ich am Text arbeite, sitzt Micha-el wochenlang allein in der Werkstatt. Wir sagen dann: Er steigt wieder in den Keller hinab. Es gibt Montage, da probe ich

mit den Schauspielern, und Michael kommt to tal übermüdet dazu, weil er das ganze Wochenende gebaut hat. Es ist ein Kreislauf: Wir proben, er geht in die Werkstatt, wir proben. Bis zur Erschöpfung. Pietsch: Jan denkt die Puppen schon bei der Wahl des Theaterstoffs und im Kern der inhaltlichen Idee mit. Da-durch, dass wir so vertraut miteinan-der sind, ist der Bau wie ein eigener künstlerischer Prozess, bei dem man nur grob die Richtung kennt. Gockel: Für Michael ist die Arbeit be-sonders aufreibend, er schnitzt ja nicht nur die Marionetten, sondern spielt in den Stücken auch immer mit. Das ist der Kern unserer Verabredung: Die Puppen sind kein »Nice to have«, son-dern immer im Kern mit der Drama-turgie des Theaterabends verwoben. Michael ist ein Meister dieses Fachs. Er schafft das Geisterhafte: Er schält Charaktere aus dem Holz.

Die Rüstungen, die er für die Theater baut, leiht Chris-topher Greenaway sich gern für sein Hobby aus: Mara-thon. »In England, wo ich

herkomme, laufen alle in Verkleidung.« Dass die Kunststoffkluft beim Rennen kneift, ist zweitrangig: »Hauptsache, wir haben Spaß!«

Christopher Greenaway fertigt mit seinen Kollegen in der Rüstmeisterei das Kostüm des Blechmanns für DER ZAUBERER VON OZ, ab 4. Dezember im Schauspielhaus

»Der Sinn meines Berufs? Dass der Zu-schauer nichts mitkriegt von mir. Ich stehe seitlich der Bühne und gebe Kommandos für Licht, Vorhang und Bühnenumbau. Das Timing muss stimmen, auf die Sekunde, doch wir arbeiten live – in jeder Vorstellung gäbe es etwas zu verbessern. Meist aber sind das Kleinigkeiten, die kaum jemandem auffallen.«

Dana Kutschke arbeitet in der Maske für Oper und Ballett, wo sie zum Beispiel binnen einer Stunde acht Chordamen in »Zombies« verwan-delt. Die sind zu sehen in Richard Wagners Oper PARSIFAL, ab 25. Februar im Opernhaus

Frau Kutschkes Gespür für Schmerz Viel lieber als schöne Gesichter schminkt sie kla¥ ende Wunden

Christopher Greenaway schenkt die Anprobe einer Ritterrüstung inklusive Erinnerungsfoto

Ekkehard Kleine schenkt einen Abend am Inspizientenpult während der Ballettvorstellung

Dana Kutschke schenkt einen einstündigen Schminkkurs für ein Abend-Make-up

Die Fädenzieher

Ein Regisseur und ein Puppenbauer inszenieren Theater mit Puppen und Schauspielern – für Erwachsene. Hier erklären sie, wie sie

arbeiten und was dabei entsteht

PROTOKOLL: FLORIAN SIEBECK

Jan-Christoph Gockel ist Hausregisseur und Michael Pietsch Schauspieler am Staatstheater Mainz. Zu sammen haben sie die Theater kompanie Peaches & Rooster gegründet. Am Schauspiel Stuttgart inszenieren sie MOBY DICK: Sie erzählen von Menschen, die versuchen, die Natur zu beherrschen – und sich dabei selbst vernichten. Premiere am 20. Januar im Kammertheater

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Pietsch und Gockel

schenken eine Puppenhand,

die bei den Arbeiten

zu Moby Dick entstand

Testbeulen: Masken-Probelauf für Parsifal mit einem Auszubildenden der Maske

Puppenbauer Pietsch (vorn) und Regisseur Gockel im Puppenlager

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Darf man das? Einfach so machen, was Spaß macht? Oder sich mit einer Sache beschäftigen, die einen interessiert, die man wichtig fin-det? Darf man sich die Verwirklichung seiner Vision dann sogar noch von der Allgemeinheit bezahlen lassen? Vielen Künstlern stellt sich die Frage nicht, sie machen einfach. Marco Goecke zum Beispiel, Hauschoreograph am Stuttgarter Ballett, hat sich vor vielen Jahren, als er sein erstes Stück entwickelte, monatelang mit den feinsten Bal-letttänzern eingeschlossen, um sie dann am Abend der Uraufführung, weil dies seiner Ästhetik entsprach, dem Publikum die Rücken – und, ja, zugegeben, somit auch die recht knackigen Popos – zukehren zu lassen. Man war irritiert und hat ihn dann umso mehr geliebt, für seinen Eigensinn und diese eckigen, humorvollen Choreographien.

Oder nehmen Sie Dominic Friedel und Philipp Löhle, die sich für ihren Theaterabend Feuerschlange mit einem der vielen Weltmarkt-führer Baden-Württembergs beschäftigt haben, einem Hersteller halb automatischer Feuerwaffen (die auf kaum verschlungenen Wegen immer wieder auch in den Händen von Drogenhändlern und Mördern landen). In der Heimatstadt des Mittelständlers kam das nicht gut an, dort fand das Stück keinen Veranstalter, trotz vorhandener Mehr-zweckhalle und Bemühen einiger Bürger. Aber immerhin meldeten sich einige Mitarbeiter (nach Theaterbesuchen in Stuttgart) bei der ortsansässigen Bürgerinitiative, weil sie mal reden wollten.

Für andere hingegen sieht die Sache anders aus. Kirill Serebren-nikov macht dasselbe wie seine deutschen Kollegen. Er stürzt Helden, bricht Mythen, irritiert. Setzt sich mit einem Stoff auseinander, pustet den Staub ab, poliert das Thema, bis wir uns darin spiegeln. Nun muss sich der russische Opern- und Filmregisseur vor einer völlig anderen Instanz verantworten als seinem Publikum.

Serebrennikov ist ein Hingucker, der uns hingucken lässt. Jochana-an, den Propheten aus der Oper Salome, hat er an der Oper Stuttgart als IS-Terroristen inszeniert. Hänsel und Gretel als Flüchtlingskinder aus Afrika besetzt, dort mit ihnen einen Film gedreht, sie nach Stutt-gart eingeflogen und ihnen hier das Schlaraffenland vorgestellt. In seinem Heimatland wurde ihm dieser scharfe Blick mehr und mehr zum Verhängnis. Bereits 2013 stoppte der russische Filmfonds die Förderung seines Tschaikowsky-Projekts, bei dem er das Leben des Nationalhelden verfilmen und eben auch davon erzählen wollte, dass der Komponist homosexuell war. Im Juli dieses Jahres sagte das Mos-kauer Bolschoi-Theater sein Ballett über Rudolph Nurejev ab (den bi-sexuellen Superstar), eine knappe Woche vor der Uraufführung. Sechs Wochen später, am 23. August, wurde Serebrennikov in St. Petersburg verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, Fördermittel veruntreut, genauer ge-sagt, falsch abgerechnet zu haben. Seitdem steht er unter Hausarrest.

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Die Filmarbeiten für sein Stuttgarter Opernprojekt waren zu der Zeit zwar abgeschlossen, die Umsetzung seiner Vision dieser ersten Spiel-zeit-Premiere an der Oper Stuttgart aber war damit gestoppt.

Vier Wochen nach Serebrennikovs Arrest saßen wir, die Leute, die dieses Heft produzieren, mit Jossi Wieler in der Kantine der Staats-theater. Wieler ist Intendant der Oper Stuttgart; wir hatten mit ihm über die nächste Ausgabe von Reihe 5 gesprochen und die Idee, die Menschen vorzustellen, die dies alles machen, Theater, und jedes Mal, wenn einer von uns dies alles sagte, blickte derjenige auf und machte eine Geste in die Kantine hinein, die mittags natürlich voller Leute ist. Balletttänzer, die in Schlabber-Trainingsklamotten und den war-men Puschelpantoffeln aussehen, als wohnten sie in Nimmerland, der eine oder andere bekannte, zutiefst entspannte Schauspieler, völlig deplatziert gekleidete Menschen, die offensichtlich zwischen irgend-einer Anprobe stecken, auf die aber keiner achtet – so wie auf all die anderen, die man meint, schon mal irgendwo gesehen zu haben.

Jossi Wieler nickte, ja, lass uns solch ein Heft machen. Er ist ein höflicher Mann, Schweizer, spricht leise, sagt selten Nein, selbst wenn er ganz anderer Meinung ist. In Gedanken war er bei seinem Regis-seur und der Pressekonferenz, welche die Oper für den Nachmittag anberaumt hatte, um dort bekannt zu geben, wie sie auf Serebren-nikovs Verhaftung reagiert. Gleichzeitig musste sich das gesamte Team Gedanken machen. Was passiert, wenn Serebrennikov nicht freikommt, wenn er keine Probe besuchen, seine Vision nicht umset-zen kann? Alles absagen? Ohne ihn inszenieren? Etwas ganz anderes veranstalten? Solche Fragen standen im Raum, wollten bedacht sein.

Wieler sah müde aus, das Gesicht schmaler als sonst. Plötzlich richtete er sich auf, auf der roten Bank in der Kantine, an diesem Ort, den man auch als Herzkammer des Theaters bezeichnen kann, weil ja jeder hier mindestens einmal am Tag durchkommt, und sagte, in einer anderen Tonart, deutlich hörbar: »Wie kann denn jemand von Russland aus eine Produktion zerstören – an unserem Haus?!« So wie der Intendant das sagte, klang das wie ein Stich. Und das ist es ja auch. Die Verhaftung Serebrennikovs hat nicht nur ihn selbst getroffen. Sie hat viele getroffen wie ein eiskalter Stich, von sehr weit entfernt.

Natürlich geht es, mehr als 2000 Kilometer nordöstlich von Stutt-gart, um Angst. Und um die Kontrolle über Geschichten, nein, über die Geschichte, die erzählt wird. Es geht um die Stimme eines Menschen, darüber, ob seine Version der Erzählung weitererzählt wird oder eben jene andere, in der es keine Homosexuellen und Querdenker gibt.

Gleichzeitig gilt der Arrest Serebrennikovs und seiner Mitstreiter einem Ort. Denn wie jedes gute Theater ist auch das Moskauer Gogol Center ein Kraftort, an dem Menschen zusammenkommen, sich was

Für Kirill Serebrennikov

schenken wir ein Free-Kirill-

Shirt mit seinem Konterfei

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ausdenken, sich Gedanken über ihre Gegenwart machen und dann was sagen: klar, laut, kritisch, wenn nötig.

Und so ist diese Verhaftung letzten Endes ein Beleg der Schwä-che, sie beweist die Kraft des Wortes. Warum sonst einen Regisseur verhaften? Oder einen Journalisten, wie Deniz Yücel, der noch immer ohne Anklageschrift in einem Istanbuler Gefängnis sitzt? Wieso, wie von der AfD geplant, ein Gesetz verabschieden, das Theatern Heimat- und Kulturpflege vorschreibt?

Kirill Serebrennikov wurde bis zum Premierentermin nicht frei-gelassen. Die Oper Stuttgart hat die Inszenierung weder abgesagt noch ohne Regisseur durchgezogen. Die Oper Stuttgart hat sich was einfallen lassen, etwas anderes, Kraftvolles. Am Premierenabend gab es die Musik, den Film, Fragmente, die Zerbrechlichkeit der Situation, die Hilflosigkeit, es lag alles offen da. Den Rahmen, oder sagen wir lieber die Energie, schuf – und schafft noch immer – das Rahmen-programm. Seit Anfang Oktober laufen Serebrennikovs Arbeiten an der Oper Stuttgart, Ausstellungen, seine Kinofilme, Aufzeichnungen seiner Inszenierungen am Gogol Center und am Bolschoitheater Mos-kau, Vorträge und seine Salome. Eintritt frei, für alle Veranstaltungen!

Also, wozu das Theater? Zynisch könnte man sagen, es gehe in Stuttgart und Moskau um dasselbe, darum, die Erzählung nicht aus der Hand zu geben. Das stimmt, doch führt an dem einen Ort die Angst. Am anderen führen Mut, Neugier, Forschergeist.

Theater werden gern verwechselt mit den Bühnen, die sie be-herbergen, man spricht von »Brettern, die die Welt bedeuten«. Aber dieses Bild ist tückisch. Jedem Menschen, der zum ersten Mal eine Bühne betritt, stockt der Atem. Bühnen sind dreidimensionale Wun-der, riesige, schwarze Würfel, die den Blick nach oben ziehen, wo er sich in der Unendlichkeit des dunklen Beleuchterhimmels verliert. Auf jeden Schauspieler, Tänzer, Sänger, Musiker kommen zig Experten, die das perfektionieren, was sie ohnehin schon lieben. Handwerk, Hightech, Wissenschaft und Kunst produzieren hier in kürzester Zeit interdisziplinäre Meisterwerke. Auf jeden Bühnenboden kommen Hunderte, ach was, Tausende Geschichten, Gedanken, Mythen, die hier durchgenommen werden. Und dann die Menschen: Kinder, Eltern, alte Leute, kleine Leute, Neugierige, Wissensdurstige, die hier gucken, schnuppern, mitmachen. Theater sind Welten in Städten.

Natürlich wird dort auch gehadert und gestritten, vor allem aber findet da Theater statt. Es sind nicht die Bretter, es sind die Menschen und die Geschichten, die sie spielen, singen, tanzen. Erst ihre Ge-schichten bringen uns weiter. Ohne sie wären wir blind. Es ist doch völlig klar, dass, wenn da einer von uns getroffen wird, es uns alle trifft. Und damit meinen wir nicht nur uns. Sondern uns alle – auch Sie.

Ein T-Shirt als politischer Akt: Der Regisseur Kirill Serebrennikov steht in Russland unter Hausarrest

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Das Ganze muss verändert werden. Zu dieser Erkenntnis kommt der Zuschauer durch Frauen wie die Grusche, Frau Carrar oder die heilige Johanna. Es müsste eine Gesellschaft geschaffen werden, die in der Lage ist, solche großartigen Frauen zu integrieren, statt sie zu liquidieren. Aber wie die Welt im Moment aussieht, entwickelt sich keine Gesellschaft dorthin.

Für uns ist das der Grund, diese Frauen auf die Bühne zu bringen, indem wir uns ernsthaft für sie, ihre Ansprüche und ihre Botschaft interessieren. Natürlich nimmt die Zahl der Zuschauer, die sich für eine Botschaft interessieren und deshalb ins Theater kommen, kontinuierlich ab. Selbst von den wenigen, die noch in ein Theater gehen, ist vielleicht ein großer Teil nur auf das kulinarische Erlebnis von »schönen Stimmen« aus und hat bloß noch nicht gemerkt, dass man das zu Hause auf dem Sofa mit einem CD-Player inzwischen sogar bequemer haben könnte. Es bleibt ein ganz kleiner Rest von Menschen mit einem wirklichen Interesse und der Sehnsucht zu erleben, dass sie nicht allein sind mit ihren Problemen.

Diese gesellschaftliche Entwicklung kommt natürlich nicht von ungefähr, sondern durch die Wirtschaftspolitik und die Medien, wel-che zur Schaffung von Profi t immer entfremdetere Produkte auf den Markt bringen und dafür mit immer suggestiveren Methoden werben müssen. Um etwas zu verkaufen, muss man Käufer fi nden. Aber Menschen, die Verbundenheit fühlen mit der Natur und anderen Menschen, die noch an zwischenmenschlicher Kommunikation in-teressiert sind, sind keine guten Käufer. Die kaufen halt nicht so viel und vor allem nur das, was sie brauchen, und nicht das, was ihnen der Werbeterror einhämmern will.

Um mehr Kaufbedürfnis zu wecken, muss man also die Men-schen sich selbst entfremden und ihnen neue Bedürfnisse eintrich-tern, Bedürfnisse nach Events, Partys, schnellen Autos, Last-Minute- Reisen etwa. Man muss dafür sorgen, dass die Menschen sich nach diesen Dingen sehnen. Dem laufen aber Traditionen wie Literatur,

Thea ter, Bildung zuwider. Also: immer weniger Bücher und wenn, dann vorinterpretierte Hörbücher, immer weniger nicht eventisiertes Theater.

Es wäre natürlich auch blauäugig zu hoffen, dass Frauen an die Macht kämen. Oder Männer und Frauen. Oder Kinder. Anstelle dessen muss klar sein: Jede An-sammlung von Menschen, jede Gemeinschaft braucht Organisation. Diese Organisation fi ndet statt durch Politiker – die Bezeichnung leitet sich von der altgrie-chischen Polis her, dem antiken Stadtstaat. Die Politik hat nur zwei Möglichkeiten: Sie schafft Verhältnisse, in denen entweder die guten Möglichkeiten der Menschen zum Tragen kommen oder die schlechten. Mir scheint, dass bisher nur Verhältnisse existierten, in denen die

allerschlechtesten Möglichkeiten, die wir Menschen in uns tragen, gefördert wurden. Aber die eigentliche Aufgabe der Politik ist es, Ver-hältnisse zu schaffen, die positive Potenziale fördern. Damit unsere Gesellschaft das erreichen kann, braucht sie das Theater und alle anderen werte- und menschenbildenden Disziplinen.

Also: Wem nützt Medea? Uns. Damit wir alle Menschen werden, sensibilisiert gegen unsere eigene Vergewaltigung. Damit das Gute in uns blüht und nicht das Destruktive. Damit uns das Leben, die Freundlichkeit, die Liebe wertvoller werden als Besitz, Betrug und Tötungswahn.

M ythos, Literatur und Oper sind voller starker Frauen, Medea ist da nun wirklich nicht die einzige. Was zeichnet sie alle aus? Dass sie auf etwas bestehen: Kassandra besteht auf der Wahrheit, Penthesilea

besteht auf ihrer Liebe, und Medea besteht auf der Verbindlichkeit einer Beziehung. Das gab es nicht nur in der Antike, auch Butter-fl y besteht auf ihrer Liebe. Carmen besteht auf ihrer Freiheit und Selbstbestimmung, ähnlich wie Marie in Wozzeck oder Lulu – diese Reihe könnte man fortsetzen.

Was ist ihnen allen gemein? Keine Austauschbarkeit. Worauf ich hinauswill, ist: Wenn man auf irgendwas besteht, ist man nicht einfach bockig, sondern man will eine Qualität bewahren. All diese alten Theaterstücke und Opern erzählen von den Katastrophen, die daraus folgen, dass den Frauen das nicht zugebilligt wird und sie diffamiert und – im schlimmsten Fall – liquidiert werden. Allein in Europa wurden aus diesem Grund Zehntausende Frauen als Hexen verbrannt. Indem sie auf etwas bestanden haben und sich zum Beispiel nicht damit einverstanden erklärten, dass ihre Männer nur noch zum Essen nach Hause kommen und ansonsten ihrer Arbeit außerhalb der Bleibe nachgehen, in der Fremde, in der Fabrik, im Büro, haben sie sich bewusst oder unbewusst gegen eine fortschreitende Entfremdung gewehrt. Entfremdung war die Vor-aussetzung für die Entwicklung der Gesellschaft in unsere moderne Richtung, für gesellschaftlichen Fortschritt.

Auch eine Figur wie Wagners Brünnhilde gehört dazu, die ne-benbei noch den Auftrag des Vaters hat, das Ganze endlich in die Luft zu jagen. Insofern stecken auch die anderen Frauen in ihr drin. Brünnhilde ist eine Frau, die die ganze nicht mehr auszuhaltende Lieblosigkeit und Unmenschlichkeit zum schmerzlichen, aber ver-dienten Ende bringt. Laut Wagner ist das die Voraussetzung, dass et-was Neues entstehen kann, etwas anderes als die alte Gesellschaft, die nur auf Gewalt, Macht und Besitz gründet. Bei Brecht heißt es:

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Peter Konwitschny schenkt ein

handsigniertes Buch über sein Werk

Regisseur Peter Konwitschny auf der Probebühne der Oper Stuttgart bei der Arbeit an Medea

Peter Konwitschny inszenierte jüngst das Drama um die Amazonen-königin Penthesilea – für die Oper Stuttgart bringt er nun Luigi Cherubinis MEDEA auf die Bühne, Premiere am 3. Dezember im Opernhaus

Wer hat Angst vor Medea?

Brünnhilde, Penthesilea, Medea: Die Opernwelt steckt voller Frauen, die

kämpfen, morden, wüten. Regisseur Peter Konwitschny liebt sie alle. Wofür?

Dass sie sich wehren – gegen Verrat, Un-gerechtigkeit, Zerstörungswahn und

Lieblosigkeit. Hysterisch ist daran gar nichts

TEXT: PETER KONWITSCHNY

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»Ich arbeite im Schatzkäst-chen – so nennen die Kolle-gen meine Abteilung. Ich sitze zwischen Regalen voller Perlen, Bordüren, Federn

und Pailletten. Wir dekorieren die Kostüme und Kostümteile und stellen Schmuck und Accessoires her. Gerade dekoriere ich ein Kostüm aus Schwanensee. Wir arbeiten manchmal wochenlang an den Teilen. Einige sind so wertvoll wie Haute-Couture-Kleider. Dafür halten sie wirklich lange. Die Kostüme für Schwanensee wurden 1963 entwickelt. Nach über fünfzig Jahren sind einige von ih-nen noch im Original auf der Bühne zu sehen. Sie werden, sofern sie passen, an die nächste Tänzergeneration ›vererbt‹. 500 Perlen auf-zusticken kann gelegentlich richtig stressig sein. Aber es macht mir unglaublichen Spaß. Manchmal ist es geradezu meditativ. Beim Sticken etwa stelle ich mir vor, wie sich der Tänzer fühlt, wenn er das fertige Kostüm auf der Bühne trägt. Ist das nicht wundervoll?«

Der Perlenfl üsterer Der Schmuckdesigner Daniel Strobel verziert Kostüme für Oper, Ballett und Theater. Manche sind so wertvoll wie Haute Couture

Daniel Strobel ist Teil des Zweierteams des Kunstgewerbes an den Staatstheatern.Er verziert die Kostüme für das Ballett SCHWANENSEE, ab 6. Dezember im Opernhaus

Mich begeistert es, ein Stück von innen heraus als Darstellerin zu entwickeln — und es gleichzeitig als Choreografi n vom Bühnen-rand zu gestalten. Ich liebe dieses Hin und Her, das Unstete, PuzzlehafteBerit Jentzschs Position ist einzigartig in Deutschland: Sie ist sowohl als Tänzerin wie als Choreografi n fest am Ensemble des Schauspiels Stuttgart. Sie ist in LULU zu sehen (für die Inszenierung hat sie auch choreografi ert), ab 8. Dezember im Nord

Berit Jentzsch verschenkt ein persönliches Training, in dem sie mit dem Gewinner eine Choreografi e aus einem Stück von Armin Petras einstudiert

Daniel Strobel schenkt Ihnen eine originale Tutu-Deko aus dem Ballett Schwanensee – und ein T-Shirt des Stuttgarter Balletts

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Tutu-Deko aus Hahnen- und Straußenfedern

Bewegung ist ihr Ausdrucksmittel: Berit Jentzsch auf der Treppe im Schauspielhaus

Erste Geige Sie ist Konzertmeisterin des Staatsorchesters Stuttgart. Dabei muss Elena Graf nicht nur auf der Violine den richtigen Ton tre¥ en

»Seit drei Jahren bin ich Konzertmeisterin des Staatsor-chesters Stuttgart. Ich sitze am ersten Pult der ersten Gei-gen – und darf von dort aus ein ganz schönes Multitasking beweisen: Während der Proben bin ich die direkte An-sprechpartnerin des Dirigenten und vermittle bei Fragen zur Interpretation oder Spielpraxis zwischen ihm und dem Orchester. Hier in jeder Situation die angemessene Reakti-on zu zeigen und die richtigen Worte zu fi nden, ist nicht so einfach! Eine besondere Herausforderung sind diese klei-nen Soli, die nur ein oder zwei Takte lang sind: Man spielt die ganze Zeit im Tutti-Klang, achtet auf seine Gruppe und das gesamte Orchester, und muss dann auf einmal den

richtigen Ton treffen, um aus dem Tutti herauszutreten. Mein erster Abend als Konzertmeisterin war ein Sprung ins kalte Wasser. Ich hatte noch nie zuvor Oper gespielt. Und dann gleich Richard Wagners Tristan und Isolde! Das sind über vier Stunden höchste Konzentration und höchs-te Emotionalität! Da stand ich, mit 26 Jahren, vor Musi-kern, die zum Teil seit Jahrzehnten im Orchester spielen.

Wenn man so früh Konzertmeisterin wird wie ich, muss man sich sehr gut vorbereiten. Das hilft auch gegen man-ches Vorurteil, das dir als Frau oder jüngerer Musikerin entgegengebracht wird. Mein Trumpf ist: Ich spiele Geige, seit ich drei Jahre alt bin, und begann schon früh damit, Kammermusik zu machen und mich für Partituren zu in-teressieren. Das waren die besten Voraussetzungen für meinen jetzigen Traumberuf.«

Elena Graf spielt in der Gruppe der Ersten Geigen und ist Konzert- meisterin des Staatsorchesters Stuttgart, das Sie beim 3. SINFONIEKONZERT mit Werken von Toshio Hosokawa und Antonín Dvorák am 10. und 11. Dezember in der Liederhalle erleben können.

Elena Graf verschenkt den Besuch einer General probe und führt anschließend durch den Orchester-graben

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Elena Graf im Orchestergraben des Opernhauses. Konzertmeisterin wollte sie schon als Kind werden – oder Süßigkeitenverkäuferin Foto

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Unser Orchester feiert in dieser Spielzeit ein außerge-wöhnliches Jubiläum: 425 Jahre Staatsorchester Stutt-gart! Zum Spielzeit-Auftakt

haben wir unser Publikum ins Opernhaus eingeladen, wo es die ganze Vielfalt dieses Orchesters erleben konnte. Die Fotos auf dieser Seite erzählen von den wunderbaren Augenblicken, die dabei entstanden: In den Foyers tummelte sich eine neugierige Kin-derschar, um unsere Instrumente zu bestau-nen und auszuprobieren. Das sind auch für uns Musiker glückliche Momente, wenn wir die ersten Bogenstriche auf einer Geige oder den ersten Presslaut auf einem Oboen-Rohr miterleben können!

Gerade die jungen Hörer liegen dem Staatsorchester ganz besonders am Her-zen. Denn auch wenn wir eines der ältesten Orchester der Welt sind und eine so reiche Vergangenheit haben, wollen wir an die Zukunft und an unsere Hörer von morgen denken! Eine der schönsten Erfi ndungen der jüngeren Orchestergeschichte sind die Sitz-kissenkonzerte für Kinder von zwei bis sie-ben Jahren, die wir seit mehr als zehn Jahren zusammen mit der Jungen Oper gestalten. Mir macht es immer wieder große Freude, für Kinder und vor Kindern zu spielen. Kin-der reagieren spontan und empathisch. Sie tauchen immer ganz in die Geschichten ein, die wir ihnen musikalisch erzählen. Als ich bei der Produktion Der Josa mit der Zauber-fi edel mit meiner Geige einen Mond anspiel-te, glaubten sie wirklich, dass man mit der Musik den Mond groß und klein machen könne! Das fi nde ich einfach wunderbar.

Muriel Bardon ist Stimmführerin der Zweiten Geigen im Staatsorchester Stuttgart. Beim JUBILÄUMSKONZERT am 1. Januar im Opern-haus richtet das Orchester seinen Blick nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern auch voraus in die Zukunft – und feiert seine Tradi-tion der Innovation mit der Uraufführung eines Orchesterwerks von Helmut Lachenmann

Kleine Künstler Muriel Bardon erzählt von dem Glück, Kinder mit Instrumenten und Musik zu verzaubern

Muriel Bardon verschenkt eine ihrer bei der Spielzeiterö¥ nung ausgestellten wundersam-skurrilen Zeichnungen – aus eigener Feder und handsigniert

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Catelijne Smit ist Korrepetitorin beim Stuttgarter Ballett. Die Pianistin begleitet die Compagnie am Klavier, zum Beispiel bei den Proben zu SCHWANENSEE, ab 6. Dezember im Opernhaus

»Die Tänzerinnen und Tänzer sind mor-gens beim täglichen Training oft noch müde. Dann fi nden sie es toll, wenn ich Lieder von Michael Jackson spiele oder von Madonna. Manche singen sogar mit, das hilft ihnen beim Aufwachen!«

»Jedes Theaterstück hat seinen Rhythmus, seine spezielle Folge von Licht, Ton, Wörtern, Bewegungen. Kommt es aus dem Takt, suche ich die Ursache, sensibilisiere die Kollegen. Schauspieler, Techniker, Handwerker ticken alle unterschiedlich. Acht Wochen arbeiten wir gemeinsam an einem Projekt. Das ist anstrengend, aber schweißt zusammen.«

Péter Sanyó betreut als Regieassistent am Schauspiel Stuttgart DAS 1. EVANGELIUM, Urauf-führung am 19. Januar im Schauspielhaus

Péter Sanyó schenkt einen Probenbesuch an seiner Seite

Catelijne Smit schenkt eine halbe Stunde Klavierunterricht

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Matthias Knop ist Physiotherapeut beim Stuttgarter Ballett. Er ist dabei, wenn die Compagnie tanzt, etwa bei BEGEGNUN-GEN, Premiere am 13. Januar im Opernhaus

Neulich waren sie auf einem Gastspiel in Bangkok. Einige Tän-zerinnen und Tänzer ließen sich massieren,

danach sagten sie zu Matthias Knop: »Seit du da bist, tut nicht mal mehr die Thaimassage weh.« Knop ist der Physio-therapeut des Stuttgarter Balletts. Er ist dabei, wenn die Compagnie probt oder auf der Bühne steht. Wenn Knop die richtigen Punkte trifft, ist das nicht unbe-dingt angenehm. »Manche nen nen mich den Folter-knecht.«

Knop hat eine besondere Aufgabe: Er baut eine neue Struktur für Physio-therapie beim Stuttgarter Ballett auf. Früher war zwar ein Masseur im Haus, die Physiotherapie jedoch ausgelagert. Jetzt haben sie das System umgedreht, sich am Profi sport orientiert. Er arbei-tet mit den Tänzern präventiv, etwa da-

Der Körperversteher Sie nennen ihn liebevoll den Folterknecht. Tatsächlich

aber kümmert sich Matthias Knop um das Heil der Tänzerinnen und Tänzer des

Stuttgarter Balletts

ran, dass die Fußsohlen weich bleiben – um Verletzungen vorzubeugen. »Es ist wichtig, dass die Tänzer ihre Ana-tomie kennen«, erzählt Knop. Häufi g liege die Ursache einer Verletzung nicht da, wo es wehtut. Er hat lange mit

Fußballern zusammengear-beitet und weiß: Zwei Phy-siotherapeuten für 65 Men-schen sind im Profi bereich wenig. Knops Kalender ist voll. Manchmal hat er nur Minuten, um während einer Vorstellung zu beurteilen, wie schwer jemand ver-letzt ist, ob weiter getanzt werden kann oder nicht. Mit Tänzern arbeite man auf

sehr hohem Niveau, sagt Knop. Diese Mischung aus Kraft und Intensität gebe es in keinem anderen Sport. »Da wird Ballett total unterschätzt.«

Matthias Knop schenkt ein

physio thera peu-tisches

Beratungs ge-spräch mit

Eingangsanalyse

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Physiotherapeut Matthias Knop dehnt die Muskeln von Jason Reilly

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Alicia Amatriain schenkt Ihnen ein Paar zertanzte und signierte Spitzenschuhe

»Wir sind Alicia Amatriains Füße. Wir tra-gen ihren gesamten Körper, während sie tanzt. Als Ballerina ist ihr Körper ihr Instru-ment – und wir sind ein wichtiger Teil die-ses Instruments. Alicia hat Glück, denn wir sind robust. Wir balancieren sie, wenn sie sich auf die Spitze stellt, und federn sie ab, wenn sie einen Sprung macht. Wir sind Alicia dankbar, denn sie kümmert sich gut um uns. Manche Kolleginnen gehen zur Pediküre, aber sie lässt niemanden ran. Bei der Behandlung darf niemals zu viel Haut von uns abgeschnitten oder gehobelt wer-den. Deswegen macht Alicia alles selber.

Nach einer Vorstellung kühlt sie uns mit kaltem Wasser, massiert uns mit Eis, damit das Blut wieder zirkuliert, denn die Gummis und Bänder der Schuhe schnüren uns ein. Ein spezieller Ball aktiviert unsere Akupres-surpunkte. Bis zum letzten Moment, bevor wir auf die Bühne gehen, tragen wir dicke Socken. Wir sind gern warm, damit wir uns nicht verletzen. Das ist manchmal schwer, denn wir werden schnell kalt, und die Schuhe sind eng und hart. Wenn wir auf der Spitze stehen, spüren wir keinen Schmerz. Dafür sind wir trainiert. Viele der täglichen Übun-gen bereiten uns darauf vor, zum Beispiel wenn wir an der Stange immer wieder auf Spitze gehen. Unsere Muskeln geben uns den Halt, den wir da oben brauchen.

Man sagt, es sei einfacher, auf die Spitze zu gehen, wenn die Zehen gleich lang sind. Unsere Zehen sind allerdings völlig unter-schiedlich, und es klappt trotzdem. Klar, wir sind keine Modelfüße, wir sind komplett durchgearbeitet. Werbung für Nagellack könnten wir nicht machen! Dafür erzählen wir Alicias Lebensgeschichte.«

Bis in die Spitzen Sie haben Schwielen und Blasen, werden liebkost und umsorgt: Die Füße einer Primaballerina erzählen ihre Geschichte

Alicia Amatriain ist Erste Solis tin beim Stuttgarter Ballett. Sie tanzt die Doppel-rolle der Odette und Odile in SCHWANENSEE, ab 6. Dezember im Opernhaus

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Sie kommen auch ohne Spitzenschuhe ganz nach oben. Voller Hornhaut und Druckstellen – und trainiert bis in den kleinsten MuskelFo

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Der Neuerer Regisseur Kay Voges erprobt die digitale Revolution im Theater,

braucht seine tägliche Dosis Kino und nutzt selbst seinen Schlaf als Kunstmaterial. Einst hat er auf den Straßen

Amsterdams mit einem Holzkreuz missioniert

Medienjunkie: Mit Anfang zwanzig sang

Kay Voges in einer Punkband, malte und

fotografi erte. Es gibt quasi kein

Medium, das er nicht schon auf der Bühne

verwendet hätte

E s gibt eine App, die hat es Kay Voges seit Neuestem angetan. Auf »Google Art & Culture« kann man bei »X Degrees of Separation« erleben, wie

künstliche Intelligenz Bilder aus Tausenden Jahren Kunstgeschichte verknüpft. Selbst die Kluft zwischen Werken wie Albrecht Dürers Feldhasen und Andy Warhols Silver Car Crash füllt die Software mit einem fl ießen-den Übergang. Sie spannt den Bogen über zarte koreanische Tierzeichnungen und Doug las Couplands farbensatte, geome-trische Landschaften. Historie, Ikonografi e, Kunstgeschichte sind außer Kraft, es geht allein um Form- und Farbübergänge. Aus einer Million Bildern wird verknüpft, was dem Algorithmus ähnlich erscheint.

Die App verbildlicht ganz gut, woran Voges glaubt, nachdem er den Glauben an die sinnstiftenden Erzählungen der Kirchen, an Schicksal, Sinn oder Grund verloren hat – ebenso wie den Glauben an lineare Ge-schichten im Theater. »Es macht uns rei-cher und kreativer, wenn wir nicht immer kausal denken«, sagt er. »Mit entlegenen Assozia tio nen kommt man in eine neue Konstruktion von Wahrheit, die neue Arten von Geschichten erzählt.« Was für ihn heu-te die Welt entschlüsselt, sind Zweifel und permanente Suche. Und trotzdem wählte Voges, als er mit dem Stuttgarter Schau-spielintendanten Armin Petras beim Kaffee über mögliche Inszenierungen nachdachte, ausgerechnet das Evangelium. Die Jesus-Geschichte, Ur-Werk der westlichen Geistes-geschichte, ikonografi sches Fundament fast jeder europäischen Kunsthervorbringung.

Voges, 45 Jahre alt und Theaterintendant in Dortmund, ist einer der spannendsten Regisseure der Republik. Als Kind träumte er davon, Prediger zu werden. Mit sechzehn Jahren schleppte er ein Holzkreuz durch die Altstadt von Amsterdam, um Menschen auf den rechten Weg zu Gott zu bringen. Seine Eltern, eine Therapeutin und ein Program-mierer, waren Mitglieder des Düsseldor-fer »Jesus-Hauses«, einer charismatischen Gemeinde mit Hippie-Anklängen, inklusive Heilungs- und Taufritualen, Dämonenaus-treibungen und Zungensprache. Die Magie seines Kinderglaubens verband sich ganz direkt mit dem Engels- und Teufelsglauben der Erwachsenen: »Immer noch eine schö-ne Erinnerung.«

Seine Bibel warf er durch die Kirche

Voges’ Eltern waren längst nicht mehr so religiös aktiv, als er 1986 in die – noch ra-dikalere – Pfi ngstgemeinde eintrat und mit dieser in den Sommerferien durch Amster-damer Straßen zog. Und doch inszenierte er dort kurze Zeit später, mit achtzehn Jahren, einen Bruch, der jeder Theaterbühne wür-dig gewesen wäre. Bei einer »Jesus Birthday Party« hielt er eine Predigt und zitierte aus der Offenbarung: »Ihr seid nicht heiß, ihr seid nicht kalt, ihr seid lau, und darum spei ich euch aus.« Als Finale schleuderte er seine Bibel von sich, marschierte hinaus und ward in der Gemeinde nicht mehr gesehen. Ein Befreiungsakt.

»Neben den permanenten Schuldgefüh-len wurde mir irgendwann bewusst, dass ich in dieser Unterkomplexität von Lebensent-

wurf permanent Dinge ausgrenzte. Und ich habe gemerkt, dass es das nicht sein kann«, sagt er. Voges, groß und schmal, Viel raucher, mit vorspringenden, wachen Augen, eine britische Rockstar-Tolle hängt ihm über der Stirn, erzählt diese Geschichte gern. Heute würde er sich am ehesten als »atheis tischen Protestanten« bezeichnen. »Ich brauche nicht die Sicherheit des Glaubens, sondern suche die Sicherheit des Zweifels. Wenn man das ertragen kann, ist es eine viel schö-nere Lebensidee.«

Religionssympathisant ist er noch immer, das spürt man in seinen Inszenierungen. Al-len voran in der Borderline Prozession, mit der er 2017 erstmals zum Berliner Thea-tertreffen eingeladen war. Bei dieser weih-rauchgeschwängerten Installation können sich die Zuschauer in einen quasireligiösen Rausch hineinsehen: Auf der Bühne steht ein Gebäudekomplex mit einsehbaren Räu-men, in denen sich Alltagsszenen abspie-len. Gleichzeitig prozessieren Darsteller im Dauer loop mit Kameras drum herum, fi lmen und senden Fetzen des Geschehens auf eine Leinwand. Dazu wird das Publikum bombar-diert mit täglich neu gemischten Zitat- und Musik-Samples. Nicht ums Verstehen, son-dern ums Erleben geht es: ein grandioser Live-Theaterfi lm über den Zustand der Welt und des eigenen, zersplitterten Bewusst-seins im Internetzeitalter.

Bei der Nachfolgearbeit hell/ein Augen-blick knallen live hergestellte Szenenfotos aus dem Dunkel. Die Schöpfungsgeschich-te nimmt sehr viel Platz ein, zum Schluss wird Christus mit Dornenkrone zu Grabe getragen. Mit solchen Bildern untersucht

TEXT: DOROTHEA MARCUS

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Der Zauberer von Oz ist weltbekannt, jeder hat die Bilder im Kopf von dem Mädchen Dorothy, dem Blechmann, dem Löwen, der Vogelscheu-che und dem gelben Backsteinweg. Wie macht man da ein Bühnenbild, das überrascht? »Bei dem gelben Weg dachte ich zuerst an einen LSD-Trip«, sagt Natascha von Steiger. »Aber bei einem Familienstück passt das natürlich nicht.« Die Bekanntheit des Films fi ndet sie nicht schlimm, viel schwieriger sei es, die Kin-der im Publikum bei Atem zu halten. Das ist nicht nur Aufgabe der Schauspieler, auch das Bühnenbild muss sie zwei Stunden lang fesseln.

Steiger ließ schließlich im Malsaal der Staatstheater vier riesige Bilder malen, die nacheinander den Hintergrund ausfüllen. Das wirkt, als wanderte Dorothy durch ein Bilder-buch. Woher nimmt Steiger ihre Ideen? »Ich gehe mit Fotoaugen durch die Welt, wälze Bild-bände.« Selbst wenn sie noch nicht weiß, was sie später damit anfängt: »Ich sammle überall Motive.«

Natascha von Steiger ist freischaffende Bühnenbildnerin für Schauspiel, Oper und Tanz. Am Schauspiel Stuttgart arbeitet sie mit an dem Familienstück DER ZAUBERER VON OZ, ab 4. Dezember im Schauspielhaus

Die Sammlerin Sie geht mit o¥ enen Augen durch die Welt. So werden aus kleinen Ein-drücken große Bühnenbilder Natascha

von Steiger verschenktein Halbtages-praktikum im Malsaal.Der Gewinner entdeckt, wie ein Bühnenbild entsteht

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Im Kreationsprozess: Natascha von Steiger vor einem der vier Prospekte, die sie für Der Zauberer von Oz entworfen hat

Kay Voges ist Theaterregisseur, Intendant am Theater Dortmund und nach eigenem Bekun-den »atheistischer Protestant«. Am Schauspiel Stuttgart inszeniert er DAS 1. EVANGELIUM, frei nach dem Matthäusevangelium. Urauffüh-rung am 19. Januar im Schauspielhaus

das Stück heu tige Sehgewohnheiten und spiegelt das gras sierende Foto-Junkietum.

Voges’ zentrale Frage lautet: Wie macht man im Internetzeitalter Theater? Wie ist es möglich, die Umwälzungen der digitalen Revolution, die Welt im Split-Screen-Modus und Wahrnehmungs-Overload auf der Büh-ne abzubilden? »Was das Internet mit der Menschheit macht, ist eine viel tiefer grei-fende Erschütterung als die Erfi ndung des Buchdrucks«, sagt er. Theater müsse helfen, das Internet als Bewusstseinswerkzeug zu ergründen – und alle Fragen, die damit zusammenhängen. »Was heißt eigentlich Raum und Zeit? Was heißt Arbeit, was De-mokratie, was Moral?«

In Dortmund gründet er gerade eine A kademie für digitale Techniken am Theater, bundesweit ist sie das erste Labor in diesem Feld. Trotz allen Zweifels: Voges glaubt da-ran, dass Theater ein kommunika tives Boll-werk der Demokratie sein kann, gerade in dieser von Nazis überlaufenen Stadt.

Der dreckige Weg durchs Theater

Doch wie wird man vom Missionar zum Digitalpionier des Theaters? »Das Ziel der Wahrheitssuche war immer das gleiche, nur der Weg ein anderer.« Der Glaube führe durch Reinheit, Enthaltsamkeit und Demut, sagt Voges, er selbst gehe heute den diony-sischen, rauschhaften, dreckigen Weg: durch Abenteuer, Fehler und Zweifel. »Am Theater geht man oft durch Dreck.«

Dort gelandet ist er »eher aus Versehen«. Zwar hatte er schon in der Missionsgruppe mit sechzehn Jahren Straßentheater ge-spielt, doch nach dem Bruch mit der Kir-che im Jahr 1990 lebte er erst einmal seine Rockstar- und Filmemacher-Ambitionen aus. Wohnte in einer Musiker-Wohnge-meinschaft, sang in einer Punkband – »ich

begann, Krach und Dissonanzen zu lieben«. Er schrieb, malte, hatte erste Ausstellungen als Fotograf. Und bekam mit zwanzig Jahren einen Sohn. »Bei mir ging schon immer alles etwas schneller als bei anderen.« Auch Kurz-fi lme drehte er. Leider waren die Schauspie-ler, mit denen er arbeitete, nicht annähernd so gut wie die Darsteller in den Filmen, die er liebte. Voges rief kurz entschlossen in der Dramaturgie des Theaters Krefeld an: »Ich will so gut werden wie Ingmar Bergman. Kann ich das bei euch lernen?«

Grenzen interessierten ihn nie. Hemmun-gen hatte er nicht. Er durfte hospitieren und kochte sechs Monate lang vor allem Kaffee. Schließlich wurde er dem Theater Oberhau-sen als Regieassistent empfohlen, wo er ein Kinderstück inszenierte und nach dem gro-ßen Erfolg die Studiobühne leitete. »Es kam mir auf einmal vor, als könnte ich als Re-gisseur alle künstlerischen Ausdrucksmög-lichkeiten gut zusammenfügen, ohne sie perfekt zu beherrschen«, sagt er. So wurde das Thea ter sein Versuchslabor, in dem er stets neue Zweifel diskutiert.

Film ist ihm immer noch wichtig: »Ich brauche meine tägliche Dosis.« Seine In-szenierungen mit ihren Livekameras und Film-Stills erinnern häufi g an Kino. Voges verfi lmte auch das Theaterstück Einige Nachrichten an das All von Wolfram Lotz, das 2012 in Dortmund Premiere hatte. Der Film gewann einen Preis beim Sunset-Film-

festival in Los Angeles in der Kategorie »Ex-periment«. Auch Borderline Prozession war ein fi lmisches Gesamtkunstwerk, in das alle Kunstdisziplinen einfl ossen.

Trotz dieses erstaunlichen Quereinstiegs ist seine eigene Familie eine Theaterdynas-tie geworden: Seine Frau Mona Ulrich, mit der er seit zwei Jahren verheiratet ist, ent-wirft meist sein Kostümbild. Sein siebzehn-jähriger Sohn durchläuft gerade seine erste Regie assistenz am Theater. Der ältere Sohn, 24, studiert Kamera, führt bei Voges’ Insze-nierungen oft die Livekamera und lebt bei ihm. Voges’ Bruder Nils ist Videokünstler, hat schon zwei Inszenierungen in seinem Haus gemacht und verantwortet das Design am Schauspiel Dortmund.

Von Stuttgart kennt der Regisseur kaum mehr als die Standardklischees: »kleine Stadt mit großer Autobahn und schlechter Luft«. Während der Proben wird er kaum vor die Tür kommen, Sport ist nicht sein Ding, höchstens Fußballgucken. Natürlich wird seine Version des Evangeliums nicht Jesus’ Biografi e erzählen, sondern viele Geschich-ten, in denen sich Szenen und Zeiten über-lagern. Er will ausloten, was Jesus heute be-deutet und »wofür er schon alles herhalten musste – Krieg, Frieden, Befreiung, Zölibat, Zweifel, als Liebes- und Sexsymbol …«.

Heimliche Rockstar-Ambitionen

Genähert hat Voges sich Jesus unter ande-rem über den kommunistischen, homosexu-ellen, katholischen Filmemacher Pier Paolo Pasolini. Der hatte 1964 einen Evangelium-fi lm in Schwarz-Weiß gedreht. »Ich glaube, dass Religion und Kino viel gemein haben«, sagt der Regisseur. »Beide sind schön schim-mernde Oberfl ächen, Versuche, Abbilder zu kreieren, die nie der Wirklichkeit gerecht werden können.«

Ein Leben jenseits des Theaters kann Vo-ges sich nicht vorstellen. Eher hält er es mit Heiner Müller: »Alles ist Material. Mein gan-zes Leben dreht sich darum zu verstehen, neue Konfl ikte, neue Themen, neue Poesien, neue Erzählungen zu fi nden.« Und so kreist er selbst beim Reisen, das er liebt, pausenlos um die Arbeit. Nur manchmal, klammheim-lich, feilt er mit ein paar Theaterkollegen weiter an seiner Rockstar-Karriere.

Kay Voges schenkt eigens kreierte Collagen,

vergrößert, gerahmt und signiert

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Diese Werke schenkt Voges: »Kultur-Raum 1–3«, entstanden im August 2017

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IN DER PROBE

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FABIO ADORISIO ist Tänzer beim Stuttgarter Ballett. Er tanzt beim Ballettabend Begegnungen, Pre-miere am 13. Januar im Opernhaus. Für den Abend Die Fantastischen Fünf im März choreographiert er ein neues Stück. MANJA KUHL ist Ensemblemitglied am Schauspiel Stuttgart und freie Künst lerin. In Stuttgart inszeniert sie jetzt erstmals ein eigenes Stück: Johanna, am 10. Dezember im Nord

Damit im Theater alle wissen, was auf den

Bühnen passiert, gibt es Durchsagen im ganzen

Haus. Die schönsten drucken wir in Reihe 5

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IN DER PROBE

Die Fragen stellte Christoph Kolossa. Möchten auch Sie eine Opern-, Ballett- oder Schauspielprobe besuchen? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail [email protected]

EIN GESPRÄCH AUF DER PARKBANK

»Wie ist es eigentlich für Sie, die Seiten zu wechseln?« Eine Schauspielerin und ein Tänzer wagen den Sprung hinter die Kulissen – Manja Kuhl inszeniert nun eigene Stücke, Fabio Adorisio choreographiert. Ein Gespräch über den Mut, eigene Wege zu gehen

BACKSTAGE

MICHAEL SCHICK aus Stuttgart besuchte eine SZENISCHE PROBE der Oper Figaros Hochzeit. Bei dieser Art Probe steht das Bühnen - geschehen im Fokus. Der Regisseur oder Regieassistent leitet die Darsteller und die übrigen Mit ar beiter an

Was haben Sie erwartet?Ich dachte, da wird richtig Remmidemmi gemacht! So eine Oper braucht ja nicht nur Sänger, sondern auch ein Orchester, Kostümleute, Bühnenarbeiter … Und ich habe mir vorgestellt, dass es viel zu diskutieren gibt.

Was ist passiert?Es war relativ still und gar nicht so wuselig. Die Regieassistentin hat mit ein paar Statistinnen geprobt, eine Frau spielte Klavier und sang dazu, im Hin-tergrund rief ein Mann Stich-worte. Es ging zwar nur um das Geschehen während einer Arie, aber der Ablauf wurde fünfmal wiederholt. Dass sie sich derart um Details kümmern, hätte ich nicht gedacht: Beine hoch, Beine runter, tanzen, hüpfen, schlurfen, rennen – alles musste zur Musik passen. Am Ende haben wir ein Video von einer älteren Aufführung angeschaut, da habe ich erst verstanden, wozu das alles gut war.

Worauf werden Sie bei der Aufführung achten?Wie der erho¥te E¥ekt im Opernhaus gelingt. Und mich interessiert, wie dieser kleine Schnipsel ins Ganze passt.

was ich fühle, aber nicht sagen kann. Der Anfang ist hart, weil ich sehr jung bin und mir Vertrauen erarbeiten muss. Kuhl: Fabio ist sehr mutig! Ich bin mit Thea-ter aufgewachsen, bei dem es darum ging, gemeinsam etwas zu entwickeln. Struktu-ren und Autoritäten anzuerkennen fällt mir leider schwer. Ich habe schon an verschie-denen Bühnen Stücke inszeniert und wollte das auch in Stuttgart machen. Also musste ich unseren Direktor davon überzeugen, dass ich unserem Publikum etwas zu sagen habe. Wie entwickeln Sie Ihre Werke?Kuhl: Bei Johanna wechseln wir die Posi-tionen innerhalb des Teams und überprüfen Machtstrukturen. Das ist ein langwieriger, aber wunderschöner Gemeinschaftsprozess.Adorisio: Ich habe ein Bild im Kopf und versuche, mein Team so anzuleiten, dass es mein Bild erfüllt. Ohne Befehlshaber zu sein. Ich tanze, um meinen Tänzern zu zei-gen, was ich von ihnen will. Wenn sie mich verstehen, fließt es. Können Sie Anregungen annehmen? Adorisio: Auf jeden Fall!Kuhl: Meine Mit-Spieler sollen sich einbrin-gen! Ich verstehe mich als ordnendes Ele-ment. Wir arbeiten experimentell, rennen auch gegen die Wand. Wir legen den Finger in die Wunde und sagen: Da spricht dein Ego, aber es geht um die gemeinsame Sache.Wann werden Sie dominant? Kuhl: Wenn ich unsicher bin. Dann habe ich das Gefühl, etwas deut licher sagen zu müssen. Je dominanter ich auftrete, desto unsicherer bin ich.Was ist Ihnen wichtiger: zu gefallen oder zu provozieren?Adorisio: Das Publikum erwartet von uns etwas, das es noch nicht kennt. Wer meine Stücke sieht, lernt etwas Neues, und er lernt mich kennen. Meine Stücke sind sehr dramatisch. Zugleich versuche ich, Elemente zu integrieren, in denen die Zuschauer sich wiedererkennen. Kuhl: Manche Zuschauer kommen mit dem Druck ins Theater, alles verstehen zu müssen. Ich wünsch-te, sie könnten ihren Kopf ausschal-ten und ihr Herz öffnen. Wenn Zu-schauer aufstehen und Buh rufen, macht mich das traurig. Aber es verletzt nicht, weil wir Emotionen geweckt haben. Es ist bereichernd, etwas erst mal stehen zu lassen und dann zu erkennen, wie es in mei-nem Innern arbeitet. Man braucht nicht immer einen Konsens.

Wie gehen Sie mit Kritik um?Adorisio: Ich brauche Feedback! Mal ärgert es mich, mal berührt es mich nicht. Und manchmal frustriert Kritik, weil ich mein Innerstes offenlege und mich in die Rollen hineinversetze. Ich bin selbstkritisch: Als Tänzer arbeite ich täglich acht Stunden vor dem Spiegel. Und beim Choreographieren ist die Arbeitsatmosphäre mein Spiegel. Zum Glück wurde ich noch nie verrissen. Kuhl: Man lernt und wächst an Kritik. Wir Künstler müssen lernen auszuhalten, dass etwas streitbar ist. Wenn ich an meine Arbeit glauben und dazu stehen kann, tut Kritik nicht weh. Ich kann sie ganz gut an-nehmen, wenn ich in mir ruhe. Bin ich nicht in mir sortiert, überfordert mich Kritik.Was inspiriert Sie? Kuhl: Wortspiele, Literatur und Themen, die immer wieder in mir auftauchen.Adorisio: Alles! Spazierengehen, Musikhö-ren. Ich schreibe alles auf, was ich fühle.Gibt es Konkurrenz mit anderen Regisseuren und Choreographen?Kuhl: Nein. Ich bin ja noch unterste Treppen-stufe. Bei uns arbeiten Frank Castorf, Chris-tiane Pohle und René Pollesch. Sofern sie überhaupt über meine Arbeit nachdenken, dann hoffentlich mit wohlwollendem Lä-cheln und Interesse an dem, was da kommt.Adorisio: Wir sind viele Choreographen, und keiner will ein Stück kopieren. Das gelingt, weil wir individuelle Stile haben. Ich bringe meine Persönlichkeit und Erfahrungen ein, suche Tänzer und die Musik aus. So wird es

ein eigenes Stück.Was hilft Ihnen? Kuhl: Die beste Unter-stützung sind Geld, Zeit und eine Bühne. Adorisio: Und die Lei-denschaft, mit der sich alle einbringen!Was war das schönste Kompliment Ihrer Kollegen? Adorisio: Einer meiner Tänzer war beim Auf-tritt so spürbar eins mit seiner Rolle – er hatte genau verstanden, was ich von ihm will.Kuhl: Ein Spieler, mit dem ich gearbeitet ha be, sagte: Ich lerne und traue mich gerade etwas ganz Neues. Die Fragen stellte Sabine Mellenthin

Frau Kuhl, Herr Adorisio, früher standen Sie nur auf der Bühne, nun fiebern Sie auch hinter den Kulissen mit. Wie erleben Sie den Wechsel? Fabio Adorisio: Lampenfieber habe ich immer noch, egal ob ich selbst tanze oder der Choreograph bin! Ich fühle mich meinen Tänzern so nahe, als stünde ich mit ihnen auf der Bühne. Manja Kuhl: Ich hatte eine Zeit lang kein Lampenfieber mehr, das war schrecklich. Aber es kommt langsam zurück. Als Regis-seurin stehe ich gemeinsam mit den Spie-lern auf der Bühne. Wenn ich das nicht täte, wäre es ein furchtbares Gefühl. Ich würde wohl bange wie eine Entenmutti zwischen lauter Löwen: Bestimmt finden sie die Küken süß. Aber sie könnten auch zubeißen. Was tun Sie gegen die Nervosität?Adorisio: Atmen. Und aushalten.Kuhl: Ich renne andauernd auf Toilette.Warum wollten Sie die Seiten wechseln? Adorisio: Ich habe als Kind zu tanzen be-gonnen und mit sechzehn zum ersten Mal choreographiert. So habe ich entdeckt: Das ist mein Weg – ein zweites Standbein neben dem Tanzen. Die Choreographie drückt aus,

Die Eier bitte zu mir! Ich lege sie

selbst in den Korb

DURCHSAGE2. Okt., 13.00 Uhr

In Faust I essen Faust und Mephisto Eier.

Ursprünglich lagen dazu zwei gekochte Eier in

einem Korb mit Plastik-eiern. Diese wackelten jedoch beim Herumge-tragenwerden zu stark,

also kochte die Requisite weitere Eier. Der In-

spizient legte sie schnell in den Korb, damit

die Probe weiterging.

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43

BACKSTAGE

42

Jeden Tag trainieren? Ist das nicht öde? Hyo-Jung Kang über die Kraft der Wiederholung – und die Tücken des Montags

ABGESCHMINKT

Immer wieder aufs Neue

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»Das tägliche Training mit all seinen Wiederholungen ist für uns, als würden wir unsere Körper mit besonders guter Nahrung füttern. Anderthalb Stunden arbeiten wir morgens im Ballettsaal, von kleinen Übungen, die einzelne Muskeln in den Füßen trainieren, bis zu gro-ßen Bewegungen, bei denen wir den gesamten Körper nutzen. Nicht zu trainieren kommt nicht infrage. Es ist wie Zähneputzen. Wie die Tasse Kaffee am Morgen. Wenn wir älter werden, wird das Training immer wichtiger. Es wärmt den Körper auf, unterstützt Muskeln und Gelenke und schützt vor Verletzungen. Das Training ist für mich, als würde ich mein Instrument stimmen. Wenn ich sehr erschöpft bin, konzentriere ich mich nur darauf, meinen Körper ins Gleichgewicht zu bringen – und meinen Geist. Das ist für mich wie eine Meditation.

Jeden Morgen fühlt sich mein Körper anders an. Mal schmerzt eine Seite, dann wieder die andere. Im Training arbeite ich be-wusst an diesen Stellen. Wenn ich für eine bestimmte Rolle probe, nutze ich das Training, um an der Technik zu arbeiten, die in der Choreographie vorkommt. Natürlich bin ich nicht jeden Morgen heiß darauf zu trainieren. Wir arbeiten sechs Tage in der Woche, von Montag bis Samstag, manchmal auch sonn-tags. Wir sehnen uns nach dem einen freien Tag in der Woche. Gleichzeitig fürchten wir den Montagmorgen, der ist schlimm! Der Körper merkt die Pause sofort. Es ist ein Dilemma: Einer-seits wollen wir einen freien Tag, andererseits wissen wir, wie steif wir uns am nächsten Tag fühlen.« Jana Petersen

MEIN ARBEITSPLATZ

EVA BUNTE führt die Geschäfte des Staatsorchesters Stuttgart

Was macht eine Orchester-Geschäftsführerin?Mit meinem Team sorge ich dafür, dass sich die Musiker auf das Spielen konzen -trieren können. Alles andere orga ni sieren wir: Stühle, Noten, Reparatur und Kauf von Instrumenten, Arbeitszeiten und Physio therapie. Wenn es Spannungen gibt, suche ich eine Lösung.Was sind das für Spannungen? Konfl ikte, die bei 130 Kollegen eben vorkommen. Manchmal klappt es menschlich nicht, musikalisch aber schon – und umgekehrt. Vieles lässt sich nicht in Worte fassen. Dass ich selbst im Uni-Orchester gespielt habe, hat mir ein Gefühl dafür gegeben. Wie können Sie allen gerecht werden?Bei so einem großen Orchester geht das leider nicht immer. Ich versuche klar zu sein und Regeln anzuwenden, die ich selbst auch einhalte. Nichts ist schlimmer, als herumzueiern! Am Anfang habe ich alle Namen und Gesichter gepaukt. Ich kann ja nicht für jemanden verantwortlich sein, den ich nicht kenne. Interview: Christoph Kolossa

Die Herren der Technik bitte

für den Sprung!

DURCHSAGE21. Okt., 21.45 Uhr

In der Oper Tosca stürzt sich die Titelheldin

in den Tod. Damit die Dar stellerin dabei keine

blauen Flecken bekommt, liegt hinter den Kulissen

eine Matratze bereit. Die Bühnentechniker scharen sich vor dem

Sprung um die Matratze und fangen die Darstelle-rin auf, falls die Landung

nicht ganz gelingt.

HYO-JUNG KANG ist seit 2003 beim Stuttgarter Ballett und seit 2011 Erste Solistin. Sie steht beim Ballettabend Begegnungen auf der Bühne, Premiere am 13. Januar im Opernhaus

HAUSBERICHT

Die im Dunkeln Im Stück Ehen in Philippsburg stehen elf Schauspielerinnen und Schauspieler

auf der Bühne. Unsichtbar, aber genau so wichtig sind jedoch all die Menschen hinter den Kulissen – das sind fast viermal so viele!

Und zwar vom Keller bis hoch unters Dach. Hier stellen wir sie vor

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Regieassistent Er kontrolliert, ob alle da sind und haben, was sie brauchen: Schau-spieler, Techniker, Ton-meister. Gibt nach der Vorstellung Feedback

2

InspizientEr steuert den Ablauf der Vorstellung, macht Durchsagen, gibt Zei-chen und schreibt nach der Vorstellung einen detaillierten Bericht

3

Sou³ eurEr arbeitet mit einem Schauspieler, der viele Texte hat, vor der Vor-stellung. Souffl iert von der ersten Reihe aus

4

Damen- und Herren-garderobiersSie verteilen vor der Vorstellung Kostüme auf die Garderoben und helfen beim An- und Umkleiden zwischen den Szenen

5

MaskenbildnerinnenSie schminken und frisieren die Darsteller, kleben Perücken an. Schminken zwischen den Szenen zwölfmal um, zum Teil komplett

6

RequisiteureSie besorgen Teile aus dem Zentrallager, kaufen frische Lebensmittel und Blumen, bauen hinter der Bühne Um klei-den auf und bestücken die Bühne szenenweise mit Requisiten

Stephan Kimmig hat EHEN IN PHILIPPSBURG

nach Martin Walser für das Schauspiel Stuttgart inszeniert. Am 3. Dezem-

ber im Schauspielhaus

TonmeisterSie installieren Mikro-

fone und Lautsprecher, auch Mithörlautspre-cher für Schauspieler,

die gerade nicht auf der Bühne stehen.

Sie machen den Sound-check und bedienen

während der Vorstellung das Mischpult

8

LichttechnikerSie verkabeln Licht-

quellen im Bühnenbild, richten die Schein-

werfer ein, bedienen während der Vorstel-

lung das Lichtpult und bauen in der Pause

um. Zudem reparieren und warten sie Geräte

9

VideotechnikerEr spielt während der

Vorstellung eine Tagesschau aus den

Fünfzigern ein und eine Wirtschaftswunder-

reportage – sowie ana-loges Bildrauschen

10

BühnentechnikerSie richten die Bühnen -

bilder ein, die Dreh-scheibe für den Wechsel der Bilder, den Vorhang,

die Schienen für Scheinwerfer und die Windmaschine. Und

sie verteilen und ent fernen Kunstschnee

7

Sockelgeschoss

Bühnengeschoss

1. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Seitenbühne Süd

Beleuchtungsbrücken

Ton, Licht, Video

Seitenbühne Nord

Unterbühne

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Galerie

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Online unter:www.staatstheater-stuttgart.de/reihe5

WAS WAR DA LOS?

Yannick Wilkendorf, Statist bei der Oper Stuttgart:»Erstaunlich, wie schnell das Spielfi eber die Leute packt! Beim Spielraum Oper, einer Veranstaltungsreihe der Oper Stuttgart, er-lebt das Publikum experimentierfreudige Musik- und Theaterabende zu ganz unterschiedlichen Themen. Diesmal ging es um Glück und Pech, Spiel und Schicksal. Dafür haben wir das Kammertheater zum Casino gemacht – mit Pferdewettbüro, Roulette und Kartentisch, wo

Gäste und Opernsänger spielten. Ich war Croupier beim Pharo-Spiel, das zum Beispiel in den Opern Pique Dame und La Traviata vor-kommt. Mein Pokerface gehörte zur Rolle, aber insgeheim habe ich mich gefreut, wenn jemand seinen Knopf-Einsatz vermehren konnte. Durch das Alles-oder-nichts, das Nicht-aufhören-Können an den Tischen entstand eine ganz besondere Salonatmosphäre. Es wurde gezockt und gefl ucht, und manche Augen glitzerten vor Freude.«

Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts

Partner der Oper Stuttgart

Förderer des Stuttgarter Balletts

Konzept ErlerSkibbeTönsmann & Grauel Publishing GmbHBeratung der HerausgeberJohannes Erler, Ralf GrauelRedaktion Hiltrud Bontrup (Leitung), Jana Petersen; Christoph Kolossa, Rafael Rennicke (Mitarbeit)Redaktion für Die Staatstheater Stuttgart Thomas Koch, Claudia Eich-Parkin (Oper); Vivien Arnold, Pia Boekhorst (Ballett); Carolina Gleichauf, Jan Hein (Schauspiel)

Gestaltung Anja Haas; Inga Albers, Lina StahnkeAnzeigen Simone [email protected] Bechtle Druck&Service GmbH, Esslingen Erscheinungsweise 4 × pro SpielzeitHausanschrift Die Staatstheater StuttgartOberer Schlossgarten 6, 70173 Stuttgart

www.staatstheater-stuttgart.de

IMPRESSUMHerausgeber Die Staatstheater StuttgartGeschäftsführender IntendantMarc-Oliver HendriksIntendant Oper StuttgartJossi WielerIntendant Stuttgarter BallettReid AndersonIntendant Schauspiel StuttgartArmin Petras

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Vorhangzieher für die Katzen -wand, bitte!

DURCHSAGE20. Okt., 11.50 Uhr

Im Stück Was hält uns zusammen wie ein

Ball die Spieler einer Fußballmannschaft? gibt

es eine Kulissenwand mit Katzengesicht.

Sie hängt an einer Quer-stange über der Bühne

und wird auf- und abgefahren. Zuständig für die Fahrten ist der

Vorhangzieher.

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