24
Spektakuläre Häuser

Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Spektakuläre Häuser

Page 2: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Holger Reiners

Spektakuläre Häuser33 ausgezeichnete Häuser

Architektur-Preis Reiners Stiftung

Deutsche Verlags-Anstalt

Page 3: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Inhalt

6 Vorwort

Preisträger

8 Ein spektakulär klassisches Architekturverständnis – Ergebnis: ein Gesamtkunstwerk Uwe Schröder, Bonn

16 Spektakulär zeitlose Bau-Kunst Sollberger Bögli Architekten, Biel

26 Spektakulär künstlerisch – spektakulär gekonnt Markus Wespi Jerôme De Meuron Architekten, Caviano

Sonderpreisträger

34 Spektakulär: Floating Home – weder Haus noch Schiff Architekten Förster Trabitzsch, Hamburg

40 Die Bauaufgabe Ferienhaus spektakulär interpretiert ARTEC Architekten, Wien

46 Spektakuläres Wohnkonzept in Landsberg W. E. Lüps, Utting

Ausgezeichnete Architekten

52 Spektakuläres Wohnkonzept für Gegenwart und Zukunft Allmann Sattler Wappner . Architekten GmbH, München

58 Spektakulär elegante Apartmenthäuser – ein baukünstlerisches Experiment agps.architecture, Zürich

64 Spektakulärer Rahmen – spektakuläre Architektur Michele Arnaboldi, Locarno

72 Spektakulärer Solitär in der Landschaft AV1 Architekten, Kaiserslautern

78 Spektakulär: Baumhausarchitektur als Refugium baumraum Andreas Wenning, Bremen

84 Spektakuläres Bollwerk gegen die Überinformation behet bondzio lin, architekten GmbH & Co. KG, Münster

90 Spektakulärer Dialog zwischen Architektur und Natur Thomas Bendel Architekt, Berlin

96 Spektakuläres Gegenbeispiel zur Scheinindividualität herkömmlicher Einfamilienhäuser Berndt + Lorz, Frankfurt

102 Spektakulär archaische Poesie Nikolaus Bienefeld, Swisttal-Odendorf

106 Spektakuläre Lösung für ein kleines, kostengünstiges Haus Roberto Briccola, Giubiasco

110 Spektakuläres Assoziationspotenzial – spektakulär sinnliche Architektur Jens Casper, Berlin; Petra Petersson, Berlin; Andrew Strickland, Willerzell

118 Spektakuläre Bau-Kunst: Rucksack House Planung: Stefan Eberstadt, München

124 Spektakulär: Wenn Architektur zur Kunst wird Thomas Fabrinsky, Karlsruhe

132 Spektakulär experimentell – spektakulär kostenbewusst FAR Frohn & Rojas, Köln

138 Spektakulär anders – und nicht nur kostenbewusst Markus Fischer Architektur, Berlin

146 Spektakuläre architektonische Komplexität Johannes Götz und Guido Lohmann, Köln

152 Spektakulär elegant, selbstbewusst … und alpenländisch! Pablo Horváth, Chur

156 Spektakuläre Lage – spektakuläre Architektur k_m architektur, Bregenz

164 Spektakulär? Spektakulär! Kahlfeldt Architekten, Berlin

172 Spektakulär kontrovers: Alpines Bauen in Kitzbühel Lechner & Lechner, Salzburg

180 Spektakuläre Überzeugungsarbeit: Geht nicht, gibt‘s nicht! Holger Lohrmann, Stuttgart

186 Spektakuläre Architektur, spektakuläres Kunst-Erleben Thomas Maurer, Langenthal

192 Spektakuläres Passivhaus in Ulm Mühlich, Fink & Partner, Ulm

198 Spektakulär partizipatorisch – spektakulär elegant! Rossetti + Wyss Architekten, Zürich

204 Spektakuläre Abstraktion – oder: Ein Dialog mit OMU smo architektur, Köln

208 Spektakulär expressiv! Wild Bär Architekten AG, Zürich

216 Ein spektakuläres Konzept – Kann so zumindest eine Zukunft des Wohnens aussehen? Zwimpfer Architekten SIA, Basel

222 Architektenverzeichnis

Page 4: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Vorwort

Spektakuläre Häuser zum Wohnen war das Thema der Auslobung zum Architekturpreis 2008. Über 350 gebaute Projekte sind einge­reicht und von der Jury beurteilt worden. 33 Arbeiten wurden für die Publikation zum sechsten Architekturpreis ausgewählt, davon erhielten drei Architekten gleichwertige erste Preise für ihre spek­takulären Häuser, drei weiteren Einsendern wurden Sonderpreise zum denkmalgerechten Bauen, zum innovativen und zum kosten­günstigen Bauen zuerkannt.

Um den Assoziationsspielraum des Begriffes »spektakulär« ein­zugrenzen, wurde der Rahmen mit der ursprünglichen ethymo­logischen Bedeutung des Begriffes im Wortverständnis aus dem 16. Jahrhundert vorgegeben, als man mit dem aus dem Lateini­schen entlehnten Wort »Spectaculum« sowohl das »Schauspiel«, das »Wunderwerk« als auch den »Anblick« verband. Zur Einsen­dung und Prämierung wurden also Häuser erbeten, die genau di­ese Kriterien erfüllen: Ihre Architektur sollte einem »Schauspiel« gleichen – im Sinne einer sprechenden Architektur –, sie sollten formal, technisch, ökonomisch oder innenräumlich ein »Wunder­werk« sein und schließlich sollte ihr »Anblick« faszinieren.

Der Titel der Auslobung »Spektakuläre Häuser zum Wohnen« ist bewusst ein wenig unscharf und mit Intertpretationsspielraum gewählt worden, und doch stellt er ein eindeutiges Anforderungs­profil dar, das nur Architekten mit großem kreativen Gespür, Ken­nerschaft und Verantwortung erfüllen können. In diesem Sinne ist unter »spektakulär« auch eine architektonische Nachhaltigkeit gemeint, die sich einem besonderen baukünstlerischen Anspruch als traditionellem Erbe verpflichtet fühlt – nicht also die laute, auf kurzfristige Effekte setzende Architektur einer kommerziellen Phantasiewelt war gefragt, sondern architektonische Qualität auf hohem Niveau, die vorbildhaft Zeichen zu setzen vermag, an de­nen sich Bauherren, Fachwelt und Architektenkollegen gleicher­maßen orientieren können.

Der Architekturpreis 2008 der Reiners Stiftung möchte da­her die Diskussion zum Thema »Spektakuläre Architektur im deutschsprachigen Raum« erneut beleben, er möchte auf die Un­verzichtbarkeit des Architektenstandes verweisen und Bauen und Kunst als vollendete Einheit im weitesten Sinne aktualisieren, schließlich kann es keine wirklich überzeugende architektonische

Zukunft geben, ohne dass wir uns sowohl der überragenden Kunst des Bauens in der Vergangenheit verpflichtet fühlen, als auch diese kulturell verantwortungsvoll im Sinne von Baukunst fortschreiben wollen. Bauherren, Investoren und Architekten sind gleicherma­ßen gefragt, an diesem Anspruch festzuhalten – eine utopische Forderung oder gar eine illusionäre Sehnsucht?

Nein, es ist allein die Architektur unter den Künsten, der wir uns nicht entziehen können. Wir können uns der Musik, dem Theater und der bildenden Kunst verweigern, in dem wir nicht ins Konzert, nicht in die Oper, nicht ins Schauspiel oder ins Museum gehen. Der Architektur dagegen können wir uns nicht entziehen, mit ihr werden wir – zwangsläufig – täglich konfrontiert, auf dem Lande ebenso wie in der Stadt. Architektur ist unser unmittelbares Lebensumfeld – wo immer wir auch sind –, als Benutzer ebenso wie als Betrachter.

Architektur kann krank machen, sie kann uns belasten, sie prägt soziale Entwicklungen und ist gleichzeitig deren Bühne, wie wir schmerzlich durch die Krawalle in den französischen Vorstäd­ten erfahren mussten. Architektonische Tristesse ist zumindest ein Nährboden für Gewalt, oft ist sie sogar der Auslöser. Verwahrloste Architektur reizt zum Vandalismus. Vandalismus ist der unmit­telbare Ausdruck von Widerwillen, Enttäuschung und Hass auf die Architektur als gebautes Abbild der Gesellschaft, die die Men­schen in ihren Bedürfnissen, ihren Sehnsüchten und Erwartungen nicht erreicht, sie nicht wirklich ernst nimmt, die verstört, beleidigt und erniedrigt.

Architektur ist aber auch das genaue Gegenteil, sie kann Wall­fahrtsort, Magnet und sehnsuchtsvoller Ort der Schönheit sein. Mit den wichtigsten Städten der Welt verbinden wir zuerst einmal ihre architektonischen Ikonen und nicht ihren politischen Status – New York, Paris, London, Rom, Moskau, aber auch München, Berlin, Florenz, Kopenhagen oder Hamburg. Zuerst einmal sind es die historischen Bauten, die wir mit diesen und anderen sehens­werten Orten assoziieren. Sie haben den Charakter einer Stadt zu­erst geschaffen und irgendwann, oft über Jahrhunderte, in ihrer atmosphärischen Eindeutigkeit geprägt. Es gibt Stadtgründungen berühmter Architekten des 20. Jahrhunderts – von Le Corbusier oder Niemeyer –, die die Erwartungen, die in sie gesetzt wurden,

nicht erfüllt haben, und es gibt stadtplanerische Neuinterpreta­tionen und Revitalisierungen wie in Barcelona, Valencia, Genua und auch London. Gerade diese haben in den letzten Jahren die Faszination ihrer Lage am Wasser neu entdeckt. Faszinierende Gegenwartsarchitektur trifft dort auf baugeschichtliche und städ­tebauliche Wunderwerke im Sinne einer alle Generationen animie­renden architektonischen Vision. Das gleiche gilt für Hamburg und seine städtebauliche Orientierung zum Wasser, zur Elbe hin – Stichwort Hafencity und Elbrandbebauung –, wo tatsächlich Spektakuläres geschieht, wo ganze Areale künstlich entstehen und Industriebrachen des 19. Jahrhunderts für neue Nutzungen umge­staltet werden. Spektakulär in ganz anderem Sinne sind die archi­tektonischen Entwicklungen in Dubai und Qatar und anderen Or­ten in den Golfstaaten sowie in den vielen neuen Stadtgründungen in China, an denen auch deutsche Architekten, wie Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg beteiligt sind. Spektakulär sind die Vor­haben vor allem deshalb, weil dort städtische Volumina in einer Geschwindigkeit gebaut werden, für die es in der Geschichte kein Beispiel gibt. Das Wort Entwicklung passt hier nicht mehr, dort geschieht Städtebau im Zeitraffer. Das Ergebnis macht neugierig – möge es im Sinne der Menschen, die dort leben wollen und müs­sen gelingen.

Die Akzeptanz neuer Architektur bewegt sich in dem Span­nungsfeld von Ablehnung – meist vor Ort – und Faszination, wenn sie an anderen, möglichst fernen Orten in der Welt entsteht. In Deutschland ist die Architektendichte im Vergleich zu allen an­deren Ländern in Europa am höchsten – rechnerisch entfällt auf weit weniger als 1000 Einwohner ein Architekt. Die Tourismus­werbung schwärmt, Deutschland sei schön – aber ist auch das ge­baute, das neu gebaute Deutschland schön? Mit neu ist die Zeit nach 1945 gemeint, vor allem aber die architektonische Turbo­entwicklung der sechziger bis achtziger Jahre und die jüngsten Tendenzen. Nein, das gebaute Deutschland ist nicht schön, seine Architektur ist flächendeckend Mittelmaß, wenn nicht weniger. Wir müssen uns eingestehen, dass uns als Gesellschaft Architek­tur nicht wirklich wichtig ist – trotz aller Sehnsüchte und Wün­sche, trotz aller Erfahrung mit dem eigenen und dem europäischen baugeschichtlichen Erbe und der medialen Allgegenwärtigkeit des architektonischen Spektakels im Orient und in Asien. Architek­tur ist weder in unserem Bildungswesen verankert noch Fokus der gesellschaftlichen Diskussion. Allein die Werbung vereinnahmt Architektur positiv, dort ist sie Hintergrund, Bühne und manchmal sogar Mittelpunkt des Geschehens. Andere Länder – vor allem in Asien – haben die Bedeutung kreativen Tuns in der Kindheit – in­tensives spielerisches ebenso wie diszipliniertes Beschäftigen mit Kunst, Musik und Architektur – als Voraussetzung für eine posi­tive Lebensbewältigung erkannt, auch ein ökonomischer Nutzen wird dieser Beschäftigung zugemessen. Deutschland ist in dieser Einschätzung eher Schlusslicht der Erkenntnis. Das ist sehr zu be­dauern, weil das architektonische Niveau eines Landes und einer

Stadt – auch eines Dorfes und am Ende der Skala eines jeden ein­zelnen Hauses – immer von einem gewissen Bildungsniveau und damit von einem besonderen Interesse für Kultur abhängt. Da die Quelle der anonymen, allein vom Handwerk geprägten, so selbst­verständlichen Baukunst versiegt ist, bedarf es heute des beson­deren Engagements von Auftraggebern, Investoren, kompetenten Stadtplanern und Architekten. Neue Wege müssen gefunden wer­den, damit Architektur in seiner gesellschaftlichen Bedeutung nicht zwischen die Mühlsteine kurzfristig angelegter ökonomischer In­teressen gerät, die an baukünstlerischer Qualität nur dann interes­siert sind, wenn diese direkt mit Einsparungen verbunden ist – und das ist nur selten der Fall.

Architekturpreise gleichen hier Rufern in der Wüste – Eremiten, die die Weisheit verkünden wollen oder vielmehr Durstigen, die verzweifelt mit letzter Kraft nach Wasser lechzen. Sollte man des­halb sein Engagement einstellen? Nein, Architektur muss uns allen ein Herzensanliegen sein – sie muss nicht immer spektakulär sein, aber ohne spektakulär qualitätvolle Lösungen in der Architektur kann es keine Entwicklung zum Guten geben.

Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge­schehens fokussieren, aber es ist genau der Bereich, der die Men­schen, die jedes Jahr mehr als 250 000 Bauherren im Land, men­tal, finanziell tief, sehr tief beschäftigt. Auch diese Bauaufgabe, das private Wohnen, ist Teil des gesellschaftlichen Engagements. Es ist zuerst einmal individuell geprägt, will aber immer auch Zeichen setzen. Je mehr Aufmerksamkeit die Architekten diesem Begehren widmen, je weniger Unheil wird in der Architekturlandschaft ge­schehen.

Das Thema und das Engagement des Architekturpreises 2008 will zum sechsten Mal enthusiastisch für das spektakuläre Bauen im Sinne der Auslobung werben und den selbst gesetzten Auftrag einer – sehr bescheidenen – Einflussnahme zugunsten von Baukul­tur, Baukunst und architektonischer Begeisterung fortsetzen.

Wir alle bedürfen der Architektur, wir sind ihr ausgesetzt, wir lieben und wir hassen sie. Im schlimmsten Falle aber lässt sie uns kalt und unbeteiligt. Das ist dann Resignation.

2008 stand für mich als Auslober architektonisch unter dem Stichwort »spektakulär«. Es sollte nicht um Effekte gehen, son­dern das Augenmerk auf Schauspiel, Wunderwerk und Anblick gerichtet werden. Ist das nicht die Minimalforderung an gute Architektur?

Holger Reiners

Page 5: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

� Preisträger Uwe Schröder, Bonn

Ein spektakulär klassisches Architektur- verständnis – Ergebnis: ein Gesamtkunstwerk

Der Bonner Stadtteil Plittersdorf, in dem das Ge-bäude errichtet wurde, ist geprägt von einem alten Ortskern und den fließenden Übergängen zu dem um 1900 entstandenen Godesberger Villenviertel und den Siedlungserweiterungen der 50er und 60er Jahre. Es ist eine in die Stadt eingewachsene, hete-rogene Ortschaft, deren Lage von der optischen Präsenz der Rheinlandschaft bestimmt ist. Entspre- chend anspruchsvoll formuliert der Entwurf die Bauaufgabe: ein repräsentatives, städtisches Wohn-haus und – ein Haus für die Kunst. Aber es ist mehr als ein Haus, mehr als eine Villa, es ist in seiner skulpturalen Erscheinung selbst ein Kunstwerk, das ganz selbstverständlich auch die Ausstrahlung von Repräsentation beansprucht.

Aber ist große Architektur, ist große Kunst nicht immer repräsentativ und naturgemäß stets elitär im Sinne von: über die Alltagswelt weit hinaus ragend? Nur wenn sie anmaßend erscheinen will, verlässt sie das ethische Maß. Dieses Haus dagegen ist gebaute Ästhetik, es ist der Schönheit der Proportionen und Volumina gewidmet – eine äußerst anspruchsvolle Architektur, die Haltung einfordert, ohne dominie-ren zu wollen.

Der Entwurf genügt sich nicht in den baulich-konstruktiven Einzelheiten der architektonischen Form, sondern umfasst auch den die Atmosphäre bestimmenden inneren Ausbau, die Gestaltung der Möbel sowie die Gegenstände des täglichen Ge-brauchs.

In der Ausstattung und dem Zusammenhang der innen- und außenräumlichen Präsentation der Kunst thematisiert der Entwurf ein inzwischen vernachläs-sigtes Metier: das architektonisch-kunstvolle Interi-eur des klassischen Wohnhauses – besser: der Villa – , wie es zur Zeit eines Wagner, Loos und Hoffmann oder später bei Frank Lloyd Wright und Saarinen noch üblich war – eigentlich das originäre Anliegen

eines jeden Architekten, das allerdings einer selbst-verständlichen gestalterischen Kompetenz bedarf, die leider weitgehend verloren gegangen ist.

Dieses Stadthaus verfügt über drei Wohnebenen, die jeweils einem äußerst differenzierten, eindeutig festgelegten Wohnkonzept zugeordnet sind: Die Raumfolge des Erdgeschosses dient programmatisch dem repräsentativen Wohnen, die des 1. Oberge-schosses dem privaten und die des 2. einem tempo-rären Wohnen, das Gästen auf Zeit vorbehalten ist: Architektur als Lebensprogramm, das sich bewusst der Beliebigkeit versagt.

Zu ebener Erde schließt die Raumfolge durch die tiefen Laibungen des geschnittenen formalen Grüns und über den äußeren Innenraum des Vorplatzes an den der Straße an. Aufgrund des von dort zum Rhein-ufer hin abfallenden Geländes baut das Haus auf der Substruktion eines Sockels auf. Gegen die fallende Linie des Erdbodens führt der Sockel die Horizonta-le ein. Am quergelagerten Vorplatz verfügt er noch über die kraftvolle Geste einer Schwelle, deren Tie-fe in den geteilten Laibungen der Öffnung, die die Haustür aufnimmt, sichtbar wird.

Der kleine, aber eigenständige Vorraum der Pas-sage schließt den Vorplatz und das Vestibül auf dem Sockel zusammen. Zweiteilig, mit einer die Breite des Raums einnehmenden Stufenanlage öffnet sich das Vestibül in die tiefer gelegene, sich in den Sockel hin ausdehnende große Halle.

Die hinabführenden Stufen lassen diesen als brüs-tungshohes Mauerwerk in die aufgehenden Wände der Halle einwachsen. Mit einer doppelten Passa-ge, die die Türfüllungen der Öffnungen zur Halle hin vorzieht, sind Speise- und Wohnraum, die mit Schiebeelementen verbunden sind, an die Halle an-geschlossen.

Über das doppelte Terzett der Öffnungen sind die beiden Räume dann mit der quer gelagerten Kolon-

Rechte Seite Der Haus­zugang – seine Raffines­se liegt natürlich in der Inszenierung, sie liegt aber auch im Detail. Der schmale Natursteinsockel, der sich kaum abzeichnet, macht aus der Fläche der Fassade das Exzeptionelle eines minimalistischen Gemäldes.

Page 6: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Uwe Schröder, Bonn10

Oben und unten Das Ge­mälde der Eingangsfront wird in der räumlichen Abwicklung zur Kaska­de – ebenso streng und diszipliniert. Wer Wittgen­stein als Architekten mag, wird dieses Haus in seiner unbedingten Konsequenz bewundern. Es gibt keine Fehler – es ist gebaute Perfektion.

nade verbunden, die sich auf eine brüstungshoch in den Sockel abgesenkte Terrasse hin öffnet und den inszenierten Blick in die Landschaft freigibt.

Das baulich dem Äußeren zuzuordnende Element des Sockels zieht sich im Inneren der Raumfolge als Teil der Wand und als Boden durch und thematisiert so die Physiognomie des Geländes. Die Einkehr des Sockels und die Ambivalenz von inneren und äuße-ren Wänden und Böden weisen zeichenhaft auf die nach außen orientierte Widmung der Raumfolge als dem öffentlichsten Teil des Hauses hin – auf das re-präsentative Wohnen. Bibliothek und Studio einer-seits sowie Küche und Garderobe andererseits sind durch die Materialität ihrer hölzernen Auskleidung und Ausstattung formal eigenständig definiert und als Kabinette an die Halle angeschlossen.

Die innere Höhlung des Sockels lässt Boden und Brüstung als konkave Einheit erscheinen. Die Form zeigt sich hier als Schale und gibt die Eigenständig-keit der additiven baulichen Elemente von Boden, Wand und Decke zugunsten eines integralen Raum-eindrucks preis. Und in der Weise, wie der Boden in die Brüstung, greift auch die Decke in die Wand ein. Die Bikonkavität der Form bestimmt das Thema der Raumbildung und -gestaltung im Inneren und Äu-ßeren des Hauses, mit der Konstruktion und durch das Material kommt sie zur Erscheinung: der Kalk-stein des Sockels tritt in der Brüstung als Mauerwerk und am Boden als Plattenbelag auf. Die aufgestülpte Schale – Wand und Decke – ist glatt verputzt und hell gestrichen.

Als roter Faden zieht sich der Aufbau der »Scha-le« in variierter Konstruktion und Materialität von Raum zu Raum durch die innere und äußere Ge-staltung des Hauses: die Materialien treten paar-weise auf oder auch singulär, als homogene Schale des Raumes; dabei treffen Stein auf Putz, Holz auf Putz, Holz auf Holz, Stein auf Stein. Stein kommt in zwei Arten von Kalkstein vor, zum einen als matt ge-schliffener ockergrauer »Jura« und zum anderen als seidenmatt geschliffener schwarzbrauner »Belgisch Granit«. Das Eichenholz tritt in geölter, bernstein-farbener und in kerngeräucherter, schwarzbrauner Verarbeitung in Erscheinung.

Das Thema der Gestaltung von Raum und Form wird in den festen und beweglichen, in Eiche gear-beiteten Möbeln oder auch in den aus dem Stahl gefrästen Beschlagteilen, wie Türdrücker, Fensteroli-ven, Griff-Knöpfen und Muscheln weitergeführt.

Rechte Seite oben Die Halle im zweiten Ober­geschoss.

Rechte Seite unten Der Wohnraum im ersten Obergeschoss.

Page 7: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Uwe Schröder, Bonn12

Diese Abbildungen bedür­fen keiner Interpretation, nur der Zuordnung, um den Grad der Rauminsze­nierung nacherleben zu können.

Das Ganze und seine Teile sind in ein festes Pro-portionssystem eingeschrieben – als Gesamtkunst-werk.

Der Treppenraum am Vestibül, dessen Stufenan-lage um einen Kern mit Speiseaufzug verläuft – mit einer schwarzbraunen Kalksteininkrustation verse- hen –, erschließt die untere und die beiden oberen Ebenen des Hauses. Im privaten ersten Oberge-schoss verläuft die Raumfolge ähnlich der des Erd-geschosses vom Vorraum in die Halle, die zu bei-den Schmalseiten eine geteilte Passage ausbildet, in die zwei, durch Öffnungen mit Schiebeelementen verbundene Wohn-/Schlafraumkompartimente ein-münden. Die lichte Höhe der verputzten und hell ge-strichenen Räume ist hier vermindert und der Boden

Oben Die Küche im ersten Obergeschoss über dem Eingang.

Oben Mitte und rechts Halle und Speiseraum im Erdgeschoss.

Unten von links nach rechts Die Abfolge der Räume im 2. Oberge­schoss. Daneben: Detailan­sicht des Treppenhauses. Dusche der Dame, Dusche des Herrn. Deckenunter­sicht der Garderobe.

Rechte Seite Blick von der Bibliothek in das Studio – ein planerisch ebenso wie handwerkliches Meister­werk. Inszeniert, wertig, assoziativ, perfekt. Darüber hinaus eine architekto­nische Haltung, die dem Handwerk seine Würde zurückgibt, weil sie seine Kennerschaft herausfordert.

Page 8: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Uwe Schröder, Bonn Ein spektakulär klassisches Architekturverständnis – Ergebnis: ein Gesamtkunstwerk

Projektdaten Architekt Prof. Dipl.­Ing. Uwe Schröder, Architekt BDA, Kaiserstraße 25, 53113 Bonn, [email protected], www.usarch.de Realisierung 2003 –2007 | Wohnfläche 466 m² | Grundfläche 525 m² | Geschossfläche 747 m² | Grundstücksgröße 1053 m² | Fotos Stefan Müller, Berlin

1514

Kellergeschoss Erdgeschoss 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss

mit einem kerngeräucherten »kleinen« Tafelparkett ausgelegt, das mit einer Fußlambris in die Wände einbindet. Die den beiden Räumen vorgelagerte Ko-lonnade und die sich anschließende Terrasse sind bis auf die Brüstungshöhe mit dem ockergrauen Kalk-stein des Sockels ausgekleidet.

Am gegenüberliegenden Ende der axialen Raum-folge ist eine kleine Küche eingebaut, die über eine zweiflügelige Fenstertür den Blick auf den Vorplatz freigibt.

Zu den Seiten der Halle sind die Kabinette der beiden Badezimmer und jeweils gegenüberliegend die entsprechenden Ankleidezimmer der Dame und des Herrn angeordnet. Während jene mit einer In-krustation des Belgischen Steins versehen sind, be-

sitzen diese einen allseitigen Ausbau in Eiche. Das Tafelparkett des Bodens und die Sockelzone mit den Schubkästen bilden durch das dunkel geräucherte Holz eine räumliche Basis für die »gewendete Scha-le« aus den aufgehenden, hell gehaltenen Schränken und der Vertäfelung der Decke, die das große Tafel-motiv des Parketts wiederholt.

Das zweite obere Geschoss des stufenartig an-gelegten Gebäudes sieht separierte Wohnräume für Gäste vor. Die Raumfolge setzt mit der vom Trep-penpodest zugänglichen Halle an, die sich unmittel-bar zum mittleren von drei Raumkompartimenten hin öffnet. Die äußeren sind als Individualräume vorgesehen, die sich durch jeweils zwei verschließ-bare Öffnungen mit dem in der Mitte liegenden En-

tree verbinden lassen. Wie auf den unteren Ebenen ist den Räumen eine Halle zwischen Kolonnade vor-gelagert, die auf die große Terrasse führt. Gegenüber vom Treppenraum, durch die Halle getrennt, ist die kleine Raumfolge des Badezimmers angeordnet. In der Materialität und der Ausstattung entspricht die Ebene – den Gästen zugewandt – der darunter lie-genden.

Ausgehend von der vorausgesetzten Konzepti-on einer gesellschaftsgebundenen Räumlichkeit der Stadt führt die Herkunft der Raumbildung eines je-den Hauses zur Unmittelbarkeit des Orts zurück – das wäre die Idealvorstellung: Der spezifische Ort als Wurzel der architektonischen Raumbildung und in der Folge auch seiner äußeren und inneren Ausfor-

mung. Diesem originär stimmigen Unikatsanspruch können nur wenige Architekten genügen.

Aber es bedarf auch feinsinniger und äußerst an-spruchsvoller Auftraggeber, dass überhaupt eine Architektur mit einem derart ganzheitlichen Quali-tätsanspruch entstehen kann. Natürlich gehört ein entsprechendes Budget dazu, um ein solches Stadt-haus zu realisieren – und nur wenn es in heraus-ragender Architekturqualität verbaut wird, wird es Vorbildcharakter erreichen, nur dann ist es wirklich legitimiert.

Hier ist es auf überzeugende Weise gelungen. Ent-sprechend eindeutig war die Entscheidung der Jury, dieses Projekt mit einem der drei ersten Preise aus-zuzeichnen.

Page 9: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

16 Preisträger Sollberger Bögli Architekten, Biel

Spektakulär zeitlose Bau-Kunst

Bauen. Kunst. Kunst bauen? Auf diese Frage haben die Architekten – gleich-

sam als Arbeitsphilosophie – geantwortet: »Im Gegensatz zur Kunst dient die Architektur einem Zweck. Meist ist sie dennoch mehr.« Darüber, ob sie ihren Zweck erfüllt, entscheiden die Auftraggeber. Über Funktionalität muss man nicht lange streiten, über das »Mehr« dagegen schon. Und wenn die Ar-chitektur ihren Status als edelste der Künste behaup-ten will, dann muss sie auch dem Anspruch nach Kunst – Baukunst – gerecht werden. Und sie muss diesen Anspruch verantworten, schließlich lässt sich ein Bauwerk nicht so behandeln wie ein Bild an der Wand, dessen der Sammler irgendwann überdrüssig wird, weil es seinen Qualitätsansprüchen nicht mehr genügt.

Die Jury war sich einig, dass es sich bei diesem Projekt nicht nur um herausragende Architektur handelt, sondern um einen innovativen baukünstle-rischen Entwurf, der seine Zweckorientierung ganz selbstverständlich einlöst, aber sich nicht mit einer perfekten Tektonik begnügt, sondern ein architek-tonisches Gesamtkunstwerk schafft, das als Groß-form ebenso wie in der Modulierung und im Detail einen Unikatsanspruch formuliert: gebaute Kunst, Baukunst.

Das Grundstück liegt außerhalb von Bern, in ei-ner Umgebung, die von denkmalgeschützten Villen und großzügigen Landsitzen geprägt ist. Hier galt es, unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Auf- lagen, eine eigenständige, zeitgenössische Interpre-tation für die Bauaufgabe »repräsentative Villa« zu finden.

Ein für den Entwurf ungewöhnlich reizvolles Sze-nario bot der unmittelbare Übergang des privaten Grundstücks in einen öffentlichen Park. Statt der na-he liegenden Abgrenzung zu den Nachbarn wurde eine dialektische Lösung gefunden: die angedeutete

Spiegelung des die Nachbarschaft prägenden ba-rocken Repräsentationsbedürfnisses. Der öffentliche Raum wird damit Teil des architektonischen Kon-zepts, ohne dass dabei jedoch Grenzen überschrit-ten werden. Der Entwurf oszilliert selbstbewusst zwischen Vereinnahmung und Einladung, zwischen Nähe und Distanz, und zugleich lässt er eine Leich-tigkeit spüren, die den privaten Raum in ein har-monisches Verhältnis zum öffentlichen Raum setzt und eine elegante Balance herstellt, die beiden Seiten Respekt erweist.

Während die Villa zur Straßenseite einen auf Pri- vatsphäre bedachten, geschlossenen Eindruck ver-mittelt, mit nur wenigen wohldosierten Brüchen und Einblicken, wird sie nach Süden, zum Park hin, zur sich großzügig öffnenden, einladenden Geste: das sorgfältig in Haupt- und Nebengebäude aufge-faltete Gebäudeensemble, der luxuriöse Leer-Raum des holzbeplankten Hofs und die gläserne, nahezu vollständig entmaterialisierte Fassade kontrastieren spektakulär zum nobel massiven Erscheinungsbild der Straßenseite.

Das Erdgeschoss ist, mit Ausnahme der Ostseite, nahezu durchgängig gläsern eingefasst. Die Bereiche Wohnen, Essen und Küche werden damit zur Bühne, zugleich ergreift jedoch der uneingeschränkte Blick von innen nach außen Besitz vom angrenzenden Park und lässt ihn zur geborgten Landschaft, zum selbst-verständlichen Bestandteil der Architektur werden. Dieses Spiel der Privatsphäre mit dem öffentlichen Raum ist durchaus als Referenz an die vorwiegend barocke Architektursprache der Umgebung zu ver-stehen, die hier jedoch in eine sehr disziplinierte, klare Formensprache der Gegenwart übersetzt wurde.

Stille, Ruhe und Klarheit geben dem architek-tonischen Konzept der Villa seine bemerkenswerte Eleganz und Ausdruckskraft, die insbesondere in

Unten und rechte SeiteZum einen besticht der Entwurf durch seine skulpturale Form, zum anderen durch die raffi­nierte grafische Gestaltung der Fassadenfläche des Obergeschosses mit den eingeschnittenen Glas­flächen. Bemerkenswert ist auch die Ausformung der Gläser im Erdge­schoss: Dieses Haus hat nicht fünf, es hat sechs Fassaden!

Page 10: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Sollberger Bögli Architekten, Biel18 19Spektakulär zeitlose Bau­Kunst

der Zusammenschau mit dem denkmalgeschützten Umfeld faszinierende Lesarten des Traditionellen im Modernen entfaltet.

Die großzügige Anlage umfasst ein zweigeschos-siges Wohngebäude mit angebundener Garage, zwei Nebengebäude – Bibliothek und Pergola – sowie ein Schwimmbad. Der so entstehende Hof, der in den Sommermonaten zum zusätzlichen Wohnraum wird, liegt über dem Gelände, von seinem Holzdeck führt eine breite Freitreppe hinunter auf die an den Park grenzende Rasenfläche. Die Stufen inszenieren gekonnt die Abgrenzung von der Architektur zum umgebenden Garten- und Parkgelände.

Das Erdgeschoss ist als Raumkontinuum ausgebil-det, dessen unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten durch möbelartige Einbauten optisch voneinander

Oben, rechts und untenDie Gestaltung des Au­ßenraums ist tatsächlich atmosphärisch sowohl Wohnfläche im Freien als auch Deck und Terrasse zugleich. Wie schlanke Plastiken scheinen die Baumstämme aus dem Holzdeck herauszuwach­sen – eine eindrucksvolle künstlerische Freiraum­gestaltung.

Page 11: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Sollberger Bögli Architekten, Biel20 21Spektakulär zeitlose Bau­Kunst

Oben Der »sunken gar­den« vor dem Atelier­ und Fitnesbereich im Unter­geschoss.

Rechts Die überdachte Pergola, daneben die Bi­bliothek. Das große Holz­deck fasst beide Gebäude­einheiten zusammen.

Unten Im Hintergrund zeigt sich das separate Bibliotheksgebäude.

Page 12: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Sollberger Bögli Architekten, Biel22 23Spektakulär zeitlose Bau­Kunst

Oben Das elegante Speisezimmer, an das sich der offene Wohntrakt mit imposantem Kamin anschließt.

Rechts Der Schlafbereich im Obergeschoss mit dem außergewöhnlichen Bettdesign – ein überall spürbar durchgängiges Gestaltungskonzept.

getrennt sind. Raumstrukturierendes Element ist der frei stehende Kamin im lang gestreckten Wohnzim-mer, über dessen massivem Sockel aus Schwarzstahl der mit Stahlgewebe verkleidete Abzug zu schweben scheint.

Im Gegensatz zur dynamischen Gestaltung des Erdgeschosses ist das Obergeschoss als statische Ad- dition von Schlafräumen angelegt. Zwei innen lie-gende Höfe versorgen den Erschließungsbereich mit ausreichend Tageslicht.

Die Farbigkeit der Villa orientiert sich an den Nachbarbauten, die mehrheitlich mit dem grünlich schimmernden Berner Sandstein verkleidet sind. Ein hoher Anteil an Glimmer veredelt den Verputz des Neubaus und lässt den Baukörper je nach Son-neneinstrahlung in unterschiedlichen Farbschattie-rungen schimmern. Das Zusammenspiel aus Fassa-denmaterialität, verspiegelten Fensterschlitzen und gläsernem Sockelgeschoss verleiht dem Haus ein nahezu schwereloses Erscheinungsbild.

Das Materialkonzept der Innenräume folgt dem anspruchsvollen Raumprogramm, ist schlicht und edel. Der Boden ist mit großformatigen Sandstein-platten ausgelegt, deren zurückhaltende Eleganz zusammen mit dem Mobiliar ein einladendes Am-biente schafft. Wände und Decken erhielten einen korrespondierenden neutralen Gipsglattstrich als Hintergrund für die private Kunstsammlung.

Auf unergründliche Weise scheint sich diese Ar-chitektur der zeitlichen Zuordnung zu entziehen. Ein flüchtiger Blick verweist auf die frühen Ikonen der Moderne, lässt zweifeln, dann staunen. Wurde hier die Essenz der Moderne gebaut, für die es kaum noch eine Steigerung gibt – außer dem Rückgriff auf die Baugeschichte?

Ein in jeder Hinsicht preiswürdiges Haus – ein großer gestalterischer Wurf, Bau-Kunst.

Links, Mitte und unten Impressionen aus Küche, Wohn­ und Kinderzimmer.

Page 13: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Sollberger Bögli Architekten, Biel Spektakulär zeitlose Bau­Kunst

Projektdaten Architekten Sollberger Bögli Architekten AG, Dipl.­Arch. ETH SIA, Mattenstraße 108, CH ­ 2503 Biel, [email protected] Integration in denkmalgeschütztes Baufeld und öffentliche Parkanlage | Baujahr 2006 | Anzahl der Bewohner 3 | Wohnfläche 450 m² | Zusätzliche Nutz-fläche 200 m² | Grundstücksgröße 1920 m² | Fotos SBArch: S. 16 –17; Kaymedia: S. 18 – 24

25

Erdgeschoss 1 Windfang 2 TV 3 Kamin 4 Wohnen /Essen 5 Kochen 6 Garage 7 Bibliothek 8 Pergola 9 Reduit 10 Hof 11 Schwimmbad

1 2

34

5

6

789

10

11

24

Schnitt

Unten beide Der Balkon vor dem Schlaftrakt im Obergeschoss, dessen gläsernes Geländer den freien Blick in den Garten erlaubt – auch konstruktiv eine perfekte Lösung.

Untergeschoss 1 Weinkeller 2 Technik 3 Keller 4 Heizung 5 Atelier 6 Fitness 7 Weinprobierstube 8 Hof

1 2 3 4 5

7 6 8

9

Obergeschoss 1 Hof 2 Gast 3 Bad 4 Eltern 5 Zimmer 6 Balkon

2 1 3

5 5 4

6

1

Page 14: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

26 Preisträger Markus Wespi Jerôme De Meuron Architekten, Caviano

Spektakulär künstlerisch – spektakulär gekonnt

Bis vor wenigen Jahren hat kaum einmal ein Archi-tekt im benachbarten Ausland gebaut, in Übersee oder Asien war es sogar die absolute Ausnahme. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Es hat nicht nur eine tatsächliche Globalisierung der Architektur stattgefunden, sondern namhafte euro-päische Architekten planen und bauen heute auf der ganzen Welt. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich auch eine formale Globalisierung durchgesetzt, weil jedes Material nahezu an jedem Punkt der Welt verfügbar ist. Entsprechend uniform mutet die Ar-chitekturentwicklung häufig an. Vor allem aber ge-hen auf diese Weise lokale Bautraditionen, Stile und Handwerkstechniken unwiederbringlich verloren. Plötzlich scheint die Entwicklung regionaltypischer Architekturen zum Stillstand zu kommen – sieht man einmal von den gebauten Klischees der Touris-musbranche ab. Auch Architekten verlieren in die-sem Zuge ihre »Handschrift«, weil ja ihre Auftrag-geber eine multilinguale Architektur erwarten.

Umso faszinierender ist es, wenn sich Architekten diesem Trend entziehen und sich der regionalen Ar-chitektur verpflichtet fühlen, diese weiterentwickeln und gleichsam Mahnbauten errichten, die zeigen, welch unglaubliches Potenzial an Inspiration in der Region selbst, seinen formalen Traditionen und vor allem auch in den örtlichen Materialien steckt. Es muss nicht immer der Granit aus China sein, nur weil er preiswert ist und im Trend liegt!

Wer das gebaute Werk dieser Architekten über die Jahre verfolgt, bekommt den Eindruck, dass sie Architektur nicht erfinden, sondern dass die je-weilig zu beplanende Grundstückssituation ihnen gleichsam den Entwurf kongenial einflüstert – wie ein großer Maler, der in seinen Porträts das Unsicht-bare sichtbar macht, gleichsam das Wesenhafte des Gegenübers herausarbeitet.

So scheint es auch hier gewesen zu sein. Der

Entwurf reagiert mit Zurückhaltung, mit Zweifel und innerer Ruhe auf ein für den Architekten all-tägliches Thema: Bauen im städtebaulichen Chaos, hier der Agglomeration unzähliger Häuser oberhalb von Locarno.

Die Architekten verzichten in ihrem Konzept auf die Verwendung von Attributen, die das typische Haus ausmachen, sondern kreieren lediglich zwei einfach geschnittene steinerne Kuben, die sich, ge-geneinander versetzt, gleichsam aus dem Berg her-aus arbeiten, wie freigelegt – fragmentarisch – mehr der Landschaft als dem Quartier zugehörig – mehr Mauer als Haus. Als wollte sich die Architektur jedweder zeitlichen Zuordnung entziehen. Sie ist einfach da, selbstverständlich monumental wie ein Fels, aber auch ebenso anmutig in ihrer Ausstrah-lung, wie wir sie freudig von einem malerischen Na-turereignis erwarten.

Die Innenräume des Ensembles entstehen folge-richtig durch den Akt der Aushöhlung. Nur zwei gleichartige, mit einem Holzgatter verschließbare – große – Öffnungen bieten den Bewohnern sowohl Einlass als auch Ausblick über die Landschaft und den majestätischen See. Zusätzliches Licht bieten die eingeschnittenen Innenhöfe. Das Wasser des im talseitigen Kubus eingelassenen Schwimmbeckens scheint sich über die große Distanz atmosphärisch mit dem See zu verbinden.

Das Raumprogramm beinhaltet im Eingangsge-schoss Zugangshalle und Garage, das Zwischen-geschoss birgt die Haustechnik und Abstellflächen. Das Wohngeschoss umfasst den Eingangshof, das Schwimmbad und die Garderobe, die Küche mit dem Essbereich sowie den Wohnraum mit einer in die Wand eingelassenen, archaisch wirkenden Feu-erstelle. Das Obergeschoss birgt das Schlafzimmer mit Innenhof, Dusche und WC sowie ein Gästezim-mer – ebenfalls mit Innenhof und Dusche.

Oben Der Lichthofein-schnitt – im Tessin kann man glücklicherweise auf jede Form von Blech- ab­deckung verzichten.

Unten Wie ein großer Felsb­lock scheint das Ge-b­äude aus dem Gelände herauszuwachsen.

Rechte Seite Die recht-winklig zueinander angeordneten Kub­en des Wohnhauses und des Schwimmb­ads mit darunter verb­orgener Garage.

Page 15: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Markus Wespi Jerôme De Meuron Architekten, Caviano28

Das Ensemble ist im Ergebnis die konsequente Antwort auf das gebaute Chaos des Umfelds, ein introvertiertes Konzept, das sich allein den Natur-schönheiten öffnet, der Außenwelt selbst Schönheit schenkt, um sich dann in zurückhaltender Eleganz auf sich selbst zu beziehen.

Was so selbstverständlich in der architektoni- schen Auffassung erscheint, ist eine ökologisch und regional sinnhafte Konstruktion: die Außenmauern bestehen aus zweischaligem, wärmegedämmtem Natursteinmauerwerk, die Innenwände sind eben-falls aus Naturstein, die Zwischendecken in Sicht-beton ebenso wie die Untersicht der Dachkonstruk-tion. Die Dachaufsicht wurde als fünfte Fassade mit Natursteinpflaster belegt – ein formaler Respekt gegenüber den oberen Nachbarn. Die Fenster sowie alle inneren Schreinerarbeiten sind in geölter Eiche gefertigt worden. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpen-heizung liefert energieoptimiert die Heizleistung.

Wegen seiner außergewöhnlichen Architektur-qualität, seinem baukünstlerischen Verständnis und seiner überzeugenden regionalen Zeichenhaftigkeit wurde dem Projekt einstimmig einer der drei ersten Preise zuerkannt. Hochachtung.

Links Wie ein großes in-formelles Kunstwerk stellt sich die Natursteinfassade dar – jedes Mehr an archi-tektonischen Elementen wäre zuviel.

Unten und rechte Seite oben beide Der kleine Hof vor dem offenen Pool

Rechte Seite unten beide Faszinierendes Lichtspiel in der Garage, daneb­en der Aufgang zum Wohn-geschoss.

Page 16: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Markus Wespi Jerôme De Meuron Architekten, Caviano30

Links und unten alle Das Zusammenspiel der wenigen Materialien ist meisterhaft – nirgends ein Zuviel, nirgends ein Zuwenig.

Rechte Seite Fantastisch ist nicht nur die gestalte-rische Wirkung des Na-tursteins in Komb­ination mit dem Beton, der Stein ist auch atmosphärisch zu jeder Jahreszeit wohltuend – im Sommer verspricht er Kühle, im Winter strahlt er schützende Geb­orgenheit aus.

Page 17: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Preisträger Markus Wespi Jerôme De Meuron Architekten, Caviano Spektakulär künstlerisch – spektakulär gekonnt

Projektdaten Architekten Markus Wespi Jérôme De Meuron Architekten BSA AG, Caviano + Zürich, CH- 6578 Caviano, [email protected], www.wespidemeuron.ch Bauaufgabe Neub­au eines Ferienhauses mit Schwimmb­ad und Garage im Tessin | Grundstücksituation Dicht b­eb­autes Villenquartier üb­er Locarno | Baubeginn Frühjahr 2004 | Bauzeit ca. 18 Monate | Fertigstellung Herb­st 2005 | Bewohner 2 | Grundstücksgröße 533 m2 | Wohnfläche ca. 95 m2 | Zusätzliche Nutzfläche ca. 45 m2 | Fotos Hannes Henz, Zürich

3332

Links Die gestreckte Grundrissform wird durch den Küchentresen mit anschließendem Essplatz geradezu dramatisiert.

Rechts Ganz anders das Amb­iente im Bad des Ob­ergeschosses – eine eigene formale Welt.

Plan 1 Plan 2

Lageplan

Page 18: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

34 Sonderpreis Architekten Förster Trabitzsch, Hamburg 35

Spektakulär: Floating Home – weder Haus noch Schiff

Wohnen auf dem Wasser? Assoziation Hausboot­idylle? Nein und ja.

Zuerst einmal steht Wasser in der spontanen Wahrnehmung für Leben, Kraft und Energie – aber auch für Faszination und geheimnisvolle Sehnsucht. Das Projekt Floating Homes will diese Eigenschaften den Bewohnern wieder bewusst machen – täglich, es soll der verloren gegangene Kontakt zur Natur reaktiviert werden: im Wohnerlebnis, das vom Was­ser getragen wird, Wasser als dienendes Element, das uns Menschen als ausschließlicher Lebensraum vorenthalten ist. Das Floating Home lebt vom Be­zug zum Wasser, es soll aus jedem Raum erfahrbar sein. Die Glasflächen dienen als Projektionsfläche der Lichtreflexe des Wellenspiels, während die Was­seroberfläche selbst die Gestalt des Baukörpers ver­schwommen wiedergibt – eine Architektur, die im Einklang mit dem Wasser steht, nicht distanziert, sondern nahezu symbiotisch erlebt werden will.

Die Idee zu diesem Projekt ging aus einem Wettbe­werb in Berlin hervor, den die Architekten mit ihrem Konzept eines eigenständigen maritimen Bautyps für sich entscheiden konnten. Eine Entwurfsidee, die später die kreative Basis für elf weitere Nutzungs­konzepte mit einer Größe von 100 bis 5000 Qua­dratmeter wurde – vom Floating Hotel über Lofts, Kinos, Restaurants und ganze Floating Villages.

Seit Juni 2006 liegt Floating Home im City Sport­ hafen von Hamburg. Der Entwurf ist von dem ganz­ heitlichen Gedanken geprägt, eine Architektur zu schaffen, die den Bezug zum Wasser sofort assoziativ herstellt, ohne sich jedoch an dem Formenkanon üblicher Hausbootromantik zu orientieren. Es sollte ein Design entwickelt werden, das sowohl maritime Elemente übernimmt als auch auf klassische Propor­tionen zurückgreift. Die versetzten Ebenen stellen einen sanften formalen Übergang vom Wasserspie­gel bis zum Terrassendeck dar, sodass die einzelnen

Spektakulär: Floating Homes – weder Haus noch Schiff

Das Yachtdesign ist unverkennbar, dennoch assoziiert der Betrachter zu erst einmal »Haus« – genau das erwarten auch die Bewohner: Architektur, nicht Schiff.

Page 19: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Sonderpreis Architekten Förster Trabitzsch, Hamburg36 37Spektakulär: Floating Home – weder Haus noch Schiff

Etagen, ähnlich einer Welle, in ständiger Bewegung zu sein scheinen.

Nicht nur regional, sondern auch international ist eine Entwicklung spürbar, die Faszination von Architektur im und am Wasser neu zu entdecken. Dabei erfolgen sowohl Sanierungen als auch neu­artige Nutzungen ehemaliger Industrieanlagen und Gewerbeflächen, die am Wasser gelegen sind, aber diesen Standort nicht mehr ausfüllen: eine Wohn­ und Arbeitsatmosphäre mit einzigartiger Lebens­qualität.

Das Materialkonzept des Floating Home spiegelt ikonologisch die Entwurfsidee wider: Das dyna­ mische Erscheinungsbild – lang gestreckter Aufbau, gerundetes Heck und angeschrägter Bug – will Ge­schwindigkeit und Eleganz einer luxuriösen Jacht erlebbar machen. Das Skydeck mit gläsernem Wind­ abweiser, die Heckverglasungen und der Einsatz von Zedernholzlamellen in der Fassade sowie die Gestal­tung der filigranen Reling ergänzen das Konzept. Der Wahl durabler Materialien im Außenbereich – Zedernholz, Edelstahl und Aluminiumblech – ent­spricht im Inneren das lichte maritime Design des stützenfreien Innenraums. Der Grundriss selbst ist frei gestaltbar, alle Innenwände sind nicht tragend.

Das Erdgeschoss lässt sich multifunktional nut­zen, als Einliegerwohnung, Büro, Elterntrakt oder auch als Küche mit Essplatz. Das Obergeschoss ist dagegen dem großzügigen Wohnbereich vorbehal­ten, wobei zusätzlich zwei weitere Räume im Heck eingerichtet werden können. Diese eher extrovertiert ausgelegte Ebene öffnet sich mit großen Fenster­ flächen zum Wasser, während sich die Nebenräu­me zum Ufer oder zur Kaikante orientieren. Das großzügige Skydeck mit einer Vielzahl von Einbau­schränken schafft einen geschützten Aufenthalts­bereich im Freien, und das große Terrassendeck mit seinen als Seekisten gestalteten Sitzstufen stellt Son­nengenuss in bester Lage am Wasser dar. Landseitig sollen jedem Floating Home möglichst ausreichende Stellplätze für Autos zur Verfügung stehen, ein Ge­bäude für die Ver­ und Entsorgung sowie zusätzliche Abstellräume.

Der Ponton ist eine Stahlbetonkonstruktion, deren Hohlkammern zwischen den Schotten mit Schaum ausgefüllt sind. Diese Bauweise garantiert ein Höchstmaß an Sicherheit bei minimalem Instand­haltungsaufwand. Der Aufbau dagegen wird in vor­ gefertigter und vormontierter Holztafelbauweise errichtet. Alle Wandelemente sind hochwertig ge­dämmt und entsprechen den Anforderungen der aktuellen Energiesparverordnung, auf Wunsch auch dem Niedrigenergiestandard, wobei sich die gesamte Gebäudetechnik über ein Bussystem steuern lässt.

Das Floating Home wird werkseitig vorgefer­

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht West

Oben und unten Hier liegt der Prototyp an promi-nenter Stelle im Hambur-ger Hafen. Gedacht ist das Projekt natürlich eher für weniger umtriebige »Ankerplätze« mit mehr Naturnähe.

tigt und zu seinem Liegeplatz geschleppt oder, bei Standorten, die nicht direkt auf dem Wasserwege zu erreichen sind, per Lkw angeliefert und vor Ort montiert.

Was auf den ersten Blick auf der einen Seite ein wenig futuristisch anmutet, auf der anderen an das unkonventionelle Leben auf einem Hausboot erin­nert, stellt sich als folgerichtiges Konzept dar, das sich auf all das besinnt, was wir mit außergewöhn­lichem, attraktiven Wohnen verbinden: der Blick auf das Wasser aus schützender Distanz, den einzigar­tigen Geruch jeder Form von Wasser, das Meditative des Wellenspiels, der Verweis auf die schiere Unend­lichkeit ebenso wie auf das leise, unaufhaltsame plät­schernde Memento Mori. Das Konzept bedient aber nicht nur die Fantasie, sondern antwortet innovativ auf Veränderungen der Nutzung wassernaher Flä­chen ebenso wie auf die innerstädtische Knappheit von qualitätvollem Bauland. Floating Home ist kei­ne Utopie, sondern ein baubares, ganz reales Archi­tekturerlebnis, das im Ranking der Wohnwünsche ganz oben steht. Es fiel daher nicht schwer, diesem Projekt einstimmig den Sonderpreis für innovatives Bauen zu verleihen.

Linke Seite unten Vom Sky-Deck aus haben die Bewohner einen fantas-tischen Blick – wie von einer Dachterrasse.

Page 20: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Sonderpreis Architekten Förster Trabitzsch, Hamburg Spektakulär: Floating Home – weder Haus noch Schiff

Projektdaten Architekten Architekten Förster Trabitzsch, Schröderstiftstraße 30, 20146 Hamburg, [email protected], www.architekten-ft.deBaujahr 2006 | Anzahl der Bewohner 3 – 4 | Wohnfläche 192 m² | Zusätzliche Nutzfläche 135 m² Terrasse, 25 m² Skydeck | Grundstücksgröße 9 x 22 m | Fotos Klaus Frahm, Hamburg

38 39

Oben alle und unten Im Schlafbereich dominiert die Schiffsarchitektur, die viele Assoziationen zulässt, das Ambiente der Wohn-räume dagegen setzt bewusst formal auf den Eindruck stabil gebauter Architektur.

Erdgeschoss

Obergeschoss

Schnitt

Skydeck

Page 21: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

40 Sonderpreis ARTEC Architekten, Wien 41

Die Bauaufgabe Ferienhaus spektakulär interpretiert

Ferienhaus? Dafür gibt es ein Klischee, das alle Ma-gazine der europäischen Urlaubsregionen füllt. Die Botschaft ist immer dieselbe: Hier kann man sich so richtig wohl fühlen, hier ist es gemütlich, auch wenn es draußen einmal regnet.

Die Geschmacksbausteine sind auch immer die-selben, und je mehr sie dem Klischee entsprechen, je größer ist die Nachfrage.

Es geht aber auch anders und viel überzeugen- der, weil ein individuell auf die Lage und die Grundstückssituation zugeschnittenes Gebäude – auch ein Ferienhaus – ganz anders auf die Umge-bungsangebote reagieren kann. Ein solches Archi- tekturverständnis wird viel eher regional- und zeit-typische Elemente aufweisen, weil es sich auf die Ausgangsbedingungen einlässt. Jede Landschaft be- darf der eigenen architektonischen Antwort, die selbstverständlich auch von dem Laien wahrgenom-men wird, oft nur unterschwellig. Genau das ist das Erfolgsrezept eines sanften Tourismus, weil er bereit ist, schonend mit den Ressourcen der Natur umzu-gehen.

Das südliche Burgenland ist eine sanft gewellte Hügellandschaft, dünn besiedelt und charakteris-tisch wegen ihrer naturbelassenen Weiträumigkeit zwischen den kleinen Ortschaften. Das Grundstück selbst erstreckt sich von einer wenig befahrenen Straße über die Kuppe eines Höhenzugs – mit groß-artigem Ausblick nach Südwesten, bis weit hinein in die Steiermark.

Das Raumprogramm für das Ferienhaus wurde auf das Nötigste beschränkt, dabei aber äußerst feinsinnig gestaltet. Zwei Drittel der Geschossfläche (60 Quadratmeter) nimmt der Trakt der Eigentümer ein, ein Drittel ist für Gäste bestimmt.

Um die jeweilige Privatsphäre zu gewährleisten, sind die Wohneinheiten durch einen Zwischenraum getrennt, der durch Schiebeelemente – je nach Wet-

Die Bauaufgabe Ferienhaus spektakulär interpretiert

tersituation, aber auch aus Sicherheitsgründen bei Abwesenheit – geöffnet oder geschlossen werden kann.

Das Konstruktionsprinzip ist einfach, das macht den besonderen Reiz der architektonischen Form aus: Zwei Ebenen aus Holz (29 x 8 Meter) bilden den Boden und den »Deckel« für die Räume. Die große, umlaufende Terrasse bietet Wetterschutz für den Aufenthalt im Freien über dem Wiesenhang, schafft eine Atmosphäre des über allem Schwe-bens – gleichsam gebaute Ferienstimmung. Der große Überstand des Dachs dient im Sommer zur Verschattung und sorgt dafür, dass sich die Räume mit der geringen Baumasse nicht zu sehr aufheizen, bei niedrigem Sonnenstand in den Übergangszeiten wird passive Solarenergie hinzugewonnen.

Das in der Halle witterungsunabhängig vorge-fertigte Holzgebäude ruht auf einem kleinen Lager-raum aus Ortbeton sowie acht filigranen Stützen aus Stahl.

Großzügig verglast öffnen sich die Räume zur Aussicht nach Südwesten über das Land, die Fassade zur Straße ist dagegen nur mit einzelnen Öffnungen in der Höhe des jeweils gewünschten Lichteinfalls gleichsam perforiert. Ein schwebendes Brett, das zwischen Dach und Boden verspannt ist, dient als Geländer und ist mit der nötigen Breite gleichzeitig Ablage und Tisch für die Benutzer der Terrasse.

Insgesamt ein raffiniertes Konzept, eine Archi-tektur, die eine schlüssige Sprache für das Thema Ferienhaus gefunden hat. Es ist nicht für die perma-nente Nutzung gedacht, das ist spürbar, seine Gestik verrät aber auch die Haltung, dass dieses Haus hier nur für einen gewissen Zeitraum abgestellt wurde – es will keinen Ewigkeitsanspruch zementieren. Eine wohltuende Symbolik, die auf jeden falschen Gemütlichkeitseffekt verzichten kann, weil sie aus-sagestark und spannungsvoll genug ist, sodass man

Oben Das Konstruktions-prinzip aus Boden und Deckel.

Rechte Seite Die ge-schlossene Straßenfassa-de, darunter die großen Glasflächen nach Süd-westen. Das durch Seile eingespannte Geländer, das auch als Tisch dient, verstärkt noch die elegant gestreckte Form des Bau-körpers.

Page 22: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Sonderpreis ARTEC Architekten, Wien42 43Die Bauaufgabe Ferienhaus spektakulär interpretiert

ihrer Form nicht überdrüssig wird. Gute Architek-tur ist nicht abhängig von einem großem Budget, das belegt dieses faszinierende Haus, das für nur 416 Euro je Kubikmeter umbauten Raums erstellt wurde. Sonderpreis!

Links und oben Das Gebäude ist über die gesamte Grundrisslänge erfahrbar – im Hinter-grund der separierbare Gästetrakt.

Links, Mitte und unten Das Gebäude scheint über dem Boden zu schweben. Wegen geringen Abstands zum Boden konnte im Erdgeschoss bergseits auf das Geländer verzichtet werden.

Page 23: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

Sonderpreis ARTEC Architekten, Wien Die Bauaufgabe Ferienhaus spektakulär interpretiert

Projektdaten Architekten ARTEC Architekten, Bettina Götz, Richard Manahl, Am Hundsturm 5, A -1050 Wien, [email protected], www.artec-architekten.atPlanungsbeginn Juli 2004 | Baubeginn Frühjahr 2005 | Fertigstellung Sommer 2005 | Anzahl der Bewohner 2 | Wohnfläche 90 m² | Nutzfläche 100 m² | Brutto- geschossfläche 127 m² | Bebaute Fläche 223 m² | Umbauter Raum 420 m3 | Grundstücksgröße 14 435 m² | Fotos Paul Ott, Graz

44 45

Obergeschoss

Erdgeschoss

LängsschnittQuerschnitt

Oben Man kann auch über das Prinzip des Geländers noch einmal ganz neu nachdenken – hier wurde es in der Doppelfunktion Schutz und Tisch zwischen Boden und Decke stützen-frei verspannt.

Detail

Unten Kostenbewusst einfache, aber dennoch reizvolle Details.

Page 24: Spektakuläre Häuser - bilder.buecher.de · Spektakuläre Architektur zum Wohnen kann als Thema eines Architekturpreises nur einen kleinen Ausschnitt des baulichen Ge schehens fokussieren,

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Holger Reiners

Spektakuläre Häuser33 ausgezeichnete Bauten; Architektur-Preis Reiners Stiftung

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 224 Seiten, 23,0 x 29,5 cmISBN: 978-3-421-03650-6

DVA Architektur

Erscheinungstermin: April 2008

Der aktuelle Band der Reiners Stiftung Der lateinische Begriff »spectaculum« meint das »Schauspiel«, das »Wunderwerk« und den»Anblick«. Und so erfüllen die 35 ausgewählten Häuser in ihrer Architektur, in ihrer formalen,technischen, ökonomischen und innenräumlichen Qualität diese Definition und faszinierenzugleich in ihrem baukünstlerischen Erscheinungsbild. Das breite Spektrum reicht vombesonders kostengünstigen Holzhaus über Umnutzungen unbewohnbar scheinender Altbautenbis zu überzeugend stringenten Neubauten auf wunderschön gelegenen Grundstücken. DasBuch bietet somit für Bauherren und Architekten gleichermaßen den optimalen Überblick überspektakuläre, anspruchsvolle Wohn-Bau-Kunst von heute. • 35 ausgezeichnete Häuser in perfekter Architektur-Fotografie, Originalgrundrisse,interpretierende Texte• Von spektakulär kostengünstig über spektakulär einfallsreich bis zu spektakulär großzügigreicht die Auswahl der präsentierten Bauten• Porträts der Architekten und ihre Entwurfskonzepte• Im wertvollen Schmuckschuber