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SELBSTHILFE Fiducia DER WEG ZURüCK IN DEN ALLTAG KREATIV STATT DEPRESSIV! 1. Oktober - Tag der Depression Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo- namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 3/2011

Selbsthilfe_03-2011

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Zeitung des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker, Bozen

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SELBSTHILFE

Fiducia

DerWegzurück inDenAlltAg

kreAtivstAttDepressiv! 1.Oktober-tagderDepression

Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Poste Italiane Spa - Spedizione in abbo-namento postale - D.L. 353/2003 (Conv: in L. 27/02/2004, n. 46) art. 1, comma 2, DCB Bolzano Reg. 3.7.1995, n. 17/95, Nr. 3/2011

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SELBSTHILFE

IMPRESSUM

Dritteljährliche Informationsschrift des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker

Eintragung beim Tribunal Bozen: Nr. 17/95 R. St. vom 3.7.1995

Herausgeber:Verband Angehöriger und Freunde psychisch KrankerG.-Galilei-Str. 4/a39100 BozenTel. 0471 260 303 Fax 0471 408 [email protected]

Verantwortlich für den Inhalt:Prof. Carla Leverato

Redaktion:Martin Achmüller, Lorena Ga-villucci, Margot Gojer, Laura Kob Carla Leverato;

Übersetzung:Martin Achmüller, Margot Gojer, Klaudia Klammer, Carla Leverato, Carmen Premstaller;

Bilder:Archiv, Martin Achmüller, Margot Gojer, Carmen Premstaller;

Layout:Carmen Premstaller

Druck:Karo Druck, Frangart

Die Redaktion dankt allen, die durch verschiedene Beiträge zur Veröffentlichung dieser Ausgabe beigetragen haben. Sie behält sich das Recht vor, Kürzungen an den Texten vorzunehmen.

Inhaltsverzeichnis

Editorial

DerWegzurückindenAlltag

GemeindenahepsychiatrischeVersorgung- SegenoderFluch? EUFAMI-KongressinBasel

Absetzbareundabschreibbaremedizinische Aufwendungen

Kreativstattdepressiv: 1.Oktober-TagderDepression

„PFIFF“Meran ESF-ProjektzurFörderung individuellerFähigkeitenundFertigkeiten

ErmäßigungfürFamilien Jahresbeitrag2012

Seite3

Seite4

Seite12

Seite 14

Seite 15

Seite 16

Seite16

gefördert von der Stadtgemeinde Bozen

gefördert von der

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser!Carla Leverato

Frohe Weihnachten und ein gutes Neues Jahr!

D as Leben von Menschen mit psychischen Erkrankungen und

der Angehörigen ist durch besonders kritische Lebensumstände gezeichnet und unter anderem durch Ängste und Sorgen belastet.Solch schwierige Situationen entste-hen zweifellos auch nach der Entlas-sung aus einem stationären Aufent-halt in einem Krankenhaus oder einer anderen Pflegeeinrichtung.

Wir von der Redaktion haben uns gefragt, was dann geschieht? Gibt es Hilfsangebote, und wenn ja, welche und wie sind sie vernetzt. Wie werden sie von den Angehörigen und Betrof-fenen erlebt?Um mehr darüber zu erfahren, haben wir verschiedene Experten gefragt.

Die erhaltenen Artikel, aus unter-schiedlichen Perspektiven und Le-benserfahrungen geschrieben, ge-

ben uns einen aufschlussreichen Überblick.Die Aussagen von Menschen, die selbst an einer psychischen Erkran-kung leiden, sind wie üblich sehr er-greifend.Arianna (Name von der Redaktion geändert) entdeckt in der psychia-trischen Abteilung die Möglichkeit, sich aus der Einsamkeit zu befreien. Dort findet sie Menschen, die sich um sie kümmern. Aber außerhalb dieses sicheren Ortes hat sie keine Angehö-rigen. Erst die Behandlung versetzte sie in die Lage, neue Beziehungen aufbauen zu können.

Die Artikel der Psychiater zeigen sehr deutlich die verschiedenen Phasen auf, denen Betroffene und ihre Fami-lien nach einem stationären Aufent-halt begegnen, wenn sich alle mit der hohen Erwartung des Gesundwer-dens im sozialen und familiären Kon-text konfrontieren müssen. All dies ist in den Protokollen vermerkt, die Ga-rantie dafür sind, dass Entlassung und Weiterbehandlung ohne größere Pro-bleme verlaufen. So soll die Kontinui-tät der medikamentösen Behandlung zusammen mit therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen sowie das notwendige Netzwerk an Diens-ten gewährleistet werden.

Aber nicht immer verläuft alles so rei-bungslos, wie es geschrieben steht und wie uns eine Mutter erzählt.Es bleibt immer noch ein ungelöstes und sehr belastendes Problem für die Angehörigen, wenn das kranke Fa-milienmitglied es nicht mehr schafft

und sich nicht mehr behandeln lassen will. „Mein Sohn sollte nicht von einer Einrichtung in die nächste geschickt werden, in der Hoffnung, irgendwann mal die richtige zu finden“, sagt die Mutter. „Stattdessen sollte sein Alltag sinnvoll gestaltet werden. Jemand sollte ihn dabei unterstützen, seinen Tag strukturieren zu lernen, Kontakte zu pflegen, aber nicht nur mit Per-sonen, denen es noch schlechter geht als ihm selbst. Außerdem sollte auch für eine Ausbildung zur Ergreifung eines Berufes gesorgt werden.“

Genau das sind ihre Aufgaben, wie uns die Sozialassistentin schreibt, nämlich ihre Patienten bei sozialen sowie beruflichen Problemen zu un-terstützen.

Durch den Bericht der Psychologen haben wir die Möglichkeit, einen Blick auf die Schwierigkeiten „nach der Ein-richtung“ zu werfen, wenn sich die Freude über das erlangte Wohlbefin-den mit der Angst vermischt, dass es zu einem Rückfall kommen kann, vor allem in Hinblick auf die Rückkehr in den Alltag, die oft sehr schwierig für den Betroffenen ist.

Nach wiederholtem Lesen der Artikel bleiben wir etwas verstimmt zurück. Es bleibt der Eindruck haften, dass bei allem was getan wird, das Leid, die Angst, die Sorgen, die auf den Ange-hörigen lasten, immer noch zu schwer sind.

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SELBSTHILFE

nach der Entlassung aus einem stationären Aufenthalt wenden

sich Angehörige und manchmal auch Betroffene an den „Stützpunkt” des Verbandes Angehöriger und Freunde psychisch Kranker mit Orientierungs- fragen bezüglich Umgang mit der Krankheit, dem Betroffenen, finan-zieller Unterstützung, Arbeitseinglie-derung, Wohnmöglichkeiten oder Wünschen nach zusätzlichen thera-peutischen Angeboten.Die Gründe für ihre Anfragen und ihr Suchen nach Unterstützung und Bera-tung sind vielfältig.So mancher Angehörige ist schockiert über den ersten Psychiatrieaufenthalt seines Familienmitgliedes, hat Berüh-rungsängste und muss erst lernen die Krankheit und das, was sie mit dem Betroffenen macht, anzunehmen. Manche Fragen und Themen ent- wickeln sich erst im Laufe der Zeit und wollen angesprochen und geklärt sein. Zu sehr sind sie noch mit der Akzeptanz der neuen Situation be-schäftigt als dass sie den Nachsorge-termin beim für das Territorium zu-ständigen Psychiater als ausreichende Weiterbetreuung erfahren. Andere wiederum sind erleichtert, dass ihr krankes Familienmitglied sich behandeln lässt und setzen all ihre Hoffnungen in den stationären Auf-enthalt und kommen mit einer Ent-lassung nur schwer zurecht. Sie fühlen sich mit der Situation überfordert,

„Stützpunkt“ des VerbandesBarbara Morandell, Beraterin

„Stützpunkt“ des VerbandesBarbara Morandell, Beraterin

allein gelassen - alle Verantwortung liege nun bei ihnen, so das Gefühl. Die Familienunterstützung beim Zentrum für psychische Gesundheit wird ihren Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten nicht genügend gerecht, so ihr Emp-finden.Andere können ihre Ohnmacht ge-genüber der psychischen Erkrankung nicht aushalten und stürzen sich in einen Aktionismus und versuchen ei-genständig ein Netz der Nachbetreu-ung zu spannen.Betroffene dagegen suchen nach neuen therapeutischen Angeboten und Wegen um geheilt zu werden oder um wieder zu Arbeit oder zu Geld zu kommen.Nach zahlreichen Gesprächen mit An-gehörigen glaube ich, dass gerade das Gefühlschaos, die Ängste und Sorgen um das psychisch erkrankte Familien-mitglied die Wahrnehmung sowie die Aufname von Informationen von au-ßen einengen, sodass Unklarheiten und Unsicherheiten bezüglich der Entlassung und der ambulanten Wei-terbetreuung bestehen bleiben, die in behutsamen Gesprächen durch Nachfragen und Aufklärung ausge-räumt werden können. Sehr wich-tig erscheint mir, dass Angehörigen sowie Betroffenen immer bewusst gemacht wird, dass die Therapie auf sie persönlich abgestimmt wird, dass sie multidisziplinär betreut werden, dass ihnen in den ZPGs neben dem Psychiater immer auch ein Psycho- therapeut und ein Sozialassistent und bei Bedarf auch Krankenpfleger und Sozialbetreuer zur Seite stehen.

Angehörige haben viele Fragen und wünschen sich Antworten des Betreu-ungsteams auf ihre konkrete Situati-on. Und manche Fragen stellen sich immer wieder aufs Neue…

Die stationäre Aufnahme an ei-

ner psychiatrischen Abteilung stellt für die allermeisten Menschen einen Einschnitt in ihr Leben dar, nicht zuletzt weil sie sich meist in einer Situation befinden, die sie nicht mehr selbstständig meistern können und deshalb auf Hilfe angewiesen sind. Meist gelingt es den Aufenthalt der Patienten an der psychiatrischen Ab-teilung hilfreich zu gestalten, ihnen neben der medikamentösen Therapie auch andere Angebote, wie psycho-therapeutische Gespräche, Musik-therapie, Kunsttherapie, Familienge-spräche, und so weiter zur Verfügung zu stellen.Mit zunehmender Stabilisierung der Patienten, aber auch zeitlich begrenzt durch die knapp vorhandenen Akut-betten an der Abteilung, rückt der Tag der Entlassung aus dem statio-nären Setting immer näher. Sehr oft ist der Tag der Entlassung für die Pa-tienten und deren Angehörige mit ängstlichen Erwartungen behaftet und tatsächlich kann es nach der Ent-lassung auch wieder zu Krisen oder dem Wiederauftreten von Symptomen kommen, die zu einer erneuten statio-

Psychiatrischer Dienst BruneckIvano Simioni, Psychiater

Psychiatrischer Dienst BruneckIvano Simioni, Psychiater

Der Weg zurück in den Alltag

Wir wünschen euch...

Diese Ausgabe der “Selbsthilfe”-Zeitung ist durch die Mitarbeit vieler Personen entstanden, die ihre persönliche und/oder berufliche Erfahrung in Texte verfasst haben: die Primare der Psychiatrischen Dienste, Psychologen, unter ande-rem vom Therapiezentrum „Bad Bachgart“, Sozialassistenten, die Beraterin des “Stützpunktes” des Verbandes und die Betroffenen und Angehörigen. Wir danken allen für die Mitarbeit!

Diese waren unsere Fragen: Was geschieht bei der Entlassung eines Patienten aus einem stationären Aufenthalt? Gibt es ein Entlassungs- und Weiterbehandlungsmanagement? Gibt es außer der medikamentösen Versorgung auch noch andere therapeutische Maßnahmen (Entspannungstechniken, Körpertherapie, Psychotherapie usw.)? Welches sind die Angebote zur Unterstützung der Betroffenen damit die Wiedereingliederung in den Alltag gelingt? Wie werden die An-gehörigen unterstützt (Familientherapie)? Wie steht es mit der sozialen Betreuung, wie mit der (Wieder)Eingliederung in die Arbeitswelt?

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nären Aufnahme führen können. Der Kontrast zwischen dem Leben an einer Abteilung, wo die meisten An-forderungen des Alltags vom dort tä-tigen Personal abgenommen werden und dem Leben draußen kann sehr groß sein. Oft sind die Patienten nach der Entlassung von der Abteilung mit vielen Erwartungen ans Funktionieren von Seiten des Umfeld, der Familie, aber auch von ihnen an sich selbst konfrontiert und die erzielten gesund-heitlichen Fortschritte werden durch Stress und Druck wieder in Frage ge-stellt. Eine „geschützte Entlassung“ ist eine Möglichkeit den Übergang vom Stationären ins Ambulante fließend und weniger belastend zu gestalten. Eine gute und lückenlose ambulante Behandlung im Vorfeld ist meist auch eine gute Garantie für eine „geschützte Entlassung“. Viele Patienten werden im Rahmen der Krise oder der akuten Krankheit von den ambulant beglei-tenden Psychiatern an der Abteilung stationär aufgenommen und danach kehren sie in das bereits vertraute und an ihre Bedürfnisse angepasste Setting zurück. Sie begeben sich zum Beispiel wieder in die Psychotherapie, nehmen psychiatrische Visiten und Gespräche wahr, dort wo notwen-dig nehmen sie die Begleitung der Sozialassistentinnen in Anspruch, um bei Problemen am Arbeitsplatz oder der Suche nach Beschäftigung, bei finanziellen Schieflagen, aber auch anderen sozialen Fragestellungen Hilfestellung zu erhalten, und so weiter. Es gibt auch viele Patienten, die im Vorfeld der stationären Aufnahme nicht in ambulanter Behandlung wa-ren oder diese Jahre zuvor bereits beendet hatten. Vor allem bei solchen Patienten kann es wichtig sein, vor der Entlassung von der Abteilung die Ressourcen dieser Patienten zu über-prüfen und falls notwendig für sie Hilfestellungen zu schaffen und helfende Netzwerke zu bilden. Ein Patient, der in eine Familie zurück-kehrt, in ein Altenheim oder eine an-dere Struktur, der Freunde hat, die ihn unterstützen oder sonst ein soziales Netz um sich geflochten hat, ist ein Pa-

tient der in der Regel gute Ressourcen hat. Da kann es genügen, dass man im Vorfeld mit dem Patienten und seinen nahestehenden Personen Gespräche hält, in denen über die Therapie, Ver-haltensweisen im Notfall, die Diagno-se und so weiter gesprochen wird und vor Entlassung ein ambulanter Kontrolltermin beim Psychiater ver-einbart wird. Stabilisierte Patienten, die aber noch einer Nachbetreuung bedürfen oder auch nur einer Erholungszeit, finden in Bruneck im Psychiatrischen Wohn-heim einen Ort, um gesund zu wer-den. Andere Patienten wiederum kön-nen nach dem stationären Aufenthalt nahtlos in andere Strukturen über-wiesen werden, zum Beispiel in das Therapiezentrum „Bad Bachgart“, um dort mit Hilfe einer intensiven psycho- therapeutischen Behandlung weiter

zu genesen, den Sägemüllerhof, um sich im Sinne des Wohnens und Ar-beitens zu rehabilitieren. Das Arbeits-amt und die Arbeitsplatzbegleiter, sowie die Sozialassistenten, können den Übergang vom Krankenstand ins Arbeitsleben erleichtern. Es gibt auch die Möglichkeit, sich nach dem vollstationären Aufenthalt eine zeitlang teilstationär (Day Hospital) an der Abteilung aufzuhalten und das dortige therapeutische Angebot noch in Anspruch zu nehmen (z. B. die Hil-fe bei der Medikamenteneinnahme, die Möglichkeit der Tagesstrukturie-rung, die Gespräche mit Ärzten und anderem Fachpersonal, die Kunst- und Musiktherapie, die Ergotherapie, Bewegungstherapie).Im ambulanten Bereich werden die Patienten von den Fachärzten medikamentös und psychiatrisch-

...Akzeptanz

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SELBSTHILFE

psychotherapeutisch begleitet, dort wo notwendig aktivieren sich Sozial-assistentinnen, es wird Psychothera-pie bei Psychologen angeboten und dort wo erwünscht auch Familien-gespräche. Angehörige können sich Unterstützung holen, sich beraten lassen, selber eine Psychotherapie in Anspruch nehmen. Immer wird da-bei aber auch darauf geachtet, dass die therapeutische Diskretion und die Privacy gewahrt werden und dass das Einverständnis der beteiligten Patienten eingeholt wird. Außerhalb der Ambulanz und der Abteilung besteht eine enge Zusam-menarbeit mit anderen Diensten. So können fallweise Sprengelschwestern aktiviert werden, die zum Beispiel beim Herrichten und der Einnahme der Medikamente behilflich sein kön-nen, der Hausarzt wird informiert und wird fallweise aktiv, die Sozialdienste unterstützen bei der Lösung sozialer Fragestellungen. Für Patienten, die Tagesstruktur benötigen, gibt es in Bruneck die Tagesstätte, die vor allem noch nicht ganz Gesunden weitere Sicherheit geben kann, aber auch das „Intermezzo“ und andere Fixpunkte in der Freizeit können hilfreich sein. Jugendliche werden an die Facham-bulanz für psychosoziale Gesundheit im Kindes- und Jugendalter weiterge-leitet und dort umfassend betreut. Nicht alle Patienten benötigen eine „geschützte Entlassung“ oder wün-schen eine. Hilfreich ist es, von Fall zu Fall und individuell in Zusammenarbeit mit je-weils bei Bedarf zu aktivierenden und zu bildenden Netzwerken, den Ange-hörigen und anderen dem Patienten nahestehenden Personen, mit ver-

schiedenen Berufsbildern, verschie-denen Strukturen in und außerhalb des Krankenhauses und bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ressourcen des Patienten, einen möglichst gleitenden und sanften Übergang vom Kranksein ins Gesundsein zu fördern.

Für viele Menschen ist die Auf-nahme an eine psychiatrischen

Abteilung ein einschneidendes Ereignis. Diese Maßnahme wird nur dann in die Wege geleitet, wenn eine ambulante Versorgung nicht zum erwarteten Erfolg führt. Die Rehabilitation und das Ziel der ei-genständigen Lebensführung steht immer im Focus der psychiatrischen Behandlung. Sobald es der Gesundheitszustand der Patienten erlaubt, wird an der psychiatrischen Abteilung des Ge-sundheitsbezirkes Brixen die ambu-lante Weiterbetreuung zusammen mit den Betroffenen geplant. In Abspra-che mit den Patienten wird dies auch mit den nächsten Angehörigen abge-stimmt.Für die Akteure im psychiatrischen Bereich beginnt damit die „vernetzte“ Übergabe an die ambulant tätigen Kollegen. Nach einem genau festge-legtem Protokoll wird dieser Schritt durchgeführt. Je nach Schweregrad der Erkrankung, bzw. sozialer und psychologischer Schwierigkeiten, wird ein individuelles therapeutisches Procedere festgelegt.Noch während des Aufenthaltes an

Psychiatrischer Dienst BrixenJosef Schwitzer, Primar

Psychiatrischer Dienst BrixenJosef Schwitzer, Primar

der Abteilung wird das Zentrum für psychische Gesundheit (ZPG, unser ambulanter psychiatrische Dienst) über die bevorstehende Entlassung informiert, ein Bezugsarzt definiert und ein ambulanter Termin für die be-vorstehende Visite vereinbart. Zudem erhält der Basisarzt einen ausführ-lichen Therapiebericht.

Neben der eventuellen medika-mentösen Therapie gibt es im ambu-lanten Setting eine ganze Reihe von psychosozialen Einrichtungen und Maßnahmen, die je nach Bedarf den Patienten schon vor der Entlassung angeboten werden.Zu diesen gehören die Angebote des Dienstes für Abhängigkeits- erkrankungen, die des psycholo-gischen Dienstes, des Arbeitsamtes zwecks Berufsberatung und Wie-dereingliederungsmaßnahmen, der Sozialdienste der Bezirksgemein-schaften und der einzelnen Sprengel aber auch die Angebote von privaten Verbänden und Vereinigungen, z. B. Selbsthilfegruppen.In der Regel werden die Patienten vom multiprofessionellem Team des ZPGs übernommen. Die Koordinierung der therapeutischen Maßnahmen wird durch eine Bezugsperson im ZPG durchgeführt.

Im ZPG gibt es folgende therapeu-tische Angebote: ärztliche Visiten, Einzelpsychotherapie, Entspannungs-gruppen, Musiktherapie, Psychoedu-kation, Sozialberatung, Information und Beratung für Angehörige.Des weiteren gibt es eine geleitete Gruppe für Angehörige psychisch Kranker.

...Hoffnung

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SELBSTHILFE

Beim Dienst für psychische Gesundheit in Meran wird der

Patient immer vom gleichen Psychia-ter und seinem Team (Psychologen, Krankenpfleger, Sozialassistenten, Sozialbetreuer) betreut - es gibt so-mit keine Unbeständigkeit zwischen dem Aufenthalt in der psychiatrischen Abteilung und der vorhergehenden oder anschließenden Behandlung.Der Psychiater, der den Patienten ent-lässt, führt auch die Kontrollvisite am Zentrum für psychische Gesundheit durch. Der Plan bei Entlassung wurde während des Aufenthaltes gemein-sam mit dem Klienten (und eventuell mit den Angehörigen) erarbeitet und vereinbart. Dadurch wird ein Wechsel von Ärzten oder Betreuern vermie-den, und folglich die Notwendigkeit für Patient und Angehörige mehrere Ansprechpartner zu haben, was zu Verwirrung führen und die Therapie verlangsamen kann. Die Entlassung kann nach Hause erfol-gen mit darauffolgender Kontrollvisite beim ZPG oder in eine Wohngemein-schaft des Dienstes. In beiden Fällen bleibt das betreuende Team gleich, der therapeutische Plan wird vom ZPG und/oder von der Wohngemeinschaft fortgesetzt.Nur in weniger schweren Fällen (Angstzuständen, Panikstörungen, Phobien, mittelschwere Depressionen usw.) kann eine ausschließliche ambu-lante Behandlung auf medizinischer und/oder psychotherapeutischer Basis eingeleitet werden, während in schwerwiegenderen Fällen (Schizo-phrenie, andere Psychosen, schwere affektive Störungen) ein komplexeres Behandlungsprogramm von Nöten sein kann, bei dem der Patient eine therapeutisch-rehabilitative Tätigkeit oder Beschäftigungsmöglichkeit bei einer oder mehreren Strukturen des Dienstes für psychische Gesundheit oder auch bei externen Einrichtungen ausübt. In jeder Phase der Erstellung oder Durchführung eines therapeu-tischen Programmes begleitet das

Psychiatrischer Dienst MeranLorenzo Toresini, Primar

Psychiatrischer Dienst MeranLorenzo Toresini, Primar

Betreuungsteam den Klienten bei je-dem Schritt in jeder Struktur. Klares Ziel des Teams ist, die Zusammenarbeit mit der Familie und dem sozialen Umfeld des Patienten zu entwickeln und zu fördern. Es überprüft systema-tisch den Verlauf des therapeutischen Programmes zusammen mit dem Kli-enten und der Familie oder manchmal mit anderen Bezugspersonen außer-halb der Dienste.Am ZPG und den Wohngemein-schaften wird außer der medi-kamentösen und psychothera- peutischen Behandlung auch Psycho-diagnostik betrieben. Es gibt thera-peutische Gruppen zur Rehabilitation von unterschiedlicher Intensität, des weiteren Entspannungsangebote, Tanz-, Theater-, Film- und Zeitungs-gruppen… Wenn es notwendig erscheint, werden mit Hilfe der Sozialassistenten für den Patienten soziale Maßnahmen ein-geleitet, wie z. B. finanzielle Beiträge, Ansuchen um Invalidität, Sachwalter-schaft usw. Auch Visiten oder Bestä-tigungen aus dem Amtsarztbereich werden erstellt.

sobald ein Patient aus der psychia-trischen Abteilung entlassen

wird, ist es unsere Aufgabe, einen nahtlosen Übergang zur ambulanten Weiterbetreuung anzubieten und zu organisieren.Mit dem Wiedereintritt in den Alltag bricht die kontinuierliche Betreuung nicht ab, in der Tat gibt es sogar eine Reglementierung, ein Protokoll das diese garantiert. Um die Übergabe mit dem gemeinde-nahe arbeitenden Team im Zentrum für psychische Gesundheit zu planen, werden dienstinterne Treffen gestal-tet und das weitere Vorgehen mit dem Patienten abgestimmt.

Die Art und Weise der Weiterbe- treuung hängt im wesentlichen von den persönlichen Bedürfnissen, den sozialen Umständen, den seelischen

Psychiatrischer Dienst BozenAndreas Conca, Primar

Psychiatrischer Dienst BozenAndreas Conca, Primar

Nöten und der Art und Ausprägung der seelischen Störung ab; hier gilt es die Betreuung multidisziplinär (in erster Linie Sozialarbeit, Psychothe-rapie und ärztliche Tätigkeit) und individualisiert (auf dem Patienten zu-geschnitten) zu organisieren.Dafür bieten wir geeignete und kompetente Infrastrukturen (Tages-klinik, Tagesstätte, Wohngemein-schaften, rehabilitative Zentren) und entsprechendes geschultes Personal an und vernetzen die sogenannten therapeutischen Projekte mit dem Psychologischen Dienst, dem Dienst für Abhängigkeitserkrankungen, dem Sozialdienst, Selbsthilfegruppen und

Verbänden.Natürlich werden auch die Angehö-rigen nicht vergessen: sie haben das Recht auf Unterstützung, haben das Recht gehört zu werden und haben das Recht auf uneingeschränkte In-formation bezüglich ihrer eigenen Situation; nicht immer ist es möglich zwischen dem Betroffenen und den Angehörigen zu vermitteln und recht-lich ist es in der Tat so, dass Betroffene den Helfern die Schweigepflicht be-züglich ihrer Situation aufzwingen können (Datenschutz-Gesetz).Gerade in solch kritischen Momenten brauchen Angehörige unsere Unter-

...Liebe

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SELBSTHILFE

stützung, die wir ihnen ohne weiteres auch zusichern müssen. Deshalb werden Angehörige während des stationären Aufenthaltes regelmäßig zum Gespräch eingeladen, im ambu-lanten Setting bieten wir neben den Einzelgesprächen auch Angehörigen-gruppen an und im präventiven sowie rehabilitativen Bereich versuchen wir auch durch Öffentlichkeitsarbeit zu informieren.

normalerweise erhalten die Patien-ten bereits mit der Entlassung

aus dem Krankenhaus einen Ter-min für eine Visite beim Zentrum für psychische Gesundheit, bzw. bei dem für das Territorium zuständigen Psychiater.Die Probleme der einzelnen Be-troffenen, innerhalb einer multi- professionellen Equipe besprochen, die aus dem Arzt, einem Psychologen, einer Sozialassistentin und einigen Krankenpflegern und Sozialbetreuern besteht.Mit jedem Patienten wird ein individu-elles Projekt ausgearbeitet, das als pri-märes Ziel den Wiedereinstieg in das eigene Lebensumfeld zum Inhalt hat. Alle internen und externen Ressour-cen des Dienstes werden eingesetzt um es der Person zu ermöglichen, ein würdiges und selbständiges Leben zu führen.Das ZPG bietet ärztliche Unterstüt-zung, psychologische Einzel-, Fami-lien- und Gruppentherapie an, sowie soziale und krankenpflegerische Be-gleitung.Es gibt therapeutische Gruppen, aber auch sogenannte Unterstützungs-gruppen wie die Berg-Therapie.Wenn die Betroffenen Probleme im Arbeits- bzw. im sozialen Bereich ha-ben, ist dafür die Sozialassistentin zuständig. Sie hilft, die Probleme zu definieren und Wege aufzuzeigen, in-dem sie die Zusammenarbeit der öf-fentlichen Dienste und auch privaten Einrichtungen sucht. Es wird mit dem Betrieb für Sozialdienste und den Bezirksgemein-

Edi Da Rugna, SozialassistentinEdi Da Rugna, Sozialassistentin

schaften zusammengearbeitet, mit den Landesämtern, mit dem Wobi, mit der Justizbehörde, mit anderen Diensten des Gesundheitsbetriebes wie dem Psychologischen Dienst aber auch mit den Sozialgenossenschaften und den Verbänden. Die Schwierigkeiten sind im Allgemei-nen sehr vielfältig. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen müssen begut-achtet werden, um sie verbessern und um die Ziele erreichen zu können.Der Patient wird von den Betreuern des ZPGs aufgefangen und professio-nell unterstützt.

Bei der Entlassung (aus “Bad Bach-gart”) erhalten die Klienten:

einen Brief für den zuständigen Dienst, mit

dem bereits ein Termin fixiert wurde

für den Hausarztauf Wunsch des Klienten auch für

eine andere Einrichtungwenn gewünscht auch für die

Sozialdienste oder für den Klienten selbstden Medikamentenzettel mit Dosis-

und Verabreichungsangabenfür den Klienten und für den

Dienst die notwendigen Rezepteeine Liste mit Empfehlungen für

andere Dienste (z. B. psycholo- gischer Dienst, Berufsberatung...), oft schon mit fixiertem Termin

einen Termin für die medizinische Kontrollvisite

fast immer ein Termin bei einem Psychologen

einen „Notfallplan“ für Krisen- situationen, der während des Aufenthaltes gemeinsam mit dem Klienten erarbeitet wurde:

welche Personenressourcen (Angehörige wurden während des Aufenthaltes zum Gespräch ein- geladen)

Maßnahmen bei Vorzeichen einer Verschlechterung

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Therapiezentrum „Bad Bachgart“Petra Zambelli, Psychologin

Therapiezentrum „Bad Bachgart“Petra Zambelli, Psychologin

...Solidarität

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SELBSTHILFE

...Aufmerksamkeit

Maßnahmen bei einem RückfallListe der Personen, die man

kontaktieren kann (Telefonnr. Bezugsperson, jeweiliger Dienst, Carabinieri, Bad Bachgart...)

eine Zusammenstellung, welches „dysfunktionale“ Verhalten auf welche Weise geändert werden kann

eine Aufstellung, was man „im Krisenfall“ z. B. in der „Ersten Hilfe“ sagen kann

Diese letzten drei Punkte sind mehr-mals Thema in den Gruppentreffen, die etwa 8 – 10 Mal während des Auf-enthaltes abgehalten werden.Der Entlassungsbrief wird fast immer bei der Entlassung mitgegeben bzw. ist spätestens nach einer Woche fertig. Er enthält die medizinische Diagno-se und die medikamentöse Therapie (über die Notwendigkeit, die Dauer der Therapie... gibt es während des Aufenthaltes mehrere Gespräche mit dem Arzt).

An meine erste Einlieferung in die psychiatrische Abteilung des

Krankenhauses Bruneck erinnere ich mich kaum. Ebenso wenig an die ersten 10 Tage, die ich dort verbracht habe. Aber ich erinnere mich, dass ich eines Tages aufgewacht bin und mich an einem Ort wiedergefunden habe, der mir sehr seltsam erschien: viele nette Menschen waren da, immer um mich herum, sie kümmerten sich um mich und sorgten für mich.Es gelingt mir nicht, meine damaligen Empfindungen auszudrücken: alles ist verworren. Ich war dort, brav brav, ohne jemals etwas zu verlangen. Alle sagten mir, wenn ich etwas bräuchte, solle ich mich an sie wenden, aber ich konnte nicht – noch nie hatte ich jemanden um etwas gebeten. Ich hatte meine Probleme immer selbst lösen ge-musst. Ich war es nicht gewohnt, um Hilfe zu bitten. Wenn sie nachts zur Kontrolle ka-

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Arianna, BetroffeneArianna, Betroffene

men und sahen, dass ich nicht schlief, sagten sie mir, ich hätte doch nach einem Schlafmittel fragen sollen. Oder wenn sie mich weinen sahen, beharrten sie darauf, dass ich sie rufen solle, wenn es mir schlecht gehe. Aber ich wollte nicht stören. Und ich dachte auch, dass sich niemand für meine Probleme interessieren würde. Langsam langsam begann ich ihnen zu vertrauen, und ich schaffte es auch, schüchtern um Hilfe zu bitten wenn ich sie brauchte. Nach drei dort verbrachten Wochen teilten sie mir mit, dass ich für eine Entlassung bereit wäre: ich sagte nichts, aber ich geriet in Panik.Musste ich wieder nach Hause?Und um was zu tun?Die Welt draußen ist schrecklich, und hier drinnen konnte mir nichts Schlimmes passieren. Ich wurde ver-sorgt und verwöhnt. Ich musste mich um nichts kümmern.Ich überlegte, was ich tun könnte, um nicht weggeschickt zu werden, aber mir fiel nichts ein. Und so kehrte ich nach Hause zurück. Mein ganzes Leben lang war ich allein und die Einsamkeit belastete mich nicht, denn ich hatte mich an sie angepasst. Ich hatte mich daran ge-wöhnt. Aber jetzt war es anders, ich hatte er-lebt, was es heißt, eine Schulter zum ausweinen zu haben, Hilfe, auf die man zählen kann. Die in der Abteilung gebotene Kunsttherapie begeisterte mich und ich durfte weiterhin an den Treffen teilnehmen. Ich fuhr also oft nach Bruneck, nicht nur um zu malen, son-dern auch zurück in die Abteilung. Ich erfand Ausreden um mit den Kranken-pflegern und mit einigen Ärzten spre-chen zu können. Nur um für einige Zeit dort sein zu dürfen. Inzwischen drehte sich meine Welt nur noch um die Abteilung, es kam mir bei jedem Besuch so vor, als würde ich nach Hause kommen. An Weihnachten fragte ich, ob ich hin-kommen könne – zum essen und um den Tag dort zu verbringen. Sie mach-ten eine Ausnahme für mich: ich ver-brachte ein schönes Weihnachtsfest, mit Ärzten, Krankenpflegern und Pati-

enten, die mich die Wärme von Weih-nachten spüren ließen. Ich wurde noch weitere zwei mal ein-geliefert. Das erste mal als sich ein neuerlicher Zusammenbruch näherte.Das zweite mal weil ich simulierte und eingeliefert werden wollte. Aber die Zeit verging und durch die medizinische und psychologische Be-handlung begann ich mich besser zu fühlen und neues Selbstvertrauen zu gewinnen. Ich fing an, mich mit der Trennung vom Krankenhaus auseinanderzuset-zen. Ich verstand, dass ich mein Leben nicht immer und ausschließlich auf die Abteilung konzentrieren durfte. Ich sprach mit den Ärzten und sie ver-sicherten mir, sie seien immer da, für jedes noch so kleine Problem könne ich mich an sie wenden, auch wenn ich das Krankenhaus verlasse: sie wür-den mich mit offenen Armen empfan-gen. Das war es, was ich brauchte: ein neues Leben beginnen mit dem Wis-sen, eine sichere Tür zu haben, hinter die ich mich flüchten kann. Ich weiß nicht, wie es ist, nach Hause zurückzukommen und eine Familie zu haben, die auf einen wartet. Ich kann nur sagen, wie ich es gerne hätte: ich möchte Zuneigung, Wärme und Mitgefühl finden, aber nicht wie eine Kranke behandelt werden, denn wir sind nicht krank. Oder besser: wir sind krank, aber nur unsere Seele. Und die Familie sollte bei uns sein, uns versichern, dass wir nicht allein sind, so dass wir gemein-sam die Wunden heilen können.

nach seinem ersten stationären Aufenthalt in Brixen wurde T. un-

ter der Bedingung entlassen, dass er sich noch am selben Tag im Zentrum für psychische Gesundheit in Bozen bei der zuständigen Psychiaterin mel-det. Dort wurde veranlasst, dass T. das Angebot des Tageszentrums Arche Noah im Neubruchweg besuchen sollte. Er ging dort ein paar Tage lang hin, weigerte sich dann aber, dieses

R. A., AngehörigeR. A., Angehörige

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SELBSTHILFE

nach möglichen nächsten Schritten. Bad Bachgart wurde in Erwägung gezogen und dann auch ein Aufent-halt in die Wege geleitet. T. blieb dort nicht ganz eine Woche, dann ging er nach Hause. In der darauffolgen-den Woche ließ er sich selbst in der Psychiatrie in Brixen aufnehmen. Nach einem kurzen Aufenthalt kehrte er nach Hause zurück und unternahm bald darauf einen zweiten Suizidver-such .Wieder kam er ins Krankenhaus und nach zwei Tagen der Beobachtung wurde er in die Psychiatrie in Brixen verlegt und nach ein paar Tagen ent-lassen, weil er einen guten Eindruck machte. Sein Zustand verschlechter-te sich zusehends, bis er erneut in die Psychiatrie kam, diesmal für zweiein-halb Monate.Und da wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte.Nachdem ich drei Mal eine verwahrlo-ste Wohnung aufgeräumt hatte, setz-te ich mich für ein Gespräch zwischen Psychiater, Psychologen, psychologi-schem Leiter, T. und uns Eltern ein, bei dem gemeinsam überlegt wurde, wie es weitergehen könnte.T. wollte in eine Spezialklinik ins Aus-land, wir erwägten die Sozial-psych-iatrie Bregenz, die psychiatrische Rehabilitation im Gelmini oder eine Unterstützung im Wohnbereich durch Sozialassistenten, nachdem ich klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass T. nicht bei mir wohnen konnte und ich auch nicht zu ihm ziehen würde. Auch T. bestätigte, mit seiner Wohnsituati-on überfordert zu sein und nicht mehr nach Hause zurück zu wollen.Nach langen Überlegungen entschied sich T., am ESF-Projekt „PFIFF“ zur ge-sundheitlichen Stabilisierung und be-ruflichen Orientierung für Menschen mit einer psychischen Problematik teilzunehmen. Ich wunderte mich sehr, dass ich von den Ärzten nichts über dieses Projekt erfahren hatte, obwohl sie sehr wohl davon Kenntnis hatten. T. befindet sich immer noch in diesem Projekt und es konnten wirklich eine gesundheitliche Stabilisierung und eine berufliche Orientierung erreicht werden. Doch jetzt nähert sich dieses Projekt langsam seinem Ende und es

...Sicherheit

weiterhin zu besuchen. Von da an war er zuhause.Mehrmals wurde ihm der Besuch des Tageszentrums nahe gelegt. Er war aber nicht mehr dazu zu bewegen, seit er verstanden hatte, dass der Be-such „freiwillig“ war und ihn niemand dazu zwingen konnte. Dort wären nur ältere Personen, denen es viel schlech-ter ginge als ihm. Auch zu einer Betrof-fenengruppe ging er nur einmal hin, weil ihn die Lebensgeschichten und –situationen der anderen zu sehr be-unruhigten.Es folgte eine weitere Krise und T. wollte wieder von Bozen nach Brixen wechseln. Das war möglich, wobei auf-grund der territorialen Zuständigkeit nur die psychiatrische und psycholo-gische Unterstützung gewährleistet waren, nicht aber die durch Sozial- assistent und Krankenpfleger.Es folgten zwei weitere stationäre Auf-enthalte, nach denen er immer nach Hause entlassen wurde. Einmal ver-suchte er das Studium wieder aufzu-nehmen, das andere Mal wollte er ein Jahr pausieren und eine Unterrichts-supplenz annehmen.Er erhielt eine 50%ige Jahressupplenz - von den insgesamt 9 Monaten konn-te er vielleicht 3 Monate arbeiten, die restliche Zeit war er krank geschrieben und verbrachte sie nach dem vierten

stationären Aufenthalt gleich zu Be-ginn des Schuljahres zu Hause.Diese viele, unstrukturierte Zeit nach jedem Aufenthalt war „Gift“ für ihn. Er verfiel in eine depressive Stimmung, konnte sich weder zu Freizeitaktivitä-ten oder sozialen Kontakten aufraffen und verbrachte die meiste Zeit im Bett, mit Schlafen, Rauchen, Fernsehen und Spielen am PC.Für mich als Angehörige waren dies sehr schwierige und schwer auszuhal-tende Zeiten.Einen guten Monat nach seinem vierten stationären einwöchigen Auf-enthalt sollte er seine Arbeit wieder aufnehmen. Da unternahm er einen Suizidversuch, er wurde mit einer Medikamentenvergiftung ins Kran-kenhaus eingeliefert und am nächsten Tag nach einer psychiatrischen Visite entlassen. Damals lebte er alleine in einer Wohnung, nachdem ich einige Monate zuvor ausgezogen war. Das Zusammenleben mit seiner Freundin war nur von kurzer Dauer weil die Be-ziehung in die Brüche ging.Um ihm einen weiteren stationären Aufenthalt zu ersparen, kehrte ich als Mutter zurück und organisierte fast rund um die Uhr „Besuchsdienste“, so dass er nicht alleine war.Es folgte eine lange depressive Phase. Zusammen mit dem ZPG suchten wir

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SELBSTHILFE

...Wohlbefinden

stellt sich wieder die große Frage, wie es jetzt weiter gehen soll...Anhand dieser persönlichen Erfah-rung ist mir bewusst geworden, dass es neben der medizinischen und psychologischen Begleitung und Be-treuung ganz dringend anderer ange-messener Unterstützungs- und Stabi-lisierungsangebote bedarf. Psychisch erkrankte Menschen brauchen – wie wir alle – dringend einen strukturier-ten Tagesablauf, soziale Kontakte, eine sinnvolle Tätigkeit und darin eine ver-lässliche Begleitung.Für diese kritischen Übergänge, die bestenfalls in die Genesung führen, braucht es Angebote, möglichst vie-le verschiedene, den Bedürfnissen vor allem auch junger Menschen im erschwerten Prozess des Erwachsen-werdens, in Berufs- und Ausbildungs-fragen, in der Auseinandersetzung und Bewältigung ihrer Krankheit an-gemessene.

ich treffe Giulia nach ihrem ca. 10-wöchigen Aufenthalt in einer Wohn-

gemeinschaft wieder. Wie immer findet unser Treffen an einem Dienstag um 11:00 Uhr statt und ich weiß, dass sie wie immer min-destens 15 Minuten früher kommen wird. Ich bereite mich auf unser Gespräch vor und bin etwas “nervös”. “Wie wird es ihr gehen? Was wird sie mir er-zählen?” Heute jedoch kommt Giulia pünktlich um 11:00 Uhr. “Guten Morgen, Giulia!” (Ich dachte schon, du würdest nicht kommen... sage ich zu mir selbst). “Guten Morgen, Frau Doktor! Heute habe ich mir die Zeit genommen, mich schön zu machen. Ich wollte Ihnen zei-gen, dass es mir viel besser geht!”Therapeutisch, für mich! Eben, so was passiert, wenn man wartet….Der erste Eindruck ist mit dem Tref-fen gekoppelt. Endlich! In neugieriger Aufregung!Tief drinnen steckt die Angst, dass alles wieder so wird wie vorher... das

Melania Bisesto, Psychologin

Giuseppe De Felice, Psychologe

Melania Bisesto, Psychologin

Giuseppe De Felice, Psychologe

schwierige Verhältnis und der schwer-fällige Umgang...Aber auch wenn wieder alles wird, wie zu Anfang, weiß ich , wie ich mich ver-halten muss... wenn sie ihre “übliche” Krise hat, weiß ich, was zu tun ist...Die Art und Weise mit dem Kranken in Beziehung zu treten, ist bestimmt von den üblichen Erwartungen... Ich ging davon aus, Giulia wäre pünktlich, nämlich, dass sie eine viertel Stunde früher kommen würde. Giulia erzählte mir von ihrer ersten Er-fahrung in einer Wohngemeinschaft. Sie erzählte von den nährenden Be-ziehungen, die sie aufgebaut hat, von der Anteilnahme und wie wunderbar es war, Leute kennnenzulernen, die genau wie sie “draußen” ihre Schwie-rigkeiten haben. Sie ist glücklich, wie-der zu Hause zu sein, bei ihren Eltern, ihrem Bruder... Aber sie hebt auch dieses Drinnen/Draußen hervor, di-ese Gegensätzlichkeit, die ihr Angst macht: “Und wenn draußen wieder al-les so wird wie vorher? Und wenn ich in meine alten Verhaltensmuster zu-rückfalle? Zu Hause kennen sie mich nur, wie ich früher war... Mit meiner alten Verhaltensweise. Und wenn sie mich nicht mehr mögen? Mama ist tatsächlich von der Arbeit weg gegan-gen, nur um bei mir zu sein... als es mir schlecht ging...”. Sie fühlt sich beinahe schuldig für ihre Gedanken...Was braucht Giulia jetzt? Dieses “Drinnen und Draußen” muss vereint werden. Ich merke, dass die Therapie momentan sehr wichtig ist. Ich denke auch, dass in dieser Zeit der Verände-rung die Eltern, die Familie Unterstüt-zung bräuchte. Giulia hat es mich heute gelehrt: Pünktlichkeit bedeutet für sie heute etwas anderes als gestern. Auch ich, die ich auf sie wartete, muss mich von der früheren Sicherheit lösen.

Ein weiterer, sehr interessanter Aspekt, der aus dem Dialog zwischen Giulia und ihrer Therapeutin hervorging, ist die Rückkehr in die Familie, die sich für den Patienten oft schwierig gestaltet. Da die Angehörigen sich meist nicht gleichermaßen entwickeln wie der Pa-tient, wird ein erneutes Zusammenle-

ben zur Herausforderung.Dieses Phänomen nennt man Co-Ab-hängigkeit, eine besondere Form der “emotionalen Abhängigkeit”, die uns die bewussten oder unbewussten Dynamiken, die in einigen familiären Kontexten herrschen, begreifen lässt und welche das Unwohlsein einer Person verursachen oder verstärken können.Diese Person nimmt die Last des Leidens auf sich, vergisst sich dabei selbst, fokusiert all ihre Aufmerksam-keit und Energie auf die Bedürfnisse und das Verhalten eines Partners, der, wie in diesem Fall auf Grund einer psychischen Erkrankung, auf Hilfe an-gewiesen ist. Der Grund, warum diese Form von emotionaler Abhängigkeit anfänglich beobachtet wurde, betraf paradoxerweise nicht das Wohlbefin-den des Betroffenen, sehr wohl aber die Beobachtung der Fähigkeit, die die Co-Abhängigkeit hat, den sogenann-ten “designierten Patienten” in einem krankhaften Zustand zu halten. Und wie es fälschlicherweise scheint, ist es nur der Patient, der Hilfe benötigt, da er von einer Abhängigkeit oder von einer psychiatrischen Begleiterkran-kung betroffen ist. (Norwood R., 1985)In Wirklichkeit hat die Co-Abhängig-keit mit anderen affektiven Abhängig-keiten die Tendenz gemeinsam, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche zu ignorieren und zu verleugnen, bis der Partner schlussendlich ein Leben leben muss, das nicht seinen eigenen inneren Bedürfnissen entspricht. Die Folge davon ist oft, dass das Ich des Co-Abhängigen schwach wird. Es wird verletzlich und überlebt nur durch die progressive Tendenz, indem es versucht, seine Stärke zu zeigen und sein Selbstwertgefühl durch die “Kontrolle” über den abhängigen Part-ner zu nähren.Die Aufgabe von uns Fachkräften ist es, den Patienten und die thera-peutische Beziehung zu unterstützen, indem man sich genügend Zeit nimmt, um oft auch schmerzhaft die unterschiedlichen intrapsychischen Dynamiken zu entlarven, unserer post- modernern Zeit zum Trotz, wo der Trend zum Leichten und Schnellen geht.

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SELBSTHILFE

Gemeindenahe psychiatrische Versorgung - Segen oder Fluch?Alessandra Masiero

D er 5. Europäische Kongress von EUFAMI fand in Zusammen-

arbeit mit VASK Schweiz am 24. und 25. September 2011 an der Psychiatri-schen Universitätsklinik Basel statt.

Unter „gemeindenaher psychia-trischer Versorgung“ versteht man definitionsgemäß den Versuch, Men-schen mit psychischen Erkrankungen in ihren Familien zu betreuen, also nicht in Krankenhäusern, abgegrenzt von der Gesellschaft.

Das Ziel ist, dass die Menschen wie-der einen sinnhaften Platz in ihrem Lebensbereich einnehmen. Dazu müssen die soziale „Wirkungslosig-keit“ und der Ausschluss aus der Ge-meinschaft erkannt werden, damit sie die erwarteten Ergebnisse nicht beeinträchtigen. Dazu gilt es, Wider-stände aufzulösen und Änderungen aufzuzeigen.

Mit diesen gemeinsamen Ideen ka-men Vertreter von 44 Angehörigen-organisationen und Abgesandte der EUFAMI aus allen Teilen Europas zusammen. Im Gleichlaut und mit Unterstützung der WHO sprachen sie über die Schwierigkeiten in den verschiedenen Gebieten. Festgestellt wurde, wie wichtig soziale Organisa-tionen in Entscheidungsprozessen sind und wie starke Änderungen sie in einigen Teilen Europas bewirkt hatten.

FOlgenDegrunDBeDingungenmüssenerFülltWerDen:

Die verfügbaren Dienste der Ge-meinschaft müssen für alle gleich zu-gänglich sein. Unterschiede hängen von der „Subsidiarität“ ab. Es gibt sie nach wie vor zwischen den einzelnen Staaten, aber auch regionenbezogen innerhalb der Länder, sowohl bei den Diensten, bei der Politik als auch bei den Maßnahmen aus kulturellen, so-zialen Gründen und wegen verschie-dener Lebensbedingungen.

Gleichwertige Bereitstellung von Diensten, Zugangsmöglichkeiten zu Rehabilitation mit individueller Aus-richtung, die nicht nur auf Symptom-reduzierung zielt; um die vielfältigen behindernden Faktoren zu erkennen. Es reicht nicht, nur Aktionen zu set-zen - man muss sich auch die Ergeb-nisse vor Augen halten. Als Ziele einer sozialen Unterstützung gelten die Wiederherstellung und Verbesse-rung eines selbständigen Lebens, von Arbeit und Unabhängigkeit un-ter Berücksichtigung der Entschei-dungsfreiheit und einer moralischen Gleichwertigkeit jedes einzelnen Menschen.

Zunehmende Beteiligung am politischen Geschehen - das Mitspra-cherecht bei sozialpolitischen Maß-nahmen sollte zu einer gerechten Ent-scheidung und Umsetzung führen.

Eine vermehrte Lobby-Arbeit in Europa, die auf die verschiedenen Interessen hinweist und die Finanzie-rungssysteme an lokale Bedürfnisse anpasst, so dass das Sozialbudget in einem gemeinsamen Entscheidungs-prozess wirklich eine Unterstützung darstellt.

Ein verstärktes Bewusstsein der Ge-sellschaft gegen Vorurteile und Stig-ma, mit klaren Botschaften von Sen-sibilisierung und Bewusstsein über das Thema, in Dialogen zwischen einem Netzwerk von öffentlichen Ämtern, Finanzierungen und neuen Forschungen, die oft erstaunliche, hilfreiche Neuerungen bringen.

Aufmerksamkeit und Unterstüt-zung beim Beginn psychiatrischer Er-krankungen, damit durch frühzeitige Behandlung chronische Verläufe und Verhaltensweisen reduziert werden, die Betroffene stark beeinträchtigen. „Empowerment“-Prozesse können entscheidend zur Wiederherstellung einer guten Lebensqualität bei Betrof-fenen und Angehörigen beitragen.

Die Spirale der Verschlechterung für Angehörige und Betroffene kann um-gedreht werden. Die „gemeinsame Betreuungsübernahme“ kann in vier Bereichen dargestellt werden, die miteinander verbunden sind und ak-tiv zusammenarbeiten, weil eine un-erschöpfliche, offene Bereitschaft zu Dialog und Zusammenarbeit besteht.

„empOWerment-prOzess“unDgutemöglichkeiten

Motivation - verbessert durch messbare Ergebnisse und Leistungen

Gemeinsame Verantwortung - un-terstützt durch gute Kommunikation

Vertrauen - gestärkt durch Wert-schätzung der individuellen Fähig-keiten

Auf Erfahrung beruhende Ergeb-nisse - begünstigt durch Austausch

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2)

3)

4)

...Freiheit

EUFAMI ist der Verband der europäischen Vereinigungen von Familienan-gehörigen psychisch Kranker und besteht aus 40 Mitgliedsorganisationen aus 26 europäischen Ländern. Die meisten der Mitglieder sind nationale Organisationen, aber auch einige Regionale gehören dazu. EUFAMI vertritt hunderttausende psychisch Kranke sowie deren Angehörige in ganz Euro-pa und kämpft in ihrem Namen

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SELBSTHILFE

Ein Zusammenspiel dieser Faktoren wird auf kultureller Ebene einen äu-ßerst wirksamen Beitrag leisten, un-abhängig von den Kontrollen der Ins-titutionen.

Dieser Erfahrungsaustausch, der üb-licherweise höchstens innerhalb der Teams erfolgt, muss natürlich die Schwierigkeiten und Gefahren (Politi-sierung) im Auge behalten. Aber wie lautet die Alternative? Sollen nur die Institutionen die Verantwortung tra-gen?

Die Angehörigen haben beschlossen, sich „in die Mitte“ der Debatten zu set-zen und Veränderungen auszulösen und zu überwachen. In diesem Sinn kann die Arbeit der EUFAMI auch als gemeinschaftliches Wohlbefinden be-zeichnet werden - mit dem PROSPECT (dem Handbuch zur Weiterbildung der Angehörigen) und dem LEXIKON (dem Handbuch zur Verwendung der richtigen Ausdrücke in den Berichten der Massenmedien), um den Kampf gegen Stigma und Ausgrenzung zu unterstützen.

Die behandelten Themen zeigen auf, dass die Entscheidungsfindungen auf Mitbeteiligung und Mitspracherecht beruhen. Trotzdem wurde aufgezeigt, dass die aktiv beteiligten Gruppen kaum zusammenarbeiten. Darauf beruht auch manche Fehlleistung und die Notwendigkeit des Aufbaus eines guten Schutz-Netzwerkes von Außen.

Was daraus entstehen kann, scheint konditioniert zu sein von zu hohen Ideologien, wo sich trotz viel „Ge-schrei“ der Betroffenen und aufgrund

....Anteilnahme

einer ungenügenden Artikulierung der Verbände eine noch geringere Umsetzung der Ziele ergibt, weil es an Auseinandersetzungen und Zu-sammenarbeit mit den Institutionen mangelt.

Es ist also wohl der Zeitpunkt ge-kommen, nicht bei theoretischen Vermächtnissen auf Papier stehen zu bleiben, sondern bewusst aktiv zu werden und „mitzumischen“.

Ach, ja! Diese Einrichtungen...! Wir machen sie!

Um gemeindenahe Psychiatrie von einem Fluch in einen Segen für Familien und die Gesellschaft insgesamt zu ver-wandeln, müssen folgende Voraussetzungen in ganz Europa gegeben sein:Formelle und informelle UNTERSTÜTZUNG für Betroffene, Angehörige und Freunde, gleichberechtigter Zugang zu GEMEINDENAHEN DIENSTLEISTUNGEN in der Umgebung des betroffenen Menschen in einem möglichst wenig ein-schränkenden Umfeld, Reduzierung des STIGMAS in Bezug auf psychische Erkrankungen. Diese Stigmatisierung stellt eine erhebliche Last für Familien dar, verhindert den Zugang zu Angeboten und behindert die Integration in die Ge-sellschaft.Das Recht von Familien, SELBST ZU ENTSCHEIDEN, ob sie eine unterstützende Rolle übernehmen wollen und eine ma-terielle Anerkennung für die Übernahme dieser Rolle, Förderung der SOZIALEN INKLUSION, Förderung von RECOVERY von der Erfahrung einer psychischen Erkrankung sowohl für Betroffene als auch für Angehörige oder Freunde.Vertreter der 44 EUFAMI Familienorganisationen und Delegierte aus allen Regionen Europas unterstützen diese Dekla-ration anlässlich des EUFAMI Kongresses. In Übereinstimmung mit der Position der World Health Organization - WHO - zur gemeindenahen Psychiatrie fordern sie, dass folgende Voraussetzungen erfüllt werden müssen:Bereitstellung von gemeindenahen Dienstleitungen für alle, die sie benötigen, Bereitstellung von Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen, die nicht nur Symptome unterdrücken, sondern auch die Lebens- und Arbeitsfähigkeit und Unabhängigkeit von Betroffenen erhöhen, Koordinierte Richtlinien, Maßnahmen und Programme, eine ausrei-chende finanzielle Ausstattung und ein Budget, um gemeindenahe Dienstleistungen zu unterstützen, ein stärkeres Bewusstsein in der Gesellschaft dafür, dass Vorurteile und Stigma bekämpft werden müssen.Gemeindenahe Psychiatrie ist eine Verantwortung für jeden von uns. Verpflichten wir uns alle, uns diesen Herausfor-derungen zu stellen.

Basel, Schweiz - 25. September 2011

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SELBSTHILFE

Absetzbare und abschreibbare medizinische AufwendungenLorena Gavillucci

...Freude

A lles, was mit Krankheit zu tun hat, ist bedauerlich und schmerzt.

Gesundheit ist teuer und kostet im-mer mehr.Deshalb danken wir dem Dach- verband für Soziales und Gesundheit für die Idee, einen praktischen Leit- faden mit den „100 wichtigsten Fragen zum Gesundheitswesen“ in Zusammenarbeit mit der Landes- verwaltung und dem Sanitätsbetrieb

Bozen herauszugeben.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine Übersicht (Stand September 2011) all jener Gesundheitsausgaben erstellt, welche von der Steuer abgesetzt wer-den können bzw. abschreibbar sind. Absetzbar bedeutet, dass 19 % direkt von der Steuerschuld abgezogen wer-den können, abschreibbar hingegen, dass die Ausgaben vom besteuer-

baren Einkommen abgezo-gen werden.

Und es zahlt sich tatsächlich aus, darauf zu achten.

Die Liste der medi-zinischen Leistungen

und Hilfsmittel, die man in der Steuererklärung angeben kann, ist wirk-

lich lang. Unter den ersten finden

wir z. B. die Korrekturlinsen für Sehstörungen, Hörgeräte, Areosolgeräte, Blutdruck-Mess-

geräte, Erwachsenenwindeln, orthopädische Hilfsmittel, Hilfsmit-

tel für Behinderte und für Zahnersatz, orthopädische und Antidekubitus-matratzen. Die Liste der diagnos-tischen In-Vitro-Hilfsmittel (IVD)

beinhaltet verschiedene Selbst-diagnosetests.

Auch die Kosten für fach-ärztliche, auch zahn-ärztliche sowie von praktischen Ärzten erbrachte Leistun-gen sind absetzbar, falls sie selbst be-zahlt werden müssen.

Weiters sind Ausgaben für von zugelassenen Psychologen und Psy-

chotherapeuten ohne ärztliche Verschrei-bung erbrachte Leistungen abzugs-

fähig. Die Selbstbeteiligung

(Ticket) für Untersuchungen, Analy-sen, physiotherapeutische und neu-ropsychiatrische Maßnahmen beim staatlichen Gesundheitsdienst, die vom Arzt verschrieben werden, kön-nen ebenso abgesetzt werden wie ärztlich verschriebene homöopa-thische Medizin und vom Hausarzt verordnete Thermalkuren (Ausgaben für Fahrt und Aufenthalt sind ausge-nommen). Des Weiteren stehen, unter Berücksichtigung verschiedener Krite-rien, Kosten für chirurgische Eingriffe, Krankenhausaufenthalte, im Ausland bestrittene medizinische Ausgaben, Krankentransporte für Menschen mit Behinderung, Betreuung von Men-schen mit einer Beeinträchtigung und Ausgaben für Medikamenten auf der Liste.

Es wird angeraten, während des Jah-res sämtliche Belege, Rechnungen und Kassazettel, die für Rezepte, Verschreibungen und andere me-dizinische Leistungen ausgestellt werden, aufzubewahren. Auch die Gesundheitskarte, auf der die Steuernummer angegeben ist, sollte man immer in der Brieftasche haben, um sie dem Apotheker bei jedem auch noch so kleinen Einkauf vorzeigen zu können. Am Ende des Jahres kann so, ohne dass man sich dessen bewusst ist, ein ziemlich hoher Betrag zusam-menkommen, was bei der Steuer- erklärung einen nicht unbedeutenden Unterschied machen kann.

Alle haben das Recht dazu und sollten es nutzen…

Die genaue Auflistung ist beim Verband erhältlich. Außerdem finden Sie nähere Informationen beim Dachverband für Soziales und Gesundheit unter www.dsg.bz.it.

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SELBSTHILFE

F ünf Prozent der Bevölkerung krankt in der westlichen Welt in

jedem Augenblick an Depressionen, das sind in Südtirol gut 22.000 Men-schen, doppelt so viel Frauen wie Männer. In den Großstädten sind Depressionen noch häufiger: 10 Pro-zent ihrer Bewohner leiden daran. Allein schon dieser Umstand beweist, dass Depressionen auch mit der Leistungsgesellschaft zusammenhän-gen, mit dem hektischen Lebens-rhythmus und den vielen sozialen Verpflichtungen, denen wir ausge-setzt sind. Darüber hinaus spielen erbliche Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen bei ihrer Entstehung eine große Rolle.

Die Depression ist laut WHO die Volks-krankheit, die der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre raubt. Sie verschlingt in hoch entwickelten Ländern 1 Prozent des Bruttosozial-produktes. Ein Drittel aller depressiv Erkrank- ten sucht keine Hilfe. Nur die Hälfte aller depres-siven Pa- tienten wird von Ä r z t e n als solche e r k a n n t und rich-tig behan-delt. 40 bis 70 Prozent aller Selbsttötungen sind laut in-ternationalen Schätzungen auf die Erkrankung Depression zurück-zuführen.Bei diesen Sachverhalten ist Hand-lungsbedarf gegeben: Aufklärung der Bevölkerung, Schulung der Fach-leute, Stärkung der Selbst-hilfe. Denn Depression ist eine häufige, ernst zu nehmende Erkrankung, die heute sehr gut behandelt werden kann. Die Säulen der Behandlung stellen Psychotherapie, antidepressive Medi-kamente und Teilnahme an Selbsthil-fegruppen dar.

Seit 8 Jahren wird in Europa der „Tag der Depression“ begangen. Er fällt

auf den 1. Oktober und gewährleistet breit gefächerte Aufklärung über das Krankheitsbild und mögliche Hilfen. Zu diesem Zweck hat die „Europäische Allianz gegen Depression“ an die-sem Tag an den Krankenhäusern von Bruneck, Brixen, Sterzing und Schlan-ders einen Informationsstand Depres-sion eingerichtet. Den ganzen Tag über lagen im Eingangsbereich die Broschüren „Psychische Gesundheit- was ist das?“ zum Mitnehmen auf. Di-ese bieten einen verständlichen Über-blick über 9 psychische Krankheiten und den Risikozustand „Burnout“, der häufig zu Depressionen führt.An den Krankenhäusern von Brun-eck und Schlanders fand ein Kunst-projekt zum Thema statt. In Bruneck wurde am Samstag, den 1. Oktober das Videokunstwerk und die Installa-tion „Blues“ vorgestellt, das bis zum Montag, den 4. Oktober zu sehen war. Sie wurden von der bekannten französischen Künstlerin Sylvie Ri-ant zusammen mit Betroffenen und Therapeutinnen erstellt und stellen das Ringen mit Verstimmung und

Depression hautnah dar. Dasselbe Video wurde zeitgleich

im Krankenhaus

Schlanders gezeigt. Das Kunstpro-jekt wurde von den Sanitätsbezirken Bruneck und Meran, vom Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker und von der Selbsthilfeverei-nigung psychisch Kranker „Lichtung/Girasole“ gemeinsam getragen.

Der Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker organisier-te zusammen mit Lichtung/Girasole und Caritas am 6. Oktober in der Cu-sanus-Akademie in Brixen und am 7. Oktober im Altenheim Lorenzerhof in Lana einen Vortrag zum Thema „Dem Burnout und der Depression entkom-men - Leben gefunden!“ Es sprach der Buchautor und Betroffene Gerhard Huber aus Feldkirchen, Österreich.

Die Psychiatrie Meran lud am 6. und 7. Oktober zum internationalen Kon-gress „Arbeit, Würde und soziale Verantwortung – Die Mission der Sozialfirmen“, auf dem das Anliegen der Arbeitsfindung für psychisch Kranke besprochen wurde.

Als beste Anlaufstellen für depressiv Erkrankte gelten Hausärzte, Zentren Psychischer Gesundheit und Psy-chologische Dienste, aber auch pri-vat praktizierende Psychiater und

Psychotherapeuten. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft

sind, soll man sich an die Ersten Hilfen der Krankenhäuser von

Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereit-

schaftsdienst. Ein Netzwerk der Beratung im Vorfeld besteht

auch. Der „Stützpunkt“ des Verbandes Ange-höriger und Freunde psychisch Kranker, die „Telefonseelsorge“ der

Caritas, „telefono amico“ und „Young and direct“ stellen wertvolle Anlaufstellen und Gesprächspartner in seeli-schen Krisen dar.

Kreativ statt depressiv: 1. Oktober - Tag der Depression Roger Pycha im Namen der „European Alliance Against Depression“ und „European Depression Association“

...Hilfsbereitschaft

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»PFIFF« MeranESF-Projekt zur Förderung individueller Fähigkeiten und Fertigkeiten

p ersönliche Fähigkeiten fördern, um den Einstieg in die Arbeits-

welt zu erleichtern: das ist das Ziel des ESF-Projektes PFiFF. In einem mehrmonatigen Lehrgang kön-nen sich zwölf Erwachsene das n o t w e n d i g e Rüstzeug dafür holen. Die Förderung individueller Fä-higkeiten und Fertigkeiten ist vorrangiges Ziel

Zeitraum:Das Projekt startet am 30. Jänner 2012, endet im Jänner 2013 und findet in Meran statt.

Kosten:Das Projekt wird vom Europäischen Sozialfonds finanziert und ist für die Teilnehmer kostenlos.

Information und Anmeldung:Evelyn Rufinatscha, Tel. 0471 416 931 oder [email protected]

des Projektes, das die Landesabtei-lung deutsche und ladinische Berufs-bildung mit Unterstützung des Euro-päischen Sozialfonds ESF durchführt. Im 20 Wochen umfassenden theore-tischen Unterricht werden Kenntnisse in Kommunikation, Arbeitshaltung, EDV und Italienisch vermittelt, au-ßerdem geht es um Bewerbung und Vorstellung, um Lebenskompetenzen sowie um Rechte und Pflichten von Arbeitnehmenden. Neben dem theoretischen Teil umfasst PFiFF auch ein Orientierungsprakti-kum im Umfang von acht Wochen sowie ein zwölfwöchiges Vertiefungs-praktikum.

...Empathie

Sehr geehrtes Mitglied!

Wir möchten Sie wieder einladen, Ihre Mitgliedschaft beim Verband Ange-höriger und Freunde psychisch Kran-ker für 2012 zu bestätigen.

Machen Sie den Verband stark: unter-stützen Sie ihn und sich bzw. Ihre Fa-milie durch Ihre Mitgliedschaft! Sie ist wichtig, weil dadurch der Einfluss des Verbandes, dem Sie angehören, in der Öffentlichkeit und bei der Politik ge-stärkt wird!

Für das Jahr 2012 wurde im Vorstand beschlossen, den Familien entgegen-zukommen und eine Ermäßigung auf den Jahresbeitrag für diese (bis zum 3. Verwandtschaftsgrad) einzuführen, die wie folgt gestaffelt ist:

Freunde psychisch Kranker ist süd- tirolweit aktiv. Seine Hauptaufgabe ist die Lebens-qualität der von einer psychischen Erkrankung betroffenen Familien zu verbessern. Dies geschieht zum einen auf der in-dividuellen Ebene durch die konkrete Hilfe: durch Lebensberatung und/oder juristischen Rat, durch Grup-pen für Angehörige, durch Ferien- aktionen für psychisch erkrankte Menschen; zum anderen sozialpoli-tisch: als Interessensvertretung in den verschiedenen Landeskomitees sowie Arbeitsgruppen bzw. als „Botschafter“ zur Sensibilisierung, Aufklärung und Information.

Als Mitglied haben Sie diese Vorteile: Sie können Ideen und Anregungen

einbringen, an Veranstaltungen, des Verbandes teilnehmen, Angebote des Verbandes begünstigt in Anspruch nehmen. Sie haben das Recht, aktiv mitzubestimmen und selbst aktiv zu werden. Sie haben Stimmrecht und das aktive Wahlrecht.

Der Bezug der „Selbsthilfe“ – Informa-tionsschrift des Verbandes Angehö-riger und Freunde psychisch Kranker – ist für Sie als Mitglied kostenlos. Sie erhalten drei Ausgaben pro Jahr!

Wir bitten, den Jahresbeitrag in-nerhalb �1.01.2012 auf das K/K bei der raiffeisenkasse Bozen, Fil.gries, iBAn it 21 O 0�0�1 11�01000�010���02 lautend auf Verband Angehöriger und Freunde psychisch Kranker zu überweisen.

Vielen Dank!

Es grüßt Sie herzlichst

Siglinde JaitnerPräsidentin

Jahresbeitrag 2012 - Ermäßigung für Familien!

StaffelungJahresbeitrag2012

1 Mitglied pro Familie 19,00 Euro = 19,00 Euro

bei 2 Mitgliedern pro Familie zahlt das 2. nur mehr 14,00 Euro = 33,00 Euro

bei 3 Mitgliedern pro Familie zahlt das 3. nur mehr 7,00 Euro = 40,00 Euro

Für jedes weitere Mitglied der Familie ist die Mitgliedschaft beitragsfrei.