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Schwyz SZDorfbachquartier im Hinterdorf
Bauarchäologische Zwischenanalyse zu möglichen historischen Gebäuden
im Bereich der Überbauung „Tschalun“
Ulrike GollnickMoudon, September 2015
atelier d'archéologiemédiévale
Zur Zeit bestehen weder archäologische Fundmeldungen noch Einträge in denkmal-
relevanten Publikationen (z.B. Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, KIGBO
etc.). Allerdings zeigt der Grundrissplan des Fleckens Schwyz von Placidus Hediger,
1784, kopiert nach dem verschollenen Original von Jost Rudolf Niederöst, 1746
(Abb. 2), Gebäude an der Stelle der heutigen Liegenschaften Tschalun 5, 8(?), 10,
11, 12, 13, 14, Edelweissweg 7 sowie Hinterdorfstrasse 16 (Gasthaus "Linde").
Gemäss des Planes bestand im Bereich des heutigen Anwesens Tschalun 5 eine
Mühle. Alle anderen Gebäude, ausser der Liegenschaft des Gasthauses „Linde“ sind
unmittelbar auf den Dorfbach ausgerichtet.3 Dieser ist seit Ende des 19. Jahrhundert
eingedohlt4, sein Verlauf durch die Häusertraufseiten noch heute eindeutig angezeigt.
Mit Ausnahme der Häuser Tschalun 11, 12 und 13 sind wie im vergangenen Jahr alle
Gebäude bewohnt.
Der Baubestand
Tschalun 4 (Parzelle 1143), Wohnhaus und Pavillon:
Bau des 19. Jahrhunderts (Wohnhaus: möglicherweise Riegelbauweise), zu erken-
nen auf dem Grundrissplan von Carl Reichlin, 1854 (Abb. 4), im Westen modern an-
gebautes Treppenhaus
Denkmalwert: Architekturzeugnis des 19. Jahrhunderts
Tschalun 5 und 6 (Parzelle 1144 und 1145), Metzgerei und Kühlhalle:
Gemäss Hedigerplans, 1746/1784 (Abb. 1) und der Gesamtansicht von Thomas
Fassbind, 1799 (Abb. 3) bestand hier eine Mühle. Diese brannte am 14. Oktober
1905 ab.5 Die aktuellen Gebäude stammen aus dem 20. Jahrhundert.
Denkmalwert: ―
Tschalun 8 (Parzelle 1155), Wohnhaus:
Bau mit deutlich erkennbaren Eckgewätten und Jahreszahl „1447“ im westlichen Gie-
belfeld. Nicht zweifelsfrei auf Hedigerplan von 1746/1784 (Abb. 2) zu erkennen.
3Zur einfacheren Ansprache der Himmelsrichtung wird der Verlauf des Weges Tschalun und Edel-weissweg in Ost-West-Richtung festgelegt. 4Bei Reichlin 1854 (Abb. 4) noch als offener Bach dargestellt, auf dem Plan von J.M. Annen, 1894 ist der südliche Arm des Dorfbaches eingedohlt (StASZ, A-0048).5Hans Stöckli, Viktor Weibel, Der Schwyzer Dorfbach. Die gewerbliche Nutzung der Wasserkraft. Schwyzer Hefte, Bd. 68, Schwyz 1995, S. 21.
2
Denkmalwert: als Blockbau errichtetes Gewerbehaus aus dem 15. Jahrhun-
dert, möglicherweise auch früher
Tschalun 10 (Parzelle 1153), Wohnhaus:
Unmittelbar östlich an das Haus Tschalun 11 angrenzendes, in seiner Geschossun-
terteilung jedoch differenziertes dreigeschossiges Gebäude, geknickte Dachfläche,
First und Traufe liegen höher als beim Nachbarhaus. Die niedrigen Raumhöhen, die
Verwendung des Schrobhobels für die Treppenstufen, das profilierte Brett an der
Traufe und die Fensterbeschläge verweisen auf einen historischen Bestand. An der
Ostfassade wird die Riegelbauweise deutlich, da der Verputz fehlt. Dargestellt auf
Hedigerplan, 1746/1784 (Abb. 2). Im Osten anschliessender, jedoch zurückversetzter
Anbau des 19. Jahrhunderts, vgl. Edelweissweg 11.
Denkmalwert: in Riegelbauweise erstelltes Wohn-/Gewerbegebäude des
18./19. Jahrhunderts
Tschalun 11 (Parzelle 1160?), Doppelhaus
Giebelwandig unmittelbar an das Nachbargrundstück Tschalun 10 angrenzend, dop-
pelgeschossiges Haus auf hohem Sockelgeschoss im Norden, Dachraum mit
fassadenbündig gesetzten Lukarnen, im Inneren firstparallel geteilt. Raumhöhe im
nördlichen Hälfte 187 cm . Figuriert auf dem Hedigerplan 1746/84 (Abb. 2). Im
Nordteil lagern wichtige Ausstattungszeugnisse (Pfannenstellage, Spiegel, Bilder
etc.) Der Kellerraum im nördlichen Teil des Hauses ist aus grossformatigen Lesestei-
nen versucht lagig gefügt, in der Westwand sitzt eine bauzeitliche Nische zur Aufbe-
wahrung von Lebensmitteln, der west-ost-orientierte Schwellbalken auf der Krone der
Südmauer wurde dendrodatiert. Da es sich um eine Einzelprobe handelt ist das Fäll -
datum Herbst/Winter 1844/45 für die Gesamtdatierung der Bauphase mit Vorbehalt
zu betrachten.
Denkmalwert: vermutlich Mitte des 19. Jahrhunderts in Riegelbauweise er-
stelltes Wohnhaus für zwei Parteien6
Tschalun 12/13 7 (Parzelle 1149 und 1160), Wohnhaus:
Aktuell zwei aneinander stehende Gebäude, die Kellerräume beider Anwesen sind
modern überformt, die Geschosse des Hauses Tschalun 13 liegen etwa 50 cm höher
6LRD15/R7203.7 Im Westen das Haus mit der Nummer 12, im Osten das Haus Nummer 13 laut Katasterplan, heute existiert nur noch die Nummer 12 für den gesamten Komplex.
3
als jene des benachbarten Anwesens, eine mächtige fassadenbündig gesetzte
Lukarne thront über dem westlichen Haus Tschalun 12.
Mittelalterlicher Blockbau
Mittig in den beiden Anwesen Tschalun 12 und 13 stand ursprünglich ein Blockbau
des ausgehenden 13. Jahrhunderts (Abb. 6).8 Er besass eine Grundfläche von etwa
7,8 x 7,8 m9, seine Blockstärke betrug 10cm. Momentan sichtbar ist die Querwand
auf einer Höhe von insgesamt 360 cm10 und einer Breite von 370 cm, in der
Hauptube das nordwestliche Eckgewätt, die Nordwand auf einer Breite von ca.
50 cm, das südwestliche Eckgewätt sowie im Kammergeschoss die Binnenwand und
der unterste Balken der Westwand der westlichen Kammer im Vorderhaus. Die weni-
gen momentan sichtbaren Strukturen geben Aufschluss über die Raumverteilung in
8LRD15/R7200.9Die Ausdehnung nach Osten konnte nicht ausgemacht werden.10Die Balkenhöhen betragen ?/25/20/35/30/36/31/Durchstoss Bohlen: 8/>25/27/25/14/31/23cm .
4
Abbildung 6
Nordfassade der Anwesen Tschalun 13 (links) und Tschalun 12 (rechts), Lage des sichtbarenmittelalterlichen Blockbaus (rot), um 1295±5 Jahre dendrodatiert.
den beiden Wohngeschossen (Abb. 5).11 Als quadratischer Bau figuriert der Blockbau
auf dem Hedigerplan von 1784/46 (Abb. 2).
Aufgrund der erhaltenen Binnenwand lässt sich ein erstes Wohngeschoss mit einem
Vorderhausbereich gegen Norden belegen. Die Nord-Südausdehnung des Blockbaus
ist durch das vorhandene Eckgewätt an der rückwärtigen Fassade angegeben. Die
Bestimmung der nach Norden orientierten Räume „Haupt“- und „Nebenstube“ im Vor-
derhaus ist einzig durch die Existenz des Wandkastens („Pestloch“) belegt. Der (im
Nachhinein verfüllte) Schlitz über dem Wandkasten zeigt die ehemalige Lage der ca.
8 cm starken Decken-/Bodenbohlen an (Abb. 7). Die Raumhöhe betrug etwa 195 cm.
11Das Sockelgeschoss ist modern überformt.
5
Abbildung 7
Ansicht gegen Süden. Binnenwand.a Nordwand der Hauptstube b 8 cm hoher Schlitz für die durchstossenden Decke-/Bodenbohlen c Südwand der westlichen Kammer im zweiten Wohngeschoss d Westwand der westlichen Kammer im zweiten Wohngeschoss e zwei Bretter der Täfers [um 1553±8 Jahre (d)]f nachträglich eingeschnittener Wandkasten („Pestloch“), sekundär verfüllt.
Im Bereich des zweiten Wohngeschosses war schon während der ersten Begehung
auf der Südseite der Binnenwand ein 130x14 cm grosser Türpfosten beobachtet
worden, die lichte Höhe betrug also 130 cm, die lichte Breite war nicht mehr zu
ermitteln. Die Türöffnung weist die Verbindung auf, die den Kamm noch am Block
zeigt und damit typologisch in die Zeit um 1300 verweist. Auf der Nordseite der
Binnenwand kamen unter zwei Schichten Tapete und einem unprofilierten Wandtäfer
des 20. Jahrhunderts12 auf einer Fläche von 140 x 370 cm eine zweiphasige
Blockwand zum Vorschein. 13 Auffällig ist, dass das Gefüge einige vertikale Stösse
aufweist und nicht, wie üblich, hausbreite Balken. Wir gehen momentan davon aus,
dass das Baumaterial aus einem früheren Blockbau stammt, dessen Holz „nicht vor
1234“14 geschlagen worden ist. Als dieses Haus abgebrochen worden ist, hatte man
es mit einer Serie von Zeichen nummeriert. Diese wurden sowohl mit einem S-förmi-
gen Beitel als auch mit einem Doppelschlag eines Hohlbeitels geschlagen15 (Abb. 8).
Beim Wiederaufbau dieses Blockbaus anhand der nummerierten Balken16
wurden auch neue Balken hinzugefügt. Der Zeitpunkt dieses Ereignisses lässt sich
aufgrund der Fälldaten der Balken um 1295±5 Jahre festlegen.
12Ausnahmsweise wurde hier die Wandverkleidung entfernt, um einen umfangreicheren Blick auf die Blockwand zu haben.13Die Blockwand wurde im Osten wohl aufgrund des Brandschadens abgeschnitten und durch moder-nes Mauerwerk ersetzt. 14LRD15/R7200, Nr. 1, 2 und 3.15Es handelt sich nicht, wie zunächst vermutet, um ein zweimal geschlagenes Hohleisen.16Dies zeigte sich besonders eindrücklich in der Nordwand der Hauptstube. Zuletzt im 19. Jahrhundert wurden nochmals Balken zur Erhöhung der Räume hinzugefügt.
6
Abbildung 8
S-förmige Setzzeichen, links mit einem S-förmigen Stechbeitel, rechts mit einem zweimal verwendetem Hohleisen eingeschlagen.
Erweiterung des Baus im 16. Jahrhundert?
Eventuell im 16. Jahrhundert entstanden zwei Häuser an dieser Stelle, heute noch
an den Fassaden ablesbar, im Inneren ist diese Trennung noch anhand einer Wand
im zweiten Wohngeschoss nachzuvollziehen. Ein horizontaler, unten genuteter
Balken nimmt stehende 5,5 cm starke Bohlen mit Nut- und Kammverbindung auf
(Abb. 9). In ihrer Höhe bezieht sich die Wand noch auf das mittelalterliche Gefüge.
Sie weist starke Brandspuren auf.
Wahrscheinlich gleichzeitig erhält die Hauptstube ein Täfer (stumpf anstossende,
2,5 cm starke Bretter), das sich noch auf die durchstossenden und fassadensichtigen
Bohlen Bezug nimmt. Per Dendroanalyse stammt das Holz aus der Mitte des
16. Jahrhunderts.17 Es besteht aus 38 bzw. 46 cm breiten Brettern, die stumpf anein-
anderstossen und mit handgeschmiedeten Nägeln befestigt sind.18 Es ist zu
vermuten, dass im Rahmen einer Neugestaltung die Stube zu diesem Zeitpunkt auch
mit dem Wandkasten ausgestattet worden ist. Dazu sägte man 16 cm östlich der
Südwestecke den Block 59x39 cm gross aus.19
17Vgl. LRD15/R7200, Nr. 11 und 12.18Auf diesem Täfer folgen noch mindestens zwei Schichten Tapeten und abschliessend ein modernes Täfer.19Der Abstand zum bauzeitlichen Boden lässt sich nicht mehr eruieren, zur Decke beträgt der Abstand 37 cm.
7
Abbildung 9
Blick gegen Südwesten. a Reste der Blockwandb Wand bestehend aus stehenden Bohlen, die in einem genuteten Balken liegen
Erweiterung des Baus im 19. Jahrhundert
Im 19. Jahrhundert erhielten die beiden Häuser die heutige Gestalt, vermutlich erfolg-
te hier der Ausbau des Hauses Tschalun 13. Dieses erhielt eine Erweiterung nach
Westen, ausgeführt in Riegelbauweise sowie einen neuen Dachstuhl mit der
mächtigen Lukarne.
Denkmalwert: Reste eines Blockbaus um 1234 und um 1295+/-5 Jahre,
Zeugnis für die Vergrösserung von Wohnraum unter Verwendung bestehender Sub-
stanz, Architekturzeugnis des 19. Jahrhunderts
Tschalun 14 (Parzelle 1141), Wohnhaus:
Die Wohnungen sind bewohnt. Die Wände sind verputzt (erstes Wohngeschoss)
oder vertäfert (zweites und drittes Wohngeschoss). Der Dachstuhl ist mehrphasig,
die letzte Phase dürfte ins 19. Jahrhundert reichen. Im Westen thronen auf beiden
Dachflächen mächtige fassadenbündige Lukarnen. Die Loggia im Süden ist von
gedrechselten Säulen flankiert. Auch die Nordfassade zeigt aufwendig gestaltete
Holzelemente. Der eingeschossige Anbau im Osten mit Dachterrasse, die
vorkragende Nordfassade auf Höhe des ersten Wohngeschosses in der westlichen
Hälfte (Hinweis auf älteren Blockbau?) sowie Raumhöhen und Ausstattung sprechen
für einen historischen Befund und lassen verschiedene Bauphasen vermuten. Dies
wird durch die Tatsache bestärkt, dass das Haus auf dem Hedigerplan von 1746/84
(Abb. 2) dargestellt ist.
Denkmalwert: möglicherweise mittelalterlicher Blockbau (vgl. Nordfassaden-
vorsprung), Zeugnis für Erweiterung des Wohnraumes, Architektur- und Ausstat-
tungszeugnis des 19. Jahrhunderts
Edelweissweg 1 (Parzelle 1146), Wohnhaus:
Sehr hohes Sockelgeschoss, darüber zwei Wohngeschosse, Dachgeschoss mit
Krüppelwalmdach und grossen, fassadenbündigen Lukarnen. Das Haus misst eine
Breite von nur 440 cm. Die Fassaden sind mit rosafarbenene Eternitschindeln
verkleidet, die Innenräume mit Täfer. Auf dem Hedigerplan von 1746/84 ist das Haus
nicht zu sehen, jedoch bereits in seiner schmalen Form auf dem Reichlinplan von
1854 (Abb. 4). Es ist wie die das nördlich des Dorfbaches gelegene Gebäude dunkler
8
eingefärbt und mit „Säge&Mühle“ angeschrieben. Möglicherweise war es Bestandteil
dieses Anwesens.20
Denkmalwert: Gewerbe- und Architekturzeugnis der ersten Hälfte des 19.
Jahrhundert
Edelweissweg 5 (Parzelle 1147), Wohnhaus und Schuppen:
Schmales zweigeschossiges Haus mit Lukarnendachstuhl. Die Raumhöhen betragen
250 cm im ersten und 230 cm im zweiten Wohngeschoss. Es dürfte sich um ein Ge-
bäude aus dem frühen 20. Jahrhundert handeln (erscheint auf keinem der
historischen Pläne). Der westlich vom Gebäude liegende Schuppen entstand wohl
gegen 1890.
Denkmalwert: Architekturzeugnis des beginnenden 20. Jahrhunderts
Edelweissweg 7 (Parzelle 1147), Wohnhaus:
Sehr stattlicher Bau. Das Dach weist spitze Lukarnen fast in der Grösse der Giebel-
felder auf. Alle Giebel zeigen halbrunde Heiterlöcher. Ein weiteres Merkmal für die
starke Präsenz des Gebäudes ist die streng symmetrische Fensteranlage. Auf der
Südseite führt eine doppelläufige Treppenanlage in den fassadenmittig liegenden
Eingang des ersten Wohngeschosses. Das hohe Sockelgeschoss ist vollständig
unterkellert. Im Inneren nimmt die Grundrissdisposition die Aufteilung der mittelalterli-
chen Blockbauten der Innerschweizer Wohnbaugruppe auf, d.h. zwei Stuben zur
Hauptgiebelfassade (hier im Westen), Mittelgang, Lauben etc.
Bedeutende historische Ausstattung des 19. und 20. Jahrhunderts (Kachelöfen,
Fensterbeschläge etc.) In heutiger Form vermutlich dargestellt auf dem Hedigerplan
1746/784 (Abb.2) und dem Grundrissplan von Carl Reichlin 1854 (Abb. **).
Denkmalwert: Stattlicher, repräsentativer Bau des 18./19. Jahrhunderts.
20Hier brächte die Auswertung der Schriftquellen weitere Hinweise.
9
Hinterdorfstrasse 16 – Gasthaus „Linde“ (Parzelle 1157):
Die zweite Begehung am 24. Juni 2015 zeigte, dass das Gebäude mindestens drei
Bauphasen beinhaltet.
Zum einen sitzt im östlichen Kellerbereich eine Mauerecke21, die als südwestliche
Mauerecke eines Gebäudes angesprochen werden kann. Sie steht momentan ohne
Bezug zu den bestehenden Ge-
bäuden.
Zum zweiten zeigt sich im
Abgang zum Keller eine auf ca. 2x
2 m sichtbare Blockwand, die als
gangseitige Querwand mit Wandkas-
ten („Pestloch“) und umlaufender Nut
anzusprechen ist (Abb. 10)22.
Möglicherweise weist ein 9 cm hoher
Schlitz noch auf die wanddurchstos-
senden Decken-/Bodenbohlen hin.
Diese Blockwand sitzt auf einem Mau-
erwerk, das eine Ecke nach Norden
ausbildet.
Die dendrochronologische Analyse
ergibt ein Fälldatum für die Hölzer der
Blockwand um 1475±10Jahre.23
Des weiteren der aktuelle knapp 10x13 m grosse in Blockbauweise errichtete
Bau. Seine Hauptgiebelfassade liegt im Norden. Sie hat einen einstöckigen moder-
nen Vorbau, auf der rückwärtigen Giebelfassade ist ein zweigeschossiger, von einem
Vordach abgedeckte hölzerne Laubengangkonstruktion erstellt worden. Der zweige-
schossige Dachraum ist mit Lukarnen auf beiden Dachflächen ausgestattet. Alle
Fensteröffnungen wurden modern vergrössert.
Das Kellergeschoss zum aktuellen Gebäude besteht aus einem massivem 60 cm
starken Mauerwerk. Entsprechend der darüberliegenden Stuben ist er in einen 460 x
420 cm (Nordsüdrichtung) grossen Raum im Westen und einem 658 x 391 cm
grossen Raum im Osten unterteilt. In der Mauer zwischen diesen beiden Räumen
21Gegen Norden sind noch 190 cm Mauerwerk zu sehen, nach Osten noch 420 cm.22Stubenseitig ist der Wandkasten mit einem Laden geschlossen. Diese Blockwand sitzt 23LRD15/R7201, Nr. 11-16.
10
Abbildung 10
sitzt eine doppelgeschossige Nische, wohl zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, die
nicht in Bodennähe gelagert werden konnten. Die Bohlen der Decke sind mit Nut-
und Kamm verbunden, bis 48 cm breit und liegen auf west-ost-orientierten
Unterzügen (16x30 cm), die zum Teil gekürzt worden sind. Für die Baugeschichte
von Bedeutung ist ein zu den Traufseiten des Hauses parallel verlaufender 16 cm
breiter Schwellbalken (für eine Wand des ersten Wohngeschosses), der 455 cm
westlich der Ostsockelmauer liegt. Ausser dem Kellergeschoss ist die bauzeitliche
Substanz des aktuellen Gebäudes zwar in seinen Ausdehnungen erahnbar, jedoch
sind alle Wände und Decken der oberen Wohngeschosse modern verkleidet
(Raumhöhen ca. 190 cm). Der wohl nachträglich gestaltete Dachraum ist in
Riegelbauweise ausgeführt.
Gemäss der dendrochronologischen Altersanalyse wurde das letzte beprobte Holz
für den bestehenden Blockbau im Herbst/Winter 1695/96 geschlagen24, der Beginn
des Baus darf somit für Frühling 1696 angesetzt werden. Das Anwesen figuriert auf
dem Grundrissplan des Fleckens Schwyz von Placidus Hediger, 1784, kopiert nach
dem verschollenen Original von Jost Rudolf Niederöst, 1746 (Abb. 2) sowie vermut-
lich auf der Vogelschau-Gesamtansicht von Thomas Fassbind, 1799 (Abb. 3).
Denkmalwert: Zeugnis eines Blockbaus der Innerschweizer Wohnbaugruppe
aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert, möglicherweise bereits als Gasthof erbaut25
unter Unterbeziehung mindestens zweier Vorgängerbauten.
24LRD15/R7201, Nr. 1-4.25Vgl. Gasthof Erlen in Ibach, nicht vor 1667(d) erbaut.
11
Bauarchäologisches Vorgehen
Wie bereits bei der ersten Begehung ist der vollumfängliche Blick auf die Befunde
nicht möglich, da der Hauptteil der Oberflächen mit Täfer verkleidet oder verputzt ist.
Grundrissdispositionen (Linde), Ausrichtungen der Hauptfassaden (Edelweissweg 1),
bauliche Eigenarten (Tschalun 14) weisen jedoch darauf hin, das die Häuser histori -
sche Substanz bergen.
Neben der Tatsache der wichtigen historischen Einzelbefunde ist das gesamte
Quartier am Dorfbach im Hinterdorf mit seinem gewachsenen Zusammenschluss von
Wohnbauten, Pavillons, Gärten und Schuppen in seiner stark durch das 19. Jahrhun-
dert geprägten Erscheinung als charakteristisches Ortsbild erhaltenswert.
Wie in den im Dezember 2013 aufgedeckten Gebäuden weiter nördlich am Dorfbach
(Gütschweg 11-13, Gütschweg 29 und Dorfbachstrasse 8), handelt es sich auch hier
um Gewerbebetriebe am Dorfbach, die in die Zeit um 1300 zurückreichen. Sie stellen
damit als Denkma26l wesentliche Zeugnisse für die kulturgeschichtliche und sozialto-
pografische Entwicklung des Ortes Schwyz dar.
Diese Tatsache gemeinsam mit den erwähnten bauarchäologischen Befunden ver-
langen nach einer ausführlichen, korrekten bauhistorischen Untersuchung und Be-
gleitung der anstehenden Bauarbeiten nachdem die Bauten unbewohnt und geräumt
worden sind.
Diese bauhistorische Untersuchung beinhaltet ein verformungsgerechtes Aufmass
der Gebäude in ihrem Kontext, eine bauarchäologische Untersuchung der Häuser in-
klusive Rauminventar, eine zeichnerische Dokumentation anhand von Grundrissen
und Schnitten, eventuell auch der Fassaden, und ein dendrochronologisches Gut-
achten.
26Vgl. die Präambel der Charta von Venedig, 1964: „Als lebendige Zeugnisse jahrhundertealter Tradi-tionen der Völker vermitteln die Denkmäler in der Gegenwart eine geistige Botschaft der Vergangen-heit. Die Menschheit, die sich der universellen Geltung menschlicher Werte mehr und mehr bewusstwird, sieht in den Denkmälern ein gemeinsames Erbe und fühlt sich kommenden Generationen ge-genüber für ihre Bewahrung gemeinsam verantwortlich. Sie hat die Verpflichtung, ihnen die Denkmä-ler im ganzen Reichtum ihrer Authentizität weiterzugeben.“
12
Linde
Tschalun
1011
12
145
Edelweissweg
7
Abb. 2
Abb. 1
Grundrissplan des Fleckens Schwyz von Placidus Hediger, 1784, kopiert nach dem verschollenen
Original von Jost Rudolf Niederöst, 1746 (Ausschnitt).
Abb. 3
Gesamtansicht von Thomas Fassbind, 1799 (Ausschnitt).
Abb. 4
Grundrissplan von Carl Reichlin, 1854 (Ausschnitt).
Hauptstube Nebenstube
Gang
?
?
Sichtbarer Kernbau, um 1295 +/- 5 Jahre
Legende:
N
0 21 3 m
SchwyzHaus Tschalun 12-13
Gebäude Nr.:
Plan Nr. :
Massstab:
Format:
Datum:
Zeichnung:
20.9.2015
1 / 50
A4
UG
1, PLACE DU 14 AVRIL - 1510 MOUDON
ATELIER D'ARCHEOLOGIE MEDIEVALE SA
/
/
Schema-Grundriss, Datierung Kernbau
Abb. 5