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Walter Jens im
SZ-Interview - 22./23. 02. 2003
„Ich bin einer der wenigen, die mit absoluter
Schonungslosigkeit über die eigene Depression
sprechen. O Gott, Depression, da muß ich ja in die
Psychiatrie! heißt es. Muss ich nicht. Es gibt dafür
Medikamente. Eine Depression, unter der weiß Gott
viele aus unseren Kreisen gelitten haben, ist nicht
ehrenrühriger als eine Prostatavergrößerung.“
Walter Jens im
SZ-Interview - 22./23. 02. 2003
Und wer hilft einem in der Depression?
„Da braucht man seine Frau am dringendsten, man
braucht einen verständigen Arzt und man braucht die
Chemie. Antidepressiva sind ein ungeheurer Segen.
Danach ging es mir besser als je zuvor.“
Antidepressiva sind Medikamente, die vom Hausarzt, Internisten und Psychiater sehr häufig eingesetzt
werden.
Sie gehören zur Gruppe der Psychopharmaka, mit denen
Störungen bzw. Erkrankungen der Psyche behandelt werden. Sie
wirken u. a. stimmungsaufhellend und angstlösend.
Antidepressiva sind bei mehreren Diagnosen einsetzbar.
Im engeren Sinn sind sie angezeigt bei Depressionen unterschiedlicher
Ursachen und Verlaufsformen.
Seit einigen Jahren werden mit ihnen auch Angststörungen
unterschiedlicher Ausprägung erfolgreich therapiert, sowohl
solche mit Depression als auch ohne.
Antidepressiva beeinflussen die Übertragung von Signalen im Gehirn. Dort können die ungefähr 5-10 Mrd. Nervenzellen nur sinnvoll arbeiten,
wenn die Reizübertragung und -weiterleitung funktioniert.
Dies geschieht mittels der sog. Botenstoffe, u.a. Serotonin oder
Noradrenalin. Diese müssen in der richtigen Menge und
im richtigen Verhältnis zueinander vorhanden sein.
Bei der Depression sind Störungen sowohl in der Menge
wie auch im Verhältnis der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin aufgetreten.
Antidepressiva bewirken, dass wieder genügend Botenstoffe
Noradrenalin und Serotonin zur Verfügung stehen.
Eines der wichtigsten Kriterien für die Wirkung eines Antidepressivums ist z. B.
die Stimmungsaufhellung.
Der Patient spürt allmählich, dass seine Traurigkeit und Freudlosigkeit
nachlassen, es kehrt das Interesse an der eigenen Person (Kleidung, Hobby) und an seiner Umgebung (Verwandte,
Freunde) wieder zurück.
Die Antriebslosigkeit bessert sich, Ängste und Schlaflosigkeit lassen nach.
Antidepressiva sind keine „Hämmer“, die kurz und
grob zuschlagen.
Es dauert üblicherweise 4-6 Wochen, bevor die Wirkung
eines Antidepressivums zu beobachten ist.
Leider lässt sich keine individuelle Voraussage für den Wirkeintritt
machen.
Selbst das beste Antidepressivum
kann nicht das Umfeld des Patienten verbessern.
Über ungünstige soziale, familiäre und finanzielle
Umstände sollte der behandelnde Arzt genau
Bescheid wissen!
Die Genesung von einer Depression wird leider nicht selten durch
Unwissenheit und Unverständnis im sozialen Umfeld des Patienten
behindert.
Eine Depression ist eine Erkrankung
und kein schuldhaftes Versagen! Der Betroffene braucht Zuwendung
und Hilfe und keine Vorwürfe!
Eine Besserung der meisten depressiven Symptome
unter Antidepressiva ist kein Hinweis, die Therapie nun
abzubrechen!
Auch nach Besserung der Depression sollten Sie
die Antidepressiva noch mindestens 6 Monate
einnehmen!
Alle wirkungsvollen und bewährten Antidepressiva sind
verschreibungs- und rezeptpflichtig.
Es gibt eine Standarddosierung für das jeweilige Antidepressivum.
Diese Standarddosierungen unterscheiden sich bei
unterschiedlichen Antidepressiva deutlich.
Standarddosierungen für:
Citalopram (Cipramil) 20 mgAmitriptylin (Saroten) 75 mgMirtazapin (Remergil) 30 mgVenlafaxin (Trevilor) 75 mg
Das Finden der richtigen Dosierung ist nicht nur unter dem Aspekt der Wirkung,
sondern auch unter dem Gesichtspunkt des Auftretens möglicher Nebenwirkungen wichtig.
Unter der Belastung einer Depression kann beim Patienten der Eindruck entstehen, dass die im
Beipackzettel des Antidepressivums aufgeführten Nebenwirkungen sämtlich bei ihm
auftreten!
In einer solchen Situation sollte er nicht vorschnell das Präparat absetzen,
sondern möglichst rasch das Gespräch mit seinem Arzt suchen!
Wie werden Antidepressiva
abgesetzt bzw.
wie muss die sinnvolle Umstellung auf ein anderes erfolgen?
Wenn nach Einschätzung des behandelnden Arztes die Genesung so stabil ist, dass ein
Wiederauftreten einer Depression weitgehend ausgeschlossen werden kann, wird sich der
Arzt für das Absetzen eines Antidepressivums entscheiden.
Dabei ist strikt der Empfehlung zu folgen, dies nicht abrupt zu tun, sondern die Dosierung
schrittweise zu reduzieren. Dies gilt auch für die Umstellung von einer
hohen auf eine niedrige Dosis!
Bei einem plötzlichen Absetzen des Präparats können kurzfristige Störungen des Allgemein-
befindens nicht ausgeschlossen werden!
Antidepressiva können heilen!Internationale Studienergebnisse bekräftigen
dies zunehmend. Voraussetzung ist der Einsatz von
Antidepressiva mit einer Psychotherapie und eine konsequente Akut- und
Langzeitmedikation!
Jedes wirksame Antidepressivum hat ein bestimmtes Spektrum an Nebenwirkungen.
Manche treten etwas häufiger auf, sind dafür aber zum Teil nur vorübergehend und leicht!
Schwere Nebenwirkungen sind eher die Ausnahme. Moderne Antidepressiva haben deutlich weniger Nebenwirkungen als die
älteren Antidepressiva!
Häufige Nebenwirkungen:
- Mundtrockenheit- Verstopfung- Akkommodationsstörungen- Restharnbildung (bei Männernmit Prostataproblemen)
- Übelkeit- Schwindel- Schlaflosigkeit- Kopfschmerzen
Sollten Sie irgend welche Nebenwirkungen verspüren, die Sie auf die Einnahme des Medikaments zurückführen,
informieren Sie bitte Ihren Arzt darüber.
Denken Sie aber bitte immer daran, dass leichte Nebenwirkungen, wie z. B.
Übelkeit in den ersten Behandlungs-tagen auftreten können! Diese sind in der
Regel nur kurzfristig und klingen nach ein paar Tagen wieder ab.
Antidepressiva machen nicht abhängig!
Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Medikamenteneinnahme bedeutet nicht Abhängigkeit!
Beruhigungsmittel (Benzodiazepine, z.B. Adumbran) und Schlafmittel (z. B. Stilnox) können abhängig machen.
Es gibt einen Unterschied zwischen Psychopharmaka und Antidepressiva.
Der Begriff Psychopharmaka ist der Oberbegriff für mehrere Gruppen von Medikamenten, die zur Behandlung
psychischer Erkrankungen eingesetzt werden.
Dazu zählen die Neuroleptika (Antipsychotika), die Beruhigungsmittel (Benzodiazepine),
die Antidepressiva und andere Präparategruppen wie z. B. Lithium.
Moderne Antidepressiva vertragen sich im Allgemeinen recht gut mit anderen Medikamenten. Einzelne Wechselwirkungen zwischen Stoffen sind
Ihrem Arzt bekannt und sollten mit ihm auch besprochen werden.
Die gleichzeitige Gabe mit Medikamenten aus der Inneren Medizin (gegen Bluthochdruck, Diabetes,
Asthma, etc.) ist ebenfalls möglich.
Besondere Vorsicht ist mit zunehmendem Alter geboten, wo oft mehrere Krankheiten und damit
Medikamente zusammen auftreten bzw. verwendet werden.
Achtung bei Medikamenten, die in der Apotheke ohne Rezept erhältlich sind!
Nicht-medikamentöse somatische
Therapieverfahren bei Depression
Tiefenhirnstimulation SchlafentzugLichttherapie
Sport, körperliche AktivitätEKT Transkranielle
Magnetstimulation
Bitte nehmen Sie die Medikamente regelmäßig ein.
Sollten Sie die Einnahme einmal vergessen haben,
ist das kein Problem.
Sie brauchen die ausgelassene Dosis dann nicht zusätzlich
einzunehmen.
Reduzieren Sie nie eigenmächtig die Dosis der Medikamente,
sondern behalten Sie die Dosierung bei, die nötig war, um eine Besserung herbeizuführen.
Bei jeder Dosisreduktion kann es jederzeit zu einer Verschlechterung des Zustandes oder sogar zu einem
kompletten Rückfall kommen!
Sie sollten Ihr Antidepressivum von dem Zeitpunkt an, von dem
an es Ihnen deutlich besser geht,
über einen weiteren Zeitraum von mindestens 6-12 (!!)
Monaten einnehmen.
Ist das Ende der Behandlungsphase erreicht, können Sie mit Ihrem Arzt darüber sprechen, das Medikament
schrittweise abzusetzen.
Bitte setzen Sie niemals abrupt ab, sondern verringern Sie die Dosis
schrittweise.
Ansonsten kann es zu einer erneuten Depression kommen!
Haben Sie Vertrauen in die Behandlung durch Ihren Arzt und in
Ihr Medikament!
Und haben Sie vor allem Geduld!
Eine Besserung Ihres Zustandes wird nicht von heute auf morgen
eintreten.
Oft ist die Wirkung erst nach 4-6 Wochen spürbar!
Sollten Sie zu den Menschen zählen, die nur sehr ungern Medikamente einnehmen
– und dazu zählen die Meisten –denken Sie immer wieder daran,
dass bei bestimmten Erkrankungen die Einnahme von Medikamenten zwingend
erforderlich ist.
Der Zweck der Medikamenteneinnahme ist hier zunächst viel anschaulicher als im Falle
der Depression (Infektionen-Antibiotika; Diabetes-Insulin; hoher Blutdruck-blutdrucksenkende Medikamente)
Die pharmazeutischen Firmen sind gesetzlich verpflichtet, alle
Nebenwirkungen im Beipackzettel aufzuführen – unabhängig davon, wie oft,
in welcher Anzahl und wie lange sie aufgetreten sind.
Dies trifft nicht nur für Antidepressiva, sondern auch für
Blutdruckmedikamente, Herzmedikamente, Antidiabetika und
Schmerzmedikamente zu.
Johanniskraut
Nur deutsche Patienten und Ärzte lieben Johanniskraut!
In anderen europäischen Ländern, in den USA, Kanada oder Australien
kommt Johanniskraut kaum oder überhaupt nicht zum Einsatz!
Fast alle frei verkäuflichen Johanniskrautpräparate sind unterdosiert!
Auch nicht-rezeptpflichtige, pflanzliche Antidepressiva haben Nebenwirkungen (z.B. ausgeprägte Lichtempfindlichkeit
der Haut bei Johanniskraut)
Die Behandlung der Depression mit Medikamenten ist eine sehr gängige und wirksame Form, gegen die Depression
anzukämpfen.
Verschreibt Ihr Arzt Ihnen Medikamente gegen Ihre Depression, scheuen Sie sich
nicht, diese sog. Psychopharmaka einzunehmen.
Damit die medikamentöse Behandlung der Depression aber tatsächlich
erfolgreich ist, im folgenden einige Hinweise, die unbedingt beachtet
werden sollten:
Neue Antidepressiva stehen seit 10-15 Jahren zur Verfügung
und habe eine selektive pharmakologische Wirkung.
Sie bewirken einen gezielteren Effekt im Gehirn und damit eine schonendere, d. h.
besser verträgliche Therapie.
Mit modernen Antidepressiva hat der Patient üblicherweise deutlich weniger
Nebenwirkungen und eine größere Chance auf eine dauerhafte Heilung bei
Langzeiteinnahme.
Gegen viele Erkrankungen (Bluthochdruck, Herzinsuffizienz,
Diabetes, Asthma) gibt es mehrere Präparate.
Das gleiche gilt auch für das Krankheitsbild der Depression.
Lässt man verschiedene Zubereitungsformen (Tablette,
Retardkapsel, Tropfen, Infusion) außer Betracht, gibt es sowohl von den
älteren wie auch von den neueren Antidepressiva unterschiedliche
Medikamente.
Grundsätzlich darf man unter Antidepressiva Auto fahren.
Dies sollte aber mit dem behandelnden Arzt abgesprochen
werden.
Besondere Vorsicht ist geboten bei sedierenden Antidepressiva und
insbesondere zu Beginn einer Behandlung und bei jeder Art der
Medikamentendosierung!
Sollten Sie aus Versehen eine zu hohe Dosis Ihres
Antidepressivums eingenommen haben, informieren Sie bitte umgehend Ihren Arzt.
Im Fall der Einnahme von Antidepressiva ist es dringend
erforderlich, dass Sie jeden Ihrer behandelnden Ärzte
über die Medikamente informieren, die Sie zur Zeit
einnehmen. Nur so kann vermieden werden,
dass es zu sog. Wechselwirkungen kommt.