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EINE HOMMAGE AN DIE SINTI UND ROMA KULTUREN ROMAMOR – eine Hommage an die Sinti und Roma Kulturen Festival vom 07. bis 27. September Pressemitteilung Als HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden das Projekt ROMAMOR – eine Hommage an die Sinti und Roma Kulturen plante, ließ sich nicht ahnen, wie aktuell die Debatte um Balkanflüchtlinge in Deutschland werden würde. Umso wichtiger und dringender scheint die Auseinandersetzung mit der größten Minderheit Europas. Das Festival vom 7. bis zum 27. September präsentiert zum einen Tanz, Musik, Theater, Ausstellungen, Filme von, über und mit Roma. Zum anderen setzt sich ein hochkarätig besetztes Diskursprogramm mit der aktuellen politischen und sozialen Lage der Roma, mit Klischees, Vorurteilen und Antiziganismus und mit der Aufarbeitung des Holocaust an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus auseinander. Seit über 600 Jahren leben Sinti und Roma in der Mitte Europas. Wo immer sie auftauchten, bereicherten sie die ansässigen Kulturen, verschmolzen mit ihnen und prägten diese nachhaltig. Der spanische Flamenco, die jüdische Klezmermusik, die kubanische Rumba sind musikalische Ausdrucksformen der Roma; sie inspirierten Liszt, Brahms, Bizet. Gleichzeitig wurde und wird kaum eine Minderheit mit so großer gesellschaftlicher Verachtung belegt wie die Sinti und Roma. Die aktuelle Debatte um Abschottung von Grenzen, die Diskussion über sogenannte "Wirtschaftsflüchtlinge" und die konkrete Ablehnung von "anderen" in Dresden und Sachsen zeigen, wie ungebrochen diese Verachtung bis heute ist. Das Festival RomAmoR widmet sich dieser Minderheit, feiert ihre Beiträge zur europäischen Kultur und setzt sich gleichzeitig ernsthaft mit ihrer Lebenssituation auseinander, die deutlich vielfältiger ist, als die Klischees es uns glauben lassen. Festivalauftakt ist das Konzert mit Iva Bittová, verehrte Musikerin und Schauspielerin aus Tschechien, in der Konzertreihe Feature Ring (07.09.). Das Kočani Orkestar (Mazedonien), die Flamencospezialisten Pepe Habichuela und Josemi Carmona (Spanien), Les Musiciens du Nil (Ägypten), Rajasthani Langas (Indien) proben einige Tage gemeinsam mit der mexikanischen Tänzerin Karen Lugo und präsentieren das Ergebnis ihrer musikalischen Erkundungen zur Festivaleröffnung in zwei Fusion-Konzerten (11./12.09.) In den Tagen davor werden sie an unterschiedlichen Orten im öffentlichen Raum spielen und so das Festival in die Stadt tragen. Das Festival widmet dem Flamencotänzer und -choreograf Israel Galván eine eigene Werkschau. Galván hat wie kein zweiter den Flamenco revolutioniert und zu zeitgenössischem Tanz geformt. Mit dem selten aufgeführten Solo (15.9.), Lo Real

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EINE HOMMAGE AN DIE SINTI UND ROMA KULTUREN

ROMAMOR – eine Hommage an die Sinti und Roma Kulturen Festival vom 07. bis 27. September Pressemitteilung Als HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden das Projekt ROMAMOR – eine Hommage an die Sinti und Roma Kulturen plante, ließ sich nicht ahnen, wie aktuell die Debatte um Balkanflüchtlinge in Deutschland werden würde. Umso wichtiger und dringender scheint die Auseinandersetzung mit der größten Minderheit Europas. Das Festival vom 7. bis zum 27. September präsentiert zum einen Tanz, Musik, Theater, Ausstellungen, Filme von, über und mit Roma. Zum anderen setzt sich ein hochkarätig besetztes Diskursprogramm mit der aktuellen politischen und sozialen Lage der Roma, mit Klischees, Vorurteilen und Antiziganismus und mit der Aufarbeitung des Holocaust an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus auseinander. Seit über 600 Jahren leben Sinti und Roma in der Mitte Europas. Wo immer sie auftauchten, bereicherten sie die ansässigen Kulturen, verschmolzen mit ihnen und prägten diese nachhaltig. Der spanische Flamenco, die jüdische Klezmermusik, die kubanische Rumba sind musikalische Ausdrucksformen der Roma; sie inspirierten Liszt, Brahms, Bizet. Gleichzeitig wurde und wird kaum eine Minderheit mit so großer gesellschaftlicher Verachtung belegt wie die Sinti und Roma. Die aktuelle Debatte um Abschottung von Grenzen, die Diskussion über sogenannte "Wirtschaftsflüchtlinge" und die konkrete Ablehnung von "anderen" in Dresden und Sachsen zeigen, wie ungebrochen diese Verachtung bis heute ist. Das Festival RomAmoR widmet sich dieser Minderheit, feiert ihre Beiträge zur europäischen Kultur und setzt sich gleichzeitig ernsthaft mit ihrer Lebenssituation auseinander, die deutlich vielfältiger ist, als die Klischees es uns glauben lassen. Festivalauftakt ist das Konzert mit Iva Bittová, verehrte Musikerin und Schauspielerin aus Tschechien, in der Konzertreihe Feature Ring (07.09.). Das Kočani Orkestar (Mazedonien), die Flamencospezialisten Pepe Habichuela und Josemi Carmona (Spanien), Les Musiciens du Nil (Ägypten), Rajasthani Langas (Indien) proben einige Tage gemeinsam mit der mexikanischen Tänzerin Karen Lugo und präsentieren das Ergebnis ihrer musikalischen Erkundungen zur Festivaleröffnung in zwei Fusion-Konzerten (11./12.09.) In den Tagen davor werden sie an unterschiedlichen Orten im öffentlichen Raum spielen und so das Festival in die Stadt tragen. Das Festival widmet dem Flamencotänzer und -choreograf Israel Galván eine eigene Werkschau. Galván hat wie kein zweiter den Flamenco revolutioniert und zu zeitgenössischem Tanz geformt. Mit dem selten aufgeführten Solo (15.9.), Lo Real

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(17.9.) und Torobaka (gemeinsam mit Akram Khan, 19.9.) lässt sich das Spektrum von Galvans Kunst erleben. Das Dokumentartheater Vadí nevadí.cz – Who’s a chicken and who’s a hero? vom Archa Theatre Prag erzählt vom schwierigen Zusammenleben tschechischen Einwohnern, Asylbewerbern und Roma in dem ostböhmischen Städtchen Kostelec nad Orlicí (20.09.) Die Ausstellung Hit the Road Jack der Fotografin Annette Hauschild von der Agentur OSTKREUZ zeigt seltene Einblicke in die aktuellen Lebenswelten von Romafamilien in verschiedenen europäischen Ländern. Das Künstlerpaar Damian und Delaine Le Bas errichten die evolutionäre Installation Safe European Home? im Festspielhaus. Bereits am 4. September werden sie im Dresdner Stadtzentrum eine kleine Installation errichten und ihre aktuellen Erfahrungen in der Stadt in ihre Arbeit in HELELRAU einfließen lassen. Ein Filmprogramm und mehrere Konzerte begleiten das Festival. Das hochkarätig besetzte Diskursprogramm thematisiert Antiziganismus, Klischees und Vorurteile, diskutiert über die Integrationsstrategien der Europäischen Gemeinschaft und reflektiert die Wahrnehmung von Sinti und Roma in der Öffentlichkeit. Neighbours in the Hood, die Herbstschule zu Antiromaismus und Selfempowerment der Stiftung Weiterdenken, gehört ebenfalls zum Festival. Das Projekt RomAmoR wird die gesamte HELLERAU-Spielzeit 2015/16 prägen und im Januar und April 2016 weitere Schwerpunkte setzen. RomAmoR steht unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments. Wir danken allen Förderern und Partnern, besonders der Kulturstiftung des Bundes, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“; dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Archa Theatre Prag, Theatron – Engaging New Audiences, Flamenco und Gypsy-Festival Jodhpur Rajasthan / Indien, MOVE IT! Filmfestival, Brücke/Most-Stiftung, Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Amnesty International Stadtgruppe Dresden, Förderprogramm Grenzgänger der Robert Bosch Stiftung, Thalia Kino Dresden, Gymnasium Bürgerwiese.

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MUSIK 07.09. 20 Uhr Konzert mit Iva Bittová Iva Bittová Die Sängerin, Violinistin und Schauspielerin Iva Bittová, 1958 in Bruntál, CSSR, als Tochter eines Roma-Musikers und einer slowakischen Lehrerin geboren, kam bereits als Kind mit traditioneller Roma-Musik in Berührung. Der Dokumentarfilm Step Across The Border aus dem Jahr 1990 über das Leben des Gitarristen Fred Frith, in dem sie als Sängerin auftrat und sich selbst mit der Geige begleitete, verhalf ihr zum internationalen Durchbruch. Seitdem tourt sie weltweit und arbeitet mit Musikerkollegen wie Marc Ribot, George Mraz und Bill Frisell zusammen. Bittovás Musik schafft immer wieder Brücken zwischen verschiedenen Stilrichtungen wie Jazz oder klassische Musik bis hin zu experimentellem Rock und Folklore. Sie nimmt avantgardistische Strömungen ebenso auf wie traditionelle Werte und reflektiert so den Kontrast zwischen alten und neuen Ausdrucksformen. 11./12.09. 20 Uhr Gypsy Fusions Ko ani Orkestar Das Roma-Blasorchester Ko ani Orkestar kommt aus der Roma-Gemeinde Ko ani in Mazedonien. Der Erfolg von Emir Kusturicas Spielfilm Time of the Gypsies 1989, an dessen Filmmusik die Musiker wesentlich beteiligt waren, verhalf auch ihnen zu internationaler Bekanntheit. Ihr Stil zeichnet sich durch für Westeuropäer ungewohnt schnelle, tänzerische Rhythmen und Taktarten aus. Traditionelle und folkloristische Einflüsse kombinieren sie mit lateinamerikanischen Musikstilen und gelten weltweit als Aushängeschild des sogenannten Gypsy Brass. Bandleader Bilent Saliev führt nach dem Tod seines Vaters Ismael Saliev die Tradition der Band fort und brachte sie 2011 bereits zu Konzerten nach Deutschland; 2013 begeisterten sie bereits beim Street Culture Festival in HELLERAU mit einem jungen, frischen Sound. Karen Lugo Die Mexikanerin Karen Rubio Lugo begann bereits im Alter von vier Jahren mit der Grundausbildung in Spanischer Formation und Klassischem Ballett. Mit 17 Jahren spezialisierte sie sich auf den Flamenco. Sie zog nach Madrid, um dort an der renommierten Academia Amor de Dios ihre Ausbildung fortzusetzen und tanzte als Solistin verschiedener Companien, mit denen sie Europa und Südamerika bereiste. Karen Lugo wurde bei zahlreichen Wettbewerben ausgezeichnet (Almeria`s Flamenco Festival, Finland`s Flamenco Festival, XVII Spanish and Flamenco Dance Contest Madrid u.a.). Tourneen und Gastauftritte führten die Tänzerin und Choreografin nach Amerika und Europa bis in die Tschaikowsky Concert Hall nach Moskau, wo sie unter Carlos Chamorro tanzte und mit Künstlern wie Jorge Pardo oder Israel Varela auch in eigenen Projekten brillierte. Dabei verbindet sie Eleganz mit starker körperlicher Virtuosität und schenkt dem Flamenco völlig neue Ausdrucksformen.

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Pepe Habichuela Der Spanier Pepe Habichuela entstammt der Flamencodynastie der Gitanos, die von seinem Großvater Habichuela el Viejo begründet wurde und zu den spanischen Roma gehört. Seine ersten musikalischen Fertigkeiten erlernte er in seiner Heimatregion Granada und zog 1964 nach Madrid, wo er zusammen mit Größen wie Juanito Valderrama und Camerón de la Isla auftrat. Durch die Zusammenarbeit mit dem spanischen Flamencosänger und Komponisten Enirique Morente (1942-2010) erreichte er internationale Berühmtheit. Sein Tribut-Album an den Sänger Antonio Chacón wurde 1975 mit dem nationalen Schallplattenpreis in Spanien ausgezeichnet, doch auch in der Crossover-Szene machte er sich einen Namen und spielte mit Jazzmusikern wie Don Cherry und Dave Holland. Inzwischen gilt er als einer der besten zeitgenössischen Gitarristen Spaniens sowie als Repräsentant des Flamenco puro.

Josemi Carmona Josemi Carmona, Sohn des legendären Flamencogitarristen Pepe Habichuela, wurde 1971 in Madrid geboren. Er bekam die Musik sprichwörtlich in die Wiege gelegt, so soll er das Gitarrespiel zeitgleich mit dem Sprechen erlernt haben. Schon mit neun Jahren gab er kleine öffentliche Konzerte. Drei Jahre später begleitete er seine Eltern auf das Festival Mundial de la Guitarra en la isla de la Martinica, wo er auf Flamencokünstler wie Fernanda de Utrera, Güito und Chocolate traf. Mit 14 Jahren kam er zur Band Ketama, in der er mit Antonio und Juan Carmona den Stil des Nuevo Flamenco mit begründete. Dieser Stil, der sich deutlich von dem seines Vaters unterscheidet, verbindet Flamenco mit Pop bis hin zu Reggae, Funk und Jazz und lässt gleichzeitig zum Teil lateinamerikanische Stile wie Salsa oder brasilianische Musik einfließen. Les Musiciens du Nil 1975 entdeckte der Direktor des Fes-Festivals, Alain Weber, Les Musiciens du Nil, ein Orchester aus der Stadt Luxor. Sie gelten als das erste Orchester, das die traditionsreiche orientalisch-arabische Musik der ägyptischen Roma nach Europa getragen hat. Mit klassischen arabischen Instrumenten wie zum Beispiel der Rebab (رربباابب ), einem dreisaitigen Streichinstrument, und traditioneller Kleidung spielen sie einen frischen Stil, der sich durch instrumentale folkloristische Musik auszeichnet und oft spontan improvisiert ist.

Rajasthani Langas Die sechs Künstler aus dem indischen Langa-Klan kommen aus der Wüstenstadt Jodhpur in Rajasthan. Die Langas sind seit Jahrhunderten reisende Musiker, die ihre Musiktraditionen an die jeweils nächste Generation weitergeben. Die Kinder dieses Klans wachsen mit der Musik und ihrer Bedeutung als Berufung auf und erlernen Gesang und Instrumente durch den Unterricht in ihren Familien ohne professionelle Ausbildung. Ihr Hauptinstrument ist die Sindhi Sarangi, ein Streichinstrument, dass der menschlichen Stimme sehr ähnlich ist und mit dem man verschiedenste Nuancen und Klangfarben erzeugen kann. Dabei singen und spielen die Künstler oft gleichzeitig und erzählen in ihren Texten von der Natur, den Menschen und Ritualen Indiens sowie dem Leben in der Wüste.

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TANZ WERKSCHAU ISRAEL GALVÁN

ISRAEL GALVÁN

Israel Galván de los Reyes erhielt 2005 vom spanischen Kulturministerium den Premio Nacional de Danza in der Kategorie „Kreation“. In der Begründung wird seine „Fähigkeit im Hervorbringen einer neuen Kreativität innerhalb der Kunst des Flamencos hervorgehoben, ohne dabei die wahren Wurzeln zu vergessen, die diesen bis heute bewahrt haben und zu einem universellen Genre gemacht haben“. 2012 wurde er in der Kategorie „außer-gewöhnliche Produktion“ mit dem New Yorker Bessie-Award ausgezeichnet, und 2013 verlieh ihm der Ministerrat der spanischen Regierung die Medalla de Oro de Bellas Artes. Als Sohn der Sevillaner „Bailaores“ José Galván und Eugenia de los Reyes erlebt er ganz selbstverständlich die Atmosphäre der „Tablaos“, der Fiestas und der Flamenco-Tanzschulen, wohin sein Vater ihn regelmäßig mitnahm. Aber erst 1990 verspürt er wirklich die Berufung, selbst zum Tänzer zu werden. 1994 wurde er Mitglied der Compañía Andaluza de Danza, unter der Leitung von Mario Maya. Damit begann eine unaufhaltsame Karriere, die ihm die bedeutendsten Auszeichnungen für Flamenco (und für Ausdruckstanz) einbringen sollte. Mit so völlig unterschiedlichen Künstlern wie Enrique Morente, Manuel Soler, Pat Metheney, Vicente Amigo und Lagartija Nick realisierte er ganz verschiedenartige Projekte. 1998 brachte Israel Galván mit Mira! / Los Zapatos Rojos, sein erstes eigenständiges Werk auf die Bühne. Von der Kritik einhellig als „Geniestreich“ gelobt, darf das Stück als eine Revolution in der Konzeption von Flamenco-Darbietungen gelten. Seitdem hat er weitere Produktionen vorgelegt, wie etwa La Metamorfosis, Galvánicas, Arena, La Edad de Oro, Tabula Rasa, Solo, El final de Este Estado de Cosas – Redux, Israel vs Los 3000, La Curva und Lo Real/Le Réel/The Real. Darüber hinaus schuf er die Choreografien La Francesa und Pastora für seine Schwester Pastora Galván. Galván ist Associate Artist des Théâtre de la Ville de Paris und des Mercat de les Flors in Barcelona. Im Rahmen des Festivals RomAmoR zeigt HELLERAU drei Arbeiten von Israel Galván:

Solo (2007) Di, 15.09. 20 Uhr

Lo Real / Le Réel / The Real (2012) Do 17.09. 20 Uhr

Torobaka (gemeinsam mit Akram Khan; 2014) Sa 19.09. 20 Uhr

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THEATER

Vadí nevadí.cz – Who’s a chicken and who’s a hero? Jana Svobodová, Philipp Schenker / Archa Theatre (zu deutsch etwa „Stört es oder stört es nicht“) 20.09. 18 Uhr

Kostelec nad Orlicí liegt im Kreis Rychnov nad Kněžnou, hat 6248 Einwohner, drei Zentren: Koryta, Kostelecká Lhota und Kozodry, es gibt dort den Fluss Orlice, das alte und das neue Schloss, neun denkmalgeschützte Bäume, drei Kirchen, einige Fabriken, eine Sonderschule, eine Handelsschule und ganz am Rande der Stadt ist ein Flüchtlingslager. In Kostelec verbrachte der junge Jiří Guth Jarkovský einige Zeit, in der Nähe von Kostelec stand die Kiefer, die Karel Havlíček Borovský gepflanzt hat – das war ein sehr inspirierender Baum. Aus Kostelec kam auch die Familie der amerikanischen Außenministerin Madleine Albright.

Vor drei Jahren ist ein Team des Archa Theatre Prag nach Kostelec nad Orlicí aufgebrochen. Es wollte diese Stadt kennenlernen, ihre Einwohner treffen und ihre Geschichte erfahren. Auf dem Hauptplatz von Kostelec wurde ein Zelt aufgebaut und für eine Geschichte etwas angeboten: einen Kaffee für eine Geschichte, Zigaretten für eine Geschichte, ein Spielzeug für eine Geschichte, und eine Geschichte für eine Geschichte – das Dokumentartheater Vadí nevadí.cz – Who’s a chicken and who’s a hero? erzählt die Geschichten der Kostelecer Einwohner:

Kevin ist acht Jahre alt. Er beschäftigt sich besonders mit dem Kampf gegen Außerirdische. Er tanzt HipHop und trainiert Beatboxing. Er will mal Busfahrer werden. Maruška ist neun Jahre alt. Im Bus sitzt sie immer neben Nikolka. Sie hatte eine Freundin Adéla, die hat aber aufgehört hat, mit ihr zu reden, als neue Mädchen in die Klasse kamen. Sie geht in den Klub von Oma Halusková. Nikolka ist neun Jahre alt. Sie tanzt gerne Roma-Tänze. In Kostelec mag sie am meisten den Brunnen. Sie geht in den Klub von Oma Halušková. Bára ist 17 Jahre alt. Bis jetzt weiß sie nicht, was sie einmal werden will. Sie hat das Gefühl, dass dafür noch Zeit ist. Sie versteht was von Fußball. Sie hat mal HipHop getanzt. Manchmal hört sie mit ihren Freunden Musik vom Mobiltelefon und tanzt auf der Wiese. Hanička ist 13 Jahre alt. Sie ist eine stolze Patriotin. In Kostelec geht sie am liebsten mit ihrem Vater auf den Friedhof. Dort ist ihre Familie begraben. Ihre Feinde heißen Lucka und Natálie Sramovy. Tomáš ist neun Jahre alt und er liebt vor allem Tanz. Im Park übt er mit Freunden HipHop. Er will der beste Roboter-Tänzer aller Zeiten werden. Pavlína Halušková ist 62 Jahre alt. Sie hat lange in der Fabrik mit Asbest gearbeitet. Jetzt ist sie Rentnerin und zufrieden. Sie hat einen Club für Romakinder gegründet, in dem Kunstprojekte durchgeführt werden. Sie lebt in einem Familienhaus, mit der Tochter und den Enkeln.

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Riša ist 14 Jahre alt. Er hilft gerne seiner Mutter beim Verkaufen in ihrem Laden auf dem Marktplatz. Sehr gerne geht er auch in die Konditorei. An der Schule stört ihn die Ungerechtigkeit der Lehrer. Er würde gerne Komiker werden. Hanna (Ana) ist 20 Jahre alt. Nach einem Jahr im Flüchtlingslager in Kostelec nad Orlicí hat sie politisches Asyl in der Tschechischen Republik erhalten. Sie ist überzeugt, dass Geld nicht das wichtigste ist, sondern die Freiheit. Sie stört es, wenn sie Leute in eine Schublade mit Russen stecken. Yauhem (Evžen) ist der Mann von Hanna. Sie haben zusammen Asyl in der Tschechischen Republik beantragt. Seine langen Haare sieht er als Zeichen seiner Unabhängigkeit. In Belarus hat er mit Hanna an Protesten gegen Lukaschenko teilgenommen. Daraufhin wurde er von der Uni geworfen und verfolgt. Deshalb haben sie sich entschieden zu emigrieren. Der Aufenthalt im Flüchtlingslager war für Evžen die schwerste Zeit seines Lebens.

Das Archa Theatre aus Prag ist eines der wichtigsten Zentren für zeitgenössische Kultur aller Sparten in der Tschechischen Republik. Archa und HELLERAU arbeiten seit Jahren intensiv zusammen, zuletzt beim Tanzfestival Dance transit.Praha.Leipzig.Dresden. Mitarbeiter und Publikum tauschen sich regelmäßig aus.

Der Schweizer Philipp Schenker lebt seit 17 Jahren in Prag. Er studierte Grafikdesign an der Artschool Zürich. Seit 1996 arbeitet er als Schauspieler und Autor der renommierten niederländischen Gruppen DOFTROEP, GRIF-Theater und SLEM. Er hat die Prager Theatergruppe STAGE CODE gegründet, bei der er als Schauspieler und Autor in all ihren Stücken agiert. Er spielte in einigen Projekten des Regisseurs Miroslav Bambušek und des amerikanischen Regisseurs Howard Lotker. Im Archa Theatre Prag spielte er in der Inszenierung Odcházení (zu deutsch Abgang, das letzte Stück von Václav Havel, unter der Regie von David Radok) und in zahlreichen Projekten unter der Regie von Jana Svobodová. Er arbeitete für das Festival Four Days in Motion und bei der Prager Quadriennale. Er ist Frontmann der Wave-Postpunk-Band The Ritchie Success und der alternativen Worldmusic All Star Refjudží Band.

Jana Svobodová absolvierte die Prager theaterwissenschaftliche Fakultät der Akademie der musischen Künste (DAMU). In ihren Regiearbeiten beschäftigt sie sich mit der Einbindung spezifischer sozialer Gruppen in den künstlerischen Prozess. Sie entwickelte Theaterprojekte im südafrikanischen Township (Obnošené sny 1997–2005, zusammen mit Petr Nikl), mit der Hiphop-Community (SenAnderSen / 2006), mit Asylsuchenden (V 11.20 tě opouštím! / 2005, Tanec přes plot / 2008). Die Performance Solo für Lu (Sólo pro Lu (2012), 2014 im Societaetstheater Dresden) entwickelte sie gemeinsam mit der chinesischen Schauspielerin und Sängerin Jing Lu. Mit dem amerikanischen Musiker Michael Romanyshyn gründete sie die Gruppe Allstar Refjúdží band. Seit 2010 ist die künstlerische Leiterin des Programms Archa.lab und des internationalen Festivals AKCENT am Archa Theatre Prag.

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AUSSTELLUNG/INSTALLATION

Safe European Home? Past Present Future Eine evolotionäre Installation von Delaine und Damian Le Bas 04.-06.09. Dr.-Külz-Ring/Altmarktgalerie 07.-26.09. Festspielhaus Hellerau Safe European Home? ist ein fortlaufendes Projekt und speist sich auf die Erfahrungen von „Andersartigkeit“, eine Zuschreibung, die nicht ausschließlich auf die Roma-Community zutrifft. Die Installation wird sich auch an den Erfahrungen orientieren, die Delaine und Damian Le Bas in Dresden machen werden. "Flüchtende und Asylsuchende klopfen an die Türen der europäischen Staaten, nur um dann wie Müll behandelt zu werden – aber ohne die Chance zu haben, wenigstens eine Mülltonne zu finden, um darin Schutz zu suchen. Nachts werden sie mit nichts als ein paar Habseligkeiten in ein Land deportiert, mit dem sie nichts verbinden außer Verfolgung, Hass und Tod. Länder, deren Sprache ihre Kinder nicht mehr sprechen können. Kannst Du Dir das vorstellen? Versetze Dich in diese Situation. Stell Dir vor, was passiert, wenn die Festung Europa Dir keine sichere Festung mehr ist." Delaine Le Bas Delaine Le Bas Delaine Le Bas, geboren 1965 in Worthing, Großbritannien, studierte Fine Arts am Central St. Martin’s in London und ist eine Travellerin, wie sich die britischen Roma beschreiben. In ihrer Arbeit verbindet sie Stickerei, Malerei, Zeichnung, Skulptur, gefundene Objekte und Videos zu Installationen mit starken, visuellen Reizen. Sie setzt sich mit Erfahrungen von stereotyper Wahrnehmung, Intoleranz, Entwurzelung und Heimatlosigkeit der europäischen Roma und insbesondere mit der Situation dieser Volksgruppe in Großbritannien auseinander. Mit spezieller Beobachtungsgabe und Vergnügen am Abgründigen und Pervertiert-Gemütlichen lotet sie Projektionen und Stereotypen aus. Ihre Arbeiten muten alptraumhaft an - trotz oder auch wegen der leuchtenden Farben, der überbordenden, detailversessenen Dekoration. Sie schafft psychedelische Wunderwelten in der Tradition von Lewis Carroll, lässt alles heimelig Gemütliche kippen und eröffnet hinter einer lieblich rosa Fassade einen faszinierenden Abgrund. Le Bas’ Arbeiten thematisieren die antiziganistischen Klischees, die magischen Zuschreibungen – und exorzieren sie zugleich. In zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und Performances präsentierte sie ihre Arbeiten in zahlreichen Ländern Europas und in Südkorea. Im Jahr 2007 war sie gemeinsam mit ihrem Mann unter den Teilnehmern des ersten Roma-Pavillons Paradise Lost der Biennale in Venedig. "In meiner Arbeit kulminieren Outsider Art, Volkskunst und zeitgenössische Kunst. Ich arbeite und lebe in denselben Räumlichkeiten - es gibt keine Trennung des alltäglichen Lebens von meiner Kunst, beides ist eng miteinander verwoben. Als eine Romnja war mein Blickwinkel immer der einer Außenseiterin. Und diese Position des „Anderen“ reflektiert sich in den Materialien und Botschaften meiner Werke.“

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Damian Le Bas Damian Le Bas, 1963 in Sheffield, Großbritannien geboren, studierte am Royal College of Art in London. Für Damian Le Bas ist die erste Komplexität seine eigene Identität. Ist er ein Underground-Musiker, der gerade zum professionellen Künstler geworden ist – oder ein professioneller Künstler, der auch Musiker ist? In jedem Fall ist er ein Außenseiter, der kurioserweise fast überall gelassen zu bleiben scheint. Er steht am Zusammenfluss dreier Strömungen der Diaspora: der Abstammung seiner eigenen Familie von Hugenotten und irischen Handlungsreisenden und dem englischen Roma-Erbe seiner Frau und seiner Schwiegereltern. Seine Werke waren bereits in vielen Ländern Europas und in den USA zu sehen. HIT THE ROAD JACK Annette Hauschild / OSTKREUZ_Agentur der Fotografen 07.-26.09. Festspielhaus Hellerau Annette Hauschild, geb.1969, ist Mitglied der Fotoagentur Ostkreuz, arbeitet seit 1996 als Fotografin und realisiert Auftragsarbeiten und Ausstellungsprojekte, die u.a. in C/O-Berlin, im Deutschen Hygiene-Museum Dresden und im Haus der Kulturen der Welt Berlin zu sehen waren. Sie beschäftigt sich seit 2010 intensiv mit der Situation der Roma in Europa. Dafür bereiste sie Italien, das Kosovo, Ungarn und die Slowakei. Was bedeutet Verortung für eine Volksgruppe, die sich nie über einen Nationalstaat definiert hat und deren Geschichte geprägt ist von Ausgrenzung, Vertreibung und Wanderschaft? In der Arbeit Hit the Road Jack beschäftigt sich Annette Hauschild mit der Lebenssituation der Roma in Europa; besonders interessiert sie dabei die jüngere Generation, die die geöffneten Grenzen Europas in Einklangbringen muss mit dem ererbten Stigma. 2015 endet die »Dekade der Roma-Inklusion« und es scheint keine signifikante Verbesserung der Lebensumstände zu geben. Wenn die westeuropäischen Staaten vor einer »Invasion der Armen« warnen, spielen sie dabei meist auf Roma an. Die Herkunftsländer kapitulieren vor dem sozialen Problem und es manifestiert sich der Glaube an eine gewollte Randständigkeit der Roma. Einen sicheren Ort mit Zukunftsperspektive gerade für die sozialschwachen Roma scheint es auch im geeinten Europa nicht zu geben. Die Fotografin hat sich auf die Suche nach Lebensräumen gemacht, in denen sich Roma aufhalten, aus denen sie vertrieben werden oder die sie zugewiesen bekommen. Eine Siedlung, gegen die es immer wieder rechtsradikale Aufmärschen gab. Ein Dorf, dessen Bewohner komplett in einen Wohnblock in Berlin umgezogen sein sollen. Eine Mauer die Roma von den Nicht-Roma trennt. Umzäunte, bewachte Containersiedlungen, die die Macht des Staates gegenüber den Schwächsten versinnbildlichen. Annette Hauschild geht es bei ihren Fotografien um die Orte in ihrer Funktion als Wohnraum, Schutz und Heimat.

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FILMPROGRAMM In den letzten Jahren entstanden zahlreiche Dokumentationen und Spielfilme, die einen vielfältigen Einblick in unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten von Roma und Sinti in Europa ermöglichen. In Kooperation mit dem Thalia Kino Dresden, den Tschechisch- Deutschen Kulturtagen und dem MOVE IT! Filmfestival hat HELLERAU ein internationales Filmprogramm zusammengestellt, das von September 2015 bis April 2016 läuft.

Do 10.09. 20 Uhr Thalia Kino Dresden Brasslands Alljährlich strömen Hunderttausende in das serbische Städtchen Guča. Drei Tage und Nächte lang ist das 2000-Seelen-Nest die Heimat der Trompetenmusik. Mo 14.09. 20 Uhr Thalia Kino Dresden Vengo Nach dem Tod seiner kleinen Tochter flieht der Rom Caco in den Rausch der Musik (und des Alkohols) und setzt alles daran, seinen behinderten Neffen Diego vor den Blutracheplänen der verfeindeten Sippe der Caravacas zu schützen. Fr 25.09. 10 Uhr Thalia Kino Dresden Nicht wiedergekommen Der Film thematisiert die Anerkennung von Sinti und Roma als Opfer des Faschismus, die Entschädigung- bzw. Nicht-Entschädigungspraxis, Erinnerungspolitik und offizielles Gedenken in der DDR. Wald-Frieda Weiss überstand sieben Jahre KZ-Haft. Ihre Erinnerungen stehen im Zentrum der Dokumentation. Sa 26.09. 19 Uhr Festspielhaus Hellerau Všetky moje deti / All my children Der charismatische Pfarrer Marián Kuffa setzt sich unermüdlich für die Menschen in den ärmsten Romasiedlungen in der Ostslowakei ein; sein Einsatz wird oft von der staatlichen Bürokratie, aber auch von den Menschen, denen er helfen will, erschwert. Alle meine Kinder ist einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme der Slowakei. Mo 26.10. 18 Uhr Thalia Kino Dresden Zatajené dopisy / Suppressed Letters In der Gemeinde Květušin in Südböhmen entstand in den 1950er- Jahren eine besondere Erziehungseinrichtung: eine Schule für Kinder aus Romafamilien. Aus dem gut gedachten, freiwilligen Modell wurde eine Zwangseinrichtung zur Umerziehung. Der Dokumentarfilm widmet sich dem bis heute aktuellen Thema des Bildungsausschlusses von Roma. Mo 26.10. 20 Uhr Thalia Kino Dresden Cesta ven / The way out Die Roma Žaneta und David träumen in Tschechien von einem normalen Leben. Doch die Vorurteile und Anfeindungen ihrer Umgebung und der Behörden machen diesen Traum unmöglich. Das intensive Drama erreicht eine fast dokumentarische Wirkung durch seine außergewöhnlichen Laiendarsteller. Di 03.11. 18 Uhr Thalia Kino Dresden The Queen of Silence The Queen of Silence erzählt die Geschichte von Denisa, einem zehnjährigen Romamädchen, das fast taub ist. Eines Tages, als sie eine Mülldeponie nach Kleidung und Holz durchsucht, findet Denisa eine Schachtel mit Bollywoodfilmen. Seitdem ist sie fasziniert von dieser glamourösen Welt. Di 03.11. 20.30 Uhr Thalia Kino Dresden Jenica & Perla Der Film erzählt die Geschichte von zwei Teenagern, Jenica und Perla, die Freundinnen sind, aber 1.500 Kilometer weit auseinander leben. Die beiden haben sich dank der Kesaj Tchave Tanzorganisation kennengelernt, die Romakinder aus der Ostslowakei und aus Frankreich zusammenbringt.

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SYMPOSIUM Inhaltlich mit dem künstlerischen Programm des Festivals abgestimmt, setzen sich fünf international besetzte Diskussionsrunden mit der aktuellen politischen und sozialen Lage der Roma, mit Klischees, Vorurteilen und Antiziganismus und mit der Aufarbeitung des Holocaust an den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus auseinander.

Sa, 12.09. 17 Uhr

EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020

Im Jahre 2011 verabschiedete die Europäische Union den EU-Rahmen für Nationale Integrationsstrategien zur Integration der Roma, der sowohl für die Mitgliedsstaaten als auch für die Beitrittskandidaten von Bedeutung ist. Der EU-Rahmen soll zu einer Verbesserung der Lage im Schulwesen, auf dem Arbeitsmarkt, im Gesundheitswesen und in der Wohnungssituation führen und auch die entsprechenden politischen und administrativen Rahmenbedingungen schaffen.

In seinem Impulsvortrag präsentiert und analysiert Stephan Müller Inhalt und Genese des EU Rahmens und verweist dabei sowohl auf die positiven Seiten dieses Rahmenprogramms als auch auf seine Schwächen und nimmt auch kurz auf die gegenwärtige Migration der Roma nach Westeuropa Bezug. Der Politikwissenschaftler Stephan Müller arbeitet seit über 20 Jahren zur Situation der Roma und hat sich vor allem mit der Situation der Roma in Mitteleuropa und in den EU-Beitrittsstaaten beschäftigt. Er arbeitete als Berater für Regierungen und internationale Organisationen. Zur Zeit ist er für die Gesellschaft für Bedrohte Völker Schweiz und für das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma tätig.

Di, 15.09. 18 Uhr

Über das Vorurteil Antiziganismus

Die Ablehnung von Sinti und Roma in Europa ist weit verbreitet. Auch Deutsche lehnen einer Studie (veröffentlicht 2014) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge Sinti und Roma stärker ab als jede andere Bevölkerungsgruppe. Als Grund für die Diskriminierung wird eine fatale Mischung aus Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung genannt durch alle Bevölkerungsschichten hindurch.

Antiziganismus ist ein weit verbreitetes und tief verwurzeltes Ressentiment. Der Begriff des Antiziganismus ist in der wissenschaftlichen Forschung bis heute umstritten, außerhalb Deutschlands findet er wenig Verwendung. Der Antiziganismus speist sich aus kulturell vermittelten Bildern, Stereotypen und Sinngehalten, aus "Wissen" also, das Jahrhunderte alt ist und in immer neuen Variationen tradiert wird. Mit den realen Menschen, die von Antiziganismus betroffen sind, hat diese Vorurteilsstruktur kaum etwas gemein.

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EINE HOMMAGE AN DIE SINTI UND ROMA KULTUREN

Im Rahmen der Diskussion sollen verschiedene Ebenen dieser Vorurteilsstruktur, die Stereotype, die Sinnstruktur und die sozialen Hintergründe dargestellt und analysiert werden.

Der Schwedische Historiker Jan Selling ist außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Lund und Forscher am Hugo Valentin-Zentrum an der Universität Uppsala. 2013 veröffentlichte er die erste Studie über die Geschichte und Gegenwart des Antiziganismus in Schweden. Er war im Oktober 2013 Hauptorganisator der internationalen Konferenz "Antiziganism - What's in a word" an der Universität Uppsala, bei sich mehr als 100 Wissenschaftler getroffen haben, um wachsende Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung von Roma in Europa zu diskutieren. Selling ist der Hauptredakteur des daraus resultierenden Bandes "Antiziganism What’s in a Word? (Cambridge Scholars Publishing in Großbritannien), der im März 2015 veröffentlicht wurde. Seit 2010 hat er zudem das Forschungsnetzwerk "Geschichte der Roma und Resande in den nordischen Ländern"(RORHIN) koordiniert.

Do, 17.09. 18 Uhr

Geteilte Erinnerung? Rolle des Holocaust an den Sinti und Roma in Ost- und Westeuropa. 30 Jahre Bürgerrechtsbewegung

Der Genozid an den europäischen Roma und Sinti in der Zeit des Nationalsozialismus bildet den Höhepunkt einer langen Geschichte von Diskriminierung und Verfolgung.

Der Völkermord an den Sinti und Roma wird auch als vergessener Holocaust bezeichnet, da erst durch die Bürgerrechtsbewegung, die in den 1970er Jahren entstand, in einem breiterem Umfang auf sie als Opfergruppe aufmerksam gemacht wurde. Grund hierfür war u.a., dass die ehemaligen Verfolger nach 1945 häufig zu denjenigen wurden, die über etwaige Entschädigungszahlungen zu beschließen hatten. Bei den Wiedergutmachungs-verhandlungen wurde außerdem 1956 höchstrichterlich die rassische Verfolgung für den Zeitraum vor dem Auschwitzerlass 1942 verneint. Auch der Bundesgerichtshof korrigierte erst 1963 sein vorheriges Urteil teilweise und stellte fest, dass für die Verfolgungs-maßnahmen rassistische Motive „mitursächlich“ gewesen sein könnten. Es vergingen noch viele Jahre, bis der Bundestag im Jahr 1979 mit Antragsfrist bis Ende 1982 eine „Beihilfe“ von maximal 5000 DM gewährte. Für viele Opfer kam diese Entscheidung bereits zu spät.

Ab Anfang der 80er Jahre, mit der erstarkenden Bürgerrechtsbewegung der Roma, besonders in der Bundesrepublik Deutschland, änderte sich die Situation. In der medialen Öffentlichkeit wurde der Genozid zunächst unter dem Begriff Völkermord an Sinti und Roma bekannt, erst 1982 erklärte die Bundesregierung, dass die Verbrechen als Völkermord anzusehen sind.

In Bezug auf die Geschichte der Minderheit in der DDR stellen sich insbesondere Fragen darüber, welchen Umgang Politiker, Juristen, Bürokraten und Wissenschaftler mit Sinti und Roma im "antifaschistischen" Kontext der DDR praktiziert haben und wie dieses Handeln legitimiert wurde.

Mehr als zwanzig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung gibt es Erfahrungen in der praktischen Erinnerungsarbeit zur zivilgesellschaftlichen Aufarbeitung des Antiziganismus in Ost und West, in welcher Weise sich hierbei Ost- und Westeuropa möglicherweise unterscheiden oder ähneln. Die Diskussionsteilnehmer diskutieren die Unterschiede und jeweilige Spezifik ihrer Ausgangsbedingungen und Arbeitsansätze ausgehend von zivilgesellschaftlichen Initiativen, lokalen Arbeitskreisen und Bürgerbündnissen zur Erinnerung an den Nationalsozialismus und den Holocaust.

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EINE HOMMAGE AN DIE SINTI UND ROMA KULTUREN

Sa, 19.09. 18 Uhr

"Roma-Kunst", zähe Klischees und künstlerische Emanzipation

Auf der Suche nach Wegen, antiziganistische Mechanismen zu dekonstruieren, stellt Kunst nach Auffassung von André J. Raatzsch ein mögliches Medium dar. Durch die nicht gekennzeichnete Autorenschaft entstehe ein zunächst von Stereotypen befreiter Raum, der erst durch seinen Kontext kategorisiert wird.

In seinem Impulsvortrag wird André J. Raatzsch die Frage stellen, was unter "Roma-Kunst" zu verstehen ist, welche Assoziationen mit diesem Begriff geweckt werden und welche Auswirkungen diese Vorstellungen und Gedanken wiederum auf die Wahrnehmung und das Selbstbild von "Roma Menschen" haben.

André J. Raatzsch 1978 geboren in Thüringen, aufgewachsen in Ungarn, Kind eines deutschen Vaters und einer ungarischen Mutter mit Roma-Hintergrund, ist Künstler und lebt in Berlin/Deutschland und Budapest/Ungarn. Derzeit ist er im letzten Jahr eines Doktorandenprogramms an der Ungarischen Hochschule für Bildende Künste im Kontext des transdisziplinären Forschungsthemas „The Roma Image Studio“ tätig. Raatzsch hat in den vergangenen Jahren an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, so 2007 am Ersten Roma-Pavillon "Paradise Lost" der Biennale in Venedig.

So, 20.09. 16 Uhr

Antiziganismus in den Medien, Strategien und Mechanismen medialer Kommunikation - Gegenstrategien

Wie berichten Medien über Sinti und Roma? Werden traditionelle Stereotype und Vorurteile wiedergegeben? Was macht die Berichterstattung über Sinti und Roma so schwierig? Auf was sollten Redakteure und Autoren achten? Würde ein Kodex helfen?

Vorurteile gegenüber Sinti und Roma sind in den Medien weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit" des Politikwissenschaftler Markus End, in der er den Antiziganismus in den deutschen Medien umfassend untersucht hat. Demnach werden in Berichten über "Armutszuwanderung" oder "Einbrecher-Banden" uralte Klischees reproduziert, die von Journalisten oft nicht erkannt und hinterfragt werden. Öffentlich-rechtliche Medien bilden dabei keine Ausnahme. In Auftrag gegeben hat sie das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma. Analysiert wurden Radio-, TV-, Print- und Onlineberichte von 2010 bis 2014.

Im Impulsvortrag von Markus End soll die mediale Berichterstattung genauer betrachtet werden. Anhand verschiedener Beispiele wird unter anderem die Konstruktion des Narrativs "Armutszuwanderung" nachvollzogen und kritisiert, um zum Schluss auf die politischen Konsequenzen und möglichen Gefahren der Debatte einzugehen.

Markus End ist Diplom-Politologe und promoviert derzeit an der Technischen Universität Berlin zu Struktur und Funktionsweise des modernen Antiziganismus. Daneben arbeitet er in der politischen Erwachsenenbildung und als wissenschaftlicher Autor, u.a. für das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, den Amaro Drom e.V. und das Phiren Amenca Netzwerk. Seit 2014 ist er Beisitzer im Vorstand der Gesellschaft für Antiziganismusforschung, Marburg.

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EINE HOMMAGE AN DIE SINTI UND ROMA KULTUREN

NEIGHBOURS IN THE HOOD Herbstschule Antiromaismus und Selfempowerment 23.-27.09. Eine Kooperation zwischen Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden und der Brücke/Most-Stiftung. Das Programm ist Teil von RomaRespekt, gefördert als Modellprojekt des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Die Diskriminierung und Verfolgung der europäischen Sinti und Roma hat lange Tradition und ist immer noch in Form rassistischer Einstellungen in der Gegenwart zu finden. Kaum eine andere Minderheit wird so umfassend mit negativen Stereotypen belegt. Die Folgen sind verheerend: Die Chancen für sozialen Aufstieg sind massiv beschränkt, rassistische Angriffe keine Seltenheit. Trotzdem bleibt der gesellschaftliche Aufschrei aus. Für Sachsen ist die Geschichte und Gegenwart der Sinti und Roma ein geradezu blinder Fleck. Die rudimentäre Forschung erlaubt kein klares Bild zur lokalen Verfolgungsgeschichte im Nationalsozialismus. Auch das Wissen über die aktuellen Lebenssituationen hier lebender Sinti und Roma ist sehr gering. Hier setzt die Herbstschule an; in Form von Workshops, Lesungen, Gesprächen, Vorträgen sollen Leerstellen mit Wissen gefüllt werden. Im Vordergrund steht Wissensvermittlung, Selbstreflexion in Bezug auf eigene Vorurteilsstrukturen, Self-Empowerment teilnehmender Sinti und Roma und die lokale politische Vernetzung. weitere Informationen unter www.weiterdenken.de

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Pressefotos unter: http://www.hellerau.org/presse/fotos/romamor

Pressekontakt: Katja Solbrig Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Director of Press and Public Relations HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste Dresden European Center for the Arts Dresden Karl-Liebknecht-Straße 56 D-01109 Dresden telefon +49 (0) 351.264 62 18 mobil +49 (0) 173.369 87 77 fax +49 (0) 351.26462 23 [email protected] www.hellerau.org

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www.hellerau.org/romamor

+49 351 26462 46

Wir danken Martin Schulz, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments.

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Hauptförderer

Gefördert durch

Teile des Rahmenprogrammes werden gefördert im Rahmen des Landesprogrammes „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“

Förderer und Partner

Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma, Dokumentations- und Kultur zentrum Deutscher Sinti und Roma, EU-Parlament, Archa Theatre Prag, Theatron – Enga-ging New Audiences, Flamenco und Gypsy-Festival Jodhpur Rajasthan / Indien, MOVEIT!, Brücke/Most-Stiftung, Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, Amnesty International Stadtgruppe Dresden, Förderprogramm Grenzgänger der Robert Bosch Stiftung, Thalia Kino, Gymnasium Bürgerwiese